oxydationen mit fluor xi. einwirkung von fluor auf lösungen der salze von thallium, mangan, kupfer...

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- 214 - Oxydationen mit Fluor XI ’). Einwirkung von Fluor auf Losungen der Salze von Thallium, Mangan, Kupfer und Blei von Fr. Fiohter und Emst Brunner. (4. I. 29.) In der VI. Mitteilung uber Oxydationen mit Fluor wurde (mit Herbert Wolfinnnn) die Oxydation von Kobalt(I1)sulfat zu Kobalt(II1)- sulfat mit Hilfe von gasformigem Fluor beschrieben ; wir machten dabei aufmerksam auf den grossen Einfluss clcr Anioiien bei der Aufladung yon Kationen aus der niedrigeren in die hiihere Valenzstufe. In einer kurzlich ausser der Reihe veroffentlichten Mitteilungz) haben wir an Oxydationsversuchen niit Chrom (111) salzen uiid Mangan (1I)salzen zeigeii konnen, dass auch dort die Sulfate in Gegenwart uberschussiger, nicht zu verdiinnter Schwefelsaure sich meitaus am leichtesten zu Ver- bindungen der hoheren Valenzstufen wie Chromtrioxyd, Mangan(II1)salz, Mangan(1V)salz und Permanganxaure oxydieren lassen, und haben dsraus den Schluss gezogen, dass das in der VIII. Mitteilung genauer cliarakterisierte vergangliche Oxydationsmittel aus Schwefelsaure, das der Pormcl SO, oder S,O, entspricht, in diesen Fallen der Trager der Oxydationswirkung sei. Die hier folgenden Versuche mit Thallium(1) - sillfat bringen einen weiteren Beitrag zur Stutze dieser Auffassung. 1. Oxydation inon Thalliiim(I)sulfatlijsungen whit gasfBsmigem Fluor. Die Aufladung von Thallo-ioncn zu Thalli-ionen erfordert in Normal- ltisungen ein Potential von + 1,24 Volt3) und bedarf demnach kkines besonders wirksamen Oxydationsmittcls ; sie ltisst sich bekanntlich rlurch gasformiges Chlor leicht vollziehen uncl verlauft auch an dei Platinanode glatt. Wenn wir diese Oxydation mit Fluor bewerkstelligten, bo geschah das nicht in der Absicht, eincn Beweis fur die besondere Oxydationskraft des Fluors zu erbringen, sondern wir suehten etwai Saheres zu erfahren iiber den Weg der Oxydation und dcn Einfluss tier Aiiionen. Leitet man Fluorgax clurch ein Platinrbhrclien in cine wtissrige, neutralc, in einem Platintiegel befindliclie Lijsung von Thallium(1) - snlfat, die durch einen mechanisch nngetriehenen Platinspatel durch- geruhrt wird, so cntsteht ein dunkelhrauner Wiedemchlag von wasscr- l) I, Helv. 6, 6-10 (1923); 11, 111, I\‘, V, VI, Helv. 9, 467, 521, 602, 692, 1093 - ~~ (1926); VII, VIII, IX, X, Helv. 10, 549, 553, 559, 566 (1927). Friedrich Ii’ichtw iind Ernst Bruwner, SOC. 1928, 1862. *I) Fr. Auerbach, Elektroinotorische Krafte, 1916.

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Page 1: Oxydationen mit Fluor XI. Einwirkung von Fluor auf Lösungen der Salze von Thallium, Mangan, Kupfer und Blei

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Oxydationen mit Fluor XI ’). Einwirkung von Fluor auf Losungen der Salze von Thallium,

Mangan, Kupfer und Blei von Fr. Fiohter und Emst Brunner.

(4. I. 29.)

I n der VI. Mitteilung uber Oxydationen mit Fluor wurde (mit Herbert Wolfinnnn) die Oxydation von Kobalt(I1)sulfat zu Kobalt(II1)- sulfat mit Hilfe von gasformigem Fluor beschrieben ; wir machten dabei aufmerksam auf den grossen Einfluss clcr Anioiien bei der Aufladung yon Kationen aus der niedrigeren in die hiihere Valenzstufe. In einer kurzlich ausser der Reihe veroffentlichten Mitteilungz) haben wir an Oxydationsversuchen niit Chrom (111) salzen uiid Mangan (1I)salzen zeigeii konnen, dass auch dort die Sulfate in Gegenwart uberschussiger, nicht zu verdiinnter Schwefelsaure sich meitaus am leichtesten zu Ver- bindungen der hoheren Valenzstufen wie Chromtrioxyd, Mangan(II1) salz, Mangan(1V)salz und Permanganxaure oxydieren lassen, und haben dsraus den Schluss gezogen, dass das in der VIII. Mitteilung genauer cliarakterisierte vergangliche Oxydationsmittel aus Schwefelsaure, das der Pormcl SO, oder S,O, entspricht, in diesen Fallen der Trager der Oxydationswirkung sei. Die hier folgenden Versuche mit Thallium(1) - sillfat bringen einen weiteren Beitrag zur Stutze dieser Auffassung.

1. Oxydation inon Thalliiim(I)sulfatlijsungen whit gasfBsmigem Fluor. Die Aufladung von Thallo-ioncn z u Thalli-ionen erfordert in Normal-

ltisungen ein Potential von + 1,24 Volt3) und bedarf demnach kkines besonders wirksamen Oxydationsmittcls ; sie ltisst sich bekanntlich rlurch gasformiges Chlor leicht vollziehen uncl verlauft auch an dei Platinanode glatt. Wenn wir diese Oxydation mit Fluor bewerkstelligten, b o geschah das nicht in der Absicht, eincn Beweis fur die besondere Oxydationskraft des Fluors zu erbringen, sondern wir suehten etwai Saheres zu erfahren iiber den Weg der Oxydation und dcn Einfluss tier Aiiionen.

Leitet man Fluorgax clurch ein Platinrbhrclien in cine wtissrige, neutralc, in einem Platintiegel befindliclie Lijsung von Thallium(1) - snlfat, die durch einen mechanisch nngetriehenen Platinspatel durch- geruhrt wird, so cntsteht ein dunkelhrauner Wiedemchlag von wasscr-

l) I, Helv. 6, 6-10 (1923); 11, 111, I\‘, V, VI, Helv. 9, 467, 521, 602, 692, 1093 - ~~

(1926); VII, VIII, IX, X, Helv. 10, 549, 553, 559, 566 (1927). Friedrich Ii’ichtw iind Ernst Bruwner, SOC. 1928, 1862.

*I) Fr. Auerbach, Elektroinotorische Krafte, 1916.

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- 215 - haltigem Thallium(1ll)osyd. Ilicse Reaktion 1h;rst sich so auffassen, dass das Fluorgas unter Umwandlung in Fluorion dern Thallo-ion positive Ladungen zufuhrt und es in Thalli-ion verwandelt

wonach infolge des Mangels an uberschussiger starker Saure Hydrolyse eintritt. Bei der Oxydation mit Chlorgas ist die Gefahr der Hydrolyse wegen des starkeren Saurecharakters der ' Salzsaure im Vergleich init Flussaure vie1 geringer.

Doch gelingt es nicht, unter den geschilderten Versuchsbedingungen init Hilfe von Fluor eine restlose Oxydation zu erzielen. Zur Bestimmung der Oxydationsausbeute wurde die Losung rnit Kaliumhydroxyd vollig ausgefallt, nach einstundigem Stehen auf dem Wasserbad im Glasfilter- tiegel abfiltriert, mit siedendem Wasser gewaschen und im elektrischen Trockenschrank bei 220° getrocknet.

0,5751 g Tl,SO, wurden in 50 cm3 Wasser gelost (Normalitst 0,0456) und wahrend 2% Stunden mit Fluor') behandelt; sie ergaben 0,1384 g T1,03, was einer Ausbeute von bloss 26,6y0 entspricht.

Durch eine besondere Untersuchung wurde der Nachweis erbracht, dass der in der beschriebenen Weise gefallte und getrocknete Nieder- schlag von Thallium(II1) oxyd tatsachlich der richtigen Formel ent- spricht und nicht etwa ein Gemisch basischer Salze oder dergleichen ist.

Abgcwogene Mengen cles Oxyds wurden in 4 cm3 2-n. Schwefelsaure mit Hi& von Wasserstoffperoxyd gelost, die Losung auf ca. 100 om3 verdunnt und unter Zusatz yon 8 om3 Aceton bei 550 an einer mattierten Platinschalenanode nach M . E. Heiberg,) bei einer Spannung von 2 Volt abgeschieden.

0,2073 g Subst. gaben 0,2076 g T1,0, 0,2121 g Subst. gaben 0,2103 g T1,0,

TI,O, Gef. 100,14; 99,5yo

Die maiigelhafte Ausbeute bei der Behandlung einer neutralen Thallium(1)sulfatlosung mit Fluor erklart sich dadurch, dass gleich- zeitig Wassers tof fperoxyd entsteht, das den Oxydationseffekt zum grossen Toil wieder vernichtet ; das Wasserstoffperoxyd kann mit Titan(1V)sulfat oder mit Chromsaure und Ather in dcr fluoricrten Losung leicht nachgewiesen werden. Die Reduktion von Thallium(II1) - oxyd durch Wasserstoffperoxyd ist seit Schonbein bekannt. Wir haben hier bei der Behandlung von Thallium(1)sulfat rnit Fluor ahnliche Verhailtnisse, wie sie bei der Reduktion einer Dichromatlosung rnit Fluor beobachtet wurden ; ebenso trat uns das Wasserstoffperoxyd bei der Oxydation von Mangan(I1)fluorid zu Mangan(II1)fluorid hin- dernd in den Reg3).

l) Der Pluorerzeuger liefert ziemlich regelmkssig einen Fluorstrom, der in drei Minuten 20-30 cm3 0,l-n. Na,S,03 entspricht, oder also in der Stunde 0,76-1,14 g F,, in 21/, Stunden 1,9-2,85 g F,. Die zur Umwandlung von 1 Grammaq. T1- (= 204,4 g T1 oder 252,44 g Tl,SO,) in Tb** niitigen 2 Grammaq. Fluor = 38 g F, verlangen fur die verwendeten 0,5761 g TI,S04 die Entwicklung von nur 0,086 g F,.

2 TI. + SO," + 2 B, = 2 TI... + SO," + 4 B',

_- ~~-

,) Z. anorg. Ch. 35, 347 (1903). s, SOC. 1928, 1864, 1865.

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In Schwefelsaure von nicht allzu geringer Konzentration bleibt nun, wie wir das fruher ausfiihrlich untersucht habenl), bei der Behand- lung mit Fluor die Bildung von Wasserstoffperoxyd aus. Wir durften somit annehmen, dass bei Gegenwart von freier Schwefelsaure die Oxydation des Thallium(1)sulfats glatter verlaufe, umsomehr, als dann auch die Hydrolyse vermindert wird.

In der Tat gelang es auf diesem Wege, die Oxydation in Losung fast vollig zu Ende zu fuhren, wie Tabelle 1 beweist; die Bestimmungen wurdcn wie im obigen Versuch durchgefiihrt.

Tl,SO, g . . . . . . . . H,O om3. . . . . . . . Normalitat . . . . . .

Dauer der Fluor- behandlung . . . . .

Gef. T1,0, g . . . . . . Ausbeute in Proz. . . .

Konz.H,SO,cmS. . . .

-

0,6008 0,5398 50 50

0,0476 0,0428 2 2

120 Min. 150 Min. 0,4947 0,4827

91,O 98,83

3 ~~~~ ~ ~- . -

0,6438 50

0,051 2

180 Min. 0,5768

99,02

4 -

0,5172 50

0,041 2

925 Min. 0,4512 96,42

Die Abweichung der Ausbeute von 100% auch bei lange fortgesetzter Fluorierung kommt wohl von der Unbestandigkeit des Thallium(II1)- sulfats, das freiwillig in Thallium(1, 1II)sulfat iibergeht. In der Tat lasst sich nach der Fallung des Thallium(II1)hydroxyds stets im Filtrat ctwas Thallium(1)salz durch Kaliumjodid nachweisen.

2. Daistellung von k?.ystallisiertem Thallium(III)sulfat mit Hilfe von Fluor.. Da das Vorhandensein eines Thallium(1)persulfats oder eines

Thallium(II1)persulfats bei der angewandten Analysenmethode nicht sicher hiitte erkannt werden konnen, so haben wir das entstandene Osydationsprodukt in krystallisierter Form abgeschieden und analysiert.

Etwa 3 g ThalliurniIjsulfat wurden in 50 em3 3-n. Sehwcfelsiiure so gut wie moglich gelost und die Losung unter Kiililung mit Eis dem Yluorstrom ausgesetzt. In dern Masse, als die Oxydation fortschreitet, lost sich der nur aufgeschlemmte Anteil des Thallium(1)sulfats vollig auf. Nach Beendigung cler Fluorbehandlung wurde vorsichtig auf dem Wasserbad eingeengt (bei hohercr Temperatur tritt Selbstreduktinn des Thalliurn(1II)sulfatg ein) und die nacli dern Erkalten abgeschiedenen mcissen Blattchen abgesaugt, mit etwas konz. Schwefelsaure (urn Hydrolyse zu vermeiden) gewaschen und durch Rbprcssen auf dem Tonteller so gut wie moglich getrocknet.

1) In der IV. und VIlI . Mitt.

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- 217 - Die erhaltenen Krystalle, 2,9792 g, wurden in Wasser unter Zugabe von Salpeter-

siiure zur Verhinderung der Hydrolyse gelost und auf 250 om3 aufgefiillt; je 100 cm3 wurden analysiert, indem zunachst mit Kalilauge Thallium( 1II)hydroxyd gefallt, und im Filtrat, nach wiederholtem Eindampfen mit Salzsaure zur Vertreibung der Salpeter- siiure, mit Bariumchlorid die Sulfatanionen bestimmt wurden.

1,1917 g Subst. gaben 0,5778; 0,5790 g T1,0, und 1,2316; 1,2186 g BaSO, TlH( SO,), - 4 H,O Ber. T1 43,53 SO," 40,9296

Gef. ,, 43,39; 43,48 ,, 42,60; 42,070/;,

Abgesehen von dem zu hohen, durch die ungeniigende Entfernung der Waschsaure veranlassten Sulfatgehalt beweist die Analyse, dass das von R. J . Meyer und E. Goldschmidtl) beschriebene saure Thallium- (III)sulfat, die sog. Thallischwefelsaure, vorliegt, dass somit die Oxy- dation rnit Fluor das normaler Weise zu erwartende Thallium(II1)- salz ergeben hat.

3. Oxydation von Thallium( I)nitratMsungen mit Fluor.

Wenn bei der Oxydation nur die Thallium(1)kationeri und das Fluor im Spiele waren, so miisste sich eine neutrale oder eine salpetersaure Losung von Thallium(1)nitrat gleich verhalten wie cine neutrale oder eine schwefelsaure Losung von Thallium(1)sulfat. Das ist aber nur bis zu einem gewissen Grad der Fall, indem zwei Ubelstande auftreten. Erstens stort die Hydrolyse des Thallium(III)nitrats, die sich auch durch Zusatz von freier Salpetersaure nicht verhindern 18sst. Dass neben dem Thallium(II1)nitrat auch Thallium(II1)fluorid auftreten kann, diirfte in dieser Richtung nichts verbessern, denn das Fluorid ist selbst der Hydrolyse stark unterworfen ; wir haben allerdings das von J . Gewecke2) beschricbcne Thallium(I1I)oxyfluorid TlOF nicht angetroff en.

Vie1 schlimmer wirkt der zweite Ubelstand, das AuftretenTvon Wasserstoffperoxyd, dessen Bildung durch die Nitratlosung und auch durch die freie Salpetersaure nicht verhindert wird, und das durch seine Reduktionswirkung bei lange fortgesetzten Versuchen den Oxy- dationseffekt mehr und mehr vernichtet. (Vgl. Vers. 9 der Tab. 2.)

Die Oxydationsversuche wurden f olgendermassen durchgef uhrt : eine abgewogene Menge von Thallium(1)nitrat wird in Wasser gelijst und, unter ausscrer Kiihlung rnit Eis und unter Ruhren, mit Fluor im Platinticgel oxydiert. Am Schluss wird die Fallung des Thallium(II1)- hydroxyds mi t Hilfe von Kaliumhydroxyd vervollstandigt und die erhaltenen Xiederschlage in der oben beschriebenen Art abfiltriert, getrocknet und gewogen.

l) B. 36, 239 (1'303). 2, A. 366, BBG (190'3).

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Tabelle 2.

0,4192 50

0,0315 -

120 Min. 0,3448

95,95

Versuchs-Nr.

0,6094 50

0,0458 -

150 Min. 0,4387

83,99

TlNO, g . . . . . . . . H,O cm3. . . . . . . . Normalitat . . . . . . Ronz. HN03cm" . . . . Dauer der Fluor-

behandlung . . . . . Gef. T1,0, g . . . . . . AusbeuteinProz. . . . .

5

2,0105 50

0,151

!I0 Min. 1,1386

66,06

G

1,7459 50

0,191 2

90 Min. 0,9104

60,88

9 - _ _ _ ~

0,6391 50

0,048

240 Min. 0,3060

55,86

4. Theoretisches uber die Om@ion der Thulliumsulxe mit Fluor. Wir stellten im 1. Abschnitt eine Gleichung uber die Umwandlung

von Thallo-ion in Thalli-ion mit Fluor auf, die deli Vorgang als Ionen- umladung wiedergibt. Die im Verlauf des Versuchs bei nicht sauren Losungen oder bei Verwendung von Thallium(1)nitrat eintretenden Ver- wicklungen durch die Hydrolyse des Thallium(II1) salzes und durch die nebenher verlaufende Bildung von Wasserstoffperoxyd infolge der Ein- wirkung von Fluor auf Wasser oder auf Salpetersaure und die Reduktions- wirkung des Wasserstoffperoxyds auf das entstandene Thallium(II1)salz sind von dieser Grundreaktion der Oxydation unabhangig ; sie treten nachtraglich dazu, ohne mit dem lJ7esen des eigentlichen Oxydations- vorgangs verknupft zu sein.

Wir neigen aber zu der Ansicht, dass der Oxydationsvorgang bei den Sulfaten in schwefelsaurer Losung besser durch Gleichungen wieder- gegeben wird, Lei denen das Schwefeltetrosyd SO, oder S,O, 81s Oxy- dationsmittel auftritt :

H,SO, + I?, = SO, + 2 HF TI,SO, + 2 SO, = T1,( SO,):

Auf diese Weise erklart sich der besonders glatte Verlauf der Versuche bei den Sulfaten am dnrchsichtigsten, wahrend bei blosser Ionenum- ladung die Anionen ganz gleichgultig sein mussten. Die kurzlich be- schricbenen Oxydationen von Mangan(I1)salzen lassen sich ganz analog formulieren :

Bildung von Mangan(I1I)sulfat: 2 MnSO, + SO, = Mn,(SO,), Bildung von Mangan(1V)sulfat: MnSO, + SO, = Mn(SO,), Bildung von tfbermangansBure: 2 MnSO, + 5 SO, + 8 H,O = 2 HMnO, + 7 H,SO,

Pl)enso die Bildung von Chromtrioxyd : Cr,(SO,), + 3 SO, + 6 H,O = 2 G O , t ci H,SO,

Die Erkenntiiis der besonderen Rolle tlcr Schwefelsiiure und der Sulfate auferlegt uns die Aufgabe, andcre Sauren zu suchen, die von Fluor nicht angegriffen werden, untl die keine labilen, als Sauerstoff- ubertrager wirkenden Peroxyde oder Persiiuren geben ; erst mit solchen ware eine einfaehe Uinladung cler Ionen denkbar. Flnssaure untl die

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Fluoride des Kobalts und des Mangans gcniigen diesen Bedingungen ; der Oxydationserfolg ist aber bei ihnen durch das leidige Wasserstoff- peroxyd gehemmt. Von wichtigen Sauerstoffsauren (ausser der Schwefel- saure) werden wir ein Beispiel im nachsten Abschnitt besprechen; weitere Mitteilungen werden folgen.

5 . Oxydation von ~anganf f I )phosphat losung rnit Fluor. In der kurzen letzten Mitteilungl) wurde die Tatsache angefdhrt,

dass Mangan(I1)phosphat durch Fluor bei Gegenwart von Phosphor- saure zu Mangan(II1)phosphat oxydiert wird, doch wurden keine experimentellen Einzelheiten gebracht. Das sol1 hier nachgeholt werden.

I n reine starkc Orthophosphorsaurelosung wurde Mangancarbonat eingetragen so lange es sich glatt losen wollte.

Je 1 om3 dieser Losung gab, nach Abscheidung der H,P04 als Ammonium- phosphormolybdat, 0,2448, 0,2410, 0,2492 g Mg2P,0,, im Mittel entspr. 0,2091 g PO4”’, und 0,0622, 0,0635 g Mn,04, im Mittel entspr. 0,0448 g Mn.. .

Die Losung ist somit 2,2-molar in Bezug auf PO4”’ und 0,816-molar in Bezug auf Mn. ; sic enthalt 2,69 Mol PO;” auf 1 Mn., und demnach einen grosseren Saureuber- schuss als selbst ein saures Orthophosphat wie Mn(H,PO,),. Der Saureuberschuss ist notwendig, urn das Phosphat in L5sung zu erhalten, sonst fallt Dimangan(I1)orthophos- phat RlnHPO, aus.

10 em3 dieser Losung wurden im Platintiegel unter ausserer Kuhlung mit Eis fluoriert, wobei sie sich tief amethystrot farbt. Beim Stehen wird sie braun und undurchsichtig, und iiber Nacht erfolgt die Aus- scheidung eines Niederschlags von wasserhaltigem Rlangandioxyd. Der Oxydationsgrad wurde durch Destillieren von Niederschlag samt Losung mit Salzsaure in Kaliumjodidlosung und Titration mit Thiosulfat bestimmt .

Tabelle 3.

Dauer der Fluor- behandlung . . . . . 75Min.

0,l-n. Na,S,O, om3 . . . I 41,29 Ausbeute an Mn- in . I 50,6

34

150 Min.

58,O 4 7 3

3 7

120 Min. 46,29 56,7

~~

Auch in diesem Fall tragt die Bildung von Wasserstoffperoxyd die Schuld, dass das Ergebnis der Oxydation durch Fluor bei langerer Versuchsdauer teilweise wieder zunichtc gemacht wird, so dsss im besten Versuch nur zwei Drittel des moglichen nIangan(II1)phosphats entstanden waren.

Wir stellten eine Gegenprobe an, indem wir aus manganiger Saure und konz. Phosphorsaurc eine in der Hitze fast rein blaue, in der Kalte amethystrotc Rilangau(II1)phosphatlosung bereiteten, die beim Ein- leiten von Fluor in einer his ttnderthalb Stunden viillig entfiirht wnrde.

’) SOC. 1928, 1862

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Trutz des quantitativ nnbefriedigenden Ergebnisses der Fluor- ierung erscheint uns das Verhalten der phosphorsauren Losung des Mangan(1I)phosphats besonders bedeutsam in Beziehung auf die Page , welche Rolle dem Anion bei dcrartigen Reaktionen zukommt. Denn wir wissen, dass Fluor mit Phosphorsiiure Phosphormonopersiiure bildet (vgl. IX. Mitt.) und dass die Oxydation von Mangan(I1)salzen zum amethystroten Mangan(II1)phosphat cine bcsonders typische Reaktion dieser Saure vorstcllt; ebenso wissen wir, dass Phosphormonopersaure durch Hydrolyse Wasserstoffperoxyd liefert. Es liegt also hier ein Oxydationsbeispiel vor, bei dem klar die Rollo des Anions oder der dem Anion entsprechenden Siiure als Sauerstoffiibertriiger und als Erzeuger des zerstorend wirkenden Wasserstoffperoxyds zu Tage tritt.

6 . Eintoirkung von Fluor uuf Kupfersulxe und auf Bleisulxe. a) Es sind zwei sauerstoffreichere Kupferoxyde bekannt, clas

schwarze Kupferperoxyd CuO, - HzO, das L. &loser1) durch Behandlung ciner Kupfer( 1I))hydroxydsuspension mit konz. Wasserstoffperoxyd gewann, und das gelbe, in alkalischer Losung mit Chlor oder durch ano- dische Oxydation erhaltene Oxyd, desscn Formel Erich Miiller2) zu Cu,O, bestimmt hat. Wir durften erwarten, dieses gelbe Oxyd, in welchem das Kupfer dreiwertig auftritt, niit Fluor darstellen zu konnen, wahrend allerdings das echte Peroxyd kaum auf diese Weise zu ge- winnen ware.

Indess, alle Versuche, mit Fluor z. B. einc blaue Losung von Kupfer- (1I)hydroxyd in starker Natronlauge (14-11.) zu dem gelben Oxyd zu oxydicren, schlugen fehl; es trat nur einc lebhafte Sauerstoffentwicklung ein. Auch die Vcrwendung des Kunstgriffs von Kuima3) und M . VrtiS4), die Oxydation bei Gegenwart von Tellursiiure vorzunehmen, fiihrte nicht zum Ziel. Wurde eine fcrtigc, nach ‘VrtiS hergestellte rote Losung auch nur einen Sugenblick dem Ipluorstrom ausgesctzt, so cntfarbte sie sicli, sei es, dass das entstehende Wassersto-ffperoxyd schon in Spuren die Reduktion des Kupfer(I1I)oxyds veranlasste, sei es, dass die an tier Eintrittsstelle des Fluors unvermeidliche saure Reaktion dime Wirkung ausiibte.

b) Am einern ganz anderen Grund wollte es nicht gelingen, Blei(I1)- salze mit Fluor in neutralor oder samer Losung zu oxydieren, namlich megen des Ausfallens von Blei(II)fluorid, das in rcinem Wasser schwer loslich (nach P. Kohlraz~sch~) 641 rng im Liter bei 18O) und nach E’. Fiischer und K. l’hiele6) in Flussaure unloslich ist. Der Fluorgasstrom, cler mit dem Wasser sofort Flurstiure bildet und zudem noch fertige Fluss- siiuro a~ i s dem Pluorerzeuger mitbringt, gibt ciarurn in Rleinitratlosung -

l) Z. anorg. Ch. 54, 121 (1907). z, E d z Muller und F. Spztzer, Z . El. Ch. 13, 35 (1907); Eiich Mz&ey , Z. anorg.

3, Rospr. i?. ak. A?. p] 14, 11. 4 ) It. 44, 425 (1925).

C‘h. 54, 417 (1907). j) Z. physikal. Ch. 64, 168 (1908). c, Z. anorg. Ch. 67, 31‘2, (1910).

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einfach einen dicken Niederschlag von weissem Blci(II)fluorid, das sich nicht mehr verandert ; es farbt sicli weder gelb (Blei(1V)fluorid) noch braun (Bleidioxyd) . Ebensowenig liess sich eine Aufschlemmung von Blei(I1)fluorid in 60-proz. Flussaure mit Fluor zur Plurnbifluorwasser- stoffsaure oxydieren. Aus einer Losung des leicht loslichen Bleisalzes der Borfluorwasserstoffsaurc wurde durch Fluorgas ebenfalls nur weisses Blei(I1)fluorid gefallt. Selbst eine Losung von Blei(I1)sulfat in Schwefel- sauremonohydrat gab mit Fluor langsam einen Blei(I1)fluoridnieder- schlag, aber keine Anzeichen von Oxydationl). Nur wenn man al- kalische Plumbitlosungen mit Bluor behandelt, bekommt man augen- blicklich braunes Bleidioxyd. Doch gelingt diese Oxydation ja auch mit Chlorgas, so dass hier die besondere Leistungsfahigkeit des Fluors als Oxydationsrnittel nicht zur Geltung kornmt.

Basel, Aiistalt fur anorganische Chemie, Dezember 1928. _____ -

l) Es entspricht darum nicht ganz den Tatsachen, wenn Wilder D. Bancrojt in seinem interessanten Aufsatz ,,Twenty-five years of theoretical Electrochemistry", Trans. Am. Electrochem. Xoc. 51, 39 (1927) sagt: ,,Still more unexpected is the behaviour of fluorine, which gives . . . . lead peroxide with acidified lead nitrate'.. Nach freund- licher brieflicher Mitteilung hat Prof. Buncrojt in alkalischer Losung Bleidioxyd erhalten, genau wie wir, aber nicht in saurer.

Bei der Redaktion eingelaufene Biicher : (Die Kedaktion verpflichtet sich nicht zur Besprechung der eingesandten Werke).

Livres r e p s par la Rddaction : (La rbdaction ne s'engage pas k, publier des analyses des ouvrages qui lui sont sournis).

Experimentelle Einfiihrung in die unorganische Chemie, von HeLnnck niltz, 15. bis 17. Auflage, Berlin und Leipzig 1928, W a l t e r d e G r u y t e r 8: Co., Geb. Mk. 4.80.

Qualitative Analyse unorganischer Substanzen, von HeinrLcli Urltr, 11. und 12. Auflage, Berlin und Leipzig-1928, W a l t e r d e G r u y t e r 8.z Co., Geb. Mk. 3.50.

Quantentheorie und Chemie, herausgegeben von Priv.-doz. Dr. H . FuZliedingeiL, S. Hi rze i , Leipzig 1928, Kart. Mk. lo.-.

Schmelzpunkttabelle der organischen Verbindungen, ein Hilfsbuch fur Pharma- zeuten, Chemiker und Biologen, von Prof. Dr. Asnlzircu, Prof. Dr. Ndao, Dr. Tsuhtruiotu, Nukahoshi, Verlag von N a n k o d o , Hongo-Ku, Tokyo und Kyoto, 1928, Geb. $ 5 . - .

Erratum. Helv. 11,1042 (1928), Abhaiidlung H . E. Piem-David und G. Jaccad,

Zeile 2 von unten, lies Smp. 305" statt Snip. 173-175O.