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Christoph Beck (Hrsg.) Personalmarketing 2.0 Vom Employer Branding zum Recruiting 2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland

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Christoph Beck (Hrsg.)

Personalmarketing 2.0Vom Employer Branding zum Recruiting

2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage

eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland

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Personalmarketing auf den Kopf gestellt: Die Vorgesetzten der Verkehrsbetriebe Zürich bewerben sich bei Interessenten

Jörg Buckmann

Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter.Tun Sie coole Dinge, die funktionieren.Riskieren Sie etwas.

Diese wunderbare Umschreibung von Leidenschaft, Engagement und Beson-derheit als zentrale Erfolgsfaktoren (Peters 2007) steht inspirierend für die Idee der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), im Personalmarketing die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Das „coole Ding“ der VBZ: Sie nehmen die Entwicklung des Arbeitsmarkts hin zum Arbeitnehmermarkt wörtlich und stellen den Bewer-bungsprozess auf den Kopf. Ihre Vorgesetzten bewerben sich persönlich bei den Stellensuchenden – Internet und Videotechnologie machen’s möglich.

1 Personalmarketing 0.2

Kein HR-Anlass, bei dem nicht der viel beschworene War for Talents, Employer Branding oder eben „Personalmarketing 2.0“ auf der Agenda steht. In der Tat hat sich in den letzten Jahren mit dem Personalmarketing eine vergleichsweise junge Disziplin etabliert. Es zielt auf eine schwindende Zielgruppe ab, die Arbeit-nehmer. Das Verständnis, nicht nur Konsumgüter, sondern auch Stellen und die Unternehmen als Arbeitgeber professionell zu vermarkten, hat die Human-Resources-Welt erobert. Kampagnen, E-Recruiting oder Employer Branding sind keine Fremdwörter mehr und die Unternehmen nutzen das Internet für die Bewerberansprache auf breiter Front. Jetzt erobern die Social Media auch die Welt der Personaler. Personalmarketing 2.0 ist im Alltag angekommen und die Theorie sitzt bei den HR-Verantwortlichen schon gut. Doch was kommt davon im real existierenden Alltag jenseits von Hochschulmarketing und dem harten Kern innovativer und vorausdenkender Social-Media-Aktivisten eigentlich an?

1.1 Personalmarketing – mit den Waffen unserer Großväter

Mit Blick auf die noch immer stark verbreiteten Stelleninserate in den Printme-dien fällt die Bilanz ernüchternd aus. Es scheint, als wollten noch viele Unter-nehmungen mit den Personalmarketingwaffen unserer Großväter in den War for Talents ziehen. Was im Fahrzeugmarkt schon als Oldtimer durchgehen würde, wird im Vermarkten freier Stellen ungeniert praktiziert. Textlastige, floskel-triefende (und teure!) Inserate, (ab-)geschrieben von Menschen, deren Talente

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durchaus im Human Resources Management liegen mögen, aber wohl kaum im Schreiben und Gestalten eines Werbetextes. Doch genau darum geht es: Das Stelleninserat ist eine Werbeanzeige. Punkt. Die Evolution dieser Werbeform scheint sich jedoch seit den 1950er-Jahren auf einige gestalterische Retuschen und die Anreicherung mit Fotos stets glücklicher Frauen und Männer aus den in Mode gekommenen Bilderdatenbanken zu beschränken.

Dieser hartnäckigen Veränderungsresistenz konnte selbst der revolutionäre Sie-geszug des Internets nur wenig anhaben: Die elektronischen Klone der Stellen-inserate werden jetzt einfach noch zusätzlich auf der eigenen Website und bei Online-Stellenplattformen geschaltet.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch oft weit auseinander. Geradezu grotesk wird es dann, wenn man zur emotionslosen Personalwerbung einen weiteren, in Social-Media-Zeiten immer weniger akzeptierten Aspekt dazu kombiniert: jenen der ungleichen Informationsspieße zwischen Unternehmung und Bittsteller.

1.2 Die Katze im Sack kaufen

Die Konsumenten von heute sind aufgeklärt, niemand kauft mehr die Katze im Sack. Produkte und Dienstleistungen werden aufwendig und emotional beworben. Ausnahme sind die 500.000 Arbeitnehmer, die sich jedes Jahr in der Schweiz für eine neue Stelle interessieren. Während Reiseveranstalter, Zahn-ärztinnen, Steuerberater, Handwerker oder Partnersuchende umfassend, pro-fessionell und mehr und mehr auch emotional über ihre Vorzüge informieren, bleibt die Bewerbung freier Stellen davon unbeeindruckt. Der Kunde ist König? Nein, hier läuft es umgekehrt. Mit dem oft spärlichen Wissen aus den wenig aussagekräftigen Stelleninseraten bieten sich die Bewerber – oder treffender Bitt-steller? – mit aufwendigen Bewerbungsdossiers und ganz vielen persönlichen Informationen an. Sie tun dies oft ohne jeden Anhaltspunkt über das Betriebs-klima, den Arbeitsplatz und insbesondere ohne jemals den vielleicht wichtigs-ten Faktor der angepeilten Stelle kennengelernt zu haben: die Chefin oder den Chef.

Langweilige Personalwerbung und ungleiche Spieße im Bewerbungsprozess: Personalmarketing 2.0 sieht anders aus. Vielerorts, so scheint es, ist man auf dem Weg dahin erst bei der Personalmarketing-Wegmarke 0.2 angekommen.

1.3 Die Verkehrsbetriebe Zürich im Jahr 2010 – Personalmarketing 0.2

Viel eher Personalmarketing 0.2 denn 2.0 haben auch die Verkehrsbetriebe in Bezug auf die Nutzung des Internets bis 2010 betrieben. Das Internet war infor-mativ, aber fast ausschließlich textlastig. Es wirkte etwas verstaubt und langweilig (vielleicht ganz so, wie man es von einer öffentlich-rechtlichen Dienstabteilung der Stadtverwaltung Zürich erwarten würde). Die Stelleninserate wurden auf-

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wendig und in Fließtext formuliert – ohne Emotionen und sehr teuer. Gespart wurde dafür beim Aufwand der Online-Versionen der Inserate: Diese waren praktischerweise mit der Printversion identisch.

1.4 Die Personalmarketingstrategie

Die Verkehrsbetriebe Zürich stellen jährlich 200 neue Mitarbeitende an, Ten-denz durch die demografische Entwicklung und den Angebotsausbau steigend – auf bis zu 250 im Jahr 2015. Mit den Waffen unserer Großväter lässt sich dieser Bedarf künftig nicht mehr decken. Darum wurde 2009 eine auf fünf Jahre ausge-richtete Personalstrategie ausgearbeitet und davon abgeleitet im Jahr darauf eine Personalmarketingstrategie. An deren vier strategischen Stoßrichtungen richten die VBZ ihre Aktivitäten im Personalmarketing konsequent aus.

Abb. 1: Die VBZ-Personalmarketingstrategie (Infografik: VBZ)

In der Vermarktung der freien Stellen setzen die VBZ auf Kreativität, ganz stark auf das Web 2.0 und die neuen Medien, auf Authentizität und ihre wohl wich-tigsten Werbeträger: die Chefinnen und Chefs.

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2 Personalmarketing neu denken

2.1 Wir bewerben uns

Der Arbeitsmarkt in Zürich ist hart umkämpft. Die Arbeitslosigkeit beträgt im Sommer 2011 in der deutschsprachigen Schweiz gerade einmal 2,8 Prozent. Es herrscht de facto Vollbeschäftigung und immer mehr Firmen siedeln sich im Großraum Zürich an. Der Arbeitsmarkt ist definitiv zum Arbeitnehmermarkt mutiert und wird dies mit einigen konjunkturellen Nuancen auch bleiben. Arbeitnehmer in fast allen Branchen und Berufsfeldern wählen künftig ihren Arbeitgeber aus (viele von ihnen tun dies heute schon). Dieser Trend beschränkt sich längst schon nicht mehr auf die stark umworbenen Segmente der soge-nannten High Potentials – häufig gleichgesetzt mit Hochschulabgängern – oder jenem der Ingenieure. Im Arbeitnehmermarkt Zürich wählen beispielsweise auch Busfahrer, Mechaniker, Lackierer oder Automatiker ihren Arbeitgeber aus und nicht mehr umgekehrt.

Die VBZ nehmen die veränderten Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und im Bewerbungsprozess wörtlich. In der Personalwerbung heißt es darum jetzt: „Wir bewerben uns.“ Diese drei Worte bringen die Denkhaltung im Personal-marketing auf den Punkt. Potenzielle Mitarbeitende rücken in den Kundenstatus auf und die VBZ werben dementsprechend um sie. Frisch, informativ, authen-tisch und persönlich. Die Waffen unserer Großväter, die uninspirierten Stellen-inserate und ihre lieblosen Klone aus den Online-Stellenplattformen mutieren dabei zur Randnotiz.

2.2 In der Personalmarketinghauptrolle: Die Vorgesetzten

Früher war die HR-Welt (vermeintlich) noch in Ordnung: Die Linienvorgesetz-ten lösten die Stellenbesetzung aus und kamen dann später im Auswahlverfahren wieder zum Zug. Die Personalabteilung kümmerte sich um die Ausschreibung. Doch das Produkt „Stelle“ ist vielschichtig und komplex. Kein Wunder, schei-tern viele Personaler daran, es in Worte zu fassen und präzise zu formulieren. Von einer so richtig packenden Beschreibung ganz zu schweigen. Doch je kom-plexer die Sache, desto entscheidender die Person, die diese Sache vertritt. Die persönliche Visibilität, das Festmachen eines komplexen Themas an einer dafür verantwortlichen Person ist einer der am meisten unterschätzten Erfolgsfaktoren in der HR-Kommunikation (Jäger/Rolke 2011).

Diesem Gedanken folgend binden die VBZ die Vorgesetzten in einer noch nie da gewesenen Form und Intensität auch in die Personalwerbung ein: Die Chefs bewerben sich mit ihrer freien Stelle gleich persönlich bei spannenden Berufs-leuten! Eigentlich naheliegend, denn wer könnte dies besser, realistischer und glaubwürdiger tun? Die Vorgesetzten erklären den Interessierten die Aufga-ben und Herausforderungen meist direkt am künftigen Arbeitsplatz, erzählen,

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welche Kompetenzen und Erfahrungen erwünscht sind, wie sie selber zu den VBZ gekommen sind bzw. welchen Weg sie im Unternehmen gemacht haben und was sie – auch privat – bewegt.

Potenzielle Stellenbewerber erhalten so bereits vor dem Bewerbungsentscheid viele Fakten und Impressionen aus dem Arbeitsumfeld und lernen ihren neuen Chef kennen. Erst dann entscheiden sie auf der Basis dieser authentischen Informationen und der subjektiven Eindrücke (Bauchgefühl), ob sie sich über-haupt bewerben wollen. Diese ehrliche und unkomplizierte Kommunikation auf Augenhöhe sorgt für Transparenz. In Verbindung mit den kundenfreundlichen Bewegtbildern weicht sie die von den Bewerbenden immer weniger akzeptierte Informations-Asymmetrie im Bewerbungsprozess auf (Beck 2009). Dadurch werden nicht nur die Stellen attraktiver beworben, sondern die VBZ gewinnen ganz generell an Arbeitgeberattraktivität.

2.3 Darum setzen die VBZ auf das Internet

Worauf denn sonst? Das Internet ist Alltag geworden. Fast 90 Prozent der Schweizer im Erwerbsalter nutzen es mehrmals pro Woche und jeder Fünfte surft bereits mit dem Smartphone (vgl.: EIAA Mediascope 2010; Bundesamt für Statistik (Schweiz) 2010).

Die Nutzungsunterschiede zwischen Geschlecht, Alter und Bildung werden immer marginaler. Kein anderes Medium erreicht bei der relevanten Zielgruppe der 14- bis 65-Jährigen annähernd solche Spitzenwerte – schon gar nicht die Printmedien. Für die Menschen ist die Internetnutzung heute so selbstverständ-lich wie Zeitunglesen oder Fernsehen. Das Internet ist schnell und kostengüns-tig. Es bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, Informationen attraktiv aufzube-reiten und mit den Bewerbern in Kontakt zu treten. Darum drängt es sich für Personalmarketing und Recruiting geradezu auf. Mit dem Siegeszug des Inter-nets haben sich auch die Online-Stellenbörsen endgültig etabliert. Ihre Zugriffs-zahlen steigen stetig und sie laufen den alteingesessenen Printprodukten mehr und mehr den Rang ab.

Darum haben die VBZ das Internet zum Taktgeber im VBZ-Personalmarketing gemacht. Das volle Informationspaket rund ums Arbeiten bei den Verkehrsbe-trieben Zürich gibt es im Internet – und nur dort. Zusätzlich werden alle freien Stellen immer auch auf allen großen Schweizer Online-Stellenplattformen aus-geschrieben. Ein absolutes Muss, denn neun von zehn Schweizern nutzen nach einer Arbeitsmarktstudie der führenden Schweizer Mediaagentur Prospective diese Kanäle, um eine neue Stelle zu suchen.

Das Internet in den Mittelpunkt der Personalkommunikation zu stellen, macht auch mit Blick auf die Entwicklung in den sozialen Netzwerken Sinn. Diese stel-len im Moment gerade nichts weniger als mehrere Jahrzehnte bewährter Per-sonalarbeit grundlegend auf den Kopf. Die Informationshoheit der Unterneh-

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mungen ging in kurzer Zeit verloren. Aus der Einwegkommunikation zwischen Unternehmen und Bittsteller wird mehr und mehr ein Dialog auf Augenhöhe mit Anbietern von stark nachgefragtem Fachwissen und Talent, sprich mit poten-ziellen Mitarbeitenden. Dieser Dialog wird, nicht nur, aber auch, im Web 2.0 geführt. Das ist spannend, es ist aufregend neu – und es ist anspruchsvoll. Die VBZ sind von dieser Entwicklung überzeugt, gerade im urbanen Zürich. Die Fokussierung auf das Internet ist darum auch die Grundlage, um das Personal-marketing optimal mit jenen Plattformen zu vernetzten, auf welchen sich poten-zielle Bewerber Informationen beschaffen und sich austauschen. Dazu gehören heute für die Verkehrsbetriebe Zürich Facebook, Xing und YouTube. Morgen wahrscheinlich andere oder weitere.

2.4 Videos: Das VBZ-Personalmarketing lernt laufen

Mit Videos können Informationen und Emotionen in einer Dimension vermit-telt werden, wie sie in den Printmedien bislang undenkbar waren. Kein Wunder, dass Bewegtbilder auch im Personalmarketing immer wichtiger werden: Sie kommen dem Informationsverhalten (nicht nur der jüngeren) Zielgruppen entgegen. Sie lassen sich nicht nur immer leichter produzieren, sondern auch problemlos in die verschiedenen Internetkanäle einbinden. Videos treffen den Zeitgeist, wie Professor Dr. Christoph Beck bestätigt. Es seien die Bewegtbilder, die Distanz zu einem Unternehmen abbauen, formelle und informelle Informa-tionen bewusst und unbewusst transportieren, Einblicke in den Alltag ermögli-chen und Menschen zu Menschen sprechen ließen, davon ist er überzeugt. Den Nutzen von Videos bestätigt auch eine Studie der FH Düsseldorf, die diesem Medium einen höheren Erinnerungswert und sogar eine höhere Bewerbungs-bereitschaft zuschreibt.

Die Verkehrsbetriebe Zürich setzen konsequent auf Internet und Jobvideos. Konsequent heißt, dass nicht nur für einzelne, ausgewählte Stellen ein Video produziert wird, sondern für jede einzelne. So werden pro Jahr rund 40 Videos produziert. Dieses gradlinige Verfolgen der Online- und Videostrategie ent-spricht einem klaren Bedürfnis der Erwerbstätigen. Internetkarriereseiten sind gemäß einer Studie zur Wirkung von Social Media im Personalmarketing der Hochschule RheinMain aus Sicht der Bewerbenden heute schlicht eine Pflicht und über 30 Prozent der Fach- und Führungskräfte wünschen sich ganz expli-zit Videos zur Informationsbeschaffung. Ein weiterer Zusatznutzen: Videos sind auch ein hervorragendes Medium zur Selbstselektion der Bewerber (Bernauer/Hesse/Laick/Schmitz 2011).

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2.5 Wir bewerben uns: Film ab für die Vorgesetzten

Die VBZ produzieren für alle freien Stellen Jobvideos, der Chef bewirbt darin seine Stelle gleich selber. Die Videos sind auf der VBZ-Homepage unübersehbar als Mittelpunkt des neuen Personalmarketings erkennbar. Jeder Kurzfilm dauert vier bis fünf Minuten. Was einfach und locker wirkt, ist durchdacht und mit Herzblut entwickelt. Informationstafeln zu Beginn und beim Abspann bilden den Rahmen, ein eigens komponierter Sound sorgt für hörbare Wiedererken-nung. Der Vorgesetzte stellt im Mittelteil des Videos die wichtigsten Aufgaben vor, zeigt den Arbeitsplatz und das Umfeld und erläutert, warum er bei den VBZ arbeitet. Aussagen zum Führungsstil und zu Hobbys oder Familie zaubern eine persönliche Note in die Filme und schärfen das Profil des künftigen Vorge-setzten.

Abb. 2: Sequenzen aus einem Jobvideo

Anders: Der Chef bewirbt sich. Ungeschminkt: Am Arbeitsplatz.

Authentisch: Der Chef über seinen Führungsstil.

Stringent: Die Employer Value Proposition.

Die Macherin der Videos, eine ehemalige Fernsehproduzentin, wurde bereits in die Vorarbeiten einbezogen. Ihr Gespür für das Machbare konnte so früh in die konzeptionellen Überlegungen einfließen. Ein erfolgskritischer Punkt, denn viele der über 150 Vorgesetzten arbeiten im Hintergrund und nur wenige von ihnen sind extrovertierte Persönlichkeiten.

Zwischen den Ohren muss es passieren: Die Vermittlung der grundsätzlichen Not-wendigkeit einer neuen Denke im Personalmarketing einerseits und die Über-nahme der Hauptrolle durch die Vorgesetzten in der Personalwerbung ande-rerseits waren die Schlüsselthemen auf dem Weg zu einer kundenorientierten

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Personalwerbung. Bevor die aufgefrischte Personalwerbung Wirkung erzeugen konnte, mussten die Hausaufgaben im internen Marketing gemacht werden. Als erstes bekannte sich die Geschäftsleitung mit einem klaren Commitment zur Idee. Im Anschluss daran galt es, Überzeugungsarbeit direkt in den Füh-rungsteams und individuell bei einzelnen Vorgesetzten zu leisten. Dabei wurden zwei bereits abgedrehte „Prototypen“ eingesetzt. Die Überzeugungskraft der Bewegtbilder half entscheidend mit, die abwartend-kritische Haltung einzelner Vorgesetzter aufzuweichen.

Parallel zur Informationsarbeit in den Abteilungen und Führungsgremien wurden die Vorgesetzten eingeladen, in zweistündigen Workshops über Mittag die Welt der Videos aktiv zu erleben. In Zusammenarbeit mit dem früheren Unterhaltungschef des Schweizer Fernsehens erhielten die Vorgesetzten in einer unverkrampften und lockeren Atmosphäre Tipps und Tricks für den Umgang mit und vor der Kamera. Sie konnten auch gleich spielerisch erste persönliche Erfahrungen mit der Kamera machen – zwei kurze Statements wurden aufge-nommen und gleich anschließend gemeinsam angesehen und beurteilt. Das stärkte das Selbstvertrauen und die Zuversicht der Vorgesetzten. Nach der zwei-stündigen Veranstaltung fanden viele, ja fast alle Teilnehmer die Idee wirklich gut und sie waren auch bereit, sich auf das Abenteuer Jobvideo einzulassen.

Zur Vorbereitung auf ihren Videodreh erhalten die Vorgesetzten spezielle Unter-lagen. Mit der sogenannten Kleeblatt-Methode können die Vorgesetzten ihre gedankliche Vorarbeit in vier Themenfeldern strukturieren. Die Führungskräfte bereiten ihre Statements eigenhändig vor, sie erhalten weder Vorgaben noch fer-tige Statements von HR oder der Kommunikationsabteilung. So sind die Job-videos ehrlich und authentisch. Schöner Nebeneffekt: Mit der intensiven Vor-bereitung gewinnt auch die Auseinandersetzung mit der Stelle und den genauen Anforderungen an die Wunschperson eine ganz neue Qualität.

Die Jobvideos vermitteln, was kein noch so aufwendiges Inserat schafft: Eindrü-cke, Emotionen, Informationen und Bilder. Sie ermöglichen allen Interessierten einen ersten Eindruck vom neuen Chef, vom Arbeitsumfeld und dem Arbeits-platz. Darüber hinaus wirken die Videos weit über die Welt der konkret und aktu-ell Stellensuchenden hinaus. Sie funktionieren geradezu als Turbo im Employer Branding. Sie unterstützen die VBZ in ihrer Absicht, sich am Arbeitsmarkt als einzigartig und mit einem realitätsnahen Profil aufzustellen und dadurch die Arbeitgebermarke positiv aufzuladen (Gmür Thommen 2006). Weil viele einem städtischen Transportunternehmen ein solches Vorgehen nicht zutrauen, reagie-ren sie verblüfft und neugierig. Dadurch werden die VBZ immer mehr auch als interessante Arbeitgeberin und nicht ausschließlich als Transportunternehmen für die Menschen der Stadt Zürich wahrgenommen.

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3 Crossmediale Strategie

Allein mit dem Schalten von Jobvideos ist es natürlich nicht getan. Verschie-dene Kommunikationskanäle leiten aktiv Stellensuchende und allgemein Inter-essierte auf die Internetseite der VBZ. Alle Wege führen nach Rom, im VBZ-Personalmarketing führen sie immer ins Internet und zu den Jobvideos. Mit der Nutzung unterschiedlicher Kommunikationskanäle sprechen die VBZ ver-stärkt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an ungewöhnlichen Orten an. Dazu nutzen sie die Chancen der neuen Kommunikationsmittel und reichern diese mit bewährten Kanälen an, denn: Niemand bewegt sich nur in den virtu-ellen Welten. Der Mix macht’s (Abb. 3). Absicht der VBZ ist es, den geänderten Kommunikationsgewohnheiten der Zielgruppen zu folgen und so die Durch-dringungskraft der Personalwerbung zu erhöhen. Das hoch gesteckte Ziel: Mehr Aufmerksamkeit bei niedrigeren Kosten.

Abb. 3: Die crossmediale Kommunikationsstrategie der VBZ (Infografi k: VBZ)

P U B L I C R E L A T I O N S

Doze

nten

tätigkeit an Fachtagungen und (Fach-)Hochschulen

Pressearbeit

PrintTeaserinserate in Fachzeitschriften

Stellenanzeiger/TageszeitungenMassenmedien

Ganzseitige Bewerbungsinserate

Face to FaceInformationsveranstaltung

Mitarbeiter werben MitarbeiterJobletter

(im-)mobileWerbeträger

Plakate und MegaposterFahrzeugwerbung

- innen-aussen

Onlinejobs.ch

jobwinner.chjobscout24.ch

punktuell weitere Websites

Social MediaYoutube

XingFacebookKununu

Smartphoneund Tablet

iPadiPhone

vbz.ch/jobs

play

Eher traditionell

Kommunikationskanäle

Web 2.0 orientiert

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3.1 Online

Alle freien Stellen werden auf vbz.ch/jobs geschaltet. Von dort übernehmen die drei großen Schweizer Online-Jobplattformen (jobs.ch, jobwinner.ch, job-scout24.ch) die Jobvideos mithilfe von Spiderprogrammen vollautomatisch auf ihre Seiten. So sind die VBZ-Jobvideos innerhalb weniger Stunden schweizweit flächendeckend online – und nach erfolgreicher Anstellung sofort wieder vom Netz. Auf den Stellenportalen nutzen die VBZ zusätzliche Werbemöglichkeiten wie zum Beispiel Banner oder Skyscraper situativ, um die Aufmerksamkeit bei schwierig zu besetzenden Stellen zusätzlich zu erhöhen.

Die Jobvideos sind eine ganz hervorragende Basis, um mit wenig Zusatzaufwand Social Media und andere, teilweise ganz neue Kanäle zu bespielen. Gerade latent Stellensuchende können so eher erreicht werden. In diesem Portfolio alternati-ver Kommunikationskanäle liegen vielversprechende Perlen, die zu entdecken sich definitiv lohnt.

3.2 Smartphone und Tablet

Jeder fünfte Schweizer geht regelmäßig mit seinem Smartphone oder Tablet-PC online – viele, um sich zu informieren. Darum haben alle großen Tageszei-tungen mittlerweile Apps, welche die Informationen leserfreundlich auf diese neuen Kommunikationsmittel optimieren. Wer in diesem Umfeld Personalwer-bung macht, gehört zu den First Movern und profitiert außerdem (derzeit noch) von günstigen Preisen.

Abb. 4: Jobvideo integriert in iPhone App

Der Tages-Anzeiger ist die größte und wichtigste (Bezahl-)Zeitung auf dem Platz Zürich. Auf deren Appli-kation haben die VBZ ihre Tramstel-len beworben (Bedarf 2011: 72 neue Fahrer). Durch das Antippen des Teaserstreifens (Bild links) wurde di-rekt das Jobvideo auf dem Display gestartet. 250.000 sogenannte Ad Impressions wurden eingeblendet, fast genau 10.000 Personen (4,1 Pro-zent) haben darauf reagiert und das Jobvideo angesehen. Das gleiche Prinzip mit der Einbindung von Job-videos kommt auch auf den Tablet PCs ausgezeichnet zur Geltung.

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3.3 Social Media

Die Verkehrsbetriebe Zürich setzen auf Social-Media-Kanäle nicht anstelle, sondern als Ergänzung zu den klassischen Kanälen. Denn mit dem Einzug von Web 2.0 hat sich auch das Medienverhalten der Menschen verändert. Dies ver-langt nach neuen Wegen im Personalmarketing (Bernauer/Hesse/Laick/Schmit 2011), weil aus der einseitigen „Push-Kommunikation“ mehr und mehr ein Dialog wird. Diesen wollen die VBZ nicht erst im Jobinterview, sondern mithilfe der eigenen Facebook-Karriereseite schon viel früher führen. Auch hier verlei-hen die Jobvideos der Seite mit wenig Mehraufwand Substanz und Bewegtbild-content. Damit gehören die VBZ in der Branche des öffentlichen Verkehrs, ja ganz allgemein zu den wenigen, die nicht nur von Facebook sprechen, sondern es auch nutzen. Dies tun nur gerade etwas mehr als acht Prozent der Firmen, wie das Institute for Competitive Recruiting (ICR) nachgewiesen hat.

Darüber hinaus sind die freien Stellen auf dem VBZ YouTube Channel geschal-tet und das Unternehmen ist im Businessnetzwerk Xing aktiv.

3.4 Face to Face

Auch in Zeiten von höchster Internetdurchdringung und von Social Media blei-ben die Kommunikationskanäle mit persönlichem Kontakt zu den Zielgruppen enorm wichtig. Informationsveranstaltungen der VBZ ziehen beispielsweise bis zu hundert Interessierte an. Die persönliche und detaillierte Information ist spe-ziell für die Fahrberufe wichtig, um Quereinsteigern ein realistisches Berufsbild zu vermitteln.

Einer der wertvollsten Personalwerbekanäle ist die Vermittlung von Kandidaten durch die eigenen Mitarbeitenden. Jede fünfte Neuanstellung erfolgt durch die Vermittlung eines VBZ-Mitarbeiters. Die VBZ pflegen diesen Kanal aktiv und sensibilisieren ihre 2.400 Mitarbeitenden mindestens einmal jährlich über ihre Möglichkeiten in der Personal(an)werbung.

Auch der mittlerweile 2.000 Abonnenten starke Jobletter gehört in einem etwas weiteren Sinne zur Kategorie der Face-to Face-Kanäle. Einmal pro Woche erhal-ten Interessierte eine E-Mail oder eine SMS mit dem Hinweis auf neu geschal-tete Jobvideos.

3.5 (Im)mobile Werbeträger

Die (über 500) blau-weißen Trams und Busse gehören zum Stadtbild von Zürich wie die Bahnhofstraße oder der Zürichsee mit seinem Bergpanorama im Hinter-grund. Die Fahrzeuge sind – innen wie außen – ideale Werbeträger, um die VBZ auch als Arbeitgeberin bekannt zu machen.

Dies gilt auch für Plakatständer, einem bewährten und kostengünstigen Medium. An stark frequentierten Orten wie dem Paradeplatz oder beim Hauptbahnhof

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platziert, erreichen die Botschaften täglich Zehntausende von Passanten. Und am Hauptsitz des Unternehmens hängt ein über 70 Quadratmeter großes Mega-poster.

3.6 Print

Zusätzlich zu den von der VBZ genutzten Kanälen gibt es – trotz allem – immer noch auch Printinserate. Denn ganz ohne „Papier“ geht es noch nicht, für einige wenige, spezifische Stellen respektive Zielgruppen ist Print noch immer Erfolg versprechend. Dazu gehören einige handwerklich-technische Berufe sowie Stel-len mit enorm hohem Bedarf und breiten Zielgruppen wie zum Beispiel für die Berufe im Tram. Und außerdem, wahrlich paradox, Kaderstellen, obwohl gerade Führungspersonen sowohl beruflich wie auch privat permanent Zugriff auf das Internet haben.

Abb. 5: Das Teaserinserat in Streifenform

Wenn in Ausnahmefällen Print Sinn macht, machen kleine, farbige Teaserinserate anstelle der teuren Stelleninserate auf das Jobvideo im Internet aufmerksam. Mit diesen auffälligen, aber platzsparenden In-seraten lassen sich im Vergleich zu den klassischen Stelleninseraten sat-te 40 Prozent der Kosten einsparen.

Ein weiterer, großer Vorteil: Die Inserate können auch im redaktio-nellen Umfeld geschaltet werden und Aufmerksamkeit bei Personen finden, welche den Stellenteil in der Zeitung überblättern (Abb. 5).

Die Teaserinserate gibt es als Strei-fen oder auch in rechteckiger Form (ohne Bild).

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4 Learnings

Was sind die Lessons Learned mit Blick zurück auf fast zwei Jahre Erfahrung mit dem Einsatz von Videos und der damit verbunden Multikanalstrategie im Personalmarketing? Als entscheidende Grundvoraussetzung hat sich die Konse-quenz erwiesen, mit der die Ideen umgesetzt wurden. Damit ist gemeint, dass kein „Plan B“ als Rückfallebene entwickelt wurde. Kein Netz und kein doppel-ter Boden. Fantasie, Neugierde für neue Kommunikationsmittel und Leiden-schaft in der Umsetzung haben das klassische Projektmanagement nicht nur ergänzt, sondern es ganz einfach substituiert. Vorprojekt? Project Office? Road Map? Schrittweise Einführung mit Reviewphase? Fehlanzeige. Die VBZ haben eine starke Idee in einem großen Schritt konsequent durchgezogen. Nicholas Negroponte, Direktor des MIT Media Laboratory, benennt den Vorteil dieses Vorgehens so: „Schrittweiser Zuwachs ist der schlimmste Feind der Innovation“ (Peters 2007).

Darüber hinaus haben die VBZ weitere wertvolle Erfahrungen gewonnen. Diese Praxisempfehlungen für den Einsatz von Jobvideos sind in der nachstehenden Abbildung zusammengestellt.

Strategisch denken

Attraktiv gestalten

Intern bewerben

Prozesse beherrschen

Die Geschäfts-leitung begeis-tern – und dann alle anderen, vor allem die Vor-gesetzten aller Stufen und die Bedenkenträger.

Profis frühzeitig, also schon in der Vorbereitungs- und Ideenfin-dungsphase, ins Boot holen.

Jobvideos sind kein reines Marke-tinginstrument, sondern ganz starke Personal- und Kulturent-wicklung.

Interne Abläufe von der Bestel-lung bis zur Frei-gabe des fertigen Jobvideos durch-denken und auf Papier bringen.

In ein lebendiges, informatives Internet als „Schaltzentrale“ investieren. Die Jobvideos in die Gesamtstrategie im Personal-marketing integrieren.

Ein überlegtes Filmkonzept aus-denken und sich differenzieren. Wenig vorgeben, ehrlich (und somit auch ein bisschen mutig) sein.

Ein richtig gutes internes Marke-ting betreiben: Persönlich aufklä-ren und überzeu-gen. Den schma-len Grat zwischen Freiwilligkeit und Druck meistern.

Den Zeitplan anpassen: Realis-tisch sind ca. zehn Arbeitstage von der Bestellung bis zur Realisierung. Und auch die Kos-ten transparent machen. Noch besser: zentral bei HR budgetieren.

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5 Erfolgreiche Bilanz

5.1 So kommt die neue Strategie an

„Tun Sie coole Dinge, die funktionieren“, ermutigt Querdenker Tom Peters. Die Strategie der VBZ funktioniert tatsächlich. Die Medien (Fernsehen, Radio, Zei-tungen) berichten auf breiter Front über das Vorgehen der VBZ. Das schafft zusätzliche und kostenlose Aufmerksamkeit auf dem Arbeitsmarkt. Die Vorge-setzten, die sich persönlich bei den Interessenten bewerben und der entspre-chende Informationsvorsprung für die Bewerber bringen den VBZ viele Sympa-thiepunkte. Die Arbeitgebermarke wird frischer und vom öffentlich-rechtlichen Mief entstaubt.

Die Fachwelt staunt über die Konsequenz, mit der ausgerechnet ein „öffentlich-rechtlicher Mittelständler“ die Personalmarketingstrategie umsetzt. Für den Queb (Verein Qualitiy Employer Branding, ein Zusammenschluss 46 namhafter Unternehmen Deutschlands) ist „Wir bewerben uns“ gar die beste Recruiting-Kampagne 2011.

Letztlich entscheidend ist aber die Wirkung auf der Bewerberseite und die hat es in sich: Kaum ein Bewerbungsdossier, das nicht bereits im Anschreiben Bezug auf Informationen aus dem Jobvideo nimmt. In den Interviews fällt auf, dass sich die Bewerbenden intensiver als früher mit den VBZ als Arbeitgeberin und dem möglichen neuen Vorgesetzten auseinandergesetzt haben. Dies wirkt sich auch auf die Frühfluktuation aus: Sie konnte deutlich gesenkt werden.

Qualitativ haben die Bewerbungen zugelegt. Anfängliche Befürchtungen, dass deren Anzahl hingegen durch die Internetfokussierung zurückgehen könnte,

Strategisch denken

Attraktiv gestalten

Intern bewerben

Prozesse beherrschen

Crossmediale Trägerkanäle für das Jobvideo definieren und die verschiedenen Kommunikations-kanäle aufeinan-der abstimmen.

Sich mit klaren Inhalten abgren-zen und diese in Einklang mit der Employer Value Proposition kom-munizieren.

Schnell einen oder zwei Jobvi-deo-Prototypen produzieren und in der internen Kommunikation einsetzen.

Die Vorgesetzten mit zielgruppen-gerechten(!) Un-terlagen und mit unkompliziertem Support unter-stützen.

Die (technische) Einbindung von Videos in die anderen Kanäle prüfen.

Rechtliche As-pekte, vor allem bei der Musik, beachten.

Sozialpartner und andere Stakehol-der der jeweiligen Unternehmens-kultur entspre-chend einbinden.

Erste Erfolge zelebrieren!

Abb. 6: Lessons Learned für die Videoproduktion (Infografik: VBZ)

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sind unbegründet. Die Menge an Bewerbungen bewegt sich auf dem üblichen Niveau, bei 6.000 bis 7.000 pro Jahr. Eine Erhöhung der Zahl war auch nie das Ziel der Verkehrsbetriebe. Vielmehr geht es darum, mit dem nicht alltäglichen Vorgehen zusätzliche Bewerbersegmente anzusprechen und das Image der VBZ als spannende und für viele vielleicht überraschend innovative Arbeitgeberin zu schärfen. Und dies gelingt immer besser: Bereits geben verschiedene Bewer-ber an, erst durch diese Art der Bewerberansprache auf die VBZ als potenzielle Arbeitgeberin gestoßen zu sein.

Weil im Rahmen der crossmedialen Kanalsteuerung letztlich (fast) alle Kanäle ins VBZ-Internet führen, kann die Beachtung der einzelnen Jobvideos sehr genau gemessen werden. Die meisten Stellen werden 2.000 bis 3.000 Mal ange-klickt, Topstellen bringen es auf fast das Doppelte. Dauerbrenner unter den Job-videos wie zum Beispiel jenes für die Stellen in den Tramcockpits, dort sind nahezu permanent Stellen offen, schaffen es auf 60.000 Zugriffe pro Jahr.

Beim Bilanzziehen muss man auch von den Kosten sprechen. Auch hier geht die Rechnung im wahrsten Sinne des Wortes auf. Die Gewinnungskosten sind um satte 20 Prozent gesunken. Dafür gibt es drei Hauptgründe:

l Internetfokussierung: Die Verlagerung vom teuren Print hin zu webbasierten Kanälen funktioniert – auch in Berufsgruppen, für welche dies vor wenigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre.

lNeue Printinserate: Wenn Print noch Erfolg versprechend ist, schalten die VBZ ihre kleinen Teaserinserate. Diese sind perfekt auf das Jobvideo abge-stimmt und 40 Prozent billiger.

l Public Relations: Die VBZ sind auf dem Zürcher Heimmarkt eine Marke mit hohem Bekanntheitsgrad und ihr Tun wird aufmerksam beobachtet. Mit einer aktiven Medienarbeit auch in Personalthemen machen sich die VBZ dies zunutze. Das bringt viel Aufmerksamkeit ohne Zusatzkosten.

Interessant ist auch die Wirkung der Jobvideos nach innen. Die ursprünglich als reine Personalmarketingmaßnahme entwickelte Idee hat sich im Verlauf ihrer Umsetzung auch als starke Maßnahme der Organisations- und vor allem der Führungsentwicklung entpuppt. Sie sind ein konkretes Beispiel für wichtige Führungskompetenzen wie den Umgang mit Neuem, für geistige Flexibilität und für die Vorbildwirkung der Vorgesetzten. Und schließlich sind die Jobvideos ein deutlich sichtbares Commitment der Chefinnen und Chefs zu ihrer Arbeitgebe-rin. Nach den anfänglichen Vorbehalten sind sie spür- und sichtbar stolz auf die neue Form der Personalwerbung, auf ihre Rolle in der Personalwerbung, und sie stehen selbstbewusst für die VBZ ein.

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Literatur

Beck, C. (2009): Attraction – Arbeitgeberattraktivität, in: Jäger W./Lukasczyk A. (Hrsg.): Talent Management, Luchterhand, S. 69–76.

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Bernauer D./Hesse G./Laick S./Schmitz B. (2011): Social Media im Personalmar-keting, Luchterhand.

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Mäder M. (2011): 3. Trend Report Online Recruiting Schweiz 2011. Prospective Media Services AG.

Peters, T. (2007): Re-Imagine, Gabal.

Petry T./Schreckenbach, F. (2011): Social Media im Personalmarketing. Studie der Wiesbaden Business School in Kooperation mit embrander, Talential & Personalwirtschaft.

Autor

Jörg Buckmann, Jahrgang 1969, arbeitet seit 2007 als Leiter Personalmanagement bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ). Das Unternehmen beschäftigt in Zürich 2.400 Mitarbeitende. Zusammen mit seinem Team bear-beitet Jörg Buckmann (fast) die ganze Palette an Perso-nalaufgaben, wobei die Personalgewinnung ein Schwer-punktthema ist. Die VBZ stellen in einem ausgeprägten Arbeitnehmermarkt jährlich 200 neue Mitarbeitende an. Das beschriebene Vorgehen in der Personalge-winnung („Wir bewerben uns“) wurde 2011 mehrfach ausgezeichnet: mit dem „Best of Swiss Web Award“ in

Bronze (Kategorie Public Affairs), als Sieger des HRM-Contest der DGFP sowie als Beste Recruiting Kampagne vom Queb e. V. Jörg Buckmann ist dipl. Leiter Human Resources und hat ein Nachdiplomstudium FH in Dienstleistungsma-nagement abgeschlossen.

Kontakt:Verkehrsbetriebe Zürich Luggwegstrasse 65, CH-8048 Zürich, Tel.: 00 41 / 44 434 47 03 E-Mail: [email protected]

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