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101 100 MAGAZIN Das Motorradfestival BUILT NOT BOUGHT versammelt alljährlich einen bunten Haufen schneller Maschinen und wilder Kerls auf dem Spreewaldring. Fahrzeuge aus acht Jahrzehnten in voller Schräglage D er Begriff „Built not Bought“ ist als Mantra der Klassiker- und Custom-Szene mit weit mehr belegt als nur dem vorder- gründigen Streben nach möglichst viel Bastelei. Es geht nicht darum, das Kaufen von Anbauteilen zu verteu- feln, um gleichzeitig das Gewinde jeder noch so versteckten Schraube selbst zu schneiden. Vielmehr verkörpern die drei Wörter eine Geisteshaltung, in der ein Fahrer eines Motorrads eben auch Schrauber ist, der jede hand- werkliche Herausforderung mit großer Motivation annimmt. Ob er kläglich an ihr scheitert oder sie LEGENDEN Beim Le Mans- Start zum „Cafe Racer Gold Cup“ kämpften Alltagshobel gegen echte Renner. Doch auch Youngtimer wie die 400er Honda von Jens Papperitz (Nummer 669) waren dabei. Wer mit Leidenschaft schraubt, war sowieso will- kommen (oben) Bunter kann ein Starterfeld kaum sein: Die Gespanne wirbelten im Drift mächtig Staub auf, während Seeley-BSA oder NSU SS 500 schon als Stillleben für Entzückung sorgten Karierte Flagge für die MO-Güllepumpe (oben). Sascha Bellon (Nummer 12, links) feierte den Sieg der Classic Superbikes mit einem Burnout. Er und seine 35 Jahre alte Honda Bol dOr konnten es noch. Rechts die lädierten Instrumente von Jens Hansens Laverda nach ungewolltem Bodenkontakt. Vor dem Umblättern bitte eine Gedenk- minute! KLEINE

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Page 1: MAGAZIN KL EIN - racecafeberlin.files.wordpress.com · Vom authentischen Cafe Racer über ölende Vorkriegs-Maschinen bis zu pfeilschnellen Formel-Gespannen war so ziemlich alles

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MAGAZIN

Das Motorradfestival BUILT NOT BOUGHTversammelt alljährlich einen bunten Haufenschneller Maschinen und wilder Kerls auf dem Spreewaldring. Fahrzeuge aus achtJahrzehnten in voller Schräglage

Der Begriff „Built not Bought“ist als Mantra der Klassiker-und Custom-Szene mit weit

mehr belegt als nur dem vorder-gründigen Streben nach möglichstviel Bastelei. Es geht nicht darum, dasKaufen von Anbauteilen zu verteu-feln, um gleichzeitig das Gewindejeder noch so versteckten Schraubeselbst zu schneiden.

Vielmehr verkörpern die dreiWörter eine Geisteshaltung, in derein Fahrer eines Motorrads ebenauch Schrauber ist, der jede hand-werkliche Herausforderung mit großer Motivation annimmt. Ob erkläglich an ihr scheitert oder sie

LEGENDEN

Beim Le Mans-Start zum „Cafe RacerGold Cup“ kämpften Alltagshobel gegenechte Renner. Dochauch Youngtimer wie die 400er Hondavon Jens Papperitz(Nummer 669) warendabei. Wer mit Leidenschaft schraubt,war sowieso will -kommen (oben)

Bunter kann ein Starterfeld kaumsein: Die Gespannewirbelten im Drift mächtig Staubauf, während Seeley-BSA oder NSU SS 500 schon als Stilllebenfür Entzückung sorgten

Karierte Flagge für die MO-Güllepumpe(oben). Sascha Bellon(Nummer 12, links)feierte den Sieg derClassic Superbikesmit einem Burnout. Er und seine 35 Jahrealte Honda Bol d’Orkonnten es noch.Rechts die lädiertenInstrumente von Jens Hansens Laverdanach ungewolltemBodenkontakt. Vor dem Umblätternbitte eine Gedenk -minute!

KLEINE

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mit Bravour meistert, spielt dabei ehereine untergeordnete Rolle.

Für all jene, die sich mit diesemBild eines selbstbestimmten, neu-gierigen und abenteuerlustigenMenschen identifizieren, gibt es dasFestival „Built not Bought“, das ein-mal jährlich auf den Spreewaldringins südliche Brandenburg lädt.Kleine und große Helden versam-melten sich nun bereits zum drittenMal für ein Wochenende klassischerRenn-Duelle. Im Gepäck hatten siefeinstes, seltenes, manchmal skur riles,auch mal pragmatisches, aber immer

Für jeden Geschmack etwas dabei: Teekesselchen im Yamaha SR 500-Umbau (oben). NSU-Einzylinder als wunder-schöner Klumpen Metall (rechts unten). Die Formula 500(Nummer 27, links unten) war eine von mehr als einem Dutzend Laverdas in der vielfältigen Starterliste. Die Renn -leitung hatte bei zehn Rennen viel zu tun (rechts)

So sah einst die Zukunft des Motorrads aus: Gespanne aus einem Land vor unserer Zeit oder die Honda CB 750 Fourvon Michael Rusch sind fahrende Geschichte – artgerechtbewegt auch heute noch ein Augen- und Ohrenschmaus

Auch ein Gespann mit äußerst seltenem Grandoni-Motor durfte alsWerkbank benutzt werden (links). Die Yamaha SRX von Markus Gutheil (Nummer 665, oben) war da schon alltäglicher, wenngleich ziemlich schnell. Rechts die neuen,geschmackvollen Laverda-Instrumente – natürlich alkoholfrei

liebevoll optimiertes Material, dassie zwei Tage zur Unterhaltung deseigenen Spieltriebs und des jubeln-den Publikums um die enge Strecketrieben. Vom authentischen CafeRacer über ölende Vorkriegs-Maschinen bis zu pfeilschnellen Formel-Gespannen war so ziemlichalles dabei, was in der Welt der zweioder drei Räder Rang und Namenhat. Ein so buntes Starterfeld hat Seltenheitswert.

Dass Überraschungen das Salz inder Suppe waren, bewiesen bereitsdie Trainingsläufe am Samstag. Jens

Hansen beispielsweise hatte seine1000er Laverda so ungünstig insGrün geworfen, dass einen derAnblick des Italo-Wracks zu Tränenhätte rühren können. Doch derHamburger ließ sich die Laune nichtvermiesen, lud die arg ramponierteMaschine in den Transporter, düstein seine Heimat und reparierte denOfen mit Ersatzteilen von Freundenoder aus dem eigenen Fundus quasiüber Nacht. Am Sonntag stand dasMotorrad pünktlich – scheinbar nurseiner abgeschliffenen Instrumentebe raubt – am Spreewaldring in der

Der Doppel -stock-Bus desRace Cafe Berlin konnte imInfield als Bar und Tribünegenossen werden. Davorreihten sich die Teilnehmerdes „Fahr -maschinen“-Wettbewerbs

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Built not Boughtwird vom Race Cafe Berlin ver anstaltet und auch 2018 wiederfür reichlich Action sorgen. Mehr Informationen unter:www.racecafe.berlin

Startaufstellung und fuhr am Endestolz auf den sechsten Platz.

Geschichten wie diese oder Ge -triebewechsel an Vorkriegs-NSU-Ge spannen, ungleiche Duelle zwi-schen 125er Lambretta und DucatiKönigs welle (Remis!) sowie dasfamiliäre Flair der Veranstaltung ließen alle Gesichter strahlen. SelbstMO-Dauerbrenner Patrick konntenoch lachen, als er auf seiner 250er

Aprilia von der Pole Position insRennen ging, wenige Runden späteraber auf der Nase lag. Ihm und denanderen Piloten wurde so eindring-lich bewusst, dass die Maschinendurch die flotte Gangart nicht zwin-gend besser werden, sie aber nun malgenau dafür gemacht wurden.

Abgefahrene Reifen, ölende Moto-ren und Kratzer im Tank mögen dasAuge des Betrachters schmerzen. Sie

sind aber Insignien eines bewegtenLebens und bieten Stoff für kleineLegenden. In Museen wird das nurtheoretisch abgehandelt. Beim „Builtnot Bought“-Motorradfestival, dasan der Boxenmauer, hinterm Strohoder im Fahrerlager ambitionierten,aber nicht verkrampften Motorsportmit wunderbaren Unikaten bietet,kann man diese Legenden live undin Farbe erleben. �

Sound of Singles: ChristianeDöhing-Storck auf Honda XBRbewies Frauen-power (429, links).Nach der Sekt -dusche auf demPodium gab es für jeden SiegerWerkzeuge von HauptsponsorLouis (rechts)

„Da kiekste, wa?“ AJS-Enfield und niedlicher 50-ccm-Renner, SRX-Single,BMW-Kneeler oder eine traumhaftschöne Ducati TT1-Replika waren nur ein kleiner Ausschnitt des äußerst abwechs-lungsreichen „Built not Bought“-Programms mit über300 Maschinen. Die Zuschauer warenim Fahrerlager undselbst im Trubel der Boxengasse will-kommene Gäste

Bei der Siegerehrung des Race of Champions wurden die flottesten Fahrer des Events gekürt (oben). Wayne Hölzer

(Yamaha YZF 750) stand ganz oben auf dem Treppchen. Unter ihm die glücklichen Veranstalter Fatma und Michael

Fischer, die auch einer 1963er Kreidler mit 50 ccm und tiefenStummeln eine Plattform gaben (Nummer 360, rechts).