lungenbeteiligung bei rheumatoider arthritis
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RedaktionT. Welte, Hannover
Pneumologe 2008 · 5:291–298DOI 10.1007/s10405-008-0239-3Online publiziert: 22. August 2008© Springer Medizin Verlag 2008
J. NiedermeyerMedizinische Klinik I, Krankenhaus Bad Oeynhausen
Lungenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis
Leitthema
Die rheumatoide Arthritis ist eine fortschreitende entzündliche Autoimmunerkrankung des Bindegewebes. Die Prävalenz beträgt ca. 1% in der erwachsenen Bevölkerung. Frauen sind 2 bis 3mal häufiger betroffen als Männer. Die Hauptmanifestation ist eine symmetrische erosive Synoviitis mit dem Befall großer und kleiner Gelenke. Der systemische Charakter der Erkrankung wird durch das Auftreten subkutaner Knötchen, einer Vaskulitis, einer Perikarditis oder einer Episkleritis im Rahmen der Erkrankung deutlich. Pulmonale und pleurale Erkrankungen treten bei Patienten mit chronischer Polyarthritis häufiger auf, nicht selten bleiben diese Manifestationen jedoch asymptomatisch.
Differenzialdiagnostisch ist zu beachten, dass Rheumapatienten, die Atembeschwerden entwickeln, neben einer Lungenbeteiligung im Rahmen der Grunderkrankung auch ein erhöhtes Risiko aufweisen, durch die Immunsuppression begünstigte pulmonale Infektionen zu erleiden, und durch pulmonale Toxizitäten der eingesetzten Medikamente erkranken können. Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass Nikotinkonsum den Verlauf der chronischen Polyarthritis ungünstig beeinflusst und das Auftreten systemischer Krankheitsmanifestationen begünstigt [6, 14, 20]. Dies ist möglicherweise der Grund, warum extraartikuläre Manifestationen der rheumatoiden Arthritis bei Männern häufiger als bei Frauen beobachtet werden.
Im Rahmen der Lungenbeteiligung können die Atemwege, die pulmonalen
Gefäße, das Lungenparenchym und die Pleura betroffen sein (. Tab. 1). Die Prävalenz des Befalls der jeweiligen anatomischen Kompartimente hängt von der untersuchten Patientenpopulation (z. B. Raucher vs. Nichtraucher) den Erkrankungsdefinitionen (z. B. Grenzwerte für die Definition einer obstruktiven Ventilationsstörung) und der verwendeten Untersuchungsverfahren ab (Thoraxröntgen vs. HRCT). Die Mehrzahl der pulmonalen Manifestationen wird während der ersten 5 Erkrankungsjahre diagnostiziert.
E Bei 10–20% der Patienten kann eine Lungenbeteiligung den Gelenkbeschwerden vorausgehen.
Erkrankungen des Lungenparenchyms bei chronischer Polyarthritis
Die Erstbeschreibung einer interstitiellen Lungenerkrankung bei rheumatoider Arthritis erfolgte durch Phillip Ellman im Jahr 1947. Inzwischen gehört die interstitielle Mitbeteiligung zu den am häufigsten beobachteten pulmonalen Manifestationen der chronischen Polyarthritis, insbesondere wenn zytologische Befunde der bronchoalveolären Lavage (BAL) und radiologische Veränderungen im HRCT herangezogen werden. Von 37 Patienten, die seit weniger als 2 Jahren an einer chronischen Polyarthritis erkrankt waren, fanden Gabbay et al. [7] bei 58% Hinweise für das Vorliegen einer interstitiellen Mitbeteiligung. In dieser Patientengruppe war das Thoraxröntgenbild bei 6%, das HRCT bei 33%, die Lungenfunktion bei 22%, die BAL bei 52% und die Technecium99m
DTPASzintigraphie bei 15% pathologisch verändert. Werden allein klinische Kriterien und konventionelle Röntgenthoraxbilder berücksichtigt, liegt die Prävalenz einer interstitiellen Lungenerkrankung bei lediglich 1,6% [23].
Das radiologische und histologische Bild der beobachteten interstitiellen Veränderungen ist variabel und entspricht dem gesamten Spektrum der idiopathischen interstitiellen Pneumonien nach der ATS/ERS/DGPKlassifikation (. Tab. 2).
Wie bei allen Systemmanifestationen der rheumatoiden Arthritis sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Der Nachweis eines hochtitrigen Rheumafaktors gilt als weiterer Risikofaktor für eine interstitielle Mitbeteiligung.
Typische anamnestische und klinische Zeichen sind ein unproduktiver Reiz
Tab. 1 Lungenmanifestationen bei rheumatoider Arthritis
PleurabeteiligungPleuraergussPleurafibroseChyliformer Erguss (Pseudochylothorax)
AtemwegsbeteiligungCricoarytenoidarthritisBronchiektasenFollikuläre BronchiolitisObliterative BronchiolitisPanbronchiolitis
Interstitielle Lungenbeteiligung„Usual interstitial pneumonia“ (UIP)Nichtspezifische interstitielle Pneumonie (NSIP)Organisierende Pneumonie (OP)Lymphozytäre interstitielle Pneumonie (LIP)Diffuser Alveolarschaden (DAD)Akute eosinophile PneumonieApikale fibrobullöse VeränderungenChronische pulmonale AmyloidoseRheumaknoten
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husten, Trommelschlegelfinger, eine beschleunigte Blutsenkung, eine Anämie und im fortgeschrittenen Stadium Belastungsdyspnoe [17, 23]. Auskultatorisch imponieren bilaterale, feinblasige, inspiratorische Rasselgeräusche insbesondere über den basalen Lungenabschnitten. Die Lungenfunktionsdiagnostik zeigt eine restriktive Ventilationsstörung bei fortgeschrittenen interstitiellen Veränderungen, im Frühstadium kann lediglich eine Einschränkung der Diffusionskapazität (TLCO, KCO) vorliegen.
Die bildgebende Diagnostik bei Verdacht auf das Vorliegen einer Lungenparenchymbeteiligung beinhaltet konventionelles Röntgen und HRCT. Im Thoraxröntgenbild finden sich retikulonoduläre Zeichnungsvermehrungen und gelegentlich Honigwabenbildung in den Lungenunterfeldern, Veränderungen, die sehr einer idiopathischen Lungenfibrose ähneln [8].
Das HRCT ist wesentlich häufiger – nämlich bei 10–34% der Patienten mit rheumatoider Arthritis – pathologisch. Das häufigste Muster zeigt irreguläre Verdichtungszonen durch eine verstärkte Zeichnung intralobulärer Linien in Kombination mit einer Verdickung der interlobulären Septen. Die Honigwabenbildung ist im HRCT meist in Nachbarschaft zum Zwerchfell an stärksten ausgeprägt [12]. Weitere Veränderungen des Lungenparenchyms (Rheumaknoten), der Atemwege (Bronchiektasen) und der Pleura werden im HRCT mit erfasst.
In der bronchoalveoläre Lavage (BAL) sind keine pathognomonischen zytolo
gischen Veränderungen zu erwarten. Häufig besteht eine durch Vermehrung der Neutrophilen und der Makrophagen geprägte Alveolitis, diese erlaubt jedoch nicht die Differenzialdiagnose zur radiomorphologisch ähnlich sich darstellenden idiopathischen Lungenfibrose. Der Stellenwert der BAL bei Patienten mit rheumatoider Arthritis liegt demnach primär in der infektiologischen Diagnostik, insbesondere wenn eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird, und dem Ausschluss einer eosinophilen Pneumonie, die selten als Komplikation einer rheumatoiden Arthritis beobachtet wurde.
E Als Goldstandard in der Diagnostik einer interstitiellen Lungenbeteiligung gilt die chirurgische Lungenbiopsie.
Allerdings sind auch hier keine beweisenden histologischen Veränderungen zu erwarten. Im Frühstadium der interstitiellen Manifestation einer rheumatoiden Arthritis ist ein zelluläres Infiltrat durch Lymphozyten, Plasmazellen und Histiozyten zu erwarten, bei chronischen fortgeschrittenen Verläufen dominieren fibrotisches Gewebe und Honigwabenbildung. Gelegentlich finden sich lymphozytenreiche, knotenartige Strukturen mit Keimzentren.
Die kryptogen organisierende Pneumonie [COP; früher auch als Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie (BOOP) bezeichnet] betrifft neben dem Lungenparenchym auch den Bereich der distalen Bronchiolen. Histologisch ist
sie gekennzeichnet durch eine organisierende Pneumonie mit intraluminaler organisierender Fibrose in den Ductus alveolares und den Alveolarräumen. Im variablen Umfang finden sich auch eine Ausbildung bronchiolärer intraluminaler Granulationsgewebepolypen (Bronchiolitis obliterans) und eine interstitielle Entzündungsreaktion. Patienten mit COP leiden häufig unter Fieber und zeigen erhöhte Entzündungsparameter (Blutsenkungsreaktion, CRP).
Weitere Sonderformen interstitieller Lungenerkrankung bei rheumatoider Arthritis sind die akute eosinophile Pneumonie, eine apikale bullöse Lungenfibrose, wie sie bei ankylosierender Spondarthritis häufiger vorkommt, oder die lymphozytäre interstitielle Pneumonie.
Die Prognose interstitieller Lungenerkrankung und rheumatoider Arthritis ist variabel und abhängig vom CTmorphologischen Bild und der Histologie (. Tab. 2). Entspricht dies einem UIPMuster, so ist verglichen mit anderen idiopathischen interstitiellen Pneumonien und insbesondere mit der idiopathischen Lungenfibrose die Prognose der rheumaassoziierten interstitiellen Lungenerkrankung besser. Ein Überwiegen von fibrotischen Veränderungen in der Biopsie bzw. das Bild einer unspezifischen interstitiellen Pneumonie (NSIP) oder organisierenden Pneumonie werden mit einer schlechteren Prognose assoziiert [15].
Pulmonale Rheumaknoten
Pulmonale Rheumaknoten finden sich meistens bei seropositiven Patienten, die auch im Subkutangewebe oder anderen Organen Rheumaknoten aufweisen. Ihr pathologisches Korrelat ist eine fibrinoide Nekrose infolge einer Vaskulitis der kleinen Lungengefäße. Ihr Auftreten kann in Einzelfällen den Gelenkmanifestationen vorausgehen. Pulmonale Rheumaknoten sind meistens klein (1–2 cm) und werden deshalb wesentlich häufiger im HRCT als im normalen Thoraxröntgenbild diagnostiziert. Ihre Größe kann sich parallel zur Krankheitsaktivität ändern. Sie sind meist peripher oder subpleural lokalisiert und weisen in bis zu zwei Drittel der Fälle eine zentrale Höhlenbildung auf. Die Ruptur eines Rheumaknotens in die Pleurahöhle kann einen Pneu
Tab. 2 Idiopathische interstitielle Pneumonien
Differenzialdiagnosen der radiologischen HRCT-Befunde
Klinische Diagnose IPF DIP RB-ILD AIP NSIP
Pathologisches Muster UIP DIP RB-ILD DAD NSIP
Lokalisation Peripher basalSubpleural
Peripher basal
Diffus Diffus Peripher basalSubpleuralSymmetrisch
Retikuläre Zeichnung Ja Ja (Linien) Nein Nein Eventuell
Noduläre Zeichnung Nein Nein Zentrilobulär Nein Nein
Milchglastrübungen Kaum Ja Fleckförmig Ja Ja
Konsolidierungen Nein Nein Nein Ja Ja
Traktionsbronchi-ektasen
Ja Nein Nein Später Eventuell spät
IPF idiopathische pulmonale Fibrose; UIP „usual interstitial pneumonia“; DIP „desquamative interstitial pneu-monia“; RB-ILD „respiratory bronchiolitis interstitial lung disease“; AIP akute interstitielle Pneumonie; DAD diffuser alveolärer Schaden; NSIP nichtspezifische interstitielle Pneumonie
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Leitthema
mothorax verursachen (. Abb. 1), falls Anschluss zu den Atemwegen besteht, kann Hämoptoe auftreten.
Heute von eher historischem Interesse ist die 1953 von Caplan beschriebene Assoziation intrapulmonaler Rheumaknoten bei Kohleminenarbeitern mit vorbestehender chronischer Polyarthritis (CaplanSyndrom). Diese Patienten entwickelten eine variante Verlaufsform der Pneumokoniose mit meist multiplen peripher gelegenen und oft einschmelzenden Knoten, die häufig schon wenige Monate nach der Exposition gegenüber Kohle oder anderen Mineralstäuben auftraten.
Diagnostisch sollten Rheumaknoten wie jeder pulmonale Rundherd bei Patienten ohne chronische Polyarthritis abgeklärt werden. Zum Ausschluss einer malignen Genese oder auch einer infektiösen Komplikation ist in aller Regel die Histologiegewinnung erforderlich.
Pleurabeteiligung bei chronischer Polyarthritis
Symptomatische Pleuraergüsse treten bei 3–5% der Patienten mit chronischer Polyarthritis auf. Mit Thoraxröntgenaufnahmen ist jedoch eine deutlich höhere Inzidenz von 24% bei Männern und 16% bei Frauen nachweisbar [2]. Zur Pathogenese pleuraler Ergüsse bei chronischer Polyarthritis werden verschiedene Mechanismen diskutiert. Die pleurale Bildung von Immunkomplexen, Freisetzung von Enzymen und freien Sauerstoffradikalen, von Zytokinen aus Leukozyten und Makrophagen begünstigen ein Endothelleck und die Migration und Aktivierung von Fibroblasten in den Pleuraspalt. Durch den hohen Eiweißgehalt dieser Ergüsse und ihren onkotischen Druck wird eine weitere Ergussbildung begünstigt. Zusätzlich kann durch Inflammation der Lymphbahnen
die Rückresorption der Pleuraflüssigkeit behindert sein. Unter den Patienten mit rheumatisch bedingten Pleuraergüssen sind die Assoziationen von HLA B8 und Dw3 hochprävalent.
Falls Beschwerden auftreten, sind pleuritischer Schmerz, Dyspnoe und nur selten Fieber zu beobachten. Gelegentlich gehen Pleuraergüsse den Gelenkmanifestationen voraus. Meist handelt es sich um kleine und einseitige (dann häufig linksthorakale) Ergüsse (. Abb. 2), in Einzelfällen können sie jedoch auch ausgeprägt und bilateral nachweisbar sein. Histologische Pleurabiopsien zeigen pleurale und subpleurale Rheumaknoten. Die Ergüsse sind nicht blutig und zeigen die laborchemischen Charakteristika eines Exsudates, zytologisch findet sich ein lymphozytenreicher Erguss mit Zellzahlen bis 5000 Lymphozyten/mm3. Bei zellreicheren Ergüssen und einem Überwiegen des Granulozytenanteils ist differenzialdiagnostisch an ein Pleuraempyem zu denken. Der pHWert ist meist auf Werte unter 7,2 herabgesetzt, ohne dass Bakterien kulturell nachweisbar sind. Diese pHWertErniedrigung wird auf eine verminderte CO2Resorption aus dem Pleuraspalt bei rheumatoider Arthritis zurückgeführt. Charakteristisch, aber nicht spezifisch für rheumatisch bedingte Pleuraergüsse ist ein Glukosegehalt von 30–40 mg/dl (5 mmol/l; [19]). Ferner sind typischerweise ein hochtitriger Rheumafaktor, Erniedrigung von C3, C4 und CH50 sowie erhöhte AdenosindeaminidaseKonzentrationen in der Ergussflüssigkeit nachweisbar. Chronisch bestehende Pleuraergüsse können durch einen erhöhten Cholesteringehalt ein milchiges Aussehen erhalten (chyliformer Erguss oder Pseudochylothorax). Sie sind durch einen Triglyzeridgehalt von <110 mg/dl und den fehlenden Nachweis von Chylomikronen vom Chylothorax, der durch Leckagen des Ductus thoracicus verursacht wird, zu unterscheiden.
Pneumothorax
Durch die Ruptur subpleuraler nekrobiotischer Rheumaknoten kann ein Pneumothorax entstehen. Bei gleichzeitig bestehender Pleurafibrose ist die Therapie schwierig. Die . Abb. 1 zeigt das HRCT eines 56jährigen Patienten mit bilateralem spontanem Pneumothorax und
Abb. 1 9 56-jähriger Patient mit rheumato-ider Arthritis: zweizei-tiger bilateraler Pneu-mothorax und aus-geprägte Fibrose der Pleura visceralis. Die dadurch gefessel-te Lunge konnte auch operativ nicht reex-pandiert werden. Der Pfeil markiert einen in die Pleura rupturierten Rheumaknoten
Abb. 2 9 Asympto-matischer rechtssei-tiger Pleuraerguss bei einem 52-jährigen Pa-tienten mit seropo-sitiver rheumatoider Arthritis
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Leitthema
Zusammenfassung · Abstract
Pneumologe 2008 · 5:291–298 DOI 10.1007/s10405-008-0239-3© Springer Medizin Verlag 2008
J. Niedermeyer
Lungenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis
ZusammenfassungPulmonale Komplikationen sind eine häu-fige extraartikuläre Komplikation der rheu-matoiden Arthritis. Am häufigsten wird eine interstitielle Lungenerkrankung beobachtet, die zumindest nach HRCT-Kriterien bei bis zu 33% der Patienten mit neu diagnostizierter rheumatoider Arthritis auftritt. Das am häu-figsten beobachtete CT-Muster entspricht ei-ner „usual interstitial pneumonitis“, gefolgt von der unspezifischen interstitiellen Pneu-monie und der kryptogen organisierenden Pneumonie. Pulmonale Rheumaknoten und pleurale Komplikationen bleiben meist asymptomatisch. Die Beteiligung der Atem-wege kann sich als Cricorythenoidarthritis, als
obstruktive Bronchiolitis oder durch die Aus-bildung von Bronchiektasen manifestieren. Die sehr seltene obliterative Bronchiolitis ver-läuft meist tödlich. In der Differenzialdiagno-se pulmonaler Erkrankungen müssen jedoch auch die eingesetzten Medikamente berück-sichtigt werden, die das Auftreten opportu-nistischer Infektionen begünstigen können und vielfältige pulmonale Nebenwirkungen aufweisen.
SchlüsselwörterRheumalunge · Rheumatoide Arthritis · Lungentoxizität · Lungenbeteiligung · Interstitielle Lungenerkrankung
Rheumatoid pleuropulmonary disease
AbstractPulmonary complications are a frequent ex-tra-articular manifestation of rheumatoid ar-thritis (RA). The most common type is intersti-tial lung disease, which may affect up to one third of patients on high-resolution comput-er tomography (HRCT). The CT pattern most commonly encountered is usual interstitial pneumonitis followed by nonspecific intersti-tial pneumonia and cryptogenic organizing pneumonia. Other common but usually as-ymptomatic manifestations are rheumatoid nodules and pleural effusions. Airway compli-cations include cricoarytenoid arthritis, bron-
chiolitis and bronchiectasis. Obliterative bon-chiolitis is rare but often has a fatal outcome. Pulmonary complications may also ensue as a result of the treatment used to control the disease. In this context, both opportunistic infections and pleuropulmonary toxic drug effects must be considered.
KeywordsRheumatoid lung · Rheumatoid arthritis · Pulmonary toxicity · Pulmonary involvement · Interstitial lung disease
durch Pleurafibrose „gefesselter Lunge“, der nach einem mehrmonatigen komplikationsreichen intensivmedizinischem Verlauf an den Folgen dieses Pneumothorax verstarb.
Atemwegserkrankungen bei rheumatoider Arthritis
Cricoarytenoidarthritis
Eine Mitbeteiligung des Cricoarytenoidgelenks ist mittels Laryngoskopie, CT oder Autopsie bei bis zu 75% der Patienten mit chronischer Polyarthritis nachweisbar [10]. Eine klinische Symptomatik besteht jedoch nur bei etwa einem Drittel der Patienten in Form von Heiserkeit, Halsschmerzen, Schluckstörungen, einem Globusgefühl oder Atembeschwerden. Die spirographische Diagnostik zeigt die für extrathorakale Atemwegsstenosen typische Abflachung der inspiratorischen Flussvolumenkurve. Bei schwereren Verlaufsformen kann zusätzlich die Exspirationsschleife abgeflacht verlaufen. Infolge einer Ankylose des Gelenks können beidseitige Stimmbandparesen, unter Umständen auch akut auftreten, die eine notfallmäßige Tracheotomie erforderlich machen.
Obstruktive Atemwegserkrankungen
Die Mitbeteiligung der kleinen Atemwege in Form einer eigenständigen obstruktiven Atemwegserkrankung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Viele Lungenfunktionsergebnisse älterer Studien sind durch einen hohen Anteil rauchender Patienten mit rheumatoider Arthritis verfälscht [4]. Die Ergebnisse neuerer Untersuchungen zur Beteiligung der kleinen Atemwege bei chronischer Polyarthritis sind wesentlich vom eingesetzten Untersuchungsverfahren abhängig. In HRCTUntersuchungen werden Veränderungen bei bis zu 70% der Patienten beschrieben, wobei „airtrapping“ und Bronchiektasenbildung die häufigsten Veränderungen darstellen [16]. Lungenfunktionsuntersuchungen zeigen bei lediglich 13 bzw. 18% eine signifikante obstruktive Ventilationsstörung [5, 16].
Die Genese der Atemwegsbeteiligung ist unklar. Möglich ist eine Assoziation
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mit gehäuften Infektionen, aber auch immunologische Mechanismen werden diskutiert. Für eine kausale Beziehung zwischen rheumatoider Arthritis und obstruktiven Atemwegserkrankungen spricht, dass auch im Vergleich mit anderen Systemerkrankungen nicht rauchende Patienten eine höhere Prävalenz obstruktiver Ventilationsstörungen zeigen [22].
Obliterative Bronchiolitis und diffuse Panbronchiolitis
Die obliterative Bronchiolitis (ohne organisierende Pneumonie) bei rheumatoider Arthritis ist von der kryptogen organisierenden Pneumonie abzugrenzen. Sie ist
eine seltene, meist tödlich verlaufende Erkrankung, die bei Frauen mit chronischer Polyarthritis häufiger als bei Männern beschrieben wurde [9]. Histologisch ist sie durch eine progressive peribronchiale und submuköse Fibrose der Bronchioli mit konsekutivem Kollaps der Atemwege gekennzeichnet. Klinisch steht eine rasch progrediente Dyspnoe im Vordergrund. Im Unterschied zur COP besteht kein Fieber, und das Thoraxröntgenbild ist abgesehen von Zeichen der Überblähung normal. Vereinzelt wurde ein therapeutisches Ansprechen auf hoch dosierte systemische Kortisongaben oder eine Cyclophosphamidtherapie berichtet.
Eine klinisch ähnlich verlaufende, jedoch durch unterschiedliche histologische Veränderungen gekennzeichnete Variante ist die diffuse Panbronchiolitis, die bei Japanern mit rheumatoider Arthritis beobachtet wurde [11].
Vaskulitis und pulmonalarterielle Hypertonie
Die Entzündung kleiner Gefäße ist eine der klassischen Manifestation der rheumatoiden Arthritis und pathophysiologisch z. B. Voraussetzung für das Auftreten von Rheumaknoten. Erstaunlicherweise ist eine primäre Vaskulitis der pulmonalen Gefäße selten nachzuweisen und gehört nicht zu den typischen pulmonalen Manifestationen der rheumatoiden Arthritis. Die Entwicklung einer klinisch relevanten pulmonalarteriellen Hypertonie ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis mit der Erkrankungsdauer assoziiert, sie tritt aber insgesamt seltener als bei anderen systemischen Bindegewebserkrankungen wie der Sklerodermie oder dem Lupus erythematodes auf. [21].
Sekundäre Lungenbeteiligung infolge der Rheumatherapie
E Bereits vor Einleitung einer antirheumatischen Behandlung sollte eine vorbestehende Lungenerkrankung anamnestisch, klinisch und durch Bildgebung ausgeschlossen werden.
Entwickelt ein Patient mit rheumatoider Arthritis unter medikamentöser Therapie pulmonale Symptome, ist neben einer op
portunistischen Infektion [13] immer auch an die Möglichkeit einer toxischen Reaktion der Lunge zu denken, da die meisten der eingesetzten Medikamente unerwünschte Wirkungen auf die Lunge haben können (. Tab. 3). Eine aktuelle Zusammenstellung aller publizierten pulmonalen Nebenwirkungen kann für jedes Präparat im Internet unter http://www.pneumotox.com nachgeschlagen werden, sodass hier lediglich die wichtigsten Medikamente und typische Reaktionen der Lunge erwähnt werden sollen.
Methotrexat
Methotrexat wird wegen seiner antientzündlichen Wirkung seit den 1980erJahren vermehrt in der Rheumatherapie eingesetzt. Pulmonale Nebenwirkungen können bereits bei vergleichsweise geringen Dosierungen (unter 20 mg/Woche) auftreten und sind im Gegensatz zu den übrigen Nebenwirkungen des Präparats nicht durch einen Folsäuremangel verursacht [3]. Am häufigsten wird eine akute interstitielle Pneumonitis, die als Hypersensitivitätsreaktion der Lunge aufgefasst wird, beobachtet. Eine vorbestehende Lungenerkrankung, eine pleuropulmonale Beteiligung im Rahmen der Grunderkrankung, fortgeschrittenes Patientenalter, Diabetes mellitus und Vorbehandlungen mit Gold, Penicillamin und Sulfasalazin gelten als Risikofaktoren für das Auftreten einer Methotrexatassoziierten Pneumonitis. Die Patienten berichten meist über langsam zunehmende Dyspnoe, Fieber und unproduktiven Husten. Das Thoraxröntgenbild zeigt bilaterale interstitielle Trübungen oder eine Mischung von interstitiellen und alveolären Infiltrationen. Im HRCT fallen milchglasartige Trübungen bzw. bei längerem Verlauf fibrotische Veränderungen auf. Die BAL zeigt eine lymphozytäre Alveolitis mit erniedrigtem CD4/CD8Quotient. Das Krankheitsbild spricht meist auf ein Absetzen der MethotrexatTherapie und den vorübergehenden Einsatz von systemischen Steroiden an. Vereinzelt ist über erfolgreiche Reexpositionen berichtet worden.
Leflunomid
Leflunomid ist ein neueres Basistherapeutikum, das ein Schlüsselenzym der Pyri
Tab. 3 Pulmonale Therapie – Komplika-tionen bei rheumatoider Arthritis
Opportunistische InfektionenTuberkuloseAtypische MykobakteriosenNokardioseAspergillosePneumozystis-jiroveci-PneumonieCMV-Pneumonie
MedikamententoxizitätPneumonitis– Methotrexat– Gold– d-Penicillamin– NSAID– Cyclophosphamid– Azathioprin– Sulfasalazin– ChlorambucilLungenfibrose– Methotrexat– Gold– Cyclophosphamid– Chlorambucil– Azathioprin– SulfasalazinObliterative Bronchiolitis– d-Pencillamin– Gold– SulfasalazinNichtkardiales Lungenödem– Aspirin (in hohen Dosen)– NSAID– Methotrexat– CyclophosphamidAlveoläre Hämorrhagie– d-PenicillaminBronchospasmus– Aspirin– NSAID– Methotrexat„Air trapping“– Methotrexat
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Leitthema
midinsynthese in aktivierten Lymphozyten hemmt. Einzelfälle von interstitieller Lungenerkrankung und akzelerierter Rundherdbildung, die nach Absetzen des Präparates sistierten, wurden beobachtete. Leflunomid sollte deshalb nicht bei Patienten mit bekannten Lungenparenchymerkrankungen eingesetzt werden [18].
TNF-α-Blocker und andere biologische Substanzen
Durch den Einsatz von biologischen Substanzen ist das Risiko, an pulmonalen Infekten zu erkranken, erhöht. Die häufigsten Infektionen sind Atemwegsinfekte und bakterielle Pneumonien. Wegen des erhöhten Risikos, eine latente Tuberkulose zu reaktivieren, sind entsprechende Screeninguntersuchungen vor Beginn der Therapie vorgeschrieben [1]. Einzelne Fallberichte beschreiben eine Assoziation von organisierender Pneumonie und interstitieller Pneumonie (UIPMuster) unter der Therapie mit biologischen Substanzen.
Gold
Goldtherapieassoziierte Pneumonitiden sind seit Jahrzehnten bekannt, aber insgesamt selten. Die kumulativ applizierte Dosis beträgt meist über 500 mg, bevor es zum Auftreten einer Pneumonitis kommt. Eine Assoziation mit HLAB40, A3, B35 und Dw1 ist beschrieben. Oft bestehen gleichzeitig extrapulmonale Nebenwirkungen der Goldtherapie, etwa die Hälfte der Patienten hat Fieber.
Fazit für die Praxis
Entwickeln Patienten mit rheumatoider Arthritis pulmonale Beschwerden, sind unterschiedliche Erkrankungen in die dif-ferenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen. Die häufigsten Mani-festationen der Grunderkrankung be-treffen das Lungenparenchym. Bei Rau-chern sind obstruktive Atemwegserkran-kungen besonders häufig, selten kön-nen auch die oberen Atemwege als Folge einer Cricoarytenoidarthritis betroffen sein. Pleurale Manifestationen der rheu-matoiden Arthritis bleiben oft asympto-matisch. Unter antirheumatischer Thera-pie müssen opportunistische Infektionen
und vielfältige Medikamentennebenwir-kungen berücksichtigt werden.
KorrespondenzadresseDr. J. NiedermeyerMedizinische Klinik I, Krankenhaus Bad Oeyn-hausenWielandstraße 28, 32545 Bad [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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