multi-/interprofessioneller aufklärungstag vor komplexen ... · universitätsklinik für hals-,...

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten

Kopf- und Halschirurgie

Multi-/interprofessioneller Aufklärungstag vor komplexen Operationen beim

HNO-Tumorpatient

PD Dr. med. Roland Giger

Stv. Direktor und Chefarzt

Universitätsklinik für HNO

und Kopf-Hals-Chirurgie

Interdisziplinär ≠ Interprofessionell

29.06.2016 Multiprofessioneller Aufklärungstag HNO PD Dr. R. Giger

Ziel der Interprofessionalität

• Zusammenarbeit von >2 Mitgliedern von verschiedenen Professionen Brücke schlagen zwischen der Professionalität einzelner Berufsgruppen

• Koordinierte, systemische statt sektorielle Bearbeitung der Situation von Patienten

• Optimale Betreuung / Versorgung

• Effektivität / Effizienz ↗


1. Hintergrund

2. Methode

3. Resultate

4. Diskussion

5. Ausblick

6. Zusammenfassung

7. Referenzen


Inhalt

Fall

T.H., *1953

Biopsie: • Unklarer Tumor

Radiologie:

Tumorresektion


Fall

T.H., *1953

Op. Planung durch HNO und

Schädel-Kiefer-

Gesichtschirurgie • 3D-Printing

• Schablone


Fall

T.H., *1953

Operation • HNO, SKG, plast. Chirurgie


Fall

Operation

T.H., *1953


Einleitung

• HNO-Tumorpatienten mit komplexen

Operationen / Rekonstruktionen

• Grosser Aufklärungsbedarf

• Wenig Zeit zwischen Therapievorschlag,

Entscheidungsfindung und Operation

• Komplizierte Abläufe und Planung

• Aufwendige prä- und postoperative Betreuung


?

http://www.iconarchive.com/show/medical-icons-by-icons-land/People-Patient-Male-icon.html

Ein Blick zurück...

Einzelsitzungen mit diversen Berufsgruppen

Jeder schaut nur sein Gärtchen an

Auf mehrere Tage verteilt

Unkoordiniert

Aufklärung erst am Tag vor der Operation

Patienten häufig überfordert/vor den Kopf gestossen!


Ziel

Anforderungen:

• Patientengerecht

• Praxisnah

• In Klinikalltag integrierbar

• Kostenneutral (+/-)


2. Methode


• Projektgruppe bilden

• 1Aufklärungstag mit

geordnetem Ablauf

• Wochentag

• Ort

• Patient braucht Bedenkzeit

• Sinnvolle Reihenfolge

• Integration ins Tagesgeschäft

Welche Berufsgruppen? Patientengerechte und praktische Durchführung?

Pflege

Medizin

Psychologie

Logopädie

Sozialberatung

Pflege (Bettenstation)

Pflege (Poliklinik)

Medizin


Patientenpfad

Zuweisung Tumorboard

Pufferzeit: ca. 3 Tage

Ambulante Vorabklärung Pufferzeit:

ca. 7 Tage inkl. OP Vorbereitung

Eintrittstag = OP Tag

Stationärer Aufenthalt Ambulante postoperative

Betreuung

Donnerstag

Montag Montag/Dienstag Dienstag/Mittwoch

Pflege

08:30-09:00 Empfang, Tagesablauf, Blutentnahme

Zimmer 111, J

Medizin Verdachts-Diagnose Empfehlung TLE oder OP mit

grosser Rekonstruktion + Kurzinfo AA ZAS

09:00-09:35 Detailliertere Information zum Eingriff (HNO AA/OA),

Einverständniserklärung (EE) vorbereiten Untersuchungszimmer, J

12:00-12:45 Mittagsrapport Ärzte

aktenkonsiliarisch am Tag vor Op.

Operation Postoperative Kontrollen Postoperative Kontrollen

Psycho-onkologie

09:45-10:15 Evaluation psychische Belastungen, Krankheitsverarbeitung und

psychologische Unterstützungsmöglichkeiten Psychologiezimmer, Phoniatrie

Nach Bedarf Nach Bedarf

Logopädie

10:30-11:00 Präoperativer Erstkontakt, Besprechung funktionaler Veränderungen und logopädischer Therapieinhalte

Logozimmer, Phoniatrie

Postoperative Logopädie Postoperative Logopädie

Sozial beratung 11:00-11:15

Evaluation soziale Situation und Entscheidungsfindung Zimmer Sozialberatung, Phoniatrie

Klärung und Einleitung

unterstützender Massnahmen

Nach Bedarf ambulante

Weiterbetreuung

Pflege

11:25-12:30

Erstkontakt Pflege, Pflegeanamnese, präoperative Vorbereitung Zimmer 111, J

Telefonischer Kontakt bei

Bedarf Eintrittsprocedere

Pflegerische Betreuung und Unterstützung in der neuen

Situation

Pflegerische Unterstützung , bei Bed. Nachkontrollen in

Pflegesprechstd.

Kurze Mittagspause Cafeteria, A

Pflege HNO Poliklinik

13:00-13:45 Erstkontakt Pflege HNOP, NRS 2002, Abgabe oral impact und

Instruktion Besprechungszimmer Poliklinik, A

Telefonischer Kontakt bei

Bedarf

Standortgespräch vor Austritt

Pflegerische Unterstützung, bei Bed. Nachkontrollen in

Pflegesprechstd

Medizin

14:00-14:30 / 16:30-17:00 Abschlussbesprechung, EE unterschreiben

SS PD Giger, C Pluridisziplinäres präoperatives Board (wenn möglich

aktenkonsiliarisch) Bibliothek HNO, C


Pflege (8:30-9:00)

Empfang, Erklärung Tagesablauf, Blutentnahme

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie Direktor und Chefarzt: Prof. Dr. med. Marco Caversaccio

Ambulante Vorabklärung

Name:

Datum:

Zeit Dienst Ort Fachperson

08:30-9:00 Pflege J 111

09:00-09:35 Medizin J Mitte

Untersuchungszimmer

09:45-10:15 Psychologie Phoniatrie 48 A

10:30-11:00 Logopädie Phoniatrie 48 A

11:00-11:15 Sozialberatung Phoniatrie 48 A

11:25-12:30 Pflege J 111

12:30-13:00 Pause A Cafeteria

13:00-13:45 Pflege Poliklinik HNO A

14:00-14:30 Medizin

Abschlussbesprechung

SS PD Giger BHH C

16:30-17:00 Pluridisziplinäres präoperatives Board (wenn möglich aktenkonsiliarisch)

Bibliothek HNO BHH C nach Voranmeldung


Medizin (9:00-9:35)

• Detaillierte Information zum Eingriff durch den Assistenzarzt H&N

• OP- / Risiken-Aufklärung, Einverständniserklärung

„vor“besprechen

Konkret

Ablauf Operation

Allgemeine Risiken/Spezifische Risiken


Psychologie (9:45-10:15)

• Evaluation psychische Belastungen, Krankheitsverarbeitung und

psychoonkologische Unterstützungsmöglichkeiten

Konkret

Klärung von Fragen oder Belastungen

Gegebenenfalls Krisenintervention

Klärung der Wünsche und Bedürfnisse nach Unterstützung

Information über psychoonkologisches Unterstützungsangebot


Logopädie (10:30-11:00)

• Besprechung funktionaler Veränderungen und logopädischer

Therapieinhalte

Konkret

- Dokumentation des aktuellen Befundes bzgl.

Schlucken, Artikulation, Stimme und Kommunikation

- Beantworten der Fragen zu möglichen postoperativen

Veränderungen / postoperative Rehabilitation

- Zeigen von Hilfsmitteln, Thematisieren von kompensatorischen

Methoden, adaptiven Maßnahmen


Sozialberatung (11:00-11:15)

• Evaluation soziale Situation und Entscheidungsfindung

Konkret

Evaluierung der Alltags-Umgebung

Beantworten von sozialrechtlichen Fragen

Evaluierung und Hilfestellung bei finanziellen Problemen

(Transport, etc.)

Vermittlung von Fachstellen (Krebsliga, Selbsthilfegruppen, etc.)


Pflege Bettenstation (11:25-12:30)

• Erstkontakt Pflege, Pflegeanamnese, Assessment, präoperative

Vorbereitung und Information

Konkret

Distress-Thermometer (NCCN, 2013)

Kommunikation

Evaluation von Alkohol-/Nikotinabusus, Deliriumprophylaxe?

Kontrollen (Blutentnahme, BD, Puls)

Aufklärung über postop. Status (Ernährung, Atmung und

Schleim, Aussehen, Kanüle, Magensonde, Verbände …


Pflege Poliklinik (13:00-13:45)

• Bewusster Erstkontakt zum Pflegeteam der ambulanten

Nachbetreuung und Beziehungsaufbau

Konkret

Einschätzung des Ernährungszustandes (Screening)

Abgabe und Instruktion von präoperativer Immunonutrition

Information bzgl. Standortgespräch vor

Austritt und ambulanter Nachbetreuung


Medizin (14:00-14:30 resp. 16:30-17.30)

• Abschlussbesprechung durch Chefarzt / H&N-Chirurge

• +/- Besprechung am multidisziplinären Board

Konkret

HNO-Untersuchung durch den Chirurgen

Abschließende Zusammenfassung:

Ambulanter Vorabklärungstag

Vorgesehene Operation

Kontrolle des Patienten- resp. Angehörigenverständnisses

Unterschrifteinholung auf Operationsaufklärungsblatt = Art „Vertrag“

+/- präoperative multidisziplinäre Konferenz

- HNO / SKG / Plastische Chirurgie

- Intensivmedizin


3. Resultate


1. Statistik

2. Patientenrückmeldungen

3. Auswirkungen auf die Hospitalisation

4. Interprofessionelle Zusammenarbeit

1. Statistik (02/2015 – 05/2016)

Aufgebot

Aufklärungstag

Aufklärungstag

abgelehnt/

abgebrochen

Einwilligung OP OP abgelehnt

(Patient)

OP abgelehnt

(interprof.

Team /

multidiszipl.

Konferenz)

34 4 25 3 2


2. Patientenrückmeldungen

... der Tag war sehr hilfreich ... sehr anstrengend! ... ich habe gelernt SMS zu schreiben, weil Sie das empfohlen haben ... wir konnten ein Familiengespräch mit der Psychologin arrangieren, das war sehr wichtig ... die Pausen sind zu lang ... zum Glück haben Sie mir gesagt, dass das Gesicht meines Mannes dick sein wird, so bin ich weniger erschrocken …. jetzt voll im Bilde über die OP!


3. Auswirkungen auf die Hospitalisation

• Weniger Informationsdefizite bei Patient und Angehörigen als

Stressfaktor während Hospitalisation

• Patient / Angehörige kennen vor Eintritt einen Teil des

Behandlungsteams

• Wichtige Fragen werden bereits präoperativ geklärt (Bsp.

Deliriumprophylaxe, Kommunikationsmöglichkeiten)

• Postoperatives Procedere / Apparate / Kanüle / Sonden bekannt

• Kürzere Hospitalisationszeit: min. 1 Tag, da Eintritt am OP-Tag


Kommunikation ↗ • Regelmäßige Treffen und Austausch • Transparenz in Beratungseinheit • Je nach Patientensituation: interprofessioneller Austausch

vor der Abschlussbesprechung mit Chefarzt

Sicht paramedizinische Berufsgruppe • Hierarchische „Hemmschwellen“↘ • Verschiebung von Aufgaben über die

Berufsgrenzen

Sicht medizinische Berufsgruppe • Ganzheitliche ausbalancierte Vorbereitung • Meinungen aus paramedizinischer Sicht ! Therapiestrategie • Verstreute Einzelkonsultationen / Patientengespräche ↘ • Erkennen von Verständnislücken • Bedenkzeit ↗, da OP > 1 Woche • Teilnahme am ambulanten Aufklärungstag = ! Compliance

4. Interprofessionelle Zusammenarbeit


4. Diskussion


„You need to learn both to be a leader and to be a

member of a team, because we are all going to play this

whole gradient of roles“

George Thibault

president of the Macy, a former

professor of medicine and medical

education at Harvard Medical School

Nachteile / Vorteile

•Aufwand +++ Koord. / Kommunikation Ohne Führung = Chaos

Ohne Kommunikation:

Pat. = Opfer und nicht Nutzer

•Ansprüche +++ an Teamfähigkeit

•Träge Abläufe / Doppelspurigkeit

•Schwierig bei Konflikten im Team

•Abschieben von Problemen auf

anderes Gebiet

•Überforderung von geschwächten

Patienten

•Fehlende Schulung?

•Finanziell?

•Ganzheitliche Erfassung

•Umfassende Betreuung

•Individuellere und adäquatere

Behandlung möglich, wenn Wissen

von verschiedenen Seiten eingebracht

•„an einem Strang ziehen“

•Gefahr dass etwas vergessen geht↘

•Erfassen von nicht-medizinischen

Bedürfnissen

•Schwierige Fälle = durch Team besser

getragen werden

•Teammitglieder lernen voneinander –

„Blick über den Tellerrand“


5. Ausblick


In Planung

• „Pseudo“-Interprofessionalität „Reelle“-Interprofessionalität

• Regelmäßige Evaluierung der interprof. Zusammenarbeit

• Systematische Patientenbefragung

• Auswirkungen auf postoperatives Outcome systematisch

und prospektiv erfassen

• Klinische Forschung


6. Zusammenfassung


Der multi-/interprofessionelle Aufklärungstag

wichtiger Beitrag zur Teilnahme der

verschiedenen Berufsgattungen und des

Patienten (=„Partner“) an Entscheidungen

zu Therapie und Versorgung.

Die Übernahme von Aufgaben im

Versorgungsprozess orientiert sich am Bedarf

der Patienten und ihren Angehörigen und an

den benötigten fachlichen Kompetenzen

(SAMW, 2014)

Was bedeutet Interprofessionalität?


• National Comprehensive Cancer Network® (NCCN): NCCN Distress

Thermometer for Patients. http://www.nccn.org/.../nccn_distress_thermometer.pdf

[01.03.2016]

• Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW): Charta

Zusammenarbeit der Fachleute im Gesundheitswesen. http://

www.samw.ch/dms/de/Publikationen/.../d_Charta.pd... [01.03.2016]

• Schweizerische Eidgenossenschaft, BAG: Bericht der Themengruppe

„Interprofessionalität“, Gesundheit 2010


7. Referenzen

http://www.nccn.org/.../nccn_distress_thermometer.pdf

http://www.samw.ch/dms/de/Publikationen/.../d_Charta.pd

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten

Kopf- und Halschirurgie

Konstanze zu Dohna, Pflegeexpertin, MScN

Barbara Stucki, Stationsleiterin Pflege Poliklinik

Dr. phil. Daniela Blaser, Psychologin FSP

Catherine Comte, dipl. Logopädin

Katja Boller, Sozialarbeiterin

Dr. med. Urs Borner, Ärztlicher Leiter Poliklinik

Anne-Sophie Dürig, Pflegedienstleitung

Prof. Dr. med. Eberhard Seifert, Leitender Arzt Phoniatrie

Prof. Dr. med. Marco Caversaccio, Klinikdirektor HNO

[email protected]

http://www.google.ch/url?sa=i&rct=j&q=&esrc=s&source=images&cd=&cad=rja&uact=8&ved=&url=http://homepage.sanktmartinwegberg.de/?p=771&psig=AFQjCNHOoy6m2Ng5BbLymUU4qynNjedDgQ&ust=1457124550116834

multi-/interprofessioneller aufklärungstag vor komplexen ... · universitätsklinik für hals-,...

Documents