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www.fachnachrichten.de Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und Literatur ausgewählt vom Steuerrechtsausschuss des StBV Westfalen-Lippe Ausgabe Nr. 1 · Februar 2016

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Page 1: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

www.fachnachrichten.de

Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und Literatur ausgewählt vom Steuerrechtsausschuss des StBV Westfalen-Lippe

Ausgabe Nr. 1 · Februar 2016

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Mitglieder des Steuerrechtsausschusses:ff Dipl.-Ökonom, StB Dieter Blaurock, Bochum

ff Dipl.-Finw., StB Christian Herold, Herten

ff Dipl.-Kfm., StB / WP Dr. Christian Konermann, Rheine

ff Dipl.-Ökonom, StB / WP Wilhelm-Berthold Schmuch, Bochum

ff Dipl.-Kfm., StB / WP Marcus Tuschen, Meschede

ff Dipl.-Kfm., WP Olaf Zöllner, Arnsberg

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Februar 2016

InhaltSitzungsergebnis der 1. Sitzung 2016 des StRA am 22. Januar 2016.

Die nachfolgenden Ausführungen sind das Ergebnis sorgfältiger Analysen der zitierten Quellen. Für das erarbeitete Ergebnis kann

jedoch keine Haftung übernommen werden.

1. EINKOMMENSTEUER1.01 Ansatz eines geldwerten Vorteils für durch Hausbesuche unterbrochene Fahrten von der Wohnung

zur Arztpraxis Seite 6

Wissen

FG München, Urteil vom 06.06.2014, 8 K 3322/13, rkr.

DStRE 2015 S. 1474

1.02 Kein Betriebsausgabenabzug bei Nutzung eines nach der sog 1%-Regelung versteuerten Pkw

eines AN i.R.d. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Seite 7

Abwehr / Wissen

BFH-Urteil vom 16.07.2015, III R 33/14

DStR 2015 S. 2594, DB 2015 S. 2790

1.03 Fahrtenbuchmethode; periodengerechte Zuordnung einer Leasingsonderzahlung Seite 9

Wissen

BFH-Urteil vom 03.09.2015, VI R 27/14

DStR 2015 S. 2597, DB 2015 S. 2730

1.04 Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen Seite 11

Wissen

BFH-Urteil vom 16.09.2015, X R 43/12

DStR 2015 S. 2651, DB 2015 S. 2731

2. KÖRPERSCHAFTSTEUER2.01 Zurechnung von vGA bei Untreuehandlungen eines Nur-Geschäftsführers zu Lasten der Gesellschaft Seite 13

Abwehr / Wissen

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2015, 10 V 9101/13

EFG 2015 S. 1643, Haufe-Index 8299337

2.02 Anwendung der Grundsätze zur Überversorgung Seite 14

Wissen

FG Köln, Urteil vom 29.04.2015, 13 K 2435/09

EFG 2015 S. 1563, Haufe-Index 8299371

2.03 Sachlicher Anwendungsbereich des § 32a KStG bei vGA Seite 16

Abwehr / Wissen

BFH-Beschluss vom 05.06.2015, VIII B 20/15

GmbHR 2015 S. 1053, Haufe-Index 8469287

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Ausgabe Nr. 1

3. GEWERBESTEUER3.01 Teilbetrieb nur bei hinreichender Selbständigkeit des Geschäftsbereichs Seite 18

Wissen

BFH-Urteil vom 22.10.2015, IV R 17/12

NWB Dok-ID: ZAAAF-1842, BFH/NV 2016 S. 209

3.02 Hinzurechnung von am Umsatz des Pächters bemessenen Grundstückspachtzahlungen Seite 19

Wissen

BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14

NWB Dok-ID: VAAAF-18885, BFH/NV 2016 S. 232

4. BILANZSTEUERRECHT4.01 Steuerliche Behandlung von kundenspezifischen mit Werkzeugkostenzuschüssen geförderten

Werkzeugen Seite 21

Wissen

BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 3/13

BStBl II 2015 S. 7977, NWB 2015 S. 2842, kösdi 2015 S. 19500

4.02 Teilwertabschreibung auf ungesicherte Gesellschafterdarlehen an Auslandstochtergesellschaft Seite 23

Abwehr / Gestaltung

BFH-Urteil vom 26.06.2015, I R 29/14

BB 2015 S. 2544, kösdi 2015 S. 19505

4.03 Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos in die Berechnung des Veräußerungsgewinns eines

gegen Entgelt aus einer KG ausscheidenden Kommanditisten Seite 25

Wissen

BFH-Urteil vom 09.07.2015, IV R 19/12

BB 2015 S. 2288 mit Anm., DB 2015 S. 1874, DStR 2015 S. 1859, GmbHR 2015 S. 999

4.04 Tarifbegünstigung des Betriebsaufgabegewinns trotz vorheriger Ausgliederung einer

100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert Seite 27

Abwehr / Wissen

BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 26/12

BStBl II 2015 S. 797, BB 2015 S. 1839, DB 2015 S. 1694 mit Anm., DStR 2015 S. 1668, FR 2015 S. 892 mit Anm.,

GmbHR 2015 S. 1061, GmbH-StB 2015 S. 276, kösdi 2015 S. 19386, WPg 2015 S. 852

5. UMSATZSTEUER5.01 Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung von Grundbesitz und Inventar an

mehrere Erwerber Seite 30

Wissen

BFH-Urteil vom 04.02.2015, XI R 42/13

NWB Dok-ID: SAAAE-94258

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Februar 2016

5.02 Überlassung von Operationsräumen durch einen Anästhesisten Seite 31

Wissen

BFH-Urteil vom 18.03.2015, XI R 15/11

NWB Dok-ID: AAAAE-93360

5.03 Umsatzsteuer für Saunaleistungen in Schwimmbädern Seite 32

Wissen

Bayerisches Landesamt für Steuern, Erlass vom 10.07.2015, S 7243.1.1-5/5 St 33

NWB Dok-ID: OAAAE-94670

5.04 Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren Seite 34

Abwehr / Wissen

BFH-Urteil vom 15.04.2015, V R 44/14

NWB Dok-ID: WAAAE-91562

5.05 Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund

eines Sicherungseinbehalts Seite 35

Wissen

BMF-Schreiben vom 03.08.2015, III C2 – S 7333/08/10001:004

BStBl 2015 I, S. 624

6. ERBSCHAFTSTEUER

7. BEWERTUNG

8. ABGABENORDNUNG8.01 Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben Seite 37

Abwehr / Wissen

BFH-Urteil vom 30.09.2015, II R 31/13

DStRE 2015 S. 1523, BFH/NV 2016 S. 96, DB 2015 S. 2917

8.02 Verteilung eines Übergangsgewinns Seite 38

Abwehr

BFH-Urteil vom 01.10.2015 , X R 32/13

DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856

8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere Mittel Seite 40

Abwehr / Wissen

BFH Urteil vom 08.07.2015 - VI R 51/14

DStR 2015, 2131

9. ANDERE RECHTSGEBIETE

10. SONSTIGES Seite 42

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Ausgabe Nr. 1

1. EINKOMMENSTEUER

1.01

EStG EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6 Abwehr

Ansatz eines geldwerten Vorteils für durch Hausbesuche unterbrochene Fahrten von der Woh-

nung zur Arztpraxis

Gestaltung

X Wissen

FG München, Urteil vom 06.06.2014, 8 K 3322/13, rkr. DStRE 2015 S. 1474

Weiterführende Literatur

LEITSÄTZE:

1. Nutzt ein selbständig tätiger Arzt einen betrieblichen Pkw für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Praxis, ist sein

Gewinn auch dann um die pauschale Hinzurechnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 Satz 3 EStG zu erhöhen, wenn die Fahrten durch

Hausbesuche bei Patienten unterbrochen werden.

2. Neben der Entfernungspauschale können für solche Fahrten nur die Aufwendungen für die Mehrwege zu den Patienten nach

Dienstreisegrundsätzen als Betriebsausgaben angesetzt werden.

PROBLEMSTELLUNG:

Im Streitfall ging es um die Qualifikation

von Wegekosten als Dienstreisen oder

als Teil der Fahrten W/A. Ein Stpfl., der in

eigener Arztpraxis arbeitete, war dort in

der Regel an den Wochentagen von 9:00

bis 13:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00

Uhr tätig. Hausbesuche führte er nach An-

gabe vor den Sprechzeiten auf dem Weg

zur Praxis und nach den Sprechzeiten auf

dem Nachhauseweg durch, in Notfällen

oder bei Terminlücken auch während der

Sprechzeiten.

Das FA setzte wegen der Nutzung des be-

trieblichen Pkw für die Fahrten zwischen

Wohnung und Praxis einen geldwerten

Vorteil (0,03%-Regelung) an und zog im

Gegenzug die Entfernungspauschale als

Betriebsausgabe ab. Der Stpfl. wollte da-

gegen die Fahrten als Hausbesuche den

Dienstreisen zuordnen.

KERNAUSSAGEN:

1. Nach der Rechtsprechung des BFH

ist für die durch berufliche Anläs-

se unterbrochene Fahrt zwischen

Wohnung und Betriebstätte nur die

Kilometerpauschale zu gewähren

und können lediglich für einen even-

tuell erforderlichen Mehrweg die tat-

sächlichen Kfz-Aufwendungen als Be-

triebsausgaben abgezogen werden.

2. Der Charakter der Fahrten zwi-

schen Wohnung und Betriebstätte

ändert sich erst dann, wenn nicht

das Aufsuchen der Betriebstätte,

sondern andere Gründe für die

Fahrt maßgebend sind. Entschei-

dend ist der eigentliche Zweck der

Fahrt, was für die werktäglichen Fahr-

ten als Ziel und Zweck der Fahrt

im Vordergrund steht. Das ist für

Arbeitnehmer und entsprechend für

andere Stpfl. in aller Regel das Aufsu-

chen der Arbeitsstätte, d.h. des Ortes,

der den Mittelpunkt ihrer beruflichen

Tätigkeit bildet. Ob dabei nebenher

durch Fahrtunterbrechungen beson-

dere berufliche Angelegenheiten

miterledigt werden, beeinflusst

nicht den im Vordergrund stehen-

den eigentlichen Zweck der Fahrt

und damit ihren Charakter als Fahrt

zwischen Wohnung und Arbeitsstät-

te. So hat der BFH etwa die Fahrten

eines Rechtsanwalts zu seiner Kanz-

lei als Fahrten zwischen Wohnung-

Arbeitsstätte beurteilt und nur den

für anlässlich dieser Fahrten erfor-

derlichen Mehrweg für miterledigte

Gerichts- oder Behördentermine als

Dienstreise.

3. Werden anlässlich von Fahrten zwi-

schen Wohnung und Arbeitsstätte

Hausbesuche durchgeführt, ändern

diese den Charakter der Fahrt nicht

in einem Maße, dass das grund-

sätzliche Ziel der Fahrten (die Praxis

oder bei der Heimfahrt der Wohnort)

als Zweck der Fahrt in einer Weise

überlagert würde, dass die Hausbesu-

che im Vordergrund stünden. Der Kl.

musste in jedem Fall zur Ausübung ih-

rer Tätigkeit zu den Praxispräsenzzei-

ten in die Praxis und von dort wieder

nach Hause gelangen. Daran ändern

die Patientenbesuche nichts. Sie füh-

ren lediglich zu Mehrwegen, die

nach den Dienstreisegrundsätzen

als betrieblicher Aufwand zu beurtei-

len sind.

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7

Februar 2016

PRAXISHINWEISE:

Das Gericht hat in der Urteilsbegründung zu erkennen gegeben, dass ggf. auch eine Anerkennung von Dienstfahrten möglich

gewesen wäre, wenn der Stpfl. weitere Gesichtspunkte für die Beurteilung der Fahrten vorgetragen hätte. Damit ist klar,

dass ein reines Abzugsverbot für Dienstreisen – auch über etwaige Umwege hinaus (die zu dokumentieren sind) – nicht gilt.

Jedoch wird der Stpfl. besondere Gründe darlegen müssen, warum die Fahrt vorrangig direkt betrieblich und nicht bloß bei

Gelegenheit der Fahrt W/A erfolgt ist. Für die Praxis stellt sich die Frage, ob bei regelmäßigen Fahrten zwischen Wohnung

und Arbeitsstätte diese arbeitstäglich zu erfassen sind und etwaige Dienstreisen nur im Wege einer Differenzrechnung

angesetzt werden können.

1.02

EStG EStG § 8 Abs. 2 Satz 2 und 4 X Abwehr

Kein Betriebsausgabenabzug bei Nutzung eines nach der sog 1%-Regelung versteuerten Pkw

eines AN i.R.d. Einkünfte aus selbständiger Arbeit

Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 16.07.2015, III R 33/14 DStR 2015 S. 2594, DB 2015 S. 2790

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen betrieblichen Pkw, dessen Kosten der Arbeitgeber in vollem Umfang trägt,

auch zur Nutzung für Fahrten im privaten Bereich und zur Erzielung anderer Einkünfte und versteuert der Arbeitnehmer den daraus

erlangten geldwerten Vorteil nach der sog. 1%-Regelung, kann der Arbeitnehmer für die Nutzung des Pkw im Rahmen der Einkünfte

aus selbständiger Tätigkeit keine Betriebsausgaben abziehen.

PROBLEMSTELLUNG:

Im Streitfall ging es um den Betriebsaus-

gabenabzug für ein Fahrzeug, das dem

Stpfl. im Rahmen einer nichtselbständi-

gen Tätigkeit überlassen war und für das

die 1%-Regelung angewandt wurde.

Für die Nutzung des Pkw im Rahmen der

gleichzeitig vom Stpfl. ausgeübten selb-

ständigen Tätigkeit wurde kein weiterer

Sachbezug angesetzt.

In der Überschussrechnung für seine Ein-

künfte aus selbständiger Arbeit ermittelte

der Kl. seine Betriebsausgaben für die be-

triebliche Nutzung des ihm von seinem

Arbeitgeber überlassenen Pkw, indem er

den versteuerten Sachbezug im Verhältnis

der betrieblichen (18.000 km = 78,3%) zu

den privaten Fahrten (5.000 km = 21,7%)

aufteilte. Das FA erkannte diese Betriebs-

ausgaben nicht an.

KERNAUSSAGEN:

1. Betriebsausgaben sind Aufwendun-

gen, die durch den Betrieb veranlasst

sind, wobei der Begriff der „Aufwen-

dungen“ im EStG als Oberbegriff

für „Ausgaben“ und „Aufwand“

verwendet wird und im Sinne aller

Wertabflüsse zu verstehen ist, die

nicht Entnahmen sind. Der Stpfl.

hat seinen Gewinn durch Gegen-

überstellung der ihm zugeflossenen,

seine persönliche Leistungsfähigkeit

erhöhenden Einnahmen und der von

ihm geleisteten, seine persönliche

Leistungsfähigkeit mindernden Aus-

gaben zu ermitteln. Für einen zur

Verfügung gestellten Pkw entstehen

dem Nutzungsberechtigten keine

Aufwendungen in Form einer Zah-

lung von Geld, denn nicht er, sondern

der Arbeitgeber trägt sämtliche Kos-

ten des genutzten Pkw.

2. Die Lohnsteuer, welche beim Kl.

infolge des für die private Nutzungs-

möglichkeit angesetzten geldwer-

ten Vorteils angefallen ist, ist keine

durch die selbständige Tätigkeit

veranlasste Aufwendung und

kann daher nicht zu einem Betriebs-

ausgabenabzug führen. Dies ergibt

sich daraus, dass die Lohnsteuer,

welche nur eine besondere Erhe-

bungsform der Einkommensteuer

darstellt, als persönliche Steuer ei-

ner natürlichen Person der Privat-

sphäre und nicht der Erwerbssphä-

re zuzuordnen ist, die zudem zu

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8

Ausgabe Nr. 1

den nicht abzugsfähigen Ausgaben

zählt.

3. Anders ist es, wenn z.B. ein Nut-

zungsvorteil aus einem zinslosen

Darlehen versteuert wurde, da dann

eine konkrete Betriebseinnahme

vorliegt. Im Gegensatz hierzu ist

der Nutzungsvorteil aus einem

Arbeitnehmer überlassenem Pkw

bei Anwendung der 1%-Regelung

unabhängig von individuellen

Nutzungsverhältnissen; insbeson-

dere erfolgt auf der Einnahmenseite

auch dann eine pauschale Bewer-

tung nach der 1%-Regelung, wenn

tatsächlich keine private Nutzung

stattgefunden hat. Der auf der Ein-

nahmenseite besteuerte geldwerte

Vorteil kann keinen konkreten Nut-

zungen zugeordnet werden und kann

daher auch nicht auf rein private und

im Rahmen weiterer Einkunftsarten

stattgefundene Fahrten aufgeteilt

werden. Entsprechend kann auch

auf der Ausgabenseite – hier bei

den Einkünften aus selbständiger Ar-

beit – kein anhand der tatsächlichen

Nutzungsverhältnisse ermittelter und

entsprechend aufgeteilter geldwer-

ter Vorteil eingesetzt und verbraucht

werden. Vielmehr besteht der auf

der Einnahmenseite besteuerte Nut-

zungsvorteil unabhängig davon fort,

ob und in welchem Umfang der Kl.

den Pkw privat oder im Rahmen der

selbständigen Tätigkeit nutzt.

4. Die Aufwendungen sind nicht unter

dem rechtlichen Gesichtspunkt eines

sog. abgekürzten Zahlungsweges

als Betriebsausgaben zu berücksichti-

gen. Davon kann nur dann die Rede

sein, wenn der Dritte für Rechnung

des Stpfl. an dessen Gläubiger leistet.

Diese Voraussetzungen liegen jedoch

nicht vor, wenn der Dritte die im Zu-

sammenhang mit dem Pkw entstan-

denen Rechtsbeziehungen im eige-

nen Namen eingegangen ist und

die Kosten des Pkw als Schuldner für

eigene Rechnung aufwendet.

5. Die Aufwendungen des Arbeitgebers

können dem Kl. auch nicht unter

dem Gesichtspunkt des abgekürz-

ten Vertragsweges zugerechnet

werden, da eine Zurechnung von

Aufwendungen nach den Grundsät-

zen der Abkürzung des Vertragswe-

ges voraussetzt, dass die aufgrund

des Vertrages zu erbringenden Leis-

tungen eindeutig der Erwerbssphäre

des Stpfl. und nicht der des Dritten

zuzuordnen sind. Im Streitfall will

der Arbeitgeber mit dem von ihm

getragenen Aufwand für den zur

Nutzung überlassenen Pkw dem Kl.

jedoch nichts zuwenden. Im Ge-

genteil kommt dieser Aufwand ihrer

eigenen Erwerbssphäre zugute, weil

der Pkw zum Einsatz in ihrem Unter-

nehmen bestimmt ist. Der Umstand,

dass der Kl. diesen Pkw (auch) außer-

halb seines Dienstverhältnisses nutzen

darf, ändert hieran nichts.

PRAXISHINWEISE:

Der BFH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass offen bleibe, wie zu entscheiden wäre, wenn der

Arbeitnehmer bereits auf der Einnahmenseite durch Wahl der Fahrtenbuchmethode eine an den spezifischen Nutzungsver-

hältnissen orientierte Besteuerung des ihm zugeflossenen geldwerten Vorteils durchführt. In diesem Fall wäre es denkbar,

dass der Arbeitnehmer einem ihm auf der Einnahmenseite durch die tatsächliche Nutzung des Pkw im Rahmen weiterer

Einkunftsarten zufließenden und entsprechend zu versteuernden geldwerten Vorteil auch auf der Ausgabenseite einsetzen

und verbrauchen könnte.

In Fällen der Fahrtenbuchmethode muss erforderlichenfalls der Klageweg beschritten werden. Aus Beweisgründen ist es

dann ergänzend erforderlich, dass eine Aufteilung der im Fahrtenbuch als „Privatfahrten“ erfassten km in echte Privatfahrten

und Fahrten im Zusammenhang mit der anderen Einkunftsart erfolgt.

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Februar 2016

1.03

EStG EStG § 8 Abs. 2 Satz 2 bis 4 Abwehr

Fahrtenbuchmethode; periodengerechte Zuordnung einer Leasingsonderzahlung Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 03.09.2015, VI R 27/14 DStR 2015 S. 2597, DB 2015 S. 2730

Weiterführende Literatur BFH-Urteil vom 05.05.1994, VI R 100/93, BStBl. II 1994, S. 643

LEITSATZ:

Im Rahmen der Fahrtenbuchmethode sind die Gesamtkosten jedenfalls dann periodengerecht anzusetzen, wenn der Arbeitgeber

die Kosten des von ihm überlassenen Kfz in seiner Gewinnermittlung dementsprechend erfassen muss.

PROBLEMSTELLUNG:

Streitig war, wie der geldwerte Vorteil aus

einer Pkw-Überlassung bei Anwendung

der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln ist,

wenn der Arbeitgeber eine Leasingson-

derzahlung erbracht hat.

Eine GmbH leaste einen Pkw und überließ

ihn ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer

auch zur privaten Nutzung. Die GmbH

ermittelte den geldwerten Vorteil aus

der Pkw-Überlassung nach der Fahr-

tenbuchmethode; dabei verteilte sie die

Leasingsonderzahlung wie auch in ihrem

Jahresabschluss über die Gesamtlaufzeit

des Leasingvertrags.

Das FA vertrat dagegen im Anschluss an

eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Auf-

fassung, dass bei einem Leasingfahrzeug

die monatlichen Leasingraten an Stelle

der Abschreibung stünden, aber die ein-

malige Leasingzahlung insgesamt den im

Streitjahr anzusetzenden Gesamtkosten

hinzuzurechnen sei, so dass sich in Höhe

des nach Fahrtenbuchmethode ermittel-

ten Privatanteils eine entsprechende Er-

höhung des Sachbezugs ergab.

KERNAUSSAGEN:

1. Zu den insgesamt entstehenden Kfz-

Aufwendungen (Gesamtkosten)

gehören die Kosten, die unmittel-

bar dem Halten und dem Betrieb des

Kfz dienen und in Zusammenhang

mit dessen Nutzung typischerweise

entstehen; dazu rechnen insbeson-

dere die Kosten für Betriebsstoffe,

Wartung und Reparaturen sowie die

regelmäßig wiederkehrenden festen

Kosten, etwa für die Haftpflichtver-

sicherung, die Kfz-Steuer, AfA oder

Leasing- und Leasingsonderzah-

lungen und Garagenmiete.

2. Die zutreffende Ermittlung des

geldwerten Vorteils gebietet nicht

nur, die Gesamtkosten dem Grunde

nach zutreffend zu erfassen, son-

dern auch, diese Gesamtkosten pe-

riodengerecht den jeweiligen Nut-

zungszeiträumen zuzuordnen. Seit

jeher werden die Anschaffungskosten

eines Fahrzeugs in der Weise berück-

sichtigt, dass sie über den gesamten

voraussichtlichen Nutzungszeitraum

des Fahrzeugs hinweg aufgeteilt

werden, statt dass sie im Jahr der

Rechnungsstellung oder Bezahlung

in einem Betrag in die Gesamtkosten

eingehen. Nichts anderes hat für die in

der Gewinnermittlung zu erfassenden

Mietvorauszahlungen oder Leasing-

sonderzahlungen zu gelten, die für

einen Zeitraum von mehr als einem

Jahr erbracht werden. Dies gilt je-

denfalls dann, wenn der Arbeitgeber

die Kosten des von ihm überlassenen

Fahrzeugs in seiner Gewinnermittlung

periodengerecht erfassen muss. Ent-

sprechend diesen Grundsätzen sind

in der Steuerbilanz für Ausgaben vor

dem Abschlussstichtag auf der Aktiv-

seite Rechnungsabgrenzungsposten

anzusetzen, soweit sie Aufwand für

eine bestimmte Zeit nach diesem Tag

darstellen.

3. Ob der den Dienstwagen überlassen-

de Arbeitgeber im Rahmen seiner

Gewinnermittlung in Bezug auf den

Dienstwagen diese Gewinnermitt-

lungsgrundsätze tatsächlich be-

achtet, ist unerheblich. Maßgeblich

ist vielmehr, welcher Aufwand sich bei

zutreffender Anwendung gesetzlicher

Bilanzierungsgrundsätze im Veranla-

gungszeitraum tatsächlich ergeben

hätte. Denn ein allgemeines Korres-

pondenzprinzip besteht nicht; es gibt

keine Rechtsgrundlage dafür, dass

auf der Arbeitgeberseite einerseits

und auf der Arbeitnehmerseite an-

dererseits stets korrespondierende

Ansätze vorzunehmen wären.

4. Für die Bewertung der privaten

Kfz-Nutzung gelten die Grund-

sätze der Gewinnermittlung. Im

Bereich der Gewinneinkünfte unmit-

telbar, weil insoweit § 6 Abs. 1 Nr. 4

Satz 2 EStG für die Zwecke der Ge-

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10

Ausgabe Nr. 1

winnermittlung die Bewertung der

Nutzungsentnahme normiert. Aber

auch im Rahmen der Arbeitnehmer-

besteuerung geht es um die private

Nutzung eines betrieblichen Kfz; in-

soweit ist die Vorschrift entsprechend

anzuwenden und beansprucht auch

Geltung bei Anwendung der Fahrten-

buchmethode. Mithin sind auch auf

die Bewertung des Vorteils eines zur

privaten Nutzung überlassenen (be-

trieblichen) Dienstwagens die Grund-

sätze der Gewinnermittlung entspre-

chend anwendbar, um den Vorteil

zutreffend, nämlich auch periodenge-

recht zu erfassen. Dies schließt nicht

aus, entsprechend den allgemeinen

Grundsätzen der Gewinnermittlung,

bei nur geringfügigen Beträgen

auf den Ansatz eines Rechnungs-

abgrenzungspostens zu verzich-

ten, wie z.B. bei Steuern und Versi-

cherungen für einen nur aus wenigen

Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark.

5. Der periodengerechten Zuord-

nung der Leasingsonderzahlungen

steht auch nicht entgegen, dass

dadurch im Fall des Übergangs auf

die 1%-Regelung im nachfolgenden

Veranlagungszeitraum die anteilige

Leasingsonderzahlung unberück-

sichtigt bliebe. Denn Ziel aktiver

Rechnungsabgrenzungsposten ist

es, Ausgaben vor dem Bilanzstichtag

in die Jahre zu verlagern, in die sie

wirtschaftlich gehören. Sie dienen

damit der periodengerechten Er-

folgsermittlung. Dementsprechend

sind sie auch geeignet, einen dem

Arbeitnehmer zugewandten Vorteil

bei Anwendung der so genannten

Fahrtenbuchmethode zutreffend zu

bewerten, wenn der Arbeitgeber

für einen geleasten oder gemieteten

Dienstwagen eine Sonderzahlung ge-

leistet hat. Darüber hinaus entspricht

es der Natur der 1%-Regelung als

einer nur grob typisierenden Rege-

lung, dass einzelne vorteilserhöhen-

de wie vorteilsmindernde Umstände

unberücksichtigt bleiben. So führen

etwa Kosten für Nachrüstungen des

Dienstwagens oder auch umfangrei-

che Reparaturen weder zu einer Erhö-

hung der Bemessungsgrundlage, des

Bruttolistenneupreises, noch führen

Erwerb und Überlassung gebrauch-

ter Dienstwagen mit deutlich unter

den Bruttolistenneupreisen liegenden

Anschaffungskosten zu einer Verrin-

gerung dieser Bemessungsgrundlage.

PRAXISHINWEISE:

Nach dem BFH-Urteil vom 05.05.1994 kann die Leasing-Sonderzahlung bei einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung sofort

als Betriebsausgabe abgezogen werden. Dies eröffnet die Gestaltungsmöglichkeit, kurz vor dem 31.12. den Leasingvertrag

abzuschließen und die Sonderzahlung zu leisten. Wird für den Rest des Jahres davon abgesehen, den geleasten Pkw privat

zu nutzen (dokumentiert durch ein Fahrtenbuch) kann die Sonderzahlung dann zu 100% abgezogen werden, ohne dass

ein privater Nutzungsanteil gegengerechnet wird.

Nach dem aktuellen Urteil könnte in Frage stehen, ob dieses Gestaltungsmodell noch anwendbar ist, da der BFH darauf

hingewiesen hat, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass auf der Arbeitgeberseite einerseits und auf der Arbeitneh-

merseite andererseits stets korrespondierende Ansätze vorzunehmen sind.

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11

Februar 2016

1.04

EStG EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abwehr

Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 16.09.2015, X R 43/12 DStR 2015 S. 2651, DB 2015 S. 2731

Weiterführende Literatur

LEITSÄTZE:

1. Das Turnierpokerspiel (hier: in den Varianten „Texas Hold‘em“ und „Omaha“) ist nach einkommensteuerrechtlichen Maßstä-

ben im Allgemeinen nicht als reines – und damit per se nicht steuerbares – Glücksspiel, sondern als Mischung aus Glücks- und

Geschicklichkeitsspiel einzustufen.

2. Die für die Bejahung eines Gewerbebetriebs erforderliche Abgrenzung zwischen einem „am Markt orientierten“, einkommen-

steuerbaren Verhalten und einer nicht steuerbaren Tätigkeit muss stets anhand des konkret zu beurteilenden Einzelfalls vorge-

nommen werden. Sie wird sich praktisch in erster Linie nach den Tatbestandsmerkmalen der Nachhaltigkeit und der Gewinner-

zielungsabsicht, ggf. auch nach dem ungeschriebenen negativen Tatbestandsmerkmal der Nichterfüllung der Voraussetzungen

einer privaten Vermögensverwaltung, richten.

PROBLEMSTELLUNG:

Im Streitfall ging es um die Abgrenzung

von nicht steuerbarem Glückspiel und

Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der

Teilnahme an Pokerturnieren. Der Kl. (Pi-

lot) nahm dabei über Jahre weltweit an

Pokerturnieren teil und erzielte erhebliche

Gewinnsummen. Das FA schätzte diese

anhand einer im Internet zugänglichen

Datenbank und nahm einen pauschalen

Betriebsausgabenabzug i.H.v. 30% der

Einnahmen vor. Etwaige weitere Gewinne

aus dem Pokerspiel in Spielcasinos (sog.

Cash-Games) und im Internet (Online-

Poker) ließ das FA ausdrücklich außer

Ansatz. Aus Sicht des Kl. stellten die vom

FA angesetzten Einnahmen Gewinne aus

Glücksspielen dar und seien daher nicht

steuerbar. Zudem wandte er ein, die

Internet-Datenbank sei keine belastbare

Schätzungsgrundlage.

Das FG kam zu der Überzeugung, dass

die Vereinnahmung der streitgegen-

ständlichen Preisgelder wesentlich und

überwiegend von den Fähigkeiten des

Kl. abhängig sei, weil die berufliche Aus-

bildung bzw. Tätigkeit die spielerischen

Fähigkeiten des Kl. in seiner Person derart

verdichteten, dass es ihm – im Gegensatz

zum Durchschnittsspieler – in besonde-

rem Maße möglich gewesen sei, Einfluss

auf den Ausgang von Pokerturnieren zu

nehmen, so dass der Erfolg beim Turnier-

pokerspiel überwiegend von seinem Ge-

schick abhängig gewesen sei.

KERNAUSSAGEN:

1. In Bezug auf die steuerrechtliche Be-

urteilung von Spielgewinnen bzw.

Preisgeldern ist anerkannt, dass bei

einem reinen Glücksspiel (z.B. Lot-

terie) keine Teilnahme am allge-

meinen wirtschaftlichen Verkehr

vorliegt, weil es an der Verknüpfung

von Leistung und Gegenleistung

fehlt. Denn dort stellen weder die

Spieltätigkeit noch der Spieleinsatz

Leistungen dar, die durch den Spiel-

gewinn vergütet werden.

2. Auf die individuellen – ggf. über-

oder unterdurchschnittlichen – Fähig-

keiten eines Pokerspielers kommt

es für die Frage, ob Leistung und Ge-

genleistung verknüpft sind, nicht an.

Diese Aspekte sind vorrangig bei den

weiteren Tatbestandsmerkmalen der

Nachhaltigkeit und der Gewinn-

erzielungsabsicht, ggf. auch beim

ungeschriebenen negativen Tatbe-

standsmerkmal der Nichterfüllung

der Voraussetzungen einer privaten

Vermögensverwaltung, zu berück-

sichtigen. Danach kann dahinste-

hen, ob ein Leistungsverhältnis

im vorgenannten Sinne ggf. auch

dann anzunehmen wäre, wenn

sich das Turnierpokerspiel als reines

Glücksspiel darstellte, bei dem zwar

nicht das Spielgeschick des Kl., aber

seine individuelle Bekanntheit als

häufig auftretender Spieler, Fernseh-

kommentator, Blog-Autor und Haupt-

darsteller einer Poker-Schulungs-DVD

Gegenstand der entgeltlichen öf-

fentlichen Darbietung wäre.

3. Das Merkmal der Teilnahme am

allgemeinen wirtschaftlichen

Verkehr setzt voraus, dass der

Stpfl. eine Tätigkeit am Markt

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12

Ausgabe Nr. 1

gegen Entgelt für Dritte äußerlich

erkennbar anbietet, z.B. wie ein

„berufsmäßiger“ Skat-, Rommé- und

Backgammonspieler. Seine Tätigkeit

muss nach außen hin in Erscheinung

treten und sich an eine – wenn auch

nur begrenzte – Allgemeinheit (Ver-

kehrskreis) wenden. Wer bei von

ihm besuchten Pokerturnieren die

öffentliche Darbietung seiner

spielerischen Fähigkeiten anbietet

und hierfür als Entgelt ein von seiner

Platzierung abhängiges Preisgeld in

Aussicht gestellt wird, verwirklicht

dies.

4. Es ist rechtlich ohne Belang, dass

zugleich die (obligatorische) Verpflich-

tung eingegangen wird, sich durch

die Zahlung eines „Buy-Ins“ (Start-

geld) an den Aufwendungen bzw.

der Vergütung des Turnierveranstal-

ters zu beteiligen. Diese Zahlungen

stellen nach der einkommensteuer-

rechtlichen Systematik Betriebsaus-

gaben des Kl. dar, durch die sich –

bei der gebotenen wirtschaftlichen

Betrachtungsweise – letztlich nur die

Maximalhöhe des von ihm erzielbaren

Gewinns verringert.

5. In der bisherigen Rechtsprechung

wurde regelmäßig eine Beteiligung

am allgemeinen wirtschaftlichen

Verkehr für reines Glückspiel ver-

neint. Tritt das Geschicklichkeit-

selement bereits bei einem durch-

schnittlichen Spieler nur noch wenig

hinter das Zufallselement zurück

bzw. übertrifft dieses, ist das Poker-

spiel im Allgemeinen jedoch als Mi-

schung aus Glücks- und Geschick-

lichkeitselementen anzusehen.

6. Bei der Gewinnerzielungsabsicht

handelt es sich um ein subjektives

Tatbestandsmerkmal, das allerdings

nicht nach den Absichtserklärungen

des Stpfl., sondern nach den äuße-

ren Umständen zu beurteilen ist.

Dass einer Betätigung zweifelsohne

auch eine nicht unerhebliche Spiel-

leidenschaft zugrunde liegt, steht

dem nicht entgegen, denn nach der

gesetzgeberischen Wertung in § 15

EStG ist es für die Annahme eines Ge-

werbebetriebs (bei Vorliegen seiner

Voraussetzungen im Übrigen) ausrei-

chend, wenn die Gewinnerzielungs-

absicht einen Nebenzweck darstellt.

7. Eine Betätigung als Turnierpoker-

spieler überschreitet auch den

Rahmen privater Vermögensver-

waltung – sofern diese beim Poker-

spiel überhaupt vorstellbar ist, da

strukturell-gewerbliche Aspekte

(regelmäßige Teilnahme an großen,

auch im Ausland ausgetragenen Tur-

nieren, Umfang der jährlich bzw. über

die Jahre hinweg erzielten Preisgelder

und – damit korrespondierend – nicht

unerhebliche „Buy-Ins“, vertragliche

Einkleidung der Turnierteilnahme, po-

kerbezogene mediale Präsenz bzw.

Vermarktung der eigenen Person und

Fähigkeiten) in der Gesamtschau ent-

scheidend in den Vordergrund tre-

ten.

PRAXISHINWEISE:

Das Urteil macht deutlich, dass die Besteuerung grundsätzlich nicht an den Tatbestand des „Glücksspiels“ anknüpft sondern

an den Tatbestandsmerkmalen des Gewerbebetriebs. Damit können auch Teilnahmen an „reinem“ Glücksspiel grundsätzlich

zu einem Gewerbebetrieb führen, wobei der BFH hierfür aber keine Anhaltspunkte gegeben hat.

Fraglich ist, wie in vergleichbaren Fällen die Spieleinsätze bzw. Verluste zu behandeln sind und wann bei Vorliegen von

Anfangsverlusten die gewerbliche Tätigkeit konkret begonnen hat. Dem Grunde nach müssten insoweit auch Betriebsaus-

gaben anzunehmen sein. Zu beachten ist, dass Geschicklichkeitsspiele z.B. auch bei Quiz- oder Spielteilnahmen gegeben

sein können, so dass im Zweifel auch einmalige Preisgelder der ESt unterliegen können.

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13

Februar 2016

2. KÖRPERSCHAFTSTEUER

2.01

KStG KStG § 8 Abs. 3 Satz 2, EStG § 20 Abs.1 Nr. 1 bis 3 X Abwehr

Zurechnung von vGA bei Untreuehandlungen eines Nur-Geschäftsführers zu Lasten der Gesell-

schaft

Gestaltung

X Wissen

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2015, 10 V

9101/13

EFG 2015 S. 1643, Haufe-Index 8299337

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Untreuehandlungen eines GmbH-Geschäftsführers, der selbst nicht Gesellschafter ist, zu Lasten der

Gesellschaft einen Zufluss von vGA bei den anderen Geschäftsführern, die zugleich auch Gesellschafter sind, bewirken können.

PROBLEMSTELLUNG:

Bei einer GmbH wurden im Rahmen ei-

ner BP sowie einer Fahndungsprüfung

Schwarzeinnahmen in Höhe von T€ 381

festgestellt. Gesellschafter-Geschäftsfüh-

rer der GmbH waren im Streitjahr 2005

die Eheleute A und B (zusammen 50%)

sowie C (50%); ab dem 03.08.2005 war

C alleinige Gesellschafter-Geschäftsführe-

rin. Der von C geschiedene D war weite-

rer, nicht beteiligter Geschäftsführer. Nach

den Angaben der C und den Feststellun-

gen der Fahndung hatte D die Einnahmen

ohne Wissen und Wollen der anderen Ge-

schäftsführer/ Gesellschafter veruntreut.

Die GmbH hatte deshalb in ihrer Bilanz

eine entsprechende Forderung gegen D

eingestellt. Aufgrund der Insolvenz des

D musste die Forderung später vollstän-

dig wertberichtigt werden. Das FA rech-

nete die unstreitig dem D zugeflossenen

Schwarzeinnahmen im Wege der vGA

den Gesellschaftern quotal zu. Die Ehe-

leute A und B beantragten, die Ausset-

zung der Vollziehung des ESt-Bescheides,

in dem die vGA berücksichtigt wurde, weil

der Geschäftsführer D faktisch alleiniger

Entscheider im Unternehmen gewesen

sei. A selbst sei „nicht geschäftsführen-

der Gesellschafter gewesen, sondern nur

angestellter Koch“.

KERNAUSSAGEN:

1. vGA gehören zu den Einkünften aus

Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs.

1 Nr. 1 bis 3 EStG, die vom Anteils-

eigner einer KapGes erzielt werden.

vGA sind deshalb grundsätzlich dem

Eigentümer bzw. wirtschaftlichen

Eigentümer der Geschäftsanteile zu-

zurechnen.

2. Eine vGA kann auch ohne tatsäch-

lichen Zufluss beim Gesellschafter

gegeben sein, wenn der Vorteil dem

Gesellschafter mittelbar in der Weise

zugewendet wird, dass eine ihm na-

hestehende Person aus der Vermö-

gensverlagerung Nutzen zieht. Dies

gilt uneingeschränkt jedoch nur für

den Fall, dass andere Ursachen für die

Zuwendung als das Nahestehen des

Empfängers zu einem Gesellschafter

auszuschließen sind. Nur dann spricht

der Beweis des ersten Anscheins da-

für, dass die nahestehende Person

den Vorteil ohne ihre Beziehung zum

Gesellschafter nicht erhalten hätte.

Die Zuwendung zu Lasten der

GmbH ist in diesem Fall so zu beur-

teilen, als hätte der Gesellschafter

den Vorteil erhalten und diesen an

die nahestehende Person weiterge-

geben.

3. An der gesellschaftsrechtlichen Veran-

lassung einer Vermögensminderung

fehlt es, wenn die Zuwendung des

Vorteils ihre Ursache ausschließlich

in einer vom Gesellschaftsver-

hältnis zum nahestehenden Gesell-

schafter unabhängigen Beziehung

der KapGes zum Empfänger der

Zuwendung hat. Die finanzgericht-

liche Rechtsprechung sieht den An-

scheinsbeweis für eine Veranlassung

durch das Gesellschaftsverhältnis ins-

besondere dann als erschüttert an,

wenn sich ein einem Gesellschafter

nahestehender Geschäftsführer, der

nicht zugleich Gesellschafter ist, wi-

derrechtlich Geldbeträge aus dem

Vermögen der KapGes verschafft

und dem Gesellschafter die wider-

rechtlichen eigenmächtigen Maß-

nahmen des Geschäftsführers weder

bekannt sind noch in seinem Interesse

getroffen werden. In diesem Fall ist

die Zuwendung an den Begüns-

tigten allein durch die eigenmäch-

tigen widerrechtlichen Maßnahmen

des Geschäftsführers veranlasst, nicht

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14

Ausgabe Nr. 1

aber durch das Gesellschaftsver-

hältnis. Dies gilt auch dann, wenn

die widerrechtlichen Maßnahmen des

Geschäftsführers durch unzureichen-

de oder fehlende Kontrolle seitens der

Gesellschafterversammlung erleich-

tert oder ermöglicht worden sind.

4. Nicht abschließend entschieden ist

die Fallkonstellation, dass mehrere

Geschäftsführer vorhanden sind,

von denen einer, der nicht gleichzei-

tig Gesellschafter ist, ohne das Wissen

des anderen, der auch Gesellschafter

ist, Untreuehandlungen zu Lasten

der Gesellschaft begeht. Nach Auf-

fassung des beschließenden Senats

kann in dieser Konstellation dem

Gesellschafter-Geschäftsführer eine

vGA aufgrund der widerrechtlichen

Handlung des Nur-Geschäftsführers

nicht zugerechnet werden.

5. Den Gesellschafter-Geschäftsführer

kann zwar auch dann eine persön-

liche Haftung treffen, wenn er auf-

grund mangelnder Überwachung

des Mitgeschäftsführers von des-

sen Tun keine Kenntnis hatte. Diese

Haftung betrifft das Verhältnis

nach außen und damit die Interes-

sen schützenswerter Dritter, näm-

lich der Gläubiger der GmbH, auch

des Steuergläubigers im Falle des §

69 AO. Diese Pflichtverletzung wird

in gewisser Weise sanktioniert. Ob

gleichzeitig eine weitere Sanktion

durch Zurechnung der veruntreu-

ten Beträge als eigene Einkünfte

des Gesellschafter-Geschäftsführers

notwendig ist, erscheint jedoch kei-

nesfalls zwingend. Maßgeblich ist

insoweit allein die Frage, ob eine

gesellschaftsrechtliche Veranlassung

für die Vermögensminderung besteht

oder ob es sich um eine allein von dem

handelnden Geschäftsführer veran-

lasste Vermögensminderung handelt.

Letztlich ist zu entscheiden, ob die

Nachlässigkeit eines Gesellschafters in

seiner Eigenschaft als Geschäftsfüh-

rer zu einer gesellschaftsrechtlichen

Veranlassung der von einem Mitge-

schäftsführer in unredlicher Weise

verursachten Vermögensminderung

führt. Das ist nach der Überzeugung

des Senats nicht der Fall.

PRAXISHINWEISE:

Die Entscheidung betrifft zwar nur das Aussetzungsverfahren, gleichwohl ergeben sich aus der Begründung des FG inter-

essante Aspekte zur Argumentation zur Zurechnung von vGA in Schwarzgeldfällen.

2.02

KStG KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

EStG § 6a

Abwehr

Anwendung der Grundsätze zur Überversorgung Gestaltung

X Wissen

FG Köln, Urteil vom 29.04.2015, 13 K 2435/09 EFG 2015 S. 1563, Haufe-Index 8299371

Weiterführende Literatur FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.12.2014 , EFG 2015

S. 321

LEITSATZ:

Bei der Beurteilung von Pensionszusagen sind die Grundsätze des BFH zur Überversorgung (§ 6a EStG) auch bei der Zusage von

Festbeträgen weiterhin anzuwenden (gegen FG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2014).

PROBLEMSTELLUNG:

Eine im Jahr 1995 gegründete GmbH hatte

ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer

im Jahr 1997 eine Pensionszusage mit ei-

nem Festbezug von monatlich DM 20.000

auf das 65. Lebensjahr erteilt. Zum Zeit-

punkt der Erteilung der Zusage betrugen

die monatlichen Aktivbezüge des Ge-

schäftsführers DM 40.000. Die laufenden

Bezüge wurden zum 01.07.2000 auf mo-

natlich DM 4.000,00 und zum 01.07.2001

auf monatlich DM 2.000,00 und schließlich

zum 01.12.2001 auf DM 0,00 reduziert.

Mit Beschluss vom 07.10.2005 wurde

vereinbart, die Pensionsrückstellung nach

dem Stand vom 31.12.2004 einzufrieren.

Nach einer BP wurde die ab 01.12.2001

vereinbarte Gehaltsreduzierung als Bar-

lohnverzicht gewertet, so dass durch die

Page 15: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

15

Februar 2016

unveränderte Pensionszusage eine Über-

versorgung eingetreten sei. Die Berech-

nung der Überversorgung erfolgte nach

den Vorgaben des BMF-Schreibens vom

03.11.2004 und ergab eine Kürzung der

Rückstellung um 58,40%.

KERNAUSSAGEN:

1. Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4

EStG sind Werterhöhungen oder

Verminderungen von Pensionsleis-

tungen nach dem Schluss des Wirt-

schaftsjahres, die hinsichtlich des

Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens

oder ihres Umfanges ungewiss sind,

bei der Berechnung des Barwertes der

künftigen Pensionsleistungen und der

Jahresbeträge erst zu berücksich-

tigen, wenn sie eingetreten sind.

Diese Regelungslage lässt sich durch

eine entsprechende Höherbemessung

der Versorgung in Form eines Festbe-

trages nicht umgehen.

2. Eine Vorwegnahme künftiger Ent-

wicklungen in Gestalt ansteigender

Einkommenstrends führt typisierend

dann zu einer Überversorgung und

zur Kürzung der Pensionsrückstel-

lung, wenn die Versorgungsanwart-

schaft zusammen mit der Renten-

anwartschaft aus der gesetzlichen

Rentenversicherung 75% der am

jeweiligen Bilanzstichtag bezogenen

Aktivbezüge übersteigt. Zur Prüfung

einer möglichen Überversorgung wird

auch bei Festzusagen stets auf die

vom Arbeitgeber während der aktiven

Tätigkeit des Begünstigten tatsächlich

erbrachten Leistungen abgestellt.

3. Die Zusage einer gemessen am aktu-

ellen Arbeitsentgelt überhöhten, d.h.

die 75%-Grenze überschreitenden,

betrieblichen Altersversorgung bildet

dabei lediglich ein Indiz bzw. einen

Anhalt für eine steuerrechtlich un-

zulässige Vorwegnahme künftiger

Lohntrends und führt deshalb nicht

zwingend zur steuerrechtlichen Ver-

sagung einer entsprechenden Pensi-

onsrückstellung. Maßgebend für die

Beantwortung der Frage, ob das hohe

Versorgungsniveau einer Zusage auf

Leistungen der betrieblichen Alters-

versorgung von vorneherein beab-

sichtigt worden ist oder ob durch

die Höhe künftige Einkommens- und

Lohnentwicklungen vorweggenom-

men werden sollen, sind demnach

die Umstände des jeweiligen

Einzelfalles. Das Überschreiten der

75%-Grenze durch Beibehaltung der

Festbetragsversorgungszusage bei re-

duzierten Aktivbezügen kann danach

im Einzelfall gerechtfertigt sein.

4. Bei einem völligen Barlohnverzicht

gibt es kein Verhältnis von Aktiv- zu

Ruhebezügen mehr, so dass die fort-

bestehende Versorgung in Form von

Festbeträgen in Höhe des gesamten

zugesagten Ruhegeldes eine Über-

versorgung indiziert. Nach den

Verhältnissen im Streitfall konnte die

Höhe der zugesagten Festbetragsver-

sorgung nicht mehr gerechtfertigt

werden, ohne künftige Einkommens-

entwicklungen vorwegzunehmen.

5. Die Frage der Überversorgung und

der darauf beruhenden Anerkennung

der Pensionszusage ist zu jedem Bi-

lanzstichtag nach den jeweils vorlie-

genden Umständen zu beurteilen.

Die Tatsache, dass eine Versorgungs-

zusage im Zeitpunkt der Zusage ge-

messen an den in diesem Zeitpunkt

gezahlten Bezügen die 75%-Grenze

nicht überschritten hat und dem-

entsprechend zunächst keine Über-

versorgung beinhaltete, führt nicht

dazu, dass die Versorgungszusage

dauerhaft und unabhängig von der

künftigen Gehaltsentwicklung als an-

gemessen anzusehen wäre.

6. Anhaltspunkte für eine nur vorüber-

gehende Verminderung der Arbeits-

leistung und des Gehaltes z.B. zum

Zwecke der Sanierung bestehen im

Streitfall nicht. Die Umstände wider-

legen die durch die Überschreitung

der 75%-Grenze indizierte Überver-

sorgung der Höhe nach nur insoweit,

wie mit dem Verzicht auf die Aktiv-

bezüge der Geschäftsführer nicht

mehr tätig war. Die Reduzierung

der Arbeitszeit des Geschäftsfüh-

rers rechtfertigt eine Absenkung

des Gehalts, ohne dass es einer An-

passung der Versorgungszusage

bedürfte. Diesem Umstand hat der

Beklagte dadurch Rechnung getra-

gen, dass er unter Berücksichtigung

der ab 01.12.2001 fehlenden Tätig-

keit des Geschäftsführers für die Kl.

die Dauer der gerechtfertigten Ver-

sorgungszusage zu der Dauer der

nicht gerechtfertigten Versorgungs-

zusage entsprechend der Tz 19 des

BMF-Schreibens vom 03.11.2014 ins

Verhältnis gesetzt und entsprechend

die anzuerkennende Höhe der Pensi-

onsrückstellung berechnet hat.

7. Der Einwand der Kl., sie sei zivilrecht-

lich nicht ohne weiteres in der

Lage gewesen, eine Reduzierung

der Versorgung gegenüber ihrem

Geschäftsführer durchzusetzen, greift

nicht durch. Als Alleingesellschafter

hatte es der Geschäftsführer in der

Hand, neben einem Gehaltsverzicht

auch eine entsprechende Anpassung

der Pensionszusage zu vereinbaren.

Der BFH hat ausdrücklich ausge-

führt, der steuerrechtliche Maßstab

der Überversorgung beziehe sich

ausschließlich auf die aus § 6a EStG

Page 16: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

16

Ausgabe Nr. 1

abzuleitende Bewertung der Versor-

gungsanwartschaft. Die Vorschrift

wirke als spezielle Bewertungs-

vorschrift mit einschränkenden

Sondervoraussetzungen, wobei

sie allerdings an das Vorliegen einer

zivilrechtlich wirksam erteilten, den

Verpflichteten wirtschaftlich belas-

tenden, Versorgungsverpflichtung

anschließe. Ob eine Kürzung des

Versorgungsversprechens gegen das

arbeitsrechtliche Verbot eines Teilwi-

derrufs der Versorgungszusage ver-

stoße, sei daher für die steuerrechtli-

che Entscheidung ohne Bedeutung.

PRAXISHINWEISE:

1. Das FG hat die Revision im Hinblick auf die abweichende Rechtsauffassung des FG Brandenburg, über das in FN 2/2015

unter Tz 2.01 berichtet wurde, zugelassen, das Urteil ist jedoch rechtskräftig geworden.

2. Das FG Brandenburg hatte sich in seiner Entscheidung gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zur Überversorgung

als auch gegen die Auffassung des BMF im Schreiben vom 04.11.2004 zur Ermittlung der Überversorgungsgrenzen

gewandt. Daraus ergeben sich insbesondere für die Abwehrberatung sehr gute Argumente.

3. Ist mit einer Pensionszusage eine Überversorgung verbunden, kann die gebildete Pensionsrückstellung insoweit im ersten

offenen Jahr entsprechend aufgelöst werden. Dies gilt für alle Zusagen, also unabhängig davon, ob der Anspruchsbe-

rechtigte Gesellschafter ist oder nicht.

2.03

KStG KStG §§ 32a, 8 Abs. 3 Satz 2

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

X Abwehr

Sachlicher Anwendungsbereich des § 32a KStG bei vGA Gestaltung

X Wissen

BFH-Beschluss vom 05.06.2015, VIII B 20/15 GmbHR 2015 S. 1053, Haufe-Index 8469287

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die Änderung eines ESt Bescheides auf § 32a KStG gestützt werden kann, wenn eine auf

Gesellschafterebene zu erfassende vGA bereits im vorangegangenen ESt-Bescheid – allerdings mit abweichenden Werten- erfasst

worden ist.

PROBLEMSTELLUNG:

Im Streitfall hatte das FA bei einer GmbH

im Rahmen einer durchgeführten BP

vGA zugunsten des Alleingesellschafter-

Geschäftsführers festgestellt, die durch

nicht dienstvertraglich vereinbarte Kfz-

Nutzungen durch ihn und seine Ehefrau

hervorgerufen wurden. Dabei wurde die

vGA für den Geschäftsführer nach der

1% Regelung bemessen, während der

Nutzungsvorteil der Ehefrau mit den

bei der Gesellschaft angefallenen Kfz-

Kosten angesetzt wurde. Im geänderten

KSt-Bescheid der GmbH vom 28.12.2012

wurde eine vGA von insgesamt T€ 33,2

berücksichtigt. Im Rahmen seiner ESt

erklärte der Gesellschafter die vGA, be-

rechnete den Nutzungsvorteil aus der Kfz

Nutzung für beide Fahrzeuge aber nach

der 1%-Regelung (insgesamt T€ 21,9).

Das FA folgte der Erklärung mit Bescheid

vom 10.02.2014. Aufgrund einer vom

04.06.2014 datierenden Kontrollmittei-

lung, die eine vGA von T€ 46,9 (bei Kfz

Kosten T€ 33,3) auswies, erließ das FA

am 30.06.2014 unter Hinweis auf § 32a

KStG einen entsprechenden Änderungs-

bescheid. Der mit dem Einspruch gestellte

Antrag auf AdV wurde sowohl vom FA als

auch vom FG des Saarlandes abgelehnt.

KERNAUSSAGEN:

1. Die Regelung des § 32a KStG ent-

hält eine formelle Änderungs-

möglichkeit, begründet jedoch keine

materielle Bindung der Steuerfestset-

zung gegenüber dem Gesellschafter.

Sie dient dem Ziel, die verfahrens-

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17

Februar 2016

rechtlichen Hemmnisse, die einer zu-

treffenden materiellen Besteuerung

von Körperschaften und Anteilseig-

nern entgegenstehen, zu beseitigen.

Sie ist danach im Ergebnis auf die

Kongruenz der Besteuerung der

Ebenen der Gesellschaft und des

Anteilseigners angelegt und ge-

währt einer materiell richtigen Ein-

kommensteuerfestsetzung Vorrang

gegenüber dem Vertrauen des Stpfl.

in die Bestandskraft der bereits erfolg-

ten Steuerfestsetzung.

2. § 32a KStG regelt anders als § 175

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht die

Anpassung eines Folgebeschei-

des an den Grundlagenbescheid.

Dementsprechend stellt sich zumin-

dest die Frage, ob eine auf § 32a

KStG gestützte Korrektur eines be-

standskräftigen ESt-Bescheides des

Gesellschafters jedenfalls dann aus-

geschlossen ist, wenn dem FA nicht

nur das Vorliegen der vGA dem

Grunde nach bekannt war, sondern

der KSt-Bescheid im Zeitpunkt des

Erlasses des bestandskräftig gewor-

denen Einkommensteueränderungs-

bescheides bereits vorlag. Folgt das

FA in einem solchen Fall der in Bezug

auf die Höhe der vGA abweichenden

Erklärung des Stpfl. und setzt die ESt

unter Aufhebung des Vorbehalts der

Nachprüfung erklärungsgemäß fest,

so erscheint es zumindest fraglich, ob

es eine spätere Durchbrechung der

eingetretenen Bestandskraft dieses

Bescheides auf § 32a KStG stützen

kann, ohne dass der KSt-Bescheid

geändert wird.

3. Ernstliche Zweifel bestehen auch

daran, dass der Erlass des streitigen

Änderungsbescheides auf neue Tat-

sachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

gestützt werden kann. Nachträglich

werden Tatsachen oder Beweismit-

tel bekannt, wenn deren Kenntnis

nach dem Zeitpunkt erlangt wird,

in dem die Willensbildung über die

Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

Maßgeblich ist die Kenntnis der zur

Bearbeitung des Steuerfalls orga-

nisatorisch berufenen Dienststelle.

Tatsache im Sinne dieser Vorschrift

ist alles, was Merkmal oder Teilstück

eines gesetzlichen Steuertatbestandes

sein kann, also Zustände, Vorgänge,

Beziehungen und Eigenschaften ma-

terieller oder immaterieller Art. Kei-

ne Tatsachen in diesem Sinne sind

Schlussfolgerungen aller Art, insbe-

sondere juristische Subsumtionen.

Der Kontrollmitteilung, auf die das

FA sich im Zusammenhang mit dem

Erlass des streitgegenständlichen Än-

derungsbescheides bezieht, ist eine

solche neue Tatsache nicht zu ent-

nehmen.

PRAXISHINWEISE:

Der BFH hat die gewährte AdV ausschließlich auf verfahrensrechtliche Überlegungen gestützt und zur Frage, ob die Be-

rechnung der Kfz-Nutzungsvorteile im Streitfall statt nach den Kosten nach der 1%-Regelung erfolgen kann, ausdrücklich

offen gelassen. Ungeachtet der Frage, ob der BFH Gelegenheit bekommt, sich im Hauptsacheverfahren zu dieser Frage zu

äußern, können die vom BFH angestellten Überlegungen im Rahmen von Abwehrberatungen genutzt werden.

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18

Ausgabe Nr. 1

3. GEWERBESTEUER

3.01

GewStG GewStG, §§ 2, 7; EStG; § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abwehr

Teilbetrieb nur bei hinreichender Selbständigkeit des Geschäftsbereichs Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 22.10.2015, IV R 17/12 NWB Dok-ID: ZAAAF-1842, BFH/NV 2016 S. 209

Weiterführende Literatur

LEITSÄTZE:

1. Der Begriff des Teilbetriebs ist gewerbesteuerrechtlich ebenso zu verstehen wie in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, also als organisch

geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein funktions- bzw.

lebensfähig ist.

2. Bei einem Groß- und Einzelhandel mit Getränken, der Abholmärkte betreibt und in einem Geschäftsbereich „Gastronomie“

Gastronomiebetriebe und Veranstaltungen beliefert, ist dieser Geschäftsbereich kein Teilbetrieb i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

EStG, wenn diesem Geschäftsbereich zwar zum Teil eigene Arbeitnehmer zugeordnet sind, die Dienstleistungen der Unterneh-

mensbereiche getrennt beworben und Lieferverträge getrennt ausgehandelt werden, im Übrigen aber die Unternehmensbereiche

organisatorisch einheitlich geführt werden, der Geschäftsbereich „Gastronomie“ nicht räumlich vom Rest des Unternehmens

getrennt ist und nicht über eine eigenständige Buchführung verfügt.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl. betrieb einen Groß- und Einzel-

handel mit Getränken. Dabei wurden ne-

ben Getränkeabholmärkten, die sowohl

in eigener Regie als auch im Wege des

Franchise geführt wurden, auch Gast-

ronomiebetriebe bzw. Veranstaltungen

im Bereich der Gastronomie beliefert.

Ein Grundstück verwendete die Kl. für

die Leergutlagerung und -sortierung des

Gesamtbetriebs. Die Unternehmensbe-

reiche wurden in der Öffentlichkeit zwar

unterschiedlich beworben. Räumlich war

der Bereich der Gastronomie vom Rest

des Unternehmens aber nicht getrennt.

Es war auch keine jeweils eigenständige

Buchführung für die Unternehmensberei-

che eingerichtet, sondern deren waren-

wirtschaftliche Trennung wurde lediglich

teilweise in der Kostenstellenrechnung

nachvollzogen. Eine Aufteilung der jewei-

ligen Erlöse und Kosten war insoweit zwar

herleitbar, wurde aber nicht durchgängig

vorgenommen. Eine die Eigenständigkeit

ermöglichende interne Organisation und

Verwaltung waren nicht klar erkennbar.

Im Jahre 2006 verkaufte die Kl. den Be-

reich „Gastronomie“, wobei das Grund-

stück allerdings nicht mit veräußert wurde.

In ihrer Feststellungserklärung erklärte die

Kl. einen Gewinn aus der Veräußerung

eines Teilbetriebs nach § 16 Abs. 1 Nr.

1 EStG; in ihrer Gewerbesteuererklärung

bezog sie den Gewinn jedoch nicht ein. Im

Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das

FA die Auffassung, es sei kein Teilbetrieb

veräußert worden, weil das Grundstück

eine wesentliche Betriebsgrundlage dar-

stelle. Ohne die Leergutlagerung und -sor-

tierung habe man den Bereich „Gastro-

nomie“ nicht fortführen können, so dass

es an der Veräußerung aller wesentlichen

Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs fehle.

KERNAUSSAGEN:

1. Die weitgehende Verselbständi-

gung eines Teilbetriebs im Rahmen

des gesamten Gewerbebetriebs ist

maßgebliche Rechtfertigung dafür,

dass auch Gewinne aus der Aufgabe

oder Veräußerung eines Teilbetriebs

nicht der Gewerbesteuer zu unter-

werfen und damit den Gewinnen aus

der Aufgabe oder Veräußerung des

Gesamtbetriebs gleichzustellen

sind.

2. Ob die veräußerten Wirtschaftsgü-

ter in ihrer Zusammenfassung einer

sich von der übrigen gewerblichen Tä-

tigkeit des Veräußerers deutlich ab-

hebenden Betätigung dienen und

als Betriebsteil die für die Annah-

me eines Teilbetriebs erforderliche

Selbständigkeit besitzen, ist nach

dem Gesamtbild der Verhältnisse zu

entscheiden, und zwar nach den Ver-

hältnissen beim Veräußerer und nicht

beim Empfänger.

3. Bei dieser Gesamtwürdigung sind

z.B. folgende Abgrenzungsmerk-

male zu beachten: räumliche Tren-

nung vom Hauptbetrieb, eigener

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19

Februar 2016

Wirkungskreis, gesonderte Buchfüh-

rung, eigenes Personal, eigene Ver-

waltung, eigenes Anlagevermögen,

ungleichartige betriebliche Tätigkeit,

eigener Kundenstamm und eine die

Eigenständigkeit ermöglichende in-

terne Organisation.

4. Diese Merkmale brauchen zwar nicht

sämtlich vorzuliegen, der Teilbe-

trieb erfordert allerdings eine ge-

wisse Selbständigkeit gegenüber

dem Hauptbetrieb. Ob zivilrechtlich

unter dem Aspekt des sachenrecht-

lichen Bestimmtheitsgrundsatzes ein

zur Veräußerung vorgesehener

Teil des Gesamtbetriebs definiert

werden kann, ist für den steuerrechtli-

chen Begriff des Teilbetriebs nicht von

Bedeutung.

PRAXISHINWEISE:

1. Auf die Frage, ob das Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage des (vermeintlichen) Teilbetriebs „Gastronomie“

darstellte, kam es im Streitfall nicht mehr an. Für die Praxis ist zu empfehlen, in vergleichbaren Fällen auf eine eindeutige

Trennung der Teilbetriebe nach den vom BFH aufgezeigten Kriterien zu achten.

2. Zu beachten ist, dass für einkommensteuerliche und umwandlungsrechtliche Tatbestände unterschiedliche Teilbetriebs-

begriffe bestehen, die im Rahmen von Gestaltungen gesondert zu prüfen und zu beurteilen sind.

3.02

GewStG GewStG, § 8 Nr. 1 Buchst. e Abwehr

Hinzurechnung von am Umsatz des Pächters bemessenen Grundstückspachtzahlungen Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14 NWB Dok-ID: VAAAF-18885, BFH/NV 2016 S. 232

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Auch bei einer Umsatzpacht sind die Pachtzinsen bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 8 Nr. 1 Buchst. e)

GewStG hinzuzurechnen.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl., eine GmbH, hat mehrere Immo-

bilien gepachtet, um sie gewerblich zu

nutzen. Mit den Grundstückseigentümern

wurden zum Teil umsatzabhängige Pach-

ten vereinbart, verbunden mit der Ver-

pflichtung, das Gewerbe auch tatsäch-

lich zu betreiben (Betriebspflicht). Andere

Verträge sehen vor, dass sich das Entgelt

aus einer Mindestpacht und einer umsatz-

abhängigen Vergütung zusammensetzt.

Während das FA auch im Falle der umsatz-

abhängigen Pacht die an die Eigentümer

gezahlten Pachtzinsen in voller Höhe ge-

mäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG gewerbe-

ertragserhöhend erfasste, war die Kl. der

Auffassung, dass von den Pachtentgelten

zunächst bestimmte Betriebskosten ab-

zusetzen seien und nur der sich daraus

ergebende Differenzbetrag dem Grunde

nach der Hinzurechnung unterliege.

KERNAUSSAGEN:

1. Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG

werden dem Gewinn aus Gewer-

bebetrieb ein Viertel der Summe

aus dreizehn Zwanzigstel (ab 2010:

der Hälfte) der Miet- und Pachtzin-

sen für die Benutzung der unbe-

weglichen Wirtschaftsgüter des

Anlagevermögens, die im Eigentum

eines anderen stehen, wieder hinzu-

gerechnet.

2. Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen

ist wirtschaftlich zu verstehen. Er

erfasst daher nicht nur die laufenden

Barzahlungen des Mieters oder Päch-

ters an den Vermieter oder Verpächter.

Vielmehr gehören auch die vom Mieter

oder Pächter getragenen Instandhal-

tungskosten und z.B. die Kosten einer

Kaskoversicherung zu den Miet- oder

Pachtzinsen, wenn und soweit diese

Kosten nach den für diesen Vertragstyp

gültigen gesetzlichen zivilrechtli-

chen Vorschriften nicht ohnehin der

Mieter oder Pächter zu tragen hätte.

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20

Ausgabe Nr. 1

3. Das Gesetz stellt auf das im Außen-

verhältnis gegenüber dem Ver-

pächter gezahlte Entgelt ab. Daher

spielen interne Kalkulationsgrundla-

gen des Pächters, die ihn veranlasst

haben, eine bestimmte Pachthöhe

oder eine bestimmte Methode der

Pachtbemessung im Außenverhältnis

zum Verpächter vertraglich zu ak-

zeptieren, für die Anwendung der

Hinzurechnungsnorm keine Rolle.

4. Auch gleichheitsrechtliche Überle-

gungen, wonach Umsatzpachtver-

hältnisse und Festpachtverhältnisse

ungleich behandelt würden, rechtfer-

tigen es nicht, vom Pächter getrage-

ne Betriebskosten von der gezahlten

Umsatzpacht als dem maßgeblichen

Hinzurechnungsbetrag abzuzie-

hen. Zwar mag es zutreffen, dass bei

einer Umsatzpacht der Pächter die von

ihm zu tragenden Betriebskosten (z.B.

für Strom) in den Umsatz einkalkuliert

und die Kosten somit mittelbar die zu

zahlende Umsatzpacht und damit

den Hinzurechnungsbetrag erhöhen.

Doch werden bei einer Festpacht die

Betriebskosten ebenfalls in die Kalku-

lation einfließen und der Verpächter

hat sich - jedenfalls auf mittelbare Wei-

se - ebenfalls seine Beteiligung an den

gezogenen Früchten in Gestalt der

Festpacht vorbehalten.

PRAXISHINWEISE:

Der BFH hält die gesetzlich gebotene Hinzurechnung der Grundstücksmieten und -pachten für eindeutig verfassungskon-

form. Er verweist in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 04.06.2014 (BStBl II 2015, 289). Er hat das Verfahren daher

trotz des vom FG Hamburg angestrengten Normenkontrollverfahrens beim BVerfG (Az. 1 BvL 8/12) nicht ausgesetzt. Der

BFH schätzt die Vorlage als offensichtlich aussichtslos ein.

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21

Februar 2016

4. BILANZSTEUERRECHT

4.01

Bilanz EStG § 5 Abwehr

Steuerliche Behandlung von kundenspezifischen mit Werkzeugkostenzuschüssen geförderten

Werkzeugen

Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 3/13 BStBl II 2015 S. 7977, NWB 2015 S. 2842, kösdi 2015 S. 19500

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Zuschüsse des Auftraggebers für kundenspezifische Werkzeuge sind ertragswirksam zu erfassen, wenn der Auftraggeber Eigentü-

mer der Werkzeuge wird. Der Auftragnehmer darf die Zuschüsse weder durch Rechnungsabgrenzungsposten noch Rückstellungen

neutralisieren.

PROBLEMSTELLUNG:

Die als Automobilzulieferer tätige K-GmbH

& Co. KG erstellte zur Erfüllung von Liefer-

aufträgen Werkzeuge, die zivilrechtliches

Eigentum der Kunden wurden. Die Kun-

den zahlten Zuschüsse zur Herstellung der

Werkzeuge, die die Kosten für die Herstel-

lung regelmäßig überstiegen. Im Hinblick

auf die Zuschüsse gewährte die K-GmbH

& Co. KG den Kunden Preisnachlässe auf

die fortlaufend gelieferten Kfz-Teile.

Die K-GmbH & Co. KG aktivierte die

Werkzeuge und schrieb sie über die vor-

aussichtliche Nutzungsdauer ab. Für die

Zuschüsse bildete sie passive Rechnungs-

abgrenzungsposten, die sie im Hinblick

auf künftige Preisermäßigungen für die

Teilelieferung laufzeitorientiert auflöste.

Das FA vertrat die Auffassung, dass kein

passiver Rechnungsabgrenzungsposten

zu bilden sei, da die Verträge über die

Werkzeugkostenzuschüsse als Kauf- oder

Werklieferungsverträge anzusehen seien.

Aus Vereinfachungsgründen löste das FA

den passiven Rechnungsabgrenzungspos-

ten nur insoweit gewinnerhöhend auf, als

dieser den Betrag der aktivierten Werk-

zeuge überstieg.

Kunde

Zuschuss zur Herstellung spezifischer Werkzeuge mit verbilligter Lieferverpflichtung

Bilanzierung des Stpfl.:

ff Zuschuss: passiver RAP (Auflösung über Vertragslaufzeit)

ff Werkzeug: Herstellkosten (planmäßige Abschreibung)

Berichtigung des FA:

ff Auflösung des passiven RAP, soweit Herstellkosten überschrittenK-GmbH&Co.KG

KG

FIRMA

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22

Ausgabe Nr. 1

KERNAUSSAGEN:

1. Rechnungsabgrenzung gemäß § 5

Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG betrifft in

erster Linie typische Vorleistungen

eines Vertragspartners im Rahmen ei-

nes gegenseitigen Vertrages i.S.d.

§§ 320 ff. BGB. Da das bezogene Ent-

gelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur

insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag

für eine bestimmte Zeit „nach die-

sem Zeitpunkt“ darstellt, muss eine

Verpflichtung zu einer nach diesem

Bilanzstichtag noch zu erbringen-

den Gegenleistung bestehen. Im

Hinblick auf eine bereits vollzogene

Leistung kann eine Rechnungsab-

grenzung nicht erfolgen.

Beruht die Zahlung von Werkzeug-

kostenzuschüssen auf Kauf- bzw.

Werklieferungsverträgen, die

dem Auftraggeber das zivilrechtliche

Eigentum an den Werkzeugen ver-

schaffen, stellen die Zahlungen kei-

ne Vorleistungen auf die künftige

Lieferung der mit den Werkzeugen

hergestellten Serienteile dar. Eine

vertragliche Verknüpfung der

Werkzeugkostenzuschüsse mit dem

Übergang des zivilrechtlichen Ei-

gentums an den Werkzeugen legt

eine synallagmatische Verknüpfung

zwischen Herstellungs- und Lie-

ferpflicht hinsichtlich der Werkzeuge

und den Werkzeugkostenzuschüs-

sen als Gegenleistung nahe. Der Ver-

pflichtung, die zu produzierenden

Serienteile in Abhängigkeit von der

Zuschusshöhe verbilligt zu liefern,

führt nicht zwingend zu der Annah-

me, die Werkzeugkostenzuschüsse

als Vorleistungen auf die künftige

Lieferung von Fahrzeugteilen zu be-

urteilen.

2. Werkzeugkostenzuschüsse führen

nicht zur Passivierung von Rückstel-

lungen, da die mit den Verpflichtun-

gen zur verbilligten Lieferung der

Serienteile keine ungewissen Ver-

bindlichkeiten i.S. von § 249 Abs. 1

Satz 1 HGB darstellen. Die Verpflich-

tung, die Serienteile in Abhängigkeit

von der Zuschusshöhe verbilligt zu

liefern, ist rechtlich eigenständig

und bei späterer Lieferung der noch

zu produzierenden Serienteile am

Bilanzstichtag rechtlich noch nicht

wirksam entstanden. Durch eine

vage Vertragsformulierung „in

Abhängigkeit von der Zuschusshö-

he“ und dem Umstand, dass diese

Verpflichtung erst mittelbar über

die Preiskalkulation der noch her-

zustellenden Serienteile zum Tragen

kommt, bleibt ungewiss, ob und in

welcher Höhe eine Verbindlichkeit

in Zukunft eintreten wird. Die Ver-

pflichtung zur verbilligten Lieferung

ist wirtschaftlich mit den künfti-

gen Lieferungen verknüpft, so

dass erst in den künftigen Jahren

eine Belastung des Vermögens

eintritt und demnach wirtschaftlich

erst in jenen Jahren verursacht ist.

3. Eine Passivierung der Werkzeugkos-

tenzuschüsse als Anzahlungen auf

schwebende Geschäfte scheidet

aus, sofern die Werkzeugkostenzu-

schüsse nicht für künftige Liefe-

rungen gezahlt werden, sondern

die Gegenleistung für die Über-

eignung der Werkzeuge darstellen.

PRAXISHINWEISE:

1. Der BFH setzt sich umfassend mit den zivilrechtlichen Grundlagen zur Gewährung der Werkzeugkostenzuschüsse aus-

einander. Im Ergebnis steht nach Auffassung des BFH unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse die Ver-

schaffung des zivilrechtlichen Eigentums im Mittelpunkt der vertraglichen Gestaltung. Daher scheidet eine erfolgsneutrale

Behandlung durch die Passivierung von Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen oder Anzahlungen aus. In der

Praxis steht einer vertraglich eindeutig geregelten, verbilligten Lieferverpflichtung das Interesse des Werkzeugherstellers

gegenüber, im Rahmen der Vertragsauslegung die Verpflichtung zur verbilligten Lieferung nicht eindeutig festzulegen. Für

die Bilanzierung kommt es danach auf das zivilrechtliche (und wirtschaftliche) Eigentum an (vgl. auch IDW HFA 2/1996).

2. Der BFH hatte nicht zu beurteilen, welche bilanziellen Auswirkungen eine verbilligte Lieferverpflichtung hat, die die

Ergebnisse künftiger Perioden negativ belasten. Sofern die Ergebnisauswirkungen konkreter Lieferverpflichtungen

quantifizierbar sind, ist die Bildung einer Drohverlustrückstellung zumindest zu prüfen.

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23

Februar 2016

4.02

Bilanz EStG § 6, AStG § 1 X Abwehr

Teilwertabschreibung auf ungesicherte Gesellschafterdarlehen an Auslandstochtergesellschaft X Gestaltung

Wissen

BFH-Urteil vom 26.06.2015, I R 29/14 BB 2015 S. 2544, kösdi 2015 S. 19505

Weiterführende Literatur DB 2015 S. 2479, BMF-Schreiben vom 29.03.2011

LEITSÄTZE:

1. Aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern kann es fremdvergleichsgerecht sein, bei einer Darlehensgewährung zwischen Kapi-

talgesellschaften in einem Konzern von Sicherheiten abzusehen. Der Konzernrückhalt lässt jedoch keinen Schluss auf die Rück-

zahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft und damit die Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs

aus dem gewährten Darlehen zu (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 29.03.2011, Tz. 3.).

2. Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm‘s length“ nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: nach Art. IV DBA-

Großbritannien 1964) ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier: nach § 1 Abs. 1

AStG) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe, also seiner Angemessenheit

nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die (nach

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vor-

zunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen (hier: englischen) Tochtergesellschaft in

(ggf.) fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 29.03.2011, Tz. 3.). Die fehlende

Besicherung schlägt sich insoweit nur im entsprechend bepreisten Zins nieder.

PROBLEMSTELLUNG:

Eine deutsche GmbH gewährte der in

Großbritannien ansässigen Tochtergesell-

schaft mit einem Nennkapital von T£ 50

darlehensweise verschiedene Transfer-

zahlungen. Die Beträge wurden mit 5 %

verzinst, die Tochtergesellschaft gewährte

keine Sicherheiten. Aufgrund der schlech-

ten Geschäftsentwicklung und nachhalti-

ger Verluste wurde der Geschäftsbetrieb

der Tochtergesellschaft Ende 2002 einge-

stellt und die Gesellschaft im Jahr 2004

liquidiert.

Das FA wertete die Beträge als Einlagen

und nahm eine Gewinnkorrektur nach § 1

AStG vor. Die Teilwertabschreibungen sah

das FA wegen des sog. Rückhalts im Kon-

zern als nicht gerechtfertigt an.

KERNAUSSAGEN:

1. Werden Einkünfte eines Stpfl. aus

Geschäftsbeziehungen mit einer

ihm nahestehenden Person da-

durch gemindert, dass er im Rahmen

solcher Geschäftsbeziehungen zum

Ausland Bedingungen vereinbart,

die von denen abweichen, die von-

einander unabhängige Dritte unter

gleichen oder ähnlichen Verhältnis-

sen vereinbart hätten, so sind seine

Einkünfte nach § 1 Abs. 1 AStG a.F.

unbeschadet anderer Vorschriften

so anzusetzen, wie sie unter den

zwischen unabhängigen Dritten ver-

einbarten Bedingungen angefal-

len wären. Geschäftsbeziehungen

i.S. der Abs. 1 und 2 liegen nach § 1

Abs. 4 AStG a.F. vor, wenn die den

Einkünften zugrundeliegende Bezie-

hung entweder beim Stpfl. oder bei

der nahestehenden Person Teil einer

Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15,

18 oder § 21 EStG anzuwenden sind

oder wären, wenn die Tätigkeit im

Inland vorgenommen würde.

2. Im Zusammenhang mit unbesicher-

ten Darlehensgewährungen kann

hinsichtlich der korrekturauslösenden

Voraussetzungen des § 1 Abs. 1

AStG a.F. kontrovers diskutiert

werden,

ff ob das (verzinste) Darlehen im

Rahmen einer Geschäftsbezie-

unbesichertes Darlehen(sog. Konzernrückhalt)

Deutschland Großbritannien

GMBH LTD

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24

Ausgabe Nr. 1

hung i.S. von § 1 Abs. 4 AStG a.F.

begeben wird oder ob es sich um

eine eigenkapitalersetzende

Maßnahme handelt, die die An-

nahme einer Geschäftsbeziehung

nach § 1 Abs. 4 AStG ausschließt,

ff ob die fehlende Besicherung

des Darlehens eine Bedingung

im Sinne des Gesetzes ist,

ff ob die fehlende Besicherung

und die infolgedessen ausgelös-

te Teilwertabschreibung nach §

6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG für

die Einkünfteminderung als Ge-

winnverlagerung in das Aus-

land ursächlich ist.

3. Selbst wenn alle Voraussetzungen

des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfüllt

sind, scheidet eine Einkünftekor-

rektur wegen einer fehlenden

Darlehensbesicherung aufgrund

des DBA zwischen der Bundesrepu-

blik Deutschland und dem Vereinigten

Königreich Großbritannien und Nord-

irland und mit dem darin bestimmten

Fremdvergleichsmaßstab aus. Aus-

schlaggebend für eine Korrektur ist

bei einer Darlehensbegebung allein

der vereinbarte Zinssatz, der einem

Fremdvergleich standhalten muss.

Im Falle der fehlenden Besicherung

-aufgrund des Konzernrückhalts und

ggf. nach den Umständen des Einzel-

falls und der dadurch ausgelösten Be-

sicherungsintensität ist der Zinssatz

im Rahmen einer konzerninternen Fi-

nanzierung um einen angemessenen

Risikozuschlag zu erhöhen.

4. Der ausschlaggebende Regelungs-

maßstab wird durch Art. IV DBA-

Großbritannien gesetzt, und nicht

durch die nationale Vorschrift des

§ 1 Abs. 1 AStG a.F. Es sind keine

Anhaltspunkte ersichtlich, dass

§ 1 Abs. 1 AStG a.F. als sog. Treaty

override ausgestaltet ist. Bei Darle-

hensgewährungen zwischen Kapi-

talgesellschaften in einem Konzern

kann es fremdvergleichsgerecht

sein, von Sicherheiten abzusehen,

wenn die Konzernbeziehungen für

sich gesehen eine Sicherheit bedeu-

ten. Ob der Rückhalt im Besicherungs-

fall tatsächlich und uneingeschränkt

greift, ist damit noch nicht ausge-

macht. Dass die Muttergesellschaft

im Außenverhältnis regelmäßig

für Verbindlichkeiten der Tochterge-

sellschaft gegenüber Dritten einsteht

(sog. Eventualverbindlichkeit), lässt

keinen zwingenden Schluss auf

die Rückzahlung der Darlehens-

verbindlichkeit durch die Tochter-

gesellschaft zu. Gerade dann, wenn

die Tochtergesellschaft auf die Inan-

spruchnahme des Konzernrückhalts

angewiesen ist, um Drittgläubiger zu

befriedigen, ist davon auszugehen,

dass die Darlehensverbindlichkeit ge-

genüber der Muttergesellschaft nicht

bedient wird. Der Konzernrückhalt

berührt die handels- wie steuerrecht-

lich gebotene Teilwertabschrei-

bung einer konzerninternen Darle-

hensforderung prinzipiell nicht.

PRAXISHINWEISE:

1. Ein sog. Konzernrückhalt kann zur Folge haben, dass die Muttergesellschaft für den etwaigen Ausfall der Darlehens-

summe „geradesteht“. Und gerade deswegen ist eine Besicherung im Konzernzusammenhang nicht zwingend und

unter allen Umständen einzufordern. Jedoch können Darlehensgewährungen im Konzern nicht allein deshalb als vGA

beurteilt werden, weil für sie keine Sicherheit verlangt wurde. Der Auffassung der Finanzverwaltung, diese Rechtspre-

chung zum Beleg dafür zu nehmen, eine an sich gebotene Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG

mangels dauernder Wertminderung auszuschließen, erteilt der BFH eine deutliche Absage. Das BFH-Urteil entzieht dem

BMF-Schreiben vom 29.03.2011 (Tz. 3.2) zu § 1 AStG in erheblichem Maße die Grundlage.

1. Die Frage der Anerkennung von Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen zwischen Kapitalgesellschaften hat

an Bedeutung verloren. Durch § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG unterliegen Teilwertabschreibungen dem Abzugsverbot. Für

Mutter-Einzelunternehmen und –Personengesellschaften bleibt die Frage der Anerkennung trotz des Teilabzugsverbots

nach § 3c Abs. 2 S. 2 EStG von praktischer Bedeutung.

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25

Februar 2016

4.03

Bilanz EStG §§ 15a, 16 Abwehr

Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos in die Berechnung des Veräußerungsgewinns eines

gegen Entgelt aus einer KG ausscheidenden Kommanditisten

Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 09.07.2015, IV R 19/12 BB 2015 S. 2288 mit Anm., DB 2015 S. 1874, DStR 2015 S.

1859, GmbHR 2015 S. 999

Weiterführende Literatur AktStR 2015 S. 575

LEITSATZ:

Scheidet ein Kommanditist gegen Entgelt aus einer KG aus, ist ein von ihm nicht auszugleichendes negatives Kapitalkonto bei der

Berechnung seines Veräußerungsgewinns in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen

das Kapitalkonto negativ geworden ist.

PROBLEMSTELLUNG:

K schied aus der Publikums-GmbH & Co.

KG mit einem negativen Kapitalkonto

aus. Nach den Bestimmungen des Gesell-

schaftsvertrags bestand keine Nachschuss-

pflicht. Entnahmen waren außerhalb von

Gewinnausschüttungen nur zulässig,

wenn die Gesellschafterversammlung ei-

nen entsprechenden Beschluss fasste und

es die Liquiditätslage der Gesellschaft zu-

ließ. Die Rückzahlung ausgezahlter Ent-

nahmen war nicht vorgesehen. Das FA

erhöhte den Veräußerungsgewinn um das

durch Entnahmen negativ gewordene Ka-

pitalkonto. Demgegenüber vertrat das FG

die Auffassung, dass das Kapitalkonto nur

dann den Veräußerungsgewinn erhöhe,

wenn es sich um rückzahlungspflichtige

Entnahmen handele und die KG auf diese

Ausgleichsforderung verzichte.

Ausscheiden aus KG mit

negativem Kapitalkonto auf-

grund von…

Auffassung des Stpfl. Auffassung des FA Auffassung des FG

Verlusten Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

rückzahlungspflichtigen Ent-

nahmen

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

nicht rückzahlungspflichtigen

Entnahmen

Keine Erhöhung des Veräuße-

rungsgewinns

Erhöhung des Veräußerungs-

gewinns

Keine Erhöhung des Veräuße-

rungsgewinns

KERNAUSSAGEN:

1. Scheidet ein Kommanditist aus einer

KG aus, so wächst sein Anteil am Ge-

sellschaftsvermögen kraft Gesetzes

den verbleibenden Gesellschaftern

zu (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB,

§ 738 Abs. 1 BGB). Scheidet ein

Kommanditist gegen Entgelt aus ei-

ner KG aus, handelt es sich steuerlich

um eine Veräußerung des Gesell-

schaftsanteils an die verbleibenden

Gesellschafter. Die Gewinne aus der

Veräußerung des Mitunternehme-

ranteils gehören nach § 16 Abs. 1 Nr.

2 EStG zu den Einkünften aus Ge-

werbebetrieb. Der Veräußerungs-

gewinn ergibt sich aus der Differenz

zwischen den dem Ausscheidenden

aus diesem Anlass zugewandten Leis-

tungen und seinem Kapitalkonto.

Ein negatives Kapitalkonto ist dem

Veräußerungspreis gegenüberzustel-

len und führt zur Erhöhung eines

Veräußerungsgewinns, soweit es

nicht ausgeglichen wird.

2. Der Veräußerungsgewinn des aus-

scheidenden Kommanditisten erhöht

sich um das nicht auszugleichende

negative Kapitalkonto. Im Ergebnis

bleiben die darin enthaltenen verre-

chenbaren Verluste nach § 15a EStG

ohne ertragsteuerliche Auswir-

kung, da der Gewinn aus der Auf-

lösung des negativen Kapitalkontos

insoweit um den für den Komman-

ditisten festgestellten verrechenbaren

Verlust zu mindern ist.

3. In den Veräußerungsgewinn des

ausscheidenden Kommanditisten ist

auch der Teil des negativen Kapi-

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26

Ausgabe Nr. 1

talkontos einzubeziehen, der auf

Entnahmen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2

EStG zurückzuführen ist. Dabei ist

unerheblich, ob es sich bei Entnah-

men um nach dem Gesellschafts-

vertrag rückzahlungspflichtige

oder nicht rückzahlungspflichtige

Auszahlungen handelt. Ein durch

Entnahmen negativ gewordenes

Kapitalkonto bringt im Verhältnis

der Gesellschafter untereinander

zum Ausdruck, dass der belastete

Gesellschafter am künftigen Vermö-

genszuwachs der Gesellschaft bis

zur Auffüllung des negativen Kapi-

talkontos nicht beteiligt ist. Der Ge-

sellschafter hat seine Gewinnanteile

den Mitgesellschaftern zu überlas-

sen (vgl. § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB).

4. Leistet der ausscheidende Gesell-

schafter keine Ausgleichszahlung,

entfällt mit dem Ausscheiden die

Belastung, ein negatives Kapital-

konto mit zukünftigen Gewinnen

auszugleichen und geht auf die ver-

bleibenden Gesellschafter über.

Insoweit erlangt der Ausscheidende

mit der Befreiung von der Verpflich-

tung, das negative Kapitalkonto mit

zukünftigen Gewinnen auszuglei-

chen, eine Gegenleistung für die

Veräußerung seines Kommanditan-

teils. Die Besteuerung des Gewinns

aus der Auflösung des negativen

Kapitalkontos ist auch im Hinblick

auf die Besteuerung nach der indivi-

duellen Leistungsfähigkeit geboten.

Es besteht kein sachlicher Grund für

die Steuerbarkeit eines Gewinns aus

der Auflösung eines negativen Ka-

pitalkontos nach dem Kriterium der

Rückzahlungspflicht zu unterschei-

den.

5. Dass eine später nicht „ausgegliche-

ne“ Entnahme, die zum Entstehen

oder zu einer Erhöhung eines ne-

gativen Kapitalkontos führt, vom

Kommanditisten grundsätzlich zu

versteuern ist, ergibt sich auch aus

§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG. Danach

ist einem Kommanditisten im Fall ei-

ner vorangegangenen Verlustnutzung

(§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG) der Betrag

einer Entnahme als Gewinn zuzurech-

nen, soweit durch die Entnahme ein

negatives Kapitalkonto des Komman-

ditisten entsteht oder sich erhöht

(Einlageminderung) und soweit

nicht aufgrund der Entnahmen eine

nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu be-

rücksichtigende Haftung besteht oder

entsteht. Liegen die Voraussetzungen

des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG vor, ist

dem Kommanditisten in Höhe der

Entnahme ein Gewinn allerdings nicht

erst im Jahr der Auflösung seines Ka-

pitalkontos zuzurechnen, sondern

bereits im Jahr der Entnahme.

PRAXISHINWEISE:

1. Das BFH-Urteil schafft Rechtssicherheit, da der Wegfall negativer Kapitalkonten unabhängig von ihrer gesellschafts-

rechtlichen Würdigung zu einem Veräußerungsgewinn führen. In der Praxis wird zu prüfen sein, inwieweit durch die

Beteiligung an Anlage-Publikumsgesellschaften Steuerzahlungen zu erwarten sind. In der Beratungspraxis kann es

zweckmäßig sein, die Kapitalkonten der Kommanditisten zu erheben, um unerwartete Liquiditätsabflüsse zu vermeiden.

2. Das steuerliche Kapital i.S.d. § 15a EStG setzt sich aus dem Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthands-

bilanz und dem Kapital der Ergänzungsbilanz zusammen, Sonderbilanzen bleiben unberücksichtigt. In der Praxis ist

stets zu prüfen, inwieweit eine konkret drohende Haftungsinanspruchnahme ohne realisierbare Ausgleichs- und Rück-

griffsansprüche besteht. In diesen Fällen ist in der Sonderbilanz eine Rückstellung zu bilden, die zu einer Kürzung des

Veräußerungsgewinns führt.

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27

Februar 2016

4.04

Bilanz EStG § 34 X Abwehr

Tarifbegünstigung des Betriebsaufgabegewinns trotz vorheriger Ausgliederung einer 100 %-Be-

teiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert

Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 26/12

BStBl II 2015 S. 797, BB 2015 S. 1839, DB 2015 S. 1694 mit

Anm., DStR 2015 S. 1668, FR 2015 S. 892 mit Anm., GmbHR

2015 S. 1061, GmbH-StB 2015 S. 276, kösdi 2015 S. 19386,

WPg 2015 S. 852

Weiterführende Literatur NWB 2015 S. 2924

LEITSATZ:

Der Gewinn aus der Aufgabe eines Betriebs unterliegt auch dann der Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG, wenn zuvor im engen

zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesell-

schaft zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen oder überführt worden ist.

PROBLEMSTELLUNG:

M war alleiniger Kommanditist der RS-

GmbH & Co. KG, zudem hielt er sämt-

liche Geschäftsanteile der RS-GmbH, die

als Komplementärin am Ertrag und Ver-

mögen nicht beteiligt war. Die RS-GmbH

& Co. KG vermietete den in ihrem Mitei-

gentum stehenden Grundstücksteil an die

GS-GmbH, an der M ebenfalls sämtliche

Geschäftsanteile hielt. Die Anteile an der

RS-GmbH und der GS-GmbH wurden im

Sonderbetriebsvermögen des M bei der

RS-GmbH & Co. KG bilanziert.

Zum 31.12.2004 schied die RS GmbH aus

der RS GmbH & Co. KG aus und das bishe-

rige Gesellschaftsvermögen der RS-GmbH

& Co. KG wurde in das Privatvermögen

des M übernommen. Die Anteile an der

RS-GmbH und der GS-GmbH überführte

M in das Sonderbetriebsvermögen der

V-KG, an der M zu 40 % beteiligt war.

Für die Überführung des Grundstücksteils

erklärte M einen tarifbegünstigten Veräu-

ßerungsgewinn in Höhe von 47 T€. Das FA

und FG versagten die Tarifbegünstigung

mit der Begründung, dass nicht sämtliche

stille Reserven aufgedeckt worden sind,

da die Anteile an der RS-GmbH und der

GS-GmbH in ein anderes Sonderbetriebs-

vermögen überführt wurden.

M

RS-GmbH & Co. KG

Zum 31.12.2014:

ff Ausscheiden der RS GmbH aus RS GmbH & Co. KG

ff Anteile der RS-GmbH nd GS-GmbH werden Sonder-

betriebsvermögen der V-KG

ff Tarifbegünstigte Entnahme des Grundstücks streitig

RS-GmbH GS-GmbH

GMBH GMBHKG

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28

Ausgabe Nr. 1

KERNAUSSAGEN:

1. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG

unterliegen in dem zu versteuernden

Einkommen enthaltene außeror-

dentliche Einkünfte der Tarifbe-

günstigung nach den Sätzen 2 bis

4. Gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1

EStG kommen als außerordentliche

Einkünfte nur die enumerativ in §

34 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 EStG aufge-

führten Einkünfte in Betracht, so

u.a. nach Nr. 1 Veräußerungsgewinne

i.S. des § 16 EStG. Nach § 34 Abs.

2 Nr. 1 EStG unterliegt ein Veräu-

ßerungs- oder Aufgabegewinn der

Tarifbegünstigung nur, wenn er

auch „außerordentlich“ ist. Dies

setzt bei allen Tatbeständen des §

34 Abs. 2 EStG eine zusammenge-

ballte Realisierung der über die Zeit

entstandenen, gesammelten stillen

Reserven voraus.

2. Die Tarifbegünstigung gemäß § 34

EStG erfordert, dass alle stillen

Reserven, die in den wesentlichen

Grundlagen einer betrieblichen

Sachgesamtheit angesammelt

wurden, in einem einheitlichen

Vorgang aufgelöst werden. Zu

den wesentlichen Grundlagen

eines Betriebs gehören in diesem

Zusammenhang neben den funk-

tional wesentlichen Wirtschafts-

gütern auch solche Wirtschafts-

güter, die funktional gesehen für

den Betrieb, Teilbetrieb oder Mit-

unternehmeranteil nicht erforder-

lich sind, in denen aber erhebliche

stille Reserven gebunden sind, sog.

funktional-quantitative Betrach-

tungsweise. Unerheblich ist, ob

die Wirtschaftsgüter im Gesamt-

handsvermögen oder im Sonder-

betriebsvermögen der Mitunter-

nehmer gehalten werden.

3. Zu den in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf-

geführten Veräußerungsgewinnen

gehören u.a. die Gewinne aus der

Veräußerung/Aufgabe des gan-

zen Gewerbebetriebs, eines Teil-

betriebs oder eines Mitunterneh-

meranteils. Als Teilbetrieb gilt nach

§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG

auch die das gesamte Nennkapital

umfassende Beteiligung an einer

Kapitalgesellschaft.

Die Tarifbegünstigung knüpft nach

der ausdrücklichen Entscheidung des

Gesetzgebers nicht stets an die voll-

ständige Aufgabe des betrieblichen

Engagements an. Vielmehr sind auch

die Veräußerung/Aufgabe eines

Teilbetriebs, einer das gesamte

Nennkapital umfassenden Beteili-

gung an einer Kapitalgesellschaft

als fingierter Teilbetrieb oder ei-

nes Mitunternehmeranteils als

Sachgesamtheiten begünstigt. Die

Frage der Tarifbegünstigung ist

somit bezogen auf die jeweilige

Sachgesamtheit zu prüfen und im

Sinne einer segmentierten Betrach-

tung die Aufdeckung der in den we-

sentlichen Wirtschaftsgütern vor-

handenen stillen Reserven nur im

Hinblick auf die jeweils veräußerte

oder aufgegebene Sachgesamt-

heit zu untersuchen.

4. Der Gewinn aus der Aufgabe ei-

nes Betriebs unterliegt auch dann

der Tarifbegünstigung gemäß § 34

EStG, wenn im engen zeitlichen

Zusammenhang mit der Betriebsauf-

gabe eine das gesamte Nennkapital

umfassende Beteiligung an einer

Kapitalgesellschaft zum Buchwert

in ein anderes Betriebsvermögen

übertragen oder überführt wird.

Eine derartige Beteiligung wird

in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2

EStG einem Teilbetrieb gleichge-

stellt, um die stillen Reserven der

Beteiligung einer ermäßigten Be-

steuerung zu unterwerfen und

somit die Veräußerung der Beteili-

gung derjenigen eines Teilbetriebs

wirtschaftlich gleichzustellen. Die

gesetzliche Fiktion eines Teilbe-

triebs hat denknotwendig zur Fol-

ge, dass der Gesamtbetrieb fiktiv

aus zwei Teilbetrieben, d.h. zwei

Sachgesamtheiten, besteht und die

Tarifbegünstigung bezogen auf die

jeweils betroffene Sachgesamt-

heit zu prüfen ist. Da es für die Ta-

rifbegünstigung im Ergebnis keinen

Unterschied machen kann, welcher

der beiden Teilbetriebe zuerst veräu-

ßert oder aufgegeben wird, ist kein

Grund dafür ersichtlich, eine begüns-

tigte Veräußerung der das gesamte

Nennkapital umfassenden Beteiligung

an einer Kapitalgesellschaft nur dann

anzunehmen, wenn der verbleibende

Teilbetrieb fortbesteht und nunmehr

als (Rest-)Betrieb fortgeführt wird.

Demgegenüber ist die vergleichbare

Fallkonstellation, nämlich die Veräu-

ßerung bzw. Aufgabe des wirtschaf-

tenden Teilbetriebs, deshalb nicht als

tarifbegünstigte Betriebsveräußerung

bzw. Betriebsaufgabe zu beurteilen

ist, weil die das gesamte Nennkapital

umfassende Beteiligung an einer

Kapitalgesellschaft (der fiktive

Teilbetrieb) in ein anderes Betriebs-

vermögen überführt worden ist.

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29

Februar 2016

PRAXISHINWEISE:

1. Der BFH geht in seiner Begründung nicht auf die Gesamtplanrechtsprechung ein. Im Sinne der segmentierten Betrach-

tung liegen im Besprechungsfall drei Teilbetriebe vor. Die GmbH-Beteiligungen werden als fingierte Teilbetriebe zum

Buchwert übertragen, die KG-Beteiligung wird aufgegeben. Der Sachverhalt stellt somit kein Gestaltungsmodell dar,

sondern eine dem Gesetz zwingend zu entnehmende Rechtsfolge (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG).

2. Der BFH führt in der Urteilsbegründung aus, dass soweit dem BFH Urteil vom 02.10.1997 (IV R 84/96, BStBl II 1998

S. 104) eine andere Rechtsauffassung zu Grunde liegt, daran nicht festgehalten wird.

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30

Ausgabe Nr. 1

5. UMSATZSTEUER

5.01

UStG UStG § 1 Abs. 1a Abwehr

Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung von Grundbesitz und Inventar an meh-

rere Erwerber

Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 04.02.2015, XI R 42/13 NWB Dok-ID: SAAAE-94258

Weiterführende Literatur UStDD 14/2015, S. 2

LEITSATZ:

Beim Verkauf verpachteter Altenheime von einer Unternehmensgruppe an eine andere Unternehmensgruppe liegt keine Ge-

schäftsveräußerung im Ganzen vor, wenn die Fortführung der Verpachtungstätigkeit die Übertragung von Grundbesitz, Inventar

und Gesellschaftsanteilen erfordert und diese Übertragungen von verschiedenen (selbständigen) Veräußerern an verschiedene

(selbständige) Erwerber erfolgen.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl., eine aus Eheleuten bestehende

GbR, vermietete Grundbesitz – zum Teil

mit Inventar – an die Betreiber von „Se-

niorenresidenzen“, die diese wiederum

teilweise unterverpachteten. Ende 2006

wurden sämtliche Seniorenresidenzen an

eine aus vier Aktiengesellschaften beste-

hende Investorengruppe veräußert. Die

Erwerber des Grundbesitzes und des In-

ventars waren allerdings unterschiedliche

Gesellschaften. Im notariellen Kaufvertrag

traten die Veräußerer zudem in verschie-

denen Eigenschaften auf – zum einen als

„Verkäufer 1“, zum anderen als „Verkäu-

fer 2“ und dann wiederum als „Eheleute

X“. Die Kl. sah die Veräußerungsvorgänge

als Einheit und dementsprechend als

nicht steuerbare Geschäftsveräußerung

im Ganzen (GiG) an, da die Investoren-

gruppe das Unternehmen unverändert

habe fortführen wollen. Dem widerspra-

chen sowohl das FA als auch das FG.

KERNAUSSAGEN:

1. Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen

die Umsätze im Rahmen einer GiG

an einen anderen Unternehmer für

dessen Unternehmen nicht der USt.

Der Erwerber muss dabei beabsichti-

gen, den übertragenen Geschäfts-

betrieb oder Unternehmensteil zu

betreiben.

2. Für die Annahme einer GiG ist ent-

scheidend, ob das übertragene Unter-

nehmensvermögen als hinreichen-

des Ganzes die Ausübung einer

wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht

und ob die vor und nach der Über-

tragung ausgeübten Tätigkeiten

übereinstimmen oder sich hinrei-

chend ähneln. Es kommt insoweit

nicht darauf an, ob beim Veräußerer

eine eigenständige betriebliche

Organisation vorlag, sondern viel-

mehr darauf, ob ein Teilvermögen

übertragen wird, das vom Erwerber

als selbständiges Unternehmen fort-

geführt werden kann.

3. Eine GiG ist nicht bereits dann anzu-

nehmen, wenn ein Geschäftsbetrieb

auf mehrere Unternehmer übertra-

gen wird und diese den Geschäftsbe-

trieb in der bisherigen Form nur ge-

meinsam fortführen können.

4. Die Veräußerung des Inventars

allein versetzt einen Erwerber nicht

in die Lage, ein vorher betriebenes

Vermietungs- und Verpachtungsun-

ternehmen fortzusetzen. Dazu sind

auch die Übertragungen von Grund-

besitz und/oder Gesellschaftsanteilen

erforderlich.

5. Bestehen Leistungsbeziehungen

auf Veräußerer- bzw. Erwerberseite je-

weils zwischen mehreren Vertrags-

partnern, dürfen diese Vorgänge bei

der Prüfung der Voraussetzungen ei-

ner GiG nicht einbezogen bzw. zu-

sammengefasst werden. Es handelt

sich insoweit um ust-rechtlich eigen-

ständige Vorgänge.

Page 31: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

31

Februar 2016

PRAXISHINWEISE:

Der Sachverhalt im Besprechungsurteil mag zwar zunächst nicht alltäglich erscheinen, allerdings kommt es durchaus vor,

dass gerade auf Seiten des Erwerbers mehrere Vertragspartner auftreten. Für diese Fälle zeigt die Entscheidung, dass Vorsicht

geboten ist. Sie liegt im Übrigen auf einer Linie mit dem BFH-Urteil vom 04.02.2015 (XI R 42/13, FN 5/2015 Tz 5.02). Die

Voraussetzungen einer GiG liegen danach nicht vor, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende

Teile des Inventars veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren

Vertrag von einem Dritten pachtet. Letztlich kann nur die Empfehlung gegeben werden, in entsprechenden Kaufverträgen

stets eine Optionsklausel aufzunehmen (vgl. BMF-Schreiben vom 23.10.2013, BStBl 2013 I S. 1304) oder eine verbindliche

Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen.

5.02

UStG UStG § 4 Nr. 14 Abwehr

Überlassung von Operationsräumen durch einen Anästhesisten Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 18.03.2015, XI R 15/11 NWB Dok-ID: AAAAE-93360

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

1. Überlässt ein Anästhesist, der ein „OP-Zentrum“ betreibt, einem anderen Arzt Operationsräume nebst Ausstattung gegen

Entgelt zur Durchführung von Operationen, an denen er selbst teilnimmt, ist die Raumüberlassung durch den Anästhesisten an

den Operateur nicht als Heilbehandlung steuerfrei.

2. Es kann insoweit aber eine einheitliche steuerfreie Heilbehandlungsleistung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG des Anästhesisten gegen-

über den Patienten oder ein steuerfreier mit dem Betrieb einer anderen Einrichtung eng verbundener Umsatz i.S. von § 4 Nr.

16 Buchst. c UStG (a.F.) vorliegen.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl. ist als Anästhesistin freiberuflich

tätig. Sie stellte anderen Ärzten für am-

bulante Operationen, an denen sie selbst

als Anästhesistin mitwirkte, ihre Operati-

onsräume einschließlich der notwendigen

Ausstattung zur Verfügung. Grundlage

waren mündliche Verträge, wonach den

Ärzten die (Mit-)Nutzung der Räume für

die Durchführung der Operationen ge-

stattet wurde. Hierfür erhielt sie von den

Ärzten ein Entgelt, indem der jeweilige

Operateur einen Anteil der Vergütung,

den er von der Krankenkasse zur Abde-

ckung des Aufwandes für die Nutzung

des OP-Raumes erhielt, an die Kl. wei-

terleitete. Das FA sah in der entgeltlichen

Überlassung der OP-Räume stpfl. Um-

sätze.

KERNAUSSAGEN:

1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind

steuerfrei die Umsätze aus der Tätig-

keit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker,

Physiotherapeut, Hebamme oder aus

einer ähnlichen heilberuflichen Tätig-

keit. Steuerbefreite Heilbehand-

lungen sind danach Tätigkeiten, die

zum Zweck der Vorbeugung, Dia-

gnose, der Behandlung und, soweit

möglich, der Heilung von Krankhei-

ten oder Gesundheitsstörungen

bei Menschen vorgenommen werden.

2. Ein Arzt kann – wie z.B. ein Laborarzt

– auch gegenüber anderen Ärzten

steuerfreie Heilbehandlungsleistun-

gen erbringen. Für die Steuerfreiheit

kommt es nicht auf die Person des

Leistungsempfängers an, da sich

die personenbezogene Voraussetzung

der Steuerfreiheit auf den Leistenden

bezieht, der Träger eines ärztlichen

oder arztähnlichen Berufs sein muss.

3. Bei der bloßen Überlassung von

Praxisräumen nebst Ausstattung

durch einen Arzt an andere Ärzte

handelt es sich jedoch weder um

eine ärztliche noch um eine arzt-

ähnliche Leistung. Eine Überlassung

kann zwar einer Heilbehandlung die-

nen, stellt aber selbst keine solche dar.

Page 32: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

32

Ausgabe Nr. 1

4. Der Begriff „ärztliche Heilbehand-

lung“ kann nicht auf sämtliche

Leistungen, die mit der Behandlung

des Patienten zusammenhängen,

ausgedehnt werden. Allerdings kön-

nen mehrere Leistungen unter dem

Gesichtspunkt von Haupt- und Ne-

benleistung zu einer einheitlichen

Leistung „verschmolzen“ werden.

Dazu sind die Vertragsverhältnisse

zwischen den jeweiligen Patienten

maßgebend.

5. Nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG (a.F.,

jetzt § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppel-

buchst. bb) ) sind unter bestimmten

weiteren Voraussetzungen die mit

dem Betrieb der Krankenhäuser, Dia-

gnosekliniken und anderen Einrich-

tungen ärztlicher Heilbehandlung

eng verbundenen Umsätze steuerfrei.

PRAXISHINWEISE:

1. Der BFH hat das Verfahren an das FG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob eine einheitliche

Leistung vorliegt. Allerdings führt der BFH bereits aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Anästhesieleistung der

Kl., der chirurgischen Leistung des Operateurs und somit der gemeinschaftlichen Nutzung der OP-Räume durchaus

zu erkennen ist. Letztlich wird es aber auf den konkreten Behandlungsvertrag ankommen, d.h. auf die Frage, ob der

Vertrag zwischen der Kl. und den Patienten alle Leistungen des OP-Zentrums erfasste.

2. Auch muss sich das FG mit den Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 UStG (hier i.d.F. der Jahre 2001 bis

2004) auseinandersetzen. Dazu hat es festzustellen, ob das OP-Zentrum als „Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung“

anzusehen ist. Diesbezüglich wird es sicherlich auch die BFH-Urteile vom 18.03.2015 (XI R 8/13 u. 38/13) sowie vom

23.10.2014 (V R 20/14) beachten (vgl. FN 5/2015 Tz 5.03). Diese sind zwar zur Steuerfreiheit privater Krankenhausbe-

treiber ergangen (§ 4 Nr. 16 Buchst. b, a.F. bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG). Die Ausführungen

könnten aber sinngemäß auch auf den hier zu beurteilenden Fall zutreffen.

3. Sofern mit dem FA in einschlägigen Fällen keine Einigung erzielt werden kann, sollten diese jedenfalls offen gehalten

werden, bis das FG Rheinland-Pfalz in dem hier besprochenen Verfahren die erforderlichen Feststellungen nachgeholt

hat und alle Entscheidungsparameter bekannt sind.

5.03

UStG UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9 Abwehr

Umsatzsteuer für Saunaleistungen in Schwimmbädern Gestaltung

X Wissen

Bayerisches Landesamt für Steuern, Erlass vom 10.07.2015,

S 7243.1.1-5/5 St 33

NWB Dok-ID: OAAAE-94670

Weiterführende Literatur UStDD 14/2015, S. 9

LEITSATZ:

Das Bayerische Landesamt für Steuern beschäftigt sich mit der Frage des zutreffenden Steuersatzes, wenn Schwimmbad- und

Saunaleistungen zusammentreffen.

PROBLEMSTELLUNG:

Durch BMF-Schreiben vom 28.10.2014 (IV

D 2 - S 7243/07/10002-02) sind Saunaleis-

tungen aus dem Anwendungsbereich des

ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2

Nr. 9 UStG ab 01.07.2015 ausgenommen,

da sie kein verordnungsfähiges Heilmittel

i. S. von § 4 der Heilmittel-Richtlinie in

Verbindung mit dem sog. Heilmittelka-

talog sind. Dadurch stellt sich beim Zu-

sammentreffen von Schwimmbad- und

Saunaleistungen die Frage nach dem zu-

treffenden Steuersatz.

Page 33: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

33

Februar 2016

KERNAUSSAGEN:

1. Die Umsätze aus dem Betrieb von

Schwimmbädern unterliegen nach

§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dem ermäßig-

ten Steuersatz. Die Ermäßigung be-

zieht sich hierbei auf die unmittelbar

mit dem Betrieb eines Schwimmbads

verbundenen Umsätze, wobei der

Begriff „Schwimmbad” richtlinien-

konform i. S. einer „Sportanlage”

auszulegen ist. Diesbezüglich wird

auf die Änderung des UStAE (Ab-

schnitt 12.11) verwiesen. Danach gilt:

Ein Schwimmbad i.S. des § 12 Abs. 2

Nr. 9 UStG muss dazu bestimmt und

geeignet sein, eine Gelegenheit zum

Schwimmen zu bieten. Dies setzt vo-

raus, dass insbesondere die Wasser-

tiefe und die Größe des Beckens

das Schwimmen oder andere

sportliche Betätigungen ermög-

lichen (vgl. BFH 28.08.2014, BStBl.

2015 II S. 194). Die sportliche Betäti-

gung muss nicht auf einem bestimm-

ten Niveau oder in einer bestimmten

Art und Weise, etwa regelmäßig oder

organisiert oder im Hinblick auf die

Teilnahme an sportlichen Wettkämp-

fen, ausgeübt werden.

2. Bietet das Schwimmbad zusätzlich

auch einen Saunabereich an, ist

nach den Grundsätzen der Einheit-

lichkeit der Leistung zu prüfen, ob

hierfür der Regelsteuersatz oder der

ermäßigte Steuersatz anzuwenden

ist.

3. In der Regel ist jede Leistung als ei-

gene und selbständige Leistung

zu betrachten. Ggf. können aber

unter bestimmten Umständen meh-

rere formal eigenständige Leistun-

gen, die getrennt erbracht werden,

als einheitlicher Umsatz angesehen

werden, wenn sie voneinander ab-

hängig sind.

4. Saunaleistungen in Schwimmbädern

stellen grundsätzlich eine selbstän-

dige Leistung dar und unterliegen

somit ab dem 01.07.2015 dem Re-

gelsteuersatz. Die Nutzung des

Saunabereichs stellt einen eigenen

Zweck für die Leistungsempfän-

ger dar, so dass hier regelmäßig keine

einheitliche Leistung vorliegt, sondern

zwei eigenständige Leistungen,

die für die Anwendung des ermäßig-

ten Steuersatzes getrennt zu beurtei-

len sind. Denn die Saunaleistungen

sind in der Regel weder untrennbar

mit den Schwimmbadleistungen ver-

bunden noch stellen sie ein Mittel dar,

um diese unter optimalen Bedingun-

gen in Anspruch nehmen zu können.

5. Zur Trennung der Entgelte bei Ab-

gabe mehrerer unterschiedlich zu

besteuernder Leistungen zu einem

pauschalen Gesamtverkaufspreis ist

dieser unter Anwendung der ein-

fachstmöglichen Aufteilungsmethode

sachgerecht aufzuteilen.

PRAXISHINWEISE:

1. Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte der BFH entschieden, dass die Nutzung einer Sauna in einem Fitnessstudio lediglich

dem allgemeinen Wohlbefinden diene und dementsprechend die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 9 EStG nicht

in Betracht komme (Urteil vom 12.05.2005, V R 54/02). Das BMF hat diese Rechtsprechung jedoch äußerst zaghaft

umgesetzt und eine Übergangsfrist bis zum 30.06.2015 gewährt. Mit der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung ist zwar

die Abgrenzungsproblematik bei Fitnessstudios mit angeschlossenen Saunen entfallen, jedoch haben sich Folgeprobleme

insbesondere bei Schwimmbädern mit Saunen und bei sog. Thermen ergeben. Hier kann nun der aktuelle Erlass des

Bayerischen Landesamts für Steuern als Unterstützung dienen. In drei ausführlichen Beispielen wird dargestellt, wie

die Entgelte in den unterschiedlichen Fallkonstellationen aufzuteilen sind und die USt entsprechend zu ermitteln ist. In

entsprechenden Fällen sollte der Erlass daher zur Hand genommen werden.

2. Sofern es um das Zusammentreffen von Sauna- mit Beherbergungsleistungen geht, sollte im Übrigen das BMF-

Schreiben vom 21.10.2015 (III C 2 - S 7243/07/10002-03) berücksichtigt werden. Danach gilt: Werden nach dem

30.06.2015 Beherbergungsleistungen, die ermäßigt zu besteuern sind, zusammen mit Saunaleistungen zu einem

pauschalen Gesamtentgelt erbracht, ist das einheitliche Entgelt sachgerecht auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen.

Dabei kann der Anteil des Entgelts, der auf die nicht ermäßigte Leistung entfällt, im Wege der Schätzung ermittelt

werden. Schätzungsmaßstab kann beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen

Gewinnaufschlags sein.

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34

Ausgabe Nr. 1

5.04

UStG UStG § 15 X Abwehr

Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 15.04.2015, V R 44/14 NWB Dok-ID: WAAAE-91562

Weiterführende Literatur UStDD 11/2015, S. 2

LEITSATZ:

Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens

wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzver-

walters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als

Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

PROBLEMSTELLUNG:

Eine Einzelunternehmerin hatte Umsätze

mit Recht auf Vorsteuerabzug ausgeführt,

bevor über ihr Vermögen das Insolvenzver-

fahren zur Befriedigung unternehmerischer

wie auch privater Insolvenzforderungen er-

öffnet wurde. Sie hatte ihre unternehmeri-

sche Tätigkeit bereits vor der Insolvenzer-

öffnung eingestellt. Der Insolvenzverwalter

übernahm Abwicklungstätigkeiten. Für

seine Tätigkeit erteilte er eine Rechnung

mit Steuerausweis an die Einzelunterneh-

merin und nahm für diese den Vorsteu-

erabzug zugunsten der Insolvenzmasse

in Anspruch. Das FA kürzte jedoch den

Vorsteueranspruch mit der Begründung,

die Leistung des Insolvenzverwalters habe

sich auch auf den nichtunternehmerischen

Bereich der Schuldnerin bezogen.

KERNAUSSAGEN:

1. Für den Vorsteuerabzug muss ein di-

rekter und unmittelbarer Zusam-

menhang zwischen Eingangs- und

Ausgangsleistung bestehen. §  15

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt so-

mit voraus, dass der Unternehmer

Leistungen für sein Unternehmen

zu verwenden beabsichtigt. Die Aus-

gangsleistungen des Unternehmers

müssen zudem steuerpflichtig oder

in § 15 Abs. 3 UStG benannt sein.

2. Beabsichtigt der Unternehmer, eine

von ihm bezogene Leistung zugleich

für seine wirtschaftliche und seine

nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu

verwenden, kann er den Vorsteuer-

abzug grundsätzlich nur insoweit in

Anspruch nehmen, als die Aufwen-

dungen hierfür seiner wirtschaftli-

chen Tätigkeit zuzurechnen sind.

Beabsichtigt der Unternehmer daher

eine teilweise Verwendung für

eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist

er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug

berechtigt. Bei der dann erforderlichen

Vorsteueraufteilung für Leistungs-

bezüge, die einer wirtschaftlichen und

einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit

des Unternehmers dienen, ist §  15

Abs. 4 UStG analog anzuwenden.

3. Der Unternehmer kann die nicht ab-

ziehbaren Teilbeträge im Wege einer

sachgerechten Schätzung ermit-

teln. Eine Ermittlung des nicht ab-

ziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge

nach dem Verhältnis der Umsätze,

die den Vorsteuerabzug ausschließen,

zu den Umsätzen, die zum Vorsteuer-

abzug berechtigen, ist nur zulässig,

wenn keine andere wirtschaftliche

Zurechnung möglich ist.

4. Die Leistungen des Insolvenz-

verwalters stehen im direkten und

unmittelbaren Zusammenhang mit

den im Insolvenzverfahren angemel-

deten Insolvenzforderungen. Das In-

solvenzverfahren bezieht sich dabei

auf das gesamte Vermögen des

Schuldners. Handelt es sich bei dem

Gemeinschuldner um eine natürliche

Person, die als Unternehmer tätig

war, kann das Insolvenzverfahren

daher gleichermaßen der Befriedi-

gung unternehmerischer wie auch

privater Verbindlichkeiten dienen.

5. Die Leistung, die der Insolvenzverwalter

gegen Entgelt an den Gemeinschuld-

ner erbringt, ist eine einheitliche

Leistung. Bezieht sich diese auf die

Gesamtheit der im Insolvenzverfah-

ren angemeldeten Forderungen der

Insolvenzgläubiger, besteht der für den

Vorsteuerabzug maßgebliche direkte

und unmittelbare Zusammenhang zu

der Gesamtheit dieser Insolvenzforde-

rungen. Eine Berücksichtigung einzel-

ner Verwertungshandlungen des

Insolvenzverwalters kommt demge-

genüber nicht in Betracht.

6. Dient ein Insolvenzverfahren sowohl

der Befriedigung von Verbindlich-

keiten des – zum Vorsteuerabzug be-

Page 35: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

35

Februar 2016

rechtigten – Unternehmers wie auch

der Befriedigung von Privatverbind-

lichkeiten des Unternehmers, ist der

Unternehmer aus der Leistung des

Insolvenzverwalters nur zum antei-

ligen Vorsteuerabzug berechtigt.

7. Die Vorsteuerbeträge sind nach dem

Verhältnis der zur Tabelle ange-

meldeten unternehmerisch begrün-

deten Verbindlichkeiten zu den Privat-

verbindlichkeiten aufzuteilen.

PRAXISHINWEISE:

1. Ein Anspruch auf den vollen Vorsteuerabzug aus den Leistungen des Insolvenzverwalters – ohne Vorsteueraufteilung –

besteht nur, wenn alle angemeldeten Forderungen dem Unternehmensbereich zuzuordnen wären. Das war im Streitfall

nicht gegeben.

2. Sofern eine Aufteilung erforderlich ist, stellt der BFH auf die angemeldeten Forderungen ab. Zwar hat er offen gelassen,

ob auch andere Aufteilungsmaßstäbe zulässig sind. Allerdings hat er die Aufteilungsmethode der Vorinstanz verworfen.

Das FG hatte nämlich die Erlöse aus der Verwertung von Gegenständen in die Aufteilung einbezogen. Insofern muss

in der Praxis wohl davon ausgegangen werden, dass von der vom BFH vorgegebenen Methode nur in absoluten Aus-

nahmefällen abgewichen werden kann.

3. Offengelassen hat der BFH, wie zu entscheiden wäre, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortgeführt hätte.

Der BFH ist auch nicht näher auf den Fall eingegangen, dass das Unternehmen vor der Insolvenz ust-pflichtige und

ust-freie (vorsteuerschädliche) Umsätze ausgeführt hat. Man wird hier aber davon ausgehen müssen, dass eine weitere

Aufteilung des Vorsteuerabzugs erforderlich wird.

4. Zu Fragen, die sich im Zusammenhang mit Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ergeben, hat das BMF mit

Schreiben vom 20.05.2015 (BStBl. 2015 I S. 476) Stellung genommen. In entsprechenden Fällen sollten dieses Schreiben,

das zahlreiche Beispiele enthält, zur Hand genommen werden.

5.05

UStG UStG § 17 Abwehr

Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund

eines Sicherungseinbehalts

Gestaltung

X Wissen

BMF-Schreiben vom 03.08.2015,

III C2 – S 7333/08/10001:004

BStBl 2015 I, S. 624

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Soweit ein Unternehmer, der der Sollbesteuerung unterliegt, seinen Entgeltanspruch über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren

nicht verwirklichen kann, weil der Leistungsempfänger zur Absicherung seiner Gewährleistungsansprüche einen Teilbetrag vertrags-

gemäß einbehält, ist er bereits für den VA-Zeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt.

PROBLEMSTELLUNG:

Insbesondere im Baugewerbe ist es durch-

aus üblich, dass Kunden zur Sicherung

ihrer Gewährleistungsansprüche Beträge

zwischen 5 und 10 Prozent der vereinbar-

ten Vergütung – vertraglich zulässig – ein-

behalten. Aufgrund der Sollbesteuerung

war der Leistende bislang nicht berech-

tigt, seine USt bereits bei Erbringung der

Leistung zu berichtigen. Mit Urteil vom

24.10.2013 (V R 31/12) hatte der BFH die

Auffassung der Finanzverwaltung jedoch

verworfen (vgl. FN 3/2014, S. 30).

KERNAUSSAGEN:

1. Nach den Grundsätzen des BFH-Ur-

teils vom 24.10.2013 (a.a.O.) ist ein

der Sollbesteuerung unterliegender

Unternehmer bereits für den VA-

Zeitraum der Leistungserbringung

zur Steuerberichtigung nach § 17

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36

Ausgabe Nr. 1

UStG wegen Uneinbringlichkeit

berechtigt, soweit er seinen Entgel-

tanspruch aufgrund eines vertrag-

lichen Einbehalts zur Absicherung

von Gewährleistungsansprüchen

über einen Zeitraum von zwei bis

fünf Jahren nicht verwirklichen kann.

2. Entgeltforderungen, die auf so ge-

nannten Sicherungseinbehalten

für Baumängel beruhen, sind daher

grundsätzlich uneinbringlich, da

der Unternehmer die insoweit beste-

henden Entgeltansprüche ganz oder

teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit

rechtlich und tatsächlich nicht durch-

setzen kann (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz

2 UStAE). Soweit der Unternehmer je-

doch eine vollständige Entgeltzah-

lung bereits mit Leistungserbringung

für die Fälle beanspruchen kann, in

denen er die Gewährleistungsansprü-

che seiner Leistungsempfänger durch

Bankbürgschaft gesichert hat oder

ihm eine derartige Bürgschaftsge-

stellung möglich war, liegt hinge-

gen keine Uneinbringlichkeit vor.

Der Unternehmer hat die Voraus-

setzungen für eine Minderung der

Bemessungsgrundlage wegen Unein-

bringlichkeit nachzuweisen. Aus

den Nachweisen muss sich leicht und

einwandfrei ergeben, dass für jeden

abgeschlossenen Vertrag konkrete,

im Einzelnen vom Unternehmer be-

gehrte Gewährleistungsbürgschaften

beantragt und abgelehnt wurden.

3. Soweit der Unternehmer unter den

zuvor genannten Voraussetzungen

die Entgeltansprüche zulässig als

uneinbringlich behandelt, hat der

Leistungsempfänger die Vorsteuer

aus den jeweiligen Leistungsbezügen

entsprechend zu berichtigen. Der

Unternehmer ist nicht verpflichtet,

dem Leistungsempfänger die Behand-

lung seiner Ansprüche mitzuteilen.

Das FA des Unternehmers ist jedoch

berechtigt, das FA des Leistungs-

empfängers auf die Behandlung der

offenen Entgeltansprüche als unein-

bringlich hinzuweisen (Abschn. 17.1

Abs. 5 Sätze 9 und 10 UStAE).

PRAXISHINWEISE:

1. Es ist zu begrüßen, dass das BMF die Auffassung des BFH teilt, auch wenn es fast zwei Jahre benötigt hat, um sich zu

einer klaren Aussage „durchzuringen“. Erwartungsgemäß hat das BMF die Fälle von einer Steuerberichtigung ausge-

nommen, in denen die Gewährleistungsansprüche der Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert worden

sind oder Bürgschaftsgestellungen zumindest möglich waren. Die Finanzverwaltung beruft sich insoweit zwar auf das

BFH-Urteil vom 24.10.2013, allerdings hat der BFH es in dieser Klarheit nicht gesagt.

2. Wichtig wird künftig sein, die Steuerberichtigung im „richtigen“ Zeitpunkt vorzunehmen. Gerade um den Jahreswech-

sel herum muss sorgfältig darauf geachtet werden, die Steuer bereits in dem VA-Zeitraum zu korrigieren, in dem die

Leistung erbracht worden ist und nicht erst, wenn der endgültige Zahlungsausfall droht. Beispiel: Eine Leistung wird im

Dezember 2015 erbracht, der Kunde hält 5 Prozent des Entgelts vertragsgemäß zu Sicherungszwecken ein. Mitte 2016

wird klar, dass das Entgelt endgültig uneinbringlich sein wird. Hier muss die Steuerberichtigung bereits im Dezember

2015 erfolgen.

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37

Februar 2016

6. ERBSCHAFTSTEUER

7. BEWERTUNG

8. ABGABENORDNUNG

8.01

AO AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1; BewG § 151

Abs. 2 Nr. 2 S. 1 Hs. 2, § 154 Abs. 1

X Abwehr

Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben Gestaltung

X Wissen

BFH-Urteil vom 30.09.2015, II R 31/13 DStRE 2015 S. 1523, BFH/NV 2016 S. 96, DB 2015 S. 2917

Weiterführende Literatur

LEITSÄTZE:

1. Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt

sind.

2. Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für

die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist.

3. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und

eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl. sind die Ehefrau und die Söhne

des im Jahr 2009 verstorbenen Erblassers,

sowie die aus den Erben bestehende Er-

bengemeinschaft. Zum Nachlass gehörten

mehrere Grundstücke. Die am 13.05.2011

beim FA eingereichte Erklärung zur Fest-

stellung des Bedarfswertes, für eines die-

ser Grundstücke, unterzeichnete nur die

Ehefrau als Erwerberin.

Mit Bescheid vom 26.05.2011 stellte das

FA den Grundbesitzwert gesondert und

einheitlich auf 285.418 EUR fest und

rechnete ihn der Erbengemeinschaft zu.

Den Bescheid gab das FA der Ehefrau als

Empfangsbevollmächtigte für die „O.-Er-

bengemeinschaft” bekannt. Der Bescheid

enthält den Zusatz:

„Der Bescheid ergeht mit Wirkung für

und gegen die Erbengemeinschaft und

alle Miterben.”

Den Einspruch der Kl. wies das FA als un-

begründet zurück. Als Einspruchsführer

bezeichnete das FA die „Erbengemein-

schaft nach H.O., bestehend aus W.O.,

S.O. und R.O., …”.

KERNAUSSAGEN:

1. Gegen einen Bescheid der nach

seinem Wortlaut ausdrücklich mit

Wirkung für und gegen die Erben-

gemeinschaft und alle Miterben

ergangen ist, können sich alle Be-

troffenen mit dem Einspruch und der

Klage wenden, um den Anschein der

Rechtswirksamkeit zu beseitigen.

2. Die Angabe des Inhaltsadressaten

ist konstituierender Bestandteil je-

des Verwaltungsaktes, denn es muss

unzweifelhaft feststehen, gegenüber

wem der Einzelfall geregelt werden

soll.

3. Inhaltsadressat eines Verwaltungs-

aktes ist derjenige, gegen den er

sich richtet, für den er bestimmt ist

und gegen den er wirken soll. Bei

Steuerbescheiden ist dies der Steuer-

schuldner, bei Feststellungsbescheiden

der Feststellungsbeteiligte, gegen den

sich die Feststellungen richten. Der

Feststellungsbeteiligte ist regelmä-

ßig identisch mit demjenigen, dem

der Gegenstand der Feststellung bei

der Besteuerung zuzurechnen ist.

4. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG

sind Grundbesitzwerte gesondert

festzustellen, wenn die Werte für

die Erbschaftsteuer oder eine andere

Feststellung im Sinne dieser Vorschrift

von Bedeutung sind. Beim Erwerb

durch eine Erbengemeinschaft er-

folgt die Zurechnung in Vertretung

der Miterben auf die Erbenge-

meinschaft.

Page 38: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

38

Ausgabe Nr. 1

5. Inhaltsadressat der Feststellung des

Grundbesitzwertes ist der Erbe,

für dessen Besteuerung die Fest-

stellung des Grundbesitzwertes von

Bedeutung ist. § 151 Abs. 2 Nr. 2

S. 1 Halbsatz 2 BewG regelt den Fall

der gesonderten und einheitlichen

Feststellung des Grundbesitzwertes

bei mehreren Erben. Die Regelung

soll bewirken, dass der Feststellungs-

bescheid für die durch die Erbenge-

meinschaft vertretenen Miterben Bin-

dungswirkung hinsichtlich der Art

der wirtschaftlichen Einheit und des

festgestellten Wertes hat, sowie

darüber, dass die wirtschaftliche Ein-

heit allen Miterben zuzurechnen ist.

Damit wird die Erbengemeinschaft

jedoch nicht zum Inhaltsadressa-

ten des Feststellungsbescheids, denn

die zu treffenden Feststellungen sind

nicht für die Besteuerung der Erben-

gemeinschaft selbst, sondern bei der

Festsetzung der Erbschaftsteuer ge-

gen die von den Feststellungen be-

troffenen Miterben von Bedeutung.

Inhaltsadressaten der gesonderten

Feststellung bleiben die Miterben,

auch wenn die Feststellung gegen-

über der Erbengemeinschaft in Ver-

tretung für die Miterben erfolgt.

6. Dem Bescheid über die gesonder-

te und einheitliche Feststellung des

Grundbesitzwertes bei mehreren

Miterben muss klar und eindeutig

entnommen werden können, gegen

welche Beteiligten der Erbenge-

meinschaft sich die Feststellungen

richten. Dabei ist es ausreichend,

wenn sich die Beteiligten zwar nicht

aus dem Adressfeld, wohl aber aus

dem weiteren Inhalt des Bescheids

ergeben, z.B. aus einer Anlage, aus

den Erläuterungen des Bescheids oder

aus einem in Bezug genommenen Be-

richt über eine Außenprüfung.

7. Die Bezeichnung Erbengemeinschaft

mit dem Zusatz der Namen der

Erben ist ausreichend, denn die

Mitglieder der Erbengemeinschaft

können einem solchen Bescheid ent-

nehmen, dass dieser sich gegen sie

als Erbengemeinschaft richtet.

8. Eine mangelnde Bezeichnung der

Inhaltsadressaten im Bescheid kann

nicht durch eine korrekte Bezeich-

nung in der Einspruchsentschei-

dung geheilt werden.

PRAXISHINWEISE:

1. Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt. Für Bewertungs-

stichtage nach dem 30.06.2011 folgt dies ausdrücklich aus § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG n.F., wonach diejenigen, die eine

Steuer schulden, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist, am Feststellungsverfahren beteiligt sind. Für frühere

Bewertungsstichtage folgt dies aus der Rechtsprechung des BFH, wonach den in Betracht kommenden Steuerschuldnern

der Gegenstand der Wertfeststellung i.S. des § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG zuzurechnen ist und diese Stpfl. am Feststel-

lungsverfahren beteiligt sind.

2. Das Urteil zeigt erneut die hohen formellen Anforderungen an einen Steuerbescheid auf. Insbesondere, wenn Steuer-

bescheide nicht standardisiert sind, sondern Einzelfälle betreffen, erhöht sich das Risiko formaler Fehler. Fallen in der

Beratungspraxis andere Änderungsmöglichkeiten für Steuerbescheide aus, empfiehlt sich die detaillierte Suche nach

Formfehlern zur Beseitigung des Steuerbescheids.

8.02

AO AO § 163

EStG § 4

X Abwehr

Verteilung eines Übergangsgewinns Gestaltung

Wissen

BFH-Urteil vom 01.10.2015 , X R 32/13 DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856

Weiterführende Literatur

LEITSÄTZE:

1. Eine Billigkeitsentscheidung über die Verteilung eines Übergangsgewinns bindet auch hinsichtlich dessen Höhe.

2. Die Billigkeitsentscheidung kann in dem Steuerbescheid des Übergangsjahres enthalten sein.

Page 39: Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und ... · DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856 8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere

39

Februar 2016

PROBLEMSTELLUNG:

Der Kl. erzielte Einkünfte aus Gewerbebe-

trieb. Er ermittelte bis 2006 seinen Gewinn

durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung,

seit 2007 durch Betriebsvermögensver-

gleich. Den erklärten Übergangsgewinn

verteilte er auf die Veranlagungsjahre ab

2007. Die Steuererklärung setzte das FA

antragsgemäß fest und führte im An-

schluss eine Außenprüfung für die Jahre

2005 bis 2007 durch. In dem Prüfungs-

bericht vom 04.05.2009 errechnete der

Prüfer einen abweichenden Übergangs-

gewinn und vermerkte dazu „Ansatz mit

1/3 in den Jahren 2007-2009”. Unter Auf-

hebung des VdN erging am 09.06.2009

ein geänderter Einkommensteuerbescheid

2007, in dessen Erläuterungen es heißt:

„Der Festsetzung/Feststellung liegen die

Ergebnisse der bei Ihnen durchgeführ-

ten Außenprüfung zu Grunde (siehe

Prüfungsbericht vom 04.05.2009).” Mit

unter VdN stehenden Bescheiden setzte

das FA die ESt bzw. den Gewerbesteuer-

messbetrag für 2008 in der Weise fest,

dass es den erklärten Gewinn um 1/3 des

Übergangsgewinns erhöhte.

Am 01.04.2011 beantragte der Kl. die

Änderung der ESt- und der Gewerbesteu-

ermessbescheide für 2007 und 2008 und

machte einen Übergangsverlust geltend.

Das FA lehnte alle Anträge ab, da eine

Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1

Nr. 2 der AO nicht bestehe. Im Übrigen sei

wegen der fehlenden Änderungsmöglich-

keit für 2007 der ermittelte Übergangs-

gewinn auch für 2008 und 2009 maß-

geblich. Der Kl. machte hinsichtlich des

Jahres 2008 geltend, mangels gesonder-

ter Feststellung über die Ermittlung und

Verteilung des Übergangsgewinns gebe

es keine Bindungswirkung für die Jahre

2008 und 2009.

KERNAUSSAGEN:

1. Ist eine Billigkeitsentscheidung

darüber getroffen worden, dass der

Übergangsgewinn in bestimmter

Höhe auf mehrere Jahre verteilt

wird, so bindet diese auch für die

Folgejahre und ist in deren Veran-

lagungen zu übernehmen. Diese

Entscheidung kann nach § 163 S.

3 AO mit der Steuerfestsetzung

des Übergangsjahres verbunden

und zudem konkludent ausgespro-

chen werden.

2. Eine Entscheidung der Finanzbehör-

de nach § 163 S. 2 AO über Höhe

und Verteilung des Übergangsge-

winns auf mehrere Jahre ist in die

Veranlagungen aller betroffenen

Jahre zu übernehmen.

3. Die Entscheidung über die in der

abweichenden Verteilung liegende

Billigkeitsmaßnahme ist nach der

AO auch dann Gegenstand eines

gesonderten Verwaltungsverfah-

rens und damit eines gesonderten

Bescheids, wenn äußerlich beide

Entscheidungen in einem Bescheid

zusammengefasst werden. § 163 Satz

3 AO regelt dies zwar nicht unmittel-

bar, setzt es aber voraus. Der Bescheid

hinsichtlich der Billigkeitsmaßnahme

ist seinerseits ein für die Festsetzung

einer Steuer bindender Verwaltungs-

akt und damit Grundlagenbescheid

für die Steuerfestsetzung.

4. Die Bindungswirkung einer Billigkeits-

entscheidung, die den Übergangsge-

winn auf mehrere Jahre verteilt, be-

zieht sich nicht nur auf die Verteilung,

sondern erstreckt sich auch auf die

Höhe dieses Gewinns. Eine Vertei-

lung im Billigkeitswege nach § 163

S. 2 AO bzw. R 4.6 Abs. 1 S. 2 bzw. 4

EStR ändert die Höhe des insgesamt

zu berücksichtigenden Übergangsge-

winns nicht.

5. Eine Entscheidung über die Berück-

sichtigung einer Besteuerungs-

grundlage in einem späteren Zeit-

punkt schließt die Entscheidung

über diese Besteuerungsgrundla-

ge selbst ein. Das zeigt sich bereits

daran, dass über die Verteilung eines

Übergangsverlusts nach anderen Kri-

terien zu entscheiden wäre als über

die Verteilung eines Übergangsge-

winns. Nach § 163 Satz 2 AO dürfte

ein Übergangsverlust, da er die Steu-

er mindert, nicht zu einem späteren,

sondern nur zu einem früheren Zeit-

punkt berücksichtigt werden.

6. Auch wenn Steuerfestsetzung und

Billigkeitsmaßnahme unter dem

Geltungsbereich des § 163 AO zwei

voneinander zu unterscheidende

Verwaltungsakte sind, die folglich

Gegenstand zweier unterschiedlicher

Verfahren sein können, so dürfen

beide Verfahren doch miteinander

verbunden werden. § 163 Satz 3

AO gestattet ausdrücklich die Ver-

bindung der Entscheidung über die

abweichende Festsetzung mit der

Steuerfestsetzung. Zur abweichenden

Festsetzung im Sinne dieser Vorschrift

gehören die Billigkeitsmaßnahmen

sowohl nach § 163 Satz 1 AO als auch

nach § 163 Satz 2 AO.

7. Bei der Frage, ob ein Bescheid eine

weitere – konkludente – Entschei-

dung in Gestalt einer Billigkeits-

maßnahme enthält, können dessen

Einzelaspekte nicht isoliert, son-

dern nur als Gesamtheit betrachtet

werden. Nur so kann der nach § 133

BGB maßgebende wirkliche Wille

ermittelt werden.

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40

Ausgabe Nr. 1

PRAXISHINWEISE:

1. Die Billigkeitsentscheidung ist kein Steuerbescheid, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt, daher gelten die Formvor-

schriften der §§ 118 ff. AO, nicht die des § 157 Abs. 1 AO. Die Billigkeitsentscheidung kann daher auch konkludent im

Rahmen einer Steuerfestsetzung oder Feststellung getroffen werden, muss aber als Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 1

AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass ihr Inhalt durch Auslegung ermittelt werden

muss; erforderlich ist aber, dass sie klar, eindeutig und widerspruchslos erkennen lässt, welche Rechtswirkungen sie

entfalten soll.

2. Einer Billigkeitsentscheidung muss zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von der an sich gesetzlich vorge-

sehenen Steuerfestsetzung abgewichen worden ist. Dazu muss nicht die Steuer vor und nach der Billigkeitsmaßnahme

angegeben werden. Es kann genügen, dass sich die abweichende Steuerfestsetzung aus der Höhe der festgesetzten

Steuer ermitteln lässt. Einer gesonderten Erläuterung im Steuerbescheid bedarf es nicht zwingend.

3. Ausgangspunkt einer Verteilung ist grundsätzlich das Erstjahr, so dass die für diesen VAZ ergangenen Bescheide im

Zweifel bis zum Ende des Verteilungszeitraums offengehalten werden sollten.

8.03

AO AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 173

Abs. 1 Nr. 1; EStG § 3 Nr. 63

X Abwehr

Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere Mittel Gestaltung

X Wissen

BFH Urteil vom 08.07.2015 - VI R 51/14 DStR 2015, 2131

Weiterführende Literatur

LEITSATZ:

Hat der Stpfl. dem FA den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt im Veranlagungsverfahren vollständig offengelegt, han-

delt er nicht arglistig und bedient sich auch nicht sonstiger unlauterer Mittel i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO, wenn

er sich im Einspruchsverfahren weiterhin auf Angaben in der Lohnsteuerbescheinigung bezieht, der nach Auffassung des FA eine

unzutreffende rechtliche Würdigung des Arbeitgebers zugrunde liegt.

PROBLEMSTELLUNG:

Die Kl. erklärten in der Anlage N zu den

Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

Bruttoarbeitslohn in Höhe von € -20.201

EUR (€ -26.980,08 und € 6.920) und Ent-

schädigungen in Höhe von € 174.034. Die

Arbeitgeber der Kl. übermittelten dem FA

elektronisch die gleichen Daten.

Aus dem beim FA eingereichten Auf-

hebungsvertrag der Kl. ergab sich eine

Abfindung i.H.v. € 174.034,28, von der

ein Teilbetrag i.H.v. € 50.017 in eine

Direktversicherung einbezahlt werden

sollte. Des Weiteren reichten die Kl. eine

Bescheinigung mit einer „Aufstellung der

bescheinigten Summe in der Lohnsteuer-

bescheinigung Zeile 3” ein. Danach hatte

der Arbeitgeber die „Einzahlung aus Ab-

findung in Direktversicherung” in Höhe

von € 50.017 als Abzugsposten berück-

sichtigt und gelangte so zu einem Wert in

Höhe von € -6.980,08 EUR.

Das FA setzte die Einkommensteuer fest

und wies darauf hin, dass der Bruttoar-

beitslohn der Kl. € 29.956 betrage. Der

Betrag für die Direktversicherung sei und

von der Abfindung abzuziehen, so dass

€ 124.017 als ermäßigt besteuerter Ar-

beitslohn zu berücksichtigen seien. Da-

gegen legten die Kl. Einspruch ein, dem

das FA abhalf.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprü-

fung beim Arbeitgeber stellte das FA die

falsche Lohnsteuerschlüsselung fest und

erließ einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

geänderten Einkommensteuerbescheid

und berücksichtigte dabei einen Brutto-

arbeitslohn der Kl. i.H.v. von € 29.956 und

eine Entschädigung i. H. v. € 124.017.

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41

Februar 2016

KERNAUSSAGEN:

1. Keine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1

Nr. 1 AO ist, dass das FA nach erneu-

ter Prüfung aller bereits bekannter

Informationen zu einem anderen

Ergebnis gelangt, wenn diese Beur-

teilung das Ergebnis einer Subsum-

tion und einer Auslegung von Sach-

verhalten ist und nicht Folge neuer,

nachträglich bekannt gewordener

Tatsachen.

2. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

Buchst. c AO darf ein Steuerbe-

scheid geändert werden, soweit er

durch unlautere Mittel, wie arg-

listige Täuschung, Drohung oder

Bestechung erwirkt worden ist. Arg-

listige Täuschung in diesem Sinne

ist die bewusste und vorsätzliche

Irreführung, wie jedes vorsätzliche

Verschweigen oder Vortäuschen von

Tatsachen, durch das die Willensbil-

dung der Behörde unzulässig beein-

flusst wird. Für Arglist reicht bereits

das Bewusstsein aus, wahrheitswid-

rige Angaben zu machen. Nicht er-

forderlich ist dagegen die Absicht,

damit das FA zu einer Entscheidung

zu veranlassen. Ein Mitverschulden

der Finanzbehörde ist unerheblich,

insbesondere der Umstand, dass es

die Unrichtigkeit hätte durchschauen

können.

3. Nachdem der Sachverhalt dem FA

bereits vollständig offengelegt ist,

ist der schlichte Vortrag einer ande-

ren Rechtsauffassung im Rahmen

des Einspruchsverfahrens nicht „arg-

listig” oder in sonstiger Weise „un-

lauter”. Die Lohnsteuerbescheinigung

entfaltet lediglich einen Beweiswert

dahingehend, wie der Lohnsteu-

erabzug tatsächlich stattgefunden

hat und nicht darüber, wie er hätte

durchgeführt werden müssen, so

dass auch aus diesem Grund durch

die Bezugnahme auf die Lohnsteu-

erbescheinigung keine „unrichtigen

(tatsächlichen) Angaben” gemacht

wurden. Eine etwaige Hoffnung

der Kl., das FA werde sich ohne eine

weitere Sachprüfung ihrer Rechtsauf-

fassung anschließen, ist keine arglis-

tige Täuschung.

PRAXISHINWEISE:

1. Für die Praxis empfiehlt es sich, die tatsächlichen Verhältnisse stets genau zu prüfen, weil die Rechtsprechung des BFH

zeigt, dass vielfach die auf neue Tatsachen gestützte Änderung von Steuerbescheiden nicht hinreichend begründbar ist.

2. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen

Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Nicht

unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen,

Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften

ein bestimmter Schluss gezogen wird. Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis

nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich

kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an, wobei aktenkun-

dige Tatsachen stets als bekannt gelten.

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Ausgabe Nr. 1

9. ANDERE RECHTSGEBIETE

10. SONSTIGES

Es empfiehlt sich, Anfragen stets zeitnah beim Verband zu stellen, damit eine Bearbeitung im zweimonatlichen Tagungsrhythmus

erfolgen kann.

Die zu den Beiträgen zitierten Quellen können ggf. über die Geschäftsstelle des Verbandes bezogen werden.

Termin für die nächste Sitzung des Steuerechtsausschusses des Verbandes ist der 10. und 11. März 2016.

IMPRESSUMFACHNACHRICHTEN des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe e.V.

Herausgeber und Verleger: Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V.

Postfach 20 20 20, 48101 Münster; Gasselstiege 33, 48159 Münster

Telefon: 02 51 / 5 35 86-0, Telefax: 02 51 / 5 35 86-60

[email protected], www.stbv.de

Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Kfm. Marcus Tuschen, StB / WP, Präsident des Verbandes

Redaktion: Steuerrechts-Ausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe e.V.

Entwicklung und Realisation: Michael Tiggemann

Druck: Bitter & Loose GmbH, Mergenthalerstraße 18, 48268 Greven

Alle Angaben ohne Gewähr. Abdruck sowie fotomechanische und elektronische Wiedergabe, auch auszugsweise, sind nur mit

ausdrücklicher Genehmigung des Verbandes gestattet.

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Frank Hass, den Sie telefonisch unter der Nummer:

(0251) 5358613 oder per E-Mail: [email protected] erreichen können.

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