numerische taxonomie und algebraische struktur

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I 1 Biom. 2. * Bd. 15 . 19T3 . H. . 3.271475 Institut fur Obstforsehung der Akademie der Landwirtscliaftsmissenschaften der DDR, Dresden. Numerische Taxonomie und algebraisehe Struktur D. LEUSCHNER 1. Einleitung Zwei Entwicklungen der letzten Jahrzehnte kennzeichnen die Problematik der vorliegenden Arbeit : Die Konsolidierung des Strukturbegriffs in der Mathelnatik ( STRUBECKER, 1970) und die Anwendung mathematischer Methoden in1 Bereich der biologischen Systernatik (vgl. z. B. SOKAL und SNEATH, 1963; HEYWOOD, 1971). Die Mathematik war im Rahmen der nuinerischen Taxonomie haupt- sachlich auf die statistischen Verfahren beschrgnkt. Von den algebraischen Vor- stellungen wurden bisher hauptslichlich die Matrix- und Vektoralgebra verwendet (vgl. z. B. P. IHM u. a., 1971). In dieser Arbeit liegt der Akzent auf dem alge- braischen Aspekt, wiihrend in eiiier spateren Arbeit die Quantifizierung der hehandelten Verkiiiipfungsoperationen mi ttels statistischer Methoden besprochen merden soll. 2. Das taxonomische Problem Unter dem taxonoinischen Problem verste,,en wir die Klassifizierung von lebenden Individuen (taxonomische Einheiten) auf Grund ihrer Merkmale. Das Ergebnis einer solchen Klassifizierung sind Gruppen, die als Taxa bezeichnet werden. In einer Studie konnte, indern die Taxa als Mengen von Individuen behandelt wurden, gezeigt werden, daB sich die Erkenntnisse der Mengenlehre sehr gut auf das taxonomische Problem anwenden lassen. Ebenfalls erwies sich die An- wendung der Aussagenlogik auf die Merkmalskoinplexe der taxononiischen Ein- heiten als sehr niitzlich. In dieser Arbeit soll allerdings rnit Elementen von Mengen operiert werden, die keine Aussagen sind. Es wird iiber Teilmengen von Elenienten gesprochen, die als Reprasentanten der Merkmalskoinplexe aufge- faBt werden konnen. 3. Mathematische Strukturen Von den niatheniatischen Strukturen, die geiiiiiS den Begriffen der Verkniipfung, Ordnung und Umgebung in algebraische, Ordnungs- und topologische Strukturen eingeteilt werden konnen, sind fur die Taxometrie (numerische Taxonomie)

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Page 1: Numerische Taxonomie und algebraische Struktur

I 1 Biom. 2. * Bd. 15 . 19T3 . H. . 3.271475

Institut fur Obstforsehung der Akademie der Landwirtscliaftsmissenschaften der DDR, Dresden.

Numerische Taxonomie und algebraisehe Struktur

D. LEUSCHNER

1 . Einleitung

Zwei Entwicklungen der letzten Jahrzehnte kennzeichnen die Problematik der vorliegenden Arbeit : Die Konsolidierung des Strukturbegriffs in der Mathelnatik ( STRUBECKER, 1970) und die Anwendung mathematischer Methoden in1 Bereich der biologischen Systernatik (vgl. z. B. SOKAL und SNEATH, 1963; HEYWOOD, 1971). Die Mathematik war im Rahmen der nuinerischen Taxonomie haupt- sachlich auf die statistischen Verfahren beschrgnkt. Von den algebraischen Vor- stellungen wurden bisher hauptslichlich die Matrix- und Vektoralgebra verwendet (vgl. z. B. P . IHM u. a., 1971). I n dieser Arbeit liegt der Akzent auf dem alge- braischen Aspekt, wiihrend in eiiier spateren Arbeit die Quantifizierung der hehandelten Verkiiiipfungsoperationen mi ttels statistischer Methoden besprochen merden soll.

2. Das taxonomische Problem

Unter dem taxonoinischen Problem verste,,en wir die Klassifizierung von lebenden Individuen (taxonomische Einheiten) auf Grund ihrer Merkmale. Das Ergebnis einer solchen Klassifizierung sind Gruppen, die als Taxa bezeichnet werden. I n einer Studie konnte, indern die Taxa als Mengen von Individuen behandelt wurden, gezeigt werden, daB sich die Erkenntnisse der Mengenlehre sehr gut auf das taxonomische Problem anwenden lassen. Ebenfalls erwies sich die An- wendung der Aussagenlogik auf die Merkmalskoinplexe der taxononiischen Ein- heiten als sehr niitzlich. In dieser Arbeit soll allerdings rnit Elementen von Mengen operiert werden, die keine Aussagen sind. Es wird iiber Teilmengen von Elenienten gesprochen, die als Reprasentanten der Merkmalskoinplexe aufge- faBt werden konnen.

3. Mathematische Strukturen

Von den niatheniatischen Strukturen, die geiiiiiS den Begriffen der Verkniipfung, Ordnung und Umgebung in algebraische, Ordnungs- und topologische Strukturen eingeteilt werden konnen, sind fur die Taxometrie (numerische Taxonomie)

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nur einjge spezielle voil Interesse. In diesem Zusaln~nel~hang sei auf folgende Literatur verwiesen: SCHADACH (1971) ; HASSE ulld MICHLER (1966) ; N. BOURBAKI (1951); LUGOWSKI und WEIXERT (1955).

4. Spezielle Strukturen Die liier interessierenden Strukturen sind Verbande und Halbordnungen. Als Literatur sei genannt : ~ Z A S Z (1962) ; HERMES (1967). Zusltzlich interessiert noch die Darstellung dieser Strukturen.

4.1. Perbande

Ein Verband I' ist eine Menge yon Elementen init za-ei Operationen, die dureii n, U symbolisicrt \r-erden sollen (Durchschnitt und Vereiniguiig von Mengen). Sind a: b. c. ( I Elemelite ron T'. so gilt belranntlich I u n n b = rl eindeutig l b n U b = o eindeut,ig - -

n n b = b n a I1 a, Kommutativgesetze 111) a U b = b U n ~

IIIa IITb

n fl ( b n c) = (u n b ) fi c = a n b 13 G Assoziativgesetze n L1 ( b U c ) = ( a U bj 1J c = a U b U c

I V a (1 n (a U b ) = a Verschmelzungsgesetze 1 V b n U ( n Cl b ) = a

4.2. Halbordn.ungen Eine Halbordnung H ist eine Menge von EIeiiienten iiiit eiiier zweistelligen Relation, die als synibolisiert werde (,.entha.lten in"). Es gilt: a E bi+ (;€ a -+ $ € b ) . Wenn n, bE H , so g i l t : I n S a Reflexivitat

IT u b A b & c a & c Transitivitat I11 n b A b & a u = b Antisymmet,rie

Bemerkung : --f ist als aussagenlogische Iniplikstion, cs a.ls Aquivalenz. A als Jogische Icon- junktion und v als Alternative zu verst,ehen.

4.3. Graphische Darstellung

Ohne die exskte algebraische Grundlegung der Graphentheorie anzugeben, sol1 die mogliche Dar- stellung von T'erbanden init Halbordnungsrelation in Form von Graphen benutzt werden. Dazn folgende Erlauterung : Zwei Eleinente a, b einer Halbordnung Iieiflen vergleichbar, wenn n C, b v 0 5 n gilt, andernfalls heiBen sie unvergleichbar. Sind zwei Elemente vergleichbar, so sol1 zwischen ihnen eine r o n unten nach oben gerielitete Strecke gezogen werdeii kijnnen (rgt. Abb. 1).

d

d C b b c d Abb. 1. Darstellung der Ha1bordnungsrela.tion zweier Eleniente

Diesc heiden Beispiele n-eisen zugleich darauf hin, daB eine schrage Lage der Strecke erlaubt ist. Das dabei entstehende graphische Gebilde einer vorliegenden Halbordnung wird haufig als HAYSE- Diagrainni bezeichnet.

5 . Die Poteiizineiige Es liege eine beliebjgefeste Menge 1K vor. Die AIenge der Teilniengen von M sol1 dann als Potenz- nienge P ( M ) bezeichnet werden. Es ISiBt sich leicht zeigen, dafl fur P ( M ) die Verbandsaxiome I a bis IV b erfullt sind. Aul3erdem sind bei Hinzuna.hme der niengentheoretischen Inklusion, die

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Axiome I bis I11 fur die Halbordnung erfiillt. Die Potenzmenge ist also ein Verband mit Halb- ordnungsrelation.

Ein spezielles Beispiel veranschaulicht das Cesagte in der Darstellung des HASSE-Diagramms. Gegeben seidieMenge M = {1,2,3}. Dannist P(H) = (0, {1}, {2}, {3}, (1, 2}, {1,3}, {2,3}, (1, 2,3}}. Die 1eereMenge 0 und Jf selbst gehorennaturlich zu P ( M ) . Das HassE-Diagramm ist in Abb. 2 dargestellt.

(7.2) i2.3)

Abb. 2. Der zur Menge bI = 1 ,2 ,3 gehorige Potenzmengenverband

6. Der taxonomische Verband mit Halbordnungsrelation

Die taxonomischen Einheiten, die nicht unbedingt biologische Individuen zu sein brauchen, sondern durchaus hohere taxonomische Kategorien vorstellen konnen, werden mit den Zahlen 1,2, 3, . . . N belegt. Es sollen N taxonomische Einheiten auf ihre systematischen Relationen hin untersucht und in Taxa eingeordnet werden.

Das ,,HAssE-Diagramm" des noch niiher zu untersuchenden ,,Verbandes" kann z. B. wie in Abb. 3 aussehen.

{7,2,3,4, ....., N}

,/A rl.Stuie

3. Sfufi?

I Sfufe

RSfufe

Abb. 3. Beispiel fiir einen Graphen eines taxonomischen Verbandes

Man sieht an dieser Darstellung, daD taxonomische Verbiinde eng mit dem Potenzmengenverband zusammenhiingen. Bevor dies besprochen wird, sol1 nochmals darauf hingewiesen werden, daD die fur eine praktische Untersuchung notige Quantifizierung der Verknupfungen, die letztlich auf die metrische Fixie- rung einer Aquivalenzrelation und der in der Abbildung angegebenen Stufenfolge hinausltiuft, erst in einer spiiteren Arbeit behandelt wird. Jetzt findet nur ein allgemeiner algebraischer und Ordnungsaspekt Beriicksichtigung. 18 Biometr. Z. 15,4

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Die weiteren Ausfuhrungen hiingeii nicht von dem nur zur Demonstration benutzten Beispiel der Abbildung ab, sondern gelten allgemein fur taxonomische Verbande. Alserstes gilt fur taxonomische Verbande, dafl die H bzw. V zugrunde liegende Mengen identisch sind. Es ware sehr befriedigend, wenn sich der taxono- inische Verband als Teilverband des Potenzmengenverbandes ergabe. Dazu ware es notig, daIj alle Axiome des Verbandes und der Halbordnung fur die in der Abbildung gezeichneten Graphen bzw . alle moglichen denkbaren taxonomischen Graphen gelten.

Werden die Axiome I a bis I V b bzw. I bis I11 daraufhin gepriift, so ergibt sich: Alle Axiome gelten ,,formal" uneingeschrankt. Das soll heiflen, dalj sich bei Anwendung der Verknupfungen immer Elemente des dem taxonomischen Verband iibergeordneten Potenzmengenverbandes ergeben. Die Elemente der I. Stufe (in der Verbandstheorie Atome genannt) dieser beiden genannten Verbande sind identisch! Da sich bei Untersuchung von I b ergibt, da13 die Vereinigung zweier Elemente des taxonomischen Verbands nicht unbedingt in diesem zu liegen braucht, ist der taxonomische Verband kein Teilverband des Potenzmengen- verbandes. Trotzdem gelten die Axiome IIa bis I V b fur die Teilmengen formal. Am Beispiel soll die Ungiiltigkeit von I b gezeigt werden. Fur die Teilmengen der Abbildung gilt z. B.

(1,4, 10, 11) u (2, 9, 3) = (1 ,2 , 3, 4, 9, 10, 11).

Das Ergebnis der Vereinigung ist zwar Element des ubergeordneten Potenz- mengenverbandes, aber nicht des gezeichneten taxonomischen Verbands.

uber den taxonomischen Verband kann also folgendes gesagt werden. Ein taxonomischer Verband ist eine Menge von Elementen, die eine Teilmenge eines Potenzmengenverbandes bilden, wobei fur die Elemente die Verbands- und Halbordnungsaxiome au13er I b gultig sind. Die Vereinigung zweier Elemente ergibt nicht notwendig wieder ein Element des taxonomischen Verbands. Die angefuhrte Gultigkeit ist so zu verstehen, dalj die in IIa bis IVb enthaltenen Verkniipfungsgesetzmafligkeiten auf Grund der Ungultigkeit von I b in vielen Fallen nur formalen Charakter haben, weil nicht mit Elementen des taxono- mischen Verbands, sondern mit denen des ubergeordneten Potenzmengen- verbandes gerechnet wird. Fur die Halbordnungsrelation gilt keine ahnliche Einschrankung.

Bei der Durchschnittsbildung der Taxa einer Stufe ergibt sich prinzipiell die leere Menge.

Taxonomische Verbande konnen wie mathematische Verbande mit Halb- ordnungsrelation durch Graphen dargestellt werden.

Zusanimenfassung

Der taxonomische Verband kann mit Hilfe der niathematischen Strukturtheorie formuliert werden. Er ergibt sich als ein eingeschriinkter Potenzniengenverband, der sich niit den Mitteln der Graphen- theorie veranscliaulichen 1iiBt.

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Summary

Some algebraical procedures are used in numerical taxonomy. The problem of taxonomy is handled with the apparatus of set theory and with graphes.

Literatur

BOURBAKI, N., 1951 : Les structures fondanientales de l’analyse, structures algebriques, Paris. HASSE., M. und L. MICHLER, 1966: Theorie der Kategorien, Berlin. HERMES, H., 1967 : Einfiihrung in die Verbandstheorie, Berlin, Heidelberg, New York. HEYWOOD, V. H., 1971: Taxononiie der Pflanzen, Jene. IHar, P., R. TRAUTNER, H. WOLF, 1971: Biometr. Z. 13, S. 161-202. LUGOWSKI, H., und H. J. WEINERT, 1957: Grundzuge der Algebra, Leipzig. SCHADACH, D. J., 1971 : Biomathematik, Band 1 und 2, Berlin, Oxford, Braunschweig. SOKAL, R. R., and P. H. A. SNEATH, 1963: Principles of Numerical Taxonom San Francisco und

STRUBECKER, K., 1970: Naturm. Rdsch. 23, H. 3. SZASZ, G., 1962 : Einfiihrung in die Verbandstheorie, Leipzig.

London.

Eingang des Nanuskripts: 10.1.19i2 Anschrift des Verfassers: Dr. D. LEUSCHNER DDR - 8019 Dresden Anton-Graff-Str. 14