obergutachten über den ursächlichen zusammenhang zwischen einer einmaligen zu starken...

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Mitteilungen. 95 Mitteilungen. Obergutaehten fiber den urs~chliehen Zusammenhang zwischen einer einmaligen zu starken R~ntgenbestrahlung einer Hand und einer an der- selben Hand aufgetretenen Krebsbildung. Von Geheimrat Professor Dr. Renvers in Berlin. (Aus den ,,Amtliehen Nachriehten des Reichsversicherungsamtes" 1904, Nr. 12.) Auf Ersuchen des Reichs-Versieherungsamtes gebe ich in der Unfallver- sieherungssache des Elektrikers Hermann B. in H. wider die BerufsgenossenschafL der :Feinmechanik nachstehend auf Grund der A_kten ein Obergutachten dariiber ab, ob mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die bei dem I(li~ger vor- handen gewesene krebsige Erkrankung, welche zur Absetzung des rechten A.rmes geffihrt hat, urs/ichlich zusammenhing mit derjenigen Verletzung, die der K1/i, ger eines Tages im Mai 1899 sich plStzlich zugezogen haben will. Aus den Akten geht mit Sicherheit hervor, dass B. infolge seiner Besch~f- :tigung mit RSntgenstrahlen an chronischen I{autver/~nderungen an den Extremit~ten und am OberkSrper litt, die sich (lurch eine vermehrte Pigmentbildung, Trocken- heit der ttaut und Haarausfall bemerkbar machten. Es steht durch Zeugenaus- sagen sowie dutch die Aussagen des Patieuten selbst weiterhin lest, dass ausser diesen allgemeinen, als Gewerbekrankheit aufzufassenden HautstSrungen info!ge der RSntgenstrahleneinwirkung eine zeitlich und 5rtlich begrenzte Erkrankung am ttand- riicken sich im Mai 1899 bildete, die laut Zeugenaussagen Blatt 14v der Schieds- gerichtsakten zun/iehst als eine S/iureverbrennung, dann abet als eine direkte Wir- kung der RSntgenstrahlen auf die schon veri~nderte I-Iaut aufgefasst wurde. Diese im Mai 1899 akut aufgetretene ttautverbrennung fiihrte zu einer Geschwiirsbildung an dieser I:tautstelle, die nunmehr Gegenstand andauernder /~rztlicher Behandlung wurde. Im Verlaufe der folgenden Jahre verh/~rteten sich allm~hlich die R/inder des Gesehwfires, welches nieht zur Vernarbung zu bringen war. /qachdem nun im Anschluss an dieses Geschwfir eine Driisenerkrankung in der Ellenbogenbeuge aufgetreten war, konnte durch die mikroskopische Untersuchung eines ausgeschnittenen Geschwtirsteiles eine bSsartige Krebsneubildung festgestellt werden, welche die Ab- setzung des ganzen rechten Armes notwendig machte. Es fragt sich nun: In welchen Zusammenhang ist die Krebsbildung mit der RSntgenstrahlenerkrankung zu bringen, und ist letztere eine einfache Gewerbe- erkrankung oder lag bei der Bildung des Geschwiirs im Mai 1899 ein Unfall vor ? Die Beseh~ftigung mit den RSntgenstrahlen hat uns gelehrt, dass bei h/iufiger Anwendung derselben oder zu starker Bestrahlung oder zu grosser Ann/iherung der RSntgenrShre an die Haut Ver/inderungen der bestrahlten Haut eintreten, die sich im wesentlichen als Verbrennungserscheinungen charakterisieren. :Eine besondere Eigentiimlichkeit dieser zun/ichst entzfindlichen Vorg/inge ist der rasche ~bergang in atrophische u Damit in Zusammenhaug zu bringen ist die stets sieh zeigende mangelhafte Ern/ihrung der.ergriffenen Hautpartien. Gerade infolge dieser atrophisehen I-Iautveri~nderungen und der damit im Zusammenhange stehenden ungfinstigen Ern/ihrungsverh/iltnisse sind die Regenerationsprozesse sehr langsame. Wunden infolge yon RSntgenbestrahlungen bestehen monatelang und trotzen allen Wundheilmitteln. Dass eine solche langdauernde Wundheilung den Boden fiir alle mSgliehen Infektionen ebnet, ist leicht verst/indlich. Wenn auch die Ursache der Krebserkrankung noch nicht klargelegt ist, so sind doch viele Anhaltspunkte ffir die A_nnahme vorhanden, dass ein yon aussen eintretendes Agens die Krebs- entwickelung veranlasst, wenn der Boden dafiir empf~,~figlich geworden ist. In diesem Sinne wird man die Frage des Zusammenhanges der Krebsbildung mit der

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Page 1: Obergutachten über den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer einmaligen zu starken Röntgenbestrahlung einer Hand und einer an derselben Hand aufgetretenen Krebsbildung

Mitteilungen. 95

Mitteilungen. O b e r g u t a e h t e n f iber d e n u r s~ch l i ehen Z u s a m m e n h a n g zwischen e i n e r e i n m a l i g e n z u s t a r k e n R ~ n t g e n b e s t r a h l u n g e i n e r H a n d u n d e i n e r a n d e r -

s e l b e n H a n d a u f g e t r e t e n e n K r e b s b i l d u n g .

Von Geheimrat Professor Dr. Renvers in Berlin.

(Aus den ,,Amtliehen Nachriehten des Reichsversicherungsamtes" 1904, Nr. 12.)

Auf Ersuchen des Reichs-Versieherungsamtes gebe ich in der Unfallver- sieherungssache des Elektrikers Hermann B. in H. wider die BerufsgenossenschafL der :Feinmechanik nachstehend auf Grund der A_kten ein Obergutachten dariiber ab,

ob mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die bei dem I(li~ger vor- handen gewesene krebsige Erkrankung, welche zur Absetzung des rechten A.rmes geffihrt hat, urs/ichlich zusammenhing mit derjenigen Verletzung, die der K1/i, ger eines Tages im Mai 1899 sich plStzlich zugezogen haben will.

Aus den Akten geht mit Sicherheit hervor, dass B. infolge seiner Besch~f- :tigung mit RSntgenstrahlen an chronischen I{autver/~nderungen an den Extremit~ten und am OberkSrper litt, die sich (lurch eine vermehrte Pigmentbildung, Trocken- heit der t t au t und Haarausfall bemerkbar machten. Es steht durch Zeugenaus- sagen sowie dutch di e Aussagen des Patieuten selbst weiterhin lest, dass ausser diesen allgemeinen, als Gewerbekrankheit aufzufassenden HautstSrungen info!ge der RSntgenstrahleneinwirkung eine zeitlich und 5rtlich begrenzte Erkrankung am ttand- riicken sich im Mai 1899 bildete, die laut Zeugenaussagen Blatt 14v der Schieds- gerichtsakten zun/iehst als eine S/iureverbrennung, dann abet als eine direkte Wir- kung der RSntgenstrahlen auf die schon veri~nderte I-Iaut aufgefasst wurde. Diese im Mai 1899 akut aufgetretene ttautverbrennung fiihrte zu einer Geschwiirsbildung an dieser I:tautstelle, die nunmehr Gegenstand andauernder /~rztlicher Behandlung wurde. Im Verlaufe der folgenden Jahre verh/~rteten sich allm~hlich die R/inder des Gesehwfires, welches nieht zur Vernarbung zu bringen war. /qachdem nun im Anschluss an dieses Geschwfir eine Driisenerkrankung in der Ellenbogenbeuge aufgetreten war, konnte durch die mikroskopische Untersuchung eines ausgeschnittenen Geschwtirsteiles eine bSsartige Krebsneubildung festgestellt werden, welche die Ab- setzung des ganzen rechten Armes notwendig machte.

Es fragt sich nun: In welchen Zusammenhang ist die Krebsbildung mit der RSntgenstrahlenerkrankung zu bringen, und ist letztere eine einfache Gewerbe- erkrankung oder lag bei der Bildung des Geschwiirs im Mai 1899 ein Unfall vor ?

Die Beseh~ftigung mit den RSntgenstrahlen hat uns gelehrt, dass bei h/iufiger Anwendung derselben oder zu starker Bestrahlung oder zu grosser Ann/iherung der RSntgenrShre an die Haut Ver/inderungen der bestrahlten Haut eintreten, die sich im wesentlichen als Verbrennungserscheinungen charakterisieren. :Eine besondere Eigentiimlichkeit dieser zun/ichst entzfindlichen Vorg/inge ist der rasche ~bergang in atrophische u Damit in Zusammenhaug zu bringen ist die stets sieh zeigende mangelhafte Ern/ihrung der.ergriffenen Hautpartien. Gerade infolge dieser atrophisehen I-Iautveri~nderungen und der damit im Zusammenhange stehenden ungfinstigen Ern/ihrungsverh/iltnisse sind die Regenerationsprozesse sehr langsame. Wunden infolge yon RSntgenbestrahlungen bestehen monatelang und trotzen allen Wundheilmitteln. Dass eine solche langdauernde Wundheilung den Boden fiir alle mSgliehen Infektionen ebnet, ist leicht verst/indlich. Wenn auch die Ursache der Krebserkrankung noch nicht klargelegt ist, so sind doch viele Anhaltspunkte ffir die A_nnahme vorhanden, dass ein yon aussen eintretendes Agens die Krebs- entwickelung veranlasst, wenn der Boden dafiir empf~,~figlich geworden ist. In diesem Sinne wird man die Frage des Zusammenhanges der Krebsbildung mit der

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RSntgenverbrennung dahin beantworten mfissen, dass die chronischen entzfindlichen Hautvorgiinge die Entwickelung der Krebskrankheit veranlasst oder mindestens begiinstigt haben.

Die Krebsentwickelung trat aber ausserdem an einer Stelle auf, die dutch eine zeitlich deutlich abgegrenzte Einwirkung der RSntgenstrahlen im Mai 1899 besondere Verbrennungsver~nderungen erlitten hatte. Wiihrend eine Gewerbe- krankheit sich schon ]iingst entwickelt hatte, trat durch eine als Unfall aufzufassende zu starke Bestrahlung das Geschwfir auf, welches die Veranlassung zur Krebs- bildung und Amputation wurde.

Ich gebe mein Obergutachten dahin ab, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit die krebsige Erkrankung mit der im Mai 1899 erlittenen R5ntgenverletzung in Zusammenhang gebracht werden muss.

B e r l i n , den 10. September 1903.

I n t e r n a t i o n a l e r med iz in i s ehe r K o n g r e s s fi ir Be t r i ebsun f~ l l e . Der Kongress finder im Juni 1905 in Lfittich stat~. Die vorliiufige Tages-

ordnung stellt folgende Fragen zur ErSrterung: I. Definition des Begriffes Betriebsunfall (accident du travail) nach den ge-

setzlichen Bestimmungen der verschiedenen Liinder. Die Begriffsbestim- mung, vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet.

II. Gleichstellung yon Berufskrankheiten mit Unf~llen. Gesetzliche Bestim- mungen hieriiber.

I I I . Hernien. IV. Organisation

a) der ersten ~rztlichen Hilfe, b) der :Nachbehandlung:

1. je nach Arbeit und Beruf, 2. je naeh der Wichtigkeit der industriellen Betriebe, 3. je nach der Lage derselben in Stadt oder Land.

Jeder dieser Punkte kann als Gegenstand ftir sich betrachtet werd en V. Unfallfolgen (nervSse StSrungen, dauernde Schiiden etc.).

VI. Simulation und 1Jbertreibung. VII . Begrfindung einer internationalen medizinischen Unfallstatistik.

Auch die iirztliche Begutachtung soll in die Diskussion aufgenommen werden. Die Teilnehmer am Kongress ertmlten f6r den Mitgliedsbeitrag yon 10 Francs,

zu senden an den Generalsekret~r Dr. P o ~ l s in Brfissel, 24 rue de la Fiancee, die Vortriige, die 4 Wochen vor ErSffnung des Kongresses erscheinen werden, ferner die Mitteilungen und Sitzungsberichte. Die Vortragenden werden gebeten, ihre Manuskripte bis zum 1. April 1905 an das Generalsekretariat, das fiber alle in Betracht kommenden Fragen Auskunft gibt, einzusenden. Zuliissig sind die franzSsische, die englische und die deutsche Sprache.

Der Zweck des Kongresses, der bei Gelegenheit der Welt-Ausstellung in Lfittich abgehalten wird, ist ein wissenschaftlich-humanit~rer. Das Organisations- komitee werldet sich mit der Einladung. zur Beteiligu~ag an A_rzte und an solcbe, die aus iNeigung oder Beruf ihr Interesse an den Aufgaben des Kongresses be- kunden wollen.

R ( i n t g e n - K o n g r e s s und R 6 n t g e n - A u s s t e l l u n g in B e r l i n

30. April bis 3. Mai 1905 im Anschluss an die Tagung der Deutschen Gesell- schaft ffir Chirurgie und ffir orthopi~dische Chirurgie, veranstaltet yon der RSntgen- Vereinigung in Berlin. Anmeldungen, Anfragen und Korrespondenzen sind an den Vorsitzenden des Organisations-Ausschusses, Professor Dr. E b e r l e i n , Leisten- strasse 50, oder an den Schriftffihrer, Dr. I m m e l m a n n , Liitzowstrasse 72, zu riehten.

a ~ o = a