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www.derobino.de Handreichungen für die betriebliche Praxis Prozessmodellierung ISSN 2196-3371

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Page 1: Prozessmodellierung - Startseite - IAW€¢ Warum soll ein Prozess aufgenommen und modelliert werden? • Welcher Prozess wird modelliert? • Wie detailliert soll der Prozess aufgenommen

www.derobino.de

Handreichungen für die betriebliche PraxisProzessmodellierung

ISSN 2196-3371

Page 2: Prozessmodellierung - Startseite - IAW€¢ Warum soll ein Prozess aufgenommen und modelliert werden? • Welcher Prozess wird modelliert? • Wie detailliert soll der Prozess aufgenommen

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Prozesse in Unternehmen – Sinn und Zweck von ProzessmodellierungIn jedem Unternehmen fallen unterschiedliche Aufgaben an, von der Buchhaltung über den Einkauf, die Logistik oder Montage bis hin zur Personalabteilung und Warenwirtschaft. Die zur Erfüllung die-ser Aufgabe durchzuführenden Vorgänge werden als Arbeitsprozesse bezeichnet.

Ein Prozess ist eine Folge von Tätigkeiten, die ei-nen zeitlichen Beginn und ein Ende haben. Er-gebnis eines Prozesses kann sowohl ein Produkt, ein Werkstoff oder ein Dokument als auch eine Information, Dienstleistung oder Ähnliches sein.

Wer ist in meinem Unternehmen für das Einholen von Angeboten verantwortlich? Wer für das Auslö-sen von Bestellungen? Wie erfolgt die Wartung unserer Betriebsmittel? Was genau macht eigentlich unsere Personalabteilung?

Prozesse spielen in jedem Unternehmen eine zentrale Rolle: Sie schaffen Transparenz, zeigen Ver-antwortlichkeiten, erleichtern das Einarbeiten von neuen Mitarbeitern, ermöglichen die Verkürzung von Auftrags- und Durchlaufzeiten u.v.m. Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), in denen ein Mitarbeiter häufig mehrere Funktionen gleichzeitig besetzt, kann die Modellie-rung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse erste Potenziale zur Verbesserung der Ablauforganisation aufzeigen.

Mit der vorliegenden „Handreichung für die betriebliche Praxis“ werden neben begrifflichen Grund-lagen die verschiedenen Methoden sowie die wesentlichen Vorteile der Prozessaufnahme und -mo-dellierung beschrieben. Sie vermittelt das notwendige Grundwissen, wie Abläufe im Unternehmen erfasst und dargestellt werden können.

Mit der Aufnahme und Darstellung von Arbeitsprozessen, d. h. mit einer Prozessmodellierung, sind viele Vorteile verbunden:

•Kenntnis des aktuellen IST-Standes

•Schaffen von Transparenz und einem einheit lichen Verständnis unter den Mitarbeitern

•Erleichterung des Wissensaustauschs

•Aufdecken von Schwachstellen im Prozess

•Verbesserung der Prozessqualität und Prozess sicherheit

•Grundlage für die Reorganisation von Abläufen

•Optimierung der Durchlaufzeiten

•Aufdecken von Fehlern

•Reduzierung der Prozesskosten

•einfache und schnelle Einarbeitung von neuen Mitarbeitern

•Erstellung von präzisen Arbeitsanweisungen

Ein (Arbeits)Prozessmodell ist eine abstrakte – und gleichzeitig formalisierte Abbildung – von Entscheidungen und Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitssystems.

NichtzuletztsindimQualitätsmanagementProzessmodelleeineVoraussetzungfüreineZertifizierung z. B. nach DIN EN ISO 9001.

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33Prozessmodellierung

Modellierungssprachen Prozesse können mit Hilfe von Modellierungssprachen visualisiert werden. Wie in der gesprochenen Sprache, so unterliegen auch die Modellierungssprachen Regeln, welche Strukturen vorgeben und gemeinsames Verständnis ermöglichen.

DIN 66001Die DIN 66001 entstand als Darstellungsmetho-de zur Visualisierung von logischen Programmab-laufplänen und wird heute zur Darstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen genutzt.

BPMN (Business Process Model and Notation)Ausgehend von einer Initiative von IBM® wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Entwicklung einer standardisierten Modellierungssprache zur Darstellung von Geschäftsprozessen eingeleitet.

eEPK (erweiterte ereignis gesteuerte Prozesskette)

K3Die Modellierungssprache K3 – benannt nach den Anfangsbuchstaben der wesentlichen Be-standteile Koordination, Kooperation und Kom-munikation – ist eine am Institut für Arbeitswis-senschaft der RWTH Aachen (IAW) entwickelte Modellierungssprache. Der Vorteil dieser Metho-de gegenüber den anderen Modellierungsspra-chen liegt insbesondere darin, dass auch nicht ganz eindeutige Abläufe und Abfolgen von Tätig-keiten gut erfasst und dargestellt werden können. Ausführliche Informationen zur Anwendung von K3alsModellierungsmethodefindensichineinereigenständigen Veröffentlichung in der Reihe der „Handreichungen für die betriebliche Praxis“.

Aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. dem Projektmanagement, der Softwareentwicklung oder Wirt-schaftsinformatik) haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Modellierungssprachen entwickelt und etabliert. Obwohl jede Modellierungssprache ihre eigenen Symbole verwendet und einer eigenen Gram-matik, der sogenannten Syntax, folgt, bieten alle Modellierungssprachen im Kern die gleiche Funktiona-lität (vgl. Abbildung 1).

Kennzeichnend für die eEPK-Methode ist der Wechsel zwischen Er-eignissen (Beschrei-bung eines eingetre-tenen Zustandes) und Funktionen (Beschrei-bung von Aufgaben und Aktionen).

Vorschlagaufschreiben

Mitarbeiter Vorarbeiter Meister

Formularausfüllen

Formularausfüllen

Vorschlagdiskutieren

Vorschlagdiskutieren

Feedback-gespräch

führen

Vorschlageinsteuern

[nein] [ja]

Feedback-gespräch

führen

Vorschlag umsetzbar?

Abbildung 1: Darstellung eines Arbeitsprozesses mit K3 (oben links), DIN 66001 (unten links) und eEPK (rechts).

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: Simultanität bzw. Synchronisation

: Vorgänger-Nachfolger-Beziehung

: Aktivität

: Entscheidung

Nein

Ja

1

2

2

n

m

...

...n+1?

Alternative Aktivitäten

1

1.1

2.1

1.n

2.m

...

...n+1

Nebenläufige bzw. simultane Aktivitäten

1 2Sequenz von Aktivitäten

...

Abbildung 2: Flussprinzipien der Prozessmodellierung

Akteure, Aktivitäten und FlussprinzipienUnabhängig vom im Einzelfall ausgewählten Prozess gibt es Elemente, die sich in vielen Prozessen wiederfinden. Zu diesen Elementen gehören Akteure, Aktivitäten, Dokumente und der Kontrollfluss, der den Prozessablauf abbildet.

Hierbei wird jedem Akteur eine sog. eigene Swim-lane (Deutsch: Schwimmbahn) zugewiesen. Die zu einem Akteur gehörenden Aktivitäten werden alle innerhalb dieser Bahn abgebildet.

Aktivitäten Unter Aktivitäten werden in der Prozessmodellie-rung die Tätigkeiten und Arbeitsschritte gefasst, die im Rahmen des Prozesses anfallen. Damit Aktivitäten möglichst präzise die tatsächlichen Handlungen beschreiben, ist es empfehlenswert, diese als Kombination von Nomen und Verb zu benennen, beispielsweise: „Platine stanzen“, „Spezifikationerstellen“,„Qualitätprüfen“.

Dokumente Dokumente (auch Informationsobjekte genannt) können das Ergebnis einer Aktivität sein (z. B. ein Angebot) oder den benötigten Input für eine Akti-vität (z. B. eine Anfrage eines Kunden) abbilden.

Akteure An Prozessen und Abläufen sind in der Regel mehr als eine Person beteiligt. Es ist daher not-wendig,dieinvolviertenAkteurezuidentifizieren.Die Abbildung eines Akteurs ist in jeder Modellie-rungssprache unterschiedlich. In vielen Modellie-rungssprachen werden alle Akteure, die an einem Prozess beteiligt sind, nebeneinander aufgeführt.

KontrollflussAusgehend vom Startpunkt des Prozesses gibt der Kontrollfluss an, in welcher Reihenfolge dieTätigkeiten auszuführen sind. Der Prozessablauf wirdsodurchdenKontrollflussfestgelegt.Inbe-stimmten Fällen, z. B. im Fall von Entscheidungen oder der parallelen Ausführung von Aktivitäten, kannsichderKontrollflussteilen.Diewichtigstensachlogischen Verknüpfungen zeigt Abbildung 2.

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55Prozessmodellierung

Vorbereitung der ProzessaufnahmeBevor die Prozessaufnahme im Unternehmen beginnen kann, sind zunächst einige Vorbereitungen zu treffen, sodass die Modellierung des Prozesses schnell und korrekt abläuft. Eine Reihe von W-Fragen bietet dabei eine konkrete Orientierung.

•Warum soll ein Prozess aufgenommen und modelliert werden?

•Welcher Prozess wird modelliert?

•Wie detailliert soll der Prozess aufgenommen werden?

•Wer ist für den Prozess verantwortlich und wer wirkt mit?

•Wen muss man über die Prozessaufnahme informieren?

•Wann und wo soll die Prozessaufnahme stattfinden?

Abbildung 3: Abbildung einer Prozessmodellierung

Prozessaufnahme und ProzessmodellierungNachdem die Vorbereitungen für die Prozessaufnahme abgeschlossen sind, kann die eigentliche Prozessaufnahme und Modellierung durchgeführt werden. Hierbei können unterschiedliche Vorge-hen sinnvoll sein und Hilfsmittel eingesetzt werden.

Prozessaufnahme und Prozessmodellierung un-terscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass während der Aufnahme der Ablauf des Prozesses von den Akteuren erfragt wird, während die Mo-dellierung die (visuelle) Aufbereitung des Prozes-ses zur Dokumentation und weiteren Verwendung beinhaltet.

Für die Prozessaufnahme kann auf unterschied-liche Methoden (oder einer Kombination daraus) zurückgegriffen werden, bspw. Dokumentenana-lyse, Beobachtung oder Interviews. Damit die Ge-sprächspartner bei der Prozessmodellierung ein einheitliches Verständnis vom Thema bzw. vom Prozess entwickeln, ist es sinnvoll, dass der Pro-zessverlauf gleichzeitig skizziert wird. Hierfür sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: ob Flipchart und Post-It‘s®, Whiteboard mit entsprechenden Stiften und Magneten oder konventionell mit Pa-pier, Bleistift und Radiergummi. Wichtig ist, dass Änderungen schnell und leicht während der Pro-zessaufnahme, also während des Gespräches, möglich sind. Ein entsprechendes Beispiel zeigt Abbildung 3.

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ChecklisteNachfolgende Checkliste fasst die wichtigsten Punkte der Prozessaufnahme und Prozessmodellie-rung, also der Visualisierung des Prozesses, chronologisch zusammen. Durch Abhaken der Checklis-te kann sichergestellt werden, dass bei der Durchführung der Prozessaufnahme alle Beteiligten und Elemente berücksichtigt werden

Nr. Beschreibung Vorgehen1. Einstieg in die

Prozessaufnahme•Bereitlegen von benötigten Materialien (FlipChart, Stifte, Post-Ist® etc.)•Begrüßung der Mitarbeiter•Dank für die Mitarbeit•Grund für die Prozessaufnahme nennen•Vorgehen und Ablauf beschreiben

2. Prozessabgrenzung hinterfragen

•Ist die Prozessabgrenzung nach Meinung der Mitarbeiter richtig?•Abweichungen notieren

3. Prozess aufnehmen •Verantwortlichkeiten erfragen: Wer führt welche Tätigkeiten aus?•Zugehörige Organisationseinheit notieren•Akteure entsprechend der gewählten Methode visualisieren •Tätigkeiten erfragen: Welche Tätigkeiten müssen ausgeführt werden?•Jede Tätigkeit als eigenständige Aktivität dokumentieren•Aktivität im Prozessmodell platzieren und Vorgänger/Nachfolger Beziehung prüfen•Zeitlichen und logischen Ablauf erfragen: In welcher Reihenfolge werden Tätigkei-

ten ausgeführt?•KontrollflussimProzessmodellergänzen

4. Prozessaufnahme überprüfen

•Alle Aktivitäten notiert?•Verantwortlichkeiten eindeutig zugeteilt?•Zeitlicher Ablauf korrekt?

5. Prozess detaillie-ren

•Hilfsmittel erfragen: Welche Werkzeuge, Software-Programme, Informationssyste-me etc. sind für die Ausführung einer Tätigkeit notwendig?

•Hilfsmittel an den vorgesehenen Aktivitäten platzieren•Informationsobjekte erfragen: Welche Informationen und Objekte sind für die Aus-

führung einer Tätigkeit erforderlich? Welche Informationen werden erzeugt? Welche Informationen werden übermittelt?

•Informationen und Objekte notieren und visualisieren•Verzweigungen und Varianten erfragen: Welche Varianten können bei der Reihen-

folge von Tätigkeiten auftreten? Welche Bedingungen oder Entscheidungen be-einflussendieReihenfolgevonTätigkeiten?WelcheTätigkeitenwerdenmehrfachausgeführt?

•Entscheidungen inkl. Bedingungen im Prozessmodell notieren•Zusammenarbeit erfragen: Welche Personen sind an der gleichzeitigen Ausführung

einer Tätigkeit beteiligt? Wie kommunizieren die beteiligten Personen?•Synchrone Zusammenarbeiten an der Ausführung von Tätigkeiten modellieren

6. Prozessaufnahme erneut überprüfen

•Namen aller Aktivitäten korrekt? „Substantiv + Verb“•Organisationseinheiten korrekt zugeordnet?•Alle Hilfsmittel berücksichtigt?•Alle Informationsobjekte eingeplant?•Entscheidungen sinnvoll und vollständig beschriftet?•Insgesamt vollständige und umfassende Beschriftung aller Elemente?

7. Prozessaufnahme abschließen

•Bedanken für die Mitarbeit

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77Prozessmodellierung

ProzessanalysenEin fertiges Prozessmodell bildet die Grundlage für weiterführende Prozessanalysen. So können an-hand des Modells Schwachstellen identifiziert, Verbesserungen diskutiert und Maßnahmen abgelei-tet werden.

Weiterführende LiteraturDiese Handreichung für die Betriebliche Praxis thematisiert Prozessmodellierung. Die vorange-gangenen Kapitel bieten das nötige Basiswis-sen, um erste Schritte der Prozessmodellierung angehen zu können. Bei den Autoren kann ein kostenloser Leitfaden zur Prozessmodellierung mittels der K3 Methode angefragt werden. Für weitergehende Informationen sei beispielsweise auf folgende Werke verwiesen:

• Nielen, A., Jeske, T., Arning, K., Schlick, C.M. (2010): Prozessmodellierungssprachen für kleine und mittlere Unternehmen, In: Neue Arbeits- und Lebenswelten gestalten, 56. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswis-senschaft

• Meyer, U.B., Creux, S.E., Weber Marin, A.K. (2005):GrafischeMethodenderProzessana-lyse – Für Design und Optimierung von Pro-duktionssystemen.

• Best, E., Weth, M. (2005): Geschäftsprozes-se optimieren – Der Praxisleitfaden für erfolg-reiche Reorganisation. Wiesbaden: Gabler.

Eine weiterführende Analysemethode stellt die Prozesssimulation dar, mit deren Hilfe Prognosen bezüglich der Dauer und Kosten eines Prozesses gemacht werden können. Die Simulation ist eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage (insbesonde-

re bei Vorgängen mit Unsicherheit. Auf das Ver-fahren der Simulation und welche Möglichkeiten damit verbunden sind, wird in einer separaten Veröffentlichung innerhalb der Reihe „Handrei-chung für die betriebliche Praxis“ eingegangen.

ImpressumISSN 2196-3371 Handreichungen für die betriebliche Praxis

Herausgeber: Christopher M. Schlick

Autoren: Philipp Przybysz, Sönke Duckwitz

Ausgabe 5: „Prozessmodellierung“

Aachen 2014

Titelbild: © Shutterstock/Peshkova

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Philipp PrzybyszSönke Duckwitz

Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen

Bergdriesch 27 52056 Aachen

www.derobino.de

DLR

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