prinzipien der prallzerkleinerung und ihre anwendung bei der strahlmahlung

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CHEMIE-IN GENIEUR-TECHNIK Zeitschrift fur technische Chemie, Verfahrenstechnik und Apparatewesen CECRONDET 1928 UNTER DEM TITEL ,.DIE CHEMISCHE FABRIK" 32. .Juhrgutg Nr. 3 Seite 129-252 Mary 1960 Prinzipien der Prallzerkleinerung und ihre Anwendung bei der Strahlmahlung*) Von Prof. Dr.-lng. H. RUMPF Mitteilung aus dem lnstitut fur Mechanische Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Karlsruhe Fur die Strahlmahlung, eine Art der Prallzerkleinerung, werden die Moglichkeiten der Einstellung und Beeinflussung der Beanspruchungsvorgange untersucht. In der Strahlmuhle sind bei richtiger Strahl- fuhrung die gegenseitigen TeilchenstoOe gegenuber den WandstoOen vorherrschend. Die gewunschte Prallgeschwindigkeit wird durch die pneumatische Beschleunigung der Teilchen im Strahl eingestellt. Dies verlangt in Abhangigkeit von der Strahlgeschwindigkeit und der TeilchengroOe eine bestimmte Beschleu- nigungsstrecke, die sich uberschlagig berechnen IaOt. Man braucht also eine bestimmte Mindestlange des Strahles, die mit der KorngroOe des Gutes stark anwachst. Do die turbulente Vermischung die Strahl- geschwindigkeit herabsetzt, gehort zu einer bestimmten Strahllange und Strahlgeschwindigkeit auch eine bestimmte Dusenoffnung. Die Arten der Beanspruchungsmechanismen Suchen wir nach eindeutigen Kriterien fur die Unter- scheidung und Bezeichnung von Zerkleinerungsmaschinen, so finden wir diese eher in der Konstruktion, Bewegungs- art und Betriebsweise der Gerate als in den Beanspru- chungszustanden der Gutteilchen. Eine ganz allgemeine eine Unterscheidung nach der B e a n s p r u c h u n g s g e - s c h w i n d i g k e i t und damit nach einer physikalischen Bedingung der Bruchauslosung . Die Beans.pruchungsgeschwin- digkeit liegt in den meisten Fallen der Trockenzerkleinerung nach Beanspruchungsmechanismus I unter 15 m/s, bei der Prallbeanspruchung iiber 15 ds, oft weit hoher. Wahrend wir also nicht in der Lage sein werden, die Zerkleinerungs- und grundsatzliche Unter- scheidungsmoglichkei t liegt in der Art und Her- kunft der Kraft und Ener- gie, die zur Beanspru- chung'der Teilchen fuhren. Auf die sich dabei erge- benden drei Arten von Beanspruchungsmechanis- men wurde bereits hinge- wiesen'). Sie seien noch- mals angefuhrt: I. Die Gutteilchen werdeii zwischen zwei Flachen beansprucht. Die ihnen zufliebende Energie und die GroBe der beanspru- chenden Kraft hangt von der Bewegung der FIB- &en ab. 11. Die Teilchen werden nur an einer Flache, sei es an einem Mahlorgan oder einem anderen Teilchen beansprucht. Die bean- spruchende Kraft kann dann nur eine Massen- kraft sein, die in dem Teilchen bei seiner Be- Vortragsheft Jahrestreffen 1959 der Verfahrens-lngenieure Die VDI-Fachgruppe Verfahrenstechnik, die sich inzwischen in die Verfahrenstechnische Gesellschaft im VDI umgebil- det hat, veranstaltete vom 4. bis 7. Oktober 1959 das 6. Jahrestreffen der Verfahrens-lngenieure in Essen. Mit 1500 Teilnehmern aus dem In- und Ausland war es das groOte Jahrestreffen, das Verfahrens-lngenieure und Appa- ratebauer aus Betrieb, Wissenschaft und Forschung zu ge- meinsamer und erfolgreicher Arbeit vereint hatte. 21 Fach- vortrage vermittelten einen nachhaltigen Eindruck von dem umfangreichen Arbeitsgebiet der Verfahrenstechnik. Diese Vortrage erscheinen wiederum geschlossen in diesem Heft, zum groOten Teil im Wortlaut. In den Veroffentlichungen sind die Diskussionen der Tagung bereits berucksichtigt. Uber den Ablauf der Veranstaltung und die Plenarvortrage berichteten wir bereits in Heft 1111959 auf den Seiten 748 bis 750. Der Vortrag ,,25 Jahre Verfahrenstechnik - Uber- blick und Ausblick", in dem Prof. K. RieO auf die Tatigkeit der VDI-Fachgruppe aus AnlaO ihres 25iahrigen Bestehens einging, erschien inzwischen in den ,,Nachrichten aus Che- mie und Technik" Bd. 7 (1959) Nr. 22, S. 378/380. schleunigung oder Verzogerung wirksam wird. Die zur Zer- kleinerung nutzbare Energie ist die kinetische Energie der Relativbewegung von Teilchen und Wand oder Teilchen und Teilchen. Die Beanspruchung des Teilchens ist fast immer sowohl eine Normal- als auch eine Reibungsbeanspruchung. Diesen Beanspruchungsmechanismus wollen wir als P r a 1 1 - b e a n s p r u c h u n g bezeichnen. Der Begriff Schlagzerklei- nerung ist unter diesem Aspekt unklsr, weil er sowohl fur Beanspruchungsmechanismus I als auch I1 angewandt wird. Die Einteilung der Zerkleinerungsmethoden In die beiden Beanspruchungsmechanismen I und I1 bedeutet zugleich *) Teil eines Vortrages beim Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure vom 4. bis 7. Okt. 1959 in Essen. methoden nach der Art des im Teilchen erzeug- ten Spannungszustandes genauer abzugrenzen, da die Beanspruchungsgeo- metrie und damit der Spannungszustand im einzelnen Teilchen unbe- kannt sind, und wir viel- mehr damit rechnen miis- sen, daD bei jeder Zer- kleinerungsmethode ei- ne groDe Vielfalt ver- schiedener Spannungszu- stande vorkommen, ist die Beanspruchungsge- schwindigkeit und damit die Geschwindigkeit, mit der sich die Spannungen aufbauen, ein zugangli- chcs physikalisches Un- terscheidungsmerkmal der beiden Beanspru- chungsmechanismen I und 11. 111. Bei beiden Mechanismen I und I1 wird das Teil- chen durch die Beriih- rung mit einem Festkor- per beansprucht. Es wer- den aber auch von dem umgebenden fliissigen oder gasformigen Medium Krafte auf das Teilchen ausgeiibt, die bei geeigneten Bedingungen so groD sein konnen, daD eine Zerkleinerung oder mindestens eine Aufliisung von Agglomeraten stattfinden. Diese Mog- lichkeit der Beanspruchung durch das umgebende Medium soll als Beanspruchungsmechanismus 111 gekennzeichnet wer- den. Er wird bei der N a D m a h 1 u n g genutzt; bei den meisten Verfahren der Trodcenmahlung ist er bedeutungslos. Im folgenden soll nur von Beanspruchungsmechanis- mus 11, also der Prallzerkleinerung, die Rede sein. Die Prallbeanspruchung ist nicht etwa erst mit dem Bau von Zerkleinerungsmaschinen, in deren Namen die Chemie-1ng.-Teb. 32. Jahrg. 1960 / Nr. 3 Z 29

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Page 1: Prinzipien der Prallzerkleinerung und ihre Anwendung bei der Strahlmahlung

CHEMIE- IN GENIEUR-TECHNIK Zeitschrift fur technische Chemie, Verfahrenstechnik und Apparatewesen

C E C R O N D E T 1 9 2 8 U N T E R D E M T I T E L , . D I E C H E M I S C H E F A B R I K "

32. .Juhrgutg Nr. 3 Seite 129-252 Mary 1960

Prinzipien der Prallzerkleinerung und ihre Anwendung bei der Strahlmahlung*)

Von Prof. Dr.-lng. H . RUMPF

Mi t te i lung aus dem lnst i tut fur Mechanische Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Karlsruhe

Fur die Strahlmahlung, eine Art der Prallzerkleinerung, werden die Moglichkeiten der Einstellung und Beeinflussung der Beanspruchungsvorgange untersucht. In der Strahlmuhle sind bei richtiger Strahl- fuhrung die gegenseitigen TeilchenstoOe gegenuber den WandstoOen vorherrschend. Die gewunschte Prallgeschwindigkeit wird durch die pneumatische Beschleunigung der Teilchen im Strahl eingestellt. Dies verlangt in Abhangigkeit von der Strahlgeschwindigkeit und der TeilchengroOe eine bestimmte Beschleu- nigungsstrecke, die sich uberschlagig berechnen IaOt. Man braucht also eine bestimmte Mindestlange des Strahles, die mit der KorngroOe des Gutes stark anwachst. Do die turbulente Vermischung die Strahl- geschwindigkeit herabsetzt, gehort zu einer bestimmten Strahllange und Strahlgeschwindigkeit auch eine

bestimmte Dusenoffnung.

Die Arten der Beanspruchungsmechanismen Suchen wir nach eindeutigen Kriterien fur die Unter-

scheidung und Bezeichnung von Zerkleinerungsmaschinen, so finden w i r diese eher in der Konstruktion, Bewegungs- art und Betriebsweise der Gerate als in den Beanspru- chungszustanden der Gutteilchen. Eine ganz allgemeine

eine Unterscheidung nach der B e a n s p r u c h u n g s g e - s c h w i n d i g k e i t und damit nach einer physikalischen Bedingung der Bruchauslosung . Die Beans.pruchungsgeschwin- digkeit liegt in den meisten Fallen der Trockenzerkleinerung nach Beanspruchungsmechanismus I unter 15 m/s, bei der Prallbeanspruchung iiber 15 d s , oft weit hoher. Wahrend wir also nicht in der Lage sein werden, die Zerkleinerungs-

und grundsatzliche Unter- scheidungsmoglichkei t

l iegt in der Art und Her- kunf t der Kraf t und Ener- gie, die zur Beanspru- chung'der Teilchen fuhren. Auf die sich dabei erge- benden drei Ar ten von Beanspruchungsmechanis- men wurde bereits hinge- wiesen'). Sie seien noch- mals angefuhrt:

I. Die Gutteilchen werdeii zwischen zwei Flachen beansprucht. Die ihnen zufliebende Energie und die GroBe der beanspru- chenden Kraft hangt von der Bewegung der FIB- &en ab.

11. Die Teilchen werden nur an einer Flache, sei es an einem Mahlorgan oder einem anderen Teilchen beansprucht. Die bean- spruchende Kraft kann dann nur eine Massen- kraft sein, die in dem Teilchen bei seiner Be-

Vortragsheft Jahrestreffen 1959 der Verfahrens-lngenieure Die VDI-Fachgruppe Verfahrenstechnik, die sich inzwischen in die Verfahrenstechnische Gesellschaft im VDI umgebil- det hat, veranstaltete vom 4. bis 7. Oktober 1959 das 6. Jahrestreffen der Verfahrens-lngenieure in Essen. M i t 1500 Teilnehmern aus dem In- und Ausland war es das groOte Jahrestreffen, das Verfahrens-lngenieure und Appa- ratebauer aus Betrieb, Wissenschaft und Forschung zu ge- meinsamer und erfolgreicher Arbeit vereint hatte. 21 Fach- vortrage vermittelten einen nachhaltigen Eindruck von dem umfangreichen Arbeitsgebiet der Verfahrenstechnik. Diese Vortrage erscheinen wiederum geschlossen in diesem Heft, zum groOten Teil im Wortlaut. In den Veroffentlichungen sind die Diskussionen der Tagung bereits berucksichtigt. Uber den Ablauf der Veranstaltung und die Plenarvortrage berichteten wir bereits in Heft 1111959 auf den Seiten 748 bis 750. Der Vortrag ,,25 Jahre Verfahrenstechnik - Uber- blick und Ausblick", in dem Prof. K. RieO auf die Tatigkeit der VDI-Fachgruppe aus AnlaO ihres 25iahrigen Bestehens einging, erschien inzwischen in den ,,Nachrichten aus Che- mie und Technik" Bd. 7 (1959) Nr. 22, S. 378/380.

schleunigung oder Verzogerung wirksam wird. Die zur Zer- kleinerung nutzbare Energie ist die kinetische Energie der Relativbewegung von Teilchen und Wand oder Teilchen und Teilchen. Die Beanspruchung des Teilchens ist fast immer sowohl eine Normal- als auch eine Reibungsbeanspruchung. Diesen Beanspruchungsmechanismus wollen wir als P r a 1 1 - b e a n s p r u c h u n g bezeichnen. Der Begriff Schlagzerklei- nerung ist unter diesem Aspekt unklsr, weil er sowohl fur Beanspruchungsmechanismus I als auch I1 angewandt wird. Die Einteilung der Zerkleinerungsmethoden In die beiden Beanspruchungsmechanismen I und I1 bedeutet zugleich

*) Teil eines Vortrages beim Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure vom 4. bis 7. Okt. 1959 in Essen.

methoden nach der Art des im Teilchen erzeug- ten Spannungszustandes genauer abzugrenzen, da die Beanspruchungsgeo- metrie und damit der Spannungszustand im einzelnen Teilchen unbe- kannt sind, und wir viel- mehr damit rechnen miis- sen, daD bei jeder Zer- kleinerungsmethode ei- ne groDe Vielfalt ver- schiedener Spannungszu- stande vorkommen, ist die Beanspruchungsge- schwindigkeit und damit die Geschwindigkeit, mit der sich die Spannungen aufbauen, ein zugangli- chcs physikalisches Un-

terscheidungsmerkmal der beiden Beanspru-

chungsmechanismen I und 11.

111. Bei beiden Mechanismen I und I1 wird das Teil- chen durch die Beriih- rung mit einem Festkor- per beansprucht. Es wer- den aber auch von dem

umgebenden fliissigen oder gasformigen Medium Krafte auf das Teilchen ausgeiibt, die bei geeigneten Bedingungen so groD sein konnen, daD eine Zerkleinerung oder mindestens eine Aufliisung von Agglomeraten stattfinden. Diese Mog- lichkeit der Beanspruchung durch das umgebende Medium soll als Beanspruchungsmechanismus 111 gekennzeichnet wer- den. Er wird bei der N a D m a h 1 u n g genutzt; bei den meisten Verfahren der Trodcenmahlung ist er bedeutungslos. Im folgenden sol l nur von Beanspruchungsmechanis-

mus 11, also der Prallzerkleinerung, die Rede sein.

Die Prallbeanspruchung ist nicht etwa erst m i t dem Bau von Zerkleinerungsmaschinen, in deren Namen die

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Silbe Prall vorkomnit, erfunden bzw. in die Zerkleine- rungstechnik eingefuhrt worden. In Wirklichkeit wurde der Beanspruchungsmechanismus I1 von den hnfangen der Zerkleinerungstechnik an genutzt. Er findet in allen Zer- kleinerungsmaschinen fur Trockenzerkleinerung Anwen- dung, deren bewegte Mahlorgane Geschwindigkeiten uber etwa 20 m/s haben, also auch in Hammermuhlen, Schlag- flachenmuhlen, Stiftmuhlen und selbstverstandlich auch in Strahlmuhlen. Es gibt mehrere Veroffentlichungen, in de- nen nach Einfuhrung der ,,Prallmuhlen” versucht wurde, einen grundsatzlichen Unterschied zwischen der Schlagbe- anspruchung in Hammermuhlen und der Prallbeanspru- chung in Prallmuhlen abzuleiten. Ein solcher Unterschied besteht aber fur die weitaus uberwiegende Anzahl der Beanspruchungsfalle nicht.

Der Unterschied in der Arbeitsweise und Wirkung verschiedener Prallzerkleinerungsmaschinen liegt nicht im grundsatzlichen Beanspruchungsmechanismus. Wohl aber ist im Rahmen dieses ubergeordneten Mechanismus noch eine groRe Variabilitat der Beanspruchungsvorgange und -intensitaten moglich, deren Veranderung eine vielfaltige Beeinflussung der Zerkleinerungsergebnisse zulaRt.

Energieausnutzung bei der Prallzerkleinerung eines Einzelteilchens

Zuvor sollen einige Prinzipien der Prallzerkleinerung von Einzelteilchen zusammengefaRt dargestellt werden. Auf eine fruhere ausfuhrliche Veroffentlichung kann dabei verwiesen werdenl).

S t o R a r t e n Damit ein Teilchen zerkleinert wird, muR ihm ein be-

stimmter Energiebetrag zugefuhrt werden und dabei zu- gleich eine zur Bruchauslosung ausreichende Spannung in ihm aufgebaut werden. Die Hohe des erforderlichen Ener- giebetrages hangt von den Festigkeitseigenschaften des Stoffes, von der TeilchengroRe und von der Beanspru- chungsart ab.

Beim Aufprall eines Teilchens steht theoretisch gun- stigstenfalls diejenige kinetische Energie zur Verformung und damit zur Bruchauslosung zur Verfugung, die sich aus der Teilchenmasse und der Geschwindigkeitsdifferenz vor dem Aufprall und am Ende der ersten StoRperiode nach den klassischen StoRgesetzen errechnet, wenn angenom- men wird, daR der StoR gerade und zentral erfolge. Tat- sachlich wird fast immer ein kleinerer Energiebetrag ge- nutzt. Dies hat zwei Grunde:

Erstens entsprechen Bewegungsanderung und Ener- gieaustausch des tatsachlichen elastischen Stones nicht der klassischen mechanischen StoRtheorie, wenn die Laufzei- ten der elastischen Wellen in den beiden stoRenden Kor- pern verschieden groR sind. Bei etwa gleicher Schall- geschwindigkeit flieRt dem kleineren Korper nur etwa diejenige Energiemenge zu, die er nach den klassischen StoRgesetzen erhielte, wenn die Masse des gestoRenen Korpers gleich seiner eigenen Masse ware.

Der zweite Grund fur die geringere Energieausnutzung liegt in der Abweichung der StoRgeometrie vom geraden zentralen StoR.

Der nach der klassischen StoRtheorie errechnete, der kleineren Masse m, beim geraden StoR mit mg zuflieaen- de Energiebetrag sei El. Tatsachlich gibt in der ersten StoRperiode nur eine Teilmasse m2* ihre Energie an m, ab. Ungunstigstenfalls ist m,* = m,. Dann wird das Verhaltnis der dem Korper m, zuflieRenden Energie El’ zu dem Be-

m, I’ = [ ( 1 + - ’ ) 1 2

El’ hag El: Cl’ = E ,

Fur sehr groRe Werte m, nahert sich diese Energieaus-

Beim e x z e n t r i s c h e n S t o R ist nach der klassi- tauschzahl C dem Wert 114

schen StoRtheorie an Stelle m, die reduzierte Masse j z

m’, = m, pi + i,?

einzusetzen, wenn r-

der Tragheitsradius des exzentrisch getroffenen Korpers I, ist. Damit errechnet sich ebenfalls eine unter 1 liegende Energieaustauschzahl im Verhaltnis zum zentralen StoR. Die kleinere ausgetauschte Energie verteilt sich nicht gleichmaRig auf den Korper 1, sondern konzentriert sich in dem der StoRwelle naheliegenden Teil. Bei hinreichend groRer Beanspruchung ist die Zertrummerung an der StoR- stelle mit Bruchen in der Korpermitte in den am starksten beanspruchten Querschnitten verbunden.

Sehr vie1 haufiger als der gerade StoD ist der s c h i e f e S t o I3 , bei dem die Bewegung der Korperoberflache un- mittelbar vor dem StoD nicht in Richtung der StoRnorma- len liegt. Die tangentiale Geschwindigkeitskomponente fuhrt immer zu einer Reibung und auch zu einer energie- verzehrenden Reibungsbewegung, wenn

12 + p2 tg a > tg a, = +1 ’ ~

i2

ist, wobei ,u den Reibungskoeffizienten, i den Tragheits- radius, p den Schwerpunktsabstand des aufprallendenTei1- chens und a den Winkel zwischen StoRnormale und Be- wegungsrichtung bei translatorischer Bewegung vor dem StoR bedeuten. Die Energie der Reibungsbewegung A,, kann einen nennenswerten Anteil der Energie der norma- len StoRkomponente ausmachen. Fur ,u = 0,2 z. B. tritt die Gleichung a > a, = 35 O auf und das Verhaltnis der Rei- bungsenergie zur Energie der normalen StoRkomponente ist 26O/o bei a = 45 und 55O/o bei a = 60 O .

S t o a h a u f i g k e i t Man kann an Hand von vereinfachten Modellen uber-

schlagig berechnen, welche Haufigkeit etwa den verschie- denen StoBarten zukommt.

Abb. 1 zeigt die Verhaltnisse in einer Prallmuhle. Die Teilchen haben von der Einlaufrutsche her oder durch senkrechten Fall eine bestimmte Eindringgeschwindigkeit v, in den Schlagkreis, wobei der gunstige Fall angenom- men ist, daR v, radial gerichtet ist. Die Gutteile konnen auf die radiale Schlagleistenseite, auf die Schlagleisten- kante oder auf die Umfangsflache der Schlagleiste auf- treffen. Fur die Wahrscheinlichkeit W fur den Aufprall auf die radiale Schlagleistenseite gilt mit den Bezeichnun- gen in Abb. 1

z b f 6 + (8/2 f Q) . u/v,, W = l - - . (1). 2 n R

Hierbei bedeuten z die Anzahl der Schlagleisten, b die Schlagleistenbreite, 6 den Teilchendurchmesser, @ den

- R - 7 ’ - -

Abb. 1 . Wahrscheinlichkeit fur den Aufprall auf die radiale Schlagleistenseite

u = Umfangsgeschwindigkeit

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Krummungsradius, I I die Umfangsgeschwindigkeit. In Tabelle 1 ist G1. (1) ausgewertet. Die Zahlenwerte ent- sprechen mittleren Bedingungen bei der Grob-, Mittel- und Feinzerkleinerung. Die Wahrscheinlichkeit ist bei der Grobzerkleinerung null; bei den angenommenen Bedin- gungen wurde nur KantenstoR und UmfangsstoR moglich sein, wobei ersterer zerkleinerungstechnisch gunstig ist. Bei der Feinmahlung errechnet sich dagegen die Wahr- scheinlicbkeit rnit ??O/o fur den Aufprall auf die radiale Seite.

T a b e l l e 1. W e r t e d e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t W f u r d e n A u f p r a l l a u f d i e r a d i a l e S c h l a g -

l e i s t e n s e i t e

grob 1 0,2 1 0,5 1 0,05 I 10 I 4

mittel I 0,2 I 0,l I 0,m I 10 I 4

0

0,1?

fein I 0.2 I 0.01 I 0,Ol I 10 I 4 I O,??

Erfolgt die Zerkleinerung hauptsachlich durch gegen- seitigen TeilchenstoR, so zeigt das fur kugelformige Teil- &en geltende, in Abb. 2 dargestellte Model1 die Vertei- lung der StoRmoglichkeiten. Gleichgultig, ob bestimmte Bewegungsrichtungen der Teilchen bevorzugt sind oder nicht, ist stets anzunehmen, dab die Teilchen in Bereichen,

b2 Kugel 1

Abb. 2. Haufigkeit des geraden StoDes bei Kugeln mit beliebiger translatorischer Bewegung und im Mittel gleichmaDiger raum-

licher Verteilung nach Lage und Geschwindigkeitsrichturig

die groR sind im Verhaltnis zur TeilchengroRe, raumlich gleichma0ig verteilt sind. Ein StoR findet statt, wenn die Kugel 2 mit ihrem Mittelpunkt eine mit dem Radius (6, + 6,)/2 um den Mittelpunkt der Kugel 1 gelegte Kugel- tlache schneidet oder beruhrt. Die Wahrscheinlichkeit da- fur, daR von allen StoRmoglichkeiten solche mit einem maximalen Abstand a, der Bewegungsrichtungen oder zu- gehorigen Winkel a, vorkommmen, ist

(2). aOe = sin2 a, = 1 __ [ = 1 - "III,

V w = __

WY Dabei ist c0 = vno/v eine Energieaustauschzahl, die den

Fnergieanteil der vertikalen StoRkomponente beim Ab- stand a, angibt. StoRe mit 100 bis 90°/o Energieausnutzung zu vertikalem StoR haben nur 10°/o Wahrscheinlichkeit.

Zur Beurteilung der Beanspruchungszustande in einer Prallzerkleinerungsmaschine ist es besonders wichtig, zu wissen, ob in erster Linie gegenseitige TeilchenstoRe oder WandstoRe vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit fur den gegenseitigen TeilchenstoR wird groD, wenn die mittlere freie Weglange kleiner ist als der Weg der Teilchen zwi- schen den Wanden, also z. B. den Mahlorganen. Bei im Mittel gleichmaRiger raumlicher Verteilung der Teilchen und ihrer Geschwindigkeitsrichtungen gilt die Boltzmann- Maxwellsche Gescbwindigkeitsverteilung, und man erhalt fur die mittlere freie Weglange 3 bei Gleichkorn

- 6 6 1 =

6 (1 - c ) vF 10 ( 1 - F )

wenn 6 die TeilchengroRe und 1 - E die Volumenkonzen- tration des Teilchens bedeuten. Eine gleichmaRige Trans- portgeschwindigkeit der Teilchen darf dabei uberlagert sein. Solche raumlichen Teilchen- und Geschwindigkeits- verteilungen konnen in grober Annaherung vorliegen, wenn gegenseitige TeilchenstoRe haufig sind. Die Anwen- dung von G1. (3) zur groRenordnungsmaRigen Ermittlung der mittieren freien Weglange ist also nur zulassig, wenn die errechnete U n g e - kleiner als der Teilchenweg zwi- schen Wanden ist.

Moximole Sponnung bei der Prollzerkleinerung eines Einzelteilchens

Fur die Zerkleinerungswirkung ist ni&t nur wichtig, welche Energie dem Teilchen zuflieBt, sondern wie groD dabei die maximale Spannung urnax ist, da die Chance der Bruchauslosung von der GroRe der Spannungen und ihrer raumlichen Verteilung abhangt. Da die Teilchenform fast immer unregelmaDig ist, mu6 man darauf verzichten, die Spannungen exakt zu bestimmen. Es lassen sich aber di- mensionsanalytische Aussagen machen und bei der An- nahme kugelformiger Aufprallflacben nach Hertz, also un- ter Annahme der Gultigkeit der klassischen StoRgesetze, die an der StoRstelle auftretende Maximalspannung er- rechnen.

Die Dimensionsanalyse sagt z. B. fur den Gultigkeits- bereich des Hookeschen Gesetzes und den Aufprall eines Korpers beliebiger Form und variierter Masse auf eine starre Unterlage aus, daR

(4) = const. mn . v2n . r -3n. El-n

ist. Es bedeuten m die Masse der Korper, v die Aufprallgeschwindigkeit, r eine reprasentative Lange fur

die Form des Korpers an der StoRstelle,

E den Elastizitatsmodul, @ die Dichte.

Dabei ist keine geometrische Ahnlichkeit der verschieden groRen Massen vorausgesetzt, sondern nur geometrische Ahnlichkeit an der StoRstelle. Dann muR allerdings die Zulassigkeit der klassischen StoRtheorie vorausgesetzt werden, mit der auch Hertz rechnete. Bei vollkommener geometrischer Ahnlichkeit wird

m - ?

und die maximale Spannung unabhangig von der Teil- chengrone.

Fur kugelformige StoRstellen wird nach Hertz fur zwei gegenseitig aufprallende Massen")

v1 und v2 sind die Poisson-Zahlen. Der Exponent n von GI. (4) ist 1/5.

Bei vorgegebener TeilchengroRe und Mahlgutart laRt sich mit konstruktiven Mitteln die erreichbare Spannung erhohen, wenn der Elastizitatsmodul des Werkstoffes der Mahlorgane moglichst groR und der Krummungsradius der Mahlorgane moglichst klein gewahlt werden, sofern die Aufprallwahrscheinlichkeit auf die stark gekrummte Stelle der Mahlorgane ausreichend groR ist. Der EinfluD der Krummung der Mahlgutteilcben wirkt sich auf eine Streuung der vorkommenden StoRspannungen aus. Ihr

") In rneiner ausfuhrlichen Veroffentlichung in dieser Ztschr. 31, 323137 I19591 wurde in G1. (21) versehentlich der Faktor 0,0098 statt 0,098 angegeben. In G1. (23) jener Arbeit mu8 der Faktor 0,518 statt 0,328 lauten. Die Werte in der untersten Spalte von Tabelle 2 sind dann mit dam Faktor 0,328/0,518 = 0,636 zu multiplizieren.

Chemie-1ng.-Tech. 32. Jahrg. 1960 / Nr. 3 133

Page 4: Prinzipien der Prallzerkleinerung und ihre Anwendung bei der Strahlmahlung

Mittelwert ist durch die mittlere Teilchenform und Lage bei einem Aufprall gegeben. Je ungleichmafiiger die Form ist, desto gro5er sind die Abweichungen, die durch die verschiedenen Moglichkeiten der StoRgeometrie bedingt sind.

Das Gesetz uber die Unabhangigkeit der StoRspan- nung von der KorngroRe ahnlicher Teilchen gilt also nicht fur die individuellen StoRvorgange, wohl aber fur die mittleren Werte der StoRspannung.

Die bis jetzt beschriebenen Untersuchungen zeigen sehr deutlich, daR die Prallzerkleinerung mit einem b r e i - t e n B e a n s p r u c h u n g s s p e k t r u m arbeitet. Dies ist bei der kollektiven Beanspruchung und den vorgege- benen Kornformvariationen nicht zu vermeiden und ist in einer ahnlichen Weise auch fur den Beanspruchungs- mechanismus I zu erwarten.

Ein breites Beanspruchungsspektrum mu5 nachteilig sein. Es fuhrt sowohl zu einer groReren Zahl von StoD- vorgangen, die Energie verbrauchen, ohne zur Einleitung von Brudworgangen wesentlich beizutragen, als auch von StoRen sehr hoher Intensitat mit groRem Feinmehlanfall. Eine wichtige Aufgabe bei der Entwidclung und Einstel- lung von Zerkleinerungsmaschinen liegt ganz sicherlich darin, das Beanspruchungsspektrum so schmal zu halten, wie es nur irgend moglich ist.

Fur die willkurliche Einstellung der StoBspannung bleibt hauptsachlich als EinfluRgroRe die Prallgeschwin- digkeit. Sie muR auf die Festigkeit der Teilchen abge- stimmt werden. Nach der Bruchtheorie und einer Reihe von Beobahtungen nimmt die Festigkeit mit abnehmen- der TeilchengroRe zu. Die Feinmahlung verlangt also gro- Rere Prallgeschwindigkeiten als die Grobmahlung. Die GroRe der tatsachlich erforderlichen Beanspruchungsge- schwindigkeiten laDt sich nur experimentell ermitteln. Hieruber haben wir erst wenige ausreichende Unterlagen, weil die sehr zahlreichen Erfahrungen an Zerkleinerungs- maschinen die Geschwindigkeit der Mshlorgane und nicht die tatsachlichen Prallgeschwindigkeiten berucksichtigen. Auswertungen eines Filmes, den die Firma Hazemag ge- meinsam mit dem Institut fur den wissenschaftlichen Film an Prallbrechern aufnahm*), zeigten, daR bei der Grob- mahlung in erster Naherung die Prallgeschwindigkeit gleich der Umfangsgeschwindigkeit ist, sofern das Teil- &en auf der radialen Pralleistenseite aufprallt.

Werden die Teilchen feiner, so konnen die Luftreibung und die grollere Haufigkeit gegenseitiger TeilchenstoRe erhebliche Anderungen der Prallgeschwindigkeit bewir- ken.

Um den E i n f l u D d e r L u f t r e i b u n g quantitativ abzuschatzen, bestimmt man am besten eine charakteri- stische GroDe, namlich den F 1 u g w e g , den ein mit be- stimmter Anfangsgeschwindigkeit, z. B. der Umfangsge- schwindigkeit der Mahlorgane, in ruhende Luft geschosse- nes Teilchen zurudclegt. Dieser Flugweg ist eine endliche GroRe, au,ch fur grobe Teilchen und groRe Anfangsge- schwindigkeiten, bei denen das quadratische Widerstands- gesetz gultig ist, da nach der Abbremsupg auf eine be- stimmte Geschwindigkeit das Stokessche Widerstandsge- setz maRgeblich wird. Man mu0 zur Rechnung eine Appro- ximation des Widerstandsgesetzes einfuhren, die den ganzen vorkommenden Bereich der Reynolds-Zahlen bis R e = 0 erfaDt. Der Flugweg gibt unmittelbar an, welche Abstande der Mahlorgane anwendbar sind. Er ist auch ein Ma6 fur die Ablenkung der Teilchenbahnen bei der Umstromung von Prallorganen wie Stiften, Roststaben und Siebstegen. Das Verhaltnis des Flugweges zur Breite des umstromten Korpers ist, wie aus der NaDentstaubung bekannt ist, die maRgebliche dimensionslose Kennzahl. Je kleiner sie ist, desto genauer folgen die Teilchenbahnen den Stromlinien des Stromungsmittels, und desto gerin- ger ist der Anteil der aufprallenden Teilchen. Damit ein groDerer Anteil aufprallt, muR das Verhaltnis des Flug-

6 - I 3 10 30 D0mm

Effekfive Flugwege in Prallbrechern

Abb. 3. Max. Fluyweg so kugelformiyer Teilchen (Q = 1 y/cm:') in ruhender Luft von 20 'C fur Anfangsgeschwindiykeiten

wo = 10 bis 100 m/s. Freie Weylanye 1 (GroDenordnuny, Abscbatzung nach kinet. Gastheorie)

weges zur Prallkorperbreite gleich oder groRer als eins sein.

Die Abhangigkeit des Flugweges so und der mittleren freien Weglange 1 ist in Abb. 3 in Abhangigkeit von der TeilchengroRe 6 dargestellt. Als Parameter ist beim Flug- weg die Anfangsgeschwindigkeit zwischen 10 und 100 m/s und bei der freien Weglange die Volumenkonzentration 1 - E zwischen l0/o und l0/oo in ublichen Grenzen variiert.

Die zulassigen Teilchenwege I in der Maschine zum Vermeiden gegenseitiger TeilchenstoRe sind beim Grobbrechen 1) > 100 mm f < 1- lorn

Grobmahlen rj > l m m I < 10-100mm Feinmahlen r'i > 100 p I < 1 - 10mm.

Die Flugwege oder besser Abbremswege so sind so groR, daD die Teilchengeschwindigkeit praktisch nicht vermin- dert wird.

Bei feinen TeilchengroRen, beispielsweise unter 10 p, werden die gegenseitigen TeilchenstoRe sehr haufig. Die dabei nutzbare Prallgeschwindigkeit ist dann kleiner als die Umfangsgeschwindigkeit der Prallorgane. Diese Be- anspruchungsart durfte z. B. bei der Feinmahlung von Pigmenten in schnellaufenden Schlagmuhlen vorkommen. Die relativ lodceren agglomerierten Teilchen benotigen vielfach keine extrem hohe Beanspruchungsintensitat.

Neben der Umfangsgeschwindigkeit der Mahlorgane, der Abmessung der Mahlorgane und deren gegenseitigem Abstand ist somit auch die mit der Durchsatzmenge ver- anderliche Mahlgutkonzentration eine wichtige Einstell- groRe.

Sind die TeilchengroRen kleiner als 5 bis 10 p, so wer- den auch die Abbremswege so so klein, unler etwa 5 mm, daR die Beschleunigung der Teilchen durch den Rotor sich nur auf kurze Wegstrecken auswirkt. Die Prallzerkleine- rungsmaschinen mit bewegten Mahlorganen nahern sich ihrer Beanspruchungsgrenze. Dagegen befinden sich die Strahlmuhlen no& im Hauptbereich ihrer Wirksamkeit. Eine absolute Grenze der Beanspruchungsmoglichkeiten ist erst dann gegeben, wenn der Flugweg kleiner ist als die freie Wegiange. Dies ist bei etwa 0,l p TeilchengroRe der Fall. Die Teilchen erhalten dann keinen Antrieb zu einer von der Luftstromung abweichenden Eigenbewegung, da die Wirkung eines zufalligen TeilchenstoRes bereits abgebremst wird, ehe das Teilchen mit einem anderen zusammenstoRt. Die Teilchen durften dann auch der Tur-

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bulenz weitgehend folgen, da deren Abmessung und Mi- schungswege groder sind als die bei l liegenden Ab- bremswege.

Uberschlagige Dimenrionierung einer Strahlmuhle Eine Strahlmuhle besteht aus einem Mahlraum, in den

Treibmittelstrahlen mit hoher Geschwindigkeit, meistens Schallgeschwindigkeit oder Uberschallgeschwindigkeit ein- geblasen werden. Das Abstromen des Treibmittels ist mit einer Sichtung verbunden, so daB das noch nicht auf die gewunschte Feinheit vermahlene Gut in die Mahlzone zuruckgegeben wird. Das Aufgabegut wird mit einem In- jektor oder einer mechanischen Speiseeinrichtung in die Mahlzone eingefuhrt.

Die Beanspruchung der Gutteilchen ist eine reine Prall- beanspruchung. Dabei konnen gegenseitige TeilchenstoRe und WandstoRe vorkommen. Bei hartem, verschleiBendem Mahlgut wird man die Prallbeanspruchung moglichst von den Wanden fernhalten. Die Strahlen sind deshalb so ge- richtet, daR sie sich gegenseitig von der Wand ablenken.

Die Formel fur die freie Weglange zeigt, daR in Abhan- gigkeit von der TeilchengroBe eine bestimmte Mahlgut- konzentration erforderlich ist, damit gegenseitige Teilchen- stoRe mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit vorkom- men. Hierfur sorgt die Windsichtung. Falls bei einer auf gegenseitigen TeilchenstoR abgestimmten Anordnung we- gen mangelnder Gutkonzentration keine haufigen Teil- chenstok vorkommen, ist die gemahlene Menge klein. Der Sichter kann nur sehr wenig Feingut abfuhren. Das Grobgut reichert sich an, bis eine so hohe Konzentration in der Mahlzone eingestellt ist, daR die ermahlene und abgefuhrte Feingutmenge der zugefuhrten Menge gleich ist. Die Mahlgutkonzentration in der Mahlzone ist je nadi Mahlbarkeit, KorngroRe des Aufgabegutes und Mahlfein-

IB?'13& LI I 1 Pmdukt

Abb. 4. Micronizer-Spiralmuhle a Injektor, b Mahlkammer, c Treibduse

Abb. 5. Wheeler-Muhle a Injektor, b Mahlkammer, c Treibduse, d Sichter

Feingut

Sekundarlu ft

4 Treibstrahldhen

heibdampf Pat; oder Pressluft

Abb. 6. Blaw-Knox-Strahlmiihle Nach Croft und Bechtels)

heit wesentlich groRer als das Volumenverhaltnis des zu- gefuhrten Mahlgutes zum zugefuhrten Treibmittel. Dieses liegt im allgemeinen zwischen 10- und lop4, die Mahlgut- konzentration kann bis zu etwa lo-' ansteigen. Die Gut- konzentration beeinflufit andererseits die Trennscharfe und Trenngrenze des Sichters. Oberhalb bestimmter Grenz- konzentrationen neigen die Sichter zur Unscharfe. Sie las- sen groberes Gut ins Feingut durch. Dadurch ist die prak- tisch erreichbare Mahlfeinheit begrenzt.

In der Leistungsfahigkeit und Einstellung der Wind- sichtung unterscheiden sich auch die verschiedenen Kon- struktionen. Fur hohe Feinheiten nutzt man die Energie der Treibmittelstrahlen zur Sichtung aus, bei groberer Mahlung kann man getrennte Windsichter verwenden.

Die Abb. 4 bis 6 zeigen Beispiele gebrauchlicher Strahl- miihlen. Bei der Micronizer-Miihle und der Wheeler-Muhle

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treffen sich die Treibmittelstrahlen im spitzen Winkel, die resultierende Stromung wird zur Sichtung ausgenutzt, bei der Micronizer-Muhle (Spiralstrahlmuhle) als Spiralsich- tung, bei der Wheeler-Muhle als Umlenksichtung. Die Blaw-Knox-Muhle mit senkrecht aufeinandertreffenden Strahlen, Abb. 6, besitzt einen vom Mahlraum getrennten Sichter. Sie arbeitet bei der Kohlemahlung im groberen Bereich. Der getrennte Windsichter genugt fur die erfor- derlichen Feinheiten, z. B. 9@/0 oder 70°/o < 75 p.

Die Frage, wie wir uns die Teilchenbewegung und den Zerkleinerungsvorgang genau vorzustellen haben, wollen wir zuruckstellen und zuerst untersuchen, welche Richt- linien zur uberschlagigen Dimensionierung einer Strahl- muhle zu beachten sind.

Die Treibmittelstrahlen haben die Aufgabe, die Gut- teilchen auf die zur Zerkleinerung erforderliche Prall- geschwindigkeit zu beschleunigen. Wir fuhren folgende Rezeichnungen ein:

v = Teilchengeschwindigkeit, S = TeilchengroBe = Durchmesser der als kugel-

forrnig angenommenen Teilchen, pG = Teilhendichte,

eF = Treibmitteldichte,

x = Strahlweg, in der Strahlrnitte gernessen, s = absoluter Teilchenweg.

xrel = relativer Teilchenweg,

vrel = v-w = relative Teilchengeschwindigkeit, v = kinematische Zahigkeit, t = Zeit,

Zur Beschleunigung der Teilchen von der Anfangs- geschwindigkeit w = 0 bis zu einer Prallgeschwindigkeit w = wp ist eine bestimmte Wegstrecke s erforderlich. Der Strahl mu6 mindestens diese Lange haben.

Die Beschleunigungsstrecke 1aRt sich berechnen, wenn die Tragergeschwindigkeit v und die Prallgeschwindig- keit wp bekannt sind. Da der Strahl ein Geschwindigkeits- profil besitzt, das von der Mittengeschwindigkeit zur Ge- schwindigkeit der Randstromung abfallt, wissen wir nicht im voraus, welche Geschwindigkeit im Strahl fur die Be- schleunigung maRgeblich ist. Ebenfalls fehlen uns prak- tisch bei allen Stoffen exakte Angaben uber die zur Zer- kleinerung erforderliche Prallgeschwindigkeit.

Fur eine uberschlagige Dimensionierung mussen wir bestimmte Werte von v und w annehmen. Wahlt man v = konst. Iangs des Teilchenweges, so ist die Rechnung als geschlossene Integration ausfuhrbar, wenn fur das Widerstandsgesetz die Approximation

24 R e

c,v = + c eingesetzt wird. Man erhalt:

v = konst, s = v . t - Xrc,,

4 3 -

@ F . Der Massenzuschlag - - - - 1st vernachlassigbar fur gasfor-

mige Tragermedien. 2 (JG

Beschrankt man sich auf die Reynolds - Zahlen 200 000 < Re < 600, so kann im Bereich der Mach-Zahlen Ma < 0,56

c,. = konst. = 0,5

gesetzt werden4). Fur groBere Mach-Zahlen nimmt c , ~ zu, bei Ma = 0,8 wird c, = 0,65. Bei Schall- und Uberschall- geschwindigkeit nimmt der Widerstand durch die von den Teilchen ausgehenden StoBwellen zu.

T a b e l l e 2. W e r t e f u r 6,i,[p] b e i R e > 6 0 0

w [misl I 20 I 50 I 100 I 200

v = 100m/s I 113 1 190 1 - 1 -

~

300m/s I 32 I 36 I 45 I 90

Die Bedingung Re > 600 (Re = 200 000 ist bei den vor- kommenden kleinen Teilchen nicht erreichbar), und Ma < 0,56, die den Gultigkeitsbereich c," = konst. be- grenzt, bestimmt bei gegebenem v und w eine minimale TeilchengroRe amin, fur die unsere Rechnung zulassig ist. In Tabelle 2 ist Smin fur einige Geschwindigkeiten v und w angegeben. Da die Beschleunigungsstrede mit der Teil- chengrooe zunimmt, haben wir die Rechnung fur die gro- Beren vorkommenden Teilchen auszufuhren. Diese liegen in praktischen Anwendungsfallen oft uber 50 p. Die ver- einfachende Annahme c,,, = konst. ist also fur die iiber- schlagige Berechnung der Beschleunigungsstrede in Un- tershallstrahlen zulassig.

Man erhalt bei c,, = konst.

v-w V - 1) -1n

Interessanterweise ist also in dem Bereich, in dern c, = konst. gesetzt werden kann, der Beschleunigungs, weg nur von dem Geschwindigkeitsverhaltnis

V V

v-w W -.- bzw. -

abhangig, und nicht von den Absolutwerten von v und w. Er ist ferner dem Verhaltnis der Teilchendichte zur Trager- rnitteldichte und dem Korndurchmesser direkt und dern Widerstandsbeiwert umgekehrt proportional. Aus Abb. 7 laRt sich der Klammerausdrud in Abhangigkeit vom Ge- shwindigkeitsverhaltnis v/(v-w) ablesen und damit der Beschleunigungsweg fur beliebige Werte von @c und 6 einfach bererhnen.

0 1 2 3 v I v - w

Abb. 7. Beschleunigungsweg in konstanter Tragerstromung bei Strahlmuhlen

In Tabelle 3 sind einige nach G1. (6) berechnete Werte von s zusammengestellt. Dabei ist v = 300 m/s, 6 = 1 mm und @G = 1 g/cm3 bzw. 2,5 angenommen. Die Beschleuni- gungsstrede wird s=534 mm fur &=2,5 und w=100 d s . Fur S = 0,l mm ist dann s = 53,4 mm. Bei groDem d ist

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T a b e 1 1 e 3. E r f o r d e r 1 i c h e B e s c h 1 e u n i g u n g s - s t r e c k e s [mm] d e r T e i l c b e n f u r v = 301) m/s, = 1 mm u n d eG = 1 g/cm" b z w . 2,5 gicm3 u n d v e r -

s c h i e d e n e P r a l l a e s c h w i n d i q k e i t e n w

w {misl 1 30 50 100

41 214 32 103 534

wahrscheinlich die erforderliche Prallgeschwindigkeit klei- ner als bei kleinem 6. Bei der Wahl von w ist zu beruck- sichtigen, daR w diejenige Geschwindigkeit darstellt, die das Teilchen im Strahl erhalt, wenn es mit der Geschwin- digkeit null in den Strahl eintritt. In der Micronizer- und Wheeler-Muhle haben die Teilchen in der umgebenden Stromung bereits eine Anfangsgeschwindigkeit. Sie er- reichen dann im Strahl eine groRere Geschwindigkeit wp. Auch kann die Prallgeschwindigkeit wp groRer als das berechnete w sein, weil die Teilchen eine Geschwindig- keitskomponente quer zum Strahl besitzen.

Bei weicheren Stoffen kann versuchsweise wp = 50 m/s gewahlt werden. Genaue Messungen uber das erforder- liche wp fehlen.

Mit dem zu der gewahlten Prallgeschwindigkeit und maximalen TeilchengroRe gehorenden slllaZ 1st die Mindest- strahllange x,,,, vorgeschrieben. Es war vorausgesetzt, daR die Tragergeschwindigkeit v konstant bleibt. Tatsach- lich nirnmt die Strahlgeschwindigkeit mit der Strahl- Iange ab.

Im turbulenten runden Freistrahl (Unterschallstrahl) ist fur x > 10 d die Mittengeschwindigkeit des Strahles der Strahllange umgekehrt proportional nach der Forme15)

d - ~ 6 , 5 - * (6). urn U O X

Es bedeuten: d den Dusenaustrittsdurchmesser, u,, die Mittengeschwindigkeit im Dusenaustritt, x die Strahllange, vom Dusenaustritt gemessen.

Als wirksame Beschleunigungsstrecke kommt hochstens die Strahllange x = 20 d in Betracht, da fur x > 20 d die Strahlgeschwindigkeit zu klein wird. Wir erhalten fur die Wahl des Dusendurchmessers d die Bedingung

~ = 10bis20 Xinax

d (9) '

Als Anwendungsbeispiel der angegebenen Richtlinien sei die uberschlagige Dimensionierung einer Spiralstrahlmuhle betrachtet, Abb. 8.

Die Formel fur die AusfluRmenge aus Dusen konnen wir fur Luft als Zahlenwertgleichung schreiben:

(8113'.81

Abb. 8. Schematischer Schnitt durch eine Spiralstrahlmuhle

wenn d' den engsten Durchmesser in m,

p , den Vordruck in kP/cm2,

V,, z die Dusenzahl

die ausstromende Luftmenge in Nm?/s,

bedeuten, und to = 15°C als Ausgangstemperatur ange- nommen wird.

Als Erfahrungswert fur den Luftdurchsatz der Spiral- slrahlmuhle in Abhangigkeit vom Durchmesser D kann man annehmen

l i r

(11). v I1 - = 1,2 bis 2 NmVs 0 2

Dies entspricht einer wirksamen Sichtereinstellung bei ahnlichen Bauformen. Aus Gln. (10) und (11) erhalt man

- D == (1 1 bis 8,5) l / p o - '

d' bzw.

wenn d = d' uberschlagig angesetzt wird. Aus den Gln. (5) und (6) wird

(11 bis 8,5) - - --- l / p o z sz 0,4 bis 1,l l / p o . z (131. Xi,,, 10 bis 20

Mit den Gln. (12), (13), (9) und (10) sind die wichtigsten EestimmungsgroRen der Strahlmiihle festgelegt.

Teilchengerchwindigkeit im Strahl Es wurde eine Versuchseinrichtung entwidcelt, mit der

die Teilchenbewegung in eincm einzelnen Strahl ermittelt werden konnte, der in ein moglichst ruhendes Stromungs- mittel austritt. Als Versuchsgut dienten Glasperlen. Ge- arbeitet wurde im Unterschallbereich und im Ubersch~ll- bereich. AnschlieDend wurden Aufnahmen bei der Strahl- mahlung von Zucker in einer Spiralstrahlmuhle mit 50 mm Dmr. gemacht. Uber die Versuche wird in einer gesonder- ten Arbeit in Kurze in dieser Zeitschrift ausfuhrlich be- richtet. Als Ergebnis dieser Untersuchungen konnen wir feststellen, daD die Zerkleinerung in Strahlmuhlen haupt- sachlich in den Strahlbereichen hoher Geschwindigkeiten erfolgt. Hier werden die Teilchen auf hinreichend groRe Geschwindigkeiten beschleunigt und stoRen mit anderen radial eindringenden Teilchen zusammen. Die Eindring- geschwindigkeit muR ausreichend groR sein, damit die Teilchen in den Strahlkern gelangen. Das Beanspruchungs- spektrum ist dabei sehr breit, da selbstverstandlich auch viele ZusammenstoRe mit kleineren Prallgeschwindigkei- ten vorkommen werden.

Mit der Erzeugung von Strahlen hoher Geschwindig- keit ist ein verha1tnismaRig hoher Energieaufwand ver- knupft. Er liegt bei Luftdrudc von 6 atu Vordrudc etwa bei 100 kWh/t Druckluft. Der spezifische Arbeitsaufwand liegt aamit bei der in der Praxis vorkommenden Luftbeladung von 0,l bis 10 t Gut/t Tragermittel im Bereich 1000 biz 10 kWh/t. Die Strahlmahlung ist damit auf Aufgaben der Fein- und Feinstmahlung abgestimmt.

Eingeg. 28. Dez. 1959 [B 11341

D N

Literotur

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