perspektive leerstand teil 2

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PERSPEKTIVE LEERSTAND Zweiter Teil einer dreiteiligen Studie zum Themengebiet Leerstandsnutzung, Zwischennutzungen und Freiräume in Wien Oktober 2012

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Page 1: Perspektive Leerstand Teil 2

PERSPEKT IVE   L EERSTANDZweiter Teil einer dreiteiligen Studie zum ThemengebietLeerstandsnutzung, Zwischennutzungen und Freiräume in Wien

Oktober 2012

Page 2: Perspektive Leerstand Teil 2

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ziel der Studie 2.1 Zielsetzung der Studie und Fragestellungen

2.2 Methodisches Vorgehen

3. Mehrdimensionale Betrachtung von Leerstand – ein Analyseraster

4. Wiener Perspektive – Bedeutung und Umgang mit Leerstand in Wien

4.1 Räumliche Dimension 4.2 Akteur_innen Dimension 4.3 Regulative Dimension 4.4 Diskurs Dimension 4.5 Zusammenführung: Wien

5. Ausblick: internationale Beispiele5.1 Amsterdam 5.2 Basel 5.3 Berlin 5.4 Bremen5.5 Zürich5.6 Zusammenführung: internationale Beispiele

6. Empfehlungen: Wichtige Punkte für Wien

7. Quellenverzeichnis

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1Einleitung

Leerstand und dessen Nutzung im urbanen Raum sindöffentlich diskutierte – sogar umkämpfte – Themen in derStadtforschung und -praxis. Aktuelle Diskurse kreisen umPhänomene wie Zwischennutzungen, Creative Industries,Belebung der Innenstädte, Reaktivierung vonErdgeschoßzonen, Aufwertung benachteiligterStadtquartiere, Gentrifizierung und Verdrängungeinkommensschwacher Mieter_innen. Aus Anlass des Bekenntnisses zur Errichtung einerZwischennutzungsagentur im rot-grünenRegierungsübereinkommen 2010 für Wien, wird an der TUWien in Kooperation mit der IG Kultur eine Studie unter demTitel „Perspektive Leerstand“ durchgeführt. In derUntersuchung wird das Themenfeld „Leerstand“ als einevielschichtige soziale, kulturelle und ökonomischeProblematik verstanden, die nur durch eine integrative undinterdisziplinäre Sichtweise auf städtische Transformations-und Entwicklungsprozesse verstanden werden kann. DasForschungsprojekt „Perspektive Leerstand“ arbeitet dasWissen, die Hintergründe und spezifischenProblemstellungen von Leerstand für stadträumlicheZusammenhänge systematisch auf und sucht nachStrategien, die die mit Leerstand verbundenen Potenzialeund Chancen einer Stadt für vielfältige Funktionen nutzbarund zugänglich machen.

Die Studie „Perspektive Leerstand“ verfolgt folgendeErkenntnisziele:

Theoretische Aufarbeitung wichtiger Begriffe rund um das Thema Leerstand

Historische Analyse von Leerstand und dessen Nutzung in Wien

Analyse der Bedeutung von Leerstand in Wien unter dem Blickwinkel der räumlichen, rechtlichen, akteur_innenbezogenen und diskursiven Dimension

Analyse zu internationalen Beispielen für den Umgang mit Leerstand in anderen Städten

Ableitungen von Empfehlungen für den politischen Diskurs und planerischen Umgang mit Leerstand in Wien

Aufgrund der Förder- und Finanzierungssituation kann dieseStudie nicht als Gesamtstudie durchgeführt werden, sondernmusste in mehrere Teile aufgegliedert werden:

Teil 1 (abgeschlossen)Der erste Teil der Studie „Perspektive Leerstand“ wurdegefördert durch die MA7 Kulturabteilung der Stadt Wien, liefin Auftrag der IG Kultur Wien und wurde 2011abgeschlossen. Die wissenschaftliche Leitung lag bei Dr.Oliver Frey zugehörig zum Fachbereich für Soziologie (ISRA)der TU Wien. Der erste Teil der Studie umfasste eine Aufarbeitung derHintergründe von Leerstand in Wien und eine Einführung inaktuelle Diskurse in Form einer Auseinandersetzung mitrelevanten Begriffen und Phänomenen. Weiters wurde einehistorische Aufarbeitung von Nutzungen von Leerstand inWien anhand eines Zeitstrahls von den 1970er Jahren bisheute durchgeführt und ergänzend durchExpert_inneninterviews und Fallbeispiele von Nutzungen einerster Einblick in ausgewählte Bereiche der heutigenSituation gegeben.

Teil 2 (vorliegend)Der zweite Teil der Studie wird durch diesen Berichtabgeschlossen. Die wissenschaftliche Leitung der Studieliegt beim Fachbereich Soziologie (ISRA) der TU Wienvertreten durch DIin Wencke Hertzsch und MA Mara Verlic.Die Studie erfolgt im Auftrag der IG Kultur gefördert durchdie MA7 Kulturabteilung der Stadt Wien. Ziel dieses Teils istdie Aufarbeitung und Analyse der Bedeutung von Leerstandund dessen Nutzung für unterschiedlicheAkteur_innengruppen vor dem Hintergrund räumlicher,rechtlicher und akteur_innenbezogenerRahmenbedingungen. Internationale Beispiele für denUmgang mit Leerstand in anderen Städten bilden denHintergrund für die Analyse der Wiener Situation und dieAbleitung von Empfehlungen für Diskurs und Planung inWien.

Teil 3 (in Vorbereitung)Aufbauend auf die Ergebnisse von Teil 1 und Teil 2 soll imdritten Teil der Studie eine vertiefende best and bad practiseAnalyse von internationalen Beispielen erfolgen. Diewissenschaftliche Leitung der Studie liegt beim FachbereichSoziologie (ISRA) der TU Wien vertreten durch DIin WenckeHertzsch und Ma Mara Verlic. Die Studie erfolgt beauftragtdurch die MA18.

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Internationaler VergleichDie Analyse berücksichtigt weiterhin die Wichtigkeit deseuropäischen Kontextes und den Wissenstransfer ausanderen Städten. So soll ein Einblick in internationaleBeispiele für den städtischen Umgang mit Leerstand helfendas Thema im europäischen Kontext zu verorten und überden lokalen Rahmen hinaus nach Erfahrungen undAlternativen zu fragen.

Folgende forschungsleitenden Fragestellungen stehen imMittelpunkt diese Studie:

I. Welche Bedeutung hat das Themenfeld Leerstand und dessen Nutzung für unterschiedliche Akteur_innengruppen in Wien unter dem Blickwinkel der räumlichen, rechtlichen, akteur_innenbezogenen und diskursiven Dimension?

II. Welche Bedeutung hat das Themenfeld Leerstand und dessen Nutzung in internationalen Beispielen für den Umgang mit Leerstand in anderen Städten?

III. Welche Empfehlungen für den politischen Diskurs und planerischen Umgang mit Leerstand in Wien lassen sich aus der Analyse ableiten?

Diese Fragestellungen werden im weiteren Verlauf – vorallem im Hinblick auf die in dieser Untersuchungverwendeten vier Dimensionen von Raum bzw. Leerstand(vgl. Kapitel 3) weiter ausformuliert und ausdifferenziert. Siesind im Sinne der Lesbarkeit und Verständlichkeit denjeweiligen Auswertungskapiteln vorangestellt.

2.2. Methodisches Vorgehen

Um das Ziel die Wiener Situation vor dem Hintergrund vonBeispielen für den Umgang mit Leerstand in andereneuropäischen Städten analysieren zu können, wurde einmehrstufiger methodischer Zugang gewählt, der sichzirkulär zwischen den Erkenntnissen über andere Städte undder Analyse Wiens bewegt. Dies entspricht demhermeneutischen Zirkel, der in der qualitativenSozialforschung oft als Erkenntnisgrundlage fungiert. Sogeht etwa Breuer (vgl. 2009), in einem Ansatz, den erReflexsive Grounded Theory nennt, davon aus, dass imForschungsprozess das (Vor-)Verständnis über einenSachverhalt sowohl die Erkenntnis beeinflusst, als auch dieeinzelne Forschungserkenntnis wieder rückwirkt auf denForschungsprozess.

Dieser Idee folgend wurde innerhalb dieserForschungsarbeit mit einer interessensgeleiteten Recherchenach Beispielen für den Umgang mit Leerstand in anderenStädten begonnen und Quellen und Literatur zum Thema

2 Ziel der Studie 

2.1. Zielsetzung der Studie und

Fragestellungen

Ziel des Teils 2 der Studie Perspektive Leerstand ist es, diebereits in Teil 1 begonnene Analyse der Bedeutung vonLeerstand in Wien und dessen Nutzung vertiefend zubetrachten. Dabei arbeitet dieser Teil der Studie vor allemmit drei wesentlichen Untersuchungszugängen:

Mehrdimensionale Betrachtung von LeerstandLeerstand als konkretes Phänomen im Stadtraum ist einThema, das an viele urbane Prozesse und Konfliktfelderanknüpft. Diese hier vorliegende Studie begegnet derVielschichtigkeit des Themas durch eine analytischeUnterscheidung von vier Ebenen des Phänomens Leerstand.Als analytische Dimensionen, die unterschiedlicheSichtweisen zulassen, allerdings in ihren Ausprägungeninterdependent sind, wurden folgende vier Bereichefestgelegt: Leerstand und dessen Nutzung weist eineräumliche Dimension auf, in der danach zu fragen ist, vonwelchen konkreten Räumen gesprochen wird und wo sichdiese im Stadtraum befinden. Zweitens ist von Interesse, werdie relevanten Akteur_innen innerhalb des Themenkreises inWien sind – zu denken ist hier an (potentielle) Nutzer_innen,Bedarfsgruppen, Eigentümer_innen und Akteur_innen derStadtpolitik und -verwaltung. Leerstand ist drittens einThema für das stadtpolitische Strategien und rechtlicheAspekte von großer Bedeutung sind. Und viertens – querüber diesen Dimensionen liegend – lässt sich auch einbestimmter historisch gewachsener Wiener Diskurs zumThema Leerstand und dessen Nutzung ausmachen. (vgl.vertiefend dazu Kapitel 3) Diese dimensionale Betrachtungvon Leerstand erscheint insofern wichtig, um Handlungs-und Interessensfelder innerhalb des Leerstandsdiskursesgetrennt voneinander betrachten zu können.

Akteur_innenbezogene SichtweiseUm die Bedeutungsebene erfassen zu können, fokussiertdiese Studie vor allem auf eine akteur_innenbezogeneSichtweise. Leerstand und dessen Nutzung ist eine Thema,an das in der Stadt Wien von diversen Personen undGruppen unterschiedliche Erwartungshaltungen geknüpftsind und unterschiedliche Interessen verfolgt werden. DieseStudie ist ein Versuch diese divergierenden Ansprüche offenzu legen und so einen Beitrag zum Aushandlungsprozessüber den Umgang mit Leerstand zu leisten. Dabei wirdallerdings kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

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1 - Arthur Kanonier hat im Auftrag der MA 18 ein Gutachten zu „TemporäreNutzungen in Wien aus planungs- und baurechtlicher Sicht“ verfasst. ImZuge dessen ist er im Rahmen dieser hier vorliegenden Untersuchunginterviewt worden. Allerdings wird dieses Gespräch aufgrund fehlenderRelevanz im Rahmen der hier bearbeiteten Untersuchung nicht zurAuswertung herangezogen.

v. Ergänzende Untersuchung der internationalen Beispiele für Leerstandsmanagements vor dem Hintergrund der wien-relevanten Fragestellungen.

vi. Ableitung der wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen für Wien.

Neben dem desk-research internationaler Beispiele bestandder Hauptteil der empirischen Arbeit aus dem Führen undAuswerten der Expert_inneninterviews in Wien.

a) Auswahl der Interviewpartner_innen für WienBei der Auswahl der Interviewpartner_innen wurde davon

ausgegangen, dass es innerhalbeiner Stadt Akteur_innen ausverschiedenen Bereichen gibt, dieunterschiedliche Interessenbezüglich des Umgangs mitLeerstand und dessen Nutzunghaben. Dabei stehen imMittelpunkt der Interviews vorallem Akteur_innen, die einKontextwissen über denThemenbereich Leerstandbesitzen. Ziel war es Akteur_innenzu identifizieren, dieentscheidende strategischePositionen innehaben bzw.Netzwerkknoten darstellen, an

denen unterschiedliche Wissens- und Erfahrungsbeständezusammen laufen. Sie können damit nicht nur etwas zu ihrereigenen Rolle sagen, sondern auch diskursgeleiteteFragestellungen in den Blickpunkt nehmen. (Vgl. Meuserund Nagel 1991)Auf Grundlage der explorativen Recherche nach Beispielenin anderen Städten wurden vier grobe Bereiche identifiziert,innerhalb derer Interviewpartner_innen mitentsprechendem Kontextwissen ausgewählt wurden.

Stadtplanung / GebietsbetreuungenBereits im ersten Teil der Studie wurde deutlich, dass dasThema Leerstand und vor allem dessen Nutzung vonstadtplanerischen Seite vor allem auf kleinräumiger Ebenebehandelt wird. Die Gebietsbetreuung erscheinen daher alsInstitutionen, von denen ein Einblick in die Thematik aus deralltäglichen Berufspraxis erwartete werden konnte.

Interviews wurden geführt mit:

Andrea Mann, Gebietsbetreuung GB*2/20

Kurt Smetana, Gebietsbetreuung GB* 7/8/16

Arthur Kanonier1, TU Wien, Fachbereich fürRechtswissenschaften

zusammengestellt. Ausgehend von diesem Vorverständnisund dem ersten Erfahrungswissen der bisherigen Arbeitkonnte eine Analyseraster mit relevanten Fragen an dasThema Leerstand in Wien abgeleitet werden, mit dem einetiefergehende Untersuchung der gegenwärtigen WienerLeerstandssituation durchgeführt wurde. Die Grundlage fürdie Erstellung des Analyserasters bildet ein relationalesVerständnis von Raum (vgl. Kapitel 3). Anhand derErgebnisse von Wien konnten konkrete Fragen, die für denWiener Kontext relevant erscheinen, formuliert werden undan die internationalen Beispielstädte ‚zurückgespielt‘werden.

Abb. 1: Hermeneutischer Forschungsgedanke (eigeneDarstellung nach Breuer 2009)

Das methodische Vorgehen bestand aus mehrerenSchritten:

i. Erste interessensgeleitetet, aber breite und offene desk-research nach interessant erscheinenden internationalen Beispielen für den Umgang mit urbanem Leerstand und passender Literatur.

ii. Analyse und Diskussion dieser ersten Zusammentragung von Informationen in der Forschungsgruppe mit dem Ziel der Konkretisierung eines Analyserasters.

iii. Durchführung und Analyse von Expert_inneninterviews für die Erstellung eines umfassenden Profils für Wien anhand des Analyserasters.

iv. Diskussion der Ergebnisse für Wien in der Forschungsgruppe und Ableitung von wien-relevanten Fragenstellungen.

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b)Führen und Auswertung der InterviewsDie Expert_innengespräche wurden als problemzentrierteInterviews geführt, die als Subform qualitativer Interviewseinen Mittelweg zwischen einem streng induktivenInterview (wie dem narrativen Interview) und einerdeduktiven Befragung (wie dem standardisierten Interview)darstellen. (Vgl. Lamnek 2005)

Ein Leitfaden für die Interviewführung ist innerhalb desproblemzentrierten Interviews zulässig, so er offene underzählungsgenerierende Fragen an die Interviewten stellt. Sokann das Interview als Kommunikationsakt gesehen werden,in dem das Aushandeln von Wirklichkeitsdefinitionenzwischen Forschenden und Erforschten im Mittelpunkt steht.Ein qualitatives Interview folgt dem Prinzip derZurückhaltung durch den Forschenden: Die Befragten sindnicht nur die Antwortgeber_innen auf verschiedene Fragen,sondern dominieren und leiten das Gespräch – dieForschenden müssen laut dem Prinzip der Relevanzsystemeder Betroffenen ihre eigenen Vorannahmen möglichstüberwinden und den Definitionen und Interessen derBefragten folgen. Im Forschungsinteresse steht daher derProzess der Konstitution von sozialer Wirklichkeit. Dasqualitative Interview ist also darum bemüht, die Deutungs-und Handlungsmuster der Befragten, die sich im Prozess desInterviews zeigen, zu ermitteln. Ein weiterer Grundsatz derqualitativen Forschung besagt, dass Begriffe undtheoretische Annahmen, sowie Methodenwahl undForschungsdesign flexibel an den Erkenntnisfortschrittwährend des Forschungsprozesses anpassbar sein müssen.Im qualitativen Interview bedeutet dies, dass dieForscher_innen flexibel auf die Bedürfnisse der Befragtenbzw. der Situation reagieren können und nicht an einenvorab festgelegten Gesprächsablauf gebunden sind. (Vgl.Lamnek 2005)

In der vorliegenden Forschungsarbeit wurde ein Leitfadenmit offenen Fragen verwendet, der entlang desAnalyserasters (siehe Kapitel 3) entwickelt wurde. Auf diefreie Erzählung der Interviewten, die ihre Deutungen undPrioritäten zugänglich machen, folgten konkreterNachfragen zu einzelnen angesprochenen Themen. DieInterviews wurden – mit einer Ausnahme – auf Tonbandaufgenommen und vollständig transkribiert. Weiters wurdendirekte Notizen aus der Interviewsituation in Form vonMemos verfasst. Die Auswertung der Interviews erfolgtedurch einen Kodierprozess, innerhalb dessenInterviewstellen entlang von Kategorien aus demAnalyseraster und sich aus der Interviewanalyse neuergebenden Kategorien kodiert wurden. Die soentstandenen Kategorien wurden im letzten Schritt mitRückbezug auf das Gesamtwissen der Forscher_innen überden Gegenstand interpretiert und ausgewertet.

Wirtschaft / Klein- und MittelbetriebeGeht es um Zwischennutzungen (als häufige und populäreForm der Nutzung von Leerstand), so werden diese oft imZusammenhang mit start-up Unternehmen gedacht – dieGrundformel dabei lautete: ein Mietvertrag mit reduziertenMieten, die langsam steigen (z.B. Staffelmiete), in Kongruenzmit erwarteter Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges desstart-up Unternehmens. Um einen Einblick in dieseInteressenslage zu bekommen wurde der Geschäftsführerder Vermittlungsstelle ServiceCenter Geschäftslokale derWKO als Interviewpartner gewählt.

Interviews wurden geführt mit:

Guido Miklautsch, ServiceCenter Geschäftslokale, WKO

Kunst und KulturarbeitViele der oben beschrieben start-up Unternehmen könnendem Bereich der Kreativwirtschaft zugeordnet werden –über diesen Wirtschaftsbereich hinausgehend erscheinenjedoch Akteur_innen aus dem weit verstandenen Bereichder „Kunst und Kulturarbeit“ als wichtige Interessensgruppemit großem Raumbedarf. Ateliers, Arbeitsräume undProberäume sind häufig Nutzungen, die über den normalenImmobilienmarkt nicht realisiert werden können, da siekeine oder geringen wirtschaftlichen Profit generieren. Essind auch Akteur_innen aus dem (weiten) Bereich der Kunstund Kulturarbeit, die durch eigenmächtige Raumaneignung(z.B. Hausbesetzungen) in Wien auf sich aufmerksammachen. Um einen Überblick zu erhalten wurden Gesprächemit einer Vertreterin der MA7 und einer Vertreterin der IGKultur geführt.

Interviews wurden geführt mit:

Karin Rick, die MA7 Kulturabteilung der Stadt Wien

Agnes Peschta, IG Kultur Wien

SozialesAls weniger aktivistischer Bereich und daher möglicherweiseweniger sichtbar, aber im Raumbedarf vergleichbar mit demBereich Kunst und Kulturarbeit, wurden soziale Initiativenund Institutionen identifiziert. Leider gelang es nicht einInterview mit Vertreter_innen der MA 20 zu vereinbaren, sowurden Interviews mit Angehörigen einer exemplarischensozialen Initiativen, Vinzirast, geführt.

Interviews wurden geführt mit:

Cecily Corti, VinziRast-CortiHaus

Alexander Hagner, Architekturbüro gaupenraub+/-

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2 - Diese vier Dimensionen werden je nach Autor_in unterschiedlich

benannt.

(1)  das materiell-physische Erscheinungsbilddes RaumesIm Mittelpunkt dieser Dimension steht die Gestalt (die Gestaltung) des gebauten Raumes, nicht nur aus der architektonischen und funktionalen Bewertungsperspektive, sondern vielmehr im Hinblick darauf, wie die gebaute Umwelt von Nutzer_innen wahrgenommen und angeeignet wird.

(2)  das soziale und gesellschaftliche Handeln im RaumIst das materiell-physische Erscheinungsbild durch Objekthaftigkeit gekennzeichnet, so zeichnet diese Ebene die Subjekthaftigkeit aus. Es kann untersucht werden, wer die Nutzer_innen des Raumes sind und welchen Zweck, welches Ziel und welche Interessen sie verfolgen. Auf dieser Ebene können Aussagen zu den nutzenden Gruppen mit ihren Lebensstilen und Werthaltungen, den Intergruppenbeziehungen, Konflikten und Nutzungsarrangements generiert werden.

(3)  der kulturelle Ausdruck von Raum Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Zweck und der Bedeutung von Räumen, einerseits in einem lokalen, anderseits in einem übergeordneten Zusammenhang. Untersucht werden die Assoziationen und Images, die mit dem Raum verbunden werden und welche Symbolik dabei verwendet wird. Somit können Aussagen zur Bewertung und (Be)deutung von Orten generiert werden.

(4) das normative RegulationssystemInnerhalb dieser Ebene wird fokussiert welche Regulationen, wie Eigentumsformen, Machtstrukturen und gesetzlichen Regelungen den Raum betreffen. Zudem können auch die bestehenden (politischen) Planungsvorgaben für den Raum sowie die Effekte des bisherigen Planungsprozesses in eine Betrachtung integriert werden.

Übertragen auf unseren Untersuchungsgegenstandbedeutet dies, dass auch leerstehende Räume sich aus dermateriell-physischen Verfasstheit des jeweiligen Ortes undgesellschaftlichen sowie individuellen Handlungspraktikenergeben. Die vier Dimensionen von (Sozial)Raum wurden fürden Untersuchungsgegenstand von städtischem Leerstandin vier handhabbare Untersuchungsebenenoperationalisiert, um einerseits eine (erste)interessengeleitete Beispielrecherche in europäischenStädten durchführen zu können und um andererseitswienspezifische An- und Herausforderungen im Umgang mitLeerstand bestimmen und auf der Handlungsebeneadressieren zu können.

3MehrdimensionaleBetrachtung von

Leerstand – ein Analyseraster  

Wie bereits oben erwähnt, verweist das PhänomenLeerstand auf einen komplexen und vielschichtigenThemenbereich, bei dem sowohl (sozial)räumliche als auchprozessbezogene Dimensionen, sowie derenWechselwirkungen und Konfliktfelder untereinander, zubetrachten sind. So sprechen wir hier von diversen Räumenund unterschiedlichen Akteur_innen mit heterogenenBedürfnislagen und Anforderungen, die an Raum und auchan Leerstand formuliert werden. Darüber hinaus sind ebensodie legislativen Regularien entscheidend, die darüberbestimmen in welcher Form und in welchem Ausmaß überRaum verfügt werden kann resp. dieser angeeignet werdenkann. Weiterhin entscheidend ist der gesellschaftspolitischeUmgang mit Leerstand, der zeigt welche Bedeutung demThemenfeld Leerstand von unterschiedlichen Akteur_inneneingeräumt wird, wie und wo Leerstand als Themaverhandelt und thematisiert wird und welcheUmsetzungsstrategien sich daran knüpfen.

Vor diesem Hintergrund der Komplexität des ThemenfeldsLeerstand in der Ausdifferenzierung unterschiedlicherrelevanter Dimensionen erschien es uns sinnvoll auf einenDenkrahmen eines relationalen Raumverständnisseszurückzugreifen und den sozialen Raum in den Mittelpunktder Betrachtungen zu rücken (vgl. vertiefend Läpple 1991,Dangschat 1996, Löw 2001). Hier meint Raum die Ordnungder Gegenstände, Menschen, Regeln, Symbole usw. und istErgebnis ihrer Beziehung zueinander. Ordnung meint dabeisowohl die gesellschaftliche als auch die (eigene) räumlicheRaumgestaltung und -wahrnehmung. Gerade in demkomplexen Kontext von städtischem Leerstand und demUmgang damit, bewegen wir uns in einem Feldstadtspezifischer Phänomene sowie ortspezifischer Logiken,die sich von Stadt zu Stadt unterscheiden (vgl Löw 2008). Einsozialwissenschaftlicher und stadtsoziologischer Zugang zu(Sozial)raum kann die spezifischen Handlungspraktiken undStrukturierungen einer Stadt offenlegen.

Der oben genannte relationale Raumbegriff unterscheidetvier Dimensionen eines (Sozial)Raums (vgl. Läpple 1991 undLöw 2001) 2:

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Page 8: Perspektive Leerstand Teil 2

i. Räumliche Dimension 

Der Fokus liegt hier vor allem auf der materiell-physischen

Ebene und den Arten von Räumen die tatsächlich leer

stehen, wie beispielsweise Erdgeschoßzonen, Gewerbe- und

Industriestandorten, Brachflächen etc. Darüber hinaus sind

ebenso stadträumliche Zusammenhänge (sozialräumliches

Bedeutungs-, Nutzungs- und Funktionsgefüge)

entscheidend und welche Problemlagen, aber auch

Potenziale damit verbunden sind.

ii. Akteur_innenbezogene Dimension

Wie bereits eingangs geschildert, konzentrieren wir uns auf

einen akteur_innenbezogene Sichtweise auf Leerstand. In

diesem Zusammenhang ist zentrales Ziel dieser Dimension,

das Spektrum der Akteur_innen zu umreißen sowie

Handlungspraktiken und -logiken, Interessen, Ziele,

Aufgaben und Zuständigkeiten zuzuordnen vor dem

Hintergrund von Kompetenzverteilungen und

Kooperationsmöglichkeiten.

iii. Diskurs Dimension (historische Perspektive)

Im Fokus steht dabei vor allem die Frage nach dem Umgang,

der Bedeutung und dem Stellenwert von Leerstand im

Rahmen von Stadtentwicklung und Stadterneuerung in

einer historischen und gegenwärtigen Perspektive.

iv. Rechtliche Dimension

Der Fokus liegt hier auf den formellen

Handlungsspielräumen, die unterschiedliche Akteur_innen

im Umgang mit Leerstand haben. In diesem Zusammenhang

muss man sich mit den gesamtstädtischen und

stadtteilbezogenen Zielsetzungen sowie rechtlichen und

finanziellen Rahmenbedingungen auseinandersetzen.

Im Folgenden werden die Untersuchungsdimensionen undzentralen Fragestellungen – die der weiteren Untersuchungund Auswertung zugrunde liegen – kurz skizziert. Dabeikönnen die vier Dimensionen in ihrer jeweiligen Ausprägungeinzeln betrachtet werden, aber ebenso in ihremWechselspiel und ihren Zusammenhängen untereinander(vgl. auch Abb. 2).

Abb. 2: Mehrdimensionales Analyseraster (eigene Darstellung).

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i. Welche Arten von Daten zu Leerständen gibt es und wiewerden diese verwaltet?Von Seiten der Stadt gibt es keine aktuelle, offizielleErhebung bzw. öffentliche Bekanntgabe vonLeerstandsdaten in Wien. Grundsätzlich ist zwischenLeerstand im Wohnbereich, in Geschäftslokalen und anderenGebäuden zu unterscheiden:

Bezogen auf den Leerstand von Wohnungen gehen dieAngaben der Stadt Wien von 10.000 leerstehendenWohnungen (vgl. Die Presse, 27. 07. 2012) und Schätzungenvon oppositionellen und aktivistischen Gruppen von ca.80.000 Wohnungen weit auseinander (vgl. derstandard.at,23.08.2012). Die letzte vorliegende Studie zuLeerstandsdaten im Wohnbereich wurde 1996 durchgeführtund spricht von 45.400 leeren Wohnungen (vgl. Moser 1995).Große Differenzen in den Zahlen hängen methodologischmit der Definition von Leerstand zusammen, die vor allem imWohnungsbereich unterschiedlich getroffen werden kann.

Unter die Kategorie „andere Gebäude“ fallen vor allemgrößere, ganze Gebäude wie ehemalige Fabriken undehemalige industrielle, gewerbliche oder kulturelleNutzungen. Viele dieser Gebäude liegen in öffentlichemEigentum, offizielle Leerstandsangaben von Seiten der Stadtgibt es nicht.

Bezogen auf den Leerstand in Geschäftslokalen, die sich oftin den Erdgeschoßzonen befinden, fehlen auch offizielleAngaben. Erfasst werden Daten zu leerstehendenGeschäftslokalen durch WKO Stelle „leerelokale.at“, auf derenHomepage es auch eine einsehbare Datenbank gibt, die von(variierend) rund 450 leeren Lokalen ausgeht. In dieser

4Wiener Perspektive –Bedeutung und

Umgang mit Leerstand in Wien

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen steht dieAuswertung der Interviews. Die Darstellung der wichtigstenErgebnisse der Analyse folgt den vier Dimensionen und wirdam Ende des Kapitels in einem Fazit zusammengeführt.Jeder Dimension werden die relevanten Fragestellungenvorangestellt und sie bilden die Grundstruktur des Textes.

Aufbauend auf den Erkenntnissen in diesem Kapitel werdenwiederum Fragen abgeleitet, die an die internationalenBeispiele formuliert werden (siehe hermeneutischesErkenntnismodel Kapitel 2).

4.1. RÄUMLICHE DIMENSION

Der Fokus liegt hier vor allem auf der Verortung vonLeerstand in einem gesamt- und teilstädtischen Gefügesowie die sich daraus ergebenden Problemlagen vonDatenverfügbarkeit, Bedeutungsgehalt und(Nicht)Nutzungspotenzialen.

Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

i. Welche Arten von Daten zu Leerständen gibt es und wie werden diese verwaltet?

ii.Wo liegen die Ursachen für leerstehende Räume?

iii. Welche Arten von Räumen stehen im Mittelpunkt der Debatte rund um Leerstand und dessen Nutzung?

iv.Welche Räume weisen welche Nutzungspotentiale auf?

v.Welche Bedeutung hat Leerstand auf der Stadtteilebene?

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Page 10: Perspektive Leerstand Teil 2

ii.Wo liegen die Ursachen für leerstehende Räume?Als soziale Gründe für Leerstand wurde oftmalig auf diebestehenden Vorurteile durch Immobilienfirmen undHauseigentümer_innen verwiesen. So besteht vor allem eineAblehnung gegenüber jungen und eher subkulturellenGruppen sowie Personen mit Migrationshintergrund odernicht weißer Hautfarbe. In einem Interview wird angedeutet,dass inzwischen eine neue Generation an Eigentümer_innenund Immobilienfirmen zu einer offeneren Herangehensweiseneige. Es fehlen aber Institutionen, die angesichts dieserDiskriminierungen eine aktive Vermittlungsrolleübernehmen.

Als weitere Ursache für Leerstände werden häufigüberzogenen Mieterwartungen durch Eigentümer_innengenannt. In den Erdgeschoßzonen ergeben sich hoheMieten auch oft aus dem Umstand, dass ältere Mietverträgeeinen großen Teil der Betriebskosten des ganzen Hauses aufdie Ladenflächen im Erdgeschoß verteilen. Auch Spekulationauf zukünftige höhere Mieten wird als Grund fürleerstehende Räume genannt, wenn auf zukünftige höhereMieteinnahmen gesetzt wird.

Aus politischer Perspektive lässt sich Leerstand vor allemdurch das Fehlen eines übergreifendenLeerstandsmanagement erklären. Im WienerVerwaltungssystem sind viele Magistrate mit relevantenTeilthemen befasst, aber es gibt kaum Kooperation zwischenden einzelnen Geschäftsstellen. Auch hat sich das Interesseder Stadt seit den 1970er Jahren massiv zu Ungunsten neuerkultureller Raumnutzungen verändert. Wurden damalsneuen Projekten noch relativ unbürokratisch und schnellRäumlichkeiten zur Verfügung gestellt, scheiterten in denletzten Jahren einige Gruppen und Netzwerke an demDesinteresse und schlussendlich längeren Atem der StadtWien. Mehr dazu findet sich vor allem im 1.Teil der StudiePerspektive Leerstand.

Datenbank werden jedoch nur jene Lokale sichtbar, diedurch die Eigentümer_innen zur Vermietung angebotenwerden. leerelokale.at sammelt Daten zum gewerblichenLeerstand seit 1999 und führt alle sechs Wochen eineAktualisierung durch, bei der jedoch nur die „wichtigenStandorte“ (Miklautsch) betrachtet werden. Erhoben werdendie Daten sowohl durch Meldung durch dieEigentümer_innen selbst als auch durch „eigene Ressourcen“(Miklautsch). An der TU Wien ist eine Studie in Arbeit, dieeinen zusammenhängenden Grundrissplan derErdgeschoßzonen in Wien produzieren soll und so auchKlarheit zum Leerstand in diesem Bereich bringen dürfte(vgl. TU Wien, 15.06.2012)

Auch die Vertreter_innen der Gebietsbetreuungen geben anfür ihre Quartiere Daten über Leerstand zu erheben undzwar größtenteils durch Eigenbeobachtungen und -erfahrungen. Von ihnen wie auch Agnes Peschta und KarinRick wird ein Fehlen einer zentralen Stelle zur Verwaltungvon Leerstandsdaten beklagt. Wünschenswert erscheint eineöffentlich zugängliche Plattform, auf der Leerstandeingetragen sowie abgelesen werden kann. Nebenbefürchteten rechtlichen Schwierigkeiten einer derartigenPlattform, wird in den Interviews vor allem die Thematik derAktualität solcher Daten angesprochen. Aufgrund derErfahrung einer sehr hohen Fluktuation (Andrea Mannspricht etwa von „Leerstand als dynamischen Prozess“),scheint die Wartung einer solchen Datenplattform mitgroßem Verwaltungsaufwand verbunden zu sein. AlsIdealversion wird die Idee einer interaktiven Kartenbeschrieben, auf der leerstehende Räume sichtbar werdenund per Mausklick Daten wie Miethöhe, Eigentümer_in,Größe und Fotos. Um Leerstandsdaten erheben zu können,sehen die Interviewten als einzige Möglichkeit dieEigenerhebung, die mit enormem Aufwand verbunden ist.Als Optimallösung angesprochen wird die Idee,Eigentümer_innen zur Meldung von Leerstand gesetzlich zuverpflichten. Aber auch partizipatorische Erhebungs- undAktualisierungsmethoden werden in diesem Kontextangesprochen und diskutiert.

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Page 11: Perspektive Leerstand Teil 2

iv. Welche Räume weisen welche Nutzungspotentialeauf?Maßgeblich in der Entscheidung über die Nutzung einesleerstehenden Raums ist vor allem die Frage, ob sielangfristig, mittel oder temporär genutzt werden sollen.

Als temporäre Objekte kommen leicht zu adaptierendeGeschäftslokale oder Wohnungen in Frage.Nutzungsmöglichkeiten sind hierbei oft einmaligeTheaterprojekte oder Performance Stücke, Ausstellungen,experimentelle Projekte, Pop-up Stores oder Proberäume.Gerade bei temporären Nutzungen ist den Interviewtenwenig nachvollziehbar, warum sich Eigentümer_innen nichtzu einen größeren Offenheit hinreißen lassen. So bringen dieNutzungen wenig Aufwand mit sich, decken aber über einengewissen Zeitraum zumindest Betriebskosten ab underhöhen allgemein den Fokus auf das jeweilige Objekt. EinGrund für die geringe Bereitschaft zu temporärenNutzungen von Seiten der Eigentümer_innen wird in derBefürchtung gesehen, temporäre Nutzer_innen nicht wiederaus den Gebäuden zu bekommen (eine Befürchtung die derLogik von Miets- und Vertragsrecht entgegensteht).

Für mittelfristige Nutzungen kommen bereits Objekte inFrage, die eine erweiterte räumliche Adaptierung benötigen.Für kreative Unternehmen kommt somit Büroleerstandebenso in Frage wie Erdgeschoßlokale. Für Galerieprojektebieten sich hier ebenso Gassenlokale an, für Theatergruppenkönnen ehemalige Theater oder Kinosäle genutzt werden.Wohnungen bieten neben der Wohnnutzung auch dieMöglichkeit als Ateliers oder Büros genutzt zu werden.Brachflächen bieten genügend Raum für experimentelleWohnformen wie Wagenplätze. Auch große ehemaligeindustrielle Komplexe kommen für mittelfristige Nutzungenbereits in Frage – mit mehrjährigen Verträgen kannInitiativen eine Basis geboten werden sich zu etablieren undProjektarbeit zu entwickeln.

Langfristige Nutzungen bieten sich vor allem für dauerhafteProjekte an, wie klassische Unternehmen, sozialeEinrichtungen, soziokulturelle Initiativen, Freiraumprojekte,kulturelle Zentren, Theater, Kinos und andere Projekte, dievon fixen Standorten profitieren. Dauerhafte Nutzungenermöglichen es den Initiativen langfristig zu planen, dadurchkann auch Prekarisierung entgegengewirkt werden.

An mehreren Stellen wird in den Interviews ein Mangel an(leistbaren) langfristigen Nutzungsmöglichkeiten erwähnt,der dazu führt, dass einige Gruppen sich auf temporäreNutzungen einlassen mit denen ein erheblicherMehraufwand für sie verbunden ist. Auch die in Wienansteigende Anzahl an Besetzungen aus dem Umfeld derautonomen Szene kann als Antwort auf den zwarvorhandenen, aber eben nicht verfügbaren Raumverstanden werden.

iii. Welche Arten von Räumen stehen im Mittelpunkt derDebatte rund um Leerstand und dessen Nutzung?Auf Seite der Personen, die in Gebietsbetreuung oderanderen vermittelnden Einrichtungen tätig sind, stehen dieErdgeschoßzonen im Zentrum der Debatte. Alle Interviewtenstellen sofort die Verbindung zwischen dem ThemenfeldLeerstand und der Frage nach der Nutzung derErdgeschoßzonen her, vor allem in den WienerAltbauhäusern. Dieser Fokussierung der öffentlichenDiskussion und Wahrnehmung scheint sich allerdings nichtdaraus zu ergeben, dass der quantitative stärkste Leerstandin den Erdgeschoßzonen zu finden ist. So wurde vonmehreren Seiten festgestellt, dass große Teile von denLokalen, die nach außen hin als Leerstand erscheinen,eigentlich als Lagerräume genutzt werden. Die Ursache derFokussierung ist also eher in der Sichtbarkeit diesesLeerstands zu finden, auf der sich auch ein stadtplanerischesInteresse an der Belebung des Leerstands gründet. DieErdgeschoßzonen weisen eine besondere Lage imGraubereich zwischen privatem und öffentlichem Raum auf.Obwohl rechtlich im privaten Raum gelegen, habenGeschäftslokale und deren Leerstand erheblich Einfluss aufdie Atmosphäre des Straßenraums. Als Grund für dasInteresse an der Belebung von Geschäftslokalen wird vonSeiten der Gebietsbetreuungen argumentiert, dassLeerstand – zumindest – atmosphärisch dasSicherheitsgefühl in einem Stadtgebiet senke. leerelokale.atargumentiert für die Nutzung der Erdgeschoßzonen auseiner wirtschaftlichen Sicht – sie führe zur Inwertsetzungeines Gebäudes und – unter Umständen – eines ganzenGebietes.

Von Seiten des Bedarfs an Räumen erscheint dieErdgeschoßzone nicht für jede Nutzung als notwendigeLage. Im Gegenteil – sieht man von gewerblichenNutzungen mit Laufkundschaft ab – so bringen dieErdgeschoße oft schwierige bauliche Verhältnisse mit sichund sind durch die Einsehbarkeit für einige Nutzungen (z.B.im Bereich sozialer Initiativen und Kulturarbeit) nur bedingtgeeignet. Diese Probleme werden von Seiten derGebietsbetreuungen angesprochen; doch auchleerelokale.at hat die Erfahrung gemacht, dass man häufigBüronutzungen erst davon überzeugen müsste in dieErdgeschoßzonen zu gehen. Im Rahmen eineswissensbasierten Austauschprozesse „PerspektiveErdgeschoss“ wurde ebenso der Aspekt des Wohnens imErdgeschoss als Nutzung angesprochen und diskutiert. (vgl.vertiefend dazu MA 18 2011)

Als treibende Kraft hinter der Fokussierung auf dieErdgeschoßzonen erweist sich also weder die quantitativeDimension des Leerstands in diesem Gebiet, noch dieAnforderungen von Seiten der Nutzer_innen, sondern derEffekt, den die Belebung dieser Zonen auf den öffentlichenRaum, auf ein Gebiet hat.

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Leerstand und dessen Nutzung wird also durchgehend inden Interviews als bedeutendes Instrument in derStadtentwicklung bezeichnet – die Ziele, die damit erreichtwerden sollen treten als politische Werthaltungen zu Tage,die unterschiedliche Interessen im Auge haben können.

Dieser oben angeführte Diskurs findet in Wien für diverseStadträume unterschiedlich stark und mit unterschiedlicherAkzentuierung statt. Im Mittelpunkt einer breiterenöffentlichen Diskussion und somit Wahrnehmung – vor demHintergrund stadträumlicher Zusammenhänge – stehenderzeit die Viertel rund um den Yppenplatz (16. Bezirk),Karmelitermarkt (2. Bezirk), Schwendermarkt (15. Bezirk)sowie das Stuwerviertel (2. Bezirk), vor allem wenn es umsozialräumliche Aufwertungs- und Gentrifzierungsprozessegeht. Demgegenüber können ebenso vereinzeltestrukturschwache Straßenzüge/ Geschäftsstraßen, wie dieLerchenfelder Straße, Hernalser Hauptstraße sowieWalleinsteinstraße, eruiert werden, in denen neue Impulseder Erdgeschossbelebung im Zuge der Aktion „LebendigeGeschäftsstraßen“ gesetzt werden.

4.2. AKTEUR_INNEN DIMENSION

Ziel dieser Dimension ist es, jenes Akteur_innenspektrum zuumreißen, welches maßgeblich im Bereich derLeerstandsnutzung aktiv ist oder aus verschiedenenGründen inaktiv bleibt. In erster Linie sollen mögliche Motiveund Hintergründe der Nutzung und Nichtnutzung sowieZiele, Interessen und Zuständigkeiten im Sinne einesHandlungsspielraumes dargestellt werden.

Folgende Fragen stehen dabei Mittelpunkt:

i. Welche Akteur_innen, Institutionen und Initiativenim Bereich Leerstandnutzung sind aktiv und vor welchem Hintergrund?

ii. Welche Gruppen und Akteur_innen werden ausgegrenzt?

iii. Welche Handlungsspielräume haben die einzelnen Akteur_innen, Institutionen und Initiativen?

iv. Wo eröffnen sich Handlungsspielräume der Kooperation und Zusammenarbeit?

v. Welche Bedeutung hat Leerstand auf derStadtteilebene?In allen Interviews wird Leerstand (bezogen meist auf dieErdgeschoßzonen) eine wichtige Rolle für denGesamtcharakter eines Viertels zugeschrieben. DieErdgeschoßzonen prägen, dass was wir als öffentlichenRaum wahrnehmen zu einem großen Teil mit und fungierenals „Visitenkarten“ (Smetana) eines Bezirks, an dem sich dersozio-ökonomische Stand eines Viertels ablesen lässt.Leerstand wird dabei in allen Interviews als negativ für diesesImage eines Viertels beschrieben – Assoziationen sindwirtschaftlicher Niedergang, geringe Kaufkraft,einkommensschwache Haushalte usw. Umgekehrt kann dieBelebung des Leerstands daher auch gegen die sozio-ökonomische Abwertung eines Gebiets wirken. Dasbedeutet einerseits, z.B. für die WKO-Stelle leerelokale.at,dass die Nutzung von Leerstand zu einer Verbesserung derStandortqualitäten eines Gebiets führen kann – ist dieErdgeschoßzone belebt, so kann man auch höhereMieteinnahmen in den oberen Geschoßen erzielen und einEffekt lasst sich auch auf das gesamte Gebiet ablesen. Vonden Gebietsbetreuungen wird als positiver Aspekt belebterErdgeschoßzonen stärker auf die soziale und interaktiveFunktion dieser Zonen verwiesen: genutzte Geschäftslokaleverbreiten eine positive Stimmung von „es ist was los“ ineinem Viertel, das Sicherheitsgefühl steigt durch einenlebendigen öffentlichen Raum, der von denBewohner_innen daher lieber genutzt wird.

Es wird jedoch auch auf Gefahren dieser Dynamikeingegangen, die zum Teil in der Belebung und Aufwertungvon Stadtquartieren gesehen werden: Wenn die Belebung zusteigenden Mieten führt, bedeutet dies auch, dasseinkommensschwache Haushalte unter Druck geraten undaus den Quartieren verdrängt werden können. Die gezielteNutzung von leerstehenden Lokalen in einem bestimmtenViertel oder Straßenzug kann einen als Gentrifizierungbezeichneten Aufwertungsprozess in Gang setzen. In denInterviews erscheint die politische Prioritätensetzungdarüber zu entscheiden, ob positive oder negative Aspektedieses Prozesses stärker hervorgehoben werden. Währendleerelokale.at und auch die Gebietsbetreuungen diepositiven Aspekte der Quartiersaufwertung besondershervorheben (z.B. wirtschaftlicher Aufschwung, Belebung,Sicherheit), sieht Agnes Peschta von der IG Kultur auchGefahren vor allem in der gezielten Ansiedlung vonNutzer_innen in bestimmten Quartieren. Eine besondereSituation ergibt sich für Vertreter_innen der Kunst undKulturarbeit, denen die Instrumentalisierung inAufwertungsprozessen droht – die Belebung eines Quartiersträgt zur Bekanntmachung eines bestimmten Images bei,das für die Inwertsetzung eines Viertels genutzt werden kann– der Druck auf den Wohnungs- und Geschäftsflächenmarktsteigt und die Pioniere dieses Prozesses sind oft so auchdessen erste Opfer.

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Eigentümer_innenIn dieser Gruppe kann man zwischen unterschiedlicheEigentümer_innen unterscheiden. Manche Räume stehen imöffentlichem Eigentum: In den Interviews wurdeninsbesondere Wiener Wohnen und dieBundesimmobiliengesellschaft (BIG) genannt, über welcheder Zugriff auf Leerstand erfolgen kann. Viele Leerständebefinden sich jedoch in Privateigentum. In den Interviewswurde hier unterschieden zwischen verschiedenen „Typen“von Eigentümer_innen. Einerseits privateKleineigentümer_innen, welche oft nur einzelneWohnungen oder Häuser besitzen und deren primäresInteresse im Vermieten dieser Objekte liegt. Besondershervorgehoben wurden auch Investor_innen, welcheObjekte erwerben um diese zu sanieren, aufzuwerten unddanach gewinnbringend zu veräußern. Schließlich wurdenauch oft Bauträger_innen genannt. Diese prägen diezukünftige Bebauungsstruktur und schaffen damit auch dieRahmenbedingungen dafür, wie die Leerstandssituation sichkünftig entwickeln wird.

Vermittler_innenWie bereits zuvor erwähnt sind verschiedeneVermittler_innen aktiv um den Ausgleich zwischenEigentümer_innen und Bedarf herzustellen. Oftübernehmen Hausverwaltungen die operativen Aufgabender Eigentümer_innen bzw. repräsentieren deren Interessen.Manche Eigentümer_innen und Hausverwaltungenengagieren Makler_innen um leerstehende Wohnungen undGeschäftslokale zu vermitteln.

Weiters gibt es verschiedene zusätzliche Vermittlungsstellen.

i. Welche Akteur_innen, Institutionen und Initiativen imBereich Leerstandsnutzung sind aktiv und vor welchemHintergrund?In den Expert_inneninterviews wurde eine Vielzahl vonAkteur_innen identifiziert und deren Interessen beschrieben.Um eine Strukturierung zu erleichtern, werden dieAkteur_innen in eine Bedarfsgruppe und in die Gruppe derEigentümer_innen eingeteilt. Die Eigentümer_innen vonLeerstand sind in einer Machtposition, welche ihnen erlaubtzu entscheiden ob überhaupt und welche Akteur_innenZugriff zum jeweiligen Leerstand erhalten. DieBedarfsgruppe umfasst sowohl die tatsächlichen, als auchdie potentiellen Nutzer_innen von Leerstand. Der Ausgleichzwischen Eigentümer_innen und Bedarfsgruppe findet aufBasis der rechtlichen Rahmenbedingungen statt. Dieserechtlichen Rahmenbedingungen werden von deröffentlichen Hand geprägt. Je nach Kompetenz werden dieseRahmenbedingungen vom Bund, von der Stadt Wien undvon den Bezirken geschaffen. Um die Transaktionenzwischen Eigentümer_innen und Bedarfsgruppe zuerleichtern, existieren zusätzlich verschiedeneVermittler_innen. Diese Vermittler_innen sind nicht immerneutral, sondern können ihre eigenen Interessen vertreten.

Abbildung 3 zeigt eine graphische Übersicht nach dem gewählten Schema.

Abb. 3: Überblick über das Akteur_innenspektrum imThemenfeld Leerstand und dessen Nutzung (eigeneDarstellung)

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deutlich, dass auf Seiten der interessierten Nutzer_innenkeine Klarheit darüber herrscht, wer die entsprechendenAnsprechpartner_innen der Stadt Wien wären.

BedarfsgruppenDie Nachfrager_innen von Leerstand sind sehr divers, docheine Tendenz ist in den vergangenen Jahren ablesbar: eineZunahme von EPU`s sowie Mikrounternehmen, die ihreArbeitsbereiche in die Erdgeschoßzone verlegen bzw.generell ein Potenzial für Nutzungen leerstehender Gebäudedarstellen. Dies wird sowohl von der Wirtschaftskammer alsauch von den GB`s bestätigt. Die gewerbliche Nutzung alsGeschäft, oder aber auch Büronutzungen, sowie anderenDienstleistungen durch KMU wird als eine Perspektive fürLeerstände gesehen. Insbesondere die Vertreter_innen dercreative industries und Künstler_innen treten oft an dieGebietsbetreuungen heran, da sie auf der Suche nachRäumlichkeiten sind.

Ebenso sind soziale Einrichtungen oft auf der Suche nachRäumlichkeiten. Eine Vielzahl von Vereinen sucht nachRäumlichkeiten für ihre jeweiligen Tätigkeiten. In denSchwerpunktgebieten der Gebietsbetreuungen werden inden letzten Jahren Erdgeschoßlokale verstärkt fürKindergärten genutzt. Andererseits sind Organisationen wieUte Bock oder die Caritas permanent auf der Suche nachleerstehenden Wohnungen, welche auch auf begrenzte Zeitgenutzt werden können um Flüchtlinge zu beherbergen.Doch in Summe werden vor allem langfristige Nutzungenanvisiert.

In den Interviews wird der ‚Freiraumgedanke‘ von Leerstandim Sinne eines gedanklichen Freiraums ebensoangesprochen. Bedarfsgruppen die in diesem Kontext insBlickfeld von Leerstandsaneignungen rücken, sind vor allemweniger sozial akzeptierte Gruppen wie Obdachlose.Alexander Hagner von gaupenraub tritt bspw. dafür ein, dassin der Stadt eine gewisse Anzahl von nicht-nutzungsgebundenen Räumen erhalten bleibt, um(marginalisierte) Nutzungen zu ermöglichen. In diesemKontext können ebenso migrantische Gruppen diskutiertwerden, auch wenn man mit diesen Gruppen im Rahmenvon Gebietsbetreuungen die Erfahrung gemacht hat, dasssie auf Leerstände sehr schnell reagieren und sich diese fürNutzungen aneignen. Dennoch ist über dieseAneignungsprozesse und diese Gruppe alsLeerstandsakteur_in wenig bekannt.

Die Wirtschaftskammer Wien betreibt seit 1999 dasServicecenter Geschäftslokale um die Vermittlung vonGeschäftslokalen zu vereinfachen. In enger Kooperation mitden Hausverwaltungen und Makler_innen wurde die Online-Plattform www.leerelokale.at geschaffen, in welcherverfügbare Leerstände eingetragen werden können. DasServicecenter Geschäftslokale erfasst Daten überleerstehende Geschäftslokale, arbeitet diese auf und machtsie den potentiellen Interessent_innen zugänglich. Darüberhinaus werden Standortanalysen angeboten, um dieKund_innen bei der Wahl des richtigen Standortes zuunterstützen. Dabei werden vor allem langfristigeVermietungen und Nutzungszuführungen angestrebt.

Von Seiten der Stadt Wien gibt es verschiedene Stellen,welche in der Vermittlung von Leerstand aktiv sind. Zwargibt es keine zentrale Stelle, welche für den Umgang mitLeerständen verantwortlich wäre, doch je nachThemengebiet sind einzelne Institutionen im Bereich derLeerstandsnutzung aktiv. Jutta Kleedorfer arbeitet für die MA18 als Projektkoordinatorin für Mehrfach- undZwischennutzungen. Oft ist sie die erste Ansprechpartnerinfür Zwischennutzungsangelegenheiten bzw. wird oft an sieverwiesen.

Den Gebietsbetreuungen kommt im Bereich derLeerstandsnutzung eine bedeutende Rolle zu. Durch ihreArbeit in Stadtteilen, sind sie gut vernetzt und werden dahervon Nachfrager_innen oft direkt angesprochen. Je nachdem,aus welchem Umfeld die Nachfrager_innen von Leerstandkommen, werden diese auch von anderen Stellen der StadtWien unterstützt, wie beispielsweise durch dieWirtschaftsagentur Wien, Wirtschaftskammer Wien und demWiener Einkaufsstraßenmanagement und Departure(Kreativagentur der Stadt Wien). Dabei tritt die GB auch alsVermittler_in zwischen potenziellen Nutzer_innen undweiteren Stellen der Stadt Wien auf und weist Interessierteweiter. Doch in Summe wird deutlich, dass die (städtischen)Zuständigkeiten – vor allem für leerstandsinteressierteGruppen – intransparent sind. So macht auch die MA 7deutlich, dass sich Künstler_innen welche interessanteRäumlichkeiten gefunden haben und diese nutzen wollenoft an sie wenden, obwohl diese Magistratsabteilung garnicht dafür zuständig sei. Diese Interessent_innen würdendann wiederum auch an weitere Stellen weitergeleitetwerden, wie bspw. an Jutta Kleedorfer und der Initiativeeinfach-mehrfach.

Es kann auch beobachtet werden, dass die IG Kultur seit derBeschäftigung mit der ‚Studie Perspektive Leerstand‘ und derdamit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit vermehrt Anfragenvon potenziell Raumsuchenden und Rauminteressiertenerhält. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass es noch vieleandere informelle Vermittler_innen von Leerstand gibt,welche im begrenzten Rahmen der Interviews nichtidentifiziert werden konnten. Gleichzeitig macht dies

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Eine Möglichkeit der Leerstandsnutzung wären temporäreNutzungen. Die Gebietsbetreuungen bekommen oftAnfragen, ob gewisse Räume insbesondere für kulturelleNutzungen temporär verfügbar wären. Im Rahmen vonKunstprojekten verhandeln Gebietsbetreuungen oftPrekarien mit Eigentümer_innen aus, damit Leerständetemporär bespielt werden können. Jedoch wurde imRahmen der Tätigkeiten der gebietsbetreuung die Erfahrunggemacht, dass viele Eigentümer_innen auch an einertemporären Nutzung kein Interesse haben, da der Aufwandfür sie größer ist, als das geringe Nutzungsentgelt. NachEinschätzungen der Expert_innen der GB sind es besondersoft die Hausverwaltungen, welche nicht bereit sind flexibelauf Leerstand zu reagieren und Zwischennutzungen zuermöglichen. Doch Kurt Smetana ist auch optimistisch, dasseine neue Generation von Eigentümer_innenn heranwächst,welche temporären Nutzungen positiver gegenübersteht.

Wie zuvor erläutert wurde, gibt es jedoch vieleunterschiedliche Arten von Eigentümer_innen und es istdaher notwendig zu differenzieren. Die öffentliche Hand alsEigentümer kann ein guter Partner sein, so sei etwa die BIGoft bereit Leerstände zur Verfügung stellt.

Die Erfahrungen der Expert_innen mitKleineigentümer_innen zeigen deutlich, dass gerade dieseAkteur_innen kein großes Interesse an spekulativemLeerstand besitzen, sondern ihren Leerstand in eineadäquate Nutzung überführen wollen. Einzig in manchenGegenden, in welchen ein Aufwertungsprozess im Gangesind, bzw. zu erwartet werden, kommt dies vor.

Laut Aussage der GB 16 sind gerade Investor_innen, welcheganze Gebäude sanieren oft aufgeschlossen temporäreNutzungen gegenüber. Eine mögliche Erklärung ist, dassInvestor_innen den Zeitraum bis zum Start der Sanierunggut einschätzen können und somit ein klaresÜbereinkommen möglich ist. Gleichzeitig sind ohnehin keinelangfristigen Mieter_innen erwünscht. Zusätzlich kann dieZwischennutzung den Standort vor der Sanierung aufwertenbzw. bekannter machen.

Eine besondere Rolle kommt den Bauträger_innen zu. DieErfahrungen der Gebietsbetreuungen zeigt, dass inNeubaugebieten und innerstädtischenVerdichtungsgebieten oft wenige Erdgeschoßlokaleeingeplant werden, da die Bauträger_innen Angst vorLeerstand haben. Dies kann insgesamt mit derWohnbauförderung im Zusammenhang diskutiert werden,die die Bauträger_innen dazu drängt möglichst vielWohnraum zu schaffen und keine Anreize fürMischnutzungen beinhaltet. Gleichzeitig zeigt ihreErfahrung, dass manche Nutzer_innen in Neubaugebietenkeine Räume finden, da die Bauträger_innen lieber an Kettenvermieten, da sie den Eindruck haben, dass diese eherlangfristige Mieter_innen sind.

ii.Welche Handlungsspielräume haben die einzelnenAkteur_innen, Institutionen und Initiativen?

Eigentümer_innen:Es gibt sehr geteilte Ansichten bezüglich der Rolle vonEigentümer_innen: Seitens der Wirtschaftskammer/leerelokale.at werden Eigewntümer_innen vor allem als sehraktiv wahrgenommen, da sie ein starkes Interesse daranhätten, dass ihre Objekte genutzt werden. Auch ist dem‚Kund_innenkreis‘ der Wirtschaftskammer die Bedeutungvon Erdgeschosszonen im Sinne eines belebten Charaktersdurchaus bewusst. So werden die Überführung vonLeerstand in Nutzungszusammenhänge vor allem mit einerImmobilienaufwertung verbunden. Demgegenüber stehendie Erfahrungen, die im Rahmen der Tätigkeit vonGebietsbetreuungen gemacht werden, woEigentümer_innen als durchaus mächtige, aber eherschwierige Gruppe angesehen werden, wo in Teilenstadträumliches und gesellschaftspolitisches Bewusstseinfehlt, sie die alleinige Entscheidungsgewalt besitzen an wensie vermieten. Kritisiert wird vor allem seitens der GB, dassEigentümer_innen so gut wie keine Kosten tragen müssenwenn ihre Lokale leer stehen, da Betriebskosten vonLeerstand sogar steuerlich absetzbar sind. Mehr noch:leerstehender Erdgeschossraum wird zur Spekulationsware,wenn in Rahmen von Aufwertungsprozessen Leerstandbewusst in Kauf genommen wird und sich im Zuge desProzesses erhöhte Einnahmen lukrieren lassen würden. NachEinschätzungen seitens der GB sind es vor allem dieMietpreise ein starker Grund für Leerstand, da diese sich anmanchen Standorten nicht erwirtschaften lassen. Auf einebesondere Problematik weist Frau Mann hin: MancheGeschäftslokale wären zu einem sehr niedrigen Zinslangfristig verpachtet und würden nun nicht mehr genutztwerden. Um diese Pacht zu übernehmen, müsste jedoch einesehr hohe Ablöse gezahlt werden.

Sowohl von Seiten des Servicecenters Geschäftslokale alsauch von Seiten der GB ist man sich einig, dass es (zu) vieleSekundärnutzungen wie Lagerräume und Müllräume in derErdgeschoßzone gibt. Diese erwecken optisch oft denEindruck von Leerständen, weisen aber tatsächlich einenaufrechten Mietvertrag auf. Laut Einschätzung derExpert_innen bringen diese Nutzungen fürEigentümer_innen zwar wenig Ertrag, aber sie sind dennochangenehm, da sie zumindest sicher vermietet sind, ohnedass es Probleme gibt und etwas in das Objekt investiertwerden muss. Es ist jedoch fraglich, ob manche derEigentümer_innen diese Objekte nicht gerne einerhöherwertigen, attraktiveren Nutzung zugänglich machenwürden, dies jedoch auf Grund von langfristigenMietverträgen schlicht nicht möglich ist. Laut Einschätzungvon Guido Miklautsch ist ein weiterer Grund dafür, dassmanche Objekte nicht auf den Markt kommen, dass es inWien besonders viele Erbstreitigkeiten gibt und die Objektedaher nicht verfügbar sind.

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an, mit den Gebietsbetreuungen zusammenzuarbeiten,diese Kooperationen beschränken sich jedoch meist aufkonkrete Projekte in Einkaufsstraßen und die Gestaltung desöffentlichen Raumes. Bezüglich des Themas derLeerstandsvermittlung selbst, ist aus der Sicht von GuidoMiklautsch jedoch bereits ein Optimum erreicht und auchkeine weitere Kooperation notwendig. ZusätzlicheEinrichtungen der Stadt Wien würden hier lediglich zuDoppelgleisigkeiten führen, da das Thema von der WKO jaohnehin abgedeckt wäre.

BedarfsgruppenDer Handlungsspielraum der Bedarfsgruppen ist prinzipiellstark eingegrenzt. Während die Eigentümer_innen über dieLeerstände verfügen und dementsprechend große Machthaben und auch die Vermittler_innen über ihre – wenngleichoft informellen – Kontakte Zugriff auf Leerstand haben,stehen die Nachfrager_innen untereinander in Konkurrenzum die verfügbaren Räume. Unter den marktwirtschaftlichenRahmenbedingungen ist daher meist dieZahlungsbereitschaft bzw. die verfügbaren finanziellenMittel entscheidend, ob Räume angeeignet werden könnenoder nicht. Mehrere Interviews bestätigt, dass dieLeistbarkeit ein großes Thema in Bezug aufLeerstandsnutzung ist. Problematisch ist auch, dassinsbesondere in Eigentumshäusern, welche nach demzweiten Weltkrieg errichtet wurden, die Erdgeschosslokaleeinen sehr hohen Anteil der Betriebskosten tragen müssen.Dies würde viele Geschäftslokale unleistbar für potentielleInteressent_innen machen.

Abgesehen von der Frage der Leistbarkeit, welche allenNachfrager_innen gemein ist, haben die verschiedenenGruppen jedoch unterschiedliche Nutzungsinteressen. Wiebereits erwähnt, entdecken Kleinbetriebe dieErdgeschosszone verstärkt als Arbeitsraum und sind so eineGruppe an Nachfrager_innen mit großem Potential für dieZukunft. Da diese ihre Räume gewerblich nutzen möchten,ist anzunehmen, dass diese Nachfragen sich primär aufdauerhafte Nutzungen im Rahmen von „normalen“Mietverträgen beschränken.

Künstler_innen welche Räume für Ateliers, sowie Probe- undVeranstaltungsräume suchen sind eher bereit auchtemporäre Nutzungsverhältnisse einzugehen. Agnes Peschtabestätigt in ihrem Interview, dass je nach Nutzungsinteressedieses Temporalität auch explizit gewünscht ist. Andererseitsgebe es aber auch in der Kulturarbeit Bestrebungen Räumedauerhaft nutzen zu können. Insbesondere bei jenenProjekten bzw. Nutzungen wo viel in die Räume investiertwerden muss, sind temporäre Nutzungen problematisch.Künstler_innen stellen aus der Erfahrung von Andrea Manndie größte Nachfrage nach Räumlichkeiten bei denGebietsbetreuungen dar. Gemäß ihrer Einschätzung liegtdies daran, dass diese Gruppen oft gut vernetzt sind undwissen, dass die Gebietsbetreuungen bereits mehrfach

Vermittler_innenDie Vermittler_innen haben je nach ihrer Positionunterschiedliche Interessen. Bereits zuvor wurde erwähnt,dass man gerade im Rahmen derGebietsbetreuungstätigkeiten Erfahrung gemacht hat, dassHausverwaltungen oft unflexibel reagieren und lieberLeerstände perpetuieren, als neue temporäre Nutzungenzuzulassen. Das Servicecenter Geschäftslokale hingegenkooperiert sehr eng mit Hausverwaltungen undMakler_innen. Diese haben die Möglichkeit leereGeschäftslokale direkt in die Online-Plattform einzutragen.Es besteht eine enge Kooperation zwischen der WKO undden Makler_innen und Hausverwaltungen, welche überJahre erarbeitet wurde. Von Seiten der leerelokal.at Stellewird angegeben, dass weder Hausverwaltungen nochMakler_innen ein großes Interesse an temporärenNutzungen hätten, da die Nachhaltigkeit für sie nichtgegeben sei.

Von Seiten der Stadt Wien vermittelt insbesondere JuttaKleedorfer Mehrfach- und Zwischennutzungen. Doch ausder Erfahrung von Agnes Peschta kann auch sie nur eine sehrbegrenzte Anzahl von Räumen organisieren. Auf Grund dergroßen Nachfrage an temporären Nutzungen, ist es auchverständlich, dass nicht jede_r Interessent_in einen Raumbekommen kann. Die Gebietsbetreuungen sind ebenso aktivund versuchen in ihren jeweiligen BetreuungsgebietenLeerstand zu erfassen und verfügbar zu machen. Darüberhinaus erhalten sie, wie oben beschrieben, Anfragen vonunterschiedlichen Bedarfsgruppen und vermitteln diesenBedarf zu den entsprechenden Eigentümer_innen. Dochwird seitens der GB eingeräumt, oft in der Vermittlung zuscheitern.

Hinzu kommt, dass die Gebietsbetreuungen zwar einInteresse an Leerstandsnutzungen haben und sich in IhrerArbeit in den Stadtteilen mit der Thematik aktiv befassen,aber gleichzeitig keine direkte Vermittlung von Leerständenvornehmen dürfen. Die Tätigkeiten der Gebietsbetreuungensind daher oft informell und auf einzelne Projekte bezogen.Es bestehen zwar Kooperationen mit dem ServicecenterGeschäftslokale, doch diese beschränken sich meist aufgewisse Aktionen in Geschäftsstraßen. Andrea Mann hat denEindruck, dass die Wirtschaftskammer leer stehendeGeschäftslokale als ihren Pfrund sieht und nicht möchte,dass andere Akteur_innen in diesem Feld aktiv werden. DieKompetenzen seien klar abgesteckt und Kooperationen nurselten erwünscht, was problemtisch ist, da die WKOhauptsächlich die Interessen der Geschäftsleute vertritt.Auch Kurt Smetana weist darauf hin, dass durch die engeKooperation der WKO mit den Makler_innen derniederschwellige Zugang zu Geschäftslokalen oft nichtgegeben ist.

Diese Einschätzung der Situation wird im Gespräch mitGuido Miklautsch mehr oder minder bestätigt. Er gibt zwar

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der Stadt Wien herzustellen. Diese sprachliche Barrierebezieht sich nicht unbedingt auf Menschen derenMuttersprache nicht Deutsch ist. Auch beideutschsprachigen Menschen kann es vorkommen, dass sieje nach ihrer Sozialisierung nicht über jene Art von„Amtsdeutsch“ verfügen, welches für die Kooperation mitEigentümer_innen und Behörden notwendig ist.

Insbesondere auf Geschäftsstraßen mit steigendemLeerstand haben in den letzten Jahren Billigläden undWettlokale Leerstände neu bespielt. Von offizieller Seite zeigtsich in den Interviews eine negative Wahrnehmung dieserNutzungen und der Wunsch diese wieder aus denbetroffenen Straßen loszubekommen. AusInterviewaussagen wird klar, dass die Betreiber_innen dieserLäden durch künftige Veränderungen im Umgang mitLeerstand bzw. anderen Regeln der Erdgeschoßnutzunggefährdet sein könnten. Es stellt sich also die Frage wiediesen Unternehmer_innen in Veränderungsprozessemiteingebunden werden könnten.

Agnes Peschta und Andrea Mann sehen nicht nur Potentialim Bereich der kulturellen und wirtschaftlichen, sondernauch in sozioökonomischen und soziokulturellen Initiativen.Diese benötigen Räumlichkeiten und würden auch für einestarke Belebung sorgen. Doch sind insbesondere jeneGruppen oft beschränkt in ihren finanziellen Kapazitäten.Agnes Peschta sieht hier insbesondere die Politik gefordertentsprechende Unterstützungen zu ermöglichen.

iii.Wo eröffnen sich Handlungsspielräume derKooperation und Zusammenarbeit?

InformationDurch das Servicecenter Geschäftslokale sind bereits vieleDaten zu Leerständen online zugänglich. Nach Registrierungkann man auf Kosten, Größe, sowie eine Beschreibung derverfügbaren Objekte welche oft auch mit Bildern versehenist, zugreifen. Selbst auf einer Karte lassen sich dieLeerstände gemeinsam mit der umgebenden Infrastrukturverorten. Trotz des beeindruckenden Umfangs der online-Plattform bleibt jedoch der Mangel, dass das zur Verfügungstellen dieser Daten auf reiner Freiwilligkeit basiert. Es sindalso klarerweise keine Informationen über Leerständevorhanden, deren Eigentümer kein Interesse an einerNutzung haben. Daher wird vor allem seitens derGebietsbetreuungen ein, wenn möglich zentraler, aber injedem Fall interaktiver Kataster gewünscht, in welchemLeerstände aufgenommen werden, auch wenn dieUmsetzung als schwierig angesehen wird.

Neue StelleGerade aus den Aktivitäten der Gebietsbetreuungen herauswird der Wunsch nach einer neuen Stelle der Stadt Wiengeäußert, welche Informationen bündelt und Förderungenund Aktivitäten gestaltet. Diese neue Stelle soll als

Prekarien organisieren konnten. Dies bedeute aber nicht,dass insgesamt die größte Nachfrage nach Leerstand ausdem kulturellen Bereich kommen würde.

Seitens der GB wird bestätigt, dass es auch für sozialeNutzungen einen großen Raumbedarf gibt. DieseNutzungen scheitern jedoch oft an der Finanzierung. Auchwenn manche soziale Initiativen Räume auch temporärbespielen, ist davon auszugehen, dass dies hauptsächlichgemacht wird, um geringe Kosten zu haben. Tatsächlichwerden jedoch soziale Nutzungen eher auf der Suche nachdauerhaften Lösungen sein.

Je nach der Bevölkerungsstruktur in den Stadtteilen sindauch Menschen mit Migrationshintergrund oft sehr aktiv imBereich der Leerstandsnutzung. Aus den Interviews ergebensich jedoch keine Rückschlüsse darauf, welcheAneignungsstrategien diese Gruppe verfolgt, bzw. worinderen Nutzungsinteresse begründet liegt. Insbesonders jeneLeerstände, welche eher peripher gelegen sind (nicht nurObjekte, sondern auch Freiflächen) werden auch vonRandgruppen wie Obdachlosen genutzt. Auch derenkonkreten Interessen und Aneignungsstrategien konntennicht eruiert werden, es ist jedoch davon auszugehen, dassdiese recht heterogen sein werden.

iii. Welche Gruppen und Akteur_innen finden keineBeachtung in der Debatte rund um Leerstand?Auf Basis der Interviews ist es schwierig zu beurteilen,welche Akteur_innen ausgegrenzt werden. Auf die Fragewelche Akteur_innen gefährdet sind, gibt esunterschiedliche Einschätzungen. Frau Mann ist derMeinung, dass insbesondere Unternehmer_innen und kleineGeschäfte bzw. auch ganze Stadtteile durch die aktuelleLeerstandssituation negativ beeinträchtigt sind. Erstere, dasie keine entsprechenden Räumlichkeiten finden undzweitere durch die mangelnde Vielfalt und das geringereAngebot welches Leerstand entstehen lässt.

Dennoch ist es generell schwierig zu bewerten, welcheNachfrager_innen von der Nutzung von Leerständentatsächlich ausgegrenzt sind. Es ist nicht auszuschließen,dass es abgesehen von den zuvor erwähntenNachfrager_innen auch noch andere Gruppen gibt, die zwarInteresse an Leerstand haben, aber nicht über dienotwendigen Ressourcen verfügt um auf seine Interessenaufmerksam zu machen. Es hängt also einerseits von denökonomische Ressourcen ab, ob Leerstand nutzbar gemachtwerden kann, doch auch die Position in der Gesellschaft unddas damit verbunden Ansehen spielt in die Möglichkeit derLeerstandsnutzungen hinein.

Agnes Peschta erwähnt in ihrem Interview Sprachbarrieren.So hätten manche Initiativen gute Ideen, würden jedochdaran scheitern diese in eine entsprechende schriftlicheForm zu bringen, um Kontakt zu den betreffenden Ämtern

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Schnittstelle, Kontakt und Drehscheibe tätig sein und vorallem geschäftsgruppenübergreifend organisiert sein.Vorstellbar wäre, dass diese Stelle selbst Geschäfte anmietet,renoviert und weitervermietet. Eine verstärkte Aktivität derStadt würde auch das Interesse der Eigentümer_innen anLeerstandsnutzungen fördern. Diese neue Stelle könnte zwarbei einer bestehenden Institution der Stadt Wien angesiedeltwerden und in Kooperation mit bestehenden Institutionenan dem Thema arbeiten. Wichtig wäre aber weiterhin, dassdiese Stelle mit entsprechenden finanziellen Mittelnausgestattet ist. Darüber hinaus wird gefordert, dass dieseneue Stelle einerseits strategisch tätig sein und andererseitsauch einfach als direkte Ansprechstelle zur Verfügung stehensollte.

VereineBei temporären Nutzungen ist eine Vertrauensbasiszwischen dem Eigentümer_innen und den Nutzer_innensehr wichtig. Meist kommen solche temporären Nutzungennur zu Stande wenn vertrauenswürdige Institutionen wie dieGebietsbetreuungen oder Veranstaltungen, welche sich überdie Jahre ein gewisses Standing erarbeitet haben alsAkteur_innen auftreten. Agnes Peschta erwähnt das Beispielvon „Das weisse Haus“, ein Kulturverein welcher durch einegute Kooperation oft interessante Leerstände bespielenkann. Ähnlich hierzu wäre es denkbar, dass Vereine, welcheanfangs noch von der Stadt unterstützt werden,Rahmenverträge mit den Eigentümer_innen vongroßräumigen Leerständen abschließen und anNutzer_innen weiter vermitteln. Solch ein Verein könnte eineVertrauensbasis aufbauen und gleichzeitig dieEigentümer_innen entlasten. Es wäre auch denkbar, dass diezu schaffende Stelle der Stadt Wien solch eine Aufgabeübernimmt.

4.3. REGULATIVE DIMENSION

Bei der Betrachtung dieser Dimension liegt der Fokus aufden regulierenden Handlungsspielräumen, dieunterschiedliche Akteur_innen haben sowie denSteuerungsoptionen, die sich im Zuge der Förderpolitikergeben. In diesem Zusammenhang findet eineAuseinandersetzung mit den gesamtstädtischen undstadtteilbezogenen Zielsetzungen und densteuerrechtlichen Rahmenbedingungen statt.

Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

i. Gibt es eine Förderpolitik für die Nutzung von Leerstand in Wien?

ii. Wie lauten die gesetzlichen und steuerrechtlichen Bestimmungen im Umgang mit Leerstand?

iii. Welche Strategien im Umgang mit Leerstand werden von der Stadt Wien verfolgt?

i.Gibt es eine Förderpolitik für die Nutzung vonLeerstand in Wien? In Wien gibt es keine einheitliche speziell auf Raumnutzungausgerichtete Förderpolitik. Wenn man nach denBedarfsgruppen soziale Initiativen, Kunst und Kulturarbeitund wirtschaftliche Unternehmen differenziert, ergibt sichein uneinheitliches Bild.

In den beiden Bereichen soziale Initiativen sowie Kunst undKulturarbeit gibt es keine Förderschiene fürRaumnutzungen, sondern nur die Möglichkeit derprojektbezogenen Förderung mittels derer teilweise auchRenovierungsarbeiten und Mieten mitfinanziert werdenkönnen. Erteilt werden diese Förderungen allerdings aufBasis des beantragten Projekts und nicht zur(Wieder)Inbetriebnahme eines Leerstands. Dieser Umstandwird von Seiten der städtischen und freien Kulturvertretungin den Interviews stark kritisiert, da es gerade dieseInitiativen seien, die immer wieder Leerstände (auch imgrößeren Ausmaß) entdecken und gewillt wären zu derenRenovierung beizutragen und so verlassene Orte derÖffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, jedoch in denmeisten Fällen an der fehlenden Finanzierung scheiterten.

Für wirtschaftliche Betriebe gibt es die Möglichkeit durch dieFörderschiene Nahversorgungsaktion der Stadt Wien einenReaktivierungsbonus von max. 5.000€ für leerstehendeGeschäftslokale zu erhalten. Jedoch ist diesesFörderinstrument – das von Seiten der WKO sehr positiv fürdie Belebung der Erdgeschosszonen erwähnt wird – nur füreinen bestimmtes gewerbliches Segment zugänglich,nämlich für „eine primär an Konsument_innen gerichtete

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unternehmerische Tätigkeit mit überwiegendemNahversorgungscharakter“ (Nahversorgungsaktion Richtlinie2009). Im Rahmen dieser Förderung werden etwaInvestitionen für Bau- und Einrichtungsarbeiten, neue Gerätesowie Verbesserungen der sanitären Bedingungen finanziellunterstützt. Die Fokussierung auf Gewerbe mitNahversorgungscharakter erscheint für das breite Feld anpotentiellen Nutzer_innen nicht ausreichend.

Gefordert wird in den Interviews – gerade von denAkteur_innen in den Gebietsbetreuungen sowie densozialen und kulturellen Institutionen – eine Ausweitungdieses Reaktivierungsbonus für kulturelle und sozialeNutzungen und ein einheitlicher, zentral verwalteteVerteilung der Gelder durch die Stadt Wien.

ii. Wie lauten die gesetzlichen und steuerrechtlichenBestimmungen im Umgang mit Leerstand? 

Insgesamt sind sich die Interviewten einig, dass dierechtlichen Rahmenbedingungen in vielerlei Hinsicht dieAneignung und Nutzung von Leerstand behindern. (EineAusnahme bildet hier die WKO-Stelle leerelokale.at, die ihreeigene vermittelnde Funktion als adäquat und ausreichendfür die Leerstandsproblematik in Wien beurteilet.)

Auf Grundlage der Interviews erscheint es zwar fraglich, obsich durch Leerstände tatsächlich profitable Situationen fürEigentümer_innen ergeben, allerdings wird angegeben, dassdie derzeitigen steuerrechtlichen Bestimmungen dem(spekulativen) Leerstehenlassen eines Raumes nichtentgegentreten, sondern Leerstände begünstigen.

Von Seiten der Gebietsbetreuungen und derKulturvertretungen wird deutlich für ein Anreiz- undBestrafungssystem für die Eigentümer_innen plädiert, dasdiese mit steuerrechtlichen Mitteln zur (Wieder)Vermietungihrer Immobilien motivieren soll. Kurt Smetana erwähntallerdings, dass es bereits Versuche in diese Richtung gab,die an der praktischen Umsetzung (Verwaltungsaufwand fürKontrolle) scheiterten. Als Hauptpunkt für die Schwierigkeitin der Umsetzung eines Bonus-Malus-Systems werdenjedoch in allen Interviews die starken Eigentumsrechtegesehen. Während von manchen Interviewten angezweifeltwird, dass man in diesem Bereich etwas erreichen könnte,fordern andere stärkere politische Eingriffsmöglichkeit inPrivateigentum. Argumentiert wird in diesemZusammenhang mit Fokus auf Leerstand in denErdgeschosszonen, mit der enormen Bedeutung, die ihnenatmosphärisch für den Straßenraum zukommt. Durch dieLage im Graubereich zwischen privatem und öffentlichemRaum erscheint in den Interviews gesellschaftliches Interessebedeutetender als individuelle Eigentumsrechte. Es wird hieralso nicht auf eine grundsätzlicheVerteilungsungerechtigkeit zwischen Eigentümer_innen vonRaum und Personen auf Raumsuche angesprochen, sondern

über die Bedeutung auf stadtatmosphärischer Ebeneargumentiert.

iii. Welche unterschiedlichen Strategien im Umgang mitLeerstand werden verfolgt?

Alle Interviewten waren sich einig, dass es in Wien keineübergeordnete gesamtstädtische Strategie für den Umgangmit Leerstand gibt. Es gäbe zwar Strategien für einzelne imSTEP festgelegte Vierteln und Straßenzüge, die manchmaldie Belebung von Leerstand miteinschließen (z.B. LebendigeStraßen), aber auf gesamtstädtischer Ebene fehle diePositionierung. Von Seiten der WKO wird allerdingsangemerkt, dass die Stadt über den indirekten Weg durchausfür die Belebung von Leerstand sorge, indem sie z.B. in denöffentlichen Raum und in die Infrastruktur investiere.

Wie allerdings in den vorangegangenen Ausführungendeutlich wird, stehen dieser fehlenden gesamtstädtischenAusrichtung eine beachtliche Zahl an Einzelinitiativen,punktuell durch die Stadt geförderte Projekte vor allem imBereich strukturschwacher Einkaufsstraßen sowie das aktiveBemühen in den Schwerpunktgebieten derGebietsbetreuungen gegenüber. Der Austausch derAkteur_innen und Institutionen untereinander erfolgtjedoch in den meisten Fällen informell. Dieser informelleAustausch folgt vor allem der Förder- undBeauftragungslogik unterschiedlicher Magistratsdienststellein deren Auftrag und somit deren ‚Abhängigkeit‘ mancheAkteur_innen und Auftragnehmer_innen stehen. DerAustausch und die Zusammenarbeit werden nicht aktivgefördert. So sind die Zuständigkeiten und Verankerung vondiversen Leerstandsthemen im Magistrat in erster Liniesektoral und weniger geschäftsgruppenübergreifendorganisiert. Soweit bisher bekannt beschäftigen sich die MA7 – Kultur, MA 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanungsowie die MA 25 – Stadterneuerung und Prüfstellen fürWohnhäuser aktiv mit dem Thema Leerstand (inunterschiedlichen Facetten) und erteilen diverse Aufträge imFall der MA 18 und MA 25 oder Fördergelder wie im Fall derMA 7. In Summe geht es dabei um das Ziel,Lösungsstrategien im Umgang mit Leerstand zu eruieren.Mehrfach wird in den Interviews das Fehlen einer zentralen,ressortübergreifende Stelle für Leerstand und dessenNutzung auf Magistratsebene verwiesen.

Ergänzt wird der durchaus aktive – wenngleich wenigtransparente – Diskurs um Leerstand durch einewissenschaftlich- und anwendungsorientierteAuseinandersetzungen zur Thematik, wie die Arbeiten rundum die Erdgeschosszone von Theresa Schütz und RudolfScheuvens (TU Wien, Fachbereich Örtliche Raumplanung)oder Angelika Psenner (TU Wien, Städtebau) und nichtzuletzt diese Studie „Perspektive Leerstand“ belegen.

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4.4. DISKURS DIMENSION

Um alle drei bisher genannten Dimensionen in ihrerTragweite auch einordnen zu können, braucht es einVerständnis des allgemeinen Diskurses – im Sinne derBedeutung und des Stellenwertes – zum Thema Leerstand ineiner historischen und gegenwärtigen Perspektive.

Folgende Fragen stehen dabei Mittelpunkt:

i. Welchen Stellenwert hat Leerstand in einem stadtpolitischen Kontext?

ii. Passt der Umgang mit Leerstand zu dem tatsächliche auftretenden Problem?

iii. Wer profitiert von Leerstand? Wer ist gefährdet?

i. Welchen Stellenwert hat Leerstand in einemstadtpolitischen Kontext? Leerstand wird in Wien zwar vermehrt diskutiert, seinStellenwert in der Perspektive eines Möglichkeitsraumeswird allerdings weniger bis kaum angesprochen. In denInterviews kommen verschiedene Positionen zum Vorschein:So unterscheiden sich vor allem die Positionen vonWirtschaftskammer, Stadt Wien (bzw. mit der Stadt Wienverbundenen Akteur_innen) und die Position von Kunst,Kultur und im Sozialbereich tätigen Akteur_innen.

Sichtbar wird im vorhandenen Diskurs eine Verschiebungvon Dringlichkeit und Vorstellungen darüber, wie mitLeerstand umgegangen werden soll. Je näher befragtePersonen mit tatsächlichem Raumbedarf konfrontiert sind(Kunst, Kultur, soziale Initiativen und auchGebietsbetreuungen) umso konkreter wird der Bedarf, aberauch Kritik an aktuellem Umgang oder Zugangshürden (wieüberzogene Mieterwartungen und Vorurteile gegenübermöglichen Nutzer_innen sowie Desinteresse derEigentümer_innen). Die genannten Punkte sind zwar auchauf „höher“ gelagerten Ebenen bewusst, die DringlichkeitRäume zu öffnen, wird dabei aber von dem Wunschüberlagert, Steuerungswerkzeuge zu entwickeln und damitauch Kontrolle über Stadtentwicklung zu behalten. VonSeiten der Wirtschaftskammer wird hier auch daraufverwiesen, dass mit der von ihnen geschaffenen Plattformbereits ein genügend funktionales Werkzeug verfügbar ist.Weitere Schritte werden von dieser Seite aus als „ineffizient“und unnötig bis doppelgleisig betrachtet.

Hervorgehoben im Diskurs über Leerstände wird dabei meistdie Erdgeschosszone, besonders im Bezug aufEinkaufsstraßen. Abseits des Diskurses überErdgeschosslokale wird kaum bis wenig über leerstehendeObjekte diskutiert; über Leerstand in Büros, ganze Häuseroder Objekte wie ehemalige Industriestandorte, in Neubauoder Wohnungsleerstand findet kaum mediale oderpolitischen Diskurs statt. Eine Thematisierung findethauptsächlich von Seiten Kunst, Kultur und Soziales statt.Erschwerend kommt hierbei noch der Fakt zu tragen, dass eskeine gesicherten statistischen Zahlen zu den diversenLeerständen gibt und das auch bei Liegenschaften instädtischem Kontext keine Listen oder Datenbankenöffentlich zugänglich verfügbar sind. Augenscheinlich istauch ein Mangel an übergreifenden Stellen sowie diefehlende Koordination zwischen Magistraten.

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ii.Passt der Umgang mit Leerstand zu dem tatsächlicheauftretenden Problem?Der reale Umgang mit Leerstand passt nur in einen sehrgeringen Umfang mit den tatsächlichen Bedarf und damitverbundenen Problemen zusammen. Einer sehr großenNachfrageseite, können nur in einen sehr geringen RahmenAngebote entgegengestellt werden. Viele der vorhandenenObjekte zeichnen sich, vor allem wenn es sich um Objekte inprivater Hand handelt, durch überzogene Mieterwartungenaus. Diese schließen viele Initiativen mit sozialen, kulturellenoder künstlerischen Background aus. Nicht aufkommerziellen Erfolg ausgerichteten, sowie mit wenigerbudgetären Mitteln ausgestatteten Nutzer_innengruppenwird so ein Zugang verwehrt. Erschwerend hinzu kommendas Desinteresse sowie die Ablehnung vieler Besitzer_innengegenüber „kreativen“ bis „migrantischen“ Nutzungen.

Die Interviews zeigen, dass vermittelnde Institutionen, die zueinem Abtragen von Vorurteilen beitragen können fehlen.Dort wo dennoch Vermittlungsarbeit passiert, wie zumBeispiel durch die Gebietsbetreuungen, fehlt es angeeigneten Befugnissen, Budget oder den Auftragüberhaupt in diesem Feld zu agieren. Durch den Mangel anTransparenz betreffend Immobilien im Besitz der Stadt oderstadtnahen Liegenschaftsverwaltungen kann ein Umgangmit städtischen Immobilien meist nur an einzelnenBeispielen aufgegriffen werden. Durch fehlende Einbindungvon Nachbarschaft, oder Bevölkerung im Allgemeinen,passiert eine Thematisierung der Objekte erst zu einemZeitpunkt an dem bereits top-down Gestaltungsprozessefestgesetzt wurden oder ein Verkauf bereits abgeschlossenwurde. Partizipative Prozesse mit direkterBürger_innenbeteiligung werden auch beim ThemaLeerstand gerne vermieden.

Eine weiter Problemstellung bieten die fehlendenAnregungs- aber auch Bestrafungsmöglichkeiten zurÖffnung von Leerständen. Gebündelte Fördermöglichkeitenfür Leerstandsnutzungen, Umbauten oder Adaptionen fürtemporäre, mittel- oder langfristige Nutzungen von Räumensind nicht vorhanden. Abseits der fehlendenFörderstrukturen für räumliche Adaptierungen fehlt esgenerell an einem Bewusstsein für die prekärenRahmenbedingungen für Kunst und Kulturarbeit. Der StatusQuo ist weit davon entfernt einer fairen Bezahlung der fürGrätzel und Umgebung oftmals wertvollen Tätigkeit zuentsprechen. Die meistens Arbeitsleistungen in diesemBereich sind unbezahlt. Trotz dieser prekären Situationwerden Künstler_innen und Kulturschaffende gerne alsStandortfaktoren verstanden, mit denen es giltAufwertungsprozesse zu gestalten oder zu behübschen.

iii. Wer profitiert von Leerstand? Wer ist gefährdet?Von Leerstand profitieren können zunächstHauseigentümer_innen sowie Makler_innen. Trotz fehlenderpräziser Antworten zu dem Thema, wird an mehrere Stelle inden Interviews angesprochen, dass ImmobilienfirmenLeerstand als Absatzposten gelten machen könnten.Makler_innen profitieren von Leerstand vor allem dadurch,dass eine Vermittlung fast ausschließlich durch ihre Händepassieren kann. Es ist davon auszugehen, dassImmobilienfirmen und -markt sowie Besitzer_innen vonFaktoren wie einer überzogenen Miete profitieren können.Leerstand wird immer wieder als bewusstesSpekulationswerkszeug erwähnt. Durch das gezielteVertreiben von Mietparteien oder das Abwarten desAuslaufens von Verträgen werden Komplettsanierungenoder Abriss und Neubau angestrebt, wodurch diebetroffenen Objekte im Wert gesteigert werden können.

Von Alexanders Hagner wird Leerstand auch als Raumverstanden, der Luft in einer zunehmend konzipierten undverplanten Stadt gibt. So profitieren alle davon, in dem dieLeerstände, Nischen und Brachen zu neuen Ideen anregen.Abseits der Funktion des Ideengebers, hat „leerer“ Raum aberauch eine konkrete soziale Funktion, so bietet er oftmals vonWohnungsmarkt ausgeschlossenen Menschen temporäre bismittelfristige Unterkunft.

Im Weiteren öffnetet die Diskussion um mögliche Profiteureoder Verlierer_innen von Leerstandsnutzung mehrereSzenarien, die sich anhand der Frage abhandeln lassen, wieeine Leerstandsnutzung vor sich gehen soll. So sind sich inerster Linie alle einig, dass verschiedenste Akteur_innen„gewinnen“ würden, wenn Raum zur Verfügung gestelltwerden kann. Eine Ausnahme bietet dabei die obigegenannte Position, dass Leerstände keine koordiniertePlanung brauchen, da es eine verdrängen von Nischen undsomit einen sozialen Normierungsprozesse mit sich bringt.Dieser Verweis bietet einen guten Hintergrund für dieweiterführende Diskussion der Nutzungsbefürworter_innen.

Von planerischer Seite wird auf ein Optimieren desStandortmarketings durch Leerstandsnutzungen abgezielt.Der wirtschaftliche Gewinn für Geschäftstrassen und dasBestreben der creative industrie neue Räume zu verschaffen,stehen im Vordergrund. Fragestellungen wie sich einzelneStraßenzüge attraktivieren lassen und wie vermuteteSicherheitsbedürfnisse befriedigt werden können,überwiegen. Dem gegenüber steht einenutzer_innenorientierte Perspektive, die primär einensoziokulturellen Mehrwert betont. Stadt wird also alsBegegnungsraum verstanden, der es verschiedenstenNutzer_innen ermöglichen soll, miteinander zukommunizieren und sich auszutauschen. In dieserPerspektive wird der planerische Überbau als Bedrohungverstanden, da er zu einer Kommerzialisierung undEffektivität drängt, sowie soziale Randgruppen und direkteBürger_innenbeteiligung meist ausschließt

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4.5. ZUSAMMENFÜHRUNG: WIEN

Dieses Kapitel bietet eine zusammenfassende Darstellungder Ergebnisse zu den vier Dimensionen für das FallbeispielWien. Wie in Kapitel 3 zum methodischen Vorgehen bereitserläutert, wurden aus diesen Ergebnissen Fragen abgeleitet,die wiederum an die internationalen Beispiele gerichtet sind.Sie sind in diesem Abschnitt ebenso aufgeführt und dienenals Einstimmung und Überleitung zum Kapitel 5.

Räumliche Dimension

Die Stadt Wien verfügt über bzw. veröffentlicht keineaktuellen Zahlen und Daten zur Leerstandssitutation in Wienweder im Bereich des Wohnungsleerstand, noch imgewerblichen Bereich noch über Gebäude im öffentlichenEigentum. In den Interviews trat der Wunsch nach eineraktuellen, öffentlichen und partizipativen Datenbank klarhervor.

Gründe für den Leerstand konnten auf Seiten derEigentümer_innen in zu hohen Mieterwartungen, indiskriminierenden Vorurteilen gegenüber bestimmtenGruppen und in der Spekulation auf zukünftig höhereMieteinnahmen identifiziert werden. Weitere Ursachen fürLeerstand können in dem Fehlen der Information überleerstehenden Gebäude und einer nicht ausreichendenVermittlerfunktion zwischen Bedarfsgruppen undEigentümer_innen gesehen werden.

Im Fokus der Debatte rund um Leerstand stehen von Seitender vermittelnden und offiziellen Stellen ganz klar dieErdgeschosszonen. Der Leerstand ist aber in diesem Bereichnicht quantitativ am stärksten, noch müsste es von Seitendes Bedarfs eine ausschließliche Konzentration auf diesenBereich geben – der Erdgeschosszonen sind im Blickfeld, weilsie einen besondere Bedeutung für die Atmosphäre und inweiterer Folge auch für die ökonomische Inwertsetzungeines Gebietes haben.

Leerstand und dessen Nutzung tritt in den Interviews alsbedeutendes Instrument in der Stadtentwicklung hervor,dass zur Belebung eines Gebiets beitragen kann und in Folgeauch zu dessen Aufwertung mit der Gefahr der Verdrängungeinkommensschwacher Bevölkerungsgruppen durchMietpreissteigerungen.

Folgende Fragen wurden daraus an den Umgang mitLeerstand in anderen Städten abgeleitet:

Welche Arten von Räumen stehen im Fokus der Debatte (Erdgeschoßzonen)?

Gibt es eine öffentlich einsehbare Datenbank zum Leerstand? Wie werden die Daten gesammelt?

Wie sind die einzelnen Agenturen bzw. Managements von Leerstand politisch verankert?

Welches (größere) Ziel verfolgen Sie für den Stadtteil (Aufwertung / Gentrifizierung)?

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Akteur_innen Dimension

Auf Seiten der Eigentümer_innen kann man zwischenöffentlichen Eigentümer_innen, privatenKleineigentümer_innen, Investor_innen undBauträger_innen unterscheiden.

- Innerhalb der Gruppe der privaten Kleineigentümer_innen kann die Motivlage für Leerstand divers sein (kein Interesse, zu hohe Mieterwartungen, Vorurteile usw.) und ebenso scheint die Vermittlung individuell verschieden zu laufen und am besten durch den persönlichen Kontakt.

- Öffentliche Eigentümer_innen wurden uns als fruchtbare Partner_innen bei der Aushandlung von Leerstandsnutzungen beschrieben, jedoch müsse man hier über Kontakte an die richtigen Stellen verfügen bzw wissen wohin man sich wenden muss.

- Investor_innen lassen Leerstände vor allem aus spekulativen Gründen zu und sind vor allem zu Zwischennutzungen bereit, die dem Image und somit der Inwertsetzung ihrer Immobilie zuträglich sind.

- Bauträger_innen kommt vor allem in Neubaugebieten eine wichtige Funktion zu, wenn sie z.B. darüber entscheiden nur mehr Wohnraum in den Erdgeschoßzonen zu planen aus Angst vor Leerstand und so atmosphärisch den Straßenraum enorm mitgestalten.

Innerhalb der Bedarfsgruppe kann zwischen Handel undDienstleistungen, Kunst und Kulturarbeit und sozialenInitiativen unterschieden werden. Der Handlungsspielraumaller Bedarfsgruppen ist im Gegensatz zu denEigentümer_innen stark eingegrenzt. Sie stehenuntereinander in Konkurrenz um begrenzten Raum – untermarktwirtschaftliche Bedingungen ist meist dieZahlungsfähigkeit entscheidend. Trotzdem alle Gruppen dieLeistbarkeit der Räume als gemeinsame Problemstellungverbindet, verfolgen sie unterschiedlicheNutzungsinteressen - so erscheint eine temporäre Nutzungfür manche künstlerischen und kulturellen Nutzungenangebracht, für den Großteil der Nutzungen jedoch nur alsNotlösung akzeptabel, weil eigentlich langfristig Raumgesucht wird. Interessant, wenn auch schwer zubeantworten, ist die Fragen nach Personen, die noch nicht inder Debatte über Leerstandsnutzungen mitgedacht werden,aber möglicherweise Raumbedarf aufweisen.

In den Interviews wurde deutlich, dass es unterschiedlicheStellen gibt, die sich der Vermittlung von Leerstandbeschäftigen: leerelokale.at, die sehr eng mit Makler_innen

und Hausverwaltungen an der Vermittlung von leerenErdgeschoßlokalen arbeiten (zu normalenMarktkonditionen), die Stelle für Mehrfach- undZwischennutzungen der MA18 „einfach-mehrfach“ und aufinformellen Wege und ohne offiziellen Auftrag dazu dieGebietsbetreuungen.

Folgende Fragen wurden daraus an die Leerstandssituationin anderen Städten abgeleitet:

Welche Motivierungs- und Kooperationsstrategien sind im Hinblick auf die Eigentümer_innen von Leerstand vorhanden?

Welche (kreativen) Handlungsspielräume und Umgang hat öffentliche Hand mit ihren Liegenschaften?

Welches Spektrum an Bedarfsgruppen gibt es undwie ist ihr jeweiliger Zugang zu Raum?

Wer kann Vermittler_innenrolle übernehmen und übernimmt diese auch in einem gesamtgesellschaftlichen Interesse?

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Regulative Dimension

In Wien gibt es keine auf Raumnutzung ausgerichteteFörderpolitik für soziale, künstlerische, kulturelle oderunternehmerische Initiativen. Einzig imNahversorgungssegment des gewerblichen Bereichs kannein Reaktivierungsbonus für die (Wieder)Inbetriebnahmeund Sanierung von leerstehenden Räumen beantragtwerden. Die Ausweitung dieser Bonusvergabe auf alleBedarfsgruppen sowie die zentrale Verteilung solcher Gelderdurch eine Stelle der Stadt, treten in den Interviews alsForderung hervor.

Die steuerrechtlichen Bestimmungen in Wien, scheinenLeerstand zwar nicht per se profitabel zu machen,begünstigen aber Leerstand steuerlich und könnten so eineErleichterung für spekulativen Leerstand darstellen. Durchalle Interviews zog sich der Wunsch nach Bonus-Malus-System, das durch finanzielle Abgaben bzw. BegünstigungenEigentümer_innen zur Öffnung ihres Leerstands motiviert.An einigen Stellen wurden auch stärkereEingriffsmöglichkeiten in Eigentumsrechte als positives Ideegenannt, da Leerstand (vor allem in den Erdgeschoßzonen)auch ein gesellschaftliches Thema sei.

In den Interviews wurde bemängelt, dass es an einergesamtstädtischen und ressortübergreifenden Strategie fürden Umgang mit Leerstand in Wien mangle. Bemühungenund Initiativen sind vorhanden, doch ein Austausch und eineZusammenarbeit werden durch fehlendes Wissen darüber,unterschiedlichen Zuständigkeiten und Intransparenzerschwert bzw. in den informellen Bereich verschoben.

Folgende Fragen wurden an Leerstandsmanagements inanderen Städten abgeleitet:

Wie kann eine auf Raumnutzung ausgerichtete Förderpolitik aussehen?

Wie können die Eigentümer_innen in ihrer Entscheidung über Leerstand reglementiert werden?

Gibt es eine gesamtstädtische Strategie für den Umgang mit Leerstand?

Diskurs Dimension

Im städtischen politischen und medialen Diskurs tauchtLeerstand vornehmlich als Frage des Umgangs mit denErdgeschosszonen auf; Leerstand von Büros, Wohnungen,ganzen Häusern oder anderen Objekten wird kaumthematisiert.

In der Debatte lässt sich eine Abnahme der Dringlichkeit desÖffnens von Raum von den tatsächlichen Raumsuchendenhinzu der politischen Ebene feststellen, wenngleich einBewusstsein über die grundlegende Problematik auf allenEbenen feststellbar ist.

Der derzeitige Umgang mit Leerstand in der Stadt Wienscheint nicht ausreichend zu dem tatsächlichen Problem zupassen, da eine großen Bedarfsseite auf nur wenigeverfügbaren und leistbaren Räume trifft. Auch dieVermittlungsarbeit zwischen Eigentümer_innen undBedarfsgruppen ist nicht ausreichend, da sie entweder nurauf eine bestimmte Klientel abzielt (leerelokale.at) oder nurinformell und ohne geeignetes Mandat stattfinden kann(Gebietsbetreuungen).

Prinzipiell scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass beimÖffnen leerstehender Räume viele Seiten profitieren können.Wie dieser Prozess jedoch genau aussehen soll bzw. wer amEnde tatsächlich davon profitiert, scheint je nach Standpunktdes Interviewten zu variieren.

Folgende Fragen wurden daraus an den Umgang mit Leerstand in anderen Städten abgeleitet:

Wie und an welcher Stelle ist das Thema Leerstand in der Stadt(Verwaltung) verankert im Sinne einer strategischen Positionierung?

Gibt es einen offenen Diskurs zum Thema Leerstand und wer ist daran (mit welchen Interessen) beteiligt?

Welche Themen stehen im Zentrum des öffentlichen Interesses?

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5Ausblick: internationaleBeispiele

Im Folgenden wurden die aus dem Fallbeispiel Wienabgeleiteten Fragen an andere europäische Städte undderen Umgang mit Leerstand gestellt, um mögliche Ideenfür eine zukünftige Strategie in Wien aufwerfen zu können.Die Aufarbeitung der Beispiele erfolgt in einemüberblicksartigen desk-research und kann hier nur als ersterAusblick verstanden werden und nicht als abgeschlosseneForschungsleistung.

Die Auswahl der Städte erfolgte aufgrund theoretischerÜberlegungen darüber, welche Beispiele als besonders relevant für Wien eingestuft werden können:

- Amsterdam hat eine lange Tradition im Umgang mit Leerstandsnutzungen – in der Vergangenheit vor allem in der aktivistischen Form von Hausbesetzung, heute in offiziellen Zwischennutzungsstrategien.

- Nirgendwo wird Leerstand so sehr als „Möglichkeitsraum“ gedacht wie in Berlin mit massivem Leerstand in der jüngsten Geschichte undeinem alternativer Umgang damit.

- In der Schweiz soll ein Blick auf die besondere Geschichte von Zürich mit Fokus auf den Umgang mit Eigentumsrechten und auf den Einsatz von Zwischennutzungen für die Wertsteigerung von Immobilien in Basel geworfen werden.

- In Bremen liegt das Augenmerk auf einem öffentlichen und partizipativen Leerstandsmelder und auf einer bottom-up initiierten Zwischennutzungsagentur.

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5.1. AMSTERDAM

Einwohner_innen: 789.285, wachsende Stadt (HP:Niederländisches Zentralbüro für Statistik: 2012)

Fläche: 219km²

Offizielle Leerstandstrategie: Ja

Agentur für Vermittlung: Ja

Stadtstruktur:- Historisch gewachsene Hafen und Handelsmetropole- Phase De-Industrialisierung und Verlagerung des Hafenshaben zahlreiche Brachen und leer-stehende Arealehinterlassen.

Wirtschaftliche Situation: - New Economy Boom und Baueuphorie der 1990er Jahren:Leerstandproblem in Bürogebäuden insgesamt 1.015.250m²struktureller Leerstand (< 3 Jahre Leer)- Wandel von Handelsmetropole zur Kreativ-Metropole. 47 %in wissensintensiven Bereichen beschäftigt (Traufetter 2007:103)

Kultur:- Verräumlichte Kulturpolitik- 2000-2010: mit 40 Mio. Euro (Draisma 2012) wurden über80 raumbezogene Projekte gefördert (HP: Brutplatzbüro2012)

RahmenbedingungenIn der niederländischen Hauptstadt leben heute knapp790.0000 Menschen auf circa 219 km². Bekannt als lebendigeKunst- und Kulturmetropole, erweist sich die Stadt vor allemim Kontext von Leerstandsnutzung als interessantes Beispielfür Wien. Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten wurdeneine Reihe von Instrumenten im Umgang mit Leerstandentwickelt, welche einer näheren Betrachtung bedürfen.

Heute lassen sich bezüglich der räumlichen Dimension inAmsterdam laut des Leerstandreports 2006 dreiunterschiedliche Formen von Leerständen eruieren: Erstensder Leerstand ehemaliger Industriegebäude undHafenanlagen. Vor allem im Norden der Stadt standen imZuge der Verlagerung des Hafens Mitte der 1980er Jahremehrere zehntausende Quadratmeter leer. Zweitenshinterließ der Immobilienboom, der mit einer massivenPreissteigerung in Gebieten nahe der Innenstadt verbundenwar, in den 1990er Jahren über eine Million QuadratmeterLeerstand in Bürogebäuden. Als Drittes wären nochGeschäftslokale zu nennen, von denen 2008 an die 31.589m² in Amsterdam leer standen.

Der Diskurs um Leerstand gewann in den 1990er Jahren anBrisanz, als die innenstadtnahen Besetzungen, welche nichtnur als Sozialzentren, sondern auch als Möglichkeitsräumefür Kunst- und Kulturschaffende wahrgenommen wurden, imZuge von massiven Aufwertungsprozessen verdrängtwurden (vgl. Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003: 61a). Daraufhinforderten Teile der Besetzer_innenbewegung zunehmendeine Lösung für den Raumbedarf im Allgemeinen und dieVerbesserung der räumlichen Situation für nicht-profitorientierte Initiativen. Diese Forderung nach Räumen,welche abseits vom regulären Immobilienmarkt zugänglichfür kapitalschwache Akteur_innen seien, stieß dabei auch inder städtischen Verwaltung Amsterdams auf Gehör: sokündigte der Bürgermeister Job Cohen mit dem Slogan„Keine Kultur ohne Subkultur“ die Förderung von sozio-kulturellen Initiativen an, welche sich weitab vomMainstream bewegten.

Seit dem Jahr 2000 verfolgt die Stadt Amsterdam einequerschnittsorientierte Raumförderungspolitik, die mit dem30 Mio. schweren Brutplatzfond seine institutionelle Gestaltbekam (vgl. Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003a: 67). Eines derZiele des Brutplatzprogrammes ist u.a. die Förderung derKreativwirtschaft, welche mittlerweile zum festen Bestandteilder „Marke Amsterdam“ geworden ist. Die Leerstände sollendabei auch als sogenannte Brutplätze für (semi-)professionelle Kunst- und Kulturschaffende fungieren undden nötigen Freiraum für die Entwicklungen innovativerIdeen bereitstellen (vgl. ebd.).

Wie aus der niederländischen Urban Catalyst Studie überAmsterdam Noord ersichtlich wird, legte hierbei diebesondere Konstellation von Faktoren und Akteur_innen die

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Institutionalisierung des Diskurses fest und ermöglichte inweiterer Folge die progressive Nutzung von leerstehendenGebäuden: „In Amsterdam and in the Netherlands, squatting,politics of tolerating and overlooking, and a strong youth-art- culture scene belong to these very basic conditions“(Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003b: 7). DieHausbesetzer_innenszene konnte sich unter anderem auchaufgrund besonderer rechtlicher Rahmenbedingungen inder Hauptstadt entfalten.

Hausbesetzungen waren in den Niederlanden bis Oktober2010 nicht strafbar, wenn ein Gebäude länger als ein Jahrleer stand. Das Leerstandsgesetz (Leegstanswet) von 1981legte zunächst fest, dass Besetzungen nur dann illegal seien,wenn das Gebäude weniger als sechs Monate (später wurdedies auf ein Jahr verlängert) leer stehe (vgl. Priemus 2011: 2).Die gängige Praxis des Hausbesetzens hatte unter anderemauch zur Folge, dass sich private Akteur_innen formierten,um ihr Eigentum vor möglichen Besetzungen zu schützen.Mit der Hilfe von privaten Zwischennutzungsagenturen,ergab sich die Möglichkeit temporären Nutzer_innen mitPrekariatsverträgen festgeschriebeneZwischennutzungsmöglichkeiten einzuräumen.

Akteur_innen der Leerstandsnutzung in AmsterdamZu den Akteur_innen, die sich aktuell mit dem ThemaLeerstand auseinandersetzen, gehören die Stadtverwaltung,die Eigentümer_innen, private Zwischennutzungsagenturensowie Initiativen, die sich im Zuge der Räumungen einiger zukulturellen Zentren avancierten Besetzungen formierten. DieKonstellation der Akteur_innen und ihre institutionalisierteAusgestaltung können dabei in zwei verschiedeneKategorien unterteilt werden, wobei ihre konkreteFunktionsweise am besten anhand ihrerEntstehungsgeschichte und den entstandenen Projektenerläutert werden:

Städtische und zivilgesellschaftliche Akteur_innenDer im Laufe der 1990er Jahre entstandene erhöhteNachfragebedarf unter Kunst und Kulturschaffenden führtezu Herausbildung von Initiativen und Lobbygruppen, die ausAnlass zahlreicher Räumungen von der Stadt eineVerbesserung der räumlichen Situation für nicht-profitorientierte Initiativen forderten. DieVerhandlungsprozesse kulminierten in der Schaffung vonInstitutionen, welche sich dezidiert mit der Nutzung undFörderung von Leerstand befassten: Mit dem schonerwähnten Brutstätten Programm der AmsterdamerGemeinde wurde eine integrierte räumliche Förderpolitik inKooperation mit Teilen der ehemaligen Besetzer_innenszeneforciert. Der Brutplatzfond wurde dabei mit anfangs 30Millionen Euro ausgestattet und erhielt zusätzlich jährlich 2.7Millionen Euro. Allein zwischen 2002-2006 wurden damit1350 Individuelle Ateliers gefördert und Platz für 700-800kulturelle Unternehmen geschaffen. Eines der Ziele desstädtischen Brutplatzprojektes war, neben der Förderung der

Kreativwirtschaft, die nachhaltige Schaffung einerInfrastruktur für überwiegend nicht kommerzielle Projekte.(Vgl. Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003) Diese, so die These,seien die „Brutstätte“ für die Kreativwirtschaft, die einennicht unbedeutenden Teil der städtischenWirtschaftsaktivitäten ausmacht (vgl. Draisma 2012).

Eine weitere Besonderheit an dem Amsterdamer Modell ist,dass sich nicht ausschließlich das städtische Brutplatzbüroals Plattform für Raumsuchende etabliert hat: Ebensoformierten sich Akteur_innen wie beispielsweise „UrbanResort“ und das Kollektiv „Kinetic Noord“, welche bei derVermittlung und Beratung von Raumfragen zur Verfügungstehen (vgl. HP Urban Resort 2012/ HP NDSM 2012). Dieseaus dem Besetzer_innenmillieu stammenden Akteur_innenverfügen über ein großes Wissen über Leerstandsnutzungenund unterstützen die Raumsuchenden mit ihrenErfahrungen. Urban Resort veröffentlicht beispielsweise aufseiner Homepage Leerstandsdaten und mögliche Objekte,die zur Verfügung stehen könnten. Sie dienen dabei alsvermittelnde Instanz zwischen der Stadt und denEinzelinitiativen, reichen Projekte beim Brutstättenfond fürleerstehende Objekte ein und agieren als Dachorganisationfür die Verwaltung der Gebäude (HP Urban Resort 2012).

Insgesamt verwaltet Urban Resort heute sieben Gebäude inder Stadt, wobei auf ihrer Homepage frei gewordene Räumeweit unter dem Marktpreis gehandelt werden. Die Objektereichen von ehemaligen Bürohäusern, wie das nach derTageszeitung benannte „Volkskrant“, über leer stehendeSchulen, bis hin zu leer stehenden Lagerhallen wie im Falledes Westdock-Projektes (vgl. HP Urban Resort 2012).

Das Kollektiv Kinetic North verwaltet heute das inzwischeninternational bekannt gewordene 20.000 m² Areal derNDMS-Werft, welches das erste vom Brutplatzfondgeförderte Projekt war. In den Räumlichkeiten der NDSM-Werft befinden sich zahlreiche künstlerisch-kulturelle undJugendinitiativen. Die Räumlichkeiten sind in drei Zonenaufgeteilt: die erste besteht aus einem Skatepark, Kino,Theater und Proberäumen, die zweite ist für Restaurantsvorgesehen und die dritte für Ausstellungen und Büroräume(vgl. Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003). Ein weiterer nicht zuvernachlässigender Aspekt ist, dass die Zielgruppe nicht nuraus individuellen Kunst- und Kulturschaffenden besteht. Miteingeschlossen werden auch subkulturelle Initiativen oderdie im Bereich Arbeiten und Wohnen tätig sind, jedochkeinen direkten kommerziellen Erfolg zum Ziel haben (vgl.Topalovic/ Neelen/ Dzokic 2003). Wie Jaap Draismer vonUrban Resort bei einem Vortrag im Rahmen des WienerUrbanize Festivals 2012 berichtete, handelt es sich bei derVermittlung der Räume dezidiert nicht um rein für diekreative Industrie verwertbare Projekte. Etwa 40% derRäume sind für Kunst und Kulturschaffende und 60% fürsoziale und politische Initiativen reserviert.

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Private Zwischennutzungsagenturen: Anti-Squat Private Zwischennutzungsagenturen entstanden inAmsterdam in Kooperation mit Eigentümer_innen, die sichvor möglichen Besetzungen schützen wollten. Dabei habensich private Vermittler_innen wie beispielsweise „Camelot“auf das „bewachende Wohnen“ spezialisiert; sie bietenEigentümer_innen die Vermittlung vonZwischenutzer_innen an, die gegen eine geringe Miete dieGebäude bewohnen und gleichzeitig vor Verfall oderVandalismus schützen sollen. DieseZwischenutzungsagentur hat sich 1993 in Amsterdametabliert und operiert inzwischen in Frankreich, England undDeutschland (vgl. HP Camelot Europe). Kritisiert wird vorallem, dass diese Zwischennutzungsverträge jederzeitkündbar sind – wenn also Käufer_innen gefunden werden,verlieren die Bewohner_innen jeglichen Anspruch (vgl.Priemus 2011: 3). Des Weiteren haben die Eigentümer_innenzu jedem Zeitpunkt das Recht die Wohnungen zu betretenund die Mieter_innen daher nur sehr eingeschränktePrivatsphären (vgl. Buchholz 2011).

Amsterdam hat sich als ein interessantes Fallbeispiel inHinblick auf die Schaffung von Instrumenten für zukünftigeLeerstandnutzung in Wien erwiesen. Die Besonderheiten desAmsterdamer Modells liegen hierbei in der verräumlichtenFörderpolitik, der Nutzungsmischung innerhalb derjeweiligen Projekte sowie in der praktischenZusammenarbeit zwischen Nachfrager_innen undStadtverwaltung.

5.2. BASEL

Einwohner_innen: 171.695, wachsende Stadt (HP:Statistisches Amt Basel Stadt: September 2012)

Fläche: 23,86 km ².

Offizielle Leerstandstrategie: Nein

Agentur für Vermittlung: Es gibt Ansprechstelle fürZwischennutzung

Stadtstruktur:   - Lage am Dreiländereck Schweiz – Frankreich – Deutschland- Lage an Rhein, mehrere Häfen, Verkehrsknotenpunkt- Ehemalige Industriestadt, in den letzten Jahren verstärktbrach liegende Industrie-, Hafen-, und Bahnhofsflächen

Wirtschaftliche Situation: - Standort von zwei der fünf größten Pharmakonzernenweltweit. Life Sciences Cluster mit Forschungsschwerpunkt- Dynamischste Wirtschaftsregion der Schweiz

Kultur:- 100 Mio. € (123 Mio. SFR) Kulturförderungen pro Jahr (90%davon für staatliche Museen, Sinfonieorchester Basel undTheater Basel)- Kulturleitbild 2012 mit drei Wirkungszielen: „Sinn stiften –Vertrauen bilden – Transparenz schaffen“- Von Kulturschaffenden wird mehr betriebswirtschaftlichesDenken erwartet

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RahmenbedingungenDurch ihre Geschichte als Industriestadt, gibt es in Basel oftgroße brach liegende Industrieflächen, sowie vereinzelteandere Großkomplexe. Auch innerstädtisch tritt Leerstandauf und wird genutzt. Da das statistische Amt des KantonsBasel Stadt sehr genaue Daten zu Wohnungs-, Geschäfts-und Industrieleerstand sammelt und jährlich öffentlichverfügbar macht, sind gewisse Tendenzen zu erkennen: Sostanden ab 1999 ca. 15.000 m² Produktionsflächen leer,dieser Wert hat sich bis heute jedoch auf etwa 1.000 m²reduziert. Es ist anzunehmen, dass dies durch eine großeBetriebsansiedelung geschehen ist. Deutlich zu erkennen istauch ein Anstieg an leerstehenden Büro- und Lagerflächen.Dies mag jedoch der Wirtschaftskrise von 2008 geschuldetsein. Insgesamt stehen in Basel laut der offiziellen Statistik imJahr 2012 knapp 150.000 m² an Industrie- undGeschäftslokalen leer. Der Wohnungsleerstand ist in denletzten Jahren stark zurückgegangen. Es gibt 500 leereWohnungen, dies ist ein Anteil von 0,5% am gesamtenWohnungsbestand. Über die Methodik derLeerstandserhebung sind keine Informationen bekannt.

Basel ist einer der dichtest besiedelten Standorte Europas.Dieser Mangel an Freiraum, gepaart mit einerselbstbewussten Jugendbewegung führte Anfang der 80erJahre zu einer großen Anzahl von Besetzungen in dergesamten Schweiz. Autonome Jugendzentren wurdengegründet und wechselten immer wieder den Standort. Inder Schweiz wurde auch nach Besetzungen oft in direkterDemokratie abgestimmt, ob die angestrebte Nutzung derBesetzer_innen durch die Stadt gefördert werden soll. Beinegativem Ergebnis der Abstimmung erfolgte die Räumung.Durch dieses Prozedere waren die Aktivist_innen bereits antemporäre Nutzungen gewohnt und begannen bewussttemporäre Nutzungen von Leerstand zu initiieren. Meistwurden große Areale mit diversen Nutzungen bespielt.Kulturelle und verschiedenste gewerbliche Inhalteexistierten parallel nebeneinander. Die Akteur_innen dieserBewegung organisierten sich immer besser, es entstand derVerein b.e.i.r.a.t, welcher Räume für Zwischennutzungensuchte, sicherte und betreute. (vgl. HP nt*/areal, 2012)

Zwischennutzungen in BaselIn den 1990er Jahren wurden viele Zwischennutzungendurchgeführt, die Eigentümer_innen bekamen Vertrauen indiese Art von Leerstandsnutzung. Eine der bekanntestenZwischennutzungen war jene des ehemaligenGüterbahnhofes der deutschen Bahn. Unter Philippe Cabaneentstanden dort ab dem Jahr 2000 kulturell und politischmotivierte Nutzungen. Mit der Zeit kamen auch weiterekommerzielle und gastronomische Nutzungen hinzu. Im Jahr2008 wurde der Vertrag mit den ursprünglichenInitiator_innen gekündigt, andere Nutzer_innen bliebenaber vorerst auf dem Areal. Mittlerweile werden auf demGelände Wohnbauten entwickelt.

Ab dem Jahr 2000 erfolgten auch die ersten dauerhaftenUmnutzungen in Basel: Am Gundenlinger Feld wurde einehemaliger Industriekomplex zu einem Quartierszentrum.Auf der einen Seite kooperierten eine Pensionskasse,mehrere Stiftungen und private Investor_innen um dasGelände zu kaufen und zur Verfügung zu stellen. Auf deranderen Seite gab es eine Initiativgruppe, welche mit derKäufer_innengruppe eine Nutzungsvereinbarung abschlossund das Areal nun betreibt. Heute finden sich auf dem ArealHandwerker_innen, Jugendzentrum, Künstler_innen,Musiker_innen, eine Brauerei, Kulturinstitutionen sowiesoziale Institutionen.

In innenstädtischer Lage entstand im Jahr 2001 dasUnternehmen Mitte, ein „permanentes Provisorium“, wo indem ehemaligen Hauptsitz der Schweizerischen Volksbanknun eine GmbH sowohl gewerbliche (Gemeinschaftsbüro,Gemeinschaftsbank, Cafe, Raumvermietung) als auchkulturelle (Theater, Workshopräume, Lesungen) Nutzungenvereint.

Mittlerweile sind Zwischennutzungen in Basel fest etabliert.In Antwort auf eine Anfrage im Dezember 2011 hat derRegierungsrat des Kanton Basel-Stadt angekündigt eineAnlaufstelle für Zwischennutzungen imPräsidialdepartement, Abteilung Kantons- undStadtentwicklung einzurichten, welche die Aufgaben mitden anderen Amtsstellen koordiniert. (Vgl. Regierungsrat desKantons Basel-Stadt, 2011) Tatsächlich agiert dieKoordinationsstelle Bewilligungswesen nun auch alsAnlaufstelle für Zwischennutzungen. Dies ist auf zweitenBlick naheliegend, da diese Koordinationsstelle in ihrertäglichen Arbeit laufend mit verschiedenen Abteilungen zutun hat und daher gut vernetzt ist. Unterstützt wird dieAbteilung durch eine interdepartementalzusammengesetzte Arbeitsgruppe (Präsidialdepartment,Bau- und Verkehrsdepartment, Finanzdepartment, Justiz-und Sicherheitsdepartment, Wirtschaft, Soziales undUmwelt). Das Präsidialdepartment sollte gemeinsam mitdieser Arbeitsgruppe Richtlinien oder Konzepte erarbeiten,die festlegen unter welchen BedingungenZwischennutzungen wünschbar sind und im öffentlichenInteresse liegen.

Die Stadt Basel setzt in Bezug auf Leerstandsnutzung alsosehr deutlich auf Zwischennutzungen. Im Sommer 2012 gabes gar eine Ausschreibung für Zwischennutzungen. Inanderen Fällen werden Akteur_innen, mit denen bereits guteErfahrungen gemacht wurden beauftragt,Zwischennutzungen zu koordinieren. Schließlich gibt es inBasel viele erfahrene Akteur_innen mit einem breitenErfahrungsschatz, auf den auch der Kanton gernezurückgreift.

Diese Zwischennutzungen werden vonProjektentwickler_innen mittlerweile gezielt eingesetzt um

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Objekte einerseits nicht ungenutzt zu lassen undandererseits Standortaufwertung zu betreiben. Die meistenLiegenschaften, welche temporär genutzt werden, liegen inPrivateigentum. Diese werden meist in Kooperation mit demKanton vermittelt. Es gibt auch Fälle, wo bereits etablierteVereine zur Vermittlung zwischen den eigentlichenEigentümer_innenn und Nutzer_innenn eingesetzt werden.So ist eine Vertrauensbasis für die Eigentümer_innengegeben und dennoch bekommen auch unbekannteProjekten und Initiativen Zugang zu Räumen. Bei Objektenim öffentlichen Eigentum ist „Immobilien Basel-Stadt“ derAnsprechpartner und stellt auch oft Räume zur temporärenNutzung zur Verfügung.

Anzunehmen ist, dass in Basel so viele Zwischennutzungenmöglich sind, aufgrund der besonderen Praxis derRaumaneignung durch Besetzung in den 80er Jahren,welche von öffentlicher Seite her toleriert wurde.Eigentümer_innen haben daher Druck ihre Räumlichkeitengenutzt zu halten, um Besetzungen vorzubeugen.Gleichzeitig sind aus den Hausbesetzungen heraus vieleerfolgreiche Zwischennutzungen entstanden. Diese dürftensich als tragbare Alternative für alle Beteiligtenherauskristallisiert haben. Die Eigentümer_innen sparenGeld für Sicherheits- und Erhaltungsmaßnahmen, dieNutzer_innen haben Räumlichkeiten zur Verfügung ohneeine frühzeitige Räumung fürchten zu müssen.

5.3. BERLIN

Einwohner_innen: 3.515.473

Fläche: 891,85 km²

Offizielle Leerstandstrategie: Nein

Agentur für Vermittlung: Ja (nicht gesamtstädtisch)

Stadtstruktur: - Seit 1989 wiedervereint; ehemaliges Grenzland erzeugtegroße Brachflächen im Stadtzentrum- Die Bevölkerungsdichte von nur 3.942Einwohner_innen/km2 zeigt die Weitläufigkeit der Stadt.

Wirtschaftliche Situation: - Strukturveränderung nach dem Mauerfall – vonIndustriearbeitsplätzen zu Dienstleistungen- Arbeitslosenquote von ca. 12%; doppelt so hoch wie inganz Deutschland

Kultur:- City Image: kreative Metropole – „Arm, aber sexy“(Bürgermeister Wowereit)

Berlin ist in vielerlei Hinsicht ein passendes Beispiel imRahmen der Auseinandersetzung „Perspektive Leerstand“. Inkeiner anderen Stadt im deutschsprachigen Raum (aberauch in einem internationalen Kontext) wird mit Leerstanddie Begehrlichkeit eines ‚Möglichkeitsraumes‘ so starkassoziiert wie mit Berlin. Waren es in den Jahren nach demFall der Mauer vor allem Hausbesetzungen, die eineentsprechende Aufmerksamkeit erregten, so rückte dieBundeshauptstadt vor allem in dem vergangenen Jahrzehntvermehrt ins Blickfeld von vor allem Kreativschaffenden,Kulturproduzent_innen und den daran angeschlossenenDienstleistungen. Sie strömten und strömen nach Berlin, umeinerseits preiswerten Wohn- und Gewerberaum zu findenund um andererseits Anschluss an die jeweiligen Szenensicherzustellen. Der Senat Berlin setzt ebenso in seinerStandortpolitik und Wirtschaftsförderung auf kreativeBranchen um wirtschaftsstrukturelle Widrigkeiten dervergangenen Jahre zu überwinden. So wird Berlin insgesamtals ein Standort mit einem aufregenden Kunst- undKulturleben inszeniert.

In diesem Transformationsprozess, der sich seit demMauerfall vollzogen hat, spielt unter anderem der Umgangmit Leerstand und Freiräumen durch unterschiedlicheAkteur_innen eine entscheidende Rolle. Die Bedeutung von

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Leerstand in diesem Zusammenhang sowie dessenAneignungsformen bzw. die Rolle von Leerstand für dieStadt generell hat unterschiedliche Ursachen undRahmenbedingungen.

Im Zuge der Auswertung und Analyse des Beispiels Berlinwird in einem ersten Schritt innerhalb der diskursivenDimension noch einmal die generelle Bedeutung vonLeerstand in einem historischen Kontext beleuchtet, denndaraus lässt sich auch der gegenwärtige Umgang städtischerund anderer Akteur_innen mit Leerstand verstehen. Imzweiten Teil der Aufarbeitung des Beispiels steht dieZwischennutzungsagentur (neuer Name: coopolis) imMittelpunkt.

Rahmenbedingungen: Leerstand in Berlin in einemhistorischen AbrissAuch wenn sich die Ursachen für Leerstand nichtverallgemeinern lassen, können politische, demographische,konjunkturelle und sozialräumliche Aspekte angeführtwerden, die die besondere Situation für Berlin verdeutlichenund den heutigen Umgang mit Leerstand im Rahmen einesLeerstandsmanagements begründen. Im Folgenden werdendaher kurz die wichtigsten (allgemeinen) Parameter skizziert,die die Bedeutung von Leerstand in dieser Stadtverdeutlichen. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund derTeilung der Stadt, die Rahmenbedingungen für diejeweiligen Kieze sehr unterschiedliche ausfiel (dies ist nichtnur in einem Ost-West-Gefälle zu verstehen).

- politische und stadtstrukturelle Aspekte >stadtstruktureller LeerstandNach der politischen Wende 1989 vollzog sich in den Jahren1990 bis 2000 ein massiver Transformationsprozess:wirtschaftliche Neubewertung des Standortes Berlins,Wandel der Eigentumsverhältnisse, auf hohes Wachstumspekulierende Investitionen privater und öffentlicherAkteur_innen sowie Reorganisation der Zentrenfunktion.„Alte Milieus lösen sich auf, neue soziale Formationenentstehen und prägen Räume in dieser Stadt, die sichdadurch auch äußerlich wandeln – alles in großerGeschwindigkeit.“ (Häußermann 2000: 1) Gerade der Ostteilder Stadt stand räumlich – im Sinne der Stadterneuerung –vor sehr großen Herausforderungen. Ein Großteil desAltbaubestandes (errichtet vor 1918) war in einemkatastrophalen Zustand. Demgegenüber stehen allerdingsnur geringe öffentliche Mittel zur Behebung dieserMissstände zur Verfügung. Darüber hinaus waren vieleEigentumsverhältnisse ungeklärt. In dieser Zeit derUnsicherheit, der Neuorientierung sowie eine kurzzeitigvorherrschenden Machtvakuums fallen vieleHausbestzungen3 im Ostteil der Stadt. Darauf aufbauendentwickelten sich vor allem in Mitte und Prenzlauer Berg eineVielzahl kultureller Initiativen und Institutionen, die überviele Jahre einen festen Bestandteil der Stadt darstellen, wiebeispielsweise Tacheles, Kulturbrauerei, Pfefferberg etc.

- demographische Aspekte > WohnungsleerstandInfolge einer falschen Bevölkerungs- undWirtschaftsprognose4 zu Beginn der 1990er Jahre kam es inBerlin zu einer Überschätzung der Nachfrage nachWohnungs-, Büro- und Gewerbeflächen. War der Leerstandzu Beginn der 1990er Jahre hauptsächlich auf die fehlendeSanierung und bauliche Mängel zurückzuführen, kommtEnde der 1990er Jahre/ Beginn der 2000er Jahre einandauernder Angebotsüberschuss hinzu. (vgl. Lang/Tenz2003: 44f )

- konjunkturelle Aspekte > Gewerbeleerstand Neben der Wohnsuburbanisierung war und ist auch einstarker Wettbewerb zwischen einzelnen peripherenStandortlagen und den innerstädtischen Zentrumslagenfeststellbar. Dieser Konkurrenzdruck sowie die bereitserwähnte Überschätzung der Nachfrage nachEinzelhandelsflächen führten zu einem umfangreichenLeerstand in gewerblichen und industriellen Räumen inBerliner Zentrenlagen Ende der 1990er Jahre.

- sozialräumliche Aspekte > Leerstand in derErdgeschosszoneSoziale Segregationstendenzen und sozialräumlichePolarisierungstendenzen nehmen in Berlin zu (vgl.Häußermann 2000). Durch geringe Investitionen entstehensozial-problematische Quartiere, was sich nicht nur in derSozialstruktur niederschlägt, sondern ebenso in einemräumlichen Bild ablesbar ist: vernachlässigte öffentlicheRäume, schlechter baulicher Zustand der Gebäude undWohnungen sowie verwaiste Erdgeschosszonen. Gerade indiesen Gebieten führt Leerstand durch den Mangel anVersorgungsmöglichkeiten zu beeinträchtigten Lebenslagender Bewohner_innen. Der Senat Berlin hat darauf 1999 mitder Einrichtung von Quartiersmanagements (QM) undInterventionsgebieten reagiert, die durch das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf –die Soziale Stadt“ finanziell getragen werden.

Gerade in dem zuletzt genannten Punkt ist dieseInterventions- und Handlungsebene einesQuartiersmanagementgebietes wichtig in der Diskussion umLeerstand, da hier innovative Zugänge im Umgang mitLeerstand (beispielsweise im Sinne temporärer Nutzungen)durch Aktivist_innen und/ oder Akteur_innen des QMsentwickelt worden sind. Hier wurde in den Anfängen vorallem unter der Prämisse „Kunst und Kultur gegen Leerstand“agiert und vermittelt, beispielhaft seien hier „ZentraleMoabit“ im Quartiersmanagementgebiet Beusselstraße(Ende der 1990er Jahre und Beginn der 2000er Jahre) oder„Kolonie Wedding“ im Soldiner Kiez (Beginn der 2000erJahre) erwähnt, die öffentlich geförderten kulturelleZwischennutzungsprojekten sowie einem Umdenken imUmgang mit Leerstand den Weg ebneten.

3 Hausbesetzungen in Berlin haben darüber hinaus eine längere Traditionund erfolgen in den 1960er/70er Jahren als Protest gegen die Flächensanie-rung in Kreuzberg.

4 Entgegen der Annahme, die Einwohner_innenzahl Berlins werde im Zugedes „Metropolsierungsprozesses“ von 3,4 Mio auf über 5 MioEinwohner_innen ansteigen, war die tatsächliche Entwicklung durch einerückläufige Einwohner_innenzahl gekennzeichnet. (vgl. Lens 2002: 15)

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Die Zwischennutzungsagentur (ZNA)Die Anfänge der Zwischennutzungsagentur liegen im Jahr2003 und sind in dem Kontext von Interventionen inStadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf zudiskutieren. Der damalige räumliche Fokus derZwischennutzungsagentur waren drei Neuköllner Kieze(Flughafenkiez, Körnerkiez, Richardkiez) und derInterventionsbereich ist im Sinne einesGewerbeleerstandsmanagements zu verstehen.5 Darüberhinaus beschäftigte sich die ZNA mit einemNetzwerkmanagement im Sinne lokaler Kooperationsnetzevon Eigentümer_innen im Reuterkiez sowie vonKreativschaffenden in Neukölln. Das Arbeitsmotto der ZNAlautete „Stadtentwicklung durch Kooperation“ und dieGrundbestandteile bestehen aus Vernetzung,Kommunikation und Partizipation. Mittlerweile ist aus derZwischennutzungsagentur coopolis – Planungsbüro fürkooperative Stadtentwicklung geworden. Der Name machtdie Ambition der Agentur mit kooperative undkommunikative Planungsstrategien vorzugehen deutlich.Coopolis fokussiert – laut eigenen Angaben – immer nochauf ein Leerstandsmanagement, aber ebenso auf Netzwerk-und Bewusstseinsbildung. Im Folgenden sprechen wiraberweiterhin von der Zwischennutzungsagentur, da wir vorallem die in diesem Rahmen stattfindenden Tätigkeitenfokussieren.

Räumliche DimensionWie bereits erwähnt liegt der hauptsächliche räumlicheTätigungsbereich der Zwischennutzungsagentur in Neuköllnim Flughafen-, Körner- und Richardkiez. Der Fokus liegt aufGewerbestandorten (vornehmlich in der Erdgeschosszone).Neben allgemeinen stadt- und sozialräumlichen Gründen fürLeerstand ist dort eine geringe Bereitschaft bzw. eingeringes Bemühen der Eigentümer_innen hinsichtlich neuerMieter_innen auffällig.6 In der Auseinandersetzung mitGewerbeleerstand wird dabei nicht nur der Kiez imgesamten wahrgenommen, sondern in feinereMikrostandorte – was auch nur Straßenzüge sein können –unterschieden. An diesen Mikrostandorten sollenuntereinander vernetzte und kooperativ agierende Clustervon neuen Gewerbeeinheiten entstehen. EineGrundvoraussetzung für eine kleinteilige Arbeit sehen dieAkteur_innen der ZNA in der lokalen Vernetzung undVerankerung vor Ort sowie in einer auf Vertrauen basiertenZusammenarbeit (vgl. Raab 2007 in Verlic 2010).

Akteur_innen DimensionIn der Vermittlung von leerstehenden Gewerbestandortentritt die ZNA auf und bietet den Eigentümer_innen an, dieVermittlung an neue Mieter_innen zu übernehmen. DieEigentümer_innenstrukturen in den Kiezen zeichnen sich vorallem durch eine Kleinteiligkeit und Einzeleigentümer_innenaus, denen der Aufwand von Vermieten oft größer als derProfit erschiene. Die Akteur_innen der ZNA leisten dabei vorallem Überzeugungs- und Vernetzungsarbeit in dem sie die

Eigentümer_innen auf die Vorteile eines vermietetenGewerberaumes hinweisen über Broschüren, Homepageund im persönlichen Gespräch.7

Die Kontaktaufnahme zu potentiell Raumsuchendengestaltet sich dabei wesentlich leichter, da sich die Idee derZwischennutzungsagentur in den entsprechenden Kreisenund Szenen schnell herumspricht. Sie rekrutieren sich vorallem aus dem Bereich der Kreativszene, da der Anreiz darinbesteht nicht gleich professionell Gewebertreibende zu sein,sondern Raum für neue Ideen finden zu können. Die ZNA isthilfreich bei der individuellen Raumsuche, präsentiert Lädenin moderierten Stadtbegehungen und hilft bei derAushandlung gestaffelter Mieten. Über die Raumsuchehinaus vermittelt und vernetzt die ZNA Akteur_innen mitähnlichen Anliegen untereinander.

Rechtliche DimensionEin wichtiger Punkt in der ‚Überzeugungsarbeit‘ vor Ortsehen die Akteur_innen darin, dass sie selbst einen gutenKontakt zu Politik, Verwaltung und Verbänden(Politiker_innen auf Bezirksebene, Verband derHauseigentümer und Einzelhandelsverband) verfügen, dersich wiederum positiv auf die Teilnahmebereitschaft derEigentümer_innen auswirkt.

Die ausgehandelten Mietverträge beziehen sich aufZwischennutzungen, die dabei unterschiedliche Formenannahmen können: Starternutzung, Interimsnutzung undEventnutzung (vgl. Richarz 2006: 5 in Verlic 2010).

FazitDie ZNA ist also eine Form des Leerstandsmanagements,dass man sich Wien als Erweiterung der Arbeit derGebietsbetreuung vorstellen könnte, da die ZNA räumlichstark fokussiert auf ein bestimmtes Gebiet vorgeht und dortvor allem durch persönliche Kontakte – sowohl zuEigentümer_innen und Nutzer_innen – vor geht. DieseVorgehen zeigt sich sehr effektiv in der Vermittlung vonRäumen, jedoch besteht die Gefahr eine größere städtischeVeränderung mit zu initiieren, aber nicht steuern zu können:die Aufwertung eines Viertels durch Belebung derErdgeschoßzonen mit kreativen Büros und Läden, der eineschnelle Mietpreissteigerung und somit Veränderung dersozialen Struktur des Viertels folgen kann. Bis dato liegenkeine gesicherten Daten zur Gentrifizierung in Neukölln vor,doch über eine gefühlte Änderung und Aufwertung wirdbereits in verschiedenen Medien diskutiert

5 Auf diese Aktivitäten berufen sich auch die Gründungsideen und alle wei-teren Aktivitäten der Zwischennutzungsagentur.

6 Dies wird von den Akteur_innen vor allem damit begründet, dass vieleden Kiez bereits ‚aufgegeben‘ haben und nur noch wenig investieren wollen

7 Vermeidung der negativen Aspekte unvermieteter Räume (Mietausfälle,Vandalismus, Feuchtigkeitsschäden, Imageverlust); (2) Renovierungsarbei-ten in den Räumen durch Nutzer_innen und (3) Leistung eines Beitrags zurzivilgesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung eines Quartiers..

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5.4. BREMEN

Einwohner_innen: 547 987

Fläche: 325,42 km²

Offizielle Leerstandstrategie: Ja

Agentur für Vermittlung: Ja

Stadtstruktur: - der Weser (Fluss) teilt die Handelsstadt Bremen - 60 km entfernt das stadtbremische ÜberseehafengebietBremerhaven

Politische Situation: - Stadtregierung: SPD und GRÜNE mit 47 von 69 Mandaten

Wirtschaftliche Situation:- Außenhandel und Warenumschlag über die HafenanlagenBremerhaven- Wirtschaftlicher Schwerpunkt auf Luft- undRaumfahrtindustrie- führende Position in der Lebensmittelbranche

Kultur: - 95,2 Millionen für Kulturförderung im Jahr 2007 (direkteAusgaben sowie Kulturnahe Ausgaben) (vgl.Kulturfinanzbericht 2010)

RahmenbedingungenDie mit 1685 Einwohner_innen/km² eine relativ geringeBevölkerungsdichte aufweisende Stadt hat 1875 die Grenzevon 100.000 Einwohner_innen durchbrochen. Nach einemraschen Anstieg zu Beginn des 1900 Jahrhundert kam es vorallem zwischen 1939 und 1945 (2.Weltkrieg) zu einemEinbruch der Bevölkerung von 431.800 auf 289.221. Währenddes Krieges wurde durch Luftangriffe 62 % derstädtebaulichen Substanz zerstört. In diesen Zeitraum wurdeauch die große Jüdische Gemeinde der Stadt zerschlagen,Infrastruktur wurde zerstört und ihre Mitglieder musstenfliehen oder wurden ermordet. Mehre Konzentrations- undArbeitslager wurden direkt in Bremen oder im unmittelbarenUmfeld errichtet. Nach dem 2.Weltkrieg kam es erneut zueinem raschen Anstieg der Bevölkerungszahll, viele derZuwanderer_innen waren Flüchtlinge aus dem ländlichenUmland. Bis 1969 erreichte die Einwohner_innenzahl mit607.184 ihren Höchststand. Am 1. Januar 2010 waren547.685 Einwohner_innen gemeldet.Die geringeBevölkerungsdichte lässt sich auf den traditionellen Baustilzurückführen. Gerade im innerstädtischen Bereich verfügenviele Häuser über maximal 4 Stockwerke. Hochhäuser oderallgemein hohe Bauten sind, mit Ausnahme einigerSiedlungen am Stadtrand, eher Ausnahmen im Stadtbild.

Durch die wirtschaftliche Spezialisierung der Stadt, dieAusgliederung der Hafenstadt sowie die aktiveUmgestaltung der ehemaligen Industrieflächen konntenviele ehemaligen Brachen und Leerstände in den letztenJahrzehnten erfolgreich verwertet werden. Allgemein weistBremen sehr geringe Leerstandszahlen auf, so werden fürden Büroleerstand aktuell nur rund 3,5 % leerstehendeRäume angegeben. Die Preise für gewerbliche Nutzungenliegen bei 8,00 €/m² im unteren Segment bis zu 14,50 €/m² inNeubau und Top-Lage (vgl. WfB 2012). Nachdem von derStadt Bremen in Bezug auf Wohnungsmieten keinMietspiegel besteht oder eine Mietdatenbank geführt wird,gibt es keine klaren Richtwerte für Wohnungsmieten. Vondiversen Immobilienplattformen wird ein durchschnittlicherMietpreis bei 80 m2 von rund 7€ pro m² genannt.Spitzenwerte betragen hierbei um die 20€ pro m². DiePlattform Leerstandsmelder.de verzeichnet in Bremen 391Einträge, dabei werden von Bürger_innen selbständigLeerstände kartiert (vgl. leerstandsmelder.de, 2012). Diemarkierten Objekte sind größtenteils Gebäude aber aucheinzelne Geschäftslokale, Wohnungen oder aber auchBrachflächen.

Leerstandsmelder: Best practice aus HamburgSeit 30.01.2012 wird auch in Bremen, getragen von der „AAA- Autonomes Architektur Atelier“, ein Leerstandsmelderverwendet. Die Knapp 400 Einträge verweisen dabei aufungenützte Potentiale und Möglichkeitsräume in der Stadt.Die Einträge bieten darüber hinaus die Möglichkeit, dass sichInteressierte über Entwicklungen und Aussichten derjeweiligen Objekte mittels Kommentarfunktion austauschen.

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So werden mittels dieser Funktion von anderenNutzer_innen Informationen zu der Geschichte derjeweiligen Gebäude hinzugefügt, Verdrängen vonMieter_innen wird thematisiert oder über die Bausubstanzder Gebäude informiert. Der Leeerstandsmelder ist somitein, in nun bereits mehreren deutschen Städten, aktivesWerkzeug das es der Bevölkerung ermöglicht mittels direkterBeteiligung, Vorgänge betreffend Leerstand zukommentieren und auf vorhandene Möglichkeitenhinzuweisen. (Vgl. HP leerstandsmelder.de)

Im Kontext Stadtgestaltung und Raumnutzung war in denletzten 15 Jahren die Entstehung und Verwertung des neuenStadtvierteles Überseestadt ein maßgebliches Element in derAuseinandersetzung mit Raum. In der Diskussion um denUmgang mit den vorhandenen Leerständen in der Stadt unddie Vermittlung dieser ist eine Blick auf die Arbeit in derVermittlungsagentur ZZZ wichtig.

Überseestadt: Entstehung eines neuen Stadtviertels Der heutige Stadtteil Überseestadt ist Teil des Bezirks Walleund war bis 1991 als Übersseehafen maßgeblich alsStückgut-Hafen in Verwendung. Aufgrund erheblicherBaufälligkeit des alten Hafens und der zunehmenden Größeder Transportschiffe und damit verbundenen benötigtenTiefgang hatte der Hafen massiv an wirtschaftlicherBedeutung verloren. 1998 wurde das Becken desÜberseehafens mit drei Millionen Kubikmeter Sandzugeschüttet und überbaut. Seit 2000 wird das Areal aktivneu bebaut – ein Leitplan mit dem Titel „ÜberseestadtMasterplan“ wurde 2003 abgesegnet und soll bis 2020 fertiggestellt werden. Als Vorreiter siedelte sich auf einem Teil desinsgesamt rund 300ha großen Geländes neben den BremerGroßgemüsemarkt die Hochschule für Künste an. Das vonder Größe her mit der Hamburger City vergleichbareStadtentwicklungsgebiet setzt dabei von Anfang an mittelsmassiver Imageproduktion auf die Kreativwirtschaft. (Vgl.Masterplan Überseestadt, 2003)

Ausgehend von der Ansiedlung der Kunsthochschule 2003scheint es den Projektentwickler_innen der Überseestadtgelungen zu sein, verschiedene Kreative ins Quartier zulocken. Noch bevor überhaupt Wohnanlagen stehen, werdenmit teilweise günstigen Mieten Pioniere angesiedelt, umdem versprochenen trendigen Charakter Vorlauf zu geben.Instrumentalisierung ist hier nicht ein Nebeneffekt derAnsiedlung von Kreativen, sie ist Gestaltungskonzept und -motor. Dabei wird das Bauprojekt innerhalb der Stadt,verglichen mit Berlin oder Hamburg, von der Bevölkerung alsauch Kulturszene gut angenommen – selbst der alsLandmark der Waterfront gedachte „Weser Tower“ konnteproblemlos umgesetzt werden, während 2001 bereits dieAufstockung eines innerstädtischen Hochhauses an breitenProtesten scheiterte.

Die bisherige Entwicklung der Überseestadt lässt sich auchals (virtuelle) Gentrifizierung beschreiben: Einabgewirtschafteter Stadtteil wird durch relativ zentrale Lageund billige Mieten interessant für Kreative, entwickeltdadurch einen guten Ruf und zieht schließlichwohlhabendere Gruppen an, die die früheren, ärmerenMieter_innen verdrängen. Die ersten Stufen dieserEntwicklung finden hier aber weitgehend alsImageproduktion statt, die letzte ist erreicht, wenn die erstewirkliche Wohnung bezogen wird. (Vgl. Vähling 2012)

ZZZ – ZwischenZeitZentrale: dieZwischennutzungsagentur für BremenSeit rund drei Jahren wirkt die ZZZ als Vermittlerin inBremen. Die Initiator_innen sind Personen, die selbst zuvorschon aktivistisch in der Stadt aktiv waren und mit der Kunstund Kulturszene Bremens deshalb so vertraut sind, weil sieschon zuvor Teil davon waren. Diese bottom-up Strategiewird – laut eigenen Angaben – als fundamental wichtig fürdas Funktionieren der Vermittlung von Zwischennutzungen.

Das Projekt im wird Rahmen der „NationalenStadtentwicklungspolitik“ des Bundesministeriums fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und desBundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)gefördert. Die Laufzeit, die zunächst auf drei Jahre angelegtwurde, ist beim Senator für Wirtschaft und Häfenangesiedelt. Weitere Partner_innen sind der Senator für Bau,Umwelt, Verkehr und Europa, die Senatorin für Finanzen, dieWirtschaftsförderung Bremen (WfB) und die ImmobilienBremen (IB). Nach einer Ausschreibung 2012 wurde der ZZZder Zuschlag als Zwischennutzungsagentur für weitere vierJahre zugesagt. Durch das Wegfallen der Förderung durchden Nationalen Stadtentwicklungsplan (über diesen Topfwurden 50% der Finanzierung abgedeckt) wird nun primärvon der Stadt Bremen gefördert. Die Finanzierung für denProjektzeitraum 2012 bis 2015 beträgt 500.000€ undbeinhaltet eineinhalb Projektstellen sowie Projekt undSachmittel.

Über die Arbeit der ZZZ in den letzten Jahren ist vor kurzemein Buch mit dem Titel „second hand spaces“ erschienen.Darin beschreiben sie ihre Arbeit folgendermaßen:

Als Nutzer kommen grundsätzlich alle lokalen Akteuremit Raumbedarf in Betracht, der nicht über den regulärenImmobilienmarkt abgedeckt werden kann. Dahinter steht dieAbsicht, Menschen und ihren Ideen Raum zur Verfügung zustellen, der ihnen sonst aufgrund von zu hohenMietforderungen verschlossen bleibt. Die Vertragskonditionendazu werden jeweils individuell gestaltet, folgen abergrundsätzlich dem Prinzip einer relativ günstigen Miete gegeneine befristete Nutzung. Im Gegenzug sind die Nutzer bereit, ihreAnsprüche und Konzepte an die Immobilie anzupassen undeinen hohen unentgeltlichen Arbeitseinatz in ihre Herrichtungzu investieren. Dafür Brauchen sie möglichst große

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Gestaltungsfreiheit und einen verlässlichen Nutzungszeitraum.Die Erfahrung zeigt, dass bei kurzer Nutzungsdauer eherProvesorien zum Einsatz kommen. (Vgl. Ziehl 2012)

Auf der Webseite der ZZZ finden sich zahlreiche Beispiele dervermittelten und noch zu aktivierenden Räume (vgl. zzz-bremen.de). Es ist davon auszugehen, dass die Arbeit derZZZ von der Stadt Bremen als erfolgreich gewertet wird,wenn nach einer Ausschreibung der Zuschlag wieder an dieAgentur vergeben wird. In der entsprechenden Vorlage fürdie Sitzung der betreffenden Deputation findet sichfolgender Auszug, der ein gutes Bild vermittelt, wie derZugang der Stadt zum Thema Leerstand aussieht.

Es hat sich gezeigt, dass die Erwartungen in dieWeiterführung der Aufgabenstellung derZwischennutzungsagentur in vollem Umfang erfüllt wurdenund mit relativ geringen Mitteln eine große Hebelwirkung erzieltwird. Zwischennutzungen haben sich in der Praxis nicht nur alsgeeignetes und kostengünstiges Instrument zur Profilierung undInwertsetzung von leerstehenden Gebäuden und Brachflächengezeigt. Sie geben vielmehr auch Impulse für die benachbartenQuartiere und sind erfolgreich bei notwendigenUmstrukturierungsprozessen. Sie haben darüber hinauswesentliche positive Effekte zur Förderung der Kultur- undKeativwirtschaft in Bremen.(Vorlage Nr. 18/128)

Spannend im Kontext der ZZZ ist vor allem das Format derLeitungstreffen. Monatlich finden ressortübergreifendePlanungs- und Austauschtreffen statt, in denen sich dieAgentur mit den verschiedenen Ressorts und Partner_innenakkordieren kann. Ohne das große Interesse und die aktiveZuarbeit sowie konkrete Unterstützung einzelner Projektemittels zusätzlicher Fördergelder wären vieleZwischennutzung vermutlich Leerstand geblieben.Ressortübergreifendes Arbeiten, sowie die Vermittlung derRäume durch Personen, die an die Szene angebunden sind,stellt sich so in Bremen, einmal mehr, als ein maßgeblicherFaktor für den Erfolg von Zwischennutzungen heraus.

5.5. ZÜRICH

Einwohner_innen: 390.082, Bevölkerungsabnahme von1960-1990, jetzt wieder Wachstum (HP: PräsidialdepartmentStadt Zürich: Ende 2011); 1/3 der Einwohner_innen habenkeinen Schweizer Pass

Fläche: 91,9 km².

Offizielle Leerstandstrategie: Nein

Agentur für Vermittlung: Nein

Stadtstruktur: - Lage an der Limmat und Zürichsee- Großteil des Stadtgebiets verbaut

Wirtschaftliche Situation: - Bedeutender Finanzplatz. Starke Internationalisierung.- Zürich zählt zu den teuersten und lebenswertesten Städtender Welt

Kultur:- 132 Mio. € (160 Mio. SFR) Kulturförderungen pro Jahr, ca. 1-1,5 % des städtischen Budgets- Kulturleitbild 2012: Qualität ist entscheidendes Kriteriumfür Kulturförderung- Zürich soll zu einem kulturellen und kreativwirtschaftlichenInnovationszentrum werden

RahmenbedingungenIn Zürich findet jährlich eine Leerwohnungs- undLeerflächenzählung statt. Die Erhebung vonLeerwohnungen ist durch ein Bundesgesetz geregelt, dieEigentümer_innen sind zur Mitarbeit verpflichtet. FürLeerflächen gibt es auch eine bundesweite Zählung, diesewurde von der Stadt 1995 eingeführt. Befragt werdensämtliche Eigentümer_innen und Verwaltungen vonGebäuden mit einer Nutzfläche von 500 oder mehrQuadratmetern. Nicht erfasst werden Abbruch- oderUmbauobjekte, noch im Bau befindliche Gebäude und bau-oder sanitätspolizeilich gesperrte Liegenschaften. Auf Basisdes von Statistik Stadt Zürich geführten Gebäude- undWohnungsregisters werden Fragebögen an dieEigentümer_innen versandt. 2011 lag die Rücklaufquote bei93,6 %.

Der Anteil an leerstehenden Wohnungen an derGesamtwohnungszahl liegt in Zürich seit 2004, mit einerAusnahme, unter 0,1%. Der Wohnungsmarkt in Zürich istalso sehr angespannt, dementsprechend steigen auchMietpreise teils stark an. Die Leerflächenziffer (Anteil der leerstehenden Flächen an der vorhandenen Nutzfläche) betrug

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2011 2,23 %. Dies ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 2002.Mehr als zwei Drittel der Leerflächen entfällt auf Büro- undPraxisflächen. Verkaufsflächen haben mit 1,2 % einen sehrkleinen Anteil am gesamten Leerstand. Dies ist jedochinsofern zu hinterfragen, als nur Nutzflächen größer als 500m² erhoben werden. Es ist daher davon auszugehen, dassbedeutend mehr Verkaufsflächen leer stehen, als in derLeerstandsstatistik erfasst werden.

Leerstandsnutzungen in ZürichIn der Recherche von Beispielen zu Leerstandsnutzung sindin Zürich jedoch hauptsächlich ehemalige Industriearealeund andere Brachen präsent. Wie in Basel, kam es auch inZürich in den 70er und 80er Jahren verstärkt zu informellerRaumaneignung durch Besetzung von leer stehendenIndustriearealen. Dies war einerseits eine unmittelbareReaktion auf Wohnraummangel, andererseits aber auch einepolitische Bewegung, welche mehr Freiräume in der Stadtforderte. So entstand aus der Besetzung einer ehemaligenSeidenweberei das Kulturzentrum Rote Fabrik. Zwar warbereits vor der Besetzung ein Entscheid durchVolksabstimmung gefällt worden, dass das Gebäude alsKultur- und Begegnungszentrum genutzt werden sollte,doch war der damalige Stadtpräsident der Meinung, dassRockmusik keine Kultur sei.

Da auch die Stadtregierung auf die Wohnungsnot reagierenmusste, etablierte sie ab 1990 eine liberalereRäumungspraxis: Besetzte Räume wurden nur geräumt,wenn Bau- oder Abbruchbewilligungen, neue Mietverträgeoder grobe Sicherheitsbedenken vorlagen. Dies drängteEigentümer_innen dazu ihre leer stehenden ObjekteNutzungen zuzuführen. Zwischennutzung war daher Zürichseit den 90er Jahren gängige Praxis. Insbesondere imehemaligen Industrieareal Zürich West etablierten sichkulturelle und gastronomische Zwischennutzungen. DerStadtteil wurde durch diese temporären Nutzungen starkaufgewertet und stellt heute eines der größtenStadtentwicklungsgebiete Zürichs dar.

Die Zwischen- und Umnutzung der ehemaligen LöwenbräuBrauerei ist ein gutes Beispiel dafür, wie in diesem Stadtteilgezielt kulturelle Nutzungen angesiedelt wurden um denStandort aufzuwerten. Verschiedene Ateliers, sowie dasMigros Museum für Gegenwartskunst waren Wegbereiter fürdie nun stattfindende Entwicklung und Vermarktung desAreals. Die Stadt Zürich war mit einemdepartementsübergreifenden Projekt daran beteiligt dieseFlächen einerseits zu sichern und zur Weiterentwicklungfreizugeben.

Seit Herbst 2011 findet in einem anderen Stadtteil ebenfallsein departementübergreifendes Projekt statt: Einleerstehendes Autohaus wurde von der Stadt Zürichangemietet, welche nun einzelne Büros, Gewerbeflächenund Lagerräume weitervermietet. Diese Zwischennutzung

ist vorerst auf 5 Jahre begrenzt. Die Stadt versucht soeinerseits erschwingliche stadtnahe Produktionsstandortefür Handwerker und Menschen aus der Kreativbranche zurVerfügung zu stellen. Die Bewerbung des Standortes auf derProjekthomepage deutet aber bereits an, dass mit diesemProjekt auch das gesamte Quartier gezielt aufgewertetwerden soll: „Wir bieten Ihnen ein Sprungbrett in die Stadt,eine offene Struktur in einem zukünftigen urbanen Hotspot:günstige Mieten in einem bekannten Gebäude,Autobahnanbindung und ein sich schnell entwickelndesQuartier sorgen für den kreativen Schub in der WerkereiSchwamendingen.“ (www.werkerei-schwamendingen.ch)

Zwischennutzungen sollen künftig auch gezielt eingesetztwerden, um die Züricher Kreativwirtschaft zu fördern. EineVersicherung hat auf brach liegenden LiegenschaftenContainer errichten lassen, in welchen Büros undArbeitsräume für EPUs und Künstler_innen vermietetwerden. Nach vier Jahren am ersten Standort, musste diesergeräumt werden und die Container übersiedelten an einenneuen Standort. Dieses sogenannte Basis-Lager ist dieUmsetzung von einem Vorschlag, welcher aus demForschungsbericht zone*imaginaire hervorgegangen ist.Dieser Bericht gibt einen sehr guten Überblick darüber, wieZwischennutzungen gezielt eingesetzt werden können undwer welchen Nutzen davon trägt. Risiken wie möglicheVerdrängungsprozesse werden hingegen ausgeblendet.

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5.6. ZUSAMMENFASSUNG:

FALLBEISPIELE

Amsterdam Amsterdam blickt auf eine lange Tradition vonselbstangeeigneten Leerstandsnutzungen zurück, die sichvor allem aus einem speziellen Hausbesetzungsgesetzergaben, das bis 2010 Besetzungen von längerleerstehenden Gebäuden legalisierte. Der aktuelle Umgangmit Leerstand in Amsterdam hat eine stärkerinstitutionalisierte Form, hinter der einerseits eine breiteFörderung der Kreativwirtschaft (Brutplatzprogramm) undandererseits ein Bestreben Besetzungen zu verhindern (Anti-Squat) steht. Der Umgang mit Leerstand in Amsterdamerscheint stark bedarfsorientiert, allerdings mit einemeindeutigen Fokus auf Kreativwirtschaft und Künstler_innenmit dem ergänzenden Fokus des Stadtmarketings und – wiedie Anti-Squat Einrichtungen zeigen – gegen bottom-upentstehende Initiativen gerichtet.

BaselOffiziellen Statistiken zu Folge handelt es sich bei der StadtBasel um eines der am dichtesten besiedelten GebieteEuropas mit sehr geringen Leerstandsraten und einem daherangespanntem Wohnungsmarkt. Vielleicht durch dieseBegrenztheit an Raum begründet, gab es in Basel eineVielzahl an Besetzungen in den 1980er Jahren, die zunächstGroßteils toleriert wurden (abgestimmt wurde mit demschweizerischen direkten Demokratie Ansatz häufig durchVolksabstimmungen). In den 1990er Jahren scheint sich eineTrendwende ergeben zu haben, in der Zwischennutzungenals Instrument der Wertsteigerung einer Immobilie vor allemfür größere Areale von Seiten der Immobilienfirmen erkanntwurden (federführend war hier das nt*/areal auf einem altenGüterbahnhof). Auch die Stadt Basel ist inzwischen an derDurchführung von Zwischennutzungen beteiligt und hat imZuge der Entwicklungen der vergangenen Jahre eineressortübergreifende Koordinationsstelle fürZwischennutzungen eingerichtete. Zwischennutzungenwerden so also offen (auch) als Wertsteigerung fürImmobilien gehandhabt. Inwiefern diese ökonomischenEffekte auch an die Zwischennutzer_innen weitergegebenwerden bleibt unklar. Weiterhin erscheint der Zugang zuZwischennutzungen in erster Linie räumlich, also auf dieImmobile, bezogen und nicht als vorderstes Kriterium amBedarf an Raum in Basel orientiert.

Berlin Durch sehr hohe Leerstandszahlen nach dem Mauerfall undeine lange Tradition der selbstbestimmten und relativderegulierten Aneignung von Räumen durch Nutzer_innenblickt Berlin auf eine vielseitige Geschichte derLeerstandsnutzungen zurück. Selbstorganisierte Freiräumeschienen in einer Stadt mit geringer Besiedlungsdichte undeinem Überschuss an Raum an vielen Stellen möglich zu

sein. Heute hat sich der Umgang mit Leerstand in Berlinjedoch geändert: Die Stadt konnte sich als aufstrebendeKreativwirtschaftsmetropole positionieren und mit denInvestitionen stieg auch der Verwertungsdruck auf leereRäume. Bei einer gleichzeitigen hohen Segregationfokussierte die Stadtpolitik auf einzelne sozio-ökonomischbenachteiligte Quartiere und investieret in die Belebung derErdgeschoßzonen als Impuls für die Aufwertunginnerstädtischer Viertel. Die Zwischennutzungsagentur ist inkleinräumiger und kommunikativer Planung in Neuköllntätig und vermittelt zwischen raumsuchendenKünstler_innen und Kreativen und Eigentümer_innen. Dasnördliche Neukölln ist heute ein In-Viertel mit zahlreichenLokalen, steigenden Wohnungsmieten und einereinkommensschwachen Bevölkerung. Gefahren einerkleinräumigen Aufwertung von Stadtteilen werden hierdeutlich und stehen bereits zur öffentlichen Diskussion.

BremenBremen als Kleinstadt mit geringer Bevölkerungsdichte weistaktuell drei interessante Beispiele für den Umgang mitLeerstand auf: Erstens hat Bremen – nach Hamburger Vorbild– einen öffentliche und partizipativen Leerstandmelder –eine interaktive Karte auf der jede_r Leerstand öffentlichmachen kann und man sich über Hintergrundinformationenund Entwicklungen durch eine Kommentarfunktionaustauschen kann. Zweitens wurde künstlerische undkreative Zwischennutzungen gezielt für das Branding einesneu gebauten Stadterweiterungsgebiets – Überseestadt –genutzt. Drittens gibt es in Bremen seit drei Jahren die ZZZ(Zwischenzeitzentrale), ein Planungsbüro, das inzwischengefördert durch öffentliche Gelder, selbstinitiativLeerstandsnutzungen vermittelt. Ihr Anspruch ist es für allePersonen, deren Raumbedarf nicht über den normalenImmobilienmarkt gedeckt werden kann, Alternativen zufinden. Es handelt sich so um einen stärkerbedarfsorientierten Ansatz, dessen Belebungs- undWertsteigerungsimpulse allerdings auch von der Stadterkannt werden und gefördert.

ZürichZürich zeichnet sich analog zu Basel durch einen sehrangespannten Wohnungsmarkt an mit offiziellen Angabenzum Wohnungsleerstand von unter 0,1%- Auch Zürich blicktauf eine Vergangenheit mit aktiver Selbstaneignung undBesetzung von Gebäuden und Wohnungen zurück undzeichnet sich heute vor allem durch institutionalisierte großeZwischennutzen aus, die entweder durch privateEigentümer_innen oder die öffentliche Hand etabliertwurden. Interessant erscheint am Beispiel Zürich vor allemdie jährliche stattfindende Leerwohnungs- undLeerflächenerhebung, an deren Teilnahme alleEigentümer_innen gesetzlich verpflichtet sind.

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Page 38: Perspektive Leerstand Teil 2

5Empfehlungen: wichtigePunkte für Wien

Vor dem Hintergrund einer in dieser Studie vorgenommenensowohl mehrdimensionalen als auchakteur_innenbezogenen Betrachtung von Leerstand in Wienwerden in diesem Kapitel die wichtigsten Erkenntnissezusammengeführt und als Empfehlung für den zukünftigenUmgang mit Leerstand in Wien formuliert. DieseEmpfehlungen sind ebenso als Reflexion auf die ebenfalls indieser Studie vorgenommene überblicksartige Darstellungvon internationalen Beispielen zu verstehen.Dabei gehen wir zum einen auf einen Vorschlag für eineVeränderung von Begrifflichkeiten ein und formulierendarüber hinaus kurz- und langfristige Empfehlungen. DieseEmpfehlungen sind als Anregungen zu verstehen undmüssen im weiteren analytischen Verlauf sowie im Rahmeneines weiteren kontinuierlichen Diskussionsprozessesrelevanter städtischer Akteur_innen vertieft und verhandeltwerden.

Leerstandsnutzung statt

Zwischennutzung!

Vor dem Hintergrund einer häufigen Instrumentalisierungvon Zwischennutzungen, temporären Nutzen etc. imRahmen von stadträumlichen Aufwertungsprozessen seitensstädtisch-politischer Akteur_innen sowie Investor_innenerscheint es uns sinnvoller aus der Perspektive derNutzer_innen von Leerstandsnutzungen zu sprechen als vonZwischennutzungen, denn dies inkludiert unterschiedlicheNutzungsarten in unbegrenzten Zeithorizonten zu sichunterscheidenden Kriterien. So zeichnen sichLeerstandnutzungen in unserem Verständnis durch unteranderem folgende Charakteristika aus:

- Alternatives Mietabkommen – da es sich um Nutzungen handelt die über den normalen Wohnungsmarkt keinen Zugang zu Räumen haben.

- Selbstorganisation – ein weiteres Merkmal ist ein gewisser Grad an Selbstbestimmtheit der Nutzung durch die Nutzer_innen (im Sinne eines Freiraums).

- Alternative Nutzung – häufig handelt es sich um Nutzungen, die (in erster Linie) nicht-profitorientiert sind, sondern sozio-kulturellen Mehrwert generieren wollen.

Der Begriff Leerstandsnutzungen nimmt also bewusstAbstand von dem temporären Aspekt der in dem WortZwischennutzung anklingt. Obwohl wenige bestimmteNutzungen auch nur temporären Raumbedarf aufweisen,stellen zeitlich stark begrenzte Räume für die meistenNutzungen eine Notlösung dar und eigentlich ist einlangfristiger Bedarf vorhanden. Überdies impliziert der Zwischennutzungsbegriff auchseitens städtischer Interessen oder Interessen vonImmobilienverwerter_innen, dass eigentliche andereNutzungen – im Sinne profitablerer Nutzungen – anvisiertwerden, was gleichzeitig eine Unterscheidung in ‚gute‘(rentabel) und ‚schlechte‘ (unrentabel) Nutzungenbeinhaltet. So ist in dem Begriff der Gedanke derInwertsetzung von Immobilien bereits angelegt und lässtGefahren der Instrumentalisierung von Kunst- undKulturarbeitenden innerhalb eines größeren Prozesses derKommodifizierung des Wohnungsmarktes anklingen

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Empfehlungen – Raumbedarf jetzt!

Im Folgenden werden Empfehlungen formuliert, die vorallem darauf abzielen kurzfristig den akuten Raumbedarfvon Personen und Gruppen in Wien zu befriedigen.

Fokus muss am Bedarf liegen!Eine zukünftige Fokussierung sehen wir vor allem auf dieBedarfsorientierung von Leerstandsnutzungen. Sindbisherige Leerstandsstrategien vor allem darin begründetaktiv gegen auftretenden Leerstand (und da vor allem in derErdgeschosszone) aufzutreten und nach geeignetenStrategien zu suchen, so orientieren sich diese Strategien vorallem an der Beseitigung des räumlichen Leerstands. Erst imZuge dieser Überlegungen werden Fragen laut werzukünftige Mieter_innen sein können. Sehr oft rücken dabeivor allem sogenannte kreative Akteur_innen undAktivist_innen in den Mittelpunkt. Wir sind der Meinung,dass die zentrale Frage lauten sollte: Welche Personen undGruppen brauchen Raum und welche Art von Räumenbrauchen sie? Diese Betrachtungswiese lehnt die räumlicheFokussierung auf einzelne Straßen und die gezielteAufwertung von Stadtteilen bewusst ab. Darüber hinaus sindwir der Meinung, dass sich mit dieser Betrachtungsweise daszukünftige Nutzer_innenspektrum leerstehender Räumeausweiten und ausdifferenzieren lässt und sichmöglicherweise stärker aus nachbarschaftlichenZusammenhängen generieren lässt.

Reagieren statt regieren!Wie die Beispiele Amsterdam und Schweiz (und hier vorallem der Umgang mit Besetzungen) deutlich machen,erscheint es wünschenswerter anstelle von künstlicherzeugten Kreativquartieren und der gezielten undtemporären Ansiedlung von künstlerischen Projekten zurInwertsetzung von Immobilien auf bereits Entstehendes undSelbstinitiiertes zu reagieren und so z.B. Hausbesetzungen zulegalisieren.

Debatte soll nicht nur um Erdgeschoßzonen kreisen!Im derzeitigen Fokus der Aufmerksamkeit und Debatte inWien liegen vor allem die Erdgeschosszonen, weil diese auchzur Belebung des öffentlichen Raums beitragen (bzw. imsemi-öffentlichen Raum liegen) bzw. entscheidend sind,wenn es um das augenscheinliche ‚Leben‘ und ‚Sterben‘ vonganzen Stadtquartieren geht. Auch wenn keine verlässlichen

Zahlen vorliegen, sind wir in Wien aber ebenso mit einemLeerstand im Wohnungsbereich sowie im industriellen/ gewerblichen Bereich konfrontiert, sodass die Fokussierungauf die Erdgeschosszonen zu kurz greift. Darüber hinausmüssen von Seiten des Bedarfs auch nicht alle Räume immerin der Erdgeschosszone liegen, da nicht für jede Nutzung einLadenlokal notwendig oder erwünscht ist.

Leerstandsdaten offenlegen!Wie bereits deutlich geworden ist, ist es schwierig in WienLeerstandsdaten zu erhalten. Es gibt diverseunterschiedliche, informelle, nicht-öffentliche Aufzeichnungvon leerstehenden Räumen. Es erscheint jedochwünschenswert, diese Daten öffentlich zu machen. Denkbarund wünschenswert sind vor allem interaktive undpartizipative Formen der Leerstandsermittlung, da dieDynamik in diesem Bereich mit anderen Mitteln schwerabbildbar ist. So erscheint eine partizipative Plattform wieder leerstandsmelder.de in Deutschland sinnvoll, da jede_rInformationen über Leerstände veröffentlichen und abrufenkann.

Faire Prekariatsverträge!Als kurzfristiges Mittel, um den akuten Raumbedarf vielersozialer, kultureller und künstlerischer Gruppen zu decken,erscheinen Zwischennutzungen manchmal als akzeptable(Not)Lösung. Wichtig erscheint hier das Aufsetzen fairer undklarer Prekariatsveträge, die die Dauer und die Rechte derNutzer_innen als Mieter_innen sichert.

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Empfehlungen – langfristiger Umgang

mit Leerstand!

Die Mieten sind zu hoch!Durch die Fokussierung auf den Bedarf und also die(potentiellen) Nutzer_innen von Leerstand tritt dieLeistbarkeit als zentrales Thema hervor – der ungedeckteRaumbedarf und damit das Bestreben eineLeerstandsnutzung zu initiieren, begründet sich vor allem indem Umstand, dass es vielen Personen und Gruppen in Wienfinanziell nicht möglich ist über den normalen Markt Räumezu mieten.

Leerstandsmanagement mit gesamtstädtischerPerspektive!Aus dem Fokus der Bedarfsperspektive nach Räumen folgt,dass ein Leerstandsmanagement eine übergeordnetegesamtstädtische Perspektive haben muss und nicht alleinaus der Stadtteilperspektive und der räumlichenLeerstandssituation vor Ort – und da vor allem im Sinne derAufwertung und Belebung – heraus argumentiert werdensollte. Die erste Frage soll lauten: Wo liegt der Bedarf? Diezweite: Welche Räume stehen zur Verfügung? Einegesamtstädtische Perspektive meint vor allem einestrategische Orientierung und Positionierung seitens derStadt zum Themenfeld Leerstand in seiner ausdifferenziertenErscheinung. Erst dann und darauf aufbauend fügen sichstadtteilebezogene Strategien in ein Gesamtbild. Es giltweiterhin die bereits vorhandenen stadtteilbezogenenStrategien, die es in Wien schon gibt, stärker transparent zumachen und zu diskutieren, um sie in eine gesamtstädtischePerspektive integrieren zu können. Eine gesamtstädtischeund transparente Förderstrategie für die Wiederbelebungund Renovierung von Leerstand durch Nutzer_innen selbsterscheint beispielsweise als eine wichtiger erster Schritteiner gesamtstädtischen Strategie.

Ressortübergreifendes Leerstandsmanagement!An vielen Magistraten und Geschäftsstellen der Stadt Wienwir über das Thema Leerstand und dessen Nutzungdiskutiert und einzelne Aspekte davon werden aktiv inAngriff genommen. Wichtig für einen nachhaltigen Umgangmit Leerstand – und auch vor dem Hintergrund der obengeforderten gesamtstädtischen Perspektive – erscheint dieÜberwindung eines sektoralen Denkens und sektoralerZuständigkeiten sowie die ressortübergreifende Vermittlungund Förderung von Leerstandsnutzungen.

Gefahren von Belebung mitdenken!Der strategische Einsatz von Leerstandsnutzung zurBelebung von Stadtteilen wird oft mit der Hoffnung aufderen Aufwertung in Zusammenhang gebracht. Hinter demneutral gebrauchten Wort der „Aufwertung“ verbirgt sich oftdie ökonomische Inwertsetzung eines Quartiers und kann soeine Mietpreissteigerung und Verdrängungsdruck für dieansässige Bevölkerung bedeuten. Gentrifizierung ist dieÜbersetzung von sozialer Ungleichheit in den Raum undkann sozial segregierte und polarisierte Städte erzeugen.Wenngleich die Verbesserung von Lebenslagen fürBewohner_innen in einem Stadtteil Teil sozial gerechterStadtplanung sind, gehen eben damit oft Aufwertungs- undsomit Verdrängungsprozesse einher. In diesem Kontext istein bewusster und reflektierter Umgang mit derInstrumentalisierung von Aufwertung erforderlich. DieAkteur_innen in den Gebietsbetreuungen sind sich dieserGefahr durchaus bewusst.

Fokus soll nicht nur auf Creative Industries liegen!Der Fokus bei der Nutzung von Leerstand soll nicht nur aufCreative Industries liegen – die sich seit Richard Floridas„Creative Class“ als Aufwertungsmotoren imstadtplanerischen Denken etabliert haben. Im Sinne einersozial nachhaltigen Stadtpolitik sollte – wie obenbeschrieben – nach dem tatsächlichen Bedarf an Raumgefragt werden bzw. aus dem (Sozial)Raum herausentwickelt werden. Dabei gilt es vor allem auch an Gruppenzu denken, die möglicherweise nicht die Ressourcen habensich im stadtpolitischen Diskurs Gehör zu verschaffen. Damiteinhergehend sehen wir einen Sensibilisierungsprozess beivor allem sog. kreativen Akteur_innen im Sinne ihrer Rolle alsmöglicherweise auftretende Aufwerter_in erforderlich. Dieskann nur durch einen offenen und diskursiv angelegtenDiskussionsprozess erfolgen.

Vermittlung zwischen Nutzer_innen undEigentümer_innen anbieten!Vor allem die heterogene Gruppe derEinzeleigentümer_innen stellen eine komplexeAusgangslage für Leerstandsnutzungen dar, da ihreMotivlage hinter dem Leerstand vielfältig sein kann. Einekompetente Stelle könnte eine Hilfestellung bei derKommunikation zwischen Eigentümer_innen und

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Page 41: Perspektive Leerstand Teil 2

Nutzer_innen sein. Wichtig erscheint bei einer derartigenStelle vor allem, dass diese alle Personen und Gruppengleichwertig als potentielle Nutzer_innen und Interessiertevertritt. Die Wirkungskraft solch einer Vermittler_innenrollekann jedoch nur bei entsprechender finanziellerAusstattung, politischer Legitimation sowie umfangreicherVernetzung zu Initiativen vor Ort als auch zu politisch-administrativen Akteur_innen erfolgreich sein.

Nachdenken über steuerrechtliche Mittel zurVermeidung von spekulativem Leerstand!Die (steuer)rechtlichen Bedingungen rund um das ThemaLeerstand sollten offener diskutiert werden, um Wissen,Bewusstsein und Widerstand im Bezug auf spekulativenLeerstand zu erlauben.Wünschenswert erscheint ein Nachdenken in Richtung eines(steuer)rechtlichen Anreiz- oder Bestrafungssystems vonLeerstand und dessen Nutzung, um Eigentümer_innen zurÖffnung ihrer leerstehenden Räume zu motivieren.

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Page 42: Perspektive Leerstand Teil 2

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Page 44: Perspektive Leerstand Teil 2

Team der StudieWissenschaftliche Leitung:

DIin Wencke Hertzsch, ISRA,

Department für Raumplanung, TU Wien

MA Mara Verlic, ISRA

Department für Raumplanung, TU Wien In  Kooperation mit:    

Wissenschaftliche Mitarbeit:                                 

MA Alice Hamdi

Willi Hejda

DI Wolfgang Kiselka

ISRA, Department für Raumplanung,

TU Wien

Beauftragt durch:                                   Gefördert durch:

Interessens Gemeinschaft Kultur Wien          MA 7 Kulturabteilung,Stadt Wien