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Linguistische Grundlagen 3. Phonologie: Funktion und Verteilungsmuster der Laute 2. Teil Gereon M¨ uller Institut f¨ ur Linguistik Universit¨atLeipzig Lit.: O’Grady et al. (1996, Kap. 2), Grewendorf et al. (1987, Kap. 2) www.uni-leipzig.de/muellerg Gereon M¨ uller (Institut f¨ ur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 14. November 2006 1 / 27

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Linguistische Grundlagen3. Phonologie:

Funktion und Verteilungsmuster der Laute

2. Teil

Gereon Muller

Institut fur LinguistikUniversitat Leipzig

Lit.: O’Grady et al. (1996, Kap. 2), Grewendorf et al. (1987, Kap. 2)

www.uni-leipzig.de/∼muellerg

Gereon Muller (Institut fur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 14. November 2006 1 / 27

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Silbische Phonologie

Aspiration im Englischen

Beobachtung:Es gibt Beschrankungen, die auf Silben und auf Silbenstruktur Bezug nehmen. EinBeispiel: Aspiration im Englischen.

(1) Englische AspirationA B C D[phæn] pan [n � t � ] nutty [spæn] span [slæp] slap[phe �n] pain [t � m´ ��� t ��� ] tomato [spe �n] Spain [sl � t] slot[ph �� k] poke [t � kh � � l � ] tequila [sp �� k] spoke [bl � k] block[th ��� n] tone [k � nu � ] canoe [st �� n] stone[kh �n] kin [p � spa � � ] perspire [sk �n] skin[ � thend] attend [splæt] splat[ � ph � n] upon [ � pset] upset

Regel:Im Englischen werden stimmlose Plosive aspiriert, wenn sie am Anfang einerbetonten Silbe stehen.

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Silbische Phonologie

Ambisilbizitat

Beobachtung:Einige englische Worter scheinen (gemaß Buch) diese Regel zu verletzen, z.B.:

(2) a. upper: / � .p � /b. happy: /hæ.p �c. walking: /w �� .k � � /

Losung: AmbisilbizitatDie zugrundeliegenden Anfangsrand-Konsonanten werden auch noch dervorhergehenden Silbe zugeschlagen und landen so in der Koda. Aber ist dieswirklich ein Problem fur die hier gewahlte Regelformulierung?

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Silbische Phonologie

Phonetische Lange englischer Vokale

Vokallange ist im Englischen vorhersagbar.

(3) Phonetische Lange im EnglischenA Bbad [bæ � d] bat [bæt]wed [we � d] wet [wet]Abe [e � � b] ape [e �p]phase [fe � � z] face [fe � s]pod [p ��� d] pot [p � t]tag [thæ � g] tack [thæk]brogue [br �� � g] broke [br ��� k]

tame [the �m]can [khæn]sell [sel]

Regel:Englische Vokale werden gelangt, wenn sie in derselben Silbe einem stimmhaftenObstruenten vorangehen.

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Silbische Phonologie

Silben und Betonung im Englischen 1

Bemerkung:Bisher war die Struktur der Silben noch nicht wichtig. Bestimmte Beschrankungennehmen aber auch hierauf Bezug.

(4) Betonung englischer SubstantiveA B Csynopsis aroma cabinetveranda archipelago Americaagenda hiatus cınemaconsensus horızon asparagusamalgam thrombosis metropolisutensil corona javelinasbestos arena venisonphlogıston Minnesota asteriskappendix angına labyrinthplacenta factotum analysis

A, B: Betonung auf der PenultimaC: Betonung auf der Antepenultima

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Silbische Phonologie

Silben und Betonung im Englischen 2

Regel:Englische Substantive werden auf der Penultima betont, wenn die schwer ist;ansonsten werden sie auf der Antepenultima betont.

(5) Schwere von Silben:

a. Eine Silbe ist schwer, wenn sie geschlossen ist (eine Koda hat) oder offenist, aber zwei rhythmische Elemente im Reim hat.

b. Eine Silbe ist ansonsten leicht.

Rhythmisches Element (Mora):

Kurze (ungespannte) Vokale zahlen als ein rhythmisches Element.

Lange (gespannte) Vokale und Dipthonge zahlen als zwei rhythmischeElemente.

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Merkmale

Segmente als Mengen von Merkmalen

Jedes Segment ist beschreibbar als Menge von binaren Merkmalen (±), als Matrix.

(6) Merkmale von [ ��� ]:

+silbisch–konsonantisch+sonorant–hoch+tief+hinten–rund+gespannt

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Merkmale

Merkmale und naturliche Klassen

Minimale Merkmalsunterschiede bei Konsonanten:[–stimmhaft]: /p/, /t/, /t� /, /s/[+stimmhaft]: /b/, /d/, /d � /, /z/

Merkmale begrunden naturliche Klassen von Lauten, d.h., Klassen von Lauten, diewenigstens ein Merkmal gemeinsam haben. Jede naturliche Klasse braucht wenigerMerkmale fur ihre Definition als ein vollstandiges Segment: Naturliche Klassen vonLauten ergeben sich durch Unterspezifikation bzgl. phonologischer Merkmale.

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Merkmale

Merkmale und naturliche Klassen

Minimale Merkmalsunterschiede bei Konsonanten:[–stimmhaft]: /p/, /t/, /t� /, /s/[+stimmhaft]: /b/, /d/, /d � /, /z/

Merkmale begrunden naturliche Klassen von Lauten, d.h., Klassen von Lauten, diewenigstens ein Merkmal gemeinsam haben. Jede naturliche Klasse braucht wenigerMerkmale fur ihre Definition als ein vollstandiges Segment: Naturliche Klassen vonLauten ergeben sich durch Unterspezifikation bzgl. phonologischer Merkmale.

(7) Zwei naturliche Klassen: Vordere und hintere Vokale im Englischen:

–konsonantisch+silbisch+sonorant–hinten

–konsonantisch+silbisch+sonorant+hinten

–konsonantisch+silbisch+sonorant–hinten–hoch+tief–rund

/i � / /u � // �/ / � //e/ /o/ /æ// � / / � //æ/ / ��� / (Achtung: Tippfehler im Buch)

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Merkmale

Merkmale und naturliche Klassen 2

Bemerkung:Damit sind es de facto nicht die Segmente, die distinktiv sind, sondern dieMerkmale als kleinste Einheiten der Phonologie: distinktive Merkmale.

(8) Ein weiteres Beispiel: Unterscheidung von Plosiven und Frikativen:[–dauernd] [+dauernd]/p/ /f//b/ /v//t/ /s//d/ /z/

Beobachtung: Die Merkmale, die zur Erfassung der Phoneminventare einerSprache gebraucht werden (und auf die sich die phonologischen Regeln derSprache beziehen konnen), mussen nicht unbedingt mit denen ubereinstimmen,die man auf rein phonetischer Basis postulieren wurde.

(9) a. [±apikal] wird nicht benotigt.b. [±koronal]: erfasst dentale und palato-alveolare Laute; der Zungenkranz

wird angehoben: /t/, /d/, /s/, /z/, / � /, / � /, /� /, / � /, /t� /, /d � /, /n/,/l/, /r/

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Merkmale

Koronale 1

(10) Kodas im Englischen:Wenn im Englischen ein Vokal [+gespannt] bzw. lang ist und in der Silbezwei Konsonanten vorangeht, oder wenn ein Vokal [–gespannt] ist und dreiKonsontanten vorangeht, muss der letzte Konsonant immer [+koronal] sein(vgl. pint, next).

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Merkmale

Koronale 1

(10) Kodas im Englischen:Wenn im Englischen ein Vokal [+gespannt] bzw. lang ist und in der Silbezwei Konsonanten vorangeht, oder wenn ein Vokal [–gespannt] ist und dreiKonsontanten vorangeht, muss der letzte Konsonant immer [+koronal] sein(vgl. pint, next).

(11) Kodas im Deutschen:Nach einem Kurzvokal konnen im Deutschen innerhalb einer Silbe nichtmehr als funf Konsonanten auf den Nukleus folgen. Die Positionen drei bisfunf konnen nur von Konsonanten besetzt werden, die [–stimmhaft],[+koronal] sind (/t/, /s/, /� /); vgl. Herbsts, Ernsts.

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Merkmale

Koronale 2

(12) Definite Artikel im klassischen Arabaisch: Das [l] des definiten Artikels [ � al]assimiliert vollstandig an einen folgenden Konsonanten, wenn der [+koronal]ist.

(13) [ � al baab] Tur [ � at taxt] Bett[ � al faras] Pferd [ � ad door] Haus[ � al kalb] Hund [ � az zayt] Ol[ � al xaatam] Ring [ � ar ra � ul] Mann

[ � an naas] Leute[ � a��� ams] Sonne

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Merkmale

Konsonanten: Merkmale (Englisch)

p ph b t th d k kh g f v s z ������� t� d � m n � l r j w � h �Haupt- [kons.] + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + – – – – –Merkmale [sonorant] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – + + + + + + + + – –

[silbisch] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Laryngal- [stimmhaft] – – + – – + – – + – + – + – + – + – + + + + + + + + – – –Merkmale [cg] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – +

[sg] – + – – + – – + – – – – – – – – – – – – – – – – – – – + –Ort- [labial] + + + – – – – – – + + – – – – – – – – + – – – – – + + – –Merkmale [rund] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – + + – –

[koronal] – – – + + + – – – – – + + + + + + + + – + – + + + – – – –[anterior] + + + + + + – – – + + + + + + – – – – + + – + + – – – – –[strident] – – – – – – – – – – – + + – – + + + + – – – – – – – – – –

Dorsale [hoch] – – – – – – + + + – – – – – – – – – – – – + – – + + + – –Merkmale [hinten] – – – – – – + + + – – – – – – – – – – – – + – – – + + – –Art- [nasal] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – + + + – – – – – – –Merkmale [dauernd] – – – – – – – – – + + + + + + + + – – – – – + + + + + + –

[lateral] – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – + – – – – – –[del. rel.] – – – – – – – – – – – – – – – – – + + – – – – – – – – – –

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Merkmale

Vokale: Merkmale (Britisches Englisch)

i �! e æ "$#&%'�)(*�,+.-/�10 u �Haupt- [konsonantisch] – – – – – – – – – – – –Merkmale [sonorant] + + + + + + + + + + + +

[silbisch] + + + + + + + + + + + +Laryngal-Merkmale [stimmhaft] + + + + + + + + + + + +Ort-Merkmale [rund] – – – – – – – – + + + +Dorsale Merkmale [hoch] + + – – – – – – – – + +

[tief] – – – + – – – + – – – –[hinten] – – – – + + + + + + + +[gespannt] + – – – – – + + – + – +[reduziert] – – – – – + – – – – – –

Art-Merkmale [dauernd] + + + + + + + + + + + +

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Merkmale

Merkmale 1: Hauptmerkmale

Hauptmerkmale (‘major class features’):

[konsonantisch]: alle Laute, bei denen ein großeres Hindernis aufgebaut wird;Gleitlaute nicht.

[silbisch]: Vokale, sowie silbische Liquide und Nasale: [l2 ] [r2 ] [m2 ] [n2 ][sonorant]: alles, was gesungen werden kann: Vokale, Gleitlaute, Liquide undNasale (auch stimmlos)

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Merkmale

Merkmale 2: Laryngal-Merkmale

Laryngal-Merkmale: Merkmale, die Laryngal-Zustande kodieren.

[stimmhaft]

[sg] (‘spread glottis’): nur die aspirierten Konsonanten sind [+sg]

[cg] (‘constricted glottis’): die Stimmritze ist verschlossen; imEnglischen/Deutschen nur [ � ]

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Merkmale

Merkmale 3: Ort-Merkmale

Ort-Merkmale: Merkmale, die eine Artikulationsstelle reprasentieren.

[labial]: mit einer oder beiden Lippen gebildet

[rund]: gerundete Vokale und [w]. [+rund] impliziert [+labial], aber nichtumgekehrt ([p], [f])

[koronal]: jeder mit Zungenspitze oder angehobenem Zungenblatt gebildeteLaut

[anterior]: Laute, die vor der alveo-palatalen Region gebildet werden

[strident]: gerauschvolle Laute, die zischen

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Merkmale

Merkmale 4: Dorsale Merkmale

Dorsale Merkmale: Merkmale, die die Stellung des Zungenruckens reprasentieren.

[hoch]: der Zungenrucken ist angehoben (kann fur Vokale – [i � ] – undKonsonanten – [k] gelten)

[niedrig]: die Zunge ist im Mundraum gesenkt ([h], [ � ] sind nicht [+niedrig],weil der Laut nicht in der Mundhohle gebildet wird)

[hinten]: jeder Laut, der hinter der palatalen Region der Mundhohle gebildetwird

[gespannt]: erfasst die Unterscheidung gespannt/ungespannt (‘lax-tense’)

[reduziert]: nur [ � ]

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Merkmale

Merkmale 5: Art-Merkmale

Art-Merkmale: kodieren die Artikulationsart

[nasal]: jeder Laut, bei dem das Velum gesenkt ist

[dauernd]: unbehinderter (oder kaum behinderter) Luftstrom: Vokale,Frikative, Gleitlaute, Liquide

[lateral]: l-Laute

[delayed release]: Affrikaten

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Derivationen und Regelordnung

Stand der Dinge

Reprasentationsebenen:Merkmale → Phoneme (Segmente) → Silben

Realisierung:

1 phonemische Reprasentation (zugrundliegende Reprasentation (‘underlyingrepresentation’)): UR

2 Derivation (Ableitung): sukzessive Anwendung phonologischer Regeln

3 phonetische Reprasentation: PR

Bemerkungen:

‘Derivation’ ist hier nicht zu verwechseln mit dem Wortbildungstyp derMorphologie gleichen Namens.

Auch wenn es letztlich immer die Merkmale und Merkmalsbundel sind, dieden Gegenstand phonologischer Regeln bilden, schreibt man einfacherweiseoft Regeln mit Segmenten.

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Derivationen und Regelordnung

Derivationen

Notation: # = Wortgrenze

(14) Einfache Beispiele fur phonologische Derivationen:UR #slæp# ‘slap’ #tæp# ‘tap’ #pæd# ‘pad’

Aspiration – #thæp# #phæd#V-Lange – – #phæ � d#

PR [slæp] [thæp] [phæ � d]

Frage:Konnen phonologische Regeln miteinander interagieren? Spielt es eine Rolle, inwelcher Reihenfolge sie angewendet werden?

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Derivationen und Regelordnung

Regelinteraktion

Beobachtung:Bei den bisher untersuchten Regeln ist es ganz egal, in welcher Reihenfolge sieangewendet werden: Aspiration betrifft den Anfangsrand, V-Lange betrifft denReim. Also besteht keine Interaktion.

(15) Einfache Beispiele fur phonologische Derivationen, umgekehrteRegelanwendung:

UR #slæp# ‘slap’ #tæp# ‘tap’ #pæd# ‘pad’V-Lange – – #pæ � d#

Aspiration – #thæp# #phæ � d#PR [slæp] [thæp] [phæ � d]

Das kann auch anders sein: Feeding

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Derivationen und Regelordnung

Feeding

Vier Regeln:Betonung (‘Stress’) (obligatorisch)Schwa-Tilgung (optional)Liquid-Gleitlaut-Devoicing (obligatorisch)V-Lange (obligatorisch)

Beobachtung:Die Betonungsregel ‘futtert’ die Regel der Schwa-Tilgung; Schwa-Tilgung ‘futtert’wiederum Liquid-Gleitlaut-Devoicing.

(16) Komplexere Regelinteraktion: Feeding:UR #p � re �d# ‘parade’

Betonung #p � re �d#Schwa-Tilgung #pre �d#

Liquid-Gleitlaut-Devoicing #pr3 e �d#V-Lange #pr3 e � � d#

Aber: Die Regeln mussen nicht geordnet werden; es kommt bei umgekehrterReihenfolge nichts Falsches raus. Das ist bei manchen Regelinteraktionen ganzanders: Bleeding, Counter-Feeding, Counter-Bleeding: extrinsische Regelordnung.

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Derivationen und Regelordnung

Regelformat

(17) Allgemeines Format phonologischer Regeln:A → B/X Y

Notation:

1 A = Element einer UR

2 B = Ergebnis der Regelanwendung

3 X, Y = linker und rechter Kontext

4 = Position des von der Regel betroffenen Segments (A, B)

5 Alle 4 Elemente (A, B, X, Y) konnen null sein.

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Derivationen und Regelordnung

Liquid-Gleitlaut-Devoicing

(18) Informelle Formulierung:Liquide und Gleitlaute werden hinter Silben-initialen stimmlosen Plosivenstimmlos.

(19) Prazise Formulierung:

–silbisch+sonorant+stimmhaft–nasal

→ [–stimmhaft]/σ

–silbisch+konsonantisch–dauernd–stimmhaft–delayed release

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Derivationen und Regelordnung

Tilgungsregeln

Die optional applizierende Regel der Schwa-Tilgung im Englischen:

(20) [ � ] → Ø/CØ σCØ V[+betont]

Notation:

CØ: beliebige Zahl aufeinander folgender Konsonanten (auch null)

σ: Silbengrenze

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Derivationen und Regelordnung

Epentheseregeln

Epenthese = Einfugung eines Segments, das nicht Teil der UR ist.

(21) Glottalisierung im Deutschen:Ø → [ � ]/$ V ($ = Anfangsgrenze der Silbe)

(22) Gleitlauteinsetzung bei Liaison im Englischen:

a. [si � ] (‘see’) [si � j � � ] (‘seeing’) [si � j �n] ‘see in’b. [ � la � ] (‘allow’) [ � la � w � � ] (‘allowing’) [ � la � w � s] (‘allow us’)c. [n � � ] (‘near’) [n � � r � � ] (‘nearing’) [n � � r � n f ��� ] (‘near and far’)

(23) Gleitlauteinsetzung:

Ø →

–konsonantisch–silbisch+sonorantαhinten

/ →

–konsonatisch+silbisch+sonorant–niedrig[+hoch]αhinten

Bemerkung:α-Notation: α ist eine Variable uber Merkmalswerten.

Tippfehler im Buch: α ist oft falsch geschrieben; statt “high” steht immer “tense”Gereon Muller (Institut fur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 14. November 2006 26 / 27

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Derivationen und Regelordnung

Lekture

Zu lesen und im Tutorium zu besprechen: O’Grady et al. (1996, Kapitel 3.8):Stress and Metrics

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Literatur

Literatur:

Grewendorf, Gunther, Fritz Hamm & Wolfgang Sternefeld (1987): Sprachliches

Wissen. Suhrkamp, Frankfurt.

O’Grady, William, Michael Dobrovolsky & Francis Katamba (1996): Contemporary

Linguistics. An Introduction. 3 edn, Longman, Harlow, Essex.

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