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Mobiliarsachenrecht, 25.10.2013 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)

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§ 1 EinführungIV. Prinzipien des deutschen Sachenrechts1. Trennungs- und Abstraktionsprinzipa. Trennung von dinglichem Rechtsgeschäft und zugrundeliegender schuldrechtlicher causa

Beispielsfall: Student S geht zum Bäcker B und kauft zwei Brezeln zum Preis von je 90 Cent. Er bezahlt mit einer 2 €-Münze und erhält ein Rückgeld von 20 Cent sowie die beiden Brezeln. Wieviele Rechtsgeschäfte sind vorgenommen worden?

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b.Abstraktheit des dinglichen RechtsgeschäftsDas dingliche Rechtsgeschäft und das schuld-rechtliche Rechtsgeschäft sind hinsichtlich ihrer Rechtswirksamkeit jeweils für sich zu beurteilen.

Beispielsfall: S hat etwas mehr Geld gespart und möchte ein Fahrrad von F kaufen. S und F einigen sich auf einen Preis von 400 Euro. Am Abend desselben Tages treffen sich S und F zufällig in einer Kneipe. F hat das Fahrrad dabei, und S ist auch gut bei Kasse. So wickeln S und F den Kaufvertrag ab. Allerdings hatte S bereits soviel getrunken, dass er nicht mehr zurechnungsfähig war. Wie ist die Rechtslage?

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2. Spezialitäts- und Bestimmtheitsgrundsatz• Dingliche Rechtsgeschäfte müssen sich auf

bestimmte individualisierte Gegenstände beziehen

• Es gibt keine sachenrechtlichen „Gattungsgeschäfte“

Beispielsfall:B ist der Inhaber eines Bücherladens und schon ziemlich alt. Der Laden befindet sich in der Passauer Altstadt in gemieteten Räumen. Da B sich zur Ruhe setzen möchte, verkauft er sein Geschäft an K. Wie können B und K den Kaufvertrag abwickeln?

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3. Publizitätsprinzip• Die dingliche Rechtslage soll möglichst

offenkundig sein• Verfügungen über dingliche Rechte erfordern

deshalb grundsätzlich einen Publizitätsakt (Übergabe, Eintragung und Anzeige)

• Vermutungswirkung des Besitzes (§ 1006 BGB)

• Besitz als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs• Durchbrechungen des Publizitätsprinzips durch

„besitzlose Pfandrechte“?

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4. Absolutheit dinglicher Rechte• (Nur) Dingliche Rechte verleihen ihrem Inhaber Schutz

gegenüber jedermann• Erste Gegentendenz:

Verdinglichung obligatorischer RechteBeispielsfall: S wohnt zur Miete im Wohnheim des Studentenwerks W. W soll nun privatisiert werden, und deshalb wird das Wohnheim an den Investor I veräußert. I möchte das Wohnheim zu Luxuswohnungen umbauen und fordert daher auch S auf auszuziehen. Zurecht?§ 566 BGB (1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

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• Zweite Gegentendenz:Relativierung dinglicher Rechte (Treuhand; Veräußerungsverbote)

Beispielsfall:Der reiche V ist sterbenskrank. Um seine Kinder zu versorgen, übereignet er seinem Freund F ein großes Zinshaus, das dieser für die Kinder verwalten und ihnen bei Volljährigkeit übereignen soll. V stirbt, und F hält sich auch einige Jahre an die Abmachung. Dann aber bietet ihm der I, der genau um die Verhältnisse weiß, viel Geld für das Zinshaus. F wird schwach und verkauft und übereignet das Haus. Wie ist die Rechtslage?

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5. Prioritätsgrundsatz• Prior in tempore, potior in iureBeispielsfall: K steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten. Er besitzt nur noch eine goldene Uhr. Diese Uhr verpfändet er an den A zur Sicherheit für ein Darlehen von 300 Euro. Freilich reichen auch die 300 Euro nur kurze Zeit, dann ist K wieder pleite. Er geht deshalb zu B, von dem er weitere 200 Euro bekommt. Auch B wird durch ein Pfandrecht an der Uhr gesichert. Als K die Darlehen nicht zurückzahlen kann, wird die Uhr öffentlich versteigert. Dabei wird ein Erlös von 400 Euro erzielt. Wer bekommt wie viel von diesem Erlös?• §§ 185 II, 1209 BGB; für Grundstücke: § 879 BGB

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6. Numerus clausus der dinglichen RechteBedeutung des numerus clausus• Typenzwang:

Nur die rechtlich vorgesehenen Typen können verwendet werden.Beispiele: Dingliche Rechte im Sachenrecht; Ehe und Lebenspartnerschaft im Familienrecht; Gesellschaftsformen im Gesellschaftsrecht

• Typenfixierung:Der Inhalt der Typen ist vom Gesetz verbindlich, dh. nicht abänderbar, ausgestaltet.Beispiel: Inhalt eines Pfandrechts; Satzung einer AG

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§ 2 Besitz und BesitzschutzI. Funktionen, Begriff und Formen des Besitzes1.Einleitung• Natürlicher Begriff des Besitzes: Das, was

jemand tatsächlich hat.• Natürlicher Begriff genügt nicht, wenn das

Recht Rechtsfolgen an den Begriff des Besitzes knüpft.

• Der rechtliche Begriff des Besitzes muss sich am natürlichen Begriff orientieren, aber so geformt sein, dass er den Funktionen des Rechtsinstituts „Besitz“ genügt.

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2. Funktionen des Besitzesa. Publizitätsfunktion• Der Besitz ist, anders als geistig-konstruierte

Rechte, grundsätzlich jedermann erkennbar.• Bei beweglichen Sachen knüpft § 1006 BGB

die Vermutung des Eigentums an den Besitz.• Der Besitz ist zudem regelmäßig die

Grundlage des gutgläubigen Erwerbs bei beweglichen Sachen.

• Änderungen der Rechtsverhältnisse an einer Sache erfordern regelmäßig auch eine Änderung der Besitzverhältnisse.

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Beispiel:A hat dem B ein Fahrrad verkauft und nach Zahlung des Kaufpreises auch gleich übergeben. B ist zunächst glücklich mit dem Rad, bis ihn der C eines Tages anspricht und behauptet, dass es sich bei dem Fahrrad um sein Eigentum handele, dass ihm vor einem Jahr gestohlen worden sei. B wendet sich empört an A, der aber die Vorwürfe zurückweist und seinerseits behauptet, er habe das Fahrrad selbst neu hergestellt in einem Laden gekauft. Belege für ihre Behauptungen können aber weder A noch C vorbringen. Wie ist die Rechtslage?

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b. Schutzfunktion• Der Besitz ist zwar kein absolutes Recht, aber

der Besitzer genießt trotzdem vielfältigen Schutz (§§ 858 ff., 1007, 823, 812 BGB).

• Die bestehende Besitzlage wird als solche geschützt; sie bildet die Grundlage für etwaige Rechtsstreitigkeiten.

Beispiel wie eben:Wie würde ein Rechtsstreit zwischen B und C ausgehen?

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c. Kontinuitätsfunktion Der Besitz wird auch zeitlich gegenüber Veränderungen der Rechtsverhältnisse an der besessenen Sache geschützt. Die Besitzlage wird stabilisiert:• § 986 Abs. 2 BGB: Ein Recht zum Besitz wirkt

auch gegenüber dem neuen Eigentümer• § 268 Abs. 1 S. 2 BGB: Ablösungsrecht des

Besitzers• § 937 Abs. 1: Eigenbesitz als Grundlage der

Ersitzung

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3. Der rechtliche Begriff des Besitzes• Der rechtliche Begriff des Besitzes knüpft an

den natürlichen Begriff an:Definition: Die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft (§ 854 BGB) einer Person über eine Sache.• Ein normatives Element kommt über die not-

wendige „Anerkennung durch den Verkehr“ hinzu.

• Die Sachherrschaft muss hinreichend gefestigt sein, so dass es gerechtfertigt erscheint, die Rechtsfolgen des Besitzes zu begründen.

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Beispiel 1: Prof. M hat die FAZ abonniert. Sie wird jeden Morgen in einer Tüte am Eingang seines Hauses um 5:00 Uhr abgelegt. M holt die Zeitung dann gegen 7:00 Uhr rein. Hat er auch zwischen 5:00 und 7:00 Uhr schon Besitz an der FAZ?Beispiel 2: M und C sind mit ihrem Pkw auf der Suche nach einem Parkplatz. Als M auf der gegenüber-liegenden Seite der Straße eine freie Lücke ent-deckt springt er aus dem Auto, läuft über die Straße und stellt sich in die Lücke. Ist er Besitzer des Parkplatzes geworden?

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Unterscheide: (zivilrechtlichen) Besitz und (strafrechtlichen) GewahrsamGewahrsamsbegriff im Strafrecht: Tatsächliche Sachherrschaft getragen von einem natürlichen Herrschaftswillen• Der Gewahrsamsbegriff des Strafrechts erfüllt

andere Funktionen als der Begriff des Besitzes im Zivilrecht.

• Im Strafrecht kommt es regelmäßig auf einen Schutz der erkennbaren und ausgeübten tatsächlichen Sachherrschaft an (z.B. § 242 StGB).

• Daher grundsätzlich keine normative Korrekturen des „natürlichen Besitzbegriffs“ im Strafrecht.

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Die Besonderheit der Besitzdienerschaft§ 855 BesitzdienerÜbt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.• Ein Besitzdiener hat zwar die tatsächliche

Sachherrschaft, aber er ist jemandem anderen untergeordnet, den man (dh. „der Verkehr“) als den „wahren“ Besitzer ansieht.

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Voraussetzungen einer Besitzdienerschaft nach § 855 BGB:• Weisungsabhängigkeit des potentiellen

Besitzdieners• Ausübung seiner tatsächlichen Gewalt für den

BesitzherrnBeispiel 1:A ist als Fahrer bei U angestellt und hat hierfür einen 5er BMW erhalten. Wer ist Besitzer des Autos?Beispiel 2:G ist Gast im Hotel des H. G hat seinen Zimmerschlüssel an der Rezeption bei dem Portier P des H abgegeben. Wer ist Besitzer des Schlüssels?

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4. Formen des Besitzesa. Eigen- und Fremdbesitz § 872 EigenbesitzWer eine Sache als ihm gehörend besitzt, ist Eigenbesitzer.Beispiel: S hat sich bei F ein Fahrrad geliehen. Weil ihm das Rad so gut gefällt, beschließt er nach einer Woche, daß er es behalten möchte. Hat er nun Eigenbesitz an dem Fahrrad erworben?• Nicht selten besitzt jemand als Fremdbesitzer

eine Sache, die einem anderen gehört.Achtung: Besitzdiener ist nur, wer weisungsabhängig von dem Besitzherrn ist!

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b. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz§ 868 Mittelbarer BesitzBesitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläu-biger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).• Manche Schuldverhältnisse berechtigen oder ver-

pflichten eine Person zum Besitz gegenüber einer anderen Person, dem mittelbaren Besitzer.

• Man spricht von abgestuftem Besitz.Achtung:Beim mittelbaren Besitz hat der unmittelbare Besitzer „echten“ Besitz iSd § 854 BGB und ist nicht bloß Besitzdiener nach § 855 BGB!

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Voraussetzungen eines Besitzmittlungsverhältnisses:• Unmittelbarer Besitz einer Fremdperson• Der unmittelbare Besitzer muss sein Besitzrecht

vom mittelbaren Besitzer ableiten• Zeitliche Begrenzung des Besitzmittlungs-

verhältnisses• Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers

nach Ende des BesitzmittlungsverhältnissesBeispiel: A hat ein spannendes Buch gelesen. Weil A dem F davon soviel erzählt hat, leiht der F sich das Buch von A aus. Auch F ist ganz begeistert und gibt das Buch nach der Lektüre an seine Schwester S weiter. Wie sind nun die Besitzverhältnisse an dem Buch?

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c. Allein- und Mitbesitz§ 866 MitbesitzBesitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.• Der Alleinbesitzer ist einziger Besitzer seiner

Stufe.• Mitbesitzer üben den Besitz ihrer Stufe

gemeinschaftlich aus.

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d. Teilbesitz (§ 865 BGB)§ 865 TeilbesitzDie Vorschriften der §§ 858 bis 864 gelten auch zugunsten desjenigen, welcher nur einen Teil einer Sache, insbesondere abgesonderte Wohnräume oder andere Räume, besitzt.Beispiel: A, B, C und D leben als Mieter des V in einem Haus in der Altstadt von Passau. Sie haben jeweils eigene Wohnungen und einen Verschlag im Keller. Die Waschküche und das Treppenhaus nutzen sie gemeinsam. Wie sind die Besitzverhältnisse?

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II. Erwerb und Verlust des Besitzes1. Erwerb des unmittelbaren Besitzesa. Originärer Erwerb des Besitzes• Der Besitzer kann den Besitz nach

§ 854 Abs. 1 BGB selbst ohne Beteiligung anderer, insbesondere des Vorbesitzers, erwerben.

Beispiel: S findet in der Mensa das Portemonnaie der F. Er nimmt den Geldbeutel an sich und will seinen Inhalt künftig für sich selbst nutzen. Wer ist nun Besitzer des Geldbeutels?

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b. Abgeleiteter Erwerbi. Durch Übertragung der tatsächlichen

Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB).ii. Durch bloße Einigung § 854 Abs. 2 BGBDie Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerb, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben.Beispiel: Holzfäller H besitzt einen Haufen frisch geschlagener Fichtenstämme im Wald. Er verkauft das Holz an K. Sie einigen sich darauf, daß das Holz nun K gehören soll und er fortan damit machen kann, was er will. Wer ist nun Besitzer des Holzes?

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iii. Durch Gesamtrechtsnachfolge§ 857 BGB. VererblichkeitDer Besitz geht auf den Erben über.• Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht das Vermögen des

Erblassers als Ganzes auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger über.

• Weil der Besitz keine Rechtsposition ist, greift § 1922 Abs. 1 BGB insoweit nicht.

• § 857 BGB ergänzt § 1922 BGB und fingiert den Besitz des Erben.

• § 857 BGB gilt nur für den zivilrechtlichen Besitz und nicht für den strafrechtlichen Gewahrsam.

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c. Besitzerwerb durch Stellvertreter?• Die Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB ermöglicht

eine Zurechnung von Willenserklärungen.• Da es beim unmittelbaren Besitz auf die

tatsächliche Sachherrschaft ankommt, ist hier eine Stellvertretung nach § 164 BGB nicht möglich.

Beispiel: S beauftragt den A, ihm ein neues Sachenrechtslehr-buch zu kaufen. A geht in den nächsten Buchladen und kauft die neueste Auflage des Baur/Stürner im Namen des S, was er auch gegenüber dem Verkäufer deutlich macht. Wer ist nun Besitzer des Buches? • Durch einen Stellvertreter kann man höchstens

mittelbarer Besitzer werden.

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2. Erwerb des mittelbaren Besitzesa. (Neu-)Begründung eines Besitzmittlungsver-

hältnisses nach § 868 BGBBeispiel: Student M mietet eine Wohnung von V.• Ein Besitzmittlungsverhältnis kann auch durch einen

Stellvertreter mittels erlaubten Insichgeschäfts nach § 181 BGB begründet werden.

Beispiel (noch einmal): S beauftragt den A, ihm ein neues Sachenrechtslehr-buch zu kaufen. A geht in den nächsten Buchladen und kauft die neueste Auflage des Baur/Stürner im Namen des S, was er auch gegenüber dem Verkäufer deutlich macht. Wer ist nun Besitzer des Buches?

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b. Übertragung eines Besitzmittlungsverhältnisses§ 870 Übertragung des mittelbaren BesitzesDer mittelbare Besitz kann dadurch auf einen anderen übertragen werden, dass diesem der An-spruch auf Herausgabe der Sache abgetreten wird.• Das Besitzmittlungsverhältnis beruht auf einem

Schuldverhältnis, dessen Ausfluss es ist.• Das Besitzmittlungsverhältnis geht mit dem

schuldrechtlichen Herausgabeanspruch über.Beispiel: Der Vermieter V tritt seine Rechte aus dem Miet-verhältnis mit dem Mieter M zur Sicherheit an seine Bank B ab. Wie sind nun die Besitzverhältnisse an der Wohnung?

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3. Verlust des Besitzesa. Verlust des unmittelbaren Besitzes§ 856 BGB. Beendigung des Besitzes(1) Der Besitz wird dadurch beendigt, dass der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert.(2) Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhin-derung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.Beispiel: Die etwas tüdelige alte Dame D vergisst ihren Geld-beutel nach einem Beratungstermin in der Bank. Noch auf dem Nachhauseweg fällt ihr der Verlust auf, und sie erinnert sich. Wer ist nun Besitzer des Geldbeutels?

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c. Verlust des mittelbaren Besitzes• Der mittelbare Besitz erlischt, wenn seine

Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.i. Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses und

Erlöschen des HerausgabeanspruchsBeispiel: Mieter M bleibt nach Ablauf des Mietverhältnisses in der Wohnung des V. Wie sind nun die Besitzverhält-nisse?ii. Besitzmittler verliert unmittelbaren Besitziii.Aufgabe des Besitzmittlungswillens durch den

Besitzmittler• Nach h.M. muss die Aufgabe des Besitzmittlungs-

willens nach Außen erkennbar sein.

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Literaturhinweise:•Baldus, Abhandenkommen und genereller Besitzaufgabewillen, JR 2002, 441 ff.•Medicus, Besitz, Grundbuch und Erbschein als Rechtsscheinträger, Jura 2001, 294 ff.•Schreiber, Die Besitzformen, Jura 2012, 514 ff.•Schreiber, Die Eigentumsvermutung für den Besitzer, Jura 2003, 392 ff.•Schreiber, Mittelbarer Besitz, Jura 2003, 682 ff.•Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, 2003 (umfangreiche Habilitationsschrift)