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Kriegschirurgische Mitteilungen aus dem V{31ker- kriege 1914/16. Nr. 41. Behandlungsziele und -ergebnisse bei Schuflver- letzungen der Gelenke und ihrer Umgebung. Von Dr. Hagedorn, Oberarzt am StadtkrankenhausG6rlitz. (Mit 8 Abbildungen.) Die gr.ol3en Hauptgruppen der Gel.enkschul3verletzungen sind die der St.eckschiisse und der Durchschiisse. Die Gelenksteck- schfisse unseres hiesigen klinischen Material,s las~sen sich in der Gesamtiibersicht in gemeinsame Gruppen zusammenfassen, die den einzelnen Gelenkbereichen nach zu besprechen sind. Am Schultergelenk linden sich einmal die Einschiisse klein, glatt im Bereich des Deltamuskels, mit prallem, nicht infiziertem Blutergul3 ins Gelenk; die Knochenbriich.e, die meist Spre.ngbriiche sind, zeigen sich vielfach kaum disl,oziert, oft steck.en zahlreiche Gesch,ol3teile der zerf.etzten Geschosse im Knochenbruch und in den Weichteilen der n/ih.eren Umgebung. Der Schul3kanal s.ondert oberfl/ichlich triib ser6s ab, die Einschul3r/inder sind etwas ent- zi~ndlich umrandet. Der Arm pflegt in der erst.en Zeit nach der Verletzung kraftl.os und unbeweglich herabzuh/ingen, auch wenn die Kn.ochenbruchstiicke glatt .ohne Zusammenhangstrennung durch das betreffende Geschol3 durchschlagen worden sind; diese Bewegungsu:nf/ihigkeit ist ein typisches Sympt.om fiir dera.rtige Ge- lenkverletzungen. Da, wo die Stellung der Fraktur keiner weiteren K,orrektur bedarf, geniigen Schienenverb/inde zur ein- fachen Feststellung des Gelenks und des Arms. Die handlichen Pappschienen der Bergmannschen Schul.e, die ich seit langen Jahren bevorzuge, bew/ihren sich dabei stets; sie lassen sich' leicht in flach rechtwinkligen seitlichen Schienen herstellen, die im Verein mit breit zurechtgeb,ogenen langen dor.salen Schienen Ellbogen- und Schultergelenk durch Anpassung an die Schulter-

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Page 1: Nr. 41. Behandlungsziele und-ergebnisse bei Schußverletzungen der Gelenke und ihrer Umgebung

Kriegschirurgische Mitteilungen aus dem V{31ker- kriege 1914/16.

Nr. 41. B e h a n d l u n g s z i e l e u n d - ergebn i s se bei Schuflver- l e t z u n g e n der G e l e n k e und ihrer U m g e b u n g .

Von Dr. Hagedorn, Oberarzt am Stadtkrankenhaus G6rlitz.

(Mit 8 Abbildungen.)

Die gr.ol3en Hauptgruppen der Gel.enkschul3verletzungen sind die der St.eckschiisse und der Durchschiisse. Die Gelenksteck- schfisse unseres hiesigen klinischen Material, s las~sen sich in der Gesamtiibersicht in gemeinsame Gruppen zusammenfassen, die den einzelnen Gelenkbereichen nach zu besprechen sind.

Am Schultergelenk linden sich einmal die Einschiisse klein, glatt im Bereich des Deltamuskels, mit prallem, nicht infiziertem Blutergul3 ins Gelenk; die Knochenbriich.e, die meist Spre.ngbriiche sind, zeigen sich vielfach kaum disl,oziert, oft steck.en zahlreiche Gesch,ol3teile der zerf.etzten Geschosse im Knochenbruch und in den Weichteilen der n/ih.eren Umgebung. Der Schul3kanal s.ondert oberfl/ichlich triib ser6s ab, die Einschul3r/inder sind etwas ent- zi~ndlich umrandet. Der Arm pflegt in der erst.en Zeit nach der Verletzung kraftl.os und unbeweglich herabzuh/ingen, auch wenn die Kn.ochenbruchstiicke glatt .ohne Zusammenhangstrennung durch das betreffende Geschol3 durchschlagen worden sind; diese Bewegungsu:nf/ihigkeit ist ein typisches Sympt.om fiir dera.rtige Ge- lenkverletzungen. Da, wo die Stellung der Fraktur keiner weiteren K,orrektur bedarf, geniigen Schienenverb/inde zur ein- fachen Feststellung des Gelenks und des Arms. Die handlichen Pappschienen der Bergmannschen Schul.e, die ich seit langen Jahren bevorzuge, bew/ihren sich dabei stets; sie lassen sich' leicht in flach rechtwinkligen seitlichen Schienen herstellen, die im Verein mit breit zurechtgeb,ogenen langen dor.salen Schienen Ellbogen- und Schultergelenk durch Anpassung an die Schulter-

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nackenform fest fixieren. Absolute Ruhe der Verletzung fiir die n/ichsten Tage in einem derartigen Verbande, das Bestreben, nichts an der Wunde v.o.rzuneh'men, sie unter aseptischem Verbande heilen zu lassen, chirurgisch anzugreifen nur dann, wenn es dringend n6tig erscheint durch den klinischen V.erlauf, fiihren auch schon leicht infizierte Kn.ochenschul3bruchverletzungen bald wie.der in ein nicht mehr bedrohliches, ja ganz reakti.onslos ab- schlieBendes Stadium. Dann bringt eine vo.rsichtige Bewegungs- therapie auch o.hne jeden Rtickschlag in den einfacheren F/itlen eine fo.rtschreitende Beweglichkeit. Anderseits komplizieren gr6- Bere Weichteilwunden durch ihren direkten Zusammenhang mit dem betr.o.ffenen Gelenke die Verletzung. Da hat ein Granat- splitter, der in der ~o.rderen Th.oraxwand stecken geblieben ist, den Schulterblatthals zersplittert, hat hier einen mehr oder weniger gro.13en Defekt geschaffen, die Pfanne selbst zersprengt und durch die breit gehende Wunde durch Infekti.on einen Abszel3 hervor- gerufen, der unter m6glichster Sch.o.nung durch geeigneten Del- toidesschnitt auf der Hahe seiner Vorbuchtung gespalten werden mul3; Senkungen in die unteren Gelenkbuchten verlangen In- cisi.o,nen zu Drainagen an ihren tiefsten Punkten. Erlaubt es erst der Zustand der Wunde selbst, mul3 zielbewul3te mediko- a k t i v e Therapie einsetzen, um der s.o leicht drohenden E.rschlaffung des Deltoides, um einer verst.eifenden Kapselschrumpfung nach M6g- lichkeit vorzubeugen. Einfacher sind die K.ontusionen der Ge- lenke, die durch v.om Gelenk selbst etwas entfernt einschlagende Steckgesch.osse hervorgerufen zu werden pflegen. Da bleibt das Gelenk selbst also frei yon Infektionen, sein ErguB wird schnell aufgesogen; die Funkti.onsst6rungen des G.elenks sind selb~st ganz voriibergehende; die G.elenktfitigkeit kann sch.on yon vorn- herein gebrauchstiichtig erhalten werden. Eine SteckschuBver- letzung kann natiirlich auch zugleich eine Gelenkdurchschugver- letzung setzen; da ist ein schwerer Fall erw/ihnenswert, bei dem der vielzackige Granatsplitter auf dem obersten Tell des Sternum einschlagend das Stern.o.claviculargelenk .anril3 und quer durch die v.ordere Th,oraxwand gehend die Schultergelenkkapsel durch- bohrte und unter ihr stecken blieb; hat das Geschol3 hier keine schweren Zerst6rungen gesetzt, zeigt das Schultergelenk einen glatten Kapselstreifschuf5 ohne jed,e Knochenverletzung, nur mit

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m/ichtig prallem BluterguB, so strSmt aus dem Einschul3 am Stern,oclavikulargelenk bei ]edem Atemstol3 der Eiter heraus, der einem abgesackten Empyem entstammt, das sich st.ofSweise aus diesem SchuBkanal entleert; durch breite Resektion des zer- splitterten Sternumteiles und mehrerer zerschmetterter Rippen wurde eine glatte Heilung erzielt mit freier, unbehinderter Schul- terbeweglichkeit. Das Steckgeschol5 selbst liefi sich miihelos augerhalb der Kapsel excidieren.

Wie sollen wir uns im allgemeinen in b ezug auf die S t e c k- g e s c h.o s s e selbst in den Gelenken verhahen ? Ich habe schon fr/iher bei der Bearbeitung der Steckschu13bestimmungen darauf hingewiesen, dab es sich stets von Fall zu Fall entscheiden soil, ,ob der Fremdk6rper exstirpiert werden mug oder nicht; nut das Mug, der Zwang wegen drohender Dauersch~idigung, wenn schon von vornherein nicht akut b,estehellde bedrohliche klinische Sym- pt,ome ein schnell besonnenes Eingreifen verlangen, soll allein bestimmend sein fiir den Eingriff. Die n/Stige Gelenker6ffnung bedeutet hier mehr als s.onst eine solche bei genuin.en Fremd- k6rpern, die z. B. chronisch.en Kapselentartungen ihr Entstehen verdanken (Ge'lenkmS.use usw.). Man mug stets bedenken, dab sch,on der Steckschu13 selbst Sch/idigungen im Gelenk hervorge- rufen hat, m6gen si.e nun in der Kapsel, m6gen sie im Knochen selbst liegen; der neue Eingriff wird also meist nur noch eine Summierung der Sch/idigungen hervorrufen. So kann dabei herauskommen, dab dieser Eingriff in gar keinem Verh/iltnis zu den St6rungen des ruh'enden eingekapselten Gesch,oss.es stehen wiirde. Ist das Gesch:oB abet nicht eingekapselt, macht es sich' als beweglicher Fremdk6rper bemerkbar, darm ruft es auch un- haltbare Beweglichkeitsst6rungen im Gelenk hervor und mul3 entfernt werden.

Die D u r c h s c h u 13 verletzungen zeigen in der endgiiltigen Wirkung selbst keine grogen Unterschiede gegeniiber der eben erw~ihnten Gruppe der Steckschiisse. Die Infektionsquelle k6nnte als gr6ger bezeichnet werden, well durch Einschug- und Ausschug- }och mit ihrem verbind.enden Kanal die M6glichkeit eben viel eher gegeben wird zur Ausbreitung einer Infektion. Neben den genugsam bekannten und oft geschilderten Einzelverletzungen mu6 erw/ihnt werden, dab die periostale Zerreil3ung bei den Schu13-

Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. 138. Bd. I6

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verletzungen .oft derbe Knorpelwucherungen und Schwielen setzt, die zugleich mit organisierten Weichteilschwarten als Folgen yon Blutergtissen harte, derbe Buckel bilden, die als tumor/ihnliche Ge'bilde weit v,orspringend die Gelenkbeweglichkeit stark be- hindern kannen und jeder Res,orpti.onstheorie trotzen wollen. Hat der Sch'uBkanal das Gelenk s,o getroffen, dab der Gelenkkopf eine Drehung ,ohne wesentliche Verkiirzung erfahren hat, so 1/iBt sich durch m/iBige Gewichtsextension dies,e Drehung wieder korrigieren. Noch immer hat s ich bei solchen Komplikationen, Drehung des Gelenkkopfs, Dislokation, Gelenkknochensplitterung usw., die stets einen prallen BluterguB im Gefolge zu haben pile- gen, der Extensi,onsverband bew/ihrt, der fiir die erste Zeit ange- legt, diese Verschiebung bald ausgleicht und vor allem durch die Entspannung die Beschwerden und Schmerzen sofort be- seitigt. Welche der vielen Methoden man dabei bevorzugt, bleibt jedem iiberlassen, ob Heusnersche Flti.ssigkeit, Mastis,ol oder Heftpflaster. Letzteres macht zu leicht Druckgeschwiire, hSJt auch nicht lange genug auf der SchweiB und Talg abs.ondernden Haut, deshalb ist ihm Flanell ,oder Trikotschlauch mit Klebfliis- sigkeit wohl immer vorzuzi.ehen. MuB m~n in dem Bestreben, eine Infekti.on des SchuBkanals sich nicht im Gelenk weiter ausbreit.en zu lasse:n, chirurgiscK eingreifen, so fiihrt oft allein sch,on die Drainage des am meisten geneigt liegenden Schul3kanalteiles zum Zi,ele, bes~ond.ers wenn man diese ent- stehenJd,en ,oder anf/inglichen Infektionen mit Luftstrom be- f6rdernden feuchten Verb./inden bekS.mpft, die nicht durch irgendeine luftdichte Materie abgeschlossen sind, da diese, wie sich immer mehr und mehr die Erkenntnis Bahn gebrochen hat, durch ihren AbschluB v.on der Luft nur einer starken Vermehrung der virulenten Keime fSrd.erlich' sind und so die Eiterung nur weiter unterhalten. Eine miihselige, dafiir aber auch in ihrem Heilungsendausgang befriedigende Behandlungsweise und -dauer verlangen die oft genug sich findenden Defektschiisse dicht unter den Gelenkk6pfen im Bereich des Kapselansatzes. Ausdeh- nungen dieser Defektstellen, die ich bis zu 6 .cm gefunden habe, haben eine breite Pseudarthrose geschaffen, die .entstanden ist durch anhaltende Abst,ol3ung v611ig losgel6ster Sequester aus dem zersplitterten und vor allem infizierten Knochenbruch in der

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Bahn des Schul3kanals, der Dauerfisteln entweder vom Einschug ,0der Ausschug heraus gebildet hat, die die Infekti.on andauernd unterhalten haben. Erfreulicherweise zeigt aber meist der pralle Ergul3 ins Gelenk n,och keine Infekti.on; die langwierige, vorerst abwartende Therapie 1/il3t wegen des ausgebildeten falschen Geo lenks und des zu kurzen Hebels des Gelenkkopfteils keine vor- beugenden Gelenkbewegungen zu. Auffallend schnell k, ommt es zu Sudekscher Atrophie des Gelenkkopfs und zur Versteifung dutch Kapselschrumpfungen. Wenn nur irgend m6glich, riiumt man nach einigermagen abgeschl.ossenem Wundzustande dutch breite Spaltung die Pseudarthrose aus, die oft genug Splitter nach Splitter abgestogen hatte, frischt die Kn,ochenbruchenden an, deren Qualitg.t nicht die beste ist (osteophyt/ir entartet, weich, brtichig), legt durch sie eine Drahtnaht und gipst den Arm ein (Fig I und 2 i. Auger der metallnen Naht gelingt es, feste Dauerresultate durch eine Knochenspange z'u erzielen, die kortikal eingesetzt wird und zu gleiclaen Teilen den Defekt i/ings tiber- brtickt; auf unverletztes Peri,ost mug dabei vor allem geachtet werden. Was die Frage der endgiiltigen Verktirzungen anbe- langt, so fallen diese beim Oberarm wahrlich nicht so sehr ins Gewicht; bei sol.chen F/illen, wie den erwiihnten, mtissen wir damit rechnen, w.o Defekte und Substanzverlust dutch die dauernde spontane Abstogung von Sequestern unab/inderlich gewesen sind. Die Metallnaht erm6glicht bald mit passiven Bewegungen zu be- ginnen, denen allm~ihlich mit zunehmender Konsolidation mehr und mehr der Gelenkk, opf selbst nachfolgt, besonders wenn es gelingt, die Adh~isionsleisten in der Gelenkkapsel durch Massage und Heigluftbehandlung dehnbar zu machen und zur Resorption zu bringen. Das Endresultat mud zufriedenstellen, wenn die Kapselerschlaffung, wenn die Deltoidesatrophie, die mit ihr im Bunde zu stehen pflegt, nicht schon Dauerzustfinde geschaffen haben. So ist es mehrfach gelungen, abgesehen v o n d e r seitlichen Erhebung, die meist die gr613te Einschr/inkung zu zeigen pflegt, ntitzliche leistungsf~ihige Beweglichkeit des Gelenks ~u erzielen, so dad die Hand sp,ontan bequem an Kopf, Oh'ren und Nacken gebracht werden kann.

Die Kapselerschlaffung nach notwendiger Drainage des Schugkanals, der dutch das Schultergelenk I/iuft, kann so stark

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sein, da5 die Gelenkkopfrundung am unteren Rande der Pfanne h/ingt. Es bildet sich hierbei unter UmstS.nden eine Kommuni- kation des KnochenschuSbruches mit dem "KapselschuSkanal; die wahll,os groge Knochenmarksh6hle sondert weit.er ab, ist also weiterhin der Dauererreger der Kapseleiterung; erst nach Frei- legung und Ausr/iumung der H6hle gelingt es, die Gelenkvereite-

Fig. I.

rung sofort zum Versiegen zu bringen. Wie sollen wir tiberhaupt Knochenschul316cher bzw. Retentionsh6hlen und SequesterhShlen radikal zur Ausheilung bringen? Wiederholt sind bei solchen Ver- letzungen vorher anderweitig AuslSffelungen und Ausr/iumungen yon Sequestern gemacht worden, die doch nicht zu einer Dauer- heihmg fiihrten. Meist finden sich im R6ntgenbilde diese so an- gegriffenen Knochenh6hlen in Form yon ringsum iiberdeckten

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rundlichen R/iumen mit einem verh/iltnism/iBig kleinen Trepana- tionsl.och oben oder seitlich. Da kann die H6hlung nicht aus- heilen; da haben sich groBe, breite Lippenfisteln, die v611ig mit Haut ausgekleidet sind, bis fief in die Knochenh6hle hineinge- legt; eine Heilung wird erst erzielt, wenn die M6glichkeit g egeben wird, in dem Defekt eine breite Weichteilpolsterung und Granu-

Fig. 2.

lationsmasse entstehen zu lassen, die nicht von starren Wandun- gen beengt werden. Ich gr.eife diese H6hlen stets s.o an, dab ich Decke und eine Seitenwand mit dem MeiBel v611ig abtrage, die so geschaffene Mulde selbst ganz flach meiBle und alle Vor- spriinge peinlich genau gl~tte; so erlebt man nur noch selten eine .Entt/iuschung in bezug auf ungest6rte und v.or allem end- giiltige Heilung. Der Substanzverlust, der sich durch die Aus- muldung ergeben muB, bedeutet kein Hindernis fiir die Knochen-

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substanzerneuerung; die sorgf/iltige Schonung des Periostes, das sich meist schwielig verdickt vorfindet, gibt zudem die Gewfihr, dab bald die Mulde durch neugebildete knorpligkn6cherne Sub- stanz ausgeftillt und so versteift und verstfirkt wird. Eine Gefahr mtissen wir uns dabei aber immer vor Augen halten, besonders bei den unteren Extremit./iten, wo die vermehrte Belastung des K6rpers den op.erativ verminderten Dickendurchmesser so stark iiberspannen kann, dab ,es zu einer spontan.en Fraktur kommt. Doch sind diese Komplikationen selten und aul3erdem heilen sie ohne weiteres wieder. Solche operativen Mal3nahmen k6nnen wir aber nicht mehr im direkten Gelenkbereich vornehmen; wohl sind sie stets am Platze in unmittelbarer N/ihe des Gelenks an der Gelenkkapsel; hier ist es ohne weiteres geraten und ohne Miihe ausftihrbar, die Gelenkkapsel v.orsichtig abzuh.ebeln und zuriickzuschieben; mehr als einmal habe ich z. B. einen der beiden oberen Recessus am Kniegelenk so ohne Verletzung umgehen k6nnen. Anders ist es, wenn die Verletzungen innerhalb der Gelenkkapsel derartig sind, dab mit der Wiederherstellung eines auch nur annShernd brauchbaren Z'ustands nicht mehr gerechnet werden kann. Die Weichteilverletzungen brauchen dabei gar keine grol3e Rolle zu spielen; gewil3, sind sie so zerrissen und klaffend, dab das resuhierende Narbenfeld unbrauchbar bleiben wird, dais Gef/il3-und Nervenverletzungen die Verletzung 'ungiinstig kom- plizieren, dal3 ErnShrungsst6rungen der ganzen ExtremitSten auftreten, so mul3 man an eine Absetzung des Gliedes heran- gehen, aber wenn nicht solche extreme Weichteilkomplikationen vorliegen, ist, wie gesagt, die Weichteilverletzung wirklich ohne grol3en Belang, das prognostisch Wichtige spiett sich am h/iufig- sten innerhalb der Gelenkkapsel ab. Mug man eine Resektion des Gelenks ,oder eine Ausr/iumung abgestorbener Splitter vorneh- men, die dann einer Resekti,on gleichkommt, so nimmt man den Zustand des Schlottergelenks vorerst mit in Kauf, 1/il3t es so lange bestehen, bis eine vollstSndige Vernarbung der Weichteilwund,e erzielt ist. Nur nicht diesen Zustand als dauernden lassen, sich nicht mit diesem geheilten Zustande begniigen; was soll denn ein Mann mit solch einem Schlottergelenk an Schulter oder Ell- bogen z. B. sp/iter anfangen? in den allermeisten F/illen so gut wie nichts. Mir sind verschi.edentlich solche abgeschlos-

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senen Schlottergelenke noch zugekommen; die Atrophie des Delt.oides f~illt am meisten auf, daneben die des Trapezius und die Unf~ihigkeit, aktiv den Vorderarm zu beugen, was nur gelingt, wenn der Oberarm festgestellt wird; selbst die Streckung pflegt nur eine rein passive, also schlaffe zu sein; da ist chirurgisch n,och viel zu bessern; vor allem kommt es darauf an, die E.xt.erlsionserschlaffung der be- treffenden Muskeln zn heben, die Diastase zu ktirzen dutch FSrde- rung der Schrumpfung der narbig m uskuliiren Weichteile. Dies gelingt stets am besten dadurch, dab der resezierte Oberarm- stumpf s,o stark wie m6glich in die Schulterblattpfanne hinauf- geschoben wird; w~ihrend v.om Assistenten der Arm so in der leichten Anteflexion und Abduktion der erwtinschten sp~iteren Stellung fixiert gehalten wird, hat man sich aus breiten Gips- binden ein notch nicht erstarrtes gentigend dickes Gipsband hergestellt, das quer um den rechtwinklig gestellten Ellbo.gen mit einem Ende ges~chlungen wird, so dal3 es diesen wie eine H,o,hlhand umfal3t und festh~ilt. Das andere Ende wird liings dem Oberarm stark angestrafft und :auf der Schulter bis an den Nackenansatz anmodelliert. Die Schiene erstarrt bald bei geniigen- dem Alaunzusatz in der gewiinschten F,c~rm und gibt dem ganzen Arm einen sicheren, ruhigen Halt, ohne die Funktionen des V.orderarms zu beeintr~ichtigen, abgesehen yon der Streckung, die aber bei den allgemeinen Manipulationen nicht so viel bean- sprucht wird wie die g,ebeugte Haltung. Ist s,o tier Schulter- gelenkbereieh eine Zeitlang erholt und ausgeruht, ist es zu einer befriedigenden verktirzenden Schrumpfung der Weichteile gek,ommen, so legt ein entweder dem vorliegenden Narbenfelde sich anpassender, unter Umstiinden dies sc~gar excidierender Schnitt oder ein klassischer Resektionsschnitt den Gelenkbereich bzw. .die Fragmente frei. Alle oste,ophytMen Prozesse, wie z. 13. die beistehende Abbildung sie in dem Humerusfragment in hakenf6rmiger Form zeigt (Fig. 3), alle st6renden Schwielen werden unter so.rgf~iltiger Sch,onung aller wichtigen Str~inge ex- cidiert (Bicepssehne), die Schulterblattpfanne wird kraterf6rmig ausgehShlt und das Humerusende spitz gepfiihlt ihm eingepal3t; eine Drahtnaht fixiert diese beiden Pole ineinander unter Be- ach'tung der leichten Anteflexion und Abduktion des Oberarms,

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der in entsprechendem Triangelverband gut ruhen mug. Es ist n.o,ch ratsam, ein Drain nach der hinteren Achselfalte durch eine kleine Incision abzuleiten, man beugt dadurch Heilungs- starungen vor, die dutch Wiederer6ffnung eingekapselter schlum- mernder Infektionsherde im Narbenbereich veranlal3t werden kannen. Jetzt besteht zwar eine Verkfirzung des Arms, die wohl einmal erheblich sein kann; ist aber die Ankylose fest, spielt sie m. E. keine Rolle. Was der Kranke mit seinem Schlottergelenk

Fig. 3.

nut in besonders gfinstigen Ausnahmef~illen ausfiihren konnte, f/ilk ihm jetzt nicht schwer; er kann vor allem seinen Vorderann frei bewegen, kann die Hand miihelos an Kopf und Nacken tasten lassen, wird friihzeitig angehalten, sein Schulterblatt fleil3ig mit zu bewegen, und lernt damit Bewegungen des Oberarms in wenn auch beschrhnktem, so doch iiberaus niitzlichem Mage ausfiihren (Fig. 4)-

~Eine andere Stellung nehmen irn Gegensatz zum Schulter- gelenk E l l b o g e n - und K n i e g e l e n k ein. Neben den tech-

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nischen M6glichkeiten, bei deren hochgradigen Ze,rst6rungen, wo keine nur irgendwie brauchbare Beweglichkeit mehr erreicht werden kann, die Versteifung dieser Gelenke h;erbeizuffihren, k6nnen wir plastische Einlagerungen von Fascie, Fett und Mus- keln versuchen, um das Gelenk wieder m6glichst beweglich zu machen; mir scheint dafiir das Ellb,ogengelenk vM geeigneter

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Fig. 4.

zu sein als das Kniegelenk; beim Ellbogen ist die Aussicht auf Dauererfo.lg wesentlich giinstiger; sie hat sicli oft bew/ihrt. Hier f/illt die st/indige B elastung fort, die das erwartete Resultat hin- f~illig machen kann. Bei den Kn,o.chenschu6briichen des Knie- gelenks z eigen sich neben den glatten Durchschiissen, die weitere Schwierigkeiten in der Behandlung nicht zu machen pflegen, deren w.esentlichste Erscheinung der BluterguB ist, der bald wieder aufg.esogen wird, die infizierten komplizierten Spreng-

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schiisse yon weittragender pr,ognostischer Bedeutung. Eine sichere Ruhigstellung des Kniegelenk begegnet ja keiner Miihe; be- achtet mug nur werden, dab das Kniegelenk ausgi.ebig nnter- schient wird; die seitlichen Schienen geniigen nicht zur sicheren Fixierung, sie lass.en das Gelenk zu leicht nach hint.en durch'sinken; greift man zum Schien.enverband, mug man dies.en nut weit genug hinauffiihren, sonst wirkt der Unt.erschenkel als langer Hebelarm, pendelt bei jeder Bewegung und arbeitet s,o seinem gewollten Zwecke ganz entgegen. Ftir kiirzere Zeit, besonders gleich nach der Verletzung, ist es ratsam, einen leichten Extensionsverband zur Druckentlastung anzulegen. Ebenso bew~ihren sich die Ver- bindungen von Pappschienen mit diesen angelegten Gipsbinden; sie passen sich den Formen an und haben den gr.ogen Vorteil der leichten Abn,ehmbarkeit. Die Plastik beim versteiften Kniegelenk aus der Fascia lata kann bald zu zunehmenden St6rungen fiihren, die hier Entartungs,er'scheinungen einerseits, Wucherungserschei- nungen andererseits auf den zugeschnittenen Kno,chengelenk- fl~che:n entstehen lassen, die dem Patienten jede M6glichkeit neh'men, s,ein plastisches Kniegelenk gebrauch.en zu k6nnen; zumal ohne Apparat ist kein anhaltendes Schaffen im Stehen und Gehen mehr m6glich. Mit Apparat zeigt das Resultat schon keine grogen V,orteile, besonders wo die aktive und passive Bewegungs- m6glichkeit graduiter eine beschr/inkt.ere nach einiger Zeit zu werden pflegt. Dariiber mug man sich klar werden, dab der an- f/ingliche ausgiebigere Beugungs- und Streckungswinkel nach kurzer Zeit sch,on sehr eingeengt zu werden pflegt. Man muB sich Mar machen, dab der in das Gelenk eingeschlagene Lappen sich nicht mehr in seiner urspriinglichen Fo.rm und Beschaffen- heit h~ilt, sondern durch die Belastung und Abniitz'ung, auf die sein Gewebe yon v,ornherein ja gar nicht eingestellt war, durch narbige Schrumpfung reagiert; auch wird er sicherlich zu einem guten Teile wieder res.orbiert. Miissen wir nicht bei diesem Ober- blick zu dem Resultat kommen, dab die Versteifung in guter Stellung beim Kniegelenk das endgiiltig Beste ist! DaB diese dem Betr.effenden keine St6rungen, kein Unterbrechen seiner Arbeitsleistung, keine Schmerzen mehr bereitet, dab er niemals mehr an einen st6rend empfundenen Apparat gebunden ist. Er- scheint die Versteifung in guter, ganz leicht flektierter Stellung

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in Anbetracht der weitgehenden Zerst6rungen des Gelenks das Ratsame, so entspricht der zirkul/ire Gipsverband, der durch Fensterungen ,oder Briicken eine ungest6rte Wundbeh'andlung zulassen muB, am besten den daran gestellten Anforderungen. Bei den weitgehenden Zerst6rungen im Gelenk, aus denen eine vSllige Ankylose resultieren muB, wird die Kniescheibe meist in den Verkn6cherungsprozeB mit hineinbezogen; dann gehen von ihren hinteren und seitlichen F1/ichen aus kall6s-osteophyt/ire Massen auf das entartete Kniegelenk fiber, die die Beweglichkeit der Kniescheibe ganz aufheben und ihre Konturen mehr oder weniger verwischen.

Ein in seinen Verletzungsfolgen sehr bemerkenswerter Einzel- fall verdient erw2ihnt zu werden, der v611ige Versteifung beider Kniegelenke durch einen einzigen GeschoBdurchschul3 zeigt; der Gang ist hierbei noch nicht .einmal geschw~icht urLd behindert ge- wesen, wie man annehmen k6nnte; nur st6rt das eine stark in Varusstellung befindliche Knie erheblich. Wird man vor einen solchen endgfiltigen Befund gestellt, findet sich, dal3 die Anky- lose eine vollst./indig kn6cherne ist, so braucht man sich auch gar nicht zu besinnen, durch eine Keilresekti~)n ein solches Knie gerade zu stellen; k.osmetisches und vor allem praktisches Resul- tat werden dadurch wesentlich gebessert.

Bei Exartikulationen ebens.o wie bei Amputationen muB man immer wieder raten, nicht Seide zu Unterbindungen zu benutzen. Die Wunden durch die Schul3verletzungen sind ja fast immer infi- ziert; da geben die Seidenfremdk6rper den Anlal3 zu anhaltenden Fistelbildungen, wi.e man sie noch oft zu sehen bekommt; deren Exk, ochleati,on bringt die Gefahr der Infektionsverschleppung, dazu bes,onders die der Anreil3ung d.er Gef/il3stiimpfe und dadurch bedingte schwere Blutungen. Ein zugfestes Katgut (wie z. B. K u h n ) h~ilt fast unbedingt und bietet yon den St6rungen, die durch Seide herv,org.erufen werden, nur einen unverll~iltnism/il3ig geringenTeil. Fisteln, die nicht in die .obenerwiihnten Knochen- h6hlen fiihren, die v611ig mit Haut ausgekleidet sind, also tiber- haupt nicht s.o ausheilen wollen, k6nnen dutch lokale Mittel hin und wieder sehr gut zur Ve~cnarbung gebracht werden. Ein solches Mittel ist ja die bekannte und gem angewandte Becksche Wismut-

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paste, die heil3 und flfissig in die Fistelg/inge eingeffihrt diese nach ~Erkalten und Erstarren v.ollkomm.en ausffillt, und die neben ihrer antiseptischen Wirkung besonders als Stfitzgerfist fiir die zarten Granulationen die Ausheilung unterstiitzt. Weiterhin ist eine solche Paste in dieser Anwendung auch ein vorzfigtiches dia- gnostisches Hilfsmittel, um verborgene, h/iufig wirr verschlungene Fistelg/inge, die nur unter der Haut im Zusammenhang stehen und dabei lediglich e i n e Hautfistel6ffnung haben, festzustellen. Das weitverzweigte System derartiger Fistelg/inge (s. Fig. 5) mug, ohne kontrastzeigende Darstellung im R6ntgenbilde, klinisch verborgen bleiben; yon der einen Hautfistel ist es radikal gar nicht anzugreifen, d,enn die Fistelg/inge pflegen dabei, wie es auch das Bild zeigt, ja nicht blo13 in einer Ebene zu liegen, sondern die ganze Dicke der Weichteile des Gelenkbereichs zu durchziehen und plastisch zu umgr,eifen; es kann also eine tat- sfichliche Ausheilung nur an der Hand einer R6ntgenaufnahme gelingen, die dazu eine operative Beseitigung auch des Grund- anlasses (Gelenk-Knochenherd) gewS.hrleistet. Zu einem neuer- dings viel angewandten granulationsanregenden Mittel, dem Gra- nugenol, ~ darf man sich keinesfalls ablehnend verhalten; man sieht tats/ichlich schlaffe, trfibe Granulationen unter seiner Ein- wirkung bald frisch, iippig, prall rot werden; es ist dabei sehr spar- sam im Gebrauch, darf auch nur in wenigen Tropfen eingetr/iufelt werden, da st/irkere Anwendung auf der umgebenden .Haut durch Ubertreten aus der Tamponade heftig entzfindliche, ja auch ek- zemat6se Reizerscheinungen ausl6st. Gute Austr.ocknung wird durch das F6nen erwirkt, bei dem die Entfernung yon der Haut (3o--50 cm) beachtet werden mul3, um nicht einen unangenehmen Hautreiz oder gar eine Verbrennung der Haut zu erzielen. Der F6napparat hat bei richtiger Indikation mir schon manches Mal gute Dienste geleistet, er heilt nicht, ist aber ein wirksam unter- sti.itzendes Hilfsmittel.

Hfiufig treten die direkten Folgen der Schul3verletzungen im Bereich des E 11 b,o g e n gelenks s.o ein, dab der Schul3kanal die Kapse! gestreift oder durchbohrt hat, dab der Knochen aber gar nicht verletzt ist. Da sehen wir vorerst den prallen Ergug ins Gelenk, der blutig zu sein pflegt; er h'eilt unter kurzer Ruhig- stellung des Gelenks und in rechtwinkliger Haltung und ent-

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sprechender Supinatio.nsstellung, wird aufgesogen. Die Beweglich- keit des Gelenks wird dann bald wieder zur Norm gebracht durch mediko-aktive Therapie, Massage und HeiSluftbehandlung. In manchen F/illen, bes,onders wenn der Schul3kanal mehr zur L/ings- achse des Oberarms im Eereich d er Gef/il3furche sich eingestellt hat, dehnen sich diffuse Blutungen in seiner Umgebung auch entlang diesen StrSmgen aus und rufen sogar vortibergehende

tautfistel

Fig. 5.

Nervenl/ihmungen her~or, meist am Nervus radialis, die vorerst durch Kompression des Blutergusses, dann nach Resorption durch Narbenschrumpfung veranlal3t werden k6nnen. Es gelingt, diese St6rungen durch Massage und Heil31uft bei regelmhl3iger T/itig- keit wieder g~inzlich zu beheben. Wenn nicht, tritt auch der Dauer- zustand ein, den wir dann durch Freilegen und Ausschhlen des Nerven, der in freie Fettplastikrolle eingehiillt wird, stets wieder zu normaler Funktion bringen, da die Nervensubstanz selbst noch

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nicht gelitten hat. Wieder eine andere Gruppe yon Verletzungen an diesem Gelenk zeigen die oberfl/ichlichen Weichteilriicken- schiisse und die Str.eifungen. So minimal die Wunde selbst sein mag, s.o .oberfl~tchlich sie zu sein scheint, so hat sie doch z. B. im Bereich des inneren Ellbog,enkn.ochens geniigt, den Ulnar- nerven zu sch/idigen, so dab eine L/ihmung der Interossei des 3 , 4., 5. Fingers zuriickgeblieben ist. Auch hier ist die einzige Hilfsm6glichkeit, die schrumpfende Sch'niirnarbe um den Nerven zu entfernen und ihn selbst in der erw/ihnten Weise gegen neue Schfidigungen geschiitzt in Fett einzubetten. Hartn/ickige H/ima- tome an der Gelenkkapsel, die sich zwischen den Muskelgruppen vorbuchten, k6nnen nicht mehr aufges,ogen werden, wenn ihre Wandschicht zu schnell organisiert, fibr6s gew.orden ist; dann muB das H/imatom gespalten und s.o die Heilung erzielt werden; die bloBe Aspirati.on versagt, da die sich vorfindenden Coagula durch eine noch s,o starke Kanfile nicht mehr durchgehen k6nnen.

Die gr6Bte Anzahl der F/ille betrifft aber leider die offenen, breiten Zerschmetterungen, die schon durch ihre Wunden selbst jede I-toffnung auf ,eine Wiederherstellung einer nur irgend brauchbaren Gelenkbeweglichkeit zuschanden machen. In den allermeisten F/illen sind die Weichteilwunden yon vornherein infiziert, das Gelenk pflegt er6ffnet zu sein. Die erste chirurgische Sorge ist die, eine m6glichst ungest6rte Heilung dieser komplizier- ten Wunden zu erzielen. Diese Hauptforderung schaltet jede Be- wegungstherapie fiir 1/ingere Zeit aus, also versteift das Gelenk vollst/indig. Ist die Kapsel erhalten, so entartet sie, wird schwie- lig, schrumpft und zieht Schrumpfungs- und Verwachsungs- prozesse tier Gelenkfl/iche nach sich; ist das Gelenk often, ent- artet es nur um so schneller. Die rein klinischen Befunde habe ich meist so gesehen, dab es sich um eine Splitt.erzerschmetterung des Gelenks handelt, die mehr oder weniger die Umgebung selbst betroffen hat, oder dab es sich ~ um eine SchuBfrak't'ur z. B. am .Ellbogen im Processus cubitalis bzw. in beiden Vorderarm- kn.ochen dicht unter dem Olekranon gehandelt hat. Diese ge- naueren Diagnosen lassen sich .oft gleich nach der Verletzung nicht feststellen, das R6ntgenbild kann auch im Drange der Ver- h/iltnisse hinter der Front nicht immer angefertigt werden; der ffir den Transport in die Heimat dem Verletzt.en w,ohltuendste

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Verband ist der der rechtwinHigen St.ellung, s.o muB sich hier im R6ntgenbild die rechtwinklige Abbiegung nicht im Gelenk, s.ondern in der Bruchstelle zeigen, die demnach sehr unerwiinscht und korrektionsn6tig ist. Die Korrektur dieser Steltung kann oft auBerordentliche Ers.chwernis machen, was das endgiiltige sp/itere Stellungsresultat anbetrifft. Dutch Streckung bei leicht iiber- korrigierter St,ellung bringt man woh'l die Fragmeme in eine gute Lfingsachse und glei.cht ,etwa bestehende Verktirzungen geniigend aus. Wenn man dann aber l~ach ~ einiger Zeit in Narkose versuchen will, das Gelenk zu mobilisieren, erlebt man die E.ntt~iusch'ung, dab wiederum die falsche Beweglichkeit in der Frakturstelle eingetr,eten ist; es hat a lso das schon versteifte Gelenk starr festgehalten und die n.och weiche Callusmasse wieder nachgegeben. In solchen Ffillen mug man vorziehen, dann, nachdem die Weich- teilwunde keine Reaktion mehr zeigt, die Frakturstelle freizu- legen, si.e anzufrisch:en und mit Draht fest zu vern/ihen. So hat man auch manchmal die Freude, wieder ein Gelenk zu erhalten, das nach planm~igig zunehmender mediko-aktiver Therapie einige Beweglichkeit auch dauernd aktiv beh~ilt. Bleibt aber die Ver- steifung, so stellen wit diese in leicht spitzwinklige, die mit Inne- haltung einer gewissen Supinationsstellung die praktische Ar- beitsf/ihigkeit des Armes noch mit am geringsten beeintr/ich~igt. Ist es zu einer AusstoBung des zersch'metterten Ellbogengelenks gek.ommen, hat man durch Schaffung eines Schl.ottergelenks radikal vorgehen miissen, so ist nach Ausheilung der Weichteil- wunden der gegebene Weg, aus diesem unbrauchbaren Schlotter- gelenk durch schrfige Anfrisctmng tier Bruchenden, die durch Naht befestigt werden, ein versteiftes, in guter Stellung befindliches, brauchbares Gelenk zu schaffen. Der Ellenbogengelenkbereich ist aber auch am geeignetste:n, plastis.ch ibm wieder ein Gelenk zu schaffen, sei ,es durch Plastik aus der Tricepssehne, sei es durch andere Interpositionen, unter welchen auch einmal ein- faches Narbengewebe prognostisch sehr brauchsam sein kann; ich babe einen derartigen Fall ,operiert, der eigentlich zur Ver- steifung bestimmt, durch zuf/illige narbige Interposition eine sehr erfreuliche aktive Beweglichkeit erzielt urLd behalte~l hat. Wie ich schon erw~ihnte, fS.11t beim Ellbogengelenke die k6rperliche Belastung ganz fort, die das Dauerresultat dieser Gelenkplastiken

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am schnellsten wieder hinfillig macht. Die Gipsverbinde in allen ihren Modifikationen bleiben doch das beste Hilfsmaterial zur Fixierung der Gelenke. Sie bergen zwar einen Nachteil in sich, den, dal3 man versucht werden kann, sie zu lange liegen zu lassen, weii sei nicht einfach abnehmbar sind im Vergleich zu dem an- deren Schienenmaterial; das kann dadurch nattirlich die Ver- steifung eines Gelenks bef6rdern. Andererseits gibt es doch aber kein Material, das verl/il31icher festsitzt, als der Gipsverband; die kleine Lockerung, die er nach einiger Zeit durch die Ab- schwellung bzw. Atr.ophie der Weichteile erfahren mug, mug k.ontrolliert und jederzeit durch Wechsel abgestellt werden.

13eim H a n d g e 1 e n k sind natiirlich ebenfalls die verschie- densten M.odifikationen der konservativ vorgehenden Therapie angewandt, auch hier wi.eder in erster Linie das Bestreben, exten- dierend zu verfahren, um gute Endstellungen und mSglichst brauchbare Bewegli.chkeit wieder zu erhalten. Es miissen also erstens die Schienen so angelegt s.ein, dab trotz Verband das Hand- gelenk gentigend Spielraum hat, auch im Verbande zur rechten Zeit, wenn die Wundverh./ihnisse es frtihestens erlauben, bewegt zu werden. Wie man da verf~ihrt ist ganz gleich, wenn nut der Endzweck err.eicht wird. Die Niklassche Schiene, die das Hand- gelenk freil/if3t, ist beim Handgelenk gut verwertbar, wenn sie auch bes,onders mit V.erwendung der einz.elnen Spiralfedern mehr der Extension der einzelnen Finger dienen soil. Ich babe mich stets s,o in der durchaus brauchbaren Weise beholfen, dab ich die unbehinderte Extension dutch eine vom Ellbogen aus ge- schwungene, weit tiber die Haut gehende Gipsschiene in Lyra- form erzielt habe. Sollen die Finger extendiert werd.en, so lassen sich vers.chiedene ExtensionsmSglichkeiten anwenden, seien es nun direkte feine quere Durchnagelungen der Endglied.er oder Extensi,o,nsfingerlinge verschied,enste.r Konstruktion. Bei den Zie- len der Gelenkbehandlungen an den Fingern brauche ich' nur das kurz zu erw/ihnen, was ich frtiheren Orts bereits besprochen habe: Versteifte Fingerendgelenke st6ren nicht wesentlich, die Versteifungen im Mittelgelenk bzw. Grundgelenk haben auch durch chirurgische Eingriffe k.eine Aussicht auf Besserung der praktischen Gebrauchsf/ihigkeit; s.olch ein steifer Finger st6rt mehr als ein fehlender. Der Verlust des bei Grundgelenksver-

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steifung abges.etzten Fingers, wobei besonders bei Mittelfinger und Ringfinger die Adelmannsche Metakarpalresektion anzu- schliel3en ist, um .ein Zusammenkommen der benachbarten Finger zu erleichtern, wird schnell ,ohne Ausfall der Arbeitsleistung tiber- wunden. Doch gilt dies alles nicht ftir den Daumen; ein noch so gelenkversteifter Daumen bleibt aul3erordentlich wertvoll fiir die Griff/ihigkeit.

Es ergibt klinische Unterschiede in den G e 1 e n k k n o c h .e n- v e r l e t z u n g . e n a n d e n B e i n e n , ob sie erlitten werden in Ruhelage oder im Gehen. Bei ersteren f/~llt die K6rperbelastung fort, die im Augenblicke der Verl.etzung ihrerseits a:uf die Art der Knochenverletzung mit einwi.rkt; man sieht hierbei Torsions- briiche vom Kn.ochenschul3bruch ausgehend, Aufsplitterungen yore Gelenk aus den Sch.aft entlang ziehend; s,olche Befunde fehlen bei den Verletzungen, die in der Ruhelage gesetzt werden; natiirlich findet man auch hier die weitgehendsten Splitte~*briiche, die der Wucht des Gesch,o,sses unterliegen, aber die Torsions- briiche fallen aus, die die K6rperlast auf dem Ort des geringsten Widerstandes, der ja in diesem Falle die SchufSbruchstelle sein mug, hervorruft. Je mehr die Splitter um die Fraktur im periosta- len Zusammenhange bleiben, je m~13iger die Wunde infiziert ist, um s,o fester heilt der Schul3bruch; bei den Splitterbrfiichen sieht man stets nach abgeschlossener H,eilung einen viel m~ichtige- ren Callus als bei den glatten Durchschul3brtichen. H~il31ich komplizierend ftir die Heilung der Hiiftgelenks- bzw. Kapsel- schuBverletzungen sind die Bandleisten, die sich yon der Kapsel aus bilden und die osteophyt/iren Prozesse. Beide linden sich, wenn auch der Knochen selbst kaum eine Dauersch/idigung oder eine B,ehinderung dav.ongetragen zu haben braucht. Die Kapsel- leisten rufen durch ihren narbigen Schrumpfungszustand schwere Bewegungsst6rungen hervor; das gleiche ist oft genug der Fall bei den osteophytS.ren wohl eigentlich mehr aus Verletzungen des Peri,osts entstehenden Wucherungen. Doch haben beide die

�9 immerhin giinstige Prognos.e gemeinsam, dab durch entsprechende Mal3nahmen, wie intensive Heil31uftbehandlung und Massage, so- wie tatkrfiftige aktive Bewegungen diese Prozesse wieder auf ein Minimum res,orbiert zu werden pflegen.

Bei den Verletzungen der gr,ol3en Gelenke der Beine bleibt die DeutscheZeitschrift f. Chirurgie. 133. Bd. 17

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Druckentlastung dies er besch~digten Gelenke d~er Hauptpunkt des Behandlungsverfahrens , wonach die Schmerzen sofort nach- lassen. Viele technische M6glichkeiten stehen diesem therapeu- tischen Zwecke offen; Gewohnheit und (Tbung lassen den Chirur- gen den Extensionsverband Inachen, der ihm am besten scheint. Ob Heftpflaster, Klebfltissigkeit oder Steinmann-Kodivillasche ]Lxtensi,onsmetbode, der Zweck des Verbandes und seine Wir- kung ist die Hauptsache. Handelt es sich nicht blol3 um stSrkere Blutergtisse, sind die Gelenkkn~ochen beschSdigt, s,o ist ftir einen gleichm/ii3ig wirkenden sich nicht verSndernden Zug, der eine grol3e Gewichtsbelastung mtihelos durchh~lt, das ratsamste die direkte Knochennagelung. Sie hat reich ni,e enttSuscht, ihre Nachteile sind kaum erw/ihnenswert, werden bei vorausgesetzter Beherrschung der Technik ausgeschalt,et dutch ihre sichtbaren V,orteile. Ausftihrlich habe ich frfiiher fiber die Nagelextension geschrieben und gehe hier deshalb nicht mehr nSher darauf ein 1).

Bei den H t i f t g e l e n k e n sind die ganzen Verh~ltnisse wesentlich schwieriger als bei den anderen grol3en Gelenken. Die Weichteilmasse gestattet kein direktes gelenkumfassendes An- greifen der Verletzung s elbst. Der schwere K6rper setzt 15nger dauernden Heilungsbestrebungen in schwer st6render Weise Hin- dernisse entgegen, die doch bin und wieder zum Abbrechen der Heilbestrebungen ftihren k6nnen, wie z.B. durch Decubitus. Bei Schul3zerst6rungen des Htiftgelenks ist auch wieder die erste Sorge die tier Druckentlastung, der Aufhebung tier Verkiirzung der verschobenen Fragmente und die Sorge um m6glichst unge- st6rte Wundheilung unter Erhaltung der korrigierten Stellung. Daffir steht wieder ,obenan die Nagelextensi.on. Sind die kompli- zierten Wunden vereit,ert, drohen Decubitus, hat man breite Spaltungen machen mii.ssen, ist das Gewebe phl.egm, on6s oder gar nekr,otisch zerfetzt, s.o ist das Heilungsideal di.e Extensionsbe- handlung im Dauerbad. Wir sind hier auf unserer chirurgischen Abteilung in der gliic'klichen Lage, ein solch,es ~Extensi.onsdauerbad in Gebrauc~ zu haben. Der 2 m lange Wasserk.asten, dessen WS.rmeabflul3 und -zuflu!3 selbsttStig elektrisch reguliert wird, hat an dem Schwimmbett, auf dem der Kranke liegt, einen rich-

I) Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. I35. S. 28/29.

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tigen Exten.si, onsapparat mit R,olliibertragungssystem, sowie An- ordnungen fiir GeEenziige. Die Gewichtsbelastung braucht im Wasserbade niemals so grog zu sein wie im 13ett; ich habe stets wieder die Erfahrung gemacht; dag z. B. eine 35 Pfund-Belastung, im richtigen Bett gut ausgehalten, im Wasserbade unertr~iglich wurde; das ist ja auch ganz natiirlich, das Wasser tr/igt den Pa- tienten und hebt alle Gegenreibung auf; ein Heruntergehen bis auf die H/ilfte des Gewichts hat die korrigierte Stellung in unver- /inderter Weise weiter gehalten.

Einige W,orte diirf.en hier auch der Schraubentherapie gelten, die eigenttich nur beim Htiftgelenk Berechtigun:g h'at. S,o man- ches Mal hat man kurz entschlossen einen Schenkelhalsbruchver- letzten dadurch am schnellsten wieder auf die Beine gebracht, dab dutch eine Schraube die Fragmente lest fixiert wurden. Bei allen solchen Verletzten, die meist in fortgeschrittenem Alter zu sein pflegen, ktirzen wir deren Bettl./igerigkeit erl-/eblich ab, ver- min.dern wir dadurch die Komplikati,onen sekund/irer ]Lrkran- kungen (Hypostase), erzielen wir eine Adapti,on der Fragmente, die sonst bei der mangelhaften Callusheilung schwer zu erzielen ist (Fig. 6). Die Technik ist so einfach, sie besteht darin, daB: seitlich an dem Tr,ochanter major eine Stichincision gesetzt wird, durch die in durch das R6ntgenbild vorher bestimmter Schr/ig- stellung die Schraube eingedreht wird, bis sie beide Fragmente lest aneinander gebracht hat; ausgeschl,ossen yon dieser so brauchbaren Therapie bleiben rtattirlich die infizi.erten Verletzun- gen, da sonst die Nickelschrauben stets als Fremdk6rper die In- _~ekti,on weiter unterhalten wtirden.

Was die Frage tier Verktirzungen b.etrifft, s.o kann man mit den Extensionsmagnahmen in der Regel die fiir gewShnlich be- stehenden yon 6--8 cm in kurzer Zeit, die im Mittel 3 - -4 Wochen zu sein pflegt, bis auf solche v.on ~--3 cm ausgleichen, wenn es nicht iiberhaupt ganz gelingt; ich habe schon friih.er darauf hin- gewiesen, dab s:ogar Verl~ingerungen bis zu I cm gar nicht uner- wtinscht sind, weil doch hinterh.er nacl-/ geraumer Frist, wenn die Fraktur 1/ingst verh,eilt ist, durch den Gebrauch' des Beines eine Abschleifung der Bruchenden, ein Schrumpfen der Callusmassen und dadurch eine nachtrfiglich geringe Verktirzung bedingt wird. DaB auch Verkiirzungen von I31/f,, cm noch sehr erfreulich be-

i7"

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hoben werden k6nnen, dafiir spricht ein schwerer hochsitzender Oberschenkelschul3bruch, den ich erst nach 5 mo,natlicher ander- weitiger Behandlung sah. Hier bestand eine starre Ankyl.ose des Hiiftgelenks, und zwar so, dab der Oberschenkel in der hoch- sitzenden Splitterfraktur in einem spitzen Winkel abgeknickt war. Der Zug der ausw/irts rollenden und der beugenden Muskeln

Fig. 6.

hatte, da ihr Gegenspiel ganz aufgehc~ben war, den oberen kurzen Hebelarm iiberstark durch seine Kontraktion hinaufgezogen (Fig. 7). So konnte der ungliickliche Zustand nicht bleiben. Unter Umschneidung bestehender Fisteln an der Aul3enseite liel3en sich die Tro.chantergegend durch ausgiebigen LS.ngsschnitt freilegen, die iibereinandergeschobenen Bruchenden sorgfS.ltig von allen Schwarten und Granulati.onsenden befreien, das Weichteilwundbett

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Behandh.mgsziele und -ergebnisse bei Schul3verletzungen der Gelenke us,a.. 26 I

durch Excision dieser Massen anfrischen und die osteophyt~iren, unbrauchbaren Knochenenden gl/itten. Dann wurde der kurze Tell des Oberschenkels, das Hiiftgelenk, vorsichtig mobilisiert, was unter Knirschen und Reiben gelang; Bandmassen sprangen, die Kapsel und der Gelenkk,opf brachen nicht. Eine starke Bronze-

Fig. 7.

naht vereinigte die Bruchenden, die gut aufeinander pal3ten. Die grol3e Weichteilwunde schlol3 ich tiber einem Drain. Die Nagel- extension bei Korrektur der Fragmentsstellung hat in ihrem Ge- samtresultat den Erwartungen voll entsprochen; jetzt besteht eine endgiiltige Verktirzung von reichlich 4 cm, das Bein steht gut, der Gang ist noch vorsich',ig z6gernd, aber frei, von einem Hinken kann nicht mehr gesprochen werden; das Htiftgelenk wird

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durch energische Obungstherapie auch noch freier werden (Fig. 8).

Bei den Gelenkschu13verletzungen im Bereich des ganzen Fu13es haben wohl nur die des F u 1 3 g e l e n k s pr.ognostisch grogen Wert. Um v.orerst die Schugverletzungen der Gelenke, abgesehen vom Fu13gelenk, kurz zu besprechen, so werden hierbei ebenso wie bei den entsprechenden Fingergel.enken operative Pin-

Fig. 8.

griffc: keinen praktisch brauchbaren hervorstechenden Vorteil bringen. Eine Versteifung in gut beachteter Stellung, die jede St6rung beim Auftreten und beim Gehen zu vermeiden sucht, gibt das praktisch' wertvollste Endresultat. Zerscbossene, vor- ge.driickte Fugkn.o.ch:en, bes.onders die der Fu13wurzel, bei der stets deren direkte Gelenke beteiligt zu sein pfl.egen, sto13en sich allm/ihlich ab oder werden noch besser bald entfernt, da sie s,onst durch ihren Vorsprung hindernd wirken und in stSrender

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Weise durch ihre Callusmassen die Sehnen ummauern, diese fixieren und dadurch zu schweren Funktionsst6rungen ftihren. D,och s,oll, besonders beim FuBgelenk', eine en.ergische, m6glichst frtihzeitige mediko-aktive Therapie an Gelenkbeweglichkeit heraus- holen, was nur irgend geht. Wenn nur noch eine Scharnierbe- wegung endgtiltig erzielt wird, so ist schon wesentlich geholfen und gef6rdert; der Verlust der Rollf/ihigkeit ist kein so groger Nachteil wie tier der Scharnierbewegung, denn diese erleichtert den Gang, macht ihn oft genug allein m6glich durch die F~ihig- keit, den Fug beim Gehen abwickeln zu k6nnen. Wenn es abet sch.on zu einer Fuggelenkversteifung komm.en mug, dann darf nicht auger acht gelassen werden, da5 nur keine Spitzfugstellung erzielt wird, die ein ann/ihernd normales Gehen und Stehen un- m6glich macht, well der Belastungs- und Aufsatzpunkt, statt auf dem Fersenteil zu liegen, auf dem Mittelfug oder gar auf die Zehen- basis verschoben wird. Es mug also str.eng beachtet werden, dab dann der Ful3 rechtwinklig, b.esser noch leicht dorsal flektiert ve.rsteift wird.