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Minderjährigenrecht II

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Minderjährigenrecht II

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Noch § 107

• Lediglich rechtlicher Vorteil: rechtliche Betrachtungsweise – Rechtsgeschäfte einzeln prüfen, Abstraktionsprinzip beachten!

– Keine ökonomische Betrachtung anstellen

– Nachteilig: Eingehen einer Verpflichtung, jede Verfügung über eigene Rechte

• Problem: Mittelbare Nachteile – Nicht: Steuern und andere öffentlich-rechtliche Lasten

– Nicht: Nachteile, die nicht an den Erwerb, sondern das Eigentum an sich anknüpfen • zB Belastung eines GS mit Hypothek, Nießbrauch

• Anders aber bei Miete & Pacht wegen § 566, 581 II

• Anders bei Erwerb einer ETW wegen Mitgliedschaft in Eigentümergemeinschaft

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Noch § 107

• Einwilligung = vorherige Zustimmung (§ 183) – Kann sich auf das konkrete Rechtsgeschäft beziehen („geh

endlich zum Friseur!“) – Aber auch generell erteilt werden („hier sind 20 €, kauf dir was,

aber hör auf zu nerven“)

• Allerdings nicht schrankenlos: – Herstellung einer „Quasi-Geschäftsfähigkeit“ („wir sind mit

allem einverstanden“) würde Zweck der § 106 zuwiderlaufen – Rechtlich unbeachtlich

• Auf die Genehmigung sind §§ 1643, 1812, 1813 ff., 1819-1822, 1825 anzuweden – Wer selbst nicht handeln kann, kann auch nicht vertreten.

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§ 110

• dogmatische Einordnung: Unterfall des § 107 BGB

• Formulierung „ohne Zustimmung“ deshalb unglücklich

• Unterschiede zu § 107 BGB:

– Einwilligung konkludent durch Hingabe von Mitteln

– Vertragswirksamkeit erst bei Leistungsbewirkung

§ 107 BGB: Minderjähriger kann sich verschulden

§ 110 BGB: Minderjähriger kann sich nicht verschulden

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Beispiel:

Dem 14jährigen Marius (M) wurden seit einem halben Jahr nicht mehr die Haare geschnitten. Seine Eltern, die einen ordentlichen Haarschnitt nun dringend für geboten halten, geben ihm 15 € und schicken ihn zum Friseur Friese (F). Auf dem Weg dorthin verliert er das Geld, ohne es zu bemerken. Nach dem Haare schneiden verlangt F Bezahlung.

Ist zwischen M und F ein Vertrag zustande gekommen?

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Lösung:

• Lösung über § 110 BGB: Wirksamkeit des Vertrages erst dann, wenn

vertragsmäßige Leistung bewirkt wird (= Bezahlung) kein vertraglicher Anspruch, nur Wertersatz, § 812

Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB • Lösung über § 107 BGB: Wirksamkeit des Vertrages wegen der Einwilligung

bereits mit Abschluss des Vertrages Anspruch aus Vertrag (+)

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Abgrenzung

• Auslegung, ob Einwilligung i.S.d. § 107 oder § 110 BGB

• maßgeblich ist objektiver Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB)

• im Zweifel Einwilligung nach § 110 BGB annehmen, da größerer Schutz des Minderjährigen

• Einwilligung nach § 107 BGB nur dann, wenn Zweckerreichung nach dem Willen der Eltern unbedingt gewünscht ist

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Voraussetzungen § 110

Gesetzlicher Vertreter hat dem Mj Taschengeld gegeben oder ihm Geld aus anderer Quelle überlassen (BaföG, Ferienjob, Patentante)

Vertragsschluss (nicht: einseitiges Rechtsgeschäft, § 111)

„Bewirken“ der Leistung = vollständige Bezahlung

Anzahlungen bei Ratenverträgen fallen nicht unter § 110, Wortlaut als „bewirkt hat“ lesen seltene Ausnahme: Leistung und Gegenleistung teilbar

(unbefristeter Versicherungsvertrag, LG Bochum VersR 1970, 25)

Ansonsten nicht bei Abonnements etc., die zu fortlaufender Leistung verpflichten

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Freie Verfügung?

• Auslegungssache!

• „freie Verfügung“ meint nicht jedes beliebige Rechtsgeschäft

• Empfängerhorizont des Minderjährigen

• Werte und Erziehungsziele der Eltern sind einbeziehen

• AG Freiburg v. 24.10.1997 in NJW-RR 1999, 637:

Der 16jährige Kläger kaufte sich von seinem Taschengeld eine Airsoftgun Beretta M92FS zum Preis von 76,90 DM. Als seine Eltern davon erfahren, fordern sie als Vertreter das Geld gerichtlich zurück.

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Freie Verfügung

• „Eine Einwilligung gem. § 110 BGB durch die Überlassung der Geldmittel liegt … nicht vor. Musste der Minderjährige annehmen, dass sich die in der Überlassung liegende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auf ein konkretes Geschäft nicht beziehen sollte, so ist ein solcher Vertrag selbst dann nicht von § 110 BGB gedeckt, wenn er ihn mit an sich zur freien Verfügung überlassenen Mitteln erfüllt. [Es] … widerspricht dem Erziehungszweck des Minderjährigenrechts, dem gesetzlichen Vertreter nur die Wahl zwischen zweckgebundenen Mitteln und einem "totalen Taschengeld" zuzubilligen, mit dem er alles und jedes Gut heißt, was der Minderjährige unternimmt. Auch bei frei überlassenen Mitteln muss der Wille des gesetzlichen Vertreters, Beschränkungen vorzunehmen, beachtet werden. [Es kann] ... dabei nur auf das Innenverhältnis zwischen dem Minderjährigen und dem gesetzlichen Vertreter ankommen.“

• Zu unkritisch insoweit AG München, NJW 2012, 2452 zur Tätowierung bei einer 17-jährigen

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Mittel

• Mittel iS des § 110: Nicht nur Geld, sondern auch Sachen

• Tauschgeschäfte erfasst • Probl: Surrogat der Mittel • Klassiker dazu: Lotterielos- Fall RGZ 74, 234 Der 17jährige M erhielt im Jahre 1910 ein

wöchentliches Taschengeld i.H.v. 3 Mark. Davon kaufte er sich ein Lotterielos, mit dem er 4.000 Mark gewann. Vom Gewinn kaufte er sich für 3.200 Mark ein Auto, das er bar bezahlte.

• RG hielt Vertrag für unwirksam und stellte dabei maßgeblich auf den Erkenntnishorizont des M ab:

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Surrogate:

aus RGZ 74, 234:

„…der in einfachen Verhältnissen lebende Vater sei niemals damit einverstanden gewesen, dass der 17-jährige, eine Unterrichtsanstalt besuchende Kläger den durch Ankauf eines Lotterieloses aus seinem geringen Taschengelde ihm zugefallenen großen Gewinn zum Ankaufe eines Kraftfahrzeuges und zum Betriebe eines kostspieligen, auch sittliche Gefahren aller Art mit sich bringende Sports verwende.“

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Surrogate:

• Differenzierung der h.M.:

– Wert des Surrogats übersteigt den Wert der überlassenen Mittel erheblich § 110 BGB nicht anwendbar

– Wert des Surrogats ist dem Wert der überlassenen Mittel vergleichbar § 110 BGB anwendbar

• Ansonsten Einverständnis des ges. Vertreters mit dem Folgegeschäft entscheidend

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Partielle Geschäftsfähigkeit

• selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, § 112 BGB

• Dienst- oder Arbeitsverhältnis, § 113 BGB

– Einschränkung: keine Berufsausbildungsverhältnisse

– Erweiterung: Rechtsgeschäfte, die einen Zusammenhang zum Dienst- oder Arbeitsverhältnis aufweisen (Bsp. Gewerkschaftsbeitritt, Eröffnung Gehaltskonto)

• Ermächtigung durch gesetzlichen Vertreter führt zu unbeschränkter Geschäftsfähigkeit in diesem Lebensbereich

• Vertretungsbefugnis entfällt (anders als bei § 107)

• Bei § 112 ger. Genehmigung erforderlich (Haftungsgefahr!) – Auch bei Einzelgeschäften, §§ 1643, 1821, 1822 – z. B. Veräußerung des

Erwerbsgeschäfts, Verfügung über ein Grundstück

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Verträge ohne Einwilligung, § 108

• Wirksamkeit hängt von Genehmigung des gesetzlichen Vertreters ab, § 108 Abs. 1 BGB

• Ausnahme § 108 Abs. 3 BGB: Mj. ist volljährig geworden – Dann Genehmigung durch ihn

– Nicht automatische Wirksamkeit

• Genehmigung, vgl. § 184 Abs. 1 BGB: „nachträgliche Zustimmung“ – ggü. dem beschränkt Geschäftsfähigen („Innengenehmigung“)

– ggü. dem Vertragspartner („Außengenehmigung“)

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Verträge ohne Genehmigung

• bis zur Genehmigung/Verweigerung der Genehmigung ist der Vertrag „schwebend unwirksam“

– wird genehmigt Wirksamkeit ex tunc (von Anfang an)

– wird nicht genehmigt endgültige Unwirksamkeit

• Genehmigung und genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäfts müssen sich decken

– Auslegung aus objektivem Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB

– probl.: Irrtümer bei der Genehmigung

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Innengenehmigung

• K (17) kauft von V (19) ein Notebook für 1.500 €, ohne seine Eltern zuvor gefragt zu haben. Da er befürchtet, dass sie mit dem Kauf zu diesem Preis nicht einverstanden sind, gibt er ihnen gegenüber einen Kaufpreis von 1.200 € an. Damit sind die Eltern einverstanden.

• keine Kongruenz keine wirksame Genehmigung

• §§ 133, 157 nicht anwendbar

• Bei Innengenehmigung müssen sich Inhalt der Genehmigung und Rechtsgeschäft objektiv decken.

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Außengenehmigung

• Wie im Ausgangsfall, nur rufen die Eltern bei V an und erklären, dass sie mit dem „Kaufvertrag über das Notebook“ einverstanden sind. V wusste nicht, dass K seinen Eltern einen falschen Preis genannt hatte.

• Aus Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) Genehmigung des richtigen Kaufpreises

• Aber str: • Teile der Literatur: §§ 133, 157 BGB nicht anwendbar. V kann sich

nicht darauf verlassen, dass der K seine Eltern richtig informiert • Teile der Literatur: Abstellen auf objektiven Empfängerhorizont (§§

133, 157 BGB) Kongruenz, aber Anfechtung möglich, Verhalten des Geschäftspartners kann i.R.d. Fahrlässigkeit bei § 122 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden

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Schutz des Vertragspartners, §§ 108 II, 109

• schwebende Unwirksamkeit = erhebliche Unsicherheit für Vertragspartner des beschränkt Geschäftsfähigen

• Muss er seine eigene Leistung erbringen?

• Wird er Leistung des Minderjährigen erhalten bzw. kann er sie behalten?

• Ist der Vertrag überhaupt wirksam?

Schutz auf drei Wegen:

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Schutz des Vertragspartners

• § 108 Abs. 2 Satz 1 BGB: Aufforderung des gesetzlichen Vertreters zur Erklärung über die Genehmigung

• Folge 1: Genehmigung kann nur noch gegenüber dem Vertragspartner erklärt werden, Hs. 1 (anders im Normalfall § 182 Abs. 1)

• Folge 2: bereits erteilte Genehmigung oder Verweigerung einer Genehmigung wird hinfällig, Hs. 2

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Beispiel

Onkel O schenkt seinem Neffen N (15) 200 € unter der Bedingung, dass sich N bis zum 1.9. wirksam zu einem Tanzkurs anmeldet. Daraufhin bucht N zum 30.8. bei der Tanzschule des T einen Tanzkurs. Die Eltern des N erfahren erst am 2.9. davon, sind aber einverstanden. Am 5.9. kommen T wegen der Minderjährigkeit des N Bedenken. Er bittet deshalb die Eltern des N um Mitteilung, ob sie einverstanden sind. Die Eltern stimmen am 8.9. zu.

O meint nun, er könne die 200 € zurückverlangen, weil N sich nicht wirksam bis zum 1.9. angemeldet hatte.

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Lösung

• Vertrag zwischen N und T war zunächst schwebend unwirksam, § 108 Abs. 1 BGB

• durch Genehmigung der Eltern wurde Vertrag ex tunc wirksam, § 184 Abs. 1 BGB

• Aufforderung des T hat Schwebezustand wieder hergestellt, § 108 Abs. 2 Satz 1 BGB

• Außengenehmigung der Eltern führt wiederum zu ex tunc-Wirksamkeit, § 184 Abs. 1 BGB

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Str.: § 108 II auch bei Einwilligung?

• Fall: Der 13jährige Filius (F) erhält von seinen Eltern die mündliche Einwilligung, sein Fahrrad reparieren zu lassen. F schließt daraufhin mit Beik (B), dem Inhaber einer Reparaturwerkstatt, einen Vertrag. Anschließend beschleichen B Zweifel, ob die Eltern des F wirklich mit der Reparatur einverstanden sind. Er fragt deshalb bei ihnen schriftlich an. Da sich die Eltern im Urlaub befinden, bleibt das Schreiben mehr als 2 Wochen unbeantwortet. Ist zwischen F und B ein wirksamer Vertrag zustande gekommen?

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Lösung:

• Einwilligung (§ 107 BGB)

• hinfällig wegen Aufforderung nach § 108 Abs. 2 BGB?

• Wortlaut (-), gilt nur bei Genehmigung!

• Inkonsequent?

• analoge Anwendbarkeit bei Vorliegen einer Einwilligung?

– pro: auch hier Interesse des Vertragspartners an Klärung

– contra: Wille des Gesetzgebers (Prot. I S. 60), deshalb keine planwidrige Regelungslücke (überzeugend)

• Vertrag ist nach zutreffender Ansicht wirksam, § 108 Abs. 2 Satz 2 BGB kann nicht analog herangezogen werden

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Weitere Schutzmaßnahmen

§ 108 Abs. 2 Satz 2 BGB: Unsicherheit wird auf zwei Wochen nach Zugang der Aufforderung beschränkt

§ 109 Abs. 1 BGB: Widerrufsrecht des Vertragspartners

„Waffengleichheit“ zwischen den Parteien

Ausnahme bei Kenntnis der Minderjährigkeit, Abs. 2 (ratio: fehlende Schutzwürdigkeit)

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Einseitige Rechtsgeschäfte

• Schutzbedürftigkeit des anderen Teils besonders hoch (keine „Fluchtmöglichkeit“ wie beim Vertrag, wo Vertragsschluss unterbleiben kann)

• Anwendungsbereich § 111 BGB: Geschäfte, bei denen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist bei rechtlich nachteiligen Rechtsgeschäften

• Satz 1: generelle Unwirksamkeit, wenn Einwilligung fehlt – nach h.M. zu weitgehend, Lösung über § 180 Satz 2, 2. Alt BGB analog – §§ 108, 109 gelten, wenn andere Partei mit der Vornahme des Geschäfts

ohne Einwilligung einverstanden war.

• Satz 2: Zurückweisungsrecht, wenn Einwilligung vorliegt, aber nicht schriftlich nachgewiesen wird Schutz vor Unsicherheit über Bestehen einer Einwilligung

• Satz 3: kein Zurückweisungsrecht, wenn der Vertreter den Vertragspartner von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte

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Fall (Bork, BGB AT, Rz. 1036)

• Der 17jährige M hat ein Mietshaus geerbt und möchte einem Mieter kündigen. Der Mietvertrag sieht eine halbjährige Kündigungsfrist zum Jahresende vor. Am 29.6. geht A ein Kündigungsschreiben des M zu, in dem dieser ihm zum Jahresende kündigt. A weist die Kündigung zurück, da M die Einwilligung seiner Eltern nicht nachgewiesen habe. Am 3.7. kündigt M erneut und legt dabei eine vom 25.6. stammende schriftliche Einwilligungserklärung seiner Eltern vor. Ist die Kündigung zum Jahresende wirksam?

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Zugang von WE beim Mj.

• Abgabe von WE ausführlich in §§ 107-113 geregelt • Empfang von WE nur kurz in § 131 Abs. 2 angesprochen • Grundregel: Kein Zugang, aber mehrere Ausnahmen: • 1. Fall: WE bringt dem Mj lediglich einen rechtlichen Vorteil

– Wirksamwerden der WE mit Zugang beim Mj, § 131 Abs. 2 Satz 2 BGB • zB Vollmachterteilung (§ 167 BGB) • zB Vertragsangebot ggü. Mj (§ 145 BGB), da Angebot als solches

rechtlich nicht nachteilig

• 2. Fall: WE ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, aber gesetzlicher Vertreter hat eingewilligt § 131 Abs. 2 Satz 2 BGB – Genehmigung genügt hier nicht

• Norm ist „mehr Loch als Käse“ • Hauptsächlich verbleibender Fall: Einseitige WE ggü. dem

Minderjährigen, zB Kündigung, Anfechtung, Rücktritt.

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Str.: Annahme des Angebots

• V erklärt gegenüber der 16jährigen K die Annahme eines Vertragsangebotes. Eine Einwilligung seitens der Eltern liegt nicht vor und K erzählt ihren Eltern auch nichts vom Vertrag. Einige Tage später fordert V die Eltern zur Genehmigung auf. Existiert hier ein zu genehmigender Vertrag?

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Lösung

• Wertung § 131 Abs. 2 Satz 1 BGB: beschränkt Geschäftsfähiger kann keinen Vertrag schließen, ohne Eltern zuvor einzuschalten

• Wertung § 108 BGB: Vertragsschluss auch ohne elterliche Einwilligung möglich, dafür aber (nachträglich) Genehmigung erforderlich

• Lösung der h.M.: – § 108 hat Vorrang

– Bei Vertragsschluss Zugang der Annahmeerklärung beim Minderjährigen ausreichend