leitthema: naturschutz und jagd

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252 Nachrichten anspruchsvoll gegeniiber sich selbst, ein Meister der Wortwahl und ein zuverl~issiger und hilfsbereiter Freund gegenfiber denen, die er sch~itzte, alles in allem: nicht nur ein Gelehrter, sondern auch ein Charakter, fiir den es dank der Eigenwilligkeit seiner Natur keine Nachfolge geben wird. Da~ er so pI6tzlich von uns schied, paint in das Bild, das er hinterl~iflt. KURT LINDNER Bonner J~igertage 19861 In ihrer traditionellen Tagungsst~itte, Schlof~ Homburg in Ntimbrecht (Abb. t), fanden am 3. und 4. September 1986 die Bonner J{igertage, eine als Begegnung zwischen Jagdpraxis und Jagdwissenschaft seit 1978 durchgefiihrte Vortragsveranstaltung der Forschungsstelle fiir Jagdkunde und Wildschadenverhiitung des Landes Nordrhein-Westfalen, statt. Ober 130 Teilnehmer am ersten und fiber I00 Besucher am zweiten Tage waren wiederum ein Beweis dafiir, dag die Praktiker an r einer derartigen Begegnung mit den Jagdwissenschaftlern interessiert sind. Besonders hoch war der Anteil der Berufsj~iger und Forstleute an dem Teilnehmerkreis (Abb. 2). Die Referate betrafen die Leitthe- men ,,Naturschutz und Jagd", ,,Ge- meinschaftliche Bewirtschaftung des Schalenwildes", ,Fasan- und Reb- huhnhege" und ,,Wild als Bioindika- tor". Sie werden in der Reihenfolge, in der sie vorgetragen wurden, nach- stehend in Kurzfassung wiedergege- ben. Um eine Verbindung zu den Referenten zu erm6glichen, ist je- weils neben dem Namen auch die Anschrift vermerkt, soweit es sich nicht um Mitarbeiter der For- schungsstelle fiir Jagdkunde und Wildschadenverh/itung des Landes Nordrhein-Westfalen, Forsthaus Hardt, 5300 Bonn 3, handelt. Leitthema: Naturschutz und Jagd Dr. E. Ueckermann: Das Verhiiltnis von Jagd und Naturschutz in histori- scher Sicht Abb. 1. Schlofg Homburg in Nfimbrecht, Tagungsstiitte Vergleicht man die Anfiinge von der Bonner J~igertage seit t978. Photo: DIRK UECKER- MANN Jagd und Naturschutz, so gehen die der Jagd versfiindlicherweise sehr weit, bis in die Vorzeit, zuriick, w~ihrend die ersten Ans~itze zum Schutz der Natur in das letzte Jahrhundert fallen. Betrachtet man den Zeitraum vom Mittelalter ab, war die Jagd eine der wesentlichsten Tiitigkeiten des Menschen in dieser Zeit. So sind in dem Hausv~iter- l Fiir die Publikation wurde ein Druckkostenzuschuf~ der Landesj~igerschaft Niedersachseneingesetzt, fiir dessen Gew~ihrungzu danken ist. - Die Schriftleitung.

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252 Nachrichten

anspruchsvoll gegeniiber sich selbst, ein Meister der Wortwahl und ein zuverl~issiger und hilfsbereiter Freund gegenfiber denen, die er sch~itzte, alles in allem: nicht nur ein Gelehrter, sondern auch ein Charakter, fiir den es dank der Eigenwilligkeit seiner Natur keine Nachfolge geben wird. Da~ er so pI6tzlich von uns schied, paint in das Bild, das er hinterl~iflt. KURT LINDNER

Bonner J~igertage 19861

In ihrer traditionellen Tagungsst~itte, Schlof~ Homburg in Ntimbrecht (Abb. t), fanden am 3. und 4. September 1986 die Bonner J{igertage, eine als Begegnung zwischen Jagdpraxis und Jagdwissenschaft seit 1978 durchgefiihrte Vortragsveranstaltung der Forschungsstelle fiir Jagdkunde und Wildschadenverhiitung des Landes Nordrhein-Westfalen, statt. Ober 130 Teilnehmer am ersten und fiber I00 Besucher am zweiten Tage waren wiederum ein

Beweis dafiir, dag die Praktiker an r einer derartigen Begegnung mit den

Jagdwissenschaftlern interessiert sind. Besonders hoch war der Anteil der Berufsj~iger und Forstleute an dem Teilnehmerkreis (Abb. 2).

Die Referate betrafen die Leitthe- men ,,Naturschutz und Jagd", ,,Ge- meinschaftliche Bewirtschaftung des Schalenwildes", ,Fasan- und Reb- huhnhege" und ,,Wild als Bioindika- tor". Sie werden in der Reihenfolge, in der sie vorgetragen wurden, nach- stehend in Kurzfassung wiedergege- ben. Um eine Verbindung zu den Referenten zu erm6glichen, ist je- weils neben dem Namen auch die Anschrift vermerkt, soweit es sich nicht um Mitarbeiter der For- schungsstelle fiir Jagdkunde und Wildschadenverh/itung des Landes Nordrhein-Westfalen, Forsthaus Hardt, 5300 Bonn 3, handelt.

L e i t t h e m a : N a t u r s c h u t z und J agd

Dr. E. Ueckermann: Das Verhiiltnis von Jagd und Naturschutz in histori- scher Sicht

Abb. 1. Schlofg Homburg in Nfimbrecht, Tagungsstiitte Vergleicht man die Anfiinge von der Bonner J~igertage seit t978. Photo: DIRK UECKER- MANN Jagd und Naturschutz, so gehen die

der Jagd versfiindlicherweise sehr weit, bis in die Vorzeit, zuriick, w~ihrend die ersten Ans~itze zum Schutz der Natur in das letzte Jahrhundert fallen. Betrachtet man den Zeitraum vom Mittelalter ab, war die Jagd eine der wesentlichsten Tiitigkeiten des Menschen in dieser Zeit. So sind in dem Hausv~iter-

l Fiir die Publikation wurde ein Druckkostenzuschuf~ der Landesj~igerschaft Niedersachsen eingesetzt, fiir dessen Gew~ihrung zu danken ist. - Die Schriftleitung.

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Abb. 2. Forstleute und Berufsj~iger, eine Hauptgruppe der Besucher bei dem Erfahrungsaustausch zwischen Jagdwissenschaft und Jagdpraxis. Photo: DAGMAR ZIMMERMANN

buch von PETRUS DE CRESCENTIIS von insgesamt 15 B/ichern 4 der Jagd gewidmet. 1719 erschien der Jagdklassiker VON FLEMING ,,Der Vollkommene Teutsche J~iger" mit dem Untertitel ,,Jagdwissenschaft". BECHST~N ver6ffentlichte 1821 die umfassende Darstel- lung ,,Die Jagdwissenschaft nach all ihren Theilen", BEHLEN publizierte 1839 in 2. Auflage das ,,Lehrbuch der Jagdwissenschaft in ihrem ganzen Umfange". Die Jagdordnung ffir Preut~en vom 15. Juli 1907 umfaf~t neben 12 Haarwildarten in grof~er Zahl Flugwildarten und legt fiir sie Schonzeiten lest. In dem Reichsjagdgesetz von 1934 wird f/.ir nahezu 100 Vogelarten eine ganzj~ihrige Schonzeit vorgesehen. Diese Regelung fand zum damaligen Zeitpunkt den Beifall seitens des Naturschutzes. So fiihrt S~HOENICHEN aus, dat~ ,,die kfihnsten Wfinsche des Naturschutzes erf/.illt" worden seien.

Herausragende Aktivit~it im Bereich des Naturschutzes ist die Unterschutzstellung des Drachenfels' im Siebengebirge im Jahre 1836 und die Entstehung des ersten deutschen Naturschutzgebietes. Das Reichsnaturschutzgesetz von t935 erlaubte eine erste systemati- sche Arbeit. Der Gesch~iftsbereich der Obersten Naturschutzbeh6rde befand sich im Reichsforstamt, zu dem auch das Reichsjagdamt geh6rte.

Bis zum Ende des letzten Weltkrieges hatte die Jagd gegen~iber dem Naturschutz nach ihrer historischen Entwicklung eine herausgehobene Stellung. Auf die Privilegierung der Jagd durch das Interesse der Landesherren bzw. der Regierenden an der Jagd (Kurffirst Clemens August, Kaiser Wilhelm II. und andere) ist hinzuweisen. Von der Sache her brachte die Einbeziehung einer grol~en Zahl von Arten in das Jagdgesetz zugleich auch deren Schutz, der fiber das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Revierjagdsy- stem durch das Wirken des J~igers auch auf Arten ausgedehnt wurde, die nicht dem Jagdgesetz unterlagen.

Nach dem Bundesjagdgesetz in der Fassung vom 29. September 1976 geh6ren 25 Haarwildarten, davon 8 ohne Jagdzeit, und 72 Federwildarten, davon 42 ohne Jagdzeit, zum Jagdrecht. Das Erstarken des Naturschutzes, die zum Teil in verschiedenen Ressorts untergebrachten Jagd- und Naturschutzbeh6rden, haben zu gegens~itzlichen Auffassun-

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gen, so u.a. auch zu dem Wunsch des Naturschutzes, die nicht bejagten Arten aus dem Jagdgesetz herauszunehmen, gefiihrt.

Die Gemeinsamkeiten in der Zielsetzung und praktischen Arbeit von Naturschutz und Jagd iiberwiegen und sollten ffir die Zukunft zu einer Kooperation, bei einer Eigenstiindig- keit des Jagdwesens, fiihren.

Dozent Dr. E. Nowak, Bundesforschungsanstalt fiir Naturschutz und Landschafts6kologie, Konstantinstrafle 110, 5300 Bonn 2: Das Verhiiltnis von Jagd und Naturschutz aus der Sicht des Naturschutzes Hinzuweisen ist auf ein neu entdecktes Paradoxon: Theoretisch miif~te in dem gesellschaft- lich-politischen Spektrum der Bundesrepublik die Partei der Griinen der wichtigste Befiirworter und Tr~iger der Jagd sein. Die Wirklichkeit ist aber diametral anders, es sind die konservativen Kr~ifte.

Bei dem Versuch, den heutigen ,,Standort" des Jagdwesens in der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen, ist auf die nachfolgenden Komponenten der Jagd einzugehen: Nahrungserwerb, Tradition, das T6ten, Arten- und Biotopschutz, die wirtschaftliche Seite, die gesellschaftlich-politische Dimension.

Der Naturschutz hat einen viel umfangreicheren und wichtigeren Wirkungsbereich als das Jagdwesen, dennoch ist er vital auf die Mitwirkung der verschiedenen ,,Naturniitzer", zu denen auch der J~iger geh6rt, angewiesen. In der Bundesrepublik ist die Parmerschaft der beiden Bereiche heute u.a. dadurch erschwert, well die Jiigerschaft auf etwa vier Wirkungsgebieten nur schwer vereinbare Standpunkte mit dem Naturschutz bezogen hat (Teilfragen des Biotop- und Artenschutzes, Bejagung gef~ihrdeter Arten sowie Handha- bung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse).

Die Analyse des bestehenden Streites fiihrt zu der iiberraschenden Schluf~folgerung, daf~ sowohl die Repr~isentanten der Jagd ats auch die des Naturschutzes der Unfiihigkeit zu bezichtigen sind, einen tragbaren Kompromif~ zu finden. Die Unf~ihigkeit ist inzwischen in eine massive Unwilligkeit zur Mitwirkung ausgeartet. Eine baldige L6sung der Streitfragen wird nicht erwartet, da die betroffenen Pers6nlichkeiten immer starrer werden. Unabhiin- gig yon dieser Einsicht wird in Tabellenform ein Weg gewiesen, wie die Jagd in der Bundesrepublik Deutschland langfristig zu einem Partner des Naturschutzes gestaltet werden k6nnte.

Am Beispiel der sich ~indernden Verh~iltnisse fiir die Landwirtschaft, in der wegen Uberproduktion Fl~ichen stillgelegt werden, ist vor Augen zu fiihren, welcher Nutzen aus der Situation sowohl fiir die Jagd als auch fiir den Schutz der einheimischen Natur gezogen werden k6nnte. J~iger und Naturschiitzer stellen sich dadurch ein Armutszeugnis aus, dal~ sic auf die entsprechenden Vorscht~ige des Bundesministers fiir Ern~ihrung, Landwirtschaft und Forsten nicht offensiv eingehen, sondern in einer Passiv-Haltung verharren. Damit stehen sic in einer Reihe mit der Gruppe der Griinen, die inzwischen immer mehr utopische Programme aufsteUen, aber kaum Interesse an konstruktiven L6sungen zeigen.

Dr. Th. Mebs, Landesanstalt fiir Okologie , Landschaftsentwicklung und Forstplanung Nordrhein- Westfalen, Castroper Str. 312-314, 4350 Recklinghausen: Jagd und Naturschutz aus ornithologischer Sicht Gemiit~ § 1 BJG ist mit dem Jagdrecht die Pflicht zur Hege verbunden. Die Ziete der jagdlichen Hege stimmen theoretisch mit den Zielen des Naturschutzes iiberein, zumindest hinsichtlich Sicherung der Lebensgrundlagen. Infolgedessen darf sich die jagdliche Hege keinesfalls darauf beschr~inken, das Nahrungsangebot kiinstlich zu verbessern, sondern sic mug vor allem die Erhaltung und Pflege bzw. Wiederherstellung der Lebensr~iume zum Ziel haben.

Von den insgesamt 72 Vogetarten, die gem~it~ § 2 BJG dem Jagdrecht unterliegen, kommen 53 in der Bundesrepublik Deutschland als Brutv6gel vor, w~ihrend die restlichen 19 regelm~it~ige G~iste sind. Von den 53 jagdbaren Brutvogelarten der Bundesrepublik

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Deutschland sind 32 (= 60 %) in ihrem Bestand gef~ihrdet und stehen auf der Roten Liste. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um alle 4 Arten von Rauhfuf~hiihnern, 12 von 14 der heimischen Greifvogelarten sowie 9 yon 14 Arten der in der Bundesrepubtik Deutsch- land briitenden Enten und S~iger. Anhand von Beispielen wird auf die Ursachen der Bestandsgef~ihrdung und auf die Frage eingegangen, was von jagdlicher Seite hiergegen unternommen wird.

Als weitere Aspekte zum Thema ,,Jagd und Naturschutz aus ornithologischer Sicht" werden angesprochen: a. die Greifv6gel, b. die Elster, vor allem in urbanen Bereichen, c. der Graureiher, d. Wiedereinbiirgerungsversuche und Neu-Einbiirgerungen. Abschlieflend wird darauf hingewiesen, daft J~iger und Natursch[itzer im Prinzip ein gemeinsames Anliegen haben, n~imtich die Erhaltung der freilebenden Tierwelt und ihrer Lebensr~iume. Angesichts der Tatsache, daf~ die Beeintr~ichtigung, Zerschneidung und Zerst6rung von Lebensr~iumen inkl. der chemischen Belastung immer noch einen zuneh- menden statt abnehmenden Trend aufweisen, sotlten J~iger und Naturschiitzer viel st~irker zusammenarbeiten.

Dr. W. Schulz, Wildbiologische Gesellschaft Miinchen e. V., Postfach 170, 8103 Oberam- mergau: Naturbewufltsein in der Bundesrepublik Deutschland Mit Hilfe von Frageb6gen wurden bei 1500 Kursteilnehmern an 69 deutschen Volkshoch- schulen die Einstellung zu Tieren und Natur erhoben. Dariiber hinaus wurde biologisches Wissen abgefragt und nach Aktivit~iten gefragt, die im Zusammenhang mit Tieren und Natur stehen.

Insgesamt herrschen emotionale Einstellungen zu Tieren und Natur vor. Eine Einstel- lung, die einem Naturschutzbewuf~tsein zugrunde liegen miif~te, steht relativ welt zuriick. Nicht sehr stark ausgepr~igt sind materialistische Einstellungen.

Es gibt enge Zusammenhiinge zwischen verschiedenen Einstellungen und biologischem Wissen. Je gr6f~er das Wissen, desto starker ausgepr~igt sind Einstellungen, die dem Naturschutzgedanken f6rderlich sind, und desto schw~icher werden die emotionalen Einstellungen.

Beim Vergleich der Einstellungen von J~igern und Jagdgegnern zeigt sich, daf~ J~iger st~irker 6kologisch betonte Einsteltungen haben, abet gleichzeitig auch materialistischere Einstellungen aIs ihre Kritiker. Die emotionalen Einstellungen sind bei J~igern weniger stark ausgepr~igt.

Das biotogische Wissen ist bei J~igern und Jagdgegnern etwa gleichermaf~en ausgepr~igt, es ist nicht viel h6her als das in der Gesamtstichprobe. tn verschiedenen Sachfragen sind J~iger und Jagdgegner zum gr6f~ten Tell einer Meinung.

Lei t thema: Gemeinschaftliche Bewirtschaftung des Schalenwildes

Dr. J. L. van Haaften, Het Lage Erf 34, 6816 RK Arnheim/Niederlande: Ergebnisse gemeinsamer Bewirtschaftung in einer deutsch-niederliindischen Rehwildhegegemeinschaft Im Jahre 1970 bildeten sich zuf~illig zwei neue Rehwildhegeringe auf beiden Seiten der niederliindisch-deutschen Grenze im Raum Walbeck in der Bundesrepublik Deutschland und Arcen in den Niederlanden. Sie kamen iiberein, das Rehwild gemeinsam zu hegen, wodurch die Rehwildhegegemeinschaft eine bis dahin noch nicht in dieser Gr6f~e erfaf~te Fl~iche von Revieren umschloS.

Nachdem in allen Revieren die Zusammensetzung des Lebensraums untersucht war, wurde die erwiinschte Wilddichte festgelegt. Rehwildz~hlungen, nach zwei Methoden