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Materialien für Lesekreise Auf den folgenden Seiten finden Sie weiterführende Infor- mationen zu der Autorin Alice Munro und ihrem Werk. Außerdem haben wir für Sie einige Fragen zu dem Erzähl- band Das Bettlermädchen als Einstieg für eine Diskussion zusammengestellt. 331 LESEKREISE

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Page 1: Materialien für Lesekreise - bilder.buecher.de · Erzählungen wurden in dreizehn Sprachen übersetzt und ... war ich wie alle Frauen damals eine Hausfrau, ich ... Zur Kurzgeschichte

Materialien für Lesekreise

Auf den folgenden Seiten finden Sie weiterführende Infor-mationen zu der Autorin Alice Munro und ihrem Werk.Außerdem haben wir für Sie einige Fragen zu dem Erzähl-band Das Bettlermädchen als Einstieg für eine Diskussionzusammengestellt.

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Zu Alice Munro

Alice Munro, geboren als Alice Laidlawe am 10. Juli 1931,stammt aus Wingham, einer Kleinstadt im Südwesten deskanadischen Bundesstaates Ontario. Ihre Eltern hatteneine Farm für Silberfüchse. Als sie zehn Jahre alt war, er-krankte ihre Mutter an Parkinson. 1949 nahm sie an derUniversity of Western Ontario ein Journalismus-Studiumauf, das sie nach zwei Jahren abbrach. Sie zog nach Van-couver und heiratete James Munro, mit dem sie drei Töch-ter hat. 1963 gingen sie gemeinsam nach Victoria, BritischKolumbien, und eröffneten dort die Buchhandlung Munro’sBooks. Seit 1950 veröffentlicht Alice Munro in Zeitschrif-ten Kurzgeschichten. Ihr erster Erzählband Dance of theHappy Shades, an dem sie lange Zeit geschrieben hatte,wurde 1968 veröffentlicht und von der Kritik begeistertaufgenommen. Sie erhielt dafür die höchste literarischeAuszeichnung Kanadas, den Governor General’s Awardfor Fiction. 1972 trennte sich Alice Munro von ihrem Ehe-mann und zog zurück nach Ontario, wo sie als Writer-in-Residence an der University of Western Ontario an ihrenErzählungen arbeitete. Vier Jahre später heiratete sie Ge-rold Fremlin, einen Geographen, mit dem sie bis heute zu-sammen ist.

Die Landschaft Kanadas bildet den Hintergrund vieler

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Geschichten von Alice Munro, ihre Figuren kommen meistaus kleinen Provinzstädten und leben ungewöhnlich ge-wöhnliche Leben. Oft sind es junge Frauen, die auf der Su-che nach ihrer Identität die kleinbürgerliche Beschränkt-heit, in der sie aufgewachsen sind, hinter sich lassen undauf die Suche nach dem großen Glück gehen. Erzählt wirdvon Missverständnissen, von der Kraft der Einbildung, vonder Macht der Liebe, Hochgefühlen und Hilflosigkeiten,dem Weglaufen und Ankommen.

Wie keine Zweite beherrscht Alice Munro die Kunst,ganze Romanhandlungen, die zumeist Geschichten vonmehreren Frauengenerationen umspannen, in einzelnenErzählungen zu verdichten. Ihrer Meisterschaft in der Tra-dition der amerikanischen Short Story haben namhafteAutoren wie John Updike oder Jonathan Franzen Reverenzerwiesen. Für ihren Band Das Bettlermädchen [englischerTitel: The Beggar Maid, in der kanadischen Ausgabe zu-nächst Who Do You Think You Are?] hielt Alice Munro1978 erneut den Governor General’s Award und stand1980 auf der Shortlist des Man Booker Prize.

Ins Deutsche sind inzwischen neun Erzählbände sowieein Roman von ihr übertragen. Neben Margaret Atwood(mit der sie gut befreundet ist) und Michael Ondaatje ge-hört Alice Munro zu den renommiertesten Autoren Kana-das und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. IhreErzählungen wurden in dreizehn Sprachen übersetzt underschienen in Zeitungen und Zeitschriften wie The NewYorker, The Atlantic Monthly oder The Paris Review. AliceMunro lebt mit ihrem Mann in der Kleinstadt Clinton inOntario und in Comox, Britisch Kolumbien.

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Ein Gespräch mit Alice Munro über ihr Leben als eine Frau und Mutter,

die nebenher Weltliteratur schrieb

Von Annette und Guido Mingels

Woher rührt Ihre Liebe zur kurzen Form?

Alice Munro: Als ich zu schreiben begann, in den Fünf-zigern, war ich wie alle Frauen damals eine Hausfrau, ichhatte kleine Kinder, mein Mann arbeitete außer Haus. Ichhatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeitfür große Würfe. Zur Kurzgeschichte fand ich also aussehr praktischen Gründen. Und ich glaube, es ging denmeisten schreibenden Frauen meiner Generation so: Siemussten sich ihre Zeit fürs Schreiben zusammenstehlen.

Wie muss man sich diesen Alltag vorstellen?

Alice Munro: Nun, als die Kinder klein waren, mussten sieimmer einen Mittagsschlaf halten, und zwar alle zur glei-chen Zeit, ob sie wollten oder nicht – denn das gab mireine oder zwei ungestörte Stunden für mein Schreiben. Alssie dann zur Schule gingen, wurde es etwas besser, da hatteich pro Tag etwa drei Stunden für mich. War ich einmalrichtig drin in einer Geschichte, ging im Haushalt allesdrunter und drüber. Ich schälte die Kartoffeln, dachte mirdabei die nächsten paar Sätze aus, setzte die Kartoffeln auf,und während diese kochten, rannte ich ins Wohnzimmer

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und schrieb wieder ein paar Zeilen. Dann schnell wiederin die Küche – mehr als einmal waren die Kartoffeln dannverkocht. Ich hatte damals kein eigenes Arbeitszimmer –und bis heute habe ich keines. Ich schreibe an einem klei-nen Sekretär in einer Ecke des Wohnzimmers.

Warum tun Sie das?

Alice Munro: Heute ist es bloß noch eine Marotte, aber eskommt natürlich daher, dass ich in einer Zeit zur Schrift-stellerin wurde, als dies für Frauen kein Beruf war. Männerwaren Schriftsteller. Und sie waren es mit Leib und Seele,sie fühlten sich berufen, taten nichts anderes. Männer hat-ten deshalb auch ein Büro zum Schreiben. Frauen nicht.Frauen schrieben nebenbei, heimlich. Ich glaube, dass ichbis heute ganz anders arbeite als ein schreibender Mann.

Sie sagten einmal, Sie hätten eine gewaltige Angst davor,überschätzt zu werden. Warum?

Alice Munro: Nun, das liegt einfach an meiner Erziehungund an meiner Herkunft. Ich stamme aus einer Sippeschottischer Calvinisten, Immigranten, die vor nur zweiGenerationen aus der Alten Welt nach Kanada aufgebro-chen sind. Der Calvinismus sagt, dass man jedes bisschenGlück, das einem zukommt, anzweifeln muss, vor allemauch das Lob, das man vielleicht erhält. Denn wahrschein-lich wird man zu Unrecht gelobt, wahrscheinlich ist manin Wahrheit ein Sünder. Hatte ich als Schülerin 95 von100 Punkten in einem Test, gab ich zu Hause nicht damitan, sondern schämte mich für die fünf fehlenden Punkte.Demut, Gottvertrauen, ehrliche Arbeit – das waren die

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wichtigen Werte. Ich bin eigentlich im 19. Jahrhundertaufgewachsen.

Sie sind eine Pionierin.

Alice Munro: Meine Vorfahren waren Pioniere. Aber ich?

Weil Sie sich einen Weg bahnen mussten aus dem 13. Jahr-hundert heraus in die Gegenwart. Weil Sie sich aus eigenerKraft von der Haus-und-Herd-Frauenrolle lösen mussten.Sie sind den Weg der Emanzipation gegangen, bevor es dieEmanzipation gab.

Alice Munro: In diesem Sinne ja, vielleicht bin ich eine Pio-nierin. Ich habe einfach immer das getan, was ich wollte,und ich wollte zwei Dinge: einen Mann heiraten, den ichliebe, und Schriftstellerin sein. Und dann habe ich michnicht aufhalten lassen durch den Umstand, dass diese bei-den Ziele nicht miteinander vereinbar waren.

Sie heirateten sehr jung, bekamen schnell Kinder und ver-ließen Ihren Mann nach 22 Jahren Ehe.

Alice Munro: Alle haben zu meiner Zeit mit 20 geheiratet.So war es eben. Aber dann, als ich mich scheiden ließ, gin-gen überall um mich herum die Ehen in die Brüche. Eswar eine große Irritation zwischen den Geschlechtern.

Dieses Muster – junge Frau bricht aus ihrer traditionellenRolle aus und wählt die Freiheit – findet sich in ihren Ge-schichten immer wieder.

Alice Munro: Weil es meine eigene Geschichte ist.

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Verstehen Sie sich als feministische Autorin?

Alice Munro: Ich bin keine feministische Autorin, aber ichbin eine Feministin. Obwohl, ich würde niemals mit Trans-parenten auf die Straße gehen oder mich politisch enga-gieren. Es interessiert mich nicht im Mindesten, Politik inmeine Literatur einzubringen. Ich bin eine Feministin, weilich mich für die Geschichten von Frauen interessiere.

Eine wichtige Rolle in Ihrem Schreiben spielt das Verhält-nis zwischen Müttern und Töchtern. Und immer geht esdabei um Hassliebe.

Alice Munro: Ja, nicht wahr? Weil es zwischen Töchternund Müttern ein Leben lang darum geht, Liebe und Hass,Nachahmung und Loslösung. Die Literaturgeschichte istvoll von Büchern über Väter und Söhne, es gibt sogar eineigenes Wort dafür, »Bildungsroman«, ein deutsches Wort,das auch im Englischen benutzt wird. Das sind Geschich-ten von Söhnen und ihrem Verhältnis zu der Kultur ihrerVäter, in die sie hineingeboren werden. Vielleicht habe ich»Bildungsromane« über Töchter geschrieben, Geschichtenüber deren Abschied von ihren Müttern.

Sie sagten einmal, Sie fühlten sich schuldig Ihrer eigenenMutter gegenüber.

Alice Munro: Ja, das tue ich, es vergeht kein Tag in mei-nem Leben ohne diesen Gedanken. Meine Mutter wurdekrank, als ich ein Teenager war, und ihre Krankheit, diesich später als Parkinson erwies, verängstigte mich damalsso sehr, dass ich mich ihr nicht mehr nähern konnte. Heute

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wünschte ich, ich wäre meiner Mutter gegenüber liebe-voller gewesen, aber Teenager sind leider oft nicht sehr lie-bevoll – gegenüber niemandem.

Auch Ihrer eigenen Tochter, Sheila, fiel der Abschied nichtleicht. Sie schrieb ein Buch über ihre berühmte Mutter, indem es heißt: »Es ist so unverhältnismäßig, die Tochter vonAlice Munro zu sein. Meine Mutter ist eine Ikone. Und waskann man mit einer Ikone anderes tun, als zu ihr zu betenoder sie zu ignorieren oder sie in Stücke zu schlagen?«

Alice Munro: Ja, und sie hat Recht damit. Kinder wollenihre Eltern für sich allein haben. Gerade Sheila, die meinerstes Kind war, hat vielleicht nicht das Allerbeste von mirbekommen, ich gebe es zu. Ich habe mich nie danach ge-sehnt, Kinder zu haben. Ich war nie von ganzem HerzenMutter. Es geschah einfach. Verstehen Sie mich nichtfalsch, ich liebe meine Töchter über alles, aber dieses exi-stenzielle Aufgehen in der Mutterrolle, das habe ich nichtgespürt. Ich war wohl zu sehr mit meinem Freiheitskampfbeschäftigt. Erst heute, als Großmutter, erlebe ich, dass ichgar nicht genug bekommen kann von kleinen Kindern. Ichbin verrückt nach ihnen.

Hat sich dieser Freiheitskampf gelohnt? Leben Frauen heu-te sehr viel anders als in den Fünfzigern und Sechzigern?

Alice Munro: Sicher. Obwohl – natürlich müssen moderneMütter heute erkennen, dass die Freiheit kein Zucker-schlecken ist. Sie haben Jobs und führen nebenbei nochden Haushalt. Ich höre heute junge Frauen sagen, dass siegerne für eine Weile zu Hause bei ihren Kindern bleiben

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würden, aber dass sie es sich schlicht nicht leisten können.An solche Probleme hat damals keiner gedacht. Es warreiner Idealismus, alle dachten, wenn die Frauen Karrieremachen wollen, bleiben halt die Männer eine Weile zuHause. Aber es kam anders. An die Stelle der Ideale tratenbei dieser Generation der Ehrgeiz und das Geld. Das hatniemand vorhergesehen.

Ein Verrat an der Freiheit?

Alice Munro: Nein. Es hat sich einfach gezeigt, dass Frei-heit nicht für alles die beste Lösung ist. In den Siebzigernglaubten alle, dass die Freiheit des Einzelnen mehr Glückfür alle bedeutet. Wer in einer schlechten oder auch nurhalbwegs unglücklichen Ehe lebte, löste sie auf, immer imGlauben, dies sei für alle das Beste, die Kinder eingeschlos-sen. Aber natürlich stimmte das nicht, besonders für dieKinder nicht. Das Glück ist komplizierter. Glück ist harteArbeit.

In Ihren Geschichten aber erzählen Sie oft von Menschen,die sich für die Liebe und gegen das moralisch Richtigeentscheiden. Steht für Sie die Liebe jenseits der Moral?

Alice Munro: Ich stelle einfach fest, die Menschen handelnso. In der gesamten Literaturgeschichte ist die Liebe dieüberwältigende Kraft, die den Plot vorantreibt, und sie istes auch im wirklichen Leben.

Dieser Text ist in der Originalversion erschienen in DasMagazin Nr. 11/18.3.06.

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»König Cophetua und das Bettlermädchen« (1884) von Edward Burne-Jones(»King Cophetua and the Beggar Maid«) © Tate, London 2007

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Fragen zur Diskussion

• Welche Rolle spielt für Flo und Rose die Kunst des Ge-schichtenerzählens? Welchen Stellenwert hat Literatur,die Rose in der Schule kennen lernt, zu Hause in West-Hanratty?

• Welche Erfahrungen macht Rose als Mädchen mit Kör-perlichkeit und Sexualität? Gibt es eine geschlechter-spezifische Differenz, die in den Geschichten etabliertwird?

• Welche Rollenzuweisungen innerhalb der Familie über-nimmt Rose von ihrem Umfeld? Und wie gelingt es ihr,sich von dem als »selbstverständlich genommenen Hin-tergrund ihres Zuhauses« (S. 110) zu emanzipieren?

• Judith Hermann schreibt: »Nicht selten entfaltet AliceMunro den Beginn einer Liebe als ihr Ende.« Trifftdiese Aussage auch auf die Begegnung von Rose undPatrick zu?

• Auf Seite 124 sagt Patrick zu Rose: »Du bist wie dasBettlermädchen (…) Du weißt doch. Das Bild. KennstDu das Bild nicht?« Damit bezieht er sich auf das

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Gemälde König Cophetua und das Bettlermädchen vonEdward Burne-Jones (siehe Abbildung auf S. 341). Wassagt Patricks Vergleich über seinen Blick auf Rose aus?Und über die Art, wie er seine Beziehung zu ihr defi-niert wissen will? Und wie reflektiert Rose PatricksSicht, als sie sich das Gemälde in der Bibliothek ansieht(S. 126)?

• Warum lässt der Erzähler Rose Szenen, die sie mitPatrick erlebt, häufig aus der Perspektive eines unbetei-ligten Beobachters rekapitulieren? Vgl. folgende Passageauf S. 128: »Sie hatte das Bild satt, das sie in diesemAugenblick boten, als sie durch einen verschneiten Parkin der Stadt gingen, ihre bloße Hand in die Patricks ge-schmiegt, beide in seiner Tasche.« Oder auf Seite 152:»Dann überkam sie ein überwältigendes Bild von sichselbst. Sie lief leise in Patricks Kabine, sie warf die Armevon hinten um ihn, sie gab ihm alles zurück.«

• Inwiefern relativiert der Besuch bei Patricks Familie inBritisch Kolumbien Roses Sicht auf ihre eigene Familie?Aus welchem Grund löst Patricks Besuch in West-Han-ratty bei ihr erstmals ein Gefühl der Verbundenheit mitihrer Familie, mit dem Laden, der Stadt und der »we-nig bemerkenswerten Landschaft« (S. 143) aus?

• Alice Munro geht mit Verweisen, die eine zeitliche Ein-ordnung der Geschehnisse zulassen, sehr sparsam um.Wie stellt sie das Vergehen von Zeit dar? Wie greifendie verschiedenen dargestellten Zeitebenen etwa in derfünften Geschichte ineinander?

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• Welche Funktion kommt dem Figurenpaar Jocelyn undClifford zu? Welche Ideale verkörpert es?

• Essen ist ein zentrales Element in Das Bettlermädchenund charakterisiert häufig Roses Befindlichkeit, aberauch das Gefälle zwischen städtischer und ländlicherUmgebung. Welche Beispiele geben die Geschichten fürdiese These?

• Wie gelingt es Munro, Roses widersprüchliche Gefühls-lagen darzustellen? Welche Rolle spielen das Zweifelnund Zaudern in Roses Leben? Welche Hoffnungen setztRose in die Begegnungen mit Tom oder Simon? Warumlässt sie ihre Lebensentwürfe immer wieder hinter sichund flüchtet sich an neue Orte und in neue Beschäfti-gungen?

• Auf welche Weise wird Flos veränderter Geisteszustandin der vorletzten Geschichte Buchstabieren eingeführt?

• Welche Bedeutung kommt der letzten Geschichte Wasglaubst du, wer du bist? im Gefüge der zehn Geschich-ten zu? Was verbindet Rose mit Ralph Gillespie? Wasmeint der Satz »Es schien da Gefühle zu geben, von de-nen man nur in Übersetzung sprechen konnte; viel-leicht konnte man auch nur in Übersetzung damit um-gehen.« (S. 327)?

• Könnte man Alice Munros Geschichten von Flo undRose auch als Roman begreifen?

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Weiterführende Literatur

Bisher auf Deutsch von Alice Munro erschienen:

Alice Munro, Der Mond über der Eisbahn, BvT, Berlin2001.Alice Munro, Die Jupitermonde, BvT, Berlin 2002.Alice Munro, Offene Geheimnisse, BvT, Berlin 2004.Alice Munro, Glaubst Du, es war Liebe?, BvT, Berlin2005.Alice Munro, Kleine Aussichten, BvT, Berlin 2005.Alice Munro, Die Liebe einer Frau, Fischer, Frank-furt a. M. 2000.Alice Munro, Der Traum meiner Mutter, Fischer, Frank-furt a. M. 2002.Alice Munro, Himmel und Hölle, Fischer, Frankfurt a. M.2004.Alice Munro, Tricks, Fischer, Frankfurt a. M. 2006.

Literatur über Alice Munro:

Sheila Munro, Lives of Mothers & Daughters. Growingup with Alice Munro, McClelland & Stewart, Toronto2002.

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Thacker, Robert, Alice Munro. Writing Her Lives. A Bio-graphy, McClelland & Stewart, Toronto, 2005.Thacker, Robert (Hg.), The Rest of the Story: CriticalEssays on Alice Munro. ECW Press, Toronto 1999.

Weitere Romane bei BvT mit Anhang für Lesekreise:

Khaled Hosseini, Drachenläufer, Berlin 2004.Anne Michaels, Fluchtstücke, Berlin 2004.Elke Schmitter, Frau Sartoris, Berlin 2002.

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