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Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser, in unserer globalisierten Welt bedeuten effektive und effiziente Sozialsysteme einen Wettbewerbsvorteil. Deshalb sind auch Re- formen im Gesundheits- system erforderlich, um einer Senkung der Arbeits- kosten den Weg zu ebnen. Die Unternehmen sind bereit, ihren Teil zur notwendigen Reform beizutragen. Wir brauchen aber auch die Potenziale der Gesundheitswirtschaft – für Jobs am Standort und die alternde Gesellschaft. Der forschende Weltkonzern, der mit- telständische Generikahersteller, ein Biotech-Startup, integrierte Gesund- heitskonzerne, modernste Medizin- technikhersteller … sie stehen für eine Zukunftsbranche unter dem Dach von HessenChemie. Wie diese Jobmotoren erhalten werden können, haben wir mit Experten disku- tiert. Bitte lesen Sie selbst. Ihr Dr. Axel Schack und das Team der HessenChemie editorial Das Thema „Pharmaindustrie und Medizintechnik: Jobmotoren für Hessen!?“ zog mehr als 200 Gäste aus Unternehmen, Verbänden, Politik und Gesundheitswirt- schaft ins Wiesbadener Kurhaus. Erneut war die HessenChemie mit ihren Wiesbadener Gesprächen nah am Puls der Zeit. Der Arbeitgeberverband wollte die aktuelle Debatte um Kostenreduzierung im Gesundheitswesen versachlichen. Denn, so der Vorsitzende Karl-Hans Caprano, man könne bei der derzeitigen Berichterstattung den Eindruck gewinnen, in den Fabrikhallen der Pharmaunternehmen stünden reine Gelddruckmaschinen. „Von dem notwendigen hohen Forschungsaufwand, langen Entwicklungszeiten, dem unternehmerischen Risiko sowie der Kapitalintensität in der Branche ist dagegen kaum die Rede.“ Die Experten des Podiums waren einhellig der Ansicht, dass die aktuelle Reformdis- kussion genutzt werden könne, um das Verhältnis der Teilnehmer am Gesundheits- Der Newsletter der HessenChemie / Nr. 1 / April 2010 Pluspunkte Langfristig denken Gesundheitspolitik muss langfristig angelegt sein, damit Unternehmen ihre Investitionen planen können Seite 4 Erfolg ist kein Selbstläufer Die Pharmabranche ist ein Anker in der Krise. Damit das so bleibt, muss der Rahmen stimmen Seite 3 6. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik Wartung für den Jobmotor Fortsetzung Seite 2 Das Kurhaus war wieder Ort der Wiesbadener Gespräche.

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6. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik, 2010 Pharmaindustrie und Medizintechnik: Jobmotoren für Hessen!?

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Page 1: Pluspunkte 1 2010

Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser,

in unserer globalisierten

Welt bedeuten effektive und

effiziente Sozialsysteme

einen Wettbewerbsvorteil.

Deshalb sind auch Re­

formen im Gesundheits­

system erforderlich, um

einer Senkung der Arbeits­

kosten den Weg zu ebnen.

Die Unternehmen sind bereit, ihren Teil

zur notwendigen Reform beizutragen.

Wir brauchen aber auch die Potenziale

der Gesundheitswirtschaft – für Jobs am

Standort und die alternde Gesellschaft.

Der forschende Weltkonzern, der mit­

telständische Generikahersteller, ein

Biotech­Startup, integrierte Gesund­

heitskonzerne, modernste Medizin­

technikhersteller … sie stehen für eine

Zukunftsbranche unter dem Dach von

HessenChemie.

Wie diese Jobmotoren erhalten wer den

kön nen, haben wir mit Experten disku­

tiert. Bitte lesen Sie selbst.

Ihr

Dr. Axel Schack

und das Team der HessenChemie

editorial

Das Thema „Pharmaindustrie und Medizintechnik: Jobmotoren für Hessen!?“ zog

mehr als 200 Gäste aus Unternehmen, Verbänden, Politik und Gesundheitswirt-

schaft ins Wiesbadener Kurhaus.

Erneut war die HessenChemie mit ihren Wiesbadener Gesprächen nah am Puls der

Zeit. Der Arbeitgeberverband wollte die aktuelle Debatte um Kostenreduzierung

im Gesundheitswesen versachlichen. Denn, so der Vorsitzende Karl-Hans Caprano,

man könne bei der derzeitigen Berichterstattung den Eindruck gewinnen, in den

Fabrikhallen der Pharmaunternehmen stünden reine Gelddruckmaschinen. „Von

dem notwendigen hohen Forschungsaufwand, langen Entwicklungszeiten, dem

unternehmerischen Risiko sowie der Kapitalintensität in der Branche ist dagegen

kaum die Rede.“

Die Experten des Podiums waren einhellig der Ansicht, dass die aktuelle Reformdis-

kussion genutzt werden könne, um das Verhältnis der Teilnehmer am Gesundheits-

Der Newsletter der HessenChemie / Nr. 1 / April 2010

PluspunkteLangfristig denkenGesundheitspolitik muss langfristig angelegt

sein, damit Unternehmen ihre Investitionen

planen können Seite 4

Erfolg ist kein SelbstläuferDie Pharmabranche ist ein Anker in

der Krise. Damit das so bleibt, muss

der Rahmen stimmen Seite 3

6. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik

Wartung für den Jobmotor

Fortsetzung Seite 2

Das Kurhaus war wieder Ort der Wiesbadener Gespräche.

Page 2: Pluspunkte 1 2010

markt grundsätzlich neu zu bestimmen. Man müsse von einer

reinen Kostendiskussion hin zu einer Kosten-Nutzen-Diskussi-

on. „Wir brauchen mehr freien Wettbewerb, in dem Ärzte und

Patienten mit ihren Präferenzen wirklich

etwas bewirken können“, betonte Hart-

mut G. Erlinghagen. Florian Rentsch plä-

dierte für die Aufteilung in eine Grundsi-

cherung und zusätzliche Leistungen. Die

Notwendigkeit einer Neuordnung sah

auch Francesco Grioli, die aktuellen Pläne

von Gesundheitsminister Rösler kritisierte

er jedoch als unausgereift. Ein Ansatz, der

nur die Arzneimittelkosten in den Blick

nehme, greife zu kurz.

Detlef Terzenbach wies auf die Chan-

cen hin, die die Biotechnologie für den

Standort bietet. In Hessen hat sich deren

Umsatz in den vergangenen sechs Jahren

mehr als verdoppelt.

Martin Siewert und Andreas Brutsche be-

tonten, dass die Industrie sich der Not-

wendigkeit von Kosteneinsparungen

stelle. Es herrsche aber derzeit Unsicher-

heit in Bezug auf einen verlässlichen

Marktzugang. Dies sei nach der Zulassung

eines Medikamentes der nächste Schritt

und für die Planbarkeit von großer Bedeutung. Nur so würden

Investition und Forschung, die Erfolgsfaktoren der Branche,

kalkulierbar.

Fazit der Diskussion: Die Zu-

kunftsaussichten für die Phar-

ma- und Medizintechnik als

Job motoren in Hessen sind auch

weiterhin vielversprechend.

Doch ohne gute Marktabsatz-

chancen und Stand ortvorteile

in Form von qualifizierten Ar-

beitskräften, Exzellenzzentren

für Forschung und moderner

Infrastruktur wird der Jobmotor

ins Stottern geraten.

Zukunftsbranche BiotechnologieDrei Fragen an Detlef Terzenbach, Hessen Agentur GmbH

Die Biotechnologie wird als vielversprechende

Branche angesehen – auch für das Schaffen von

Arbeitsplätzen. Warum ist das so?

Die Biotechnologie ist eine echte Querschnittstechnolo-

gie, die in immer mehr Anwenderbranchen Einzug hält.

In der Entwicklung und Herstellung pharmazeutischer

Produkte hat sie eindrucksvoll ihr Potenzial bewie-

sen. Heute kommt die Mehrzahl aller neu zugelassenen

Wirkstoffe aus der Biotechnologie. Deshalb setzt die

pharmazeutische Industrie auf die Kooperation mit den

kleinen Biotech-Firmen.

Jetzt folgen weitere Anwenderbranchen, in denen Bio-

technologie entweder schrittweise klassische chemische

Prozesse ablöst oder aber neuartige Produkte liefert.

nachgehakt:

1

Fortsetzung von Seite 1

Axel Schack (l.) und Jürgen Funk (M.) von HessenChemie im Gespräch mit dem Wiesbadener Oberbürgermeister Helmut Müller.

Detlef Terzenbach ist Projektleiter von Hessen­Biotech bei der Hessen Agentur. Diese ist Bestandteil der Wirtschaftsförderung des Landes Hessen.

Auf dem Podium diskutierten:

Hartmut G. Erlinghagen, 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des AGV HessenChemie

Francesco Grioli, Vorstandssekretär IG BCE

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)

Dr. Andreas Brutsche, Geschäftsführer Novartis Vaccines and Diagnostics GmbH & Co. KG

Florian Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP im Hessischen Landtag

Dr. Martin Siewert, Vorsitzender der Geschäftsleitung Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

Dr. Detlef Terzenbach, Projektleiter Hessen-Biotech, Hessen Agentur GmbH

Page 3: Pluspunkte 1 2010

Welche Bedingungen braucht die Biotechnologie,

um diese Erwartungen zu erfüllen?

Die Biotechnologie kann dies nicht allein. Sie muss

sich einbetten in ein interdisziplinäres Netzwerk aus

Ingenieuren, Physikern, Chemikern und IT-Fachleuten,

um nur einige zu nennen. Den Rahmen dazu muss

die öffentliche Hand schaffen. In Hessen tun wir dies

beispielsweise durch die Förderung des Netzwerks

„Cluster Integrierte Bioindustrie CIB Frankfurt“ in der

Trägerschaft der Hessen Agentur. Hier organisieren

wir den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissen-

schaft. Ziel ist es, in Verbundprojekten neue Produkte

und Verfahren zu entwickeln und in die industrielle

Anwendung zu bringen.

Dazu gehören unter anderem die Bereiche Lebensmittel,

Waschmittel, Kosmetika und Textilien.

Sind die Hoffnungen, die für den Standort Deutsch-

land damit verbunden werden, realistisch?

In Deutschland herrschen gute Voraussetzungen, um

diese Entwicklung zu nutzen. Eine breite Wissensbasis

in den Naturwissenschaften, gut ausgebildetes Fach-

personal im Gewerbe sowie eine fest etablierte

che misch-pharmazeutische Infrastruktur, zu der auch

Ausrüster, Zulieferer und Berater gehören – das ist ein

starkes Fundament und setzt uns nach wie vor von der

internationalen Konkurrenz ab.

2

3

Eine von HessenChemie initiierte Stu-

die untersucht die Bedeutung von

Pharmaindustrie und Medizintech-

nik für Wirtschaft und Arbeitsmarkt

in Hessen und Deutschland. Sie fragt

auch danach, wie sich der Erfolg dieser

Branchen sichern lässt.

Der Truthahn wird tausend Tage ge-

füttert. Daraus schließt er, dass es ihm

auch weiterhin gut gehen wird. Doch

einen Tag vor Thanksgiving erlebt er

eine faustdicke Überraschung.

Mit diesem bekannten Beispiel aus

der Krisentheorie verdeutlichte Michael

Hüther, Direktor des Instituts der deut-

schen Wirtschaft Köln (IW Köln), dass

aus einer guten Vergangenheit nicht

zwingend auf eine rosige Zukunft zu

schließen ist. Doch die Ergebnisse der

Studie geben Anlass zu Optimismus. Mit

einem Minus von 3,1 Prozent hatte die

Pharma- und Medizintechnik 2009 ei-

nen deutlich geringeren Umsatzrück-

gang als das verarbeitende Gewerbe

mit 18,2 Prozent. Der Anteil der sozial-

versicherungspflichtig Beschäftigten

erhöhte sich sogar um 0,9 Prozent,

während er im verarbeitenden Gewerbe

um 2,8 Prozent sank. Betrachtet man die

Jahre 1999 bis 2008, gibt es in der Phar-

maindustrie gar einen Beschäftigungs-

zuwachs von 16,7 Prozent in Deutschland

und 17,5 Prozent in Hessen.

Die Erfolgsfaktoren für diesen Jobmotor

sieht Hüther in der überdurchschnitt-

lich guten Ausstattung mit Wachstums-

treibern: „Die Pharmaindustrie zählt

zu den forschungs-, innovations- und

exportintensivsten Branchen in Deutsch-

land“, so der Wirtschaftsexperte. Auch

sei sie we niger konjunkturabhängig

als andere. Bei den Herausforderungen

des Alterns werde sie mehr und mehr

gebraucht.

„Dies bedeutet aber nicht automatisch,

dass sie sich auch in Zukunft positiv

entwickelt“, gab Hüther zu bedenken.

Damit es der Branche nicht ergeht wie

dem Truthahn in der Metapher, hält

das IW insbesondere drei Faktoren für

ausschlaggebend: Das System der ge-

setzlichen Krankenversicherung müsse

zu mehr Kostenverantwortung anhalten

und zugleich Transfers für Bedürftige

schultern; Forschung und Entwicklung

müssten weiterhin Innovationen bei-

steuern können, die die Weltmarkt-

position stärken – zum Beispiel durch

Prozessneuheiten und bahnbrechende

Therapien; und die Zahlungsbereitschaft

für Gesundheitsleistungen dürfe nicht

durch übermäßige Sozialabgaben auf

den Faktor Arbeit gedämpft werden.

Erfolg ist kein Selbstläufer

Michael Hüther skizzierte Chancen und Heraus­forderungen der Branche.

Page 4: Pluspunkte 1 2010

www.hessenchemie.de

Erscheinungsweise: 6 Ausgaben/Jahr

Auflage: 1.700

Redaktion: Jürgen Funk (v.i.S.d.P.),

Dr. Ute Heinemann (Sprache + Text, Frankfurt),

Clemens Volkwein (HessenChemie)

Layout: Q GmbH, Wiesbaden

Fotos: Fazit Design, Wiesbaden

Internet: www.hessenchemie.de

Kontakt: Arbeitgeberverband Chemie und

verwandte Industrien

für das Land Hessen e. V.

Abraham-Lincoln-Straße 24

65189 Wiesbaden

Telefon 0611 7106-0

[email protected]

impressum

Welche Bedingungen braucht die

Pharmaindustrie, um in Deutsch-

land auch weiterhin stark zu sein?

Einschätzungen dazu gaben die Ge-

schäftsführer Andreas Brutsche von

Novartis und Martin Siewert von

Sanofi-Aventis.

Stabilität und langfristige Planbarkeit

sind nötig, damit Pharma- und Me-

dizintechnik Jobmotoren bleiben kön-

nen – darin waren sich die beiden Un-

ternehmenslenker einig. „Wir können

nicht jedes Jahr oder jede Legislatur-

periode neu diskutieren, wie die Löcher

im Gesundheitswesen gestopft werden

sollen“, so Andreas Brutsche. Denn die

Industrie entwirft ihre Strategien in

der Maßeinheit von Jahrzehnten, For-

schung und Investitionen für markt-

reife Produkte brauchen mitunter viele

Jahre Vorlauf.

Eine konsequente Investi-

tionspolitik ist bei Novar-

tis ebenso fester Bestand-

teil des Erfolgsrezeptes

wie bei Sanofi-Aventis.

„Investitionen lassen un-

seren Motor laufen und

sichern 10.000 Arbeits-

plätze in Deutschland,

davon 8.000 in Hessen“,

erklärte Martin Siewert.

Noch vor fünf Jahren bei-

spielsweise hat Sanofi-

Aventis 150 Millionen Euro in Hessen

investiert, um die Insulinpen-Produk-

tion am Standort Frankfurt auszubauen.

Eine solche Entscheidung verpflichte

sowohl das Unternehmen als auch den

Standort, so seine Einschätzung.

Die Pharmaindustrie sei durchaus be-

reit, ihren Teil zur Kostendämpfung im

Gesundheitswesen beizutragen – auch

das stellten Siewert und Brutsche klar.

Politisch verordnete Zwangsrabatte

seien jedoch der falsche Weg zu einem

effizient und auf lange Sicht ausrei-

chend finanzierten Gesundheitswe-

sen. Dies erfordere vielmehr ein ab-

gestimmtes Vorgehen zwischen allen

Beteiligten im Gesundheitsmarkt, ohne

einseitige Schuldzuweisungen.

Langfristig denken, gemeinsam planen

HR Communications – In gute Nachrichten investieren

Wie lassen sich Personalthemen wirksam und verständlich

kommunizieren? Zwei Seminare der HessenChemie am 18. und

19. Mai 2010 liefern Antworten. Weitere Informationen und An-

meldung im Mitgliederbereich von www.hessenchemie.de

Moderator Norbert Lehmann (M.) fragte Martin Siewert (l.) und Andreas Brutsche (r.) nach Zukunftsstrategien.

Tipp Ob Deutschland die Potenziale der Gesundheitswirt-

schaft künftig nutzen kann, thematisiert der Tagungsband der

6. Wiesbadener Gespräche, erschienen im FAZ-Verlag. Die Fach-

beiträge vertiefen folgende Themen:

Wie entwickelt sich der Zukunftsmarkt Gesundheit?

Wo liegen Innovations- und Beschäftigungspotenziale?

Wie entstehen neue Life-Science-Unternehmen?

Was sind heute schon erfolgreiche hessische Unternehmen?

Welche Politik braucht die Branche?

Mitglieder erhalten das Buch kostenfrei bei der HessenChemie. Bestellungen sind im

Mitgliederbereich unter www.hessenchemie.de möglich. Nichtmitglieder können

den Band für 29,90 Euro über den Buchhandel beziehen.