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  • NEW WORK ORDER

    KREATIVE LERNWELTEN

  • TITEL-ILLUSTRATION: YANG LIU DESIGN

    Im Sinne einer besseren Lesbarkeit beschrnken wir uns in dieser Studie bei der Nennung von Personen, Berufen, Positionen und Titeln auf die mnnliche Form, ohne damit die weibliche ausschlieen zu wollen.

  • DIE GUTE NACHRICHT GLEICH VORWEG: DIE ARBEIT VON MORGEN WIRD ABWECHSLUNGSREICHER

    UND KREATIVER UND WIR WERDEN AUS IHR LERNEN!

    LERNEN IN DER ARBEITSWELT

    Seit etwa zwei Dekaden rttelt die Digitalisierung an bewhrten Geschftsmodel-len und zwingt Organisationen zu agileren Arbeitsstrukturen (wie die NEW WORK ORDER-Vertiefungsstudie Organisationen im Wandel beschreibt). Jetzt ist der Strukturwandel bei den Berufsfeldern und damit bei jedem Einzelnen

    angekommen. Die menschliche Arbeitsleistung steht vor ihrer Neudefinition. Wissens-arbeiter mssen sich der vernetzten Medien und intelligenten Systeme bedienen und gleich-zeitig in ihren Kompetenzen von den Algorithmen und Robotern abgrenzen knnen.

    AUS ARBEITSWELTEN WERDEN LERNWELTEN.

    In der Ideenwirtschaft wird sich das menschliche Arbeitsumfeld nicht mehr an der Prozess-effizienz, sondern an der Lsungskompetenz ausrichten. Und wenn sich die Komplexitt des Aufgabenspektrums nur noch gemeinsam, transdisziplinr und mit Untersttzung viel-fltiger Kommunikationstools und Lerntechniken meistern lsst, gengt es nicht mehr, Flexibilitt zu fordern und informelle Kommunikation zu frdern. Es gilt, Kreativitt, Zu-sammenarbeit und das Lernen voneinander vielfltiger und individueller zu ermglichen. Die Browelt muss sich entlang der beim Menschen verbleibenden Ttigkeiten neu aus-richten und die agile und humane Arbeitsweise funktional wie emotional untersttzen.

    Humane Arbeit wird Lernen sein: kommunikativ, kollaborativ, interaktiv, ex pe ri-mentell und kreativ. Da trifft es sich gut, dass das Lernen selbst sich gerade neu erfindet: Spielerische Lernerfahrungen und integrierte Lernsysteme erzeugen neue Attraktivitt. Blended Learning sprengt institutionelle Bildungsgrenzen, bedient sich erweiterter Realitten, verschmilzt mit Entertainment und steht 24/7 zur Verfgung. So wie Soziale Medien unsere Kommunikation erweitert haben, so werden nun integrierte Lern er fah rungen den Erkenntnisgewinn im Bro steigern. Dazu bndelt die Studie Ex-pertenmeinungen aus Pda gogik, Hirnforschung, Psychologie, Experimental forschung, Kommu nikation, Architektur, Design und Kunst. Und sie befasst sich mit neuen Lernorten, in denen die nchste Generation das neue Lernen bereits anhand vielfltiger Angebote erleben kann.

    DIE AUTORIN NEW WORK ORDERBirgit Gebhardt | Trendexpertin www.birgit-gebhardt.com

    Birgit Gebhardt ist Trendforscherin mit Schwerpunkt Zukunft der Arbeitswelt. Als Impulsgeberin begleitet sie Thinktanks, untersttzt bei der Entwicklung agiler Fhrungs- und Arbeits-kultur sowie mit zukunftsfhigen Lernangeboten. Grundlage ihrer Beratungsttigkeit bilden 12 Jahre Projektmanagement im Trendbro, davon die letzten fnf Jahre als Geschftsfhrerin.

    Forschungsreihe zur vernetzten Arbeitskulturwww.new-work-order.com

    Die Forschungsreihe NEW WORK ORDER startete 2012 mit dem Auftrag, den Kommunikationswandel im Bro zu untersuchen. 2014 folgte die vertiefende Studie Organisationen im Wandel und 2016 die hier vorliegende Studie Kreative Lernwelten. Die qualitativen Studien hat Birgit Gebhardt im Auftrag des Industrieverband Bro und Arbeitswelt e. V. (IBA) erstellt.

    Hendrik HundVorsitzender

    Industrieverband Bro und Arbeitswelt e. V.

    Lassen Sie uns Rume

    schaffen, in denen die oft diffusen Pfade

    neuer Ideen ausprobiert werden knnen und

    eine Kultur der Krea-tivitt und des Lernens

    entstehen kann.

    Katharina C. Hamma Geschftsfhrerin Koelnmesse GmbH

    ,Arbeit neu denken

    creativity works Das Motto der ORGATEC 2016 knnte auch ber dieser Rundreise durch die Welt des Lernens und der Kreativitt stehen. Gleichzeitig verweist die vorliegende Studie bereits auf einen Themenschwerpunkt der Internationalen Leitmesse fr moderne Arbeitswelten im Jahr 2018: die Corporate Culture.

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  • Die Zukunft, in der die Joghurtpalette auf dem Hof der bayerischen Molkerei sich ihren Weg in den Supermarkt nach Kiel selbst organisiert, steht in den Start-lchern. Auch der Mhdrescher wird knftig selbststndig los fahren, nachdem der Tau-Sensor das Scheunentor geffnet und der ESA-Satellit die Wettervor-

    hersage mit den Echtzeitbildern zur aktuellen Fruchtreife abgeglichen hat. Die Daten-systeme erhlt der Landwirt als Leasingvertragspartner von den Agrarkonzernen.

    Die Konsequenzen der Automatisierung, wie sie in der zweiten NEW WORK ORDER-Studie beschrieben wurden, beschrnken sich nicht auf Industrie 4.0- Produk tionsstraen. Sektor- und branchenbergreifend werden Prozesse automatisch, fern diagnostisch und, im Normalfall, autonom ablaufen. Lernfhige Algorithmen treffen Entscheidungen, Funktionen lsen sich von der Maschine oder physischen Umgebung und werden zu agilen Datenpaketen, die die je nach Auftrag bentigte Hard- und Software zusammenschalten. So kann die Joghurtpalette mit dem autonom fahrenden Lkw-Konvoi kommunizieren und Staumeldungen zur logistischen Ent-scheidungshilfe heranziehen.

    GRENZEN ZWISCHEN SEKTOREN UND BRANCHEN LSEN SICH AUF KOMPETENZEN

    BILDEN SICH NEU.

    In ihrem sehr erfolgreichen Arbeitsrevier, der industriellen Produktion, gilt Deutsch-lands Industrie 4.0 in Europa als fhrend. Der neuen Logik der Vernetzung zufolge verkauft ein Kompressorhersteller seinen Kunden nicht mehr Kompressoren, sondern Kubikmeter komprimierte Luft. Die Produktionslogik verwandelt sich in ein Dienstleis-terdenken, bei dem nicht mehr mit der Maschine Geld verdient wird, sondern nur noch mit deren Arbeitsertrag und dessen Sicherstellung. Zwar muss in diesem Beispiel das Gert noch beim Kunden stehen, doch die Wertschpfung wird mit dem Rahmen-vertrag, der Wartung, Flexibilitt und Leistungsoptimierung erzielt. In der Verlagerung zu vernetzten Services treffen konomische Interessen mit technologischem Fortschritt zusammen. Eine Win-win-Konstellation, die in unseren Alltag einzusickern beginnt: Im Internet der Dinge und Dienste verwebt der permanente Informationsaustausch Angebot und Nachfrage, Mensch, Maschine, Sensor und Software.

    KUNDENORIENTIERUNG WIRD ENTSCHEIDEND, KOMMUNIKATION WIRD ESSENZIELL.

    Fr diese bereits begonnene Zukunft mssen wir unser Verstndnis von Arbeitsleistung, Kompetenzverteilung und Geschftsmodellen neu definieren. So wie sich in der Indus-trialisierung Geschfts- und Arbeitsprozesse am Massenmarkt und an der maschinellen Produktion orientiert haben, so wird sich die Ideenwirtschaft an der synergetischen Ver-netzung orientieren. Zentrales Element hier: die individuelle Kundenorientierung.

    DIE VERNETZTE WIRTSCHAFT VERLANGT NACH NEUEN TTIGKEITEN

    UND KOMPETENZEN.

    NEUE ARBEIT FUR DEN MENSCHEN

    Wir schtzen, dass 65 Prozent

    der deutschen Arbeiter sich durch Fortbildung

    fr Industrie 4.0 fit machen knnen.

    Constanze Kurz Leiterin des Ressorts

    Zukunft der Arbeit beim Vorstand IG Metall

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  • Verbindendes Element: Kommunikation. Kommunikation in der realen und virtuellen Welt, erweitert um humane und digitale Player, die mitreden knnen und sollen.

    Zwei Dinge gilt es fr das begonnene Zeitalter der Digitalisierung zu lernen. Erstens: mit den intelligenten Systemen zu kommunizieren und zu kollaborieren. Und zweitens: in Abgrenzung zu ihnen humane und kreative Qualitten wiederzubeleben.

    HUMANE FHIGKEITEN WERDEN WICHTIGER. HUMANE TTIGKEITEN WERDEN ANSPRUCHSVOLLER.

    Interessant ist, dass es die intelligenten Algorithmen und Roboter selbst sind, die sofern die Wissensarbeiter mit ihnen umzugehen vermgen ihnen Ttigkeitsspektren erffnen, die mehr Wissen, Kreativitt und Empathie in Eigenregie ermglichen. Denn dank verfgbarer Echtzeitdaten knnen Wissensarbeiter selbststndiger und kunden-orientierter nach Lsungen suchen. Mit genialen Kpfen vernetzt, profitieren sie vom Wissensfortschritt und verfgen dank Gaming, Virtual und Augmented Reality ber vielfltige Kommunikations- und individuell justierbare Lernformate.

    Es ist also auch die Vernetzung, die den Menschen ermuntert, aus stumpfen Standard-ttigkeiten auszubrechen, um sich wieder auf die humanen Fhigkeiten zu konzentrieren: auf kreative Ideenfindung, empathisches Kundenverstndnis, intuitive Interaktion, Analyse mit Herz und Verstand sowie Zugewandtheit und Teamgeist bei der Arbeit.

    AUFGABEN FUR WISSENSARBEITERPROBLEME UND LSUNGEN

    Alison Sander Direktorin des Center

    for Sensing and Mining the Future, The Boston

    Consulting Group (BCG), Boston, Massachusetts

    Der digitale Wandel verlangt vom Menschen

    neue Fhigkeiten, Fertig keiten und Service- Ideen. In

    Zukunft vorstellbar sind: Genetik-Berater,

    Anti-Alterungs- Spezialisten, Autoren

    fr Geschichten in vir-tuellen Realitten,

    stdtische Katas tro-phen schutzexperten,

    private Sicherheits -berater, Messie- Coaches,

    urbane Landwirte, Haustierpsychologen

    und alle Arten von Computer- und

    Software-Spezialisten sowie Wartungs- und

    Optimierungsfachkrfte fr Roboter.

    DIE KUNDENORIENTIERUNG+++ ODER DIE INDIV IDUELLE LSUNG erwarten Kunden zunehmend von Industrie und Dienstleistern. Statt nach Standard zu handeln, gilt es ein spezielles Projektdesign zu entwickeln und Prozesse zu adaptieren. Projekt teams arbeiten auerhalb der Abteilungs silo-Routinen, lernen fachbergreifend das Entwickeln kunden spezifischer Lsungen und verbessern dabei womglich noch im Unternehmen vorhandene Standards.

    DAS TROUBLESHOOTING+++ ODER E IN E IN GRIFF MIT VERSTAND verhindert gefhrliche Selbstgnger, enttarnt Fehlsteuerungen und unlogische Kausalketten. Zwar liefern Trackingsysteme permanent Umgebungsdaten, doch knnen sie nicht fr jede Situation die richtige Entscheidung treffen. Der Mensch konfiguriert und justiert aus Erfahrung, Kontext-wissen, Analyse fhigkeit, Moralvorstellung und Gefhl.

    DIE SENSITIVE ANALYSE+++ ODER NEUGIER, GESPR UND ACHTSA M KE IT fr Vernderung, Trend- oder Stimmungsumschwnge bleiben nicht nur zur sensorischen Umfeldbewertung wichtig. Die erfahrenen Kombinationen aus Kultur-, Trend- und Sprachkompetenz, Psychologie, Verstand und Bauchgefhl verstehen sich auch auf zwischenmensch-liche Kommunikation und Verhaltensinterpretation.

    DIE IDEEN-ENTWICKLUNG+++ ODER AUCH KONZEPTION meint mehr als Zufalls-verknpfungen, die auch Rechenprogramme leisten. Eher gilt es, Probleme zu definieren, die richtigen Fragen zu stellen und dann schpferisch und trans disziplinr nach Lsungen zu suchen. Experten von auen und kreative Methoden helfen, kluge Gedanken in neue Kontexte zu betten.

    DAS EXPERIMENTIEREN+++ UND DIE ERPROBUNG DES NEUEN werden zum Kern der Ideenwirtschaft. Forschungsfrage, Ver suchs-aufbau, Mut und Risiko verbleiben beim Menschen vieles von dem Rest erledigt er digital: Open Source schaltet globales Spezialwissen zusammen. Virtuelle und erweiterte Realitten untersttzen Vorstellungs-kraft, Feedback und Funding. Der rapide Protoyp in seiner Testumgebung verkrzt Entwicklungszeiten.

    DIE VERANTWORTUNG+++ FR SICH SELBST UND DAS EIGENE AKTIVE HANDELN lsst sich nicht auf Algorithmen bertragen. Selbst -organi sa tion impliziert Selbstfhrung und ein Voraus-denken im Sinne des Unternehmens samt der mglichen Kon se quenzen. Bei dieser Einschtzung helfen Kontex tualisierung, Multiperspektive und eine aus geprgte Dialog- und Feedback-Kultur.

    Das Kreative und Konzeptionelle, das Zwischenmenschliche, das Variable und das Komplexe.

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  • Vor allem die kreativen Ttigkeiten drften den Menschen knftig strker beschftigen. Anhand der Kreativwirtschaft zeigt sich, wie der tertire Sektor von der Vernetzung profitieren und sein Leistungsspektrum ausbauen konnte. Dank digitaler Interaktions- und Darstellungstechniken lassen sich Vorstellungen leichter diskutieren und realisieren.

    Kompetenzen in der kundenindividuellen Lsungsfindung, der bersetzung in unterschiedliche Kontexte und der Umsetzung in diskutierfhige Protoypen werden in der Arbeitswelt wichtig, zumal die Methoden nicht nur darstellungstechnisch, sondern auch als Nherung bei der Problemlsung, dem zentralen Aufgabenfeld der Wissens-arbeiter, hilfreich sind.

    Der vermittelte Weg dorthin darf in seiner methodischen Vielfalt, seiner kreativ-spielerischen Herangehensweise und der breiten Verfgbarkeit auch als Schlssel verstanden werden, um das Lernen selbst und in seiner Vielfalt neu zu lernen.

    Lernen kann ohne Begrenzungen hinsichtlich Zeit, Ort, Quelle oder Autoritten erfolgen. Angebote, Formate und Zertifikate konkurrieren in globalem Wettbewerb. Die gesamte Bildungslandschaft erfindet sich neu. Virtuell erweitern adaptive Systeme unsere Fhigkeiten in der Alltags- wie Arbeitssituation. Wie bei einem physisch-virtuellen Pingpong steigern sich hier Lernerfahrung und Leistungsniveau.

    INTERDISZIPLINR DIGITALARBEITEN GEWERKE A N E INEM DOKUMENT ZUSAMMEN: Konnte frher ein Haus auf Basis weniger handgezeichne-ter Plne erbaut werden, sind heute zahlreiche Gewerke in einer digitalen Fachplanung zusammengefhrt, um den gestiegenen Anforderungen und der Anschlussfhig-keit an digitale Produktionsmittel gerecht zu werden.

    NEUE PLANUNGSSOFTWARES CHAFFT TOTAL E INFORMATION STRA N SPA REN Z: Mit der neuen Planungssoftware des Building Innovation Modeling (BIM) sind zu jedem Strich In for mationen zu Verfasser, Bauteilbeschaffenheit und Ausfhrung bis hin zu Wartungs- und Pflegeanwei sungen hinterlegt.

    PLTZLICH REALISIERBARDANK 3D-V ISUALIS IERUNGSTECHNIKEN: Anspruchsvolle Visualisierungstechniken von Perspektiven ber virtuelle Rundgnge im 3D-Modell machen komplexe Baukons-truktionen wie mehrfach gekrmmte Flchen mglich, bermittelbar und steigern die Erwartungshaltung.

    DICHTERER OUTPUTBEI ERHHTER GESCHWINDIGKEIT : Mit den Mglich -keiten, die die Digitalisierung brachte, sind entsprechend die Erwartungen und Anforderungen gestiegen. Fr die Architektenarbeit bedeutet dies weniger eine Reduktion menschlicher Arbeitskraft als vielmehr erhhte Pro duk-tivitt, Geschwindigkeit und mehr Leistungsumfang.

    ERWEITERTES LEISTUNGSSPEKTRUMAM BEISPIEL DES ARCHITEKTEN

    Bei dem Versuch, sich knftige Arbeitswelten vorzustellen, hilft ein Blick auf Berufsfelder, die schon lnger vernetzt arbeiten: die Kreativen zum Beispiel.

    Warum die menschliche Arbeit knftig Lernen bedeutet.

    LERNEN WIRD ATTRAKTIV, KREATIV UND INTERAKTIV

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  • Digitale Bildung wird immer mehr zur Voraussetzung fr eine erfolgreiche Teilnahme am Erwerbsleben und ist zugleich die Voraus-setzung fr unsere Selbstbestimmung und allgemeine Bewer-tungs kompetenz in der digitalen Welt: nicht nur im Beruf, sondern auch als Verbraucher und Brger. Digitale Strategie 2025Bundesministerium fr Wirtschaft und Energie

    Dr. Thomas Tillmannabc tillmann consulting in education

    In den USA verbinden

    Nutzer schon ganz selbst verstndlich Prsenz angebote mit digitalen Lerntools.

    Foto: Leni Moretti

    DIE BEGONNENE ZUKUNFT DES LERNENSWIE WERDEN WIR LERNEN?

    LEBENSLANGES LERNEN+++ SELBST GESTEUERTES UND STNDIGES LERNEN Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens rckt ins Bewusstsein der Menschen. Der Wissensarbeiter ist an seiner stndigen Weiterentwicklung in Job und Freizeit interessiert. Zahlreiche hybride Infotainment-Formate erleichtern den Lernspa.

    SELBSTFHRUNG+++ FHIGKEIT ZUR E IGENVERANTWORTUNG Selbstfhrungs-, Problemlsungs- und Vernderungs-kompetenz sind die Fhigkeiten, die Fhrungskrfte, Mitarbeiter und Kinder heute in modernen Schul-konzepten lernen. Vor der Fachkompetenz gilt es das Lernen selbst zu lernen, und zwar ber Mittel und Methoden der Selbstorganisation, Problemannherung, kreativer Lsungsfindung, Multiperspektive und Umfeldsensibilitt. Schon in der Anwendung der Lerntechniken lernt man sich selbst kennen: seine Talente, seinen inneren Schweinehund und die Lieblingsmethode, diesen zu berwinden.

    ZUGANG 24/7 UND GLOBAL+++ WISSEN IST PERMANENT IM NETZ VERFGBAR Ob Recherche oder Weiterbildung: Medien, Organi-sationen, Bildungsinstitute und individuelle Experten bieten ihr Wissen feil. Konferenz-Streaming, Massive Open Online Courses (MOOCs), E-Books, Videos oder Mischformen wie Webinars oder Online-Tutorials vermitteln Fachwissen meist zeit- und ortsunabhngig ber mobile Endgerte. Vielfalt und Verfgbarkeit ermglichen individuellen Zuschnitt und integrierte Lernkonzepte (Blended Learning). Bibliotheken wie Universitten machen ihr Angebot online verfgbar und passen ihre ffnungzeiten an ein 24/7-Lernen an.

    INDIVIDUELLER ZUSCHNITT+++ MICROLEARNINGS STATT MEGAPROGRAMME Bildungsinhalte werden nach Karriereplanung, Neigung und Kompetenzen vorgefiltert und individualisiert. Ausbildungsprogramme mssen sich individuellen Nutzer-Filtern ffnen und Bildungsorganisationen sich mit anderen Anbietern vernetzen, um attraktive und flexible Angebote zu erhalten. Allgemeingltige Credit-points erleichtern die individuelle Wissensabbildung. Schon erstellen US-Dienstleister daraus Bewerbungs-profile samt den damit verbundenen Social Skills.

    LERNBEGLEITER+++ LEHRER ALS ENTWICKLUNGSBEGLEITER Lehrer und Ausbilder verstehen sich als Ent wick lungs- und Lernbegleiter. Trainer verknpfen Fragestellungen mit Fachwissen und leiten die Gruppe zur eigenstndigen Lsungsentwicklung an. Ihre Aufgabe ist, die vorhan-denen Potenziale sichtbar zu machen und anzuregen. In (virtuellen) Diskussionen bis hin zu ganzen Bildungs-prozessen sind sie Moderator, nicht Instruktor.

    PEER LEARNING+++ LERNEN AUS DER GRUPPENZUGEHRIGKEIT Kinder wie Erwachsene lernen niedrigschwelliger von Geschwistern, Freunden und Kollegen, mit denen sie einen vertrauensvollen Umgang pflegen. Der Orien-tierungsdrang ist selbst gesteuert, und die persnlich bestimmten Vorbilder sind hinsichtlich Kompetenzen, Alter und Rang gut erreichbar. Um Methoden oder Mediennutzung zu lernen, sind Abschauen, Fragen, Nachmachen und Feedback fr die Wissensarbeit unabdingbar.

    IN KONTEXTEN LERNEN+++ BEISPIELHAFTES UND S ITUATIVES LERNEN Lernen an konkreten Beispielen hilft, das Gelernte zu behalten und anzuwenden. Fcherbergreifende Themen, externe Blickwinkel und die wiederholte bersetzung des Lerninhalts in immer neue Kon- texte erweitern die Nutzungsperspektive. Dank indi-viduell adaptierfhiger Lernhilfen kann auch direkt in der Anwendungssituation gelernt werden. Statt Fehler meldungen helfen Kurzlektionen. Der indivi du elle Lernfortschritt bestimmt das Arbeits tempo. Software und Anwender lernen aus seinen Fehlern.

    SZENISCHES LERNEN+++ BER GAMING UND V IRTUAL REALITY Visualisierungstechniken knnen entweder die Vor stellungskraft ber spielerische Kontexte vereinfachen, anspruchsvolle Szenarien in virtuellen Realitten abbilden oder wichtige Informationen in die gegen wrtige Lernumgebung einblenden. In der physischen Interaktion ergnzen Rollenspiele, Storytelling oder Lego Serious Play die szenischen Darstellungen.

    PRSENZ-LERNEN+++ D IE AUFWERTUNG DER LOKALEN BEGEGNUNG Je mehr wir virtuell zusammenarbeiten, umso grer wird der Wunsch, sich real zu treffen. Der Erlebnis charakter lokaler Zusammenknfte steigt. Gelegenheiten zum persnlichen Erfahrungsaustausch sind kostbar und genieen besondere Wertschtzung. Kleine Lerngruppen mit anwesenden Koryphen werden Luxus. Lokale Business-Meetings steigern ihre informellen Socializing-Aktivitten.

    URBANE LERNKULTUR+++ ERLEBNISWELTEN INTEGRIEREN LERNWELTEN Event- und Erfahrungswelten aus Konsum und Kultur integrieren zunehmend Lernerlebnisse. Medien und Architektur verschmelzen zu abenteuerlichen Entdeckungsreisen, Museen und Science-Center stimulieren unterschiedliche Wahrnehmungsebenen. Und in der Markenkommunikation wirkt die interaktive Lernerfahrung nachhaltiger als das Konsumerlebnis.

    Welches Selbstverstndnis wird uns treiben, und welche Faktoren werden es erleichtern?

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  • Die Browelt darf sich knftig auf medienaffine Lernenthusiasten freuen, die sich bei der Arbeit weiter ausprobieren mchten. Und tatschlich wird Lernen on the Job dank eines breiten Repertoires von Blended Learning-Angeboten mglich.

    Neben ihrem Daten- und Informationszugang integriert die vernetzte Arbeitswelt auch ein Maximum an Lernquellen, -formaten und -techniken, die sich individuell ausrichten lassen. Je nach Aufgabe, persnlicher Vorliebe und Situation bedient sich der Nutzer der digitalen wie analogen Tools in einem sinnvollen Lern-Arrangement. Umgekehrt reagieren interaktive Tracking-Software und adaptive Lernsysteme auf das individuelle Lerntempo und die augenblickliche Konzentrationsverfassung. Die aktiven wie passiven Kontaktstellen untersttzen bei der Problemlsung und belohnen mit Aha-Erlebnissen.

    BLENDED LEARNING BEDEUTET BLENDED WORKING.

    Mit den zahlreichen Lernangeboten erhht sich in der Organisation das Kommunika-tions- und Vernetzungsspektrum. Die Arbeitsweisen werden reicher an Austausch, Inhalt und Abwechslung, was sich in der Organisation vor allem in offenen, kommunikativen und selbstbestimmten Strukturen fortsetzt.

    Deutschland nur im Mittelfeld

    An deutschen Schulen arbeiten nur 30 Prozent der Schler regelmig

    mit digitalen Medien; der internationale

    Mittelwert liege bei 52 Prozent, summiert

    die global angelegte ICIL-Studie. Computer-

    einsatz an deutschen Schulen finde viel zu

    selten, wenig sinnvoll und kaum fcher-

    bergreifend statt.

    ICILS (International Computer and

    Information Literacy Study) 2013

    Bundesministerium fr Bildung und Forschung

    BLENDED LEARNING

    Man kann einen

    Menschen nichts lehren man kann ihm nur helfen, es selbst in sich zu entdecken.

    Galileo GalileiPhilosoph, Physiker, Mathematiker und Astronom (15641642)

    Intelligente Lern systeme haben Konjunktur. Seit 2012 steigen die Investitionen in Lerntechnologie- Unternehmen. 2015 wurden mehr als 3,3 Milliarden US-Dollar in den Education- Technology-Bereich investiert. Das globale Funding in Bildungs-technologien war 2015 das zweitstrkste unter den Risikokapital- gebern.

    CB InsightsGlobal Ed Tech Startup Deals And Funding, 2016

    2012

    $ 916$ 1,124

    $ 2,018

    $ 3,286

    2013 2014 2015

    VENTURE-CAPITAL-INVESTITIONEN IN LERNTECHNOLOGIE-UNTERNEHMEN

    298

    423458

    511

    Summe Funding in Mrd. US-Dollar Deals

    Die neue Vielfalt und Attraktivitt des Lernens gilt es nun in die Organisation zu bertragen.

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  • Die Infrastruktur fr die Lernwelten der Zukunft bildet das Verschmelzen von realen und virtuellen Welten, meint Architektin Christine Kohlert und sieht Interaktion, Zusammenarbeit und neue Technologien als treibende Krfte fr den Wissenstransfer.

    GEDANKEN FLIESSEN FREI. WISSENSARBEIT IST KOMMUNIKATION UND KREATIVE KOLLABORATION.

    Blended Learning wird die Wissensgesellschaft inmitten ihrer Lebenswirklichkeit treffen. In Konsum-, Kultur und Freizeitangeboten finden sich zunehmend attraktive Lernerleb-nisse, die dank virtueller Welten das persnliche Erlebnis- wie Wirkungsspektrum inter-aktiv neu ausloten. Auch in ihrer physischen Realwelt darf die Lernwelt sich erlauben, Begrenzungen zu sprengen. Universitten verwandeln leere Empfangshallen in grozgige Begegnungs-Foyers. Verbindungsachsen mutieren durch Gastronomie- und Serviceange-bote zu Mall-hnlichen Flaniermeilen. Die Vorbilder entstammen nicht nur der urbanen Konsumkultur, sondern historischen Orten, an denen Wissen ausgetauscht wurde und sich auf natrliche Weise ausdehnen konnte. Leader und Follower finden ihr Get-to-gether analog wie digital, in Vergangenheit und Zukunft.

    Prof. Dr. Ing. Christine KohlertGeschftsfhrerin rbsgroup / Part of Drees & Sommer

    Die Lehre wie die Arbeit der Zukunft werden geprgt sein von gemeinsamem Lernen, in Zusammenarbeit in

    kleinen Gruppen, die Inhalte gemeinsam entwickeln. So entsteht ein hoch interaktives Lernen. Das Office wird zum Marktplatz des Wissens. Mit dem geffneten Zugang zu Wissen sollten sich nun auch Arbeitsweisen und Raumnutzungen erweitern.

    DIE SCHULE VON ATHEN, FRESKO, RAFFAEL (1509/10)

    Wissensaustausch und -vermittlung fand schon im alten Griechenland nicht statisch statt, sondern in unterschiedlichen Rumen allein und in Gruppen, sitzend, stehend, wandelnd. Heute verfgen wir dank digitaler Technologien ber noch mehr Mglichkeiten, Wissen zu vermitteln und zu diskutieren.

    Foto: The Yorck Project

    5 Voraussetzungen muss eine lernende

    Organisation aufseiten der Wissens arbeiter

    strukturell und fhrungstechnisch

    ermglichen: 1. Individuelle Selbst-entwicklung frdern.

    2. Mentale Prgungen auf Basis persn-

    licher Erfahrungen bercksichtigen.

    3. Visionen gemeinsam in Teams

    entstehen lassen. 4. Im und vom

    Projektteam lernen knnen;

    5. Abstrahiert in Sys temen denken und

    konkret in Kontexte bersetzen knnen.

    Peter M. SengeSenior Lecturer of

    Behavioral and Policy Sciences an der

    Sloan School of Manage-ment am Massachusetts

    Institute of Technology

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  • Beim Lernen werden Dinge, die zusammengehren, auch als zusammengehrig wahrgenommen. So etwa die Sonne und die warme Hauswand. Oder Merk-male wie rechte Winkel, die uns helfen, einen Gegenstand zu identifizieren. Das Wahrnehmen verschiedener Dinge fordert den Verstand heraus: Was gehrt

    logisch zusammen, und wo tuscht die Gleichzeitigkeit? Aber auch: Wo tuscht das Gleichnis? Denn wir lernen ber Gleichnisse und die damit verbundenen Sinnesein-drcke. Neues verbinden wir mit Assoziationen und im Vorfeld gemachten Erfahrungen. Einmal Gelerntes sichert unser berleben, besetzt aber auch unsere Wahrnehmung. Der kognitive Bewertungsmodus beginnt, bevor das Neue oder Fremde die Chance auf unsere neutrale Neugier erhalten hat.

    ERFAHRUNGEN FESTIGEN UND BEGRENZEN LERNEN.

    Kleinkinder dagegen saugen Eindrcke wie Schwmme in sich auf. Sie schmecken, tasten, fhlen, hren und sehen, was die Umwelt Gutes oder Schmerzhaftes fr sie bereithlt. Ihr Gehirn arbeitet ganzheitlich. Sehen, Hren und Bewegung werden nicht differenziert, sondern als Gesamtkunstwerk aufgenommen. Die offene Wahrnehmung dieser gleichzeitigen Eindrcke ist um vieles umfangreicher und in ihrer Komplexitt berfordernder als unsere Eindrcke, die sich rational aufspalten, wegsortieren oder durch selektive Wahrnehmung sogar ausblenden lassen. Die Hirnaktivitt von Klein-kindern lsst sich bei Erwachsenen nur noch unter Einfluss von Halluzinogenen errei-chen, dann nmlich, wenn sich im neuronalen Netzwerk alle Schubladen unkontrolliert ffnen, alle Dmme brechen und Eindrcke geballt einstrmen knnen.

    Beim Lernen verursachen Zusammenhnge, die wir wahrnehmen, auf neuronaler Ebene vielfltige und weitverzweigte elektrochemische Reaktionen zwischen den Zellen, Synapsen und Rezeptoren. Gegebenenfalls entstehen auch noch neue Synapsen und Zellen im Hippocampus. Mit der Zeit verfestigen Wiederholungen, Emotionen und Erfahrungen bei der Wahrnehmung die Lernspuren und verwandeln den Schwamm in ein Netzwerk. Vor allem frh Erlerntes oder mit Neugier erlerntes Wissen prgt den Nhrboden fr sptere Andockmglichkeiten. Selbst lange ungenutztes Wissen, wie zum Beispiel eine Fremdsprache, kann relativ leicht wieder aufgefrischt werden. Sich da-gegen Neuem zu widmen oder berhaupt Dinge wahrzunehmen, die bisher nicht im Re-levant-Set lagen, wird mit den Jahren schwieriger.

    BREITE INTERESSEN UND INNERER ANTRIEB HELFEN.

    Wenn in Zeiten des Wandels nun Offenheit und Vernderungsbereitschaft gefragt sind, knnte es helfen, sich an den Kreativen zu orientieren. Auf der Suche nach verwertbarer Inspiration scannen sie permanent ihre Umwelt. Ihr Verdacht, dass der eigene Erfah-rungsschatz fr die selbst gestellte Aufgabe zu begrenzt sei, zwingt sie, die Welt nach Gleichnissen abzusuchen und immer wieder neu zu betrachten.

    Wenn man im Alter nichts

    Neues mehr lernt, ist dies kein

    hirn technisches Problem, sondern ein

    Begeisterungsproblem. Feste berzeugungen

    sind ,fest, weil sie an erfahrene Gefhle

    gekoppelt sind. Und daher lassen sie sich

    auch nicht durch Erklrungen und gute

    Ratschlge verndern. Menschen bleiben

    bei ihren festen ber-zeugungen, solange

    nichts passiert, was ihnen wirklich

    unter die Haut geht.

    Gerald Hther, Dr. rer. nat.

    Dr. med. habil. Neurobiologe.

    Vorstand der Akademie fr Potentialentfaltung

    LERNEN BEDEUTET VERKNPFEN. AUF DER WAHRNEHMUNGSEBENE BILDEN SICH ZUSAMMENHNGE,

    MOLEKULAR VERNETZEN SICH ZELLEN.

    VERNETZT DENKEN

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    SCHLER ENTDECKEN, WAS LERNEN ALLES UMFASST

    Lernwelten bndeln Neigungen, Interessen und Methoden, die jeder in sich entdecken, mit den Anforderungen abgleichen und in den Lernangeboten vielfltig zum Ausdruck bringen soll. Christer Gudmundsson hat das illustriert und beschrieben und auch auf Dnisch sprechen diese Moodboards zu uns.1 Mit logisch-mathematischer Intelligenz liebt man zu experimentieren, sich verschiedene Dinge auszudenken,

    arbeitet gern mit Zahlen, stellt Fragen, untersucht Dinge. Man kann gut Mathe, logisch denken, Probleme lsen und abstrakt denken. Es geht um Kategorisieren, Klassifizieren, darum, Vorhersagen zu versuchen und Systeme anzulegen. 2 Eine hnliche Bandbreite gilt fr Naturwissenschaften, 3 fr soziale Intelligenz, 4 fr visuell-rumliche Intelligenz.

    Illustrationen: Christer Gudmundsson/Dafolo Frederikshavn; gesehen und fotografiert in der Ringstabekk Skole bei Oslo

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  • Es gibt viele Mglichkeiten, zu lernen. Die bekannteste ist, Inhalte auswendig zu lernen. Die Hufigkeit der Wiederholung ist ntig (und individuell unterschiedlich), um die Erin nerung zu festigen. Unpopulres Pauken kann von multimedialen Angeboten profitie-ren. Je nach Lerntyp lassen sich Inhalte auditiv, visuell, diskursiv oder manuell vermitteln. Kombiniert man den Lernstoff mit Sinneseindrcken, wird sogar beides intensiver be-halten. Noch heute wissen die meisten, was sie am 11. September 2001 beim Anblick der einstrzenden New Yorker Trme empfunden und wo sie die Bilder gesehen haben.

    EMOTIONEN VERSTRKEN DIE AUFNAHMEFHIGKEIT.

    Erleben wir berraschung, Freude oder Furcht, feuern verschiedene Hirnzellen gleich-zeitig und gehen Bindungen ein. Emotio nen verhaften den Inhalt mit dem Kontext. Begleiten positive Emotionen die Lerninhalte, wandern sie in den Hippocampus, wohingegen angstbesetzte Erfahrungen im benachbarten Mandelkern abgelegt und dort mit aversiven Routinen und Fluchtreflexen besetzt werden, die freies und kreatives Denken blockieren. Daher ist es falsch, jemanden ber Druck oder Angst zum Lernen zu bewegen. Unter Angst Gelerntes wird auch mit Angst wieder abgerufen. Zum Lernerfolg knnen Neugier, Freude, Spiel, Geselligkeit und sogar Genuss gehren all das, was jahrelang eher nicht mit Lernen in Verbindung gebracht wurde, weil es uns mit der Lern disziplin so ernst war.

    Lerntypologie nach sinnlicher Ausprgung

    Lerninhalte gelangen ber Sinnesorgane

    in unser Gedchtnis. Neben Augen und

    Ohren zhlen dazu auch der Geruchs-, Geschmacks- und

    Tastsinn. Die einzelnen Sinnesorgane sind bei

    jedem Menschen unterschiedlich stark

    ausgeprgt. Das bedeu-tet, dass es unter-

    schiedliche Lerntypen gibt. Nicht unbedingt

    in Reinform, aber neigungsspezifisch.

    WIE FUNKTIONIERT LERNEN? G E R A L D H T H E R : Das Gehirn ist kein Muskel. Wir knnen ben und trainieren, soviel wir wollen, denn wir lernen, indem wir uns in Beziehung setzen zu Dingen und zu Menschen. Jedes Mal, wenn wir etwas entdecken, das fr uns selbst bedeutsam ist, geht es unter die Haut, und im Gehirn kommt es zur Aktivierung der so-genannten emotionalen Zentren. Sie liegen im Mittelhirn und haben Verbindungen zu allen anderen Bereichen.

    WAS BEWIRKEN GEFHLE FR DAS LERNEN? Wenn die emotionalen Zentren erregt werden, kommt es zu einem Durcheinander in den Bereichen, die fr die krperliche Regulation zustndig sind. Das sprt man dann als Krpergefhl: Das Herz fngt an zu rasen, man bekommt einen Schwei aus bruch. Der Atem stockt, oder die Knie werden weich. Das sind die somatischen Marker, die sich einstellen, wenn einem etwas unter die Haut geht. Und wenn man dann eine Lsung findet, ver wandelt sich dieses Durcheinander wieder in Ord-nung. Dabei werden neuroplastische Botenstoffe frei-gesetzt, die, wie Dnger, all jene Netzwerke im Hirn

    stabilisieren, die zur Lsung des Problems beigetragen haben. Nachhaltig lernen kann man deshalb erst dann etwas, wenn es emotional aufgeladen ist, also Freude macht. Nur wenn die emotionalen Zentren erregt werden wenn einem zum Beispiel etwas richtig gut gelungen ist oder eine neue Erkenntnis gewonnen wird , werden die Botenstoffe ausgeschttet, die zu Umformungs-prozessen im Gehirn fhren.

    WAS WRE ALSO ZU TUN?Wir sollten eine Kultur des Umgangs miteinander ent-wickeln, in der wir uns nicht gegenseitig abwerten oder als Objekt behandeln, sondern einander als Subjekte begegnen. Indem wir andere einladen, ermutigen und dazu inspirieren, nochmals eine andere, gnstigere Erfahrung machen zu wollen. Es gibt Menschen, die es schaffen, andere Menschen nicht nur zu ermutigen, son-dern sie sogar inspirieren, weil sie Freude daran haben, in anderen einen Funken zu entznden. Sie erwecken in den anderen wieder Lust, sich nochmals zu ffnen, ein Stck Neues anzufangen, die Augen aufzumachen. Und das Wunderbare dabei ist, dass es irgendwie immer geht.

    Lernen funktioniert nicht ohne Freude fr den Lernenden. Voraussetzung dafr ist eine philanthropische Grundhaltung, die zum gemeinsamen Lernen ermuntert.

    GERALD HUTHER MIT FREUDE LERNEN

    Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Gerald Hther

    Neurobiologe, Vorstand der Akademie fr

    Potentialentfaltung

    Als Entdecker und Gestalter

    haben sich alle Menschen auf ihren

    Lebensweg begeben. Sie sollten nicht als

    Objekte der Erziehungs- und Beleh rungs metho-

    den anderer enden.

    Foto: www.gerald- hue ther.de

    Angst ver-ursacht einen

    kognitiven Stil, der das rasche Ausfhren einfacher gelernter Rou tinen erleichtert und das lockere Assoziieren erschwert. Wer Prfungs angst hat, kommt nicht auf die einfache, aber etwas Kreativitt er-fordernde Lsung, die er normalerweise leicht gefunden htte.

    Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer Neurowissenschaftler

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  • Aristoteles verglich es mit einem Siegelring, der Prgungen in der Wachstafel hinterlsst: Nur bei Kindern und Alten sei das Wachs flssig, bleibe ohne Abdruck. Spter stellte man sich den Hort des Wissens in Form von Palsten und Bibliotheken vor. Mit der Kameratechnik kamen Bildspeicher und Musterabfolgen auf. Noch in den Italo-Western der 1960er-Jahre sah der Sterbende sein Leben rckwrts laufen. Mit dem Internet entstand die Vorstellung der Vernetzung, wonach Kommunikation das neuronale Zusammenspiel ermglicht.

    BEWERTENVERGLEICHEN UND VERBESSERN: Das Gedchtnis re flektiert Ablufe. Speziell unser episodisches Gedcht-nis analysiert Erfolge wie Verluste in Bezug auf deren Her leitung und Kontext. Es hlt wichtige Faktoren fest, zugleich bringt es Alternativen ins Spiel, um einen hn lichen Verlauf knftig optimieren zu knnen. Mit jeder gewonnenen Einsicht treten also konkurrierende Entwrfe zutage, die rckwirkend als htte, htte und per -spektivisch als neue Optionen bei der Planung dienen.

    VORHABENNEUGIER ENTWICKELN UND ETWAS WOLLEN: Nicht wir denken uns Vorhaben aus, zu denen das Gedchtnis die passenden Erinnerungen beisteuert. Es ist die Orga-nisation der Inhalte im Gedchtnis, die uns erst auf den Weg bringt, Dinge zu wollen. Es experimentiert, welche Pfade mglich sind und wo wir aufgrund von Erfahrungen mit Widerstnden rechnen mssen.

    SPEICHERNVERARBEITEN UND VERFESTIGEN: Das erlernte Wissen wird in Traum- und Nachtarbeit vom Hippocampus in die Speicherpltze der Grohirnrinde bertrgen. Deren Speichervolumen misst ca. 2 Petabyte rund 2000-mal mehr, als in einem normalen Computer steckt. Das ber-

    spielen erfolgt in verschiedenen Traumphasen, in denen das Gedchtnis wie ein kreativer Geist kombiniert und kom-poniert. In diesen Verarbeitungsprozessen scheinen auch die Lsungen zu entstehen, die uns am Morgen mit ihrer Genialitt berraschen und die es gut mit uns meinen.

    SICH ERINNERNWIEDERFINDEN UND UPDATEN: Beim Erinnern werden Gedankenpakete wieder aufgeschnrt. Aus einer stabilen Gedchtnisspur wird eine labile offen fr Vernderung. Das Gedchtnis unterzieht sie einer neuen Betrachtung, verknpft sie mit zwischenzeitlich Er lebtem und bepackt sie mit neuen Informationen, die die alte Erinnerung berschreiben. Jedes Erinnern erzeugt eine weiter entfernte Kopie des Originals, entfernt die Erinnerung von Ursprung und Wahrheit. Denn wichtiger fr unser Leben ist der Abgleich mit unseren persn lichen Vorstel-lungen. Die Auffrischung macht uns zukunftstauglich.

    SICH SAMMELNTEMPO RAUSNEHMEN UND S ICH RCKVERSICHERN: Engt sich unsere Zukunftsperspektive, zum Beispiel durch Krankheit, ein, plant unser Gedchtnis weniger voraus. Eher lsst es uns zurckschauen, was einst Ausblick auf mgliche Zukunft war. Kindheits-erinnerungen v ersetzen uns zurck an den Anfang, als uns die Welt noch offen stand.

    DAS GENIALE GEDACHTNISUNSER UNBEWUSSTER COACH

    Unser Gedchtnis manipuliert Wahrheiten und beeinflusst unsere Entscheidungen. Es meint es gut mit uns, beruhigen Hannah Monyer und Martin Gessmann.

    DAS GEDACHTNIS: UPDATE STATT ABLAGE

    Unser Gedchtnis ist

    ein Transformator, der aus unserer Vergangen-heit unsere Zukunft macht. Es fungiert nicht als gigantischer Speicher, sondern als ein sich immer wieder neu verbindendes Netz-werk, dessen Haupt-aufgabe die Planung unserer Zukunft ist. Nur das erhlt heute einen Platz in unserer Erin-nerung, was morgen fr unser Leben hilfreich sein kann.

    Prof. Dr. Hannah MonyerHirnforscherin Prof. Dr. Martin GessmannPhilosoph Autoren von Das geniale Gedchtnis

    Was wir lernen und wie wir es behalten, entscheidet auch unser Gedchtnis. Seine Arbeit folgt einer eigenen Logik.

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  • Eine Lernwelt wird bestimmt durch die rumliche Lernumgebung und die Inter-aktion, die darin stattfinden soll. Beides ist im Zeitalter der Vernetzung bedeut-sam. Die rumliche Lernumgebung knnen wir physisch an einen Ort erleben drinnen oder drauen, statisch oder in Bewegung. Oder wir schalten uns per Video-

    konferenz zu Menschen an einen Ort in einem anderen Kulturkreis, der knftig per Augmented Reality noch animiert und als gemeinsame Exkursion erfahren werden kann.

    Apps und Games bieten interaktive und animierte Lernumgebungen an. Nicht nur, um darin andere Menschen zu treffen, sondern auch, um dort in real anmutenden Umfeldern beispielsweise in einem Serious Game neue Verhaltensweisen zu trai-nieren. Die Feuerwehr bt auf diese Weise gefhrliche Einstze, und in der Industrie knnen Werksarbeiter ber Virtual-Reality-Brillen und Motion Tracking konkrete Handlungsanweisungen erhalten und sich selbststndig weiterqualifizieren.

    Da die Lernumgebung eng mit dem Arbeitsplatz verbunden sein sollte, bieten sich auch virtuelle Plattformen zur global vernetzten Zusammenarbeit an. Riesige Wand-Screens bilden Desktop-Dokumente ab, erlauben Kombinationen und dokumentieren handschriftliche Notizen.

    Bedeutender wird damit das rumliche Kommunikations-Setting, das die folgen den Piktogramme illustrieren. Wer richtet sich an wen? Was soll das Meeting bezwecken? In welcher Kon stellation sind die Teilnehmer geneigt, aktiv Beitrge zu leisten? Die alte Frage Wer steht wie zueinander? erhlt rumlich pltzlich eine strategische Dimension.

    Die metaphorischen Piktogramme, die Rosan Bosch ver-wendet, entstammen der Theorie von Dr. David D. Thornburg. Er definiert damit vier grundlegende learning spaces mit unterschiedlichem Kommunikationsfluss, um zielgerichteter lernen zu knnen. Bosch fgte das Hands on-Icon fr eine taktilere Lernerfahrung hinzu.

    www.tcpd.orgwww.rosanbosch.com

    MOUNTAIN TOP Berggipfelvon David Thornburg>> Eine/r an viele Mndliche Prsentatio- nen, live, oder digitale Per formances: Lesungen, Webinars, Telefonzu-schaltungen und hnliche Ausrichtungen+ Studierender prsentiert

    vor Gruppe + bermittelt Information

    ber Medienbandbreite + prsentiert aktiv vor

    Zuschauern/Zuhrern

    CAVE Hhlevon David Thornburg>> Persnlicher Lernort Physische und digitale indivi-duell gewhlte Lernorte fr Rckzug und konzentriertes Arbeiten: Einzelrume, Bibliotheken, Home-Office, Fahrgastkabinen, 3rd Places abseits des Bros mit Laptop bzw. Smartphone+ strungsfrei lernen + allein arbeiten + konzentriert sein + still arbeiten

    CAMPFIRE Lagerfeuervon David Thornburg>> Eine/r an viele, rotierend Semistrukturierte kollabo-rative physische und digitale Lernwelten: Diskussions-runden, Meetings, moderierte Game Rooms und Online Con versations + Gruppenarbeit + interdisziplinre

    Teamarbeit + anderen zuhren + sich austauschen + diskutieren

    WATERING HOLEWasserstellevon David Thornburg >> Viele an viele Informelles Zusammen-finden, physisch wie digital: Cafeterien, Spielpltze oder Pausenrume, Hallen und Flure, Wikis und Social Collaboration Platforms+ Arbeit in kleinen Gruppen + Teamarbeit + anderen zuhren+ jeder trgt bei

    HANDS ON Begreifenhinzugefgt von Rosan Bosch>> Taktile Erfahrungen Steigern physische und sinnliche Erfahrungen zur Vertiefung positiver Lernreize: beim Spielen, Erkunden und Auspro- bieren, auf mecha nische und sensuelle Weise + berhren + erfassen + fhlen + experimentieren + bauen

    LERNWELTEN GESTALTEN HEISST KOMMUNIKATION GESTALTEN RUMLICH-REAL UND VIRTUELL.

    GEZIELT INTERAGIEREN

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  • WARUM IST DIE ANALYSE DER KOMMUNIKATION AUSGANGSPUNKT IHRER INTERIEUR-PROJEKTE? R O S A N B O S C H : Stndige und vernetzte Kommunikation bedeutet eine riesige Vernderung. Fr unseren Alltag, fr das Zusammenleben und natrlich auch fr die Art, zu lernen und zu arbeiten. Sie verndert auch uns selbst, unsere Bedrfnisse und Fhigkeiten.

    IHRE KOMMUNIKATIONSTYPEN ILLUSTRIEREN SIE MIT PIKTOGRAMMEN. WOZU? Sie unterscheiden Kommunikationshandlungen in Bezug auf ihre Quelle, Richtung und Ausdehnung, auf die Konfiguration der Akteure oder Zuhrer. Sie dienen dem Kunden als Toolbox, um Kommunikationsformen zu differenzieren und neue Angebote gezielter ausrichten zu knnen. Den Schulen hilft dieser Baukasten, um ihre bisherigen Lehrformate zu hinterfragen, mehr zu variieren und die Schler zu einem selbstbestimmteren Lernaustausch untereinander anzustiften.

    DIE PIKTOGRAMME LASSEN SICH ALS BILDER LESEN. IN DEN KONFIGURATIONEN FINDEN SICH NATURBILDER UND RITUALE, DIE AUCH RUMLICHE ASSOZIATIONEN WECKEN. Es sind Metaphern, die wir mit unseren Kunden auf deren Ziele hin bersetzen. Sie selbst implizieren noch nicht das Interieur oder die Mblierung. Die Metaphern helfen lediglich bei der Bewusstseinsbildung, indem sie zeigen, wie die Kommunikation flieen muss, um bestimmten Aufgaben und neuen Lernformaten gerecht zu werden. So inkludieren die Konstellationen auch neue Medien. Bei Mountain Top zum Beispiel kann es sich auch um das Video einer TED-Konferenz handeln. Es bildet lediglich eine One Way- Kommunikation ab. Diese Offenheit ist fr den Einsatz und die Ausgestaltung der Zonen wichtig.

    EINIGE FOKUSSIEREN DEN MENSCHEN UND DESSEN AKTIVITTSRADIUS, ANDERE EHER SOZIAL-RITUELLES GRUPPENVERHALTEN Ja, es ist eine Mischung aus beidem. Ich denke, dass es fr viele unserer Aktivitten einen Grund gibt, warum wir sie auf eine bestimmte Weise tun, und ich denke, dass unser Krper dabei eine groe Rolle spielt. Der Philosoph George Lakoff und der Linguist Mark Johnson haben das sehr gut in ihrem Buch Philosophy In The Flesh beschrieben. So knnen wir uns zum Beispiel Unend-lichkeit nicht vorstellen, weil wir auf die Begrenzung unseres Krpers und dessen Bewegungsradius zurck-geworfen werden. Zwar ignorieren wir unsere krperliche Begrenzung gerade im Umgang mit neuen Medien und erweitern unsere Prsenz und Realitten, aber das lst unsere Vorstellungskraft nicht aus unserer physischen Begrenzung. Wir sind immer noch der Mensch, den Leonardo da Vinci nach den idealisierten antiken Pro -portionen als vitruvianischen Menschen in Kreis und Quadrat skizzierte.

    DABEI REISEN WIR UM DIE WELT MANCH EINER STRZT SICH SOGAR AUS DER STRATO-SPHRE. DIE NEUEN MEDIEN BEAMEN UNSERE BILDER UND GEDANKEN BERALLHIN. HABEN WIR DIE BEGRENZUNG NICHT DOCH BERWUNDEN? Mich interessiert an der These eigentlich eher der ver-bindende Aspekt. Denn wenn das wahr ist, dass alle Menschen im Denken auf ihren krperlichen Aktions-radius zurckgeworfen sind, dann htten wir eine gemeinsame Basis, zu kommunizieren. Egal, ob wir aus Island, Algier oder woher auch immer stammen wir mssten mitein ander kommunizieren knnen, denn wir haben die gleichen physischen Bedingungen, die unser Denken bestimmen.

    BERSETZTE MAN NUN DIE BILDER AUS DEN METAPHERN IN RUMLICHE ARCHETYPEN: KNNTE DAS FUNKTIONIEREN?Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass wir aus den Aktivitts- Metaphern rumliche Archetypen ableiten sollten. Zumindest nicht mit dem Anspruch der verbindlichen Allgemeingltigkeit. Sie funktionieren fr unsere Kunden, unsere Entwrfe und den Nutzer ja gerade, weil sie Variation zulassen. Menschen reagieren unterschiedlich. Um sich zu konzentrieren oder innerhalb einer Gruppe zu arbeiten, haben sie unterschiedliche Bedrfnisse und Gewohnheiten entwickelt. Das verlangt auch nach Vielfalt in der rumlichen bersetzung.

    ANGESICHTS DER INTERAKTIVEN LERNFORMATE, DIE DURCH NEUE MEDIEN BEFLGELT WERDEN: WELCHE ROLLE SPIELT DER PHYSISCHE RAUM? Wir wissen noch nicht, wo das endet mit der Virtual Rea lity, aber ich denke, je enger wir Kommunikation mit unseren Gefhlen und krperlichen Sinnen verknpfen, umso mehr kann sie eine reale Erfahrung fr uns bedeuten. Um den taktilen Reizen mehr Bedeutung zu geben oder um Theorien zu begreifen und zu erproben, haben wir das Hands On-Icon ergnzt. Das verlangt nach Experimentierfeldern und Werkzeugen. Es ist wichtig, dass wir neben der virtuellen nicht unsere lokal-reale Arbeitswelt vergessen, sie dient als Rckver-sicherung. Entsprechend sollten wir den physischen Begegnungen und Arbeitstreffen mehr sinnliche und krperlich erfahrbare Qualitten zuweisen. Dabei knnen die Metaphern auch helfen.

    WAS KANN DAS DESIGN IN BEZUG AUF DIE ARBEITSLEISTUNG BEWIRKEN? Es erleichtert die Art und Weise, zu lernen und zu arbeiten. Design ist nicht nur sthetik. Es kann auch die Qualitt und Energie von Rumen, in denen wir arbeiten, positiv beeinflussen. Wir knnen natrlich keine Rume bauen, die Unkreative pltzlich kreativ werden lassen, aber immerhin Rume, die kreatives Arbeiten untersttzen.

    ROSAN BOSCHKOMMUNIKATIONS-DESIGN

    Rosan Bosch gestaltet Lernwelten in Universitten, Schulen, Kindergrten, Ausstellungen, Bibliotheken und Kulturzentren. Ihre Interieurs fuen auf archetypischen

    Kommunikationshaltungen, deren Einsatz und Gestaltung erstaunliche Wirkungen zeigt.

    Rosan Bosch Designerin und Geschftsfhrerin Rosan Bosch Studio, Kopenhagen

    Rosan Boschs Studio in Kopenhagen hat Depen dan cen in Chicago und Barce lona. Zu ihrem inter disziplinren Team gehren Architek-ten, Knstler, Designer und Wissenschaftler. Ihre Arbeiten reichen von Ausstellungsdesign bis zum Interieur von Schulen oder Innova-tionszentren. Aktuelle Projekte sind die Academy For Global Citizenship in Chicago, die Montessori School in Landau und die Childrens Library in Billund.

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  • ERWACHSENENBILDUNG AN DER VUC SYDDIGITALER BILDUNGSWEG

    An der VUC Syd im dnischen Haderslev erhalten Erwachsene ihre zweite staatliche Bildungschance. Dabei erleben ehemalige Schulabbrecher einen gewaltigen Change

    hinsichtlich Lernorten, Lehrmitteln, Unterrichtsformen und Selbstverantwortung.

    GERICHTETE UND UNGERICHTETE KOMMUNIKATION.

    Schaut man sich neue Lernwelten in skandinavischen Schulen und Universitten an, fhlt man sich an offene Brolandschaften erinnert. Die Mglichkeiten der formellen wie informellen Kommunkation sind mannigfaltig. Und zwar nicht nur atmosphrisch. Besonders auffllig ist die bewusste und gerichtete Gestaltung von Blickachsen, Zuwen-dung, Fokus und berblick. Genau das knnte fr die Ausgestaltung von Lernwelten in den Open Spaces und flexiblen Workspaces im Bro wichtige Impulse liefern.

    6 Raum erkennt nisse fr technologie-

    gesttztes Lernen 1. Persnliche Face-to-

    Face-Beziehungen steigern den Lernerfolg.

    2. Medientechnologie bereichert Interaktionen

    und Lernerkenntnis.3. Integrierte

    Techno logie ermglicht mehr Flexibilitt

    und aktivittsbasierte Raumplanung.

    4. Rumliche Grenzen schwinden.

    5. Rume mssen Informationen einfangen

    und leiten.6. Hightech und

    Lowtech werden neben-einander existieren.

    Technology

    Empowered Learning: Six Spatial Insights

    Steelcase: White Papers Active Learning, 2016

    NEUE UNTERRICHTSFORMEN MIT IPADINTERAKTION DURCH DISPL AY-BESITZ UND -ZUGRIFF : An der VUC Syd erwirbt jeder Erwachsene zu Beginn ein iPad. Nicht nur, weil man eine papierlose Schule sein mchte das ist eher ein Nebeneffekt. Auch nicht, weil das technische Gert (vor Jahren noch fancy) die Lern-motivation erhht. Sondern weil das Tablet die Wissens-vermittlung verndert: Das mobile Display ermglicht agile Interaktion auf Augenhhe, eine freie Position im Raum und den permanenten Zugriff auf Inhalte. Damit lsst es die freien Lerngruppen entstehen, die der Klas-senraum aufgrund seines Frontalfokus nie leisten konnte. Auch Smartboards zwingen immer noch zur Aufmerk-samkeitshierarchie: Der Lehrer bestimmt die Inhalte, und alle mssen ihre Augen aufs Board richten. Beim mobilen Tablet fhrt jeder Schler sein eigenes Display mit sich und kann seine Inhalte durch die bertragungsmglich-keit kleinen wie groen Gruppen zugnglich machen. Das macht die Schler unabhngiger von den Lehrkrften und die Lernformate freier. Als Verlngerung von Hirn (Wissens-speicher), Sprache (Textprogramme, Audioaufnahme), Auge (Kamera mit Zoom) und Gestik (Display, Video) verndert das Tablet den Unterricht, bringt Inhalte und Kommunikationstool in die Hnde eines jeden Schlers und ermglicht einen selbst gesteuerten Austausch.

    RAUMDIFFERENZIERUNG FRS LERNVERHALTENVOM FRONTALUNTERRICHT ZUM IGLOO CAMPFIRE: Auch an der VUC Syd gibt es noch Frontalunterricht. Wo er das geeignete Instrument zur Wissensvermittlung ist, erfolgt er in Klassenrumen mit zwei groen Wand-Displays und Apple-TV-Netzzugang. Papierlos weil jeder sein Tablet dabeihat und diskursiv, weil einzelne Schler sich mit

    eigenen Inhalten ber einen zweiten Gromonitor ein klinken knnen. Gelegentlich schaltet sich auch mal eine andere Klasse per Videokonferenz zu. Die ersten 30 Minuten jeder Unterrichtsstunde finden meist in einem im Voraus gebuchten Raum statt. Hier erhalten die Schler Aufgaben, dann wechseln alle flexibel zwischen den Rumen. Mit dem Lernort ndert auch hufig das Format. Naturwissenschaftliche Themen zum Beispiel werden gern drauen bearbeitet an einem stillgelegten Hafen-becken. Mit der Tablet-Zoomfunktion nehmen Schler Kleintiere unter die Lupe, dokumentieren Ablufe per Video und bearbeiten sie im Medienraum. Zur besseren Anschaulichkeit erstellen sie in der Werkstatt Modelle mit 3D-Druckern. Igloos laden zu Round-Table-Gesprchen auf Augenhhe ein: Schler und Lehrer nehmen innerhalb der schalenfrmigen Innenwnde Platz. Licht fllt von oben und den Seiteneingngen herein, gemeinsames Infor-mationsdesk das Lagerfeuer sind die vier Monitore in der Mitte, auf die jeder seine Inhalte einspielen kann.

    DIGITALE INHALTEDEMOKRATIS IERUNG DES DIG ITALEN WISSENS: In der nahezu papierlosen Schule sind alle Arbeitsinhalte digital verfgbar. Die Lehrer erstellen eigene digitale Inhalte mit aktuellem Bezug. So werden zum Beispiel die politischen Mehrheiten der EU-Lnder aus den 1990er-Jahren mit aktuellen Wahlergebnissen verglichen, um nationalistische Tendenzen zu diskutieren. Teilweise stellt die VUC Syd Lerninhalte bei iTunes U (iTunes University) ein und ldt ein zu weltweitem Sharing samt Kommentierung. Auf der globalen Plattform erhalten die Schler Zugang zu flan-kierenden Vorlesungsreihen, Sprachkursen oder Interviews, die Hunderte anderer Hochschulen auf iTunes U einstellen; darunter das Massachusetts Institute of Technology, die Universitten Oxford oder Stanford. Ob von Apple oder anderen Anbietern diese breite Vielfalt an Inhalten regt die Neugier der Schler zu selbststndigen Erkundungen an.

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  • BERBLICK, EINBLICK, AUF AUGENHHE VUC SYD, HADERSLEV, DNEMARK

    1 In lichter Atmosphre geben die Galerien Einblick in frei whlbare Lern- und Kommunikationszonen. Treppenlufe und Stege frdern Begegnung und Austausch. Fr die erwachsenen Schler, die hier ihre zweite Bildungschance wahrnehmen, erzeugt die optische Browelt ein Gegenbild zu frheren, meist negativen Schuleindrcken.

    2 Den Igloo haben AART designers fr Spaces by Holmris als defi nier ten Raum fr Open Spaces entwickelt. Wie beim indianischen Palaver ldt der Igloo ein, Inhalte vom eigenen Tablet auf dem Lagerfeuer in der Raummitte zu prsentieren. Lerngruppen ermglicht er Rckzug und Austausch auf Augen-hhe. Die VUC-Syd-Schler schtzen den gemtlichen Effekt, den die akustisch eingekleideten Sitznischen bieten.

    Fotos: AART architects, Aarhus

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  • Es ist nicht einfach, klare Aussagen ber die Macht des Raums zu erhalten. Denn natrlich fragen wir nach der manipulativen Kraft, die Architektur erzeugen kann, und begeben uns damit auf heikles Terrain. Angesichts manches unrhmlichen historischen Hintergrunds und der Verlagerung des gesellschaftlichen F okus von Masse und Durch-schnitt auf Individualitt und Diversitt erscheint die Frage unzeitgem. So verweist auch die Architekturpsychologin Antje Flade auf individuelle Prgungen, die sich schwer-lich verallgemeinern lassen, und hlt zum Beispiel die Organisation sozialer Interaktion als (unterschwellige) Verhaltens aufforderung oder Erleichterungen fr eine bestimmte Arbeitsweise fr ebenso relevant wie architektonische Einflsse auf unser Bewusstsein.

    Auch die Hirnforschung ist nicht weit genug, um diesbezglich mehr zu bieten als Aussagen ber Farbwirkungen (Gelb regt an, Schwarz bedeutet Macht / Massi-vitt). Noch knnen Hirn strommessungen nur mithilfe bekannter kulturell gelernter Muster interpretiert werden. Wie aber ein Gefhl positiver berraschung beim Betreten eines Raums ausgelst wird, lsst sich damit nicht erklren.

    Unwillkrlich wissen wir jedoch um das erhabene Gefhl, das sich einstellt, wenn wir aus oberen Stockwerken ber die Dcher einer Stadt und in den Himmel schauen. Wir kennen die Beruhigung, die ein Blick in eine weite Landschaft erzeugt. Oder die Wirkung, die dichtes Parkgrn auf uns hat. Wenn sich die Atmung allmhlich ent-spannt, Hitzegefhle schwinden und der Geist sich wieder erfrischen kann. Auch ohne kunsthistorisches Wissen verstehen wir, wozu Arkaden, Wandelgnge, Galerien, Lichthfe und breite Treppenanlagen uns einladen. Die gebaute Umwelt zielt auf unser Kulturverstndnis ab, das laut Hirnforscherin Hannah Monyer unser Erinnerungs-vermgen untersttzt. Immerhin ist neurologisch bewiesen, wie eng unser Gedchtnis Lerninhalt mit Lernumgebung verkettet. Was also sollte uns davon abhalten, mehr Ver-trauen in die rumliche Gestaltung zu geben?

    DIE ERZEUGUNG VON WOHLFHL-QUALITTEN.

    Vor mehr als tausend Jahren hatten Baumeister, Kunsthandwerker und Knstler genau diese Intention: ber die Raumwirkung ein besseres Lebensgefhl zu erzeugen. Der Jugendstil verstand den Raum als Gesamtkunstwerk aus Architektur, Arts-&-Crafts-Ein-bauten, Mblierung, Beleuchtung, Tapeten und Stoffen. 1912 beauftragte der Philologe und Mediziner Friedrich Barner den Darmstdter Architekten Albin Mller mit dem Bau eines Sanatoriums im Harz. Der Architekt errichtete Baumhuser als Luftkurhtten zwischen den Kiefern im Park und whlte fr das Haupthaus Dekore, Muster und Farben im Hinblick auf Genesung aus. Gebudetypus und Innenarchitektur sollten auf sthe-tisch-psychischer Ebene die rztliche Therapie ergnzen.

    Das war vielleicht zu viel gewollt. Aber in ihrer damaligen Modernitt, ihrem Stil und ihrer Stimmigkeit beeindruckten die Rume Besucher wie Gste und machten ihre Mission verstndlich. Eine Mission brigens, die weniger vom Glanz des Unterneh-mens als vielmehr vom Benefit fr den Nutzer erfllt war.

    Bndeln nun Unternehmen ihre Einzelbemhungen hinsichtlich Ergonomie, Ge-sundheit, Design und Identitt unter dem Dach des Wohlfhlens, verlangt das nicht nur nach neuen Aufenthaltsqualitten, sondern auch nach gestalteter Wertschtzung.

    Oder: Was der Raum mit uns macht. Noch fhlen wir mehr, als wir faktisch wissen.

    DIE MACHT DES RAUMS

    Mindsets werden durch

    Rume geformt. Nie ist der Raum nur eine Hlle, sondern immer auch prgend fr die Kultur einer Organisation. Es gibt bestimmte Muster, die assoziatives Denken und eine multi- sensuelle Wahrnehmung untersttzen. Dazu ge-hren z. B. hohe Decken und eine bestimmte Lichtregie, die sich in der Wahl ausge suchter Farbtne und -kom-binationen ausdrckt.

    Dr. Anja Osswald Business Development TRIAD, DIE DENKBANK

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    LICHT UND MATERIE ENTWORFEN FR NATUR- UND KULTURRUME

    1 Entwurf einer Bibliothek fr Mekka, 2011. Im Kontrast zur lichtdurchfluteten Schmuckfassade erinnern die geschwungenen Wnde an Wstenhhlen oder Zelte.

    Entwurf: Snhetta Arkitektur og Landskap A/S; Rendering: MIR

    2 Wettbewerbsentwurf fr ein Naturhistorisches Museum im Botanischen Garten Kopenhagen, 2011. Jan Yoshiyuki Tanaka, Partner bei jaja architects, versucht bei Projekten generell eine starke Beziehung zwischen Architektur, Menschen und Natur herzustellen. Die teilweise eingegrabenen Gebude-segmente erffnen hier eine Secret Garden-Perspektive.

    Entwurf: jaja architects ApS mit Kengo Kuma & Associates; Rendering: MIR

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  • ZUM LERNEN EINLADEND SDU KOLDING, DNEMARK

    1 Das grozgige Universittsgebude von Henning Larsen Architects beherbergt die Fakultten Design und Kommu -nikation und ist selbst ein Design Piece. Raum, Flche und A usstattung sind perfekt aufeinander abgestimmt und formulieren ein ladende Gesten zu Nutzung und Aufenthalt. 2 Ausgekleidete Loggien und integrierte Terrassen diffe-renzieren den Auenraum. Die weiterge fhrte Struktur der

    Fassade gliedert die auen liegenden Arbeitsflchen und begrenzt sie schtzend. 3 Jedes Stockwerk umfasst den Luftraum der Halle und bietet unterschiedliche Kommunikations-, Aufenthalts- und Arbeits-gruppierungen, die von der Mblierung im Raum erzeugt werden. Bis zu den Lehr- und Seminarrumen an der Fassade finden sich zahlreiche Abstufungen hinsichtlich Lebendigkeit und Ruhe.

    Fotos: Hufton + Crow

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  • Julia DellnitzCo-Grnderin Learnical, Unternehmensberaterin

    Julia Dellnitz studierte Ozeanografie und Business Adminis tra tion und betreut heute agile IT-Projekte. Als Co-Grnderin von Learnical untersttzt sie Unter-nehmen auf ihrem Weg in die lernende Orga nisa tion vor allem, wenn es um Digitalisierung geht.

    Lars BsingCo-Grnder Learnical, Unternehmensberater

    Lars Bsing begann seinen Berufsweg als Sozial arbeiter. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaft in Hamburg und New-castle. Seit 1996 als Berater und Education Manager in der Indus trie ttig, grndete er 2012 Learnical mit und setzt seinen Schwerpunkt auf das Lernen in der digitalen Welt.

    WAS ALLES BEEINFLUSST UNSER LERNEN?J U L I A D E L L N I T Z : Es sind verschiedene Faktoren, die die Lernqualitt beeinflussen: Erstens entscheidet darber die emotionale Verfassung. Stress oder Angst lassen in Routinen zurckfallen, Freude beflgelt Neugier und Forschergeist. Dabei gibt es eine starke Wechselwirkung zwischen Rumen und Menschen. Das heit: wie viel Platz zwischen ihnen ist und in welcher Atmosphre das Lernen geschieht. Zweitens: Wie stark ist mein Bezug zum Inhalt? Hat der mit eigenen Erfah rungen zu tun, und kann ich ntzliche Verbindungen zu meiner Praxis herstellen? Drittens ist auch die zeitliche Dimension wichtig. Lernen passiert nicht monolithisch an einem Tag wie es Weiterbildungsprogramme oft an bieten. Komplexe Fhigkeiten erlernt man nur kontinuierlich, interaktiv. Mit Zeit zum Reflektieren und Aus probieren. Da ver heiraten sich dann auch agile Methoden mit den entsprechenden Rumen.

    INWIEFERN SIND ARBEITSRUME LERNRUME? L A R S B S I N G : Lernen sollte nicht fern der Arbeit auf Halde geschehen, weil das den Anwendungsbertrag erschwert. Lernen muss whrend der Arbeit stattfinden das ist nicht zu trennen! Wann immer das Gehirn in einen anderen Modus schaltet, wre es hilfreich, den Raum ent sprechend anzupassen oder dies in einem entsprechenden Raum zu tun. Das Problem ist, dass die meisten Rume multi-funktio nal sind: Dateneingaben, Recherchen, Austausch, Dis kussionen, Konfliktgesprche all das findet in fast gleichen Settings statt, und unsere Er fahrung ist, dass es fr unterschiedliche Lern-Settings auch unterschiedliche Raum-Settings geben msste.

    WELCHE NEUEN RUME MSSTE ICH ANBIETEN?L . B . : Wenn wir Workshops und Lern-Events bei Kunden stattfinden lassen, verndern wir immer deren Rume, damit bestimmte Lernfunktionen mglich sind und Erkenntnisschritte neu erfahrbar werden.J . D . : Wir nennen das Bhnen einrichten. Merkmale, die zu kognitiven Dissonanzen fhren zum Beispiel Sprche an den Wnden , mssen weg. Ich rume jeden Raum auf, bevor ich anfange zu arbeiten. Um klare Strukturen und freie Flchen zu haben, damit man unterschiedliche Pers-pektiven erzeugt, damit der Blick sich auch auf Natur rich-ten kann. Was unsere Kunden organisatorisch manchmal herausfordert, ist, wenn wir auch noch die Cafeteria und den Garten miteinbeziehen wollen, um unterschiedliche Wahrnehmung auch rumlich zu trennen, also Ankommen von Analysieren und Vertiefen trennen und Analysieren vom kreativen Arbeiten, Arbeiten vom Planen und Planen vom Konfliktgesprch.

    WAS DAVON KANN MAN IM ALLTAG BEIBEHALTEN?J . D . : Das Gesprch beim Spaziergang, weite Blickachsen in die Natur sogar eine Fototapete kann helfen , um

    ungerichtete Aufmerksamkeit zuzulassen. Letztere ist wichtig fr kreative Verknpfungen im Gehirn. Auch Atelier-rume oder Werksttten mit Tools, die dazu animieren, etwas darzustellen, spielerisch zu erproben, mit den Hn-den zu bersetzen etc. knnten bessere Umgebungen fr einen Workshop sein als ein Meetingraum mit Flipcharts.

    BEIM SICH-ERINNERN AN ERLEBNISSE WIRD DIE UMGEBUNG MITERINNERT. KANN DIE UMGEBUNG ALSO AUCH ZUM LERNVERSTRKER WERDEN?J . D . : Ja, den nutzen wir beim Stationslernen aus! Daher mssen die Rume und ihre sinnlichen Reize unterschied-lich sein. Das Gehirn kann 3D und szenisch erfassen. Leider reagieren viele Lernrume gar nicht auf diese Wahr- nehmungsfhigkeit sie sind zu glatt und vergleichbar.L . B . : Der besondere Raum kann aber auch hemmen. Wenn zum Beispiel die Mblierung und Atmosphre in Seminar-rumen an langweiligen Schul- und Frontalunterricht erinnern, ist der Trainingsraum negativ codiert. Als Erwach-sene fallen wir darin leicht in unser damaliges Verhalten zurck der eine als Klassenclown, der andere als ge-danklich Abwesender. Gerade Rume, in denen wir etwas lernen also erfahren , prgen uns und werden codiert.

    UND DIE NCHSTE GENERATION HAT NEUE CODES?J . D . : Wenn ich in Start-ups komme, denke ich, ich bin in einer Wohngemeinschaft das ist der WG-Code. Die haben den Code in Abgrenzung zur alten Arbeitswelt fr sich neu geschrieben. Was sie abbilden, ist Gemeinschaft Kaffeeschnack und der groe Holztisch als Nhe zum Privatleben. Die Codes fr Privatleben und Arbeit nhern sich also an. Wenn das Arbeitspensum hoch ist, kann das natrlich emotional auch verschwimmen. Das Umfeld sieht entspannt aus, die Situation fhlt sich fr den Ein-zelnen aber ganz anders an.

    LASSEN SICH BER DEN WOHLFHL-CODE NICHT AUCH STRESSIGE SITUATIONEN WEICHSPLEN?J . D . : In normalen Arbeitssituationen kann der Privatleben- Code natrlich schon entspannend wirken. In Stress-situationen fhlt sich das private Setting aber schnell aufgesetzt an. Die empfundene kognitive Dissonanz stresst dann zustzlich, weil wir die ganze Zeit unbewusst den Raumcode mit der Realitt abgleichen und uns wie in einem falschen Film vorkommen. Dass alles Fake war, drfte nachhaltig enttuschen.

    WRDE DAS BEDEUTEN, DASS MAN IN RUMEN, IN DENEN MAN STRESSIGE ERLEBNISSE HATTE, NICHT MEHR UNTER STRESS ARBEITEN SOLLTE?J . D . : Einen Versuch ist es wert. Lst die Umgebung die negative Erinnerung an den Stress sofort wieder aus der volle Schreibtisch, dieser Teppichgeruch, der Schatten auf dem Regal , dann wirkt ein uncodierter Raum sicher erfrischend und motiviert ganz anders.

    LEARNICAL WIE RUME SICH EINPRGEN:

    CODES VERSUS IMPULSEJulia Dellnitz und Lars Bsing beraten Unternehmen, die Lernen

    als strategische Kompetenz entwickeln wollen. Selten ohne interessante Wechselwirkungen.

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  • Basis des neuen Unterichts, der auf individuelle Neigungen, Inklusion und Vielfalt setzt, ist die Erkenntnis, dass jeder Mensch lernen will, von klein auf neugierig ist und seine Poten-ziale erst in der Gruppe zum Nutzen aller einsetzen kann. Diesen positiven inneren Antrieb hat die klassische Schulbildung mit Dominanz, Disziplin und Konkurrenz erstickt. Im digi-talen Zeitalter, in dem Daten und Wissen verfgbar und Profile individuell auslesbar sind, verlieren jedoch Masse, Durchschnitt und Faktenwissen an Bedeutung. Schulen verlagern daher ihr Augenmerk von der Standard-Wissensvermittlung auf die individuelle Potenzial-entfaltung und fhren ihre Schler an Kulturtechniken und Problemlsestrategien heran.

    VON DER WISSENSVERMITTLUNG ZUR POTENZIALENTFALTUNG.

    Damit lernen nchste Generationen genau das, was Change-Prozesse in den Unterneh-men bewirken sollen: Diversitt, gemeinsame Problemlsungs- und Selbstfhrungs-kompetenz. Teamarbeit, Kollaboration und Projekttage sind in Schulen bereits fester Bestandteil der Lernkultur. Kommuniziert wird auf Augenhhe, Lehrer werden zu Lern-begleitern, ltere Mitschler bernehmen Patenschaften und Tutor-Aufgaben. Das Er-lernen verschiedener Kompetenzen und Techniken darf und soll mit persnlichen Inter-essen, sinnstiftenden Inhalten oder erstrebenswerten Visionen, wie den Millennium Development Goals der UN, verbunden werden, da ein verantwortungsvoller Umgang mit komplexen Fragen die nchsten Generationen buchstblich beschftigen wird.

    AKTIVITTS-BASIERTE LERNANGEBOTE.

    Bisher waren die Browelten Vorbild, was neue Formen der Zusammenarbeit anging. Mittlerweile sehen es die Bildungseinrichtungen als ihre Aufgabe an, explizit auch einer neuen Lernkultur Raum zu geben. Schulen bieten aktivittsbasierte Lernsituationen an, die man in einem natrlichen Tagesmodus durchluft. Methodisch wie rumlich verlangt dies nach differenzierten Angeboten, direkter Verfgbarkeit und hoher Flexibilitt.

    Margret RasfeldMitbegrnderin der Initiative Schule im Aufbruch und bis 2016 Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum

    Die alten Schulsysteme machen aus Lehrern Defizit-Nachweiser hufig gegen ihre berzeugung. Die

    m oderne Schule schafft Rume und Lernsettings, dass alle ihre Potenziale entdecken und entfalten und diese in sinnvolle Kontexte einbringen knnen. Die Leistungsbewertung durch Noten basiert dagegen auf einem alten Erziehungsbild. In diesem galt Sanktion als Instrument, um Verhalten zu optimie-ren. Entmutigung, Beschmung und Angst sind Folgen dieser Logik. Wissenserwerb wird an Prfungsdruck gekoppelt. Solange stndige Bewertung und das Fcherkorsett den Schulalltag prgen, haben Kinder wenig Spielraum, eigene Lernwege zu entwickeln, zu forschen und ber Versuch und Irrtum zu eigenen

    Lsungen zu finden. Noten schaffen Hierarchien, frdern Kon-kurrenz, Selek tion und Ich-Wettbewerb. Jeder versucht, seine Fhigkeiten so optimal wie mglich an das System anzupassen. Das entspricht aber nicht den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt, in der zunehmend Teamwork, Kollaboration und Multiperspektivitt gefragt sind. Nicht in der Abgrenzung, son-dern im Zusammenwirken unterschiedlicher Fhigkeiten und Sichtweisen finden sich neue Lsungen. Wer Lernen auf kognitives Wissen und Bewertung ausrichtet, reduziert es auf eine Taktik in sehr begrenztem Wirkungsrahmen. Lernen im Sinne einer Potenzial entfaltung heit, mit den eigenen Mglichkeiten in Kontakt zu kommen. Es bedarf einer differenzierten Feedback-kultur und Anregungen fr die Weiterarbeit, um das eigene Ler-nen zu reflektieren, eigene Leistungen einschtzen zu knnen.

    Foto: Christian Klant

    Pdagogen haben die Diskussion darber begonnen, was Lernwelten sein sollten. Daher findet man sie heute eher in der Schularchitektur als im Bro.

    SCHULEN GESTALTEN LERNWELTEN

    Das Kind als Baumeister seines Selbst. So lautet das Bild der Montessori-Schulen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts reformpdagogisch revolutionr war. Die Leitlinien ihrer Pdagogik offener Unterricht, vielfltige und alters gerechte Unterrichtsmethoden, die Anleitung, sich Inhalte selbst zu erschlieen, die Integration kreativer Ausdrucksformen und vor allem die Bercksichtigung und Fr derung der indivi-duellen Neigungen des einzelnen Kindes sind heute in nahezu jedem modernen Schul-konzept zu finden.

    Maria MontessoriItalienische Pdagogik- Reformerin, Grnderin der Montessori-Schulen

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  • ATMOSPHRE UND AUFENTHALTS-VIELFALT RESTADT GYMNASIUM, KOPENHAGEN, DNEMARK

    1 Das restad Gymnasium in Kopenhagen bietet eine hohe Durchlssigkeit hinsichtlich der fachlichen Aktivitten, natr-lichen Bewegungsablufe und unterschiedlichen Jahrgnge. 2 Als Entspannungszonen gehren die Flzinseln genauso zur Lernwelt wie die Klassenrume. Hier wird aber nicht nur gefaulenzt, sondern auch Lernstoff vor- oder nachbereitet.

    3 Die Architekten von 3XN haben eine Vielzahl an berblick, Einblick- und Rckzugsmglichkeiten in unterschiedlichen Formaten und sich berlagernden Zonen geschaffen. Die separaten Bereiche der Flzinseln befinden sich auf spe ziellen Klassenrumen, bei denen Schiebetren regeln, wie viel Tageslicht eindringt. Die Akustik wiederum wird durch per-forierte Tren und Schrankoberflchen gesteuert.

    Fotos: Adam Mrk

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  • Allgemeine Lernbereiche

    Team- und Personalrume

    Sonstige Bereiche

    Spezialisierte

    Lernbereiche

    Gemeinschafts- bereiche

    Allgemeine Lernbereiche

    Team- und Personalrume

    Sonstige Bereiche

    Spezialisierte

    Lernbereiche

    Gemeinschafts- bereiche

    Das Schlimmste am Lernen ist die Fremdbestimmtheit, die Begrenzung auf vorgegebene Aufgaben, verkrpert durch die Lehrdogmatik des Frontalunterrichts. Da Lehrer nicht die Antworten auf morgige Fragen haben knnen, zhlt heute das Zusammenspiel der verfgbaren Kompetenzen, werden Lsungswege wichtiger als Ergebnisse und muss Wissen von auen verfgbar sein. So haben Schulen begonnen, den Frontalunterricht zugunsten freier Lern-, Spiel und Projektzeiten zurckzufahren. Lernbegleiter ermuntern zu neuen Methoden, Freirumen und Perspektiven, die Schlern ihren persnlichen Lernerfolg erfahrbar machen. Und die Architektur antwortet darauf mit flexiblen wie auch differenzierteren Nutzungsarrangements fr verschiedene Lernbeschftigungen zur persnlichen Aneignung. So sind offene Lernlandschaften und Cluster entstanden.

    Neue Lernarchitekturen ergnzen in den Schulen das Klassenzimmer. Bereits Grundschler drfen ihren Lernort zur Vertiefung oder Gruppenarbeit selbst whlen.

    DAS FLIESSENDE KLASSENZIMMER

    OFFENE LERNLANDSCHAFT UND CLUSTER

    1 Offene Lernlandschaft: Grundschulen nutzen die offenen Zonen gern, um Kinder jahrgangsbergreifend von einander lernen zu lassen. Offenes Lernen als Bestandteil des Unter-richts lst Klassenverbnde immer wieder auf und variiert Gruppengren und Formate. Mglich sind auch zwei Lern-gemeinschaften, die als Basisstufe und Weiterfhrende Stufe ber ihre jeweils eigene Lernlandschaft verfgen.

    2 Cluster: Viele Schulen organisieren Klassen- und Fach rume in Clustern. Sie bestehen in der Regel aus drei bis vier gleichwertigen Unterrichtsrumen, ergnzt um einen Be sprechungs- und Vorbereitungsraum fr die Lehrer, der als Teamsttzpunkt fungiert. Zentrum jedes Clusters ist die Gemeinschaftszone, die zur Lerndifferen zierung genutzt wird. Ein Cluster fasst 60 bis 120 Schler.

    Skizze: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

    Allgemeine Lernbereiche

    Team- und Personalrume

    Sonstige Bereiche

    Spezialisierte

    Lernbereiche

    Gemeinschafts- bereiche

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    Flipped Classroomsmeint eine neue Rollen-

    verteilung zwischen Lehrern und Schlern. Die Schler sind keine

    passiven Zuhrer mehr, sondern gestalten den

    Unterricht aktiv mit. Der Lernstoff wird allein oder in Grup pen, zu

    Hause oder in der Schule vertieft und dann mit

    dem Lehrer diskutiert.

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  • In der italienischen Grundschule Welsberg in Bozen werden die offenen Lernland-schaften von mehreren Jahrgngen genutzt, um die Freude am Erfahrungsaustausch und das positive Feedback fr Untersttzung direkt unter den Schlern entstehen zu lassen. Fr die Ausstattung bedeutet dies eine hohe Flexibilitt des Mobiliars und Mglichkei-ten der Zonierung. Anders als im Open Space werden die Lernlandschaften tagsber ent sprechend ihrer Nutzung immer wieder verndert. Insofern mssen sie noch flexib-ler als das Office sein. Andererseits sollen die Zonen zu unterschiedlichen Lernerfahrun-gen einladen. Das spricht fr mehr Vielfalt, zumal die Schler sich ihre Lernzone auch aussuchen drfen.

    Es hat sich jedoch gezeigt, dass es nicht reicht, Cluster anzulegen, freie Flchen vor-zuhalten und es dann den Schlern oder Lehrern zu berlassen, daraus etwas zu machen. Unter manch neuen Schulen finden sich auch Architekturen der Verwahrlosung, in denen Schler sich selbst berlassen bleiben. Die so viel geschtzte Flexibilitt kann zu solcher Indifferenz fhren. Bei all der bezweckten Selbstorganisation aufseiten der Schler geht es schon darum, Gesten des Empfangens, der Zugehrigkeit und rumliche Arrangements in Bezug auf intendierte Verwendungskontexte anzubieten.

    VARIABILITT IST DIE BESSERE FLEXIBILITT.

    Manche Zonen belegen Schler fr sich, so zum Beispiel die Unterseite des breiten Treppen laufs in der dnischen A. P. Mller Skolen in Schleswig. Hier finden Schler ihre geschtzte Hhle zum Chillen. Die Schulleitung hat Flzmbel und einen Flach-bildfernseher beigesteuert, der in Schleswig dnisches Fernsehen ausstrahlt. So ent-wachsen Lernorte den Klassenrumen und bertragen sich auf Treppenanlagen mit Sitzpodesten oder geschtzten Unterseiten, auf tiefe Fensterbnke mit Aussicht oder Bnke ber wrmenden Heizkrpern, Nischen und Abseiten, die fr ihre gedmpftere Lichtstimmung und Rckzugsmglichkeit geschtzt werden, auf Arbeitspulte entlang der Balustraden von Galerien, die ungezwungene Nachbarschaft und berblick er-mglichen, etc.

    Die freie Arbeit wird angeregt. Im Kopenhagener restad College bieten die Stockwerke vor den Instruktions- und Fachrumen zusammen mit dem zentralen Trep-penraum vielfltige Flchen zur Gruppenarbeit, Vertiefung, Einzelarbeit oder Erholung an (siehe Seite 23). Neben den Laborrumen steht auf dem Obergeschoss ein Labor- tisch, wie ein groer Kchenblock, frei im Raum. Um ihn herum experimentieren Schler im Stehen und lernen auch vom Geschehen ihres Gegenbers. Die Kunstwerkrume der A. P. Mller Skolen erweitern sich durch Steintische mit Wasserbecken in den Auen-bereich. Schon die Arne-Jacobsen-Schulen haben immer auch den Auenbereich ber Terrassen, Hfe, und Grten miteinbezogen. Heute geht es bei der Erweiterung der Lern-welt in die Natur nicht mehr nur um die Mglichkeit des Demonstrierens. Multiperspektive und krperliche Sinneserfahrungen durch Lichtreflexe, Windzge und den Kontakt mit anderen Materialien regen den Geist zustzlich an.

    DR. ANJA OSSWALD UND PROF. LUTZ ENGELKEBusiness Development und Strategy TRIAD, DIE DENKBANK; Professor fr Transformationsdesign FH Potsdam, Grnder und Gesellschafter TRIAD, DIE DENKBANK

    Morphing Office heit das neue Schlagwort. Die einzelne Broform existiert nicht mehr, vielmehr passt

    sich eine vorhandene rumliche Basis flexibel den Anforderun-gen an. Mitarbeiter knnen im Team eigenstndig ihr Arbeits-

    umfeld situativ gestalten und fr Teamgesprche, Prsentatio-nen, Projektarbeiten, Konzentrationsphasen usw. anpassen. Wechselnde Teamgren sowie bergnge zwischen einzelnen Arbeitsanforderungen sind flieend. Derartige Broformen ermglichen den effizienten Umgang mit Ressourcen, Wissen und Information. Gleichwohl sind die Rume unterschiedlich beschaffen, stimulieren und inspirieren. hnlich wie in einer alten Villa sollte das Angebot vielfltig und ber kurze Wege verfgbar sein.

    Julian WeyerArchitekt und Partner

    C. F. Mller Architects

    Als wir mit der Planung der

    A. P. Mller Skolen in Schleswig begannen,

    hatte in den Browelten der Groraum die

    Zelle abgelst und bedurfte jetzt weiterer

    Differenzierung. Zum individuellen Lernen

    braucht es eine Vielfalt an Raumvariationen,

    damit jeder seine ge eignete Lernum-

    gebung whlen kann. Bei Schulrumen ist der

    Raum auch der Raum, um das System Schule

    und sich selbst darin kennenzulernen, seine

    Nische zu finden, die Mitschler/innen

    kennenzulernen.

    Foto: Henk ten Bouwhuis

    Learnings beim Gestalten von Lernwelten1. Die Vielfalt von Rumen steigern, um die Qualitt des Lernens, Austauschens und des Aufenthalts zu erhhen.2. Adaptierbare Mbel, die Flexibilitt in die Lernumgebung bringen. 3. Lesbare und intuitiv verstndliche Raumfhrung. 4. Rume so ausbilden, dass sie technischen Support untersttzen.5. Wege und Aufenthalt im Auenraum anbieten.

    The Influence of Design on the Learning EnvironmentKnoll-Studie an der Wake Forest University School of Business

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  • Kreativitt bedeutet Arbeit. Sie ist eine Entwicklungsleistung, die einer flchtigen Idee Gestalt geben kann. Wirtschaftlich bedeutsam wird Kreativitt, wenn sich damit Geld verdienen lsst. Und also fragen wir: Wie sieht kreative Arbeit aus? Welche Schritte beinhaltet der kreative Prozess? Und was ist unter einer erfolg-

    reichen kreativen Arbeit zu verstehen? Kreativitt im Sinne des dauernden Umdenkens und Neukonzi pierens ist fr uns inzwi schen zu einem Imperativ geworden, stellt der Kultursoziologe Andreas Reckwitz fest. Sie ist die Grundkompetenz fr Ideenwirtschaft und Innovationsvorsprung.

    So verwundert es nicht, dass Industrie und Dienstleistungsunternehmen auf Metho-den setzen, die zum Kreativen-Repertoire gehren. Eine davon ist Design Thinking. Whrend deren lterer Bruder Brainstorming seit den 1940er-Jahren manchem Broan-gestellten Kreativitt in erstaunlichen Quantitten entlockt (hat), wofr er weder Kolle-genschelte noch Umsetzungskonsequenzen frchten muss(te), will Design Thinking nun den kreativen Prozess bis zum Markterfolg fhren. Die Konzeptionisten der US-Stanford University betten die Ideen findung in einen Untersuchungsprozess ein, der den Fokus qua-litativ auf Kundenmotive und Verwendungskontexte richtet. So erweitern sie den Betrach-tungswinkel um den von Designern, Journalisten, Werbestrategen und Marktforschern.

    Der Kundenfokus schlgt eine willkommene Brcke zu Inhouse-Abteilun gen und soll dreierlei erleichtern: eine marktrelevante Betrachung, eine inter disziplinre

    DESIGN THINKINGEin an der US-Stanford University aufgestellter Prozess zur Problem-analyse, dem Nherungs- und Lsungsweg gngiger Designpraxis entnommen. Christian Beinke und seine Kommanditisten bei Dark Horse haben Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut der Universitt Potsdam studiert und den hier abgebildeten Prozess-verlauf mehrere Jahre mit Unternehmen exer-ziert. Ihr Re smee: Didaktisch ist der Ablauf nach wie vor richtig, in der Anwendung aber dominiert der Prozess zu stark. Seit 2016 zerteilt Dark Horse die Prozedur in Explore, Create und Evaluate, was mehr Flexibilitt in der Handhabung erffnet.

    FORSCHEN, ENTDECKEN, UMDENKEN, ABSTRAHIEREN, HACKEN, VISUALISIEREN, BERSETZEN, MACHEN.

    KREATIV ARBEITEN

    PROZESS-SCHRITTE DES DESIGN THINKING

    1 VERSTEHEN Das Problem und bisherige Lsungs defizite. Methoden: Interviews, Social Media Monitoring, Medien- und Studienauswertungen. 2 BEOBACHTEN Den potenziellen Nutzer im Gesamtkontext. Methoden: Shadowing, Home Visits, Video, Social Media Monitoring, Verhaltensstudienauswertungen. 3 SYNTHESE Das gewonnene Wissen zur Forschungsfrage verdichten. Methoden: Auswertung, Fokus auf qualitative Anforderungen, Verwendungskontext und neue Erkenntnisse. 4 IDEEN GENERIEREN Mit Bezug auf die erforderlichen Qualitten eine grere Menge an Ideen erzeugen.

    Methoden: Brainstorming, Walt-Disney-Methode, Six Thinking Hats, Methode 635 . 5 PROTO TYPING Der Idee ein Gesicht geben. Methoden: 3D Modeling (zum Beispiel 3D Printing, gebasteltes Modell), virtuelle Dar stellung, animierter Film, Video etc. 6 TESTPHASE Das Feedback potenzieller Nutzer einholen. Methoden: Kriterien auswhlen, Fragebgen erstellen, Modelle an die Hand geben, Interviews durchfhren, Nutzer-reaktionen dokumentieren, filmen, auch ungefragtes Feed-back aufnehmen.

    Grafik: farblich modifiziert von Dark Horse GmbH & Co. KG bernommen

    Verstehen Beobachten Synthese Ideen Prototypen Testen

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  • Projektarbeit und die Integration kreativer externer Kpfe. Klingt Erfolg versprechend. Doch welchen Erfolg darf man bei welcher Methode erwarten? Design Thinking drfte ein guter Weg fr praxisnahe Problemlsungen sein. Es kann helfen, Grben zwischen Design-, Marketing- und Sales-Abteilungen zu nivellieren.

    Aus Konsensveranstaltungen entspringen jedoch nicht revolutionre Innovatio-nen. Echte Innovationen sind ihrer Zeit voraus vielfach die Kopfgeburt eines Nerds, der sich monatelang zum Forschen zurckgezogen hat, beseelt von seiner Aufgabe, be-schftigt damit, Potenziale sichtbar zu machen oder zu beweisen. Knnen solche Genies in Unternehmen forschen und tfteln? Die Unternehmen bejahen dies, mit eigens dafr eingerichteten Wochentagen (um es nicht zgellos werden zu lassen), in einem etikettier-ten Creativity Lab oder Maker Room (damit auch andere mitbekommen, was man darin so anstellen kann), im Team mit Freiwilligen (damit das Wissen im Unternehmen bleibt). Falls die Innovationsstrke darunter leidet, mag die Konsens-Version fr den Markterfolg genau die richtige sein.

    BRAUCHT MAN ZUM EXPERIMENTIEREN BESTIMMTE RUME? H A N S - J R G R H E I N B E R G E R : Experimentieren ist ein Spektrum von Praktiken es reicht von der sicheren Werkbank bis zur Innovationsspielwiese. Die Rume des Wissens stehen immer stark in Bezug zu ihrem Fachgebiet. Insofern knnen Forschungsrume ganz unterschiedliche Formen annehmen.

    WAS IST DAS VERBINDENDE?Jedes Experiment muss als Zusammenhang begreifbar sein und funktionieren. Deshalb spreche ich von einem Experimentalsystem. Ein Labor ist ein Funktionszusam-menhang, wo Elemente aufeinander bezogen sein ms-sen nicht stromlinienfrmig oder ingenieurs mig, sondern eventuell sogar gebastelt. In der Nutzung dieser Flchen, Aufbauten und Gerte finden sich viele Routinen. Das ist wichtig, denn auf dem Weg ins Unbekannte will man nicht auch noch sein Umfeld infrage stellen. Man entwickelt einen geregelten Umgang, um sich voll auf das nicht gezielt Herbeifhrbare konzentrieren zu knnen.

    DAS EXPERIMENT IST ALSO MEHR ALS EINE IDEE UND IHR TESTLAUF?Ja und nein. Wenn man in die Wissenschaftsphilosophie schaut, wurde das Experiment lange nicht als kreatives Potenzial verstanden, sondern nur als Test. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts also von Galileis Zeit an bis ins spte 18. Jahrhundert hat man unter Expe riment eher Demonstrationsexperimente verstanden. Labore als Rume der kreativen Wissensherbeifhrung

    haben sich erst im 19. Jahrhundert herausgebildet. Experimentologisch betrachtet ist das Experiment sehr viel mehr als ein Test. Es ist eine versuchsweise Annherung, die immer neue Fragen aufwirft. Man begibt sich auf eine Erkundungsreise, nutzt explorie-rende Verfahren und erschliet sich Neuland.

    KNNEN WISSENSARBEITER INNERHALB IHRER ARBEITSWELT SO ETWAS BERHAUPT LEISTEN? Schwerlich. Weniger aufgrund der finanziellen Begren-zungen, denen auch die Forschung ausgesetzt ist. Es scheitert eher am konomischen Denken. Der Antrieb, zu forschen, ist komplexer als der, ein Problem zu lsen. Wollte man das Experimentieren als Verfahren in die Arbeitswelt bersetzen, wrde dem Prozess der Gegen-stand, dem Vorhaben das Ziel fehlen. Die sind vor dem Experiment nmlich meist unklar und darin liegt ber-haupt erst der Antrieb, zu forschen. Die Marktkonomie verbietet es, so ergebnisoffen zu denken. Bei vielen In-novationsprozessen geht es nicht um die Zunahme von Wissen, sondern um die Begrenzung von Unsicherheiten. In diesem Umfeld wird kaum jemand zum Zentrum vordringen, dahin, was es bedeutet, zu experimentieren.

    WIE GELANGT MAN ZUR RICHTIGEN FRAGE?Man braucht vor allem Zeit fr die Annherung. Zeit, in der Theorie und Verstand, Kreativitt und Erfahrenheit ein Team an den Punkt bringen, wo das Eingreifen produktiv werden kann und zu Ergebnissen fhrt. Erst dann ist man meist in der Lage, die richtigen Fragen zu stellen, die vorher niemand wissen konnte.

    Neue Experimentierfelder werden fr die physische Arbeitswelt extrem wichtig. Ihre Begriffe Lab, Clinic, Prototyping-Werkstatt verwendet sie schon. Und wie steht es mit den Inhalten?

    HANS-JORG RHEINBERGERDAS EXPERIMENT ALS IDEAL

    Prof. Dr. Hans-Jrg Rheinberger

    Wissenschaftshistoriker,Experimentalforscher,Molekularbiologe. Von 1996 bis 2014 war er

    Direktor des Max-Planck-Instituts fr Wissenschafts-

    geschichte in Berlin. Er ist Ehrendoktor der

    ETH Zrich

    Beim molekular- bio lo gischen

    Experimentieren hat es mich erwischt. Ich

    war fasziniert davon, dass man nicht nur mit

    dem Kopf, sondern auch mit den Hnden

    denken kann.

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  • KREATIVE ENTWICKELN IHRE EIGENE SYSTEMATIK.

    Das Experiment ist eine Form des Tuns vom Bekannten zum Unbekannten, das bei aller Unsicherheit doch nicht gleich ins Chaotische ausartet, so hat Hans-Jrg Rheinberger das Experiment als explorierendes Verfahren beschrieben. Kreative Gedanken knnen Chaos erzeugen. Zuvor bedarf es Grundlagen, einer Systematik und eines Arbeitsrhythmus, der den kreativen Geist davor bewahrt, sich in seinen Ideen zu ver rennen.

    HEUTE SOLL JEDER KREATIV SEIN KNNEN. WAS IST VERANLAGUNG, WAS KANN ICH LERNEN?C A R L C O N S TA N T I N W E B E R : Talent ist,