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IV. Konversion Aristoteles hat im Kapitel A2 der Analytica pnora die Konversion assertori- scher Aussagen behandelt. In A3 geht es nun um die Konversion modalisier- ter Aussagen. Die erste Aufgabe bei der Interpretation von A3 besteht darin herauszufinden, welches überhaupt die Konversionsregeln sind, die Aristote- les für gültig hält, und welche Konversionsregeln er nicht für gültig hält. Das ist hier keine so einfach zu lösende Aufgabe wie im assertorischen Fall. Ich habe zu diesem Thema nichts zu sagen, das man nicht schon bei anderen Interpreten finden könnte. Die Gültigkeits- und Nichtgültigkeitsbehauptun- gen, von denen ich annehme, daß Aristoteles sie in A3 macht, findet man z.B. in Ross (1949), S. 294 und S. 296f., aufgelistet. Mir geht es in erster Linie darum zu prüfen, ob sich diese Behauptungen sachlich rechtfertigen lassen; und das relativ zu Strukturhypothesen, unter denen man die Notwen- digkeits- und die Möglichkeitssyllogistik verstehen kann. Auch in neueren Arbeiten zur Modalsyllogistik findet sich dazu nichts wirklich Befriedigendes. Von internen Ansätzen hat man in dieser Hinsicht ohnehin kaum etwas zu erwarten. Bei Angelelli, der extern ansetzt, gibt es Überlegungen, die in die Nähe der von mir ausprobierten Strukturhypothesen führen. So heißt es etwa in Angelelli (1979), S. 206: „(7) is valid only if AC i B = V*· XBx .". Dabei ist (7) bei Angelelli die Behauptung der Äquivalenz von A und B ijcA; AC i B ist Angelellis Bezeichnung für A ; V x · ^ . ist Angelellis Bezeichnung für 3x(KB(x) ( )). In der Tat ist, wie wir unten sehen werden, 3xK(B(x) KA(x)) SS-äquivalent zu 3x(KB(x) ( )). Andererseits werden beispielsweise für A eNB von Angelelli nur die drei folgenden Strukturformeln in Betracht gezogen (ich übersetze in die von mir verwendete Notation): (/) NVx(B(x) D - ( )); (2) Vx(MB(x) D N-A(x)); (3} Vx(B(x) D N-A(x)) (dazu S. 205 a. a. O.). Dabei ist klar, daß (/) im Hinblick auf A8-A22 indisku- tabel ist. Relativ zu (2) kann man zwar ohne Zusatzannahmen die conversio simplex der CN-Aussagen rechtfertigen; es ist aber nicht mehr nachvollzieh- bar, warum Aristoteles nicht z.B. in AI6 für Barbara und Celarent mit Prä- missen der Modalitäten NK sogar eine N-Conclusio für möglich gehalten Brought to you by | New York University Authenticated | 216.165.126.139 Download Date | 11/26/13 1:11 PM

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Page 1: Modale Syllogismen, mögliche Welten, Essentialismus (Eine Analyse der aristotelischen Modallogik) || IV. Konversion

IV. Konversion

Aristoteles hat im Kapitel A2 der Analytica pnora die Konversion assertori-scher Aussagen behandelt. In A3 geht es nun um die Konversion modalisier-ter Aussagen. Die erste Aufgabe bei der Interpretation von A3 besteht darinherauszufinden, welches überhaupt die Konversionsregeln sind, die Aristote-les für gültig hält, und welche Konversionsregeln er nicht für gültig hält. Dasist hier keine so einfach zu lösende Aufgabe wie im assertorischen Fall. Ichhabe zu diesem Thema nichts zu sagen, das man nicht schon bei anderenInterpreten finden könnte. Die Gültigkeits- und Nichtgültigkeitsbehauptun-gen, von denen ich annehme, daß Aristoteles sie in A3 macht, findet manz.B. in Ross (1949), S. 294 und S. 296f., aufgelistet. Mir geht es in ersterLinie darum zu prüfen, ob sich diese Behauptungen sachlich rechtfertigenlassen; und das relativ zu Strukturhypothesen, unter denen man die Notwen-digkeits- und die Möglichkeitssyllogistik verstehen kann. Auch in neuerenArbeiten zur Modalsyllogistik findet sich dazu nichts wirklich Befriedigendes.Von internen Ansätzen hat man in dieser Hinsicht ohnehin kaum etwas zuerwarten. Bei Angelelli, der extern ansetzt, gibt es Überlegungen, die in dieNähe der von mir ausprobierten Strukturhypothesen führen. So heißt es etwain Angelelli (1979), S. 206: „(7) is valid only if AC i B = V*· XBx .".Dabei ist (7) bei Angelelli die Behauptung der Äquivalenz von A undB ijcA; AC i B ist Angelellis Bezeichnung für A ; Vx· ^ . istAngelellis Bezeichnung für 3x(KB(x) ( )). In der Tat ist, wie wir untensehen werden, 3xK(B(x) KA(x)) SS-äquivalent zu 3x(KB(x) ( )).Andererseits werden beispielsweise für A eNB von Angelelli nur die dreifolgenden Strukturformeln in Betracht gezogen (ich übersetze in die von mirverwendete Notation):

(/) NVx(B(x) D - ( ));(2) Vx(MB(x) D N-A(x));(3} Vx(B(x) D N-A(x))

(dazu S. 205 a. a. O.). Dabei ist klar, daß (/) im Hinblick auf A8-A22 indisku-tabel ist. Relativ zu (2) kann man zwar ohne Zusatzannahmen die conversiosimplex der CN-Aussagen rechtfertigen; es ist aber nicht mehr nachvollzieh-bar, warum Aristoteles nicht z.B. in AI6 für Barbara und Celarent mit Prä-missen der Modalitäten NK sogar eine N-Conclusio für möglich gehalten

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hat. Denn wenn der jeweilige Obersatz durch (2) bzw. durch die nicht-nega-tive Variante von (2) gegeben ist, folgt — und zwar offensichtlich — A e^Cbzw. A ajyjC in jeder noch so schwachen Logik aus der Konjunktion desObersatzes mit dem Untersatz B ai<;C.

Dagegen haben wir zwar bei der Besprechung von Celarent NKX festge-stellt, daß die von Aristoteles zur Validierung des Modus eingesetzten Mittelsich unter den Prämissen unseres Interpretationsansatzes als ebenso starkerweisen wie die in dem System PL + S5 eingeschlossenen Mittel und daßsich weiter bei der Ausschöpfung dieser Mittel für Celarent mit NK-Anteze-dens ein apodiktischer Schlußsatz allerdings hätte rechtfertigen lassen (ge-nauso wie für Barbara mit NK-Antezedens). Es wird aber niemand ohneweiteres die Behauptung aufstellen, Aristoteles hätte sehen können oder garsehen müssen, daß das für die Ableitung eines solchen Schlußsatzes entschei-dende Prinzip der Implikation von Np durch MNp sich aus dem Prinzip derÄquivalenz von A e^B und B euA ableiten ließ. Es ist im Gegenteil dochwohl wahrscheinlich, daß eine entsprechende Einsicht, schon wegen des Feh-lens einer geeigneten Notation, außerhalb der Möglichkeiten von Aristoteleslag. An dieser Einschätzung ändert auch die im Exkurs über A34 (obenIII.2.4.) angeführte Beobachtung nichts.

Relativ zu (3} kann Angelelli die Implikation von B CNA durch A e^Bnur unter der starken Zusatzannahme rechtfertigen, daß B ein „o-predicate"ist (o für ). Dabei heißt F genau dann ein o-Prädikat, wenn gilt:Vx(NF(x) V N-iF(x)). (Dazu S. 205f. a.a.O.) Außerdem läßt sich z.B. wie-derum für Barbara und Celarent mit Prämissen der Modalitäten NK nichteinmal eine M-Conclusio begründen, wenn man von (3) und der nicht-nega-tiven Variante von (3} ausgeht.

Diese Beobachtungen mögen als Belege für die Einschätzung genügen,daß der bisher erreichte Grad des Verständnisses — im Sinne einer Nachvoll-ziehbarkeit der aristotelischen Behauptungen unter gegebenen Nebenbedin-gungen — unbefriedigend ist. Ich will jetzt die fraglichen Behauptungen inder Abfolge, in der sie in A3 auftreten, zusammenstellen und zeigen, wie esunter den Prämissen meiner Rekonstruktion um ihre Nachvollziehbarkeitsteht.

Im Abschnitt 25a27—36 von A3 finden wir die folgenden Behauptungen.1.) A CNB impliziert (bzw. ist äquivalent zu) B CNA (a28 und a29 —31).

Diese Relation hat Aristoteles beispielsweise bei der Rechtfertigung von Ce-sare NXN in A10, 30b9-13, verwendet.

2.) A aNB impliziert B iNA (a28f. und a32£).Das ist eine Relation, von der Aristoteles u. a. Gebrauch gemacht hat in All,31a38 —bl, bei der Validierung von Felapton XNX.

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3.) A ΪΝΒ impliziert (bzw. ist quivalent zu) B IN A (a28f. und a32f.);verwendet beispielsweise in All, 31b22 —27, beim G ltigkeitsbeweis f r Da-tisi XNX.

4.) A ONB impliziert nicht B ON A (a34f.).Zu l.) bemerke ich: A CNB geht unter der einschl gigen Strukturhypothese

ber in die Formel(4} VxN(B(x) D N-A(x));da aus (4} in S5 die Formel(5} VxN(A(x) D Ν-·Β(χ))folgt, haben wir uns in III. 1.1. klar gemacht.

Zu 2.) stelle ich fest: mit R cksicht auf 3.) gen gt es einzusehen, daA ΪΝΒ durch A aNB impliziert wird. F r die Schl sse dieses Typs mu ichdie in LSF zusammengestellten Existenzvoraussetzungen ins Spiel bringen,hier: A aNB ist(1) VxN(B(x) D NA(x)) Λ 3χΝΒ(χ);aus (1) folgt offensichtlich in T(2) 3x(NB(x) Λ ΝΝΑ(χ)),

und (2) ist T- quivalent zu(3) 3χΝ(Β(χ) Λ ΝΑ(χ)).

Zu 3.): A iNB ist(1) 3xN(B(x) Λ ΝΑ(χ));aus (1) haben wir in S4(2) 3x(NA(x) Λ NNB(x)),woraus wie eben unter Ziffer 2.) in T folgt(3) 3χΝ(Α(χ) Λ ΝΒ(χ)).

Zu 4.): A oNB ist(1) 3xN(B(x) Λ Ν-,Α(χ));wenn aus (1) irgend etwas in irgendeiner der hier in Betracht gezogenenModallogiken folgt, dann folgt es aus (1) in der st rksten dieser Logiken, inPL + S5; in PL + S5 ist (1) quivalent zu

3χ(ΝΒ(χ) Λ Ν-Λ(χ)),und es ist klar, da man auch in S5 nicht von Nq Λ N—ip auf Np Λ N—iqschlie en kann, da vielmehr das eine das andere ausschlie t.

Ich will die Frage zun chst ausklammern, wie die von Aristoteles andeu-tungsweise gebotenen Argumente f r diese und andere der Behauptungen in

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A3 zu rekonstruieren und zu bewerten sind. Auch im Hinblick auf dieseArgumente erscheint A3 mir in einem g nstigeren Licht, als einige andereInterpreten es f r m glich halten. Mit den Begr ndungen, welche ich hierf r die bei meinem Ansatz richtigen unter den aristotelischen Konversionsbe-hauptungen anf hre, ist nicht der Anspruch verbunden, da sie Rekonstruk-tionen tats chlich von Aristoteles vorgebrachter Begr ndungen darstellenoder hypothetische Rekonstruktionen solcher Begr ndungen, ber die Ari-stoteles verf gt haben k nnte.

F r die Kl rung der Frage, welche Konversionsbehauptungen Aristotelesim zweiten Teil von A3 (25a37 —b25) vertritt, ist es wichtig, die Frage zubeantworten, welche F lle von ένδέχεσθαι (~ m glich) in 25a38f. unter-schieden werden. Aristoteles spricht vom Notwendigen (αναγκαίοv), vomnicht-Notwendigen (μη αναγκαίο ν) und vom M glichen (δυνατόν). Ichglaube mit Ross, da το δυνατόν hier das Kontingente (das weder Unm gli-che noch Notwendige) ist. (Dazu Ross (1949), S. 296.) Auf Vergleichsstellenin De interpretatione sowie in An. pr. A29 habe ich oben in II.4. hingewiesen.W re το μη άναγκαΐον, dem Vorschlag von Ross a. a. O., S. 295, entspre-chend, unter dem nicht Unm glichen dasjenige, welches auch nicht not-wendig ist, so w re damit bereits genau das Kontingente erfa t. Ich m chtedaher annehmen, da man schon in 25a38, entsprechend der Konjektur Bek-kers zu 25b4£ (der zufolge der Text lauten soll auf: τω μη εξ ανάγκης <μή>ύπάρχειν, das ist: durch das riicht-notwendig-««v&/-Sein; s. Becker (1933),S. 87), nach μη άναγκαΐον ein μη (~ nicht) einzusetzen hat. Als Begr ndungdaf r, da ein urspr ngliches zweites μη verloren gegangen ist, k nnen die-selben berlegungen dienen, welche Becker im Zusammenhang mit seinerKonjektur anf hrt. Demnach h tten wir drei (nicht elementfremde) F lle vonένδέχεσθαι, wobei der erste ein Spezialfall des zweiten ist und erster undzweiter Fall auf der einen, dritter Fall auf der anderen Seite durch je eigeneSinne von ένδέχεσθαι abgedeckt werden k nnen:(6} p ist m glich (ένδεχόμενον), wenn p notwendig (der Fall) ist;(7) p ist m glich (ένδεχόμενον), wenn p nicht unm glich (μη άναγ-

καΐον μη) ist (was insbesondere dann gilt, wenn p notwendig ist);(8} p ist m glich (ένδεχόμενον), wenn p kontingent (δυνατόν) ist.ένδεχόμενον ist das allgemeinere Pr dikat, welches auf den Gesamtbereichdes einseitig M glichen zutrifft.

Auch Hintikka versteht δυνατόν in Zeile 39 im Sinne von „kontingent".Dazu sowie zum Folgenden verweise ich auf Hintikka (1973), S. 35 — 38. EineDifferenz zwischen Hintikkas Auffassung der Zeilen 38, 39 und der hier vonmir vertretenen Auffassung besteht darin, da nach Hintikka μη άναγκαΐον

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in Zeile 38 ebenfalls das Kontingente ist — in bereinstimmung mit demgenannten Vorschlag von Ross. Wir haben bei der Besprechung von AI 3gesehen, da Hintikka auch in anderen Zusammenh ngen mit der Annahmearbeitet, es diene το μη άναγκαΐον (~ das nicht Notwendige) bei Aristotelesals verk rzte Kennzeichnung dessen, was nicht notwendig in irgendeiner derbeiden in Frage kommenden Richtungen ist, das hei t: was so beschaffen ist,da weder es selbst noch sein Gegenteil notwendig ist. Diese Annahme hierins Spiel zu bringen, hat selbstverst ndlich den Vorteil, da ein Eingriff inden berlieferten Text unterbleiben kann. In der Hinsicht, auf die es haupt-s chlich ankommt, ist Hintikkas Verst ndnis der von Aristoteles formuliertenKonjunktion von F llen des M glichen, also des άναγκαΐον und des μηάναγκαΐον (μη?) und des δυνατόν, nicht verschieden von unserem Verst nd-nis. Hintikka fa t n mlich die beiden ersten Glieder der Konjunktion zusam-men als eine Angabe der Extension des Pr dikats „... ist einseitig m glich":der Bereich der Sachverhalte, auf welche dieses Pr dikat zutrifft, zerf llt inder Tat in die Teilbereiche des Notwendigen und des Kontingenten. Weiterfa t Hintikka die Konjunktion insgesamt so auf, da mit ihr der durch diebeiden ersten Glieder erfa te Bereich dem durch das dritte Glied erfa tenBereich, dem Bereich des Kontingenten also, gegen bergestellt wird. Dem-entsprechend hei t es a.a. O., S. 37f.: „... we must understand το άναγκαΐονκαι το μη άναγκαΐον as referring to the notion of possibility proper, andunderstand το δυνατόν as referring to the other notion of possibility, viz.contingency". Ein Unterschied besteht hier also nur im Hinblick darauf, wiedie Aufgliederung des Bereichs des einseitig M glichen, welche durch diebeiden ersten Konjunktionsglieder ausgedr ckt wird, zu verstehen ist: handeltes sich um die disjunkte Einteilung in Notwendiges und Kontingentes; oderhandelt es sich um die Aufgliederung in den fraglichen Bereich selbst (pr sen-tiert unter einer unmi verst ndlichen Kennzeichnung: το μη άναγκαΐον μη)und in einen daraus hervorgehobenen Teilbereich? Die Zeilen 25b4f. werdenunten zu einer analogen Interpretationsdifferenz Anla geben. Hier wie dortsind dadurch aber keine substantiellen Fragen ber hrt.

Die Behauptung des Aristoteles in 25a39f. verstehe ich nun so:Wenn (i) A aMB wahr ist und (ii) A a\{B speziell deshalb wahr ist, weilsogar A aNB wahr ist, und (iii) A aj<;B wahr ist, dann ist respektive auch(i*) B i\iA wahr und (ii*) B i\iA speziell deshalb wahr, weil sogar B INAwahr ist, und (iii*) B ίκΑ wahr; Entsprechendes gilt mit i anstelle von a.

Das hei t, im Hinblick auf das Konversionsverhalten gilt f r die bejahendenένδέχεσθαι-S tze unabh ngig davon, welcher der F lle (6} bis (<?) vorliegt (ενάπασιν, d.i.: in allen F llen), da man dasselbe hat oder die Dinge sichhnlich (ομοίως) verhalten wie im apodiktischen Fall; ομοίως in a40 beziehe

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ich dabei auf a27 — 36. Es ist also von (einseitigen) M glichkeitsaussagen undvon Kontingenzaussagen in einem die Rede, und das sieht Hintikka genauso.

Mit jenem ersten Teil a27-36 des Kapitels ist hier der Fall (ii)/(ii*) bereitserledigt. Wenn z. B. A deshalb m glicherweise einem B zukommt, weil Asogar notwendig einem B zukommt, dann gilt nach der entsprechenden Kon-versionsregel f r den N-Fall, da B notwendig einem A zukommt und damiterst recht B m glicherweise einem A zukommt. Demnach haben wir diefolgenden neuen Behauptungen.

5.) A a\fB impliziert B ijviA.Soweit ich sehe, macht Aristoteles von dieser Relation keinen Gebrauch.

6.) A iiviB impliziert (bzw. ist quivalent zu) B IMA.Diese Relation wird in den im engeren Sinne syllogistischen Kapiteln nichtbenutzt, wohl aber in A3 selbst im Kontext der Rechtfertigung der eN-Kon-version (25a31f.).

7.) A aicB impliziert B ΐκΑ.Das ist eine Relation, auf die sich Aristoteles z.B. in A22, 40al4, bei derRechtfertigung von Datisi NKM beruft.

8.) A ίκΒ impliziert (bzw. ist quivalent zu) B ΐκΑ;verwendet z.B. in A20, 39a33f., bei der Rechtfertigung von Datisi KKK.

Zu 5.): Mit Ber cksichtigung von 6.) ist zu zeigen, da A aiviB die FormelA ijviB impliziert. A aMB mit Existenzvoraussetzung (EV-M) ist

(1) VxN(B(x) D MA(x)) Λ 3xMB(x);

aus (1) folgt in T

(2) 3xM(B(x) Λ (Β(χ) D MA(x))),

mithin

(3) 3χΜ(Β(χ) Λ ΜΑ(χ)).

Zu 6.): A 1MB ist

(1) 3xM(B(x) Λ ΜΑ(χ)).

Wie aus (1)

(2) 3xM(A(x) Λ ΜΒ(χ))

folgt, habe ich bereits zu Beginn von II.6. angegeben.Zu 7.): Mit R cksicht auf 8.) ist zu zeigen, da A ajcB die Formel A ί

impliziert. A aKB mit (EV-K) ist

(1) VxN(B(x) D KA(x)) Λ 3χΚΒ(χ).

Aus (1) haben wir in T

(2) 3x(M^B(x) A M(B(x) Λ (Β(χ) D KA(x))));

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aus (2) folgt(3) 3χ(Μ-ιΒ(χ) Λ Μ(Β(χ) Λ ΚΑ(χ))).(3) ist nun SS- quivalent zu 3xK(B(x) Λ ΚΑ(χ)).

Zum Beweis der unter Ziffer 7.) behaupteten quivalenz bemerken wir:3χΚ(Β(χ) Λ ΚΑ(χ))

Def., AI.O 3x(M(B(x) Λ KA(x)) Λ M(-,B(x) V -.KA(x)))

«· 3x(M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) Λ ΜΑ(χ) Λ Μ-ιΑ(χ) Λ M(-,B(x) V NA(x) V Ν-Λ(χ)))

<£> 3x(M(B(x) Λ KA(x)) Λ MA(x) Λ M-A(x) Λ (M-iB(x) V MNA(x) V ΜΝ-Λ(χ)))

ο 3χ(Μ(Β(χ) Λ ΚΑ(χ)) Λ ΜΑ(χ) Λ M-A(x) Λ (M-.B(x) V NA(x) V N-A(x)))

© ' ( i i )

«* 3x((M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) Λ (i) Λ M-iB(x)) V (M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) Λ (i) Λ (ii)));

da (i) Λ (ii) (T-) logisch falsch ist, ist der letzte Ausdruck quivalent zu3x(M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) Λ (i) Λ Μ-,Β(χ)),

und da (i) eine S4-Konsequenz von M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) ist:

4 3χ(Μ(Β(χ) Λ ΚΑ(χ)) Λ Μ-,Β(χ)).Zu 8.): A iKB ist

(1) 3xK(B(x) Λ ΚΑ(χ)).Eben wurde gezeigt, da (1) SS- quivalent ist zu(2) 3x(M(B(x) Λ ΚΑ(χ)) Λ Μ-,Β(χ)).M(B(x) Λ KA(x)) S4-impliziert MB(x) Λ ΜΑ(χ) Λ Μ-ιΑ(χ); umgekehrt gut:MB(x) Λ ΜΑ(χ) Λ M-A(x) S5-impliziert MB(x) Λ ΝΜΑ(χ) Λ ΝΜ-Λ(χ),mithin MB(x) Λ Ν(ΜΑ(χ) Λ Μ-ιΑ(χ)), also M(B(x) Λ ΚΑ(χ)). Demnach ist(2) SS- quivalent zu(3) 3x(MB(x) Λ ΜΑ(χ) Λ Μ-Λφ Λ M-,B(x)),und (3) ist symmetrisch in A und B.

Ich trage noch die Begr ndung zu der in III.2.8. unter Ziffer 1.) benutztenBehauptung nach, der zufolge(1) 3xM(KB(x) Λ ΚΑ(χ))SS- quivalent ist zu(2) 3xK(B(x) Λ ΚΑ(χ)).Oben haben wir gesehen, da (2) SS- quivalent ist zu(3) 3x(KB(x) Λ ΚΑ(χ))(vgl. die Bemerkung ber Angelellis Ansatz vom Beginn des Kapitels). Aus(3) folgt trivial (1). F r jede Formel α S4-impliziert ΜΚα (= Μ(Μα Λ Μ—ία),

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woraus ΜΜα Λ MM— ία folgt) Κα, so da umgekehrt (1) die Formel (3) unddamit (2) S5-impliziert.

F r jede Formel α ist offensichtlich sogar MKa ^- quivalent zu Κα, soda(4) 3x(MB(x) Λ ΜΚΑ(χ) Λ Μ-ιΒ(χ))S4- quivalent ist zu (3), mithin zu (2). Die quivalenz von (4) und (2) habeich in II.8. zun chst ohne Begr ndung behauptet.

In 25b3 geht Aristoteles ber zur Konversion der negativen ένδέχεσθαι-S tze. Seine Behauptung in 25b3 — 5 lautet:

But in negative Statements the case is different. Whatever is said to bepossible [ένδέχεσθαι], either because Β necessarily is A, or because Β isnot necessarily A, admits of conversion like other negative statements . . .(Ross/Jenkinson (1928)).

Diese Behauptung verstehe ich folgenderma en. W hrend das Konversions-verhalten der bejahenden ένδέχεσθαι-S tze in jedem der drei in 25a38f. un-terschiedenen F lle bereinstimmte mit dem Konversionsverhalten der ent-sprechenden εξ ανάγκης-S tze, d. h. der entsprechenden Notwendigkeits-s tze (a ist partikul r konvertibel, i ist konvertibel), ist das bei den negativenένδέχεσθαι-S tzen nicht mehr so. (ουχ ωσαύτως in 25b3, d. i. „the case isdifferent" der bers., dr ckt danach den Unterschied zu εν άπασιν in a40aus.) Vielmehr hat man bei den negativen S tzen (nur) in den ersten beidender in a38f. unterschiedenen F lle, also in den F llen (6} und (7), Analogiezum apodiktischen Fall, (ομοίως in b5, d. i. „like" der bers., hei t danachwieder: hnlich dem N-Fall, und damit nat rlich auch hnlich dem X-Fall.)Da nun dem ersten Teil des Kapitels zufolge CN einfach konvertibel und ONnicht konvertibel ist, l uft die Aussage, in jenen beiden F llen bestehe Analo-gie zum apodiktischen Fall, auf die Behauptungen hinaus:

Wenn (i) A e\iB wahr ist und (ii) A ejvjB speziell deshalb wahr ist, weilsogar A CNB wahr ist, dann ist respektive auch (i*) B eiviA wahr und (ii*)B e\iA speziell deshalb wahr, weil sogar B CNA wahr ist; und aus der Wahr-heit von A ojviB folgt nicht die Wahrheit von B ο\{Α, auch dann nicht,wenn A OMB deshalb wahr ist, weil sogar A οκΒ wahr ist.

Ferner haben wir zu erwarten, da Aristoteles im weiteren Verlauf der Er r-terung f r den dritten der in a38 f. unterschiedenen F lle, also f r den Kontin-genzfall, entweder behaupten wird, da A εκΒ nicht einfach konvertibel ist,oder behaupten wird, da A οκΒ konvertibel ist, oder sogar beide Behaup-tungen aufstellen wird.

Die angegebene Interpretation von 25b3 — 5 setzt allerdings einen Textvoraus, der nicht v llig identisch ist mit demjenigen Text, welcher offensicht-

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lieh f r die zitierte bersetzung zugrunde gelegt wurde. Denn in der berset-zung ist zun chst die Rede vom notwendigen Sein (im Griech., 25b4: εξανάγκης ύπάρχειν), und damit ist der Fall (6} genannt. Doch dann ist vomnicht notwendigen Sein die Rede (im Griech., 25b5: μη εξ ανάγκης ύπάρ-χειν) — w hrend Fall (7) der Fall desjenigen ist, was nicht notwendig nicht(etwas) ist. In der Tat gehe ich mit Becker und Ross, einer der sp terenH nde des venezianischen Kodex B entsprechend (vgl. Ross (1949), S. 296),von einer Textgestalt aus, bei der in Zeile 25b5 nach μη εξ ανάγκης (^ nichtmit Notwendigkeit) ein weiteres μη (« nicht) eingef gt ist. Ross gibt zu derfraglichen Stelle den folgenden philologischen Befund an:

„In b4—5 the evidence is pretty equally divided between τω εξ ανάγκηςύπάρχειν ή τφ μη εξ ανάγκης ύπάρχειν [~ weil es notwendig zukommtoder weil es nicht notwendig zukommt] and τω εξ ανάγκης μη ύπάρχεινή τω μη εξ ανάγκης ύπάρχειν [~ weil es notwendig nicht zukommt oderweil es nicht notwendig zukommt]" (a.a.O., S. 296).

Die zweite Variante pa t ebenfalls vorz glich zu der von mir favorisiertenInterpretation. Sie benennt n mlich die F lle (6) und (7) (also, kurz, sovielwie die F lle der Wahrheit von Not und von —iN—i<x) mit Bezug auf ein andie Stelle von α tretendes negiertes Argument: der Fall der Wahrheit vonN—itt ist der Fall dessen, was notwendig nicht der Fall ist bzw. was einemanderen notwendig nicht zukommt; und der Fall der Wahrheit von —iN-i—ία,d. i. von —iNa, ist der Fall dessen, was nicht notwendig der Fall ist bzw. waseinem anderen nicht notwendig zukommt. Sollte diese zweite Variante denvon Aristoteles intendierten Text geben, so kann man sich leicht zurechtle-gen, warum Aristoteles die beiden F lle hier auf ein negatives Argument desModaloperators bezogen hat. Die M glichkeitss tze, um die es geht, sindverneinende S tze, und das bedeutet f r die Symbolisierungen dieser S tzeetwa mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln: der innere Modalfaktor derM glichkeit trifft auf eine mit dem jeweiligen Pr dikatsterminus, etwa mit A,gebildete negierte offene Formel, etwa auf —iA(x), mit dem Resultat: M—iA(x);die letztere Formel kann ersetzt werden durch —ιΝ—ι—Λ(χ) und damit durch—<NA(x) oder aber spezifiziert werden zu N—iA(x) — je nachdem, ob f r diedurch M bedeutete M glichkeit der Fall (6) gelten oder nur die jedenfallszutreffende Charakterisierung (7) benutzt werden soll.

Der von mir vertretenen Interpretation zufolge besteht die zentrale Aus-sage von 25b4f. darin, da e\i-Aussagen einfach konvertibel sind und OM-Aussagen nicht konvertibel sind. Die von mir vermutete Hervorhebung derVerh ltnisse im Spezialfall des notwendigen (Nicht-) Zukommens stellt dieserAussage gegen ber einen untergeordneten Punkt dar. Wenigstens mit derzentralen Aussage kann nun auch die erste der beiden von Ross unterschiede-

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nen Textvarianten in Einklang gebracht werden, n mlich in der Weise, welcheHintikkas Auffassung der betreffenden Stelle entspricht. Daher k nnen wirmit jeder der in Betracht kommenden Textgestalten leben, und Ross' Ein-sch tzung, keine der durch die beiden Hauptstr nge der berlieferung ge-deckten Varianten ergebe einen guten Sinn, erweist sich als zu pessimistisch.

Hintikka will μη εξ ανάγκης ύπάρχειν in Zeile b5, entsprechend seinerInterpretation des μη άναγκαΐον in Zeile a38, als das nach keiner Richtunghin notwendig Sein bzw. Zukommen, also als das Kontingente (bzw. als daskontingenterweise Zukommen) verstehen. Die Disjunktion des εξ ανάγκηςύπάρχειν und des μη εξ ανάγκης ύπάρχειν gem der Textvariante eins solldann insgesamt wiederum den Bereich des einseitig M glichen abdecken; soda in b4ff. auch nach dieser Auffassungsweise ber negative M-Aussagengehandelt w rde.

Gegen die von mir bevorzugte Weise, die Stelle aufzufassen, und gegendie daf r vorausgesetzte Einf gung eines zweiten μη nach μη εξ ανάγκης inZeile b5 wendet Hintikka ein: „... this insertion has the disadvantage ofmaking the clause ,because it is necessary4 [d. i. „because B necessarily is A"der bers.] superfluous" (Hintikka (1973), S. 36). In gewisser Weise hat Hin-tikka damit nat rlich recht: eine Disjunktion aus zwei Gliedern, deren erstesGlied das zweite Glied impliziert (so wie Να die Formeln —ιΝ—ία bzw. Μαimpliziert), ist quivalent zum zweiten Glied allein. Man sieht brigens andieser Stelle, da Hintikka genauso, wie wir es tun, von der Anerkennungder blichen Intermodalbeziehungen durch Aristoteles ausgeht, hier: von derAnerkennung des Folgens von Μα aus Να - gegen die sicherlich falscheAuffassung Wielands zu diesem Thema (vgl. Wieland (1975), S. 78). Aber soverh lt sich nun einmal der Spezialfall zum allgemeinen Fall. Wenn ich esvorziehe, dementsprechend Aristoteles so zu verstehen, als spreche er in b4f.von dem, was m glich ist, weil es notwendig ist oder allgemeiner nicht un-m glich ist, dann liegt der Grund daf r in der Tatsache, da mir der Passusb5 —13 den Eindruck macht: Aristoteles will sich hier der von ihm angenom-menen Richtigkeit seiner berlegungen, die ihn auf die Behauptung der Kon-vertibilit t der eM-Aussagen f hren, zus tzlich dadurch versichern, da ereinen Teil dieser Gesamtbehauptung — den Teil n mlich, welchen ich inder Formulierung auf S. 322 durch die Ziffern (ii) und (ii*) kennzeichne —unmittelbar auf ein f r Notwendigkeitsaussagen erzieltes Resultat zur ck-spielt — n mlich auf das Resultat der CN-Konvertibilit t. Wirklich ist es so,da Aristoteles in b9 —13 ein Argument f r die eM-Konvertibilit t nur imHinblick auf denjenigen unter zwei in b5 —7 eingef hrten Beispiels tzen for-muliert, bei dem es sich um einen wahren A eiviB-Satz handelt, mit dem nichtzugleich A e^Q wahr ist. Aristoteles verh lt sich also so, als betrachte er denCN-Spezialfall, der durch den anderen Beispielsatz (das ist der Satz „jeder

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IV. Konversion 325

Mensch ist möglicherweise kein Pferd", b5f.) exemplifiziert ist, als bereitserledigt durch die Überlegungen zur Konversion der N-Aussagen. Natürlichkönnte diese Art der Darstellung der Dinge auch auf einem bloßen Zufallberuhen. Man wird zwischen den Alternativen, die hier zur Sprache gekom-men sind, keine endgültige Entscheidung treffen können. Für die Sachemacht das aber nichts aus, wie ich gezeigt habe.

Seels Auffassung von 25b3 —14 kann ich nicht teilen. Seel ist nämlichüberzeugt davon, daß es in diesem Abschnitt um zwei verschiedene Möglich-keitsbegriffe oder Möglichkeitsoperatoren gehe. (Dazu Seel (1982), S. 181;S. 186 n. 61a.) Der erste Operator soll dabei derjenige sein, welcher die „dieNichtnotwendigkeit ausschließende Möglichkeit" (a.a.O., S. 181) ausdrückt;also derjenige, welcher die die Notwendigkeit implizierende Möglichkeit aus-drückt. Das könnte dann wohl nur der Notwendigkeitsoperator selbst sein?Doch warum sollte Aristoteles, nachdem er über apodiktische Sätze bereitsalles Nötige gesagt hat, sich noch einmal eigens diesem Typ von Sätzenzuwenden? Auch wir gehen davon aus, daß in 25b3 —14 Notwendigkeitssätzeim Spiel sind. Sie sind es aber nur insoweit, wie von solchen Fällen der Wahr-heit von Möglichkeitssätzen die Rede ist, in denen sogar entsprechende Not-wendigkeitssätze wahr sind. Die Notwendigkeitssätze oder irgendwelche mitdiesen auf eine ungeklärte Weise sehr eng zusammenhängende spezielle Mög-lichkeitssätze sind jedoch nicht das Thema des Abschnitts. Während Seel hierwie auch sonst eher zu schnell bei der Hand scheint mit Unterscheidungenverschiedener Modaloperatoren, läßt er es in der Zusammenschau von25b3-14 und von 25bl4-19 (im letzteren Abschnitt behauptet Aristoteles,wie wir sehen werden, die Inkonvertibilität der -Aussagen) an der fälligenDifferenzierung fehlen. Er wendet nämlich gegen Hintikkas Auffassung derDisjunktion von 25b4f. ein: das zweite Disjunktionsglied (das ist -

) könne nicht den Bereich des Kontingenten abdecken, unddementsprechend könne nicht diesen Bereich derjenige unter den beiden inb5 — 7 eingeführten Beispielsätzen exemplifizieren, mit dem nicht zugleichsein apodiktisches Pendant wahr ist (das ist der Satz „>Weiß< kommt mögli-cherweise keinem Oberkleid zu"). Weiter begründet er diese Behauptung mitdem Argument: hätte Aristoteles andernfalls gemeint,

„daß es sich bei dem Sachverhalt, daß kein Mantel weiß ist, um einenkontingenten Sachverhalt handelt ..., so hätte er keineswegs — was er dochin 25blO —13 tut — die Umkehrbarkeit des entsprechenden Möglichkeitsur-teils behaupten dürfen. Denn wir wissen ja aus 25bl6—17, daß Aristotelesder Überzeugung ist, daß das allgemeine Möglichkeitsurteil mit negativemArgument [Seel meint Sätze vom e^vs.-Typ] dann nicht konvertibel ist, wennes den engeren Möglichkeitsbegriff [i. e. den Kontingenzbegriff] benutzt.Zwar ist es formallogisch völlig korrekt, einem kontingenten Sachverhalt

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den weiteren Begriff der Möglichkeit [i. e. den der einseitigen Möglichkeit]2U2usprechen. Und formallogisch besteht auch die Konvertibilität eines sol-chen Urteils. Aber ein Autor, der — wie Aristoteles — die Konvertibilitätdes betreffenden Urteils von dem benutzten Möglichkeitsbegriff abhängigmacht, kann es keineswegs der Willkür des urteilenden Subjekts überlassen,ob es einem offensichtlich kontingenten Sachverhalt den engeren oder denweiteren Möglichkeitsbegriff zuspricht. Denn würde er diese Willkür zuge-stehen, so wäre die Konvertibilität des Urteils jederzeit durch Wahl desweiteren Möglichkeitsbegriffs künstlich herbeiführbar. Dies aber würdedazu führen, daß die Umkehrung des allgemeinen Möglichkeitsurteils mitnegativem Argument sowohl wahr als auch falsch wäre" (a. a. O., S. 182).

Das kann man entschieden nicht gelten lassen. Wenn wir eine Kontingenz-aussage vom e-Typ haben, die in der Tat nicht konvertibel ist, und wenn wirvon dieser zur entsprechenden und durch sie implizierten weiteren Mög-lichkeitsaussage übergehen, die nach Aristoteles konvertibel sein soll, dannsind wir eben zu einer anderen Aussage übergegangen. Denn diese beidenMöglichkeiten, Kontingenz und weitere Möglichkeit, werden wirklich durchModalbegriffe abgedeckt, die Aristoteles in der Art von Modaloperatorenunterscheidet. Es handelt sich hier nicht um Typen von Fallen, in denenwomöglich unmodalisierte Sätze auf diese oder jene Weise möglich sind. Esist daher nicht so, daß wir mit dem Übergang zur weiteren Möglichkeitsaus-sage die Konvertibilität der ursprünglichen Aussage als derselben irgendwiedurch einen unfairen Trick herbeiführten. Übrigens hätte Seel tatsächlich bes-ser statt von der Kontingenz des Sachverhalts, daß jeder Mantel nicht weißist, von dem der-Fall-Sein des Sachverhalts sprechen sollen, daß es für jedenMantel eine kontingente Angelegenheit sei, ob er weiß ist oder nicht. Oderhält Seel eine reine de-dicto-Auffassung aristotelischer Modalaussagen fürangemessen? Falls er das nicht tut, wüßten wir jedenfalls gern, aufgrundwelcher Überlegung er meint sagen zu können, daß die Konvertibilität einesallgemein verneinenden weiteren Möglichkeitsurteils formallogisch bestehe;denn wir werden zu dem Ergebnis kommen, daß sie keineswegs besteht.

Die Behauptung für den Fall (ii)/(ii*) ist, wie gesagt, schon mit dem erstenTeil des Kapitels erledigt. Also bleibt zunächst die Behauptung

9.) A ejviB impliziert (bzw. ist äquivalent zu) B eiviA.A ejviB ist

(1) VxN(B(x) D - ( )).

(1) impliziert nun selbst in S5 nicht

(2) VxN(A(x) D -· ( )),

wie man leicht durch Angabe eines falsifizierenden Barcan-semantischen SS-Modells zeigt. Wenn man will, kann man auch im Stile des Aristoteles mit

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IV. Konversion 327

einem BE-Argument operieren. Erfolg verspricht hier etwa die Anweisung:finde eine Disposition, deren Aktualisierung für die Angehörigen einer gewis-sen Spezies eine kontingente Angelegenheit ist; wähle für A einen Ausdruckder Aktualisierung dieser Disposition, für B eine Bezeichnung der Spezies.Dann trifft auf jedes Exemplar von B das Prädikat A kontingenterweise unddamit non-A möglicherweise zu. Zugleich ist aber auch jedes und damit einExemplar von B in einer möglichen Alternative zur Bezugswelt ein Exemplarvon A, mithin ist in einer als möglich zugelassenen Welt ein Exemplar vonA ein Exemplar von B (die Spezieszugehörigkeit kann nicht verloren gehen)und damit essentiell ein Exemplar von B. Also ist es falsch, daß in allenmöglichen Welten alle Exemplare von A möglicherweise non-B sind. DieWahl von „... ist Mensch" für B und von „... schläft" für A würde esbeispielsweise tun.

Die Behauptung der Äquivalenz von A eiviB und B ejviA ist relativ zu demvon mir verfolgten Ansatz der einzige Fehler, der Aristoteles in A3 unterstelltwerden muß. Er führt, wie wir gesehen haben, zur falschen Behauptung, derModus Camestres KXM sei gültig, und bleibt ansonsten ohne schädlicheFolgen (vgl. III.2.6., Bemerkungen im Anschluß an Ziffer 2.)).

Den bisher von uns verfolgten Grundsätzen entsprechend ist zu fragen,durch welchen nachvollziehbaren Argumentationsfehler Aristoteles zu jenerBehauptung hat kommen können. Auf die Frage gehe ich unten bei derSichtung der von Aristoteles in A3 vorgebrachten Argumente ein. Einschlägigfür die eM-Konversion ist das in 25blO —13 Gesagte.

Ferner haben wir die Behauptung

10.) A OMB impliziert nicht B OMA.

Dazu verweise ich auch auf 25bl3/14; («* ähnlich) in b!3 dürftebedeuten, daß es sich mit OM genauso wie mit CM verhält, nämlich insofern,als es sich auch mit OM genauso verhält wie mit der entsprechenden N-Aussage. Die Behauptung ist offenbar sachlich zutreffend.

Der Abschnitt 25bl4 —18 bringt die erwarteten Behauptungen für denKontingenzfall. Hätte Aristoteles nicht irrtümlich alle eM-Aussagen als solchefür konvertibel gehalten, so hätte er immerhin noch die zutreffende, aller-dings nicht sehr informative, Behauptung aufstellen können, daß gilt: wennA eiviB nicht bloß schlicht wahr ist, sondern wahr ist aufgrund solcher spezi-eller Bedingungen, welche zugleich A euB wahr werden lassen, dann ist auchB ejvtA wahr. Ich schließe mich der von Ross vertretenen Auffassung an, daßAristoteles hier in 14—18 nicht nur in einem solchen Sinne über einen Spe-zialfall des Kontingenten sprechen will, sondern über alle Kontingenzaussa-gen etwas behauptet, auf Umstände welcher Art auch immer sie sich beziehen

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m gen (vgl. Ross (1949), S. 297 f.). Die Behauptung ist also, da Aristotelesnicht nur ber das in Zeile 14 — exemplarisch, wie mir scheint — angef hrtein der Regel und nat rlicherweise (wenn auch nicht ausnahmslos) Gesche-hende oder der Fall Seiende (das ως επί το πολύ und das πεφυκός) spricht,im Unterschied zu dem ganz zuf llig Geschehenden (το από τύχης γινόμε-νον; vgl. AI3, 32b4-13). Das hei t, da behauptet wird: Aristoteles sprichtnicht nur ber Kontingenzaussagen, die wahr sind, weil sie sich auf derartigeProzesse oder Sachverhalte beziehen. Erst recht wird man nicht ohne zwin-gende Gr nde annehmen, da Aristoteles gar ber Aussagen spreche, dienicht mehr wirklich Kontingenzaussagen sind, sondern vielmehr Aussagendes Inhalts, da gewisse Sachverhalte meistens der Fall sind oder gewisseIndividuen meistens eine gewisse Eigenschaft haben und dergleichen. Daswird man nicht tun, weil offensichtlich ist, da man sich damit sehr schnellin Schwierigkeiten verwickelt. (Dazu Becker (1933), S. 80ff., sowie unsereErl uterungen zu 32b4—13 in III.2.1. und die Bemerkungen am Ende desKapitels.) Viel besser ist es, an dem zu Beginn unserer Untersuchung formu-lierten Grundsatz festzuhalten, da die logischen Behauptungen des Aristote-les im Zweifel als solche aufgefa t werden sollten, die gegen ber verschiede-nen Anwendungs f llen f r Modalbegriffe wie den Begriff der Kontingenzinvariant sind.

Die gemeinten Behauptungen sind:11.) Die CK-Aussagen sind nicht (einfach) konvertibel, d. h. A εκΒ impli-

ziert nicht B εκΑ;12.) A οκΒ impliziert (bzw. ist quivalent zu) B οκΑ.Zu 11.) stelle ich fest: Diese Βεΐ^υρίω^ ist sachlich richtig. Es ist leicht,

beispielsweise eine (PL + S5)-Struktur anzugeben, welche

VxN(B(x) D K(-n)A(x)) D VxN(A(x) D K(-n)B(x))

falsifiziert.McCall schreibt: „The inconvertibility of QEab [d. i. b CK in unserem

Notationssystem] has not as yet, I think, found any modern defenders"(McCall (1963), S. 82). Diese Aussage ist etwas berraschend, weil Ross Ari-stoteles mit 11.) im Recht sieht, wie auch ich es tue. Allerdings kann mandiese Auffassung nicht so begr nden, wie Ross das im Anschlu an ein (Teil-)Argument des Aristoteles tut, welches wir in III.2.5. kritisiert haben (dazuRoss (1949), S. 298). Nat rlich ist es richtig, da aufgrund der quivalenzvon A CK B mit A aicB und aufgrund der quivalenz von B εκΑ mit B aicAdie Konvertibilit t dεr εκ-Aussagen bedεuten w rde, da A aicB quivalentist zu B ai<A; doch diesε Fεststεllung reicht nicht zur Begr ndung von 11.)aus. Wenn im Kontingenzfall wirklich andere Verh ltnisse als im apodikti-

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sehen und im assertorischen Fall vorliegen sollen, kann man es nicht auf-grund der dort gegebenen Verh ltnisse als selbstverst ndlich annehmen, daauch hier, im Kontingenzfall, a-Aussagen nicht (einfach) konvertibel sind.

Wie man die Inkonvertibilit t der εκ-Aussagen im BE-Stil verteidigenkann, haben wir bei der Besprechung von AI7 gesehen. Dabei hat sich ge-zeigt, da das von Aristoteles in 37a4 —9 gef hrte Argument nur in Ma eninkorrekt ist. McCall scheint dagegen die von Kneale und Kneale an demArgument ge bte Kritik (die er a. a. O., S. 82, referiert) so substantiell zufinden, da ihm die M glichkeit entgeht, das aristotelische Argument durcheine geringf gige Modifikation beweiskr ftig zu machen.

Zu 12.): A oKB ist

(1) 3xK(B(x) Λ Κ-ιΑ(χ)),

und (1) ist quivalent zu(2) 3xK(B(x) Λ ΚΑ(χ));

(2) ist nach der zu Ziffer 8.) angestellten berlegung SS- quivalent zu

(3) 3χΚ(Α(χ) Λ ΚΒ(χ)),

und (3) ist quivalent zu

(4) 3xK(A(x) Λ Κ-ιΒ(χ)).

Zum interessanten Schlu abschnitt 25bl9 —25 von A3, der zwar keine weite-ren Konversionsregeln bringt, wohl aber ein Licht auf die vermeintliche Kon-vertierbarkeit der eM-Aussagen wirft, tr gt Ross zwei m gliche Interpretatio-nen vor, von denen er der zweiten den Vorzug gibt. (Dazu Ross (1949),S. 299 f.) Der Abschnitt lautet in Rolfes' bersetzung wie folgt.

Jetzt aber soll f r uns au er dem Gesagten noch so viel feststehen, (1) dadie Aussage: es ist m glich, da etwas keinem zukommt oder einem nichtzukommt, bejahende Form hat. (2) Denn der Terminus: es ist m glich,steht auf einer Linie mit dem Terminus: es ist; das: „es ist" bewirkt aberf r dasjenige, bei dem es steht, immer und durchaus Bejahung, wie z.B.die Aussage: es ist nichtgut, oder: es ist nichtwei , oder berhaupt: es istnichtdieses, Bejahung ist. Auch dieses soll im Folgenden ... gezeigt werden.(3) Bez glich der Umkehrung aber wird es mit diesen S tzen ebenso seinwie mit den anderen bejahenden S tzen (Rolfes (1921), S. 5).

Hier steht „es ist m glich" f r entsprechende Formen von ένδέχεσθαι. We-gen der Ambivalenz von ένδέχεσθαι ist zun chst nicht klar, ob weiterhinvon Kontingenzaussagen wie in 25bl4—18 oder wieder von einseitigen M g-lichkeitsaussagen wie in 25b3 —14 die Rede ist.

Nach der von Ross bevorzugten Interpretation w rde Aristoteles an derStelle sagen wollen: die CK- und die οκ-Aussagen sind eigentlich positiv (wo-

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f r die quivalenz von A εκΒ bzw. A οκΒ zu A aicB bzw. zu A ίκΒ spricht),und ihr Konversionsverhalten ist in bereinstimmung damit das der entspre-chenden bejahenden Aussagen, n mlich: A εκΒ ist nicht konvertibel, A οκΒkonvertibel. Bei dieser Interpretation ist ταΐς άλλανς (= den anderen) inZeile b25 auf die bejahenden K- Aussagen zu beziehen. Rolfes bersetzt denDativ ταΐς άλλαις dann auch durch „den anderen bejahenden S tzen", ob-wohl im Text von Bejahung nicht die Rede ist. St rend ist, da das Konver-sionsverhalten von CK und OK nach der erl uterten Auffassungsweise letztlichverglichen wird mit dem Konversionsverhalten eben dieser Aussagen selbst.(A εκΒ ist im wesentlichen A ax:B.) Mehr noch st rt, da zwischen dem inb20f., d. i. in (1) der bers., und dem in b25, d. i. in (3) der bers., Gesagtenein Begr ndungsverh ltnis hergestellt wird — A εκΒ verh lt sich wie A 3κ;Β, weilA εκΒ εigεntlich positiv, d. h. im wesentlichen A ajcB ist — , w hrend diesprachlichen Gegebenheiten klar auf ein Verh ltnis der Entgegensetzung hinzu-deuten scheinen. Bez glich der Umkehrung „aber" (~ δε) soll es sich n m-lich in der und der Weise verhalten. Aus diesen Gr nden halte ich die ersteder von Ross unterschiedenen Interpretation f r die bessεrε. Danachspricht Aristotcks ber einseitige M glichkeitsaussagen. Er wundert sich, sok nnte man sagen, in b!9 — 25 dar ber, da die CM- und die OM-Aussagenein ihren apodiktischen und assertorischen Gegenst cken entsprechendesKonversionsverhalten zeigen (nach 25b3 — 14), obwohl sie im Gegensatz zudiesen nicht eigentlich negativ sind, ταΐς άλλαις in b25 νεπνΐεβε l^rnachauf ε- und εΝ-, auf o- und ON-Aussagen. Maiεr bringt die νεΓΓ^υιίεεε sehrklar auf den Begriff, indem εΓ sagt:

„Trotzdem also die M glichkeitsaussage, so lange nicht die Verneinung dasM glichsein selbst trifft, die logische Eigenart des bejahenden Satzes hat,verhalten sich die M glichkeitspr missen, die es als m glich bezeichnen,dass etwas einem Begriff ganz oder teilweise nicht zukomme, hinsichtlichder Umkehrung wie die brigen negativen S tze" (Maier (1896 — 1900),Bd.II Halbbd.1, S. 27).

Die Plausibilit t diesεr Interpretation, der ζυίο^ε Α«5ΐοΐε1ε5 in b!9 — 25nicht K-, sondern M-Aussagεn im Augε hat, h ngt εntschεidend davon ab,ob εβ εϊηεη Sinn gibt, in dεm man sagεn kann, da diε εΜ- und diε OM-Aussagεn nicht wirklich negativ sind. Kompkn^nt r konvertierbar wie dieK-Aussagen sind die M-Aussagen ja nicht. Und diε ΙηΐεφΓείεη d8nken inder Regεl nur an diese komplement re Konversion, wεnn von dεr Positivit tder sprachlichen Form nach negativer M glichkeitsaussagen die Rede ist. Dasliegt, wie ich bei der Besprechung von AI 3 schon einger umt habe, durchausnahe im Licht der Parallelstelk 32bl— 3. Οεηη dort wird die These von derPositivit t von M glichkeitsaussagen unmittelbar im Anschlu an die Ent-

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IV. Konversion 331

wicklung der Lehre von der komplementären Konvertierbarkeit der Kontin-genzaussagen vorgetragen. Ich sehe trotzdem einen solchen Sinn. A e B sagtebenso wie A e^B die Disjunktheit der Umfange von A und B aus (undzwar in jeder möglichen Situation, wenn auch die X-Aussage ohne zeidicheBeschränkung aufzufassen ist); für A ej^B gilt das deshalb, weil N—iA(x) das—iA(x) impliziert; und die Disjunktheit zweier Klassen ist eine symmetrischeBeziehung, so daß man erwarten kann, daß A und B salva veritate die Rollentauschen können. A eiviB dagegen beinhaltet keine solche Absprechung derEigenschaft A für die unter B fallenden Individuen. Vielmehr ist die Wahrheitvon A eiviB, weil in einer Aussage dieses Typs „nicht die Verneinung dasMöglichsein selbst trifft" (Maier), mithin nicht die Variante (6} in Kap.III.den richtigen Inhalt gibt, sogar vereinbar mit der Wahrheit von A a B (ohnezeitliche Beschränkung). Denn es könnte sein, daß es zu allen in einer Situa-tion unter B fallenden Individuen nur solche Situationen gibt, in denen dieseIndividuen unter non-A fallen, die zugleich Situationen sind, in denen dieseIndividuen aufgehört haben, unter B zu fallen. Entsprechendes gilt für dasVerhältnis von A o B und A ONB zu A OMB. A ojviB ist vereinbar mit A a B.In diesem Sinne sind auch die negativen einseitigen Möglichkeitsaus sagenA eiviB und A OMB nicht wirklich absprechend, nämlich soweit es A und Bselbst betrifft; dagegen spricht natürlich z. B. A ejviB, genauso wie A ei<B, denunter B fallenden Individuen ab, daß sie dann, wenn sie unter B fallen, dieAussagefunktion NA(x) erfüllen. Man vergleiche unsere Bemerkungen imAnschluß an Ziffer 3.) in III.2.7.

Es ist beachtenswert, daß offenbar die Frage, ob auch einseitige Möglich-keitssätze von verneinender Form wirklich verneinend sind, unter mittelalter-lichen Logikern diskutiert worden ist. Das geht aus einem Hinweis Buridansin De comequentns hervor. Dort heißt es im dritten Kapitel des zweiten Buchs,in der Übersetzung Kings, mit Bezug auf zwei unmittelbar davor angeführteBeispielsätze: „Now some people wonder whether (224)-(225) should becalled affirmatives or negatives, simply speaking" (King (1985), S. 230). Dabeisind (224) und (225) jene Beispielsätze in der Numerierung des Übersetzers.Der eine dieser Sätze lautet:

(9) A man can possibly not-be an ass (a. a. O., S. 230),in der lateinischen Versionhominem possibile est non esse album/asinum (Hubien (1976),S. 57; sowohl album als auch asinum ist überliefert).

Hier bezeichnet wie stets bei Buridan esse possibile die einseitige Möglichkeit(zur Bezeichnung der zweiseitigen dient durchgängig contingere), und (9) istvom Typ A

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Übrigens geht Buridans Auffassung dahin, daß A OMB doch wirklich nega-tiv sei. Zur Begründung verweist er auf die mit A OMB verbundene Vernei-nung der Erfüllung von NA(x):

„Whatever others may say, I believe that they [gemeint sind die Beispiel-sätze] ought to be called negatives, because ... the sentence ,B can not-beA' is equipollent to ,B must not necessarily-be A', which is obviously nega-tive"52 (a. a. O., S. 230).

Wenn Aristoteles tatsächlich in 25bl9 —25 u. a. seiner Verwunderung darüberAusdruck gibt, daß A CMB einfach konvertibel sein soll, dann erscheint dieseVerwunderung sachlich nur zu berechtigt. Denn es zeigte sich, daß in Wirk-lichkeit A e\iB nicht so konvertibel ist. Ich sehe insbesondere keinen inhalt-lichen Grund, diesen Schlußteil von A3 auf „spätere Hände" zurückzuführen,wie das Becker tut. (Dazu Becker (1933), S. 91.)

Ich will jetzt zu einer Abschätzung der logischen Stärke der einfachenunter den von Aristoteles akzeptierten modalen Konversionsregeln kommen.Ich meine damit diejenigen modalen Konversionsregeln, welche die Quantitätder Operanden nicht verändern. Die eM-Regel als nicht einmal SS-korrekteRegel lassen wir beiseite. Die Regel der -Konvertibilität ist im wesentlichenidentisch mit der Regel der -Konvertibilität. Es bleiben die CN-, IK-, -und -Regel. Daß die Regel der CN-Konvertibilität unter plausiblen Neben-bedingungen auf die Verwendung von PL + S5 hinausläuft, haben wir mitden Sätzen 3 und 4 in III.l.l. eingesehen. Bei der Besprechung von A20habe ich gesagt, daß in diesem Kapitel SS-Mittel insofern im Spiel sind, alsAristoteles mit der einfachen Konversion der -Aussagen arbeitet. Tatsäch-lich gilt ein dem Resultat für die eN-Regel ähnliches Resultat auch für die -Regel. Zunächst kann man sich für die letztere Regel eine dem Satz 3 voll-kommen analoge Aussage in der üblichen Weise verschaffen. Schließlich hatman den

Sa% 5· T + [K(P Kq) D K(q Kp)]. = SS.

Beweis: Die Relation T + [K(p Kq) D K(q Kp)] C SS ergibt sich ausden Überlegungen im Anschluß an Ziffer 7.): man braucht lediglich die beidiesen Überlegungen hinter dem Quantor durchgeführten aussagenlogisch-modallogischen Umformungen auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dieumgekehrte Inklusion ergibt sich aus den beiden folgenden Ableitungen inT vermehrt um K(p Kq) D K(q Kp) als Axiom.

52 Ad quod, quidquid dicant aliqui, credo esse dicendum quod ipsae sunt negativae, ... quiahaec propositio ,B potest non esse A' aequipollet isti ,B non necesse est esse A', quaemanifeste est negativa (Hubien (1976), S. 58).

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IV. Konversion 333

1.) Nach Einsetzung von —ιΝα Λ —ιΝ—ία f r Ka ist K(p Λ Kq) D K(qΛ Kp) aussagenlogisch quivalent zu der Formel unter Ziffer (1):(1) (N(q Λ -,(Np V Ν-,ρ)) V N(q D (Np V Ν-,ρ))) D (N(p Λ -,(Nq V N-iq)) V N(p

D (Nq V N-KJ)))(2) (N(p Λ -,Nq Λ -,Ν-κ]) Λ N(q D Ν-,ρ)) D (Np Λ N(q D N-ip)) (T-Theorem)(3) p D -,Ν-,ρ (T-Theorem)(4) Np D Ν-,Ν-,ρ (aus (3) in T)(5) (Np Λ N(q D Ν-,ρ)) D (Np Λ N(-,N-,p D -,q)) (T-Theorem)(6) (Np Λ N(q D Ν-,ρ)) D (Np Λ (Ν-,Ν-,ρ D N-,q)) (aus (5) in T)(7) (Np Λ N(q D Ν-,ρ)) D (Ν-,Ν-,ρ Λ (Ν-,Ν-,ρ D N-,q)) (aus (4) und (6) mit AL)(8) (Np Λ N(q D N-ip)) D N-q (aus (7) mit AL)(9) N-,q D (p D N-,q) (AL-Theorem)(10) (N(p A -,Nq A -,Ν-q) A N(q D Ν-,ρ)) D (p D N-,q) (mit AL aus (2), (8), (9))(11) -,ρ D (p D N-KJ) (AL-Theorem)(12) N(q D Ν-,ρ) D (Nq D ΝΝ-,ρ) (T-Theorem)(13) N(q D Ν-,ρ) D (Nq D -,ρ) (in T aus (12))(14) N(q D Ν-,ρ) D (p D -,Nq) (aus (13) mit AL)(15) N (p D (Nq V N-,q)) D (p D (Nq V N-,q)) (T-Theorem)(16) (N(p D (Nq V N-iq)) A N(q D Ν-,ρ)) D ((p D -,Nq) A (p D (Nq V N-^q)))

(aus (14), (15) mit AL)(17) (N(p D (Nq V N-*j)) A N(q D Ν-,ρ)) D (p D N-KJ) (aus (16) mit AL)(18) N(q D Ν-,ρ) D (N(q D (Np V Ν-,ρ)) V N(q A -,Νρ Λ -,Ν-,ρ)) (T-Theorem)(19) N(q D Ν-,ρ) D ((N(p A -,Nq Λ -,Ν-Kj) Λ N(q D Ν-,ρ)) V (N(p D (Nq V N-,q))

A N(q D Ν-,ρ))) (aus (1), (18) mit AL)(20) N(q D Ν-,ρ) D (p D N-,q) (aus (10), (17), (19) mit AL)(21) N(N-rq D N-iq) D (q D Ν-ιΝ-κ^) (aus (20) durch Einsetzung von N-iq f r q

und von q f r p)(22) N(N-,q D N-K}) (T-Theorem)(23) q D Ν-,Ν-iq (aus (21), (22))

Damit ist das Brouwersche Axiom abgeleitet. Jetzt brauchen wir nur nochdas charakteristische S4-Axiom Np D NNp, n tigenfalls mit Hilfe des Brou-werschen Axioms, abzuleiten.

2-)(1) p D NMp (Brouwersches Axiom)(2) (N(q A Kp) V N(q D -,Κρ)) D (N(p A Kq) V N(p D -,Kq)) (mit AL aus

K(p A Kq) D K(q Λ Kp))

(3) p D (NMp V N-tMp) (aus (1) mit AL)(4) N(p D (NMp V Ν-,Μρ)) (aus (3) in T)(5) N (p Λ KMp) V N (p D -,ΚΜρ) (aus (4) mit AL und Ersetzung von

NMp V Ν-τΜρ durch -,ΚΜρ)

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334 IV. Konversion

(6) (N(p Λ KMp) V N(p D -iKMp)) D (N(Mp Λ Kp) V N(Mp D -,Κρ))(aus (2) durch Einsetzung von

p f r q und von Mp f r p)

(7) N(Mp Λ Kp) V N(Mp D -,Κρ) (aus (5), (6) mit AL)

(8) N(Mp Λ -,Νρ Λ -,Ν-,ρ) D Ν-,Νρ (T-Theorem)

(9) Np D -,Ν-,Νρ (T-Theorem)

(10) Np D -,N(Mp A Kp) (aus (8), (9) mit AL)

(11) Np D N(Mp D -,Κρ) (aus (7), (10) mit AL)

(12) Np D (NMp D N(Np V Ν-,ρ)) (aus (11) in T)

(13) Np D p (T-Theorem)(14) Np D NMp (aus (1), (13) mit AL)(15) Np D (N(Np V Ν-,ρ) Λ NMp) (aus (12), (14) mit AL)(16) Np D N((Np V Ν-,ρ) Λ Mp) (aus (15) in T)

(17) Np D N((Np A Mp) V (Ν-,ρ Λ Mp)) (aus (16) in T)

(18) Ν-,(Ν-,ρ Α Mp) (T-Theorem)

(19) Np D N(Np A Mp) (aus (17), (18) in T)(20) Np D NNp (aus (19) in T).

Der n chste Satz spricht ein analoges Resultat f r die iM-Konversionsregelaus.

6: T + [M(p Λ Mq) D M(q Λ Mp)] = S5.

Beweis: Nach Einsetzung von — ιΝ— ία f r Μα ist

M(p Λ Mq) D M(q Λ Mp)

die Formel

-ιΝ-.(ρ Λ -,Ν-nq) D -iN-i(q Λ -.Ν-·ρ),und diese letztere Formel ist aussagenlogisch quivalent zu

N-<q Λ -iN-ip) D N-i(p Λ -iN-iq),mithin T- quivalent zu

N(q D N-ip) D N (p D N-,q).

FolgHch ist T + [M(p Λ Mq) D M(q Λ Mp)] = T + [N(q D Ν-,ρ) D N (pD N— iq)] = S5 im wesendichen aufgrund von Satz 4.

Allein die ΪΝ-Konversionsregel sprengt nicht den S4-Rahmen, ist aber auchin keinem engeren Rahmen zu bekommen. Denn es gilt

7: T + [N(p A Nq) D N(q Λ Np)] = S4.

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IV. Konversion 335

Beweis: Die Inklusion „C" ergibt sich aus den Bemerkungen unter Ziffer 3.).Zur umgekehrten Inklusion:(1) N (p Nq) D N(q Np)(2) NN(p D p) (T-Theorem)(3) NN(p D p) D (Np D ( NN(p D p)) (AL-Theorem)(4) Np D ( NN(p D p)) (aus (2), (3) mit AL)(5) Np D N(p N (p D p)) (aus (4) in T)(6) ( N(p D p)) D N((p D p) Np) (aus (1) durch Einsetzung von p D p für q)(7) Np D N((p D p) Np) (aus (5), (6) mit AL)(8) Np D NNp (aus (7) in T).

Ich habe in der Einleitung erwähnt, daß Becker erhebliche Zweifel an derAuthentizität von A3 hat. Diese Zweifel beruhen insbesondere auf einer Ein-schätzung der von Aristoteles in A3 vorgebrachten Argumente. Die müssenwir uns jetzt näher ansehen.

Zur Begründung der Behauptung, die in unserer Zählung die Nummer1.) hat (eN-Konversion), heißt es bei Aristoteles in Zeile 25a31f.:

Denn kann es [i. e. B] einem [seil. A] zukommen, dann kann es auch Aeinem B (Rolfes (1921), S. 4).

Aristoteles will hier anscheinend davon Gebrauch machen, daß B ijviA undA ijviB gleichwertig sind mit der Verneinung von B CNA und von A CNBrespektive. Relativ zu den einschlägigen unter unseren Strukturhypothesenbesteht das benötigte Oppositions Verhältnis: B euA wird symbolisiert durchVxN(A(x) D N-iB(x)), -nVxN(A(x) D N-.B(x)) ist äquivalent zu 3xM(A(x)

MB ( )), und diese Formel gibt die Form von B IM A. Damit hat Aristotelesdie CN-Konvertierbarkeit korrekt zurückgespielt auf die -Konvertierbarkeit.Nun bleibt darauf zu achten, wie an der gegebenen Stelle die iM-Konvertibili-tät ihrerseits von Aristoteles begründet werden wird.

Zur Begründung der Behauptungen 2.) und 3.) (aN-und -Konvertibilität)erfahren wir in 25a33£:

Denn wenn es [i. e. B] ihm [i. e. einem A] nicht notwendig zukommt,kommt auch A nicht notwendig einem B zu (Rolfes a. a. O.).

Aristoteles hat vermutlich keinen Zweifel daran, daß jede Aussage vom TypA aNB ihr partikuläres Gegenstück A impliziert. A3 gibt keinen Auf-schluß darüber, ob er hier einen Begründungsbedarf gesehen bzw. gemerkthat, daß die Implikationsbeziehung eine relativ starke Existenzvoraussetzungauf der Seite der aN-Aussagen erfordert — so jedenfalls relativ zu unserer Artder Symbolisierung von -Aussagen. Die fragliche Implikationsbeziehungvorausgesetzt, konnte Aristoteles sich darauf beschränken, für die Implika-

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336 IV. Konversion

tion von B INA durch A INÜ zu argumentieren. Die zitierte Bemerkungscheint nun allerdings nicht mehr zu sein als eine Reformulierung der zubeweisenden Behauptung „wenn A iuB, dann auch B iNA" in kontraponierterForm. Immerhin ist denkbar, daß Aristoteles an der Stelle stillschweigendeine Konversionsregel für allgemein verneinende Möglichkeitsaussagen (ichsage nicht: für eM-Aussagen) zur Anwendung bringt. Denn daß es nicht derFall ist, daß B einem A notwendig zukommt, kann, so sollte man meinen,als gleichbedeutend damit gelten, daß jedes A möglicherweise non-B ist; undallgemein verneinende einseitige Möglichkeitsaussagen hält Aristoteles, wiewir wissen, für konvertibel. Nun haben wir freilich gesehen, daß Aussagenvom CM-Typ der Sache nach nicht konvertibel sind. Doch an unserer Stellehat Aristoteles Glück, sollte er wirklich in der angezeigten Weise zu argumen-tieren beabsichtigt haben: B \^K ist nämlich, die einschlägige Strukturhypo-these vorausgesetzt, 3xN(A(x) ( )), und die Negation dieser Formel istgleichwertig mit VxM(A(x) D M— iB(x)). Die Negation ist also gleichwertigmit einer Aussage, die sich einerseits von einer CM-Aussage im eigentlichenSinn nur hinsichtlich des äußeren Modalfaktors unterscheidet und damit ineiner Hinsicht, in welcher die limitierten von Aristoteles benutzten Aus-drucksmittel Unterschiede herauszuheben nicht geeignet waren; die aber an-dererseits aufgrund dieses Unterschieds, im Gegensatz zu den genuinen eM-Aussagen, konvertibel ist. Wir haben nämlich die folgenden schon frühereinmal angezeigten Äquivalenzen:

M(A(x) D M-.B(x))

(- ( ) V M-,B(x))

** M-iA(x) V MM-iB(x)S4o MM-iA(x) V M-iB(x)

«* (-· ( ) V M-iA(x))

«· M(B(x) D -· ( )) .Zur Begründung der Behauptung 4.) ( -Inkonvertibilität) verweist Aristote-les in Zeile 25a35f. auf etwas „früher" Gesagtes. Mit Ross wird man davonausgehen können, daß die Bezugsstelle die Zeilen 25alO— 14 im Kapitel A2bilden, in dem die Konversionstheorie der nicht-modalen Aussagen entwik-kelt wird. In alO-14 gibt Aristoteles ein BE-Argument zum Nachweis derInkonvertibilität von A o B, das gleichzeitig zum Nachweis der Inkonvertibili-tät von A ONB dienen kann. Die gewählten Einsetzungen sind nämlich sobeschaffen, daß sie — einen Essentialismus vom aristotelischen Typus vor-ausgesetzt — einerseits nicht nur A o B selbst, sondern darüber hinaus

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IV. Konversion 337

A ONB in eine (in der realen Welt als Bezugswelt) wahre Aussage übergehenlassen; und sie sind so beschaffen, daß sie andererseits B o A und damit erstrecht das stärkere B ONA in falsche Aussagen übergehen lassen. Aristoteleswählt für A: „... ist ein Mensch", für B: „... ist ein Lebewesen", und in derTat kann man sagen: ein Lebewesen ist notwendig kein Mensch (z.B. einbeliebiger Hund ist sowohl notwendig ein Lebewesen als auch notwendignicht ein Mensch); ferner ist es nicht der Fall, daß irgendein Mensch keinLebewesen ist. Auch gegen dies Argument ist also nichts einzuwenden. Wirkommen jetzt zu den Argumenten, welche sich auf die Konversionseigen-schaften der verschiedenen -Aussagen beziehen.

Zur Begründung der Behauptungen 5.) bis 8.) — wenn es denn richtig ist,daß alle diese Behauptungen in der Aussage von 25a39-b2 eingeschlossensind - schreibt Aristoteles in Zeile 25b2f.:

Denn wenn es [i. e. B] keinem A zukommen kann, kann auch A keinem Bzukommen; wir haben uns ja schon zuvor dieses Beweises bedient (Rolfes(1921), S. 4 f.).(An der Stelle des zweiten Satzes sollte besser so etwas stehen wie: „diesnämlich wurde schon früher gezeigt".)

Ich gehe davon aus, daß auch hier die Beziehungen: A aMB impliziert A isowie: A aicB impliziert A für Aristoteles außer Frage stehen. Es bleibtdann dafür zu argumentieren, daß (i) A ijyiB das B i\tA impliziert und daß(ii) A das B impliziert. Das aristotelische Argument macht den Ein-druck, als sei es ganz auf den Fall (i) zugeschnitten. Es scheint nämlich, alserweise Aristoteles (i) in kontraponierter Form, indem er die Verneinung vonB ijviA ansetzt in der Form: B kommt nicht möglicherweise einem A zu,oder: B kann keinem A zukommen, d. h. B eNA; und indem er weiter unterBerufung auf die zuvor gezeigte Äquivalenz von B eNA mit A enB übergehtzu eben diesem A CNB, das auf die Verneinung von A ijviB hinauskommt.Daß die betreffenden Oppositionsverhältnisse sachlich in Ordnung sind, ha-ben wir festgestellt.

Diese Sicht des Arguments gibt Anlaß zur Kritik in zweifacher Hinsicht.Erstens hätte Aristoteles einen groben Fehler begangen, wenn er geglaubthaben sollte, daß mit dem skizzierten Argument auch der Fall (ii) erledigt sei.Zweitens hätte Aristoteles einen groben Fehler begangen, wenn er die vonihm in A3 vorgebrachten Konvertibilitätsbehauptungen unabhängig vonein-ander zu rechtfertigen beabsichtigt hätte. Denn sein Argument für die CN-Konvertierbarkeit setzt, wie wir sahen, die -Konvertierbarkeit voraus; undhier scheint jetzt umgekehrt die -Konvertierbarkeit unter Rückgriff auf dieCN-Konvertierbarkeit begründet zu werden.

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338 IV Konversion

Beide Probleme hat Becker gesehen, und sie haben ihn in seinen Zweifelnan der Echtheit von A3 bestärkt. Ich zitiere zunächst die diesbezüglichenÄußerungen Beckers und trage anschließend die nötigen Erläuterungen nach.Becker schreibt:

„Ein schweres sachliches Bedenken müssen wir gegen die Stelle 25b2 f. vor-bringen. Hier wird ein indirekter Beweis dafür angedeutet, daß von(BaE*A) und von (BiE*A) (AiE*B) impliziert wird ..., und zwar soll dieserBeweis offensichtlich auch für E* = £2 gelten; er stützt sich aber deutlichauf eine Implikation der Form - (AiE*B) —» (AeNB); eine solche Argu-mentation kann doch wohl nicht von Aristoteles stammen, der gerade beider Begründung der Nichtumkehrbarkeit von BeE2A so klar darlegt, wiedie Negation eines E2-Ausdrucks lautet ...Zur Rechtfertigung der Regel (BeNA) -* (AeNB) (T46 ...) beruft sich derText (25a31f.) auf die Beziehung (AiEiB) —»· (BiEiA) ..., die ihrerseits aneiner späteren Stelle (25a40-b3) formuliert und unter ausdrücklicher Vor-aussetzung von T46 ,bewiesen' wird ..." (Becker (1933), S. 89f.).[Es folgt bei Becker der Hinweis auf eine weitere Stelle im Gedankengangvon A3, zu deren Besprechung wir noch kommen werden und die ebenfallszu einem Zirkularitätsvorwurf Anlaß gibt.]„In diesen zwei Fällen liegt für den unbefangenen Leser ein arculus vitiosusvor ...In der uns überlieferten Gestalt kann es [gemeint ist das Kapitel A3] ...nicht auf Aristoteles selbst zurückgehen ..." (a.a.O., S. 90).[Becker zählt jetzt verschiedene Indizien zugunsten dieser Einschätzung aufund endet mit der Feststellung:]„... vor allem aber kommen uns die ^Beweise' verdächtig vor ..." (a.a.O.,S. 90).

Ich erinnere daran, daß Ausdrücke der Typen Ba...A, ... usw. (in denendie angezeigten Leerstellen durch Modaloperatoren ausgefüllt sein können)bei Becker für Aussagen der Typen „alle B sind (gegebenenfalls: möglicher-weise; kontingenterweise; notwendigerweise) A", „ein B ist (gegebenenfalls:möglicherweise, usw.) A" stehen. Das Kürzel E* vertritt den Modalausdruck

(~ möglich sein) und seine Formen in Kontexten, in denendieser nicht entweder auf die einseitige oder auf die zweiseitige Möglichkeitallein eingeschränkt ist. Wie wir wissen, gebraucht Becker EI zum Ausdruckder einseitigen, £2 zum Ausdruck der zweiseitigen Möglichkeit. N steht wiein unserem Notationssystem für die Notwendigkeit. — und —»· sind BeckersBezeichnungen der Junktoren „nicht" und „wenn-dann". „T46" bezieht sichauf eine von Becker vorgenommene Aufzählung der aristotelischen Theo-reme oder Gültigkeitsbehauptungen.

Wenn Becker davon spricht, daß die Implikation von AiE*B durch BiE*A,also die Implikation von B 1̂ 5. A durch A , auch für E* = £2 begrün-det werden solle, meint er damit, daß die Implikation sowohl für E* = EI(= M) als auch für E* = £2 (= K) etabliert werden solle. Das heißt: nicht

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IV. Konversion 339

anders, als wir es tun, geht Becker davon aus, da — wenn man sich einmalauf den rein partikul ren Fall beschr nkt — die Implikationen (i) und (ii) zurDebatte stehen. Beckers Kritik lautet sinngem : das Argument von 25b2f.ist offensichtlich nur f r Fall (i) ad quat. Seine Schlu folgerung lautet: dasArgument kann nicht von Aristoteles stammen, der nicht bersehen habenw rde, da es f r den Fall (ii) nicht ad quat ist. Zur Rechtfertigung derSchlu folgerung verweist Becker auf die von Aristoteles in AI 7, 37a9 —30, aneinem inkorrekten Argument f r die Umkehrbarkeit der CK-Aussagen ge bteKritik (vgl. H.7., Ziffer (2)). Wir haben gesehen, da diese Kritik in der Tatfolgendes zeigt. Aristoteles wei sehr gut, da die Verneinung der Kontin-genz auf eine Alternative von Notwendigkeit und Unm glichkeit f hrt; des-halb kann er nicht geglaubt haben, da auch die Verneinung von B ΐκΑ,ebenso wie die von B ijviA, gleichwertig sei mit der Unm glichkeitsaussageB eNA.

Gegen diese erste Kritik Beckers kann Aristoteles, soweit ich sehe, nurauf eine Weise verteidigt werden, n mlich folgenderma en. Man nehme diein 25b2,

ει γαρ μηδενί, ούδ' αν το Α ούδενΐ τω Β(~ wenn n mlich keinem, dann auch das A keinem B),

in verk rzter Form enthaltenen Teils tzeτο Β μηδενί τω Α ενδέχεται ύπάρχειν(*** Β kann keinem A zukommen; es ist f r kein A m glich, da B ihm zu-kommt)

sowieτο Α ούδενΐ τω Β ενδέχεται ύπάρχειν(=* A kann keinem B zukommen; es ist f r kein B m glich, da A ihm zu-kommt)

nicht als Ausdr cke der Typen B CNA und A CNB respektive. Man lese siestattdessen als blo e Ausdr cke der Verneinungen von B ϊένδ Α (~ Β kanneinem A zukommen; es ist f r ein A m glich, da B ihm zukommt) und vonA ϊένδ. Β, in denen ενδέχεται (~ kann; ist m glich) nicht eingeschr nkt istauf den Sinn von M oder von K. Bei dieser Auffassung deckt z. B. die Formu-lierung

το Β μηδενϊ τω Α ενδέχεται ύπάρχειν

sowohl den Sachverhalt ab, da es nicht f r ein Exemplar von A (einseitig)m glich ist, da B ihm zukommt, als auch den Sachverhalt, da es nicht f rein Exemplar von A kontingent ist, da B ihm zukommt.

Diese Auffassungsweise zu w hlen, hei t freilich, 25b2f. als Andeutungeiner Argumentation zu nehmen, die ungef hr genauso wenig informativ ist

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340 IV. Konversion

wie die Bemerkung von 25a33f. Die Stelle 25b2f. ist nämlich danach nichtmehr als der Ausdruck einer relativ unspezifischen Ankitung zum Argumen-tieren: setze einen indirekten Beweis an, und benutze dabei früher Gezeigtes(also doch wohl: Resultate über die Konversionseigenschaften der apodikti-schen Sätze). Immerhin ist es möglich, sowohl für den Fall (i) als auch fürden Fall (ii) Argumente zu geben, welche einer solchen Anleitung gemäßsind. Wie das für den Fall (i) unter Rückgriff auf die eN-Konversionsregelaussieht, haben wir erklärt. Problematischer ist der Fall (ii). Ein korrektesArgument für diesen Fall kann folgendermaßen aussehen.

Annahme: — ( ), d. i.(1) -,3xK(A(x) ( ));(1) ist, entsprechend dem oben im Anschluß an die Begründung der Behaup-tung 8.) notierten Nachtrag, SS-äquivalent zu(2) -,3xM(KA(x) ( )),mithin zu(3) VxN((KA(x) M-JB(x)) D N-iB(x));(3) ist eine Formel vom eN-Typ, demnach ist (3) äquivalent zu(4) VxN(B(x) D - ( ( ) - ( )));(4) S5-impliziert(5) VxN(MB(x) D (M-iB(x) D -,KA(x))),und (5) ist äquivalent zu(6) VxN(KB(x) D -iKA(x));(6) ist offensichtlich unverträglich mit

3x(M)(KB(x) ( )),einem Äquivalent des Pendants

3xK(B(x) ( ))von A .Hier haben wir es mit einem Argument zu tun, das seiner Grundstrukturnach, wie mir scheint, von Aristoteles durchaus hätte geführt werden können.Denn in informeller Rede könnte es etwa auf den folgenden Gedankengangverkürzt werden. Vorausgesetzt sei, daß ein B kontingenterweise A ist. Ange-nommen werde, daß nicht ein A kontingenterweise B ist. Dann ist jedes Anicht kontingenterweise B, mithin nicht sowohl möglicherweise non-B alsauch möglicherweise B. Demnach ist jedes A, das bereits möglicherweisenon-B ist, nicht möglicherweise B, d. h. notwendig non-B (ungefähr der For-mel (3) entsprechend). Also ist aufgrund der Konvertierbarkeit der eN-Aussa-gen jedes B unmöglich ein A, das zugleich möglicherweise non-B ist. Daher

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IV. Konversion 341

gibt es kein mögliches B, das möglicherweise A und möglicherweise non-Bist, im Widerspruch zur Voraussetzung, nach der ein B A sein kann. ImHinblick auf die Korrektheit gibt diese Version des formalen Argumentsfreilich ein schlechteres Bild ab als jenes. Diese Tatsache wirft ein Licht aufdie schwierige Situation, in der Aristoteles sich bei seinem Unternehmeneiner Begründung der modalen Prädikatenlogik befunden hat. Es scheintbeinahe unmöglich, mit den natürlichsprachlichen Ausdrucksmitteln, auf dieAristoteles sich im wesentlichen beschränkt, gewisse Argumentationen sauberdurchzuführen — Argumentationen, die gleichwohl kein Problem darstellen,wenn man den heute eingeführten Symbolismus zur Verfügung hat.

Übrigens wäre für die folgende Argumentation zugunsten der Behaup-tung, die allgemeine Kontingenzaussage A ax;B impliziere B ijcA, die Hypothesenoch plausibler, daß Aristoteles sie im Sinn gehabt haben könnte, als er seineAnleitung formulierte. Angenommen, unter der Voraussetzung der Wahrheitvon A aicB ist wiederum jedes A nicht kontingenterweise B, also jedes Aentweder notwendig B oder notwendig non-B. Dann ist, der prädikatenlogi-schen Implikationsbeziehung

Vx(F(x) D (G(x) V H(x))) -,Vx(F(x) D G(x)) => Bx(F(x) ( ))entsprechend, entweder jedes A notwendig non-B oder ein A notwendig B,also ist entweder B CNA wahr oder B INA wahr. Im ersten Fall ist wegen derKonvertibilität der CN-Aussagen auch A CNB wahr. Im zweiten Fall ist wegender ebenfalls im Abschnitt über das Konversionsverhalten der apodiktischenSätze etablierten -Konvertibilität auch A wahr. Sowohl A CNB als auchA ist unverträglich mit A aicB. Dies Argument macht zwar noch eherden Anschein der Korrektheit als das zuvor notierte Argument (in der infor-mellen Version), es ist aber relativ zu den einschlägigen Strukturhypothesennicht als wirklich korrekt rekonstruierbar. Denn zwar ist

-,3xM(A(x) ( ))gleichwertig mit

VxN(A(x) D (NB(x) V N-,B(x))),aber von

-,3xK(A(x) ( ))führt kein Weg zu dieser Allaussage. Immerhin: würde Aristoteles in derskizzierten Weise argumentieren, so brauchten wir keinen Fehler zu diagnosti-zieren, der nicht im Rahmen dessen läge, womit bei Aristoteles immer ge-rechnet werden muß aufgrund unzureichender Differenzierungen auf derSeite der äußeren Modalfaktoren.

Die Frage, ob Aristoteles Argumente von der Art der eben formuliertenwirklich jemals im Sinn gehabt hat, können wir aufgrund des vorliegenden

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Textmaterials nicht entscheiden. Wir haben die Wahl zwischen den Alternati-ven, Aristoteles einen schweren oder auch einen weniger schweren sachlichenFehler zu unterstellen — oder aber ihm große Eile zu unterstellen. Letzterestun wir, wenn wir uns entschließen, Aristoteles eine Darstellungsart zu unter-stellen, bei der gelegendich sehr viel weniger gesagt wird, als zu sagen ange-bracht wäre.

Beckers Zirkularitätsbefund läßt sich nicht hinwegdiskutieren. Denn auchwenn wir die Formulierungen in b2 selbst nicht als Ausdrücke von CN-Aussa-gen nehmen: die Argumente für die Konvertibilität des A a£v§. B und desA ijV5 B, welche wir anzubieten haben, machen alle wesentlich von der Kon-vertibilität der eisi-Aussagen Gebrauch. Doch man muß nicht wegen diesesBefunds gleich auf unzulängliche Argumentation plädieren. Man kann stattdessen das von Aristoteles verfolgte Ziel niedriger ansetzen, als man es zu-nächst anzusetzen geneigt sein mag. Möglicherweise hat Aristoteles in A3gar nicht vor, ein System von Konversionsregeln aus einigen axiomatischvorausgesetzten derartigen Regeln deduktiv aufzubauen. In diese Richtunggeht die von Wieland in (1980), S. 11 Of., geäußerte Einschätzung. Aristotelesmag aufgrund von Gedankengängen, über die wir spekulieren können (dazuunten die Bemerkungen zu den Ziffern (16} bis (18}}, zur Überzeugung vonder Geltung einer Anzahl von Konversionsregeln gelangt sein und in A3zusätzliche Gewißheit aus der Beobachtung der Art und Weise gezogen ha-ben, in der diese Regeln untereinander zusammenhängen und sich gegensei-tig stützen.

Im übrigen wird jeder Zirkularitätsvorwurf ein wenig relativiert durch diewohlbekannte Tatsache, daß alle üblichen Arten der Begründung von Logikan irgendeiner Stelle in gewisser Weise zirkulär werden. Das passiert deshalb,weil die Nachweise der Gültigkeit von objektsprachlichen Sätzen im Rahmeneiner jeweils vorgegebenen formalen Semantik durch Argumente vonstattengehen, die, in einer Metatheorie entwickelt, ihrerseits selbstverständlich Logikverwenden. Ich will den Punkt illustrieren.

Angenommen, wir betreiben nicht-modale Prädikatenlogik und wollen mitBezug auf den üblichen prädikatenlogischen Interpretationsbegriff die Gül-tigkeit der Subjunktionen(10} Vx(F(x) D -iG(x)) D Vx(G(x) D -,F(x))sowie( / / ) 3x(F(x) G(x)) D 3x(G(x) F(x))zeigen. Der Nachweis könnte für (10} die folgende Gestalt annehmen.

Sei I = <D,(p> eine beliebige prädikatenlogische Struktur (D ein Indivi-duenbereich, eine Interpretationsfunktion) mit cp(Vx(G(x) D —iF(x))) = 0.

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IV. Konversion 343

Das hei t definitionsgem , es gibt eine x-Variante φ' von φ ber D mitcp'(G(x) D —iF(x)) = 0. Dies wiederum mag ebenfalls definitionsgem hei-

en, es gibt ein φ' mit cp'(G(x)) = l und φ'(—iF(x)) = 0. Der Iet2te Satz istein Satz der Metasprache, in welcher das G ltigkeitsargument gef hrt wird,von der Form

3Ιφ'@(φ')Λ\©(φ'))·Ich verwende die Symbole ΞΙ und /\ als metasprachliche Gegenst cke derobjektsprachlichen Zeichen 3 und Λ. Analoge typographische Vereinbarun-gen sollen auch f r andere logische Zeichen gelten. Wenn wir an dieser Stelledas metatheoretische Analogon von ( / / ) bem hen, k nnen wir bergehen zu

3l φ'(©(φ') Λ\$(φ')),also zu der Aussage: es gibt ein φ' mit φ'(—iF(x)) = 0 und <p'(G(x)) = l,bzw. zu der Aussage: es gibt ein φ' mit (p'(F(x)) = l und φ'(—iG(x)) = 0.Letzteres wird definitionsgem bedeuten: f r ein φ' ist (p'(F(x) D —iG(x))= 0, mithin ist (p(Vx(F(x) D —tG(x))) = 0. F r die G ltigkeit von (/ /) k nnteanschlie end auf eine der beiden folgenden Weisen argumentiert werden.

Erstens, angenommen, I = <D,(p> ist beliebig mit φ(3χ(Ρ(χ) Λ G(x))) =1. Das bedeutet, da es eine Variante φ' von φ ber D gibt mit φ'(Ρ(χ)) =l und (p'(G(x)) = 1. Hier haben wir wiederum einen Satz der Metasprachevon der Form

3l φ'@(φ') Λ\ ®(φ')),und durch Anwendung der betrachteten Relation selbst auf der Metaebenek nnen wir bergehen zu

3Ιφ'(@(φ')Λ\8(φ')),d.i. zu: es gibt ein φ' mit q>'(G(x)) = l und (p'(F(x)) = l, und damit zu: esgibt ein φ' mit <p'(G(x) Λ F(x)) = l, schlie lich zu: (p(3x(G(x) Λ F(x))) = 1.

Beim Beweis der Korrektheit von pr dikatenlogischen Systemen kommtman auch in weniger trivialen und damit weniger k nstlich herbeigezogenwirkenden Kontexten als dem gerade betrachteten immer einmal wieder indie Situation, in dieser Weise so etwas wie unmittelbare Zirkularit t zu erzeu-gen. Ich denke besonders an den Fall von Systemen der Pr dikatenlogik mitIdentit t und Funktoren. Der Kreis kann sich aber auch weniger unmittelbarschlie en, was in unserem Fall etwa dann geschieht, wenn f r ( / / ) wie folgtargumentiert wird.

Zweitens, angenommen, <D,(p> ist beliebig mit cp(3x(G(x) Λ F(x))) = 0.Dann ist f r alle Varianten φ' mit <p'(G(x)) = l nicht dazu cp'(F(x)) = l, dashei t:

V/ φ'((φ'(0(χ)) = 1) D -.. (<p'(F(x)) = 1)).

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Durch Anwendung von (10) in metatheoretischer Version folgt: für alle Vari-anten ' mit cp'(F(x)) = l ist nicht (p'(G(x)) = l, es gibt also kein ' mit(p'(F(x) G(x)) = 1. Hier wurde das metatheoretische Gegenstück von (10)zur Validierung der objektsprachlichen Relation ( / / ) benutzt, während zuvordas Gegenstück von ( / / ) zur Validierung von (10) diente.

Das ist eine Art von Zirkulär!tat, gegen die im normalen Logikbetriebnichts einzuwenden ist. Anders sieht die Sache aus, wenn man mit Letztbe-gründungsabsichten den Aufbau der Logik zu betreiben versucht. W. V. O.Quine hat solche Zirkularität quer über verschiedene Sprachebenen einmalin „Two Dogmas of Empiricism" durch die Rede von Kreisen charakterisiert,die sich nicht in der Ebene schließen, sondern im Raum (Quine (1963), S. 30).Wie man es aufgrund des Gesagten kaum anders erwarten kann, tritt eineArt von Zirkularität, die der weniger unmittelbaren Form entspricht, auch inAristoteles' Bemerkungen über die Konversionsverhältnisse bei assertori-schen Aussagen in A2 der An. pr. auf. Insoweit steht die akzeptierte assertori-sche Konversionstheorie nicht entscheidend besser da als die monierte mo-dale Konversions theorie.

Es kommt durchaus in Betracht, daß eine solche Rekonstruktion beispiels-weise des aristotelischen Arguments für die eN-Konvertibilität angemessenist, welche hinausläuft auf die Annahmen: die von Aristoteles angesetzte Hy-pothese „B kann einem A zukommen" ( , 25a31) ist die —für den Rahmen einer vorgegeben zu denkenden modal-prädikatenlogischenInterpretationsstruktur — getroffene metatbeoretische Setzung, daß — in diesemRahmen — eine mögliche Welt vorkomme, in welcher B einem A zukommt(das heißt eine Welt, in welcher das assertorische B i A wahr ist); von dieserHypothese geht Aristoteles über zu der Konsequenz, daß in der betreffendenWelt A einem B zukommt (daß in ihr A i B wahr ist). Eine analoge Sichtder Dinge hatte sich bewährt bei der Analyse der in AI 5 vorgefundenenArgumentation für die Gültigkeit von Barbara XKM. Will man das Argumentfür die eN-Konversion nach jenem Vorbild sauber modellieren, so muß manübrigens auch hier mit einer gesternten Variante eines der beteiligten Prädi-katbuchstaben arbeiten.

Ich komme zu Aristoteles' Argumentation für die Behauptung 9.), alsofür die Behauptung der eM-Konvertibilität. Wir wissen bereits, daß Aristotelessein Argument für den exemplarischen Satz „>Weiß< kommt möglicherweisekeinem Oberkleid zu" formuliert. Im Anschluß an die Formulierung derBehauptung für den Spezialfall dieses Satzes heißt es in 25bll —13:

Denn wenn Kleid einem Weißen notwendig zukäme, müßte auch weiß not-wendig einem Kleide zukommen. Das haben wir ja vorhin gezeigt (Rolfes(1921), S. 5).

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F r die Bewertung des Arguments spielt es keine Rolle, da Aristoteles stattmit Pr dikatsymbolen A und B mit konkreten Begriffsausdr cken (n mlichmit λευκόν und ίμάτιον, „wei " und „Kleid") arbeitet. Wie gehabt soll of-fenbar indirekt argumentiert werden. Die Voraussetzung lautet: A ejviB istwahr; Annahme: —i(B eMA) sei wahr, wahr n mlich sei

(12} <τό ίμάτιον) τινί <τω λευκώ) ανάγκη <ύπάρχειν>(*« >Kleid< (B) kommt einem Wei en (A) notwendig zu);

aus (12) soll folgen, wohl der im apodiktischen Teil eingef hrten ΪΝ-Konver-sionsregel entsprechend (auf die sich der Verweis „das haben wir ja vorhingezeigt" beziehen mu ):

(13} το λευκόν ίματίω τινι έσται εξ ανάγκης(== >Wei < (A) wird einem Kleid (B) notwendig zukommen),

also anscheinend A ΪΝΒ; dies w re allerdings ein Widerspruch zur Vorausset-zung der Wahrheit von A CMB.

Der Fehler des Arguments besteht darin, da Aristoteles nicht merkt, da(12), wenn (12) aus —i(B ejviA) folgen bzw. zu —i(B ei^A) quivalent sein soll,keine ijsj-Aussage im strikten Sinn ist. Denn wenn B e\iA VxN(A(x) DM-iB(x)) ist, dann ist -i(B eMA) gleichwertig mit 3xM(A(x) Λ NB(x)) - miteiner Notwendigkeitsformel, die ein u eres M anstelle des u eren N derstark apodiktischen ΪΝ-Aussagen aufweist. Und w hrend 3xN(A(x) Λ NB(x))konvertibel ist zu A iNB (zu (/-?)), ist 3xM(A(x) Λ NB(x)) klarerweise nichtkonvertibel. Wir haben eingesehen, da f r Aristoteles eine Verwechslungvon Aussagen sehr leicht m glich war, die unsere Notation augenf llig z. B.als 3xM(A(x) Λ NB(x)) auf der einen Seite und als 3xN(A(x) Λ NB(x)) aufder anderen zu differenzieren erlaubt. Die Verwechslung liegt, um es nocheinmal zu sagen, deshalb sehr nahe, weil Aristoteles sich im allgemeinen nursolcher Formulierungen zum Ausdruck von Modalpropositionen bedient, indenen lediglich ein Modalausdruck vorkommt — und zwar ein solcher, wel-cher den jeweils weiter innen stehenden Modaloperatoren in den nach unse-rer Analyse f r diese Propositionen ad quaten symbolischen Ausdr cken ent-spricht. Das ist im Falle modalisierter a- und e-Aussagen deren Eindeutigkeitnicht abtr glich, weil hier schon die Quantit t auf den u eren ModalfaktorN hinweist. Es ist auch im Falle derjenigen modalisierten i- und o-Aussagen,welche Aristoteles als m gliche Bausteine von syllogistischen Pr missenpaa-ren betrachtet, der Eindeutigkeit nicht abtr glich, weil nach unserer Analysebei diesen Aussagen jeweils der weiter au en stehende Modalfaktor mit demweiter innen stehenden identisch ist. Da dann doch F lle vorkommen k nnen,in denen die von Aristoteles verwendeten sprachlichen Mittel nicht mehr

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ausreichen, um Eindeutigkeit herzustellen und Verwechslungen auszuschlie-ßen, zeigt neben anderen Fällen der Fall des jetzt besprochenen Arguments.

Hätte nicht Aristoteles durch rechte Besinnung auf seinen eigenen Bei-spielsatz

>Weiß< kommt möglicherweise jedem Kleid nicht zu

Verdacht schöpfen können, daß die eM-Konvertibilität doch nicht gegebensei? Indem er nämlich den Gedanken faßte, mit der hier getroffenen Wahlvon Begriffsausdrücken sei ein BE-Argument gegen diese Konvertibilität zuführen möglich? Tatsächlich möchte man folgendermaßen argumentieren.Sicher gibt es aristotelische mögliche Welten, in denen weiße Kleider vorkom-men (wenn unser Satz ein Beispiel für einen solchen wahren Satz vom TypA eMB abgeben soll, mit dem zugleich A wahr ist, folgt das sogar ausder Wahrheit von A ejcB); in jeder solchen Welt haben wir etwas Weißes,nämlich irgendein weißes Kleid, das ein Kleid ist und damit doch wohl essen-tiell ein Kleid ist; also wäre nicht jedes in irgendeiner beliebigen möglichenWelt vorkommende Weiße möglicherweise kein Kleid, das heißt, B CMA wärefalsch unter den gewählten Einsetzungen?

„... ist weiß" ist ein Begriffsausdruck, der in seiner Anwendung nichtbeschränkt ist auf Individuen, die einen bestimmten Grad der Organisationaufweisen oder die, um es Aristoteles-gemäßer zu sagen, einen bestimmtenGrad der Formung aufweisen. Was das heißt, läßt sich noch besser mit einemMaterialprädikat wie „... ist tönern" illustrieren. Denn Farbprädikate betref-fen vorzugsweise den Farbcharakter der Oberflächen von Körpern und wer-den nicht nur von in einer bestimmten Weise durch und durch Gefärbtemzutreffend ausgesagt. Tönern ist eine aus Ton geformte Maske; tönern odervon Ton war aber auch der Tonblock, aus dem sie geformt wurde und derin gewisser Weise einen geringeren Grad der Formung aufwies; tönern warenschließlich auch die Teile dieser quaderförmigen Tonportion, die irgendwannzu einem Materialblock zusammengepreßt wurden. Insofern besteht eineÄhnlichkeit mit Prädikaten, welche sich so, wie „... ist tönern" sich auf Tonbezieht, auf die Substanzen beziehen, die bei Anaxagoras als Elemente fun-gieren und die in den Berichten des Aristoteles über die anaxagoreischenLehren als Homoiomerien ( ; . B. De caelo 3, 302a31 f.) bezeich-net werden — eben weil alles (rein) aus den betreffenden Materialien Ge-formte von der Art ist, daß seine räumlichen Teile ( ) ihm im Hinblickauf die materielle Beschaffenheit gleich ( ) sind; und es besteht eineÄhnlichkeit mit Prädikaten, die Quine „bulk terms" nennt in Absetzung von„individuative terms" (z. B. in „Speaking of Objects" in Quine (1969), S. 7f.).In der Tat ist „... ist weiß" nicht individuierend. Ein Symptom dieser Tatsa-

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ehe ist, daß wir, spräche uns jemand von einem „Weißen" oder von „etwasWeißem", dazu neigen würden nachzufragen, „ein weißes Was?" Weil „... istweiß" nicht individuierend und nicht an einen bestimmten Grad der For-mung gebunden ist, kann die Stoffbahn, aus der ein weißes Kleid geformtist, genauso zutreffend als weiß charakterisiert werden wie das Kleid selbst.Zweifellos können wir von einer weißen Textilbahn, aus der noch gar keinKleid geformt ist und vielleicht nie eins geformt werden wird, von einemgewissen weißen Individuum aber immerhin, wahrheitsgemäß sagen, daß esin einer möglichen Welt kein Kleid ist; es ist in der Bezugswelt kein Kleid.Daher ist auch jede weiße Stoffbahn, aus der ein weißes Kleid geformt wer-den wird, ein Weißes, das möglicherweise kein Kleid ist. Steht also die Exi-stenz aristotelischer möglicher Welten, in denen weiße, aus weißen Textilbah-nen geformte Kleider vorkommen, doch nicht in Konflikt mit dem Satz, daßalles Weiße möglicherweise kein Kleid ist? Ich sage, sie steht damit in Konflikt— jedenfalls solange wir im Rahmen unserer tatsächlichen Ontologie bleiben.Denn ein weißes Kleid ist nicht die weiße Stoffbahn, aus der es geformtwurde und die allerdings möglicherweise kein Kleid ist; es ist sie jedenfallsnicht im Sinne des „ist" der Identität, sondern es ist sie höchstens im Sinneeines „ist", wie man sagt, „of constitution" (oder deutlicher: im Sinne eines„ist" „of being constituted by"). Ein Weißes, das ein Kleid ist, ist nicht mögli-cherweise als dasselbe Individuum kein Kleid; entformt zur weißen Textilbahnist es in ein anderes Individuum übergegangen. Der Anschein, daß ein unddasselbe Weiße ein Kleid sein und auch nicht sein könne, entsteht höchstensdadurch, daß man sich wegen des nicht individuierenden Charakters von „...ist weiß" einmal unter dem „Weißen" ein weißes Kleid, ein andermal eineweiße Textilbahn vorstellen kann. Wenn damit geklärt ist, daß entgegen demAnschein weiße Kleider essentiell Kleider sein dürften, folgt unmittelbar, daßder Satz

>Kleid< kommt möglicherweise jedem Weißen nicht zu

falsch ist, sofern es mögliche Welten gibt, in denen weiße Kleider existieren.Denn wahr sind dann Sätze der Form 3xM(A(x) ( )) sowie VxN(B(x)D NB(x)), und diese beiden Formeln implizieren 3xM(A(x) ( )), dasist -iVxN(A(x) D -, ( )).

Die von uns bei der Besprechung von A20 problematisch gefundene Aus-sage (von deren Wahrheit in einer möglichen Welt Aristoteles an der seiner-zeit diskutierten Stelle auszugehen scheint), ein Weißes sei kontingenterweiseein Mensch (dazu oben der Schluß von III.2.8.), vermag, auch als de-re-Aussage aufgefaßt, durch denselben Mechanismus, wie er eben beschriebenwurde, dann doch eine gewisse Plausibilität zu beziehen. Ein hellhäutiger

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Mensch ist ein (an der Oberfläche) Weißes, oder besser gesagt mit Rücksichtauf die Offenheit von „... ist weiß" für die Kombination mit verschiedenenindividuierenden Prädikaten: er ist etwas Weißes. Er stirbt, und sein Leichnamist ebenfalls etwas Weißes. Das Weiße, welches der Leichnam ist, ist keinMensch und damit möglicherweise kein Mensch. Das Weiße, welches denLeichnam hinterlassen hat, war ein Mensch; wir haben es also anscheinendmit einem Weißen zu tun, das — im Sinne des atemporalen „ist" — einMensch ist in einer vergangenen und daher jedenfalls möglichen Situation;es ist damit möglicherweise ein Mensch. Doch tatsächlich handelt es sichauch hier nicht in beiden Zusammenhängen um ein und dasselbe Weiße.Dasjenige Weiße, welches hier möglicherweise kein Mensch ist, ist in derjeni-gen Situation, in der seine Teile noch in der Weise der Teile lebender Körperorganisiert sind, nicht identisch mit dem Weißen, das in dieser Situation einMensch ist; es ist vielmehr dies letztere Weiße nur im Sinne des „ist" derKonstitution.

Es bleibt nur eine Möglichkeit, die Dinge so zu wenden, daß es sowohlals wahr gelten kann, daß alles Weiße möglicherweise kein Kleid ist, als auchals wahr, daß ein Weißes kontingenterweise ein Mensch ist. Dazu muß mandas BE-Instrumentarium dahin liberalisieren, daß Änderungen auf der Seiteder in die verwendeten Begriffsausdrücke eingebauten oder auch nicht einge-bauten Individuationsprinzipien zugelassen werden — ohne daß der Anwen-dungsbereich der Begriffsausdrücke entscheidend verändert wird. Diese Libe-ralisierung würde bedeuten, daß man nicht mehr vollständig im Rahmen dertatsächlichen Ontologie verbleibt. So könnte man die in unseren Beispielenbenötigten Identitäten dadurch einfach erzwingen, daß man „... ist weiß"zu einem individuierenden Terminus macht und ihn mit einem derartigenIndividuationsprinzip versieht, nach dem etwa gilt: jede weiße Stoffbahn undjedes irgendwann aus ihr geformte weiße Kleid sind verschiedene Stadieneines und desselben Individuums, von welchem als demselben man zu einemZeitpunkt sagen kann: es ist kein Kleid, zu einem anderen: es ist ein Kleid— so daß es insbesondere sowohl möglicherweise kein Kleid ist als auchmöglicherweise eines ist. So wie ein Kind im Vorschulalter kontingenterweiseein Student ist, weil es einerseits sogar faktisch kein Student ist, andererseitsaber vielleicht 20 Jahre später ein Student ist als derselbe Mensch, der dannlediglich das frühere Stadium seiner Entwicklung hinter sich gelassen habenwird.

Begriffssysteme („conceptual schemes", würde Quine sagen) bestimmenOntologien. Die Hypothese, daß Aristoteles durch für die modale Syllogistikspezifische argumentative Zwänge dahin gedrängt worden sein könnte, danndoch auch ontologische Variationen in BE-Argumente einzubeziehen, werdeich im nächsten Kapitel noch einmal zur Diskussion stellen.

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Für die Behauptung 10.) ( -Inkonvertibilität) argumentiert Aristotelesnicht, und zur Rechtfertigung von 11.) und 12.) (Inkonvertierbarkeit des CK,Konvertierbarkeit des OK) verweist er auf die Ausführungen über Kontin-genzaussagen in den späteren Kapiteln. Die sind dann auch hinreichend fürdie Begründung von 11.) und 12.): ganz in Übereinstimmung mit unseremArgument „Zu 12.)" ergibt sich die Konvertibilität des A aus der Äqui-valenz mit A — durch komplementäre Konversion nach AI 3 — und ausder Konvertierbarkeit des A nach 25a40 — b3; die Inkonvertibilität desA eicB ist mit AI 7 im wesentlichen gesichert.

Wir haben nun gesehen, daß sich die meisten der Behauptungen des Ari-stoteles in A3 unter Strukturhypothesen rechtfertigen lassen, nach denennicht einfach im Stile Theophrasts z. B. eine aN-Aussage die entsprechendea-Aussage unter dem N-Operator ist (und mutatis mutandis für alle ändernmodalisierten Aussagen).

In der Vermutung, wir seien mit unseren Hypothesen auf dem richtigenWeg insbesondere auch im Hinblick auf die in die Strukturformeln eingebau-ten existentiellen Implikationen (von denen wir bei der Rechtfertigung derKonversionstheorie reichlich Gebrauch gemacht haben), können wir uns be-stätigt sehen durch die Maßnahmen, welche etwa Angelelli und Johnson zurSicherung der Konversionstheorie ergreifen. Im Falle Johnsons geht es dabeigenauer um die Sicherung des apodiktischen Teils der Theorie.

Angelelli erwägt verschiedene Möglichkeiten der Symbolisierung aristoteli-scher syllogistischer Aussagen und überprüft, wie weit man jeweils mit ihnenbei der Rekonstruktion der aristotelischen Theorie kommen kann. Er unter-scheidet — je nach Lokalisierung der Modaloperatoren — „externe" Symboli-sierungen von „internen" („external readings" von „internal readings"); under differenziert innerhalb der internen Symbolisierungsart noch einmal zwi-schen Symbolisierung mit „possible antecedent" und Symbolisierung mit „as-sertoric antecedent". (Dazu Angelelli (1979), S. 204 f.; vgl. auch oben die Zif-fern (/) bis (3).} Aussagen vom Typ A a^ beispielsweise gelten als in exter-ner Weise symbolisiert durch NVx(B(x) D A(x)); als in interner Weise mitmöglichem Antezedens symbolisiert durch Vx(MB(x) D NA(x)); schließlichals in interner Weise mit assertorischem Antezedens symbolisiert durchVx(B(x) D NA(x)). Ich habe hier wiederum Angelellis Symbolismus in un-sere Notation überführt. Die ursprünglichen Formeln Angelellis auch für dieanderen Aussagetypen entnimmt man der a. a. O., S. 205, gegebenen Aufstel-lung, auf die ich schon früher verwiesen habe. Nach allem, was bisher gesagtwurde, sollte klar sein, daß höchstens eine Symbolisierung von A aNB durchVx(B(x) D NA(x)) oder durch Vx(MB(x) D NA(x)) - und eine analogeSymbolisierung für die anderen Aussagetypen — eine Art der Symbolisierung

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ist, welche den Verhältnissen in der modalen Syllogistik nahe kommen kann.Uns interessiert nun, wie Angelelli im Hinblick auf die internen Symbolisie-rungsarten mit der aristotelischen Konversionstheorie umgeht.

Die Behauptung der Konvertierbarkeit von A auß in B INA hat in Ange-lellis Aufzählung der „Aristotelian claims" (a. a. O., S. 206) die Nummer (11).Angelelli schreibt zu dieser Behauptung (l 1) und zu einigen weiteren Behaup-tungen, um die wir uns im Moment nicht kümmern: „In (11), (12) and (13)in internal formulation, the predicate occurring in the subject subsentence ofthe implicans must be an o-predicate" (a. a. O., S. 206). Unter einem o-Prädikatoder -Prädikat (« Substanz-Prädikat) versteht Angelelli, wie wir sahen,ein Prädikat, das auf jedes Ding entweder notwendig zutrifft oder notwendignicht zutrifft, also:

Def.F ist ein o-Prädikat <* Vx(NF(x) V N-iF(x))

(vgl. S. 203 a. a. O.). Außerdem macht Angelelli für die gesamte Syllogistikdie Generalvoraussetzung, daß für jedes Prädikat F gelte: 3xF(x) („existentialimport"). Offenbar stellt sich also Angelelli die Rechtfertigung der Relation

A anB => B iNAwie folgt vor. Man muß dabei noch wissen, daß B i>jA bei Angelelli in inter-ner Symbolisierung gegeben ist durch die Formel 3x(A(x) ( )); dieVerzweigung in zwei Antezedensvarianten kennt Angelelli bei den partikulä-ren Aussagen nicht. Gegeben sei(14} Vx((M)B(x) D NA(x));es wird angenommen, daß B ein o-Prädikat ist, woraus mit der generellenexistential import-Voraussetzung 3xB(x) folgt:(15} 3xNB(x);(15} liefert zusammen mit (14):

3x(NB(x) ( ))und damit erst recht

3x(A(x) A NB(x))wie gewünscht. Wir sehen: indem Angelelli zumindest für den Kontext derBehauptung der Implikation von B INA durch A aNB zum Zwecke der Vali-dierung der Beziehung relativ zu den einzig diskutablen unter den von ihmerwogenen Symbolisierungsarten Voraussetzungen einführt, die (15} impli-zieren, macht er von mindestens ebenso starken Voraussetzungen Gebrauch,wie wir sie zur Reproduktion der Beziehung verwenden — indem wir nämlichdie Formel 3xNB(x) als disponiblen Bestandteil zur logischen Form vonA aNB selbst schlagen.

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Johnsons Modell läuft sogar in Gestalt der Bedingung (4) (s. oben II.7.,Begriff der J-Struktur) auf die Forderung hinaus, daß für jedes Prädikat ohneEinschränkung gelte: mindestens ein Individuum fällt notwendig unter es.

Übrigens erkennt man leicht, daß im Gegensatz zu unserem Mittel für dieSicherung der unreinen aN-Konversion Angelellis Mittel dann doch übersZiel hinausgeht; sofern man es nämlich nicht als ein ad hoc für sehr be-grenzte Kontexte eingeführtes Mittel nimmt, sondern es für alle Sätze deseinschlägigen Typs zur Anwendung bringt — d. h. für alle Sätze vom Typdes Implicans in Angelellis (11). Denn letzteres hieße die Festlegung treffen,daß stets der Subjektsterminus von aN-Aussagen ein o-Prädikat sei. Nun sollBarbara NKM gültig sein, und zwar, wie man doch wohl annehmen wird,nicht-trivial gültig. Man wird also annehmen, daß der Modus nicht schondeshalb gültig ist, weil die gemeinsame Wahrheit der Prämissen logisch ausge-schlossen ist. Ist aber in der Konjunktion A aNB ai<C der Terminus Bein o-Prädikat, so gilt: Vx—iKB(x); andererseits gilt wegen der generellenExistenzvoraussetzung·. 3xC(x); zusammen mit B ai<C ergibt sich (sei es, daßunsere Art der Symbolisierung, sei es, daß eine von Angelellis internen Sym-bolisierungsarten zugrunde gelegt wird): 3 ( ( ) — ( )), ein Wider-spruch. Im Rahmen des von mir gewählten Ansatzes zieht dagegen die An-nahme, daß A aNB aicC unter Einschluß der in Frage kommendenExistenzformeln erfüllbar ist, bloß die Konsequenz nach sich, daß 3xKB(x)

3 ( ) erfüllbar ist. B muß für eine Eigenschaft stehen, welche einigenDingen essentiell zukommt, anderen kontingenterweise. Das ist vom logi-schen Standpunkt aus ohnehin kein Problem; und selbst innerhalb des auslogischer Sicht zufällig abgegrenzten Begriffsvorrats unserer natürlichenSprachen lassen sich Ausdrücke von Eigenschaften finden, die diesem essen-tiell, jenem kontingenterweise zukommen. (Dazu später Näheres.)

Es gibt weitere Parallelen. Man kann sich schon denken, daß, wo -Prädikate im Spiel sind, auch -Prädikate («* Akzidens-Prädikate)ihre Rolle haben werden. Tatsächlich definiert Angelelli:

Def.F ist ein s-Prädikat <=> 3xKF(x)

(dazu S. 203 a. a. O.). Die Behauptung, daß A aicB das B impliziere, trägtin Angelellis Aufzählung die Nummer (6). Angelelli beschreibt a. a. O., S. 206,die Bedingungen, unter denen er (6) verifizieren kann:

„In (6) the subject subsentence of the implicans must be possible (one ortwo-sided) and B an s-predicate".

Als entscheidende Bedingung 3xKB(x) tritt hier also genau diejenige Bedin-gung auf, welche wir in dieser objektsprachlichen Form zur Teilformel vonFormeln des Typs A aicB gemacht haben.

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Zur quivalenz von A ίκΒ und B ijcA, d. i. Angelellis (7), hei t es bei An-gelelli:

„(7) is valid only if ACiB = Vx- ^Βχ Λ XAx., which is stronger than therequirement that Β be an s-predicate ...". (Zur Erkl rung der Notationverweise ich auf den Beginn des Kapitels.)

Was Angelelli sagt, ist richtig: aus Angelellis internem Translat von Aalso aus 3x(B(x) Λ KA(x)), folgt im Verein mit der Voraussetzung, da B eins-Pr dikat sei, lediglich 3xKB(x) Λ 3χ(ΚΑ(χ) (Λ B(x))) und daher schon garnicht 3x(A(x) Λ KB(x)). Unsere Strukturformel f r ϊκ-Aussagen ist so ge-w hlt, da sich aus ihr mit SS-Mitteln gerade das ergibt, wonach Angelellihier verlangt.

Um unter anderen die aristotelischen Behauptungen der reinen Konver-tierbarkeit der IM- Aussagen (d. i. Angelellis Nummer (9)) sowie der unreinenKonvertierbarkeit der aM- Aussagen (d. i. Angelellis (8)) retten zu k nnen rela-tiv zu den internen Symbolisierungsweisen, greift Angelelli brigens wiederzu dem so starken Mittel der Postulierung eines o-Pr dikats:

„In the internal formulations of (8), (9) and (10), each of the ve implica-tions requires that the predicate occurring in the predicate subsentence ofthe implicans be an o-predicate" (a. a. O., S. 206; Angelelli spricht hier des-halb von f nf Implikationen, weil (9) und (10) quivalenzbehauptungensind und damit je zwei Implikationsbehauptungen einschlie en).

Das Mittel leistet, was es leisten soll, z. B. im Hinblick auf (9): wenn A Ϊdas ist bei Angelelli in interner Version

3x(B(x) Λ ΜΑ(χ)),wahr ist und A ein o-Pr dikat ist, dann ist wahr die Konjunktion

3x(B(x) Λ ΜΑ(χ)) Λ Vx(MA(x) D NA(x)),wahr ist also erst recht

3x(B(x) Λ Α(χ)),damit

3x(A(x) Λ Β(χ))sowie

3x(A(x) Λ ΜΒ(χ)).Jedoch stellt sich hier abermals die Frage nach dem Geltungsbereich desPostulats. Sollte generell f r die Wahrheit von A ΪΜΒ der ουσία-Charaktervon A gefordert sein, so h tte das unakzeptable Konsequenzen: A IMB w rde— im System der Symbolisierungen Angelellis — A iisjB implizieren.

Einerseits, sage ich, best tigen die aufgezeigten Parallelen unseren Kurs.Andererseits steht die Komplexit t einiger der von mir auf der Grundlage

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unserer Strukturformeln angegebenen Rechtfertigungen f r die Konversions-behauptungen in einem auff lligen Mi verh ltnis zu den u erst sparsamenentsprechenden Bemerkungen des Aristoteles. In Anbetracht dessen dr ngtsich die Idee geradezu auf, da die hohe Korrelation zwischen dem, wasAristoteles als richtig behauptet, und dem, was von unserm Standpunkt ausrichtig ist, das Resultat blo er gl cklicher Zuf lle sei. Indem n mlich Aristote-les gar nicht an Aussagen gedacht habe, deren Struktur von unseren Formelnerfa t wird, indem er sich vielmehr in Wirklichkeit nur von dem Vorbild derassertorischen Konversionstheorie unreflektiert leiten lasse und im Grundebeispielsweise eN-Aussagen eben doch so behandele, als w re ihre Form ge-geben durch NVx(B(x) D —iA(x)). Manche der Formulierungen in A3 sindgeeignet, diesen Eindruck zu verst rken, z.B. 25a29f.:

ει μεν γαρ ανάγκη το Α τω Β μηδενί ύπάρχειν ... (~ wenn es n mlichnotwendig ist, da das A keinem B zukommt ...).

Dagegen finden wir in 25a32f. die Formulierung:

εί δε εξ ανάγκης το Α παντϊ ... τω Β υπάρχει (~ wenn aber das A mitNotwendigkeit dem ganzen B zukommt).

Ferner m ssen wir fragen, falls Aristoteles partikul re Notwendigkeits- undKontingenzaussagen in einer Weise verstehen sollte, der die zugeordnetenFormeln einigerma en gem sind, wo wenn nicht in A3 der Ort w re, andem man ein kl rendes Wort des Inhalts erwarten d rfte: „Iet2tlich meineich damit, da A einem B notwendig zukommt, da es etwas gibt, das sowohlnotwendig ein A als auch notwendig ein B ist"; „und mit A ΐκΒ meine ich,da es etwas gibt, das sowohl kontingenterweise ein A als auch kontingenter-weise ein B ist". Die Tatsache, da wir nichts dergleichen vorfinden, stelltsicherlich einen der Schwachpunkte dar, die es eben auch bei unserem Inter-pretationsansatz gibt. Denn es w re unbefriedigend, wollten wir uns st ndigauf allzu gro e Eile unseres Autors berufen.

Dennoch halte ich den Verdacht, Aristoteles habe die Konversionstheorieam Ende doch unter eher theophrastischen Intuitionen entwickelt, jedenfallsdann f r definitiv widerlegt, wenn es richtig ist, da Aristoteles in 25bl4—19

ber Kontingenzaussagen spricht.Nat rlich ist die Vermutung nicht v llig unplausibel, Aristoteles spreche

in diesem Abschnitt nicht von K-Aussagen, die z.B. in einem ως επί τοπολύ-/#// wahr sind, sondern von ως επί το no\v-Aussage», wie: die B sindmeistens nicht A, oder: die meisten B sind nicht A. In der Tat w re „diemeisten B sind nicht A" nicht konvertibel. Was aber soll eine negative partiku-l re ως επί το πολύ-Aussage berhaupt beinhalten? Vielleicht, wie es Becker

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in Erwägung gezogen hat, daß ein B meistens, nämlich im Sinne von: diemeiste Zeit seiner Existenz (als B), non-A ist. Solche Aussagen sind aberoffensichtlich ebenfalls nicht konvertibel, während Aristoteles in unseremAbschnitt behauptet, die partikulär verneinende Aussage des fraglichen Typssei konvertibel.

Es erscheint unmöglich, daß Aristoteles einerseits A so aufgefaßthaben soll, wie wir KVx(B(x) D - ( )) aufzufassen hätten, und andererseitsA für nicht konvertibel gehalten haben soll.

Auch kann man sich Argumente zurechtlegen, die Aristoteles, wie esscheint, zu führen in der Lage gewesen sein müßte und die ihn relativ zirkel-frei und ohne durch die assertorische Konversionstheorie gesteuerte unre-flektierte Analogiebildungen zur Akzeptierung einiger seiner Konversionsre-geln im subtileren Verständnis führen konnten. Nehmen wir die CN-Konver-sion! Wenn man

(16} VxN(B(x) D N-,A(x))

im Rahmen einer temporal formulierten mögliche-Welten-Semantik deutet,besagt (16} soviel wie

(//) alles, was zu irgendeinem Zeitpunkt, zu dem es existiert, unter Bfällt, ist (zu diesem Zeitpunkt) essentiell non-A bzw. fällt währendder gesamten Dauer seiner Existenz nicht unter A bzw. ist nichtmöglicherweise A.

Wäre nun

(18} VxN(A(x) D N^B(x))

falsch, so gäbe es (unter allen Individuen in Vergangenheit, Gegenwart oderZukunft) ein Individuum, das zu einem Zeitpunkt ti, zu dem es existiert,unter A fällt sowie zu einem Zeitpunkt t2 seiner Existenz unter B fällt bzw.zu ti möglicherweise unter B fällt. Also fiele ein Individuum, das zu einemZeitpunkt seiner Existenz unter B fällt, zu einem, möglicherweise von jenemverschiedenen, Zeitpunkt seiner Existenz unter A, im Widerspruch zu (17}.Wie es aufgrund der von mir gezeigten Tatsache, daß die eN-KonvertibilitätS5 voraussetzt, nicht anders zu erwarten ist, wird allerdings für dieses Argu-ment eine Version einer Zeitpunkte-Semantik benötigt, bei der nicht nur dasals möglich gilt, was später einmal eintreten wird (das liefe hinaus auf einetransitive und nicht symmetrische Alternativitätsrelation), sondern allge-meiner das, was irgendwann eintritt oder eintrat oder eintreten wird (das läuftauf eine Alternativitätsrelation hinaus, die eine Äquivalenzrelation, mithinvom S5-Typ, ist). Von einer solchen relativ einfachen Überlegung wird mannicht sagen können, daß sie ein technisches Instrumentarium voraussetze,

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welches außerhalb der Möglichkeiten eines Aristoteles liege. Richtig bleibttrotzdem, daß die eN-Konversion keine triviale Angelegenheit ist, wie schondaraus hervorgeht, daß sie eine so starke Logik liefert. Wieland bezeichnetdiese Konversion einmal als trivial (Wieland (1975), S. 83 n.13). Trivial istaber nur die Feststellung (als Interpretationsbehauptung), daß Aristotelesdiese Konversion für korrekt hält. Was man selbstverständlich wissenmöchte, ist, warum er das tut und warum er damit recht hat.

Es mögen auch Überlegungen eine Rolle gespielt haben, wie Patterson siesich in seinem Aufsatz (1990) vorstellt. Sicherlich kann man nämlich sagen,daß — um beim Beispiel der allgemein verneinenden N-Aussagen zu bleiben— vorzugsweise unter solchen Bedingungen um die Wahrheit von Sätzenvom Typ A CNB gewußt wird, unter denen es für die die Stellen von A und Beinnehmenden Prädikate kanonische Erklärungen gibt von der Art, daß dieDefinientia miteinander logisch nicht verträgliche Elemente enthalten. Mandenke etwa an Charakterisierungen verschiedener Spezies desselben Genusmittels einander ausschließender spezifischer Differenzen. Ich gehe allerdingsnicht so weit zu sagen, daß dies auch genau die Bedingungen sind, unterdenen solche Aussagen wahr sind, und daß dementsprechend das Gegeben-sein derartiger Bedingungen ist, was solche Aussagen beinhalten — wie Pat-terson meint (jedenfalls im Hinblick auf das, was er „strong necessity propo-sitions" nennt; dazu S. 164f. a.a.O.). Da die Beziehung zwischen A und B,die darin besteht, daß die Definientia von A und B einander widersprechendeMerkmale enthalten, symmetrisch in A und B ist, hat man trivialerweise etwasder allgemeinen eN-Konvertierbarkeit Ähnliches: immer dann, wenn A eNBunter Bedingungen der fraglichen Art wahr ist, ist auch B CNA wahr. Patter-son drückt die Dinge, die ich hier etwas vereinfacht habe, folgendermaßenaus. Dabei sind unter „strong En" CN-Aussagen im starken der von Pattersonunterschiedenen Sinne zu verstehen und ist „A Ns no B" zu lesen als: „A«ecessarily in the strong sense applies to no B".

„For strong En, A Ns no B, we have:

3. A is contrary to some element in the essence of every Band7. Some term in the definition of , ' signifies something contrary to some-thing signified by some term in the definition of ,B'.... given both 3 and 7 (i. e., strong En) we may infer from 7:10. Some term in the definition of ,B' signifies something contrary to some-thing signified by some term in the definition of , '.And this in turn implies the other proposition needed for the strong con-verse:3*. B is necessarily inapplicable to all A" (a.a.O., S. 169f.).

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Patterson will die Konsequenz ziehen, daß auf diese Weise die aristotelischeMetaphysik in die Konversionstheorie Eingang finde. Er schreibt über seineInterpretation dieses Theoriestücks, sie erlaube zu sehen:

„... how these principles [i. e.: the modal conversion principles], and themodal system as a whole, are to be understood in light of close and preciseconnections to Aristode's essentialist metaphysics" (a.a.O., S. 151).

Ich widerspreche dieser Konsequenz. Wenn Metaphysik in die aristotelischeModallogik involviert ist, dann ist sie das höchstens in einer basaleren Weise,als Patterson meint. Ich will dabei einmal davon absehen, daß schon dieEntscheidung, die wir relativ zu unserem Ausdruckssystem beschreiben wür-den als die auf der Syntax-Ebene angesiedelte Entscheidung, Modaloperato-ren für die Anwendung auf offene Formeln zuzulassen, als Verheiratung mitdem Essendalismus interpretiert werden könnte; dies ist ja auch nicht, woranPatterson denkt. Entscheidungen, die darauf hinauslaufen, eine bestimmteunter eventuell mehreren zur Wahl stehenden Logiken bzw. eine bestimmteunter den diesen Logiken jeweils korrespondierenden formalen Semantikenals die der Welt angemessene auszuwählen, können Entscheidungen mit me-taphysischen Implikationen sein. Nehmen wir nur den Fall der klassischenPrädikatenlogik als Beispiel. Die zugehörige formale Semantik arbeitet miteinem Begriff von Interpretations Struktur, nach dem zu einer Struktur stetsein nicht-leerer Individuenbereich gehört. Die Entscheidung für diese Seman-tik (und gegen die Semantik der sogenannten freien Logik) schließt daher dieEntscheidung für die Annahme ein, daß es immer (in jeder möglichen Welt)etwas gibt. Vielleicht muß man sagen, daß die Grenze zwischen Metaphysikund Logik insofern flexibel ist, als wir dazu zu neigen scheinen, gewissemetaphysische Prinzipien (wie, daß es etwas gebe) als derartig fundamentalanzusehen, daß sie uns schließlich als logische Prinzipien gelten. Nun hatsich gezeigt, daß die aristotelische Modallogik in gewisser Weise eine Ent-scheidung für S5 darstellt — auch wenn Aristoteles das so nicht sehen, ge-schweige denn sagen konnte; hätte er sich über die ganze logische Stärkeeiniger der von ihm akzeptierten Konversionsregeln Rechenschaft ablegenkönnen, hätte er vielleicht sogar aufgehört, sie für korrekt zu halten. Daherkönnte man sagen, daß diese Logik beispielsweise eine bestimmte Entschei-dung über den Charakter einer adäquaten alethischen Alternativitätsrelationund damit vielleicht eine metaphysische Setzung einschließt. Doch wenn einsolcher formalsemantischer Rahmen oder ein ihm korrespondierender axio-matischer Rahmen wie der (PL + S5)-Rahmen einmal gewählt ist, lassensich alle Gültigkeits- oder Beweisbarkeitsbehauptungen und dergleichen reinlogisch und metaphysikfrei begründen — wie das geht, habe ich u. a. für die

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eN-Konversion gezeigt. Metaphysikfreie Argumente, sage ich, können durch-geführt werden — bis auf möglicherweise dasjenige Quantum an Metaphysik,das in der zur Durchführung der logischen Argumente verwendeten Metalo-gik steckt.

Daß Aristoteles bei der Entwicklung der modalen Konversionstheorie undder modalen Syllogistik im ganzen auch etwas Glück gehabt hat, mag sein.So kann man sich gut vorstellen, daß Aristoteles die logischen Intuitionen,nach denen er die Modallogik zu entwerfen begonnen hat, ständig an Be-griffsbeispielen überprüft und weiterentwickelt hat. Wenn er dann beispiels-weise wahre Sätze vom A eNB-Typ hat bilden wollen, von denen es auchmöglich war zu wissen, daß sie wahr sind, wird es ihm sehr leicht passiertsein, daß er für B Prädikate wählte, welche mit dem Ausdruck Angelellis

-Prädikate sind; und immer dann, wenn VxN(B(x) D N—iA(x)) wahrund B ein -Prädikat ist, ist auch VxN(A(x) D N—iB(x)) ersichdich wahrohne besondere Voraussetzungen. Aber mit Glück allein kann man die an-scheinend außerordendiche Qualität der aristotelischen Modaltheorie wohlkaum erklären.

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