leadership-logiken der zukunft

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PER SPEC TIVES IMP PERSPECTIVES | MANAGEMENT JOURNAL | EUR 40 4 LEADERSHIP- LOGIKEN DER ZUKUNFT EINZ I GARTIGKEIT IM MANAGEMENT MACHT. FÜHRUNG. SINN.

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Leadershiplogiken der Zukunft aus der Zeitschrift Perspectives (Nummer 4)

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ZUKUNFt

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MAcHt. FÜHrUNG.

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MACHT. FÜHRUNG. SINN.Oder: Warum erst das Nachdenken über diese drei teilaspekte eine befriedigende Antwort auf die gleichlautende Frage geben kann

Franz Bailom, Kurt Matzler, Alexander Kausl, IMP

Die rufe nach mehr, nach einem neuen, anderen, aber vor allem: besseren LeADersHiP lassen nicht nach, der ton wird dabei zunehmend schriller. Häufig gleichen die gestellten Forderungen jedoch eher simpler Markt-schreierei als einer durchdachten, konstruktiven Kritik an heutigen Füh-rungsprinzipien. Brauchbare Lösungsansätze sucht man dort vergeblich. so reduzieren sich sämtliche Aussagen lediglich darauf, dass wieder „echte visionäre“ benötigt würden, die die „richtige richtung“ vorgeben. es ist na-türlich unumstritten, dass wir visionäre „Führungsköpfe“ brauchen, die für nachhaltige Weiterentwicklung, veränderung und innovation stehen. Dieser Ansatz ALLeiNe stellt uns aber noch nicht zufrieden. Denn … … der Unmut über die derzeit erbrachte Führungsleistung in nahezu allen Feldern unserer Gesell-schaft hat ein beängstigendes Ausmaß erreicht: in der Politik, in der Wirtschaft insgesamt mit ihren großen wie auch kleinen Unternehmen, im Bildungsbereich, im Sport, in der Kirche … Eine Auf-zählung jener Bereiche, die „gelungene“ Führungsarbeit vorzuweisen haben, wäre wohl wesentlich kürzer. Die berechtigte und grundlegende Frage lautet daher: Macht Führung Sinn? Und wenn ja: Was genau könnte ein konkreter Lösungsansatz sein, der dem Leadership wieder zu wohlverdien-ter Anerkennung verhilft?

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Google verweist bei einer Abfrage mit dem Begriff LeADersHiP auf mehr als 502 Millionen einträge. Ja – sie haben richtig gelesen! es existieren im World Wide Web mehr als 502 Millionen einträge zu diesem thema. Die Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen scheint nicht enden zu wol-len. trotzdem wird nicht auf Anhieb klar, was genau damit gemeint sein soll. Was man hingegen sofort erkennen kann, ist die tatsache, dass sich die Menschheit insge-samt schon lange mit der Frage nach dem „richtigen“ Leadership beschäftigt: die alten Griechen …, die Feldherrn …, die Prediger …, die Demagogen …, die Gelehrten – um nur einige zu nennen. Wissenschaftler wie Prof. Joseph rost1 und Dr. Joanne ciulla2, die einen vergleich von mehr als 200 De-finitionen zu Leadership aus den unter-schiedlichsten Zeitepochen und Disziplinen vorgenommen haben, kommen zu dem schluss, dass Führung im Kern nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als Menschen zielgerichtet in Bewegung zu versetzen. erkenntnisse darüber, ob die dabei ange-strebten Ziele „gut“ sind, oder ob etwa der Prozess des in-Bewegung-versetzens für die daran beteiligten Menschen „gut“ ist, konnten bei diesen Untersuchungen jedoch nicht abgeleitet werden.

Müssen wir uns vielleicht damit abfinden, dass es gar keine Antwort auf die Frage gibt, was ein richtiges bzw. gutes Leadership ausmacht? Muss man vielmehr davon ausgehen, dass jede Zeit bzw. jede Herausforderung ihr ganz spezi-fisches Leadership erfordert(e) und dass es per se keine „gute“ bzw. „schlechte“ Führung gibt? Auch dieser Ansatz stellt uns noch nicht zufrie-den. Denn eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Leadership erfordert unseres Erachtens, sich mit einer ganz entscheidenden Frage zu beschäftigen, die im gängigen Diskurs um „richtiges“ Leadership vielfach ausgeblen-det bleibt:

Warum interessieren sich überhaupt so viele Menschen für Leadership?

Die Antwort darauf ist einfach, aber grundle-gend. Viele Menschen tragen offensichtlich die Idee oder das Bedürfnis in sich, etwas

Besonderes erreichen zu wollen – und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Das Thema Führung wird spätestens dann relevant, wenn ein einzelner Mensch erkennen muss, dass er zur Realisierung dieses inneren Bedürfnisses alleine nicht imstande ist und folglich auf die Unterstützung anderer angewiesen ist. So kann weder ein Superstar des Fußballs wie Lionel Messi noch der beste Fußballtrainer der Welt alleine einen Weltmeistertitel erringen. Auch ein Jahrhundert-Dirigent kann seine Vorstellungen einzigartiger Klangerlebnisse nur gemeinsam mit einem Orchester verwirklichen. Kein Spit-zenchirurg kann ohne sein Spezialisten-Team eine schwierige Operation erfolgreich durch-führen. Und Steve Jobs hätte niemals alleine das iPad entwickeln, designen, produzieren und vermarkten können (auch wenn er sich das selbst vermutlich nie eingestanden hätte).

Es handelt sich also vielfach um Gruppen von Menschen, die imstande waren oder sind, et-was Besonderes zu bewirken. Die Betonung liegt hier auf GRUPPEN. Diese Erkenntnis ist zwar weder revolutionär noch neu, aber sie ist im Kontext von Leadership fundamental. Denn wir müssen erkennen, dass der Schlüssel für Außergewöhnliches maßgeblich im KOOPERA-TIVEN Denken und Tun einer Gruppe von Men-schen begründet liegt: Wenn wir unser Wissen nicht teilen, kann nur sehr schwer neues Wis-sen entstehen. Wenn wir den oder die anderen in einer schwierigen Phase nicht unterstützen, bleibt die Qualität des gesamten Systems auf dem Niveau des „schwächsten“ Glieds stehen. Wenn bestimmte Entscheidungen nicht von allen Beteiligten mitgetragen werden, wird der Beitrag zur Realisierung einer außergewöhn-lichen Idee insgesamt ein bescheidener sein … Diese Erkenntnis führt also unmittelbar zur nächsten Frage:

Welche Form von Leadership kann koope-ratives Denken und Handeln positiv beein-flussen?

Auf Basis einer umfassenden Literatur-Recher-che sowie einer Reihe vertiefender Gespräche mit führenden Philosophen, Gehirnforschern, Wirtschaftswissenschaftlern, Eigentümern und Managern von Unternehmen, Dirigenten, Musikern, Experten und Trainern aus dem

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Spitzensport sowie mit Menschen, die Teams ins Ausnahmesituationen leiten, kristallisierten sich folgende ASPEKTE und daraus abgelei-tete FRAGEN heraus, die uns für eine kons-truktive Auseinandersetzung mit dem Thema „Leadership-Logiken der Zukunft“ bedeutsam erscheinen:

– MAcHt Oder: Warum wir unser Verständnis von Macht überdenken müssen

– FÜHrUNG Oder: Warum wir unser Verständnis von Füh-rung erweitern müssen

– siNN Oder: Warum wir alles dafür tun sollten, damit Mitarbeiter einen Sinn in ihrem Tun erkennen können

Betrachten wir also der Reihe nach die drei Aspekte im Einzelnen.

MACHT Oder: Warum wir unser verständnis von Macht überdenken müssen

Trotz neuer Führungskonzepte, die durchaus partizipative Ansätze aufweisen und weniger ihre Legitimation auf Positionsmacht stützen, muss man sich Folgendes vor Augen führen: Wir kommen – wie es der Philosoph Konrad Paul Liessmann in unserem Gespräch auf den Punkt bringt –„… bei keinem Konzept von Führung um das Phänomen der MACHT he-rum, auch wenn wir es anders benennen. Wir kommen bei keinem Konzept der Führung um das Problem des GEHORSAMS herum, auch wenn wir es anders benennen. Und wir kom-men bei keinem Konzept der Führung um das Problem herum, dass (…) es eine DIFFERENZ zwischen dem gibt, was ich will, und dem was der REST will. Und diese Differenz muss aus-geglichen werden.“3

Die Frage, mit welchem MACHTVERSTÄND-NIS wir den Ausgleich dieser Differenz in unse-rer Führungsarbeit im Sinne KOOPERATIVEN Denkens und Handelns erwirken können, ist

also eine entscheidende. Die weiterführende Schlüsselfrage lautet daher:

Wie kann es gelingen, „Macht“ eine andere Bedeutung zu geben, die es ermöglicht, etwas Positives hervorzubringen?

In Anlehnung an den Soziologen Max Weber dreht sich beim „klassischen“ Machtverständnis letztlich alles darum, dass es gelingen muss, den eigenen Willen gegen den Willen der an-deren durchzusetzen, selbst dann, wenn man dabei auf Widerstand stößt. „Bestimmte Ideen, bestimmte Konzepte, bestimmte Zielvorstellun-gen, die ICH habe und zu deren Realisierung ich andere Menschen benötige, müssen – mit welchen Mitteln auch immer – zur Vorstellung anderer gemacht werden.“4 Die Idee des Ge-horsams ist, wie oben angedeutet, unweigerlich mit diesem Verständnis von Macht verbunden. Diese Sichtweise determiniert nach wie vor, explizit oder implizit, das Rollenverständnis bzw. Rollenverhalten vieler Führungskräfte. Inwieweit eine solche Auffassung von Macht die Kooperationsbereitschaft von Menschen LANGFRISTIG erhöht bzw. die Leistungsfähig-keit einer Organisation NACHHALTIG steigert, ist und bleibt fragwürdig. Denn die Geschichte – vor allem auch die jüngste – sollte uns längst gelehrt haben, dass selbst die „erfolgreichsten“ Systeme in kürzester Zeit zerbrechen, wenn Menschen beginnen, sich im jeweiligen System nicht mehr kooperativ zu verhalten. Die Gründe dafür sind natürlich vielschichtig: Die Menschen erachten die Richtung, in die sich das Sys-tem bewegen soll, als falsch. Oder sie fühlen, dass das System keine Meinungsfreiheit und Partizipation (mehr) zulässt. Sie zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Führenden oder sie fühlen sich massiv übervorteilt. Gleichzeitig verdeutlichen unzählige Beispiele über alle Zeitepochen hinweg, dass negative Energien einem System gegenüber selbst mit härtesten Repressionen nicht langfristig aufgehoben werden können, sondern die „Gegenbewe-gung“ der Masse nur noch verstärken. Verkürzt könnte man in diesem Zusammenhang auch sagen, dass MACHT in letzter Konsequenz eine KRAFT DER MASSE ist. Interessant da-bei ist die Tatsache, dass „Druck“ per se weder ein probates Mittel ist, Menschen nachhaltig zu kooperativem Denken und Handeln zu

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„motivieren“, noch ein wirksames „Instrument“, um die Leistungsfähigkeit einzelner Personen oder des Systems zu erhalten bzw. wiederher-zustellen. Der Hirnforscher Prof. Martin Korte erklärt uns in unserem Interview, dass massiver Druck nachweislich Angst und Stress auslöst, was im Gehirn zur Ausschüttung des Boten-stoffs Cortisol führt. Und dies führt zu massiven Denkblockaden bzw. zu egozentrierten Selbst-schutzmechanismen.5

Wenn wir also an die Kraft einer kooperati-onsbereiten Gruppe von Menschen glauben und gleichzeitig verstehen, dass Macht im Sinne von Druck die Potenzialentfaltung von Menschen limitiert – dann müssen wir uns konsequenterweise dem Begriff der MACHT im Kontext von Leadership aus einer anderen Perspektive nähern. Führungsarbeit bedeutet dann nämlich NICHT die Ausübung von Macht im Sinne von DRUCKAUSÜBUNG auf die einem anvertrauten oder zugeordneten Men-schen. Führung erfordert im Gegenteil, alles dafür zu tun, die Kraft der KOOPERATION innerhalb der Gruppen von Menschen zu stär-ken, um das Unternehmen, das Orchester, die Fußballmannschaft, das Forschungsteam … zu einer „mächtigen“ (Massen-)Bewegung zu machen, die gemeinsam alles dafür tut, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

Wer die Macht von kooperativem Handeln und Tun nicht versteht, wird nur in Ausnahmefällen bzw. nur kurzfristig gemeinsam mit anderen etwas Bedeutendes erwirken.

Dr. Gustav Kuhn – seines Zeichens Dirigent, Komponist, Philosoph, Psychologe und Psycho-pathologe – bringt dieses falsche Verständnis von „Führung“, das von einer reinen Positions-macht und von Druckausübung ausgeht, im Gespräch mit IMP folgendermaßen auf den Punkt: „Ich würde sagen: Das Wesentlichste in der Führungsarbeit (…) ist das Liebesprinzip und nicht – wie das leider häufig gelebt wird – das Machtprinzip. Damit ist gemeint, dass man nicht nur MENSCHEN mögen muss, sondern vor allem SICH SELBST. Hier beginnt aber das eigentliche Dilemma. Die meisten Menschen mögen sich selbst nicht. Dadurch ist es ihnen

auch nicht möglich, andere „wirklich“ zu mögen, was dann zur Folge hat, dass diese Menschen nicht auf die LIEBE vertrauen, sondern nur auf die MACHT.“6 Kuhn sieht – neben der ei-genen Vorbildwirkung durch Fachwissen und der eigenen Begeisterung für eine Idee – also durchaus eine Möglichkeit, um sich von „klas-sischem Machtverhalten“ in der Führungsar-beit zu lösen: nämlich den Weg, Menschen zu lieben, allen voran sich selbst. Dann sei man weniger auf eine Positionsmacht angewiesen, sondern könne sich auf die „Macht der eigenen Ausstrahlung und Persönlichkeit“ verlassen. Mitarbeiter seien dann bereit, einer Idee zu fol-gen bzw. zu kooperieren. Auch Kuhn verbindet „Führung“ mit „Kooperation“, was einmal mehr den Verdacht bestätigt, dass die Kooperations-bereitschaft einer Gruppe von Menschen DER zentrale Angelpunkt in der Diskussion rund um das Thema „gutes Leadership“ darstellt. Somit drängt sich die nächste Frage auf:

Was versteht man unter Kooperation?

Kooperation (lat. cooperatio „Zusammenwir-kung“, „Mitwirkung“) kann grundsätzlich als das positiv aufeinander abgestimmte Verhalten zweier oder mehrerer Lebewesen, Personen oder Systeme verstanden werden. Kooperation beruht auf dem Grundsatz, dass die gemein-same Leistungsfähigkeit größer ist, als die Summe der Einzelleistungen. Der Nutzung von Synergie-Effekten kommt dabei eine entschei-dende Bedeutung zu. Vereinfacht ausgedrückt kann Kooperation durchaus als das Gegenteil von Konkurrenz angesehen werden.

Die Arbeiten von Morton Deutsch7, der als Gründer der modernen Konfliktlösungstheorie und -praxis gilt und seit 1949 als Pionier im Bereich der Konfliktforschung und der Diplo-matie arbeitet, bis hin zu Winfried Hacker8 und Erika Spieß9 zeugen von dieser Wirkkraft der Kooperation. Die Forscher beweisen in ihren vielschichtigen Untersuchungen, dass koopera-tives Verhalten

– das soziale Kollektiv stärkt,

– eine stark motivationale Kraft hat und

– die individuell kognitive Leistungsfähigkeit steigert.

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Was veranlasst nun aber Menschen dazu, aktiv zu kooperieren? Folgende Erkenntnisse aus der Hirnforschung auf Basis der unten ange-führten Fragen rücken dabei in den Mittelpunkt, wenn es darum geht, die Macht kooperativen Verhaltens im Unternehmen zu wecken:

1. Was treibt uns an?

2. Was führt zur Kooperation?

3. Warum entscheidet letztlich die Authentizi-tät?

Also, der Reihe nach:

1. WAs treiBt UNs AN?

Erkenntnisse der Hirnforschung verdeutli-chen, dass der Ursprung bzw. Ausgangspunkt menschlicher Motivation (vereinfacht ausge-drückt) ganz wesentlich von zwei im Wettstreit stehenden „Quellen“ gespeist wird:

– Dem Streben nach SICHERHEIT und der damit verbundenen Vermeidung von Bedro-hung sowie

– dem Streben nach BELOHNUNG und der damit verbundenen Suche nach Chancen und Möglichkeiten, die sich für den einzelnen Menschen lohnen.

Warum streben wir nach sicherheit?

Das Gehirn ist eine regelsuchende Maschine. Passieren Dinge, die nicht regelkonform sind (darunter fallen auch alle neuen Situationen), sind wir verunsichert und geraten in einen Angstmodus, der uns blockiert. Unser assozi-atives und kreatives Denken funktioniert nicht mehr. Dementsprechend „motiviert“ das Stre-ben nach Sicherheit den Menschen dazu, Be-drohung bzw. Neues bestmöglich zu vermeiden bzw. in einem bestimmten Ausmaß Sicherheit zu finden.10

Warum streben wir nach Belohnung?

Die Neugierde bzw. unser Leistungsstreben wird insbesondere durch unser Belohnungs-system angefeuert. Wenn das „Gehirn“ erkennt, dass sich eine Chance eröffnet, belohnt zu

Authentizität

Authentizität

Authentizität

AuthentizitätSicherheit

Belohnung

Zugehörigkeit

Beitrag leisten

Selbstwertgefühl

Selbstverwirklichung

Chancen nutzen

Abbildung 1: einflussfaktoren auf kooperatives verhalten

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werden, dann wird der Mensch neugierig und sucht seine „Befriedigung“.11

Das Problem bei der ganzen Sache ist aber, dass sich die beiden „Motivationsquellen“ im-mer in einer gewissen Konkurrenz zueinander befinden. Vereinfacht ausgedrückt könnte man auch sagen, dass sich der Mensch immer die Frage stellt, ob die Vorteile des „Neuen“ so bedeutend sind, um die „alte“ Sicherheit dafür aufzugeben.

Leadership muss also darauf abzielen, Mitar-beitern ein Umfeld anzubieten, das ihnen auf der einen Seite eine erkennbare Sicherheit bietet und auf der anderen Seite aber auch Chancen eröffnet, die sich für die Einzelperson lohnen könnten und so die Neugierde wecken.

2. WAs FÜHrt ZUr KOOPerAtiON?

Ausgehend von diesen beiden Kerntreibern menschlicher Motivation drängt sich die Frage auf, anhand welcher „Messgrößen“ Menschen das Potenzial für Sicherheit und Chancennut-zung im Kontext von Gemeinschaften beurtei-len. In Anlehnung an unser Gespräch mit dem Hirnforscher Prof. Gerald Hüther12 erhalten folgende Orientierungspunkte eine ganz be-sondere Bedeutung, wenn es darum geht, sich für oder gegen kooperatives Verhalten zu ent-scheiden:

– Fühle ich mich der Gemeinschaft zugehörig? Denn einer Gemeinschaft zugehörig zu sein, vermittelt mir ein Gefühl der Sicherheit.

– Vermittelt mir die „Gemeinschaft“ das Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden? Denn gebraucht zu werden, stärkt mein Selbstwertgefühl und gibt mir „Selbst“-Sicherheit.

– Habe ich das Empfinden, dass ich mich gemeinsam mit anderen um etwas Wichti-ges – um etwas „Größeres“ – kümmern bzw.

dafür einsetzen darf? Denn sich gemeinsam um etwas Wichtiges und mit einem Größeren in Zusammenhang Stehendes zu kümmern, vermittelt einem das Gefühl, eine Chance zu haben, etwas Bedeutendes zu erwirken.

– Habe ich die Möglichkeit, im Sinne der ge-meinsamen Sache bzw. Zielsetzung meine individuelle Gestaltungskraft einbringen zu können? Denn seine individuelle Gestal-tungskraft einzubringen, vermittelt einem das Gefühl, die Chance zu haben, sich selbst zu verwirklichen, und auf sich selbst stolz sein zu dürfen.

Echte Zugehörigkeit, ehrliche Wertschätzung, aktive Einbindung und individuelle Entwick-lungschancen sind jene Dimensionen, die wesentlich für die Bereitschaft der Mitarbeiter sind, sich für ein kooperatives Verhalten zu entscheiden.

3. WArUM eNtscHeiDet LetZtLicH Die AUtHeNtiZität?

Das menschliche Gehirn verfügt über aus-gezeichnete Fähigkeiten, sich in wenigen Augenblicken und mit einer sehr großen Treffsicherheit ein Urteil über Situationen, Men-schen, Verhaltensweisen etc. zu bilden. Diese Erkenntnis wird u. a. durch die Ergebnisse aus der Spiegelneuronen-Forschung weiter bestätigt. Wie uns Prof. Korte erklärte, konnte nachgewiesen werden, dass der Mensch es nahezu perfekt versteht, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Wenn Sie bei-spielsweise einen Menschen beobachten, der sich gerade mit einem Messer in den Finger schneidet, dann werden in Ihrem Gehirn die-selben Regionen „aktiviert“, wie beim anderen, der sich tatsächlich geschnitten hat. Sie „emp-finden“ ähnlich wie diese Person und können sich dadurch auch empathischer zeigen und mehr Verständnis in solchen Situationen auf-

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bringen.13 Diese Fähigkeit bedingt, dass der Mensch wie kein anderes Lebenswesen auch dazu imstande ist, sehr gut zu „verstehen“, was tatsächlich erwünscht ist, und sich in seinem Verhalten entsprechend anzupassen. Der Mensch ist folglich auch in der Lage, mit sehr großer Treffsicherheit zu beurteilen, ob im je-weiligen Umfeld tatsächlich kooperatives Ver-halten erwünscht ist und wertgeschätzt wird, oder eben nicht.

Das menschliche Gehirn verfügt über außer-ordentliche Fähigkeiten, sich auch über die „Authentizität“ von Führungskräften ein „gutes“ Urteil zu bilden. Anders ausgedrückt: Men-schen tragen in sich die Fähigkeit, sich nicht „blenden“ zu lassen.

FÜHRUNG Oder: Warum wir unser verständnis von Führung erweitern müssen

Wenn man sich tatsächlich mit der Frage ausein andersetzen will, was Führungsarbeit im Kontext von kooperativem Denken und Tun bedeuten könnte, dann wird sehr schnell klar, dass ein Blick über den Tellerrand der klassi-schen Management-Literatur hinaus gewagt werden muss. Denn darin wird Führungsarbeit nur allzu oft auf vier Kernaufgaben reduziert:

– Ziele setzen

– Entscheidungen treffen

– Aufgaben übertragen

– Kontrolle ausüben

Diese Sichtweise basiert im Kern sehr häufig – bewusst oder unbewusst – auf einem tech-nokratischen Verständnis, was Führungsarbeit ist und letztlich zu leisten hat. Im Vordergrund steht dabei die rationale, effektive Planung und

Durchführung zielorientierter Vorhaben. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich sehr stark auf Mittel und Wege, die die Sicherstellung der Zielerreichung garantieren sollen. Partizipation und Teilhabe hinsichtlich der Zielfindung sowie der damit einhergehenden Entscheidungs-prozesse wird wenig bis gar keine Bedeutung beigemessen. Zudem impliziert ein technokra-tisches Verständnis letztlich die unbedingte Durchsetzung von Gehorsam und baut dement-sprechend auf dem „klassischen“ Verständnis von Macht auf.

Kritiker – von Herbert Marcuse14 bis Sir Karl Popper15 – warnen eindringlich vor einer Sichtweise, die sich letztlich im Glauben an ein hochrationalisiertes und durch und durch mechanisiertes Wirtschaftssystem von höchster Produktivität manifestiert. Eine Auseinander-setzung mit Leadership im Kontext kooperati-ven Denkens und Handelns erfordert aber aus unserer Sicht eine differenziertere Herange-hensweise. Dabei rücken vier grundlegende Fragestellungen in den Vordergrund:

1. Welchem Menschenbild fühlen wir uns ver-pflichtet?

2. Warum stellt Führungslosigkeit keine echte Alternative dar?

3. Warum sollten Könige Philosophen sein?

4. Wie macht man Mitarbeiter zu Mitspielern?

1. WeLcHeM MeNscHeNBiLD FÜHLeN Wir UNs verPFLicHtet?

Der Mensch ist MITTEL. Punkt! Oder aber: Der Mensch ist MITTELPUNKT. Der Ton macht in diesem Fall nicht nur die Musik, sondern hinterlegt diese beiden Aussagen mit zwei völlig unterschiedlichen Führungszugän-gen. Für den Philosophen Konrad Paul Liess-mann haben alle Vorstellungen von Führung mit einem ganz spezifischen Menschenbild zu tun: „Im Grunde genommen geht jedes Konzept von Führung davon aus, dass wir es in der Re-gel mit Menschen zu tun haben, die nicht wis-

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sen, was sie zu tun haben. Sonst würde man sie erst gar nicht führen. Da stellt sich dann sofort die Frage: Woher wissen wir das? Woher wissen wir so genau, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die nicht wissen, was sie zu tun haben? Und woher wissen wir, wo jene Men-schen zu finden sind, die wissen, was ANDERE zu tun haben? Führung hat also etwas damit zu tun, dass man denkt, es gibt einen Grund, Men-schen bewegen zu MÜSSEN.“16

Folgt man dieser Logik, dann rückt die Frage nach dem jeweiligen Menschenbild unweiger-lich in den Fokus der Diskussion. Insbesondere zwei Menschenbilder werden laut Liessmann in diesem Zusammenhang schon seit der Antike debattiert:

„Man kann auf der einen Seite jenes Men-schenbild vertreten, wonach der Mensch ein führungsbedürftiges Wesen ist und aufgrund seiner Lage, seiner Herkunft, seiner Bildung, seiner Bedürfnisse usw. eher PASSIV ist. Bei diesem Bild ist der Mensch ein Wesen, das seine Bedürfnisse befriedigt bekommen will, und wenn er zu bestimmten Aktivitäten be-wegt werden soll, dann müssen die Anstöße von außen kommen. Man kann aber auch das Menschenbild vertreten, wonach alle Menschen ihrer Grundausstattung nach nicht nur passiv bedürfnisorientiert, sondern auch AKTIV sind. Demnach sind Menschen im Allgemeinen neu-gierig, kreativ, experimentierfreudig, vernunft-begabt usw. Jene Aufgaben, die der Mensch zu bewältigen hat, werden bewältigt, indem er sich mit anderen verständigt und gemeinsam zu Entscheidungen findet.“17

Führungskräfte agieren in Übereinstimmung mit ihrem jeweiligen Menschenbild entweder tendenziell autoritär hierarchisch oder partizipa-tiv einbindend.

Der Versuch, sich möglichst wertfrei der Frage zu nähern, welches Menschenbild für erfolg-

reiche Führungsarbeit grundsätzlich mehr Bedeutung hat, ist auf den ersten Blick ein schwieriges Unterfangen. Historisch betrachtet gibt es nämlich vermeintliche Erfolgsbeispiele für beide Sichtweisen. Einfacher wird es, wenn man sich folgende Frage stellt:

Wie gelingt es, die Potenziale von Men-schen optimal zur Geltung zu bringen?

Für den Hirnforscher Prof. Gerald Hüther ist die Sache klar. Der Mensch verfügt seiner Auf-fassung nach über ungeahnte Potenziale. Das Gehirn sei nämlich ein „Problemlösungsorgan“. Es sei perfekt konzipiert, um neue Lösungen hervorzubringen. Ob wir dieses Potenzial nun nutzen, ob wir also unseren „Innovationsgeist“ erscheinen lassen, oder nicht, hängt einzig und allein davon ab, WIE wir unser Gehirn verwen-den und zum Einsatz bringen. Dazu muss man wissen, dass sich unser Gehirn genau so ent-wickelt, wie wir es mit Begeisterung (!) nutzen. Denn nach einem „Sturm der Begeisterung“ in unserem Gehirn schütten die Zellfortsätze im Mittelhirn neuroplastische Botenstoffe aus. Und diese Botenstoffe wirken wie Dünger auf die dahinter geschalteten Netzwerke, die man im Zustand der Begeisterung und Neugierde intensiv benutzt, um ein Problem zu lösen, Ideen zu entwickeln – kurz: um sein kreatives Potenzial zu entfalten.18

Mitarbeiter bringen ihre Potenziale genau SO zur Geltung, wie Führungskräfte es ZULASSEN. Und das hängt wiederum mit dem Menschen-bild der jeweiligen Führungskraft zusammen.

Dominiert das Bild des PASSIVEN Menschen, kommt es im Grunde genommen nur darauf an, dass die Mitarbeiter FUNKTIONIEREN. Es geht darum, dass die Menschen genau das machen, was die Führungskräfte samt der dazugehörigen Verwaltungssysteme und Organisationsstrukturen verlangen. Diese

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müssen bestmöglich „befüllt“ werden, meint auch Prof. Hüther. Es gehe darum, dass die Mitarbeiter ihren Platz zugewiesen bekommen und dort ihre Rolle so gut wie möglich spielen. Mit anderen Worten: „Es ist von Anfang an ein manipulatives System, das die Mitarbeiter wie ein Objekt an ihren Platz stellt. Dieses System versucht mit allen Tricks (…) die Mitarbeiter entsprechend ‚herzurichten‘, sodass diese dann alle Fähigkeiten besitzen, um die zugewiesene Rolle und den Platz möglichst gut auszufüllen. Das nennt man dann Qualifikation. Das Er-gebnis davon ist, dass die Leute diese Plätze deshalb so gut einnehmen, weil sie über Beloh-nung oder Bestrafung in die angedachte Form gebracht werden. Denn im Grunde genommen erwartet man, dass die Mitarbeiter den Prozess nicht mitgestalten, sondern lediglich eine Funk-tion einnehmen – ähnlich wie ein Zahnrad im Getriebe. Man will für jene Bereiche, wo es um Verantwortung geht, gar keine mitdenkenden und begeisterten Menschen. Man will Men-schen, die funktionieren. Und deshalb macht man sie zum Objekt und entwickelt ausgefeilte Strategien (…)“19 Wenn hingegen das Bild des AKTIVEN Menschen dominiert, dann glauben wir an die Fähigkeiten und Potenziale unserer Mitarbeiter und verhalten uns auch dement-sprechend. Der Weg zur Begeisterung ist dann nur noch ein kleiner Schritt.

Doch was heißt das nun? Wenn das „Konzept“ vom PASSIVEN, hilflosen Menschen davon ausgeht, dass Mitarbeiter definitiv FÜHRUNG brauchen, dann müsste das doch im Um-kehrschluss bedeuten, dass das „Konzept“ vom Menschen als AKTIVEM Wesen gänzlich auf Führung verzichten kann. FÜHRUNGSLOSIG-KEIT als Alternative?

2. WArUM steLLt FÜHrUNGsLOsiGKeit KeiNe ALterNAtive DAr?

Das Bild des AKTIVEN Menschen bringt es unweigerlich mit sich, dass in der Führungsar-beit die klassische Über- bzw. Unterordnung immer mehr an Bedeutung verliert bzw. neu interpretiert werden muss. In diesem Zusam-menhang spricht man sehr oft von „flachen Hierarchien“, „Kommunikation auf Augenhöhe“ und „Eigenverantwortung“. Dabei handelt es sich um absolut positive „Konzepte“, solange

sie nicht automatisch mit Führungslosigkeit gleichgesetzt werden. Der Philosoph und Theo-loge Prof. Clemens Sedmak weist im Rahmen unserer Diskussion darauf hin, wie bedeutend und notwendig gute Führungsarbeit unter dem Gesichtspunkt asymmetrischer bzw. symmetri-scher Beziehungen sind:

„Bei Führungsverantwortung geht es auch darum, zu erkennen, dass nicht JEDE Bezie-hung auf ALLEN Ebenen symmetrisch ist bzw. sein kann. Eine Tendenz in der Führungsarbeit geht aber immer mehr in diese Richtung. Na-türlich ist es gut, wenn man sein Gegenüber als gleichwertiges, ebenbürtiges, symmetri-sches Wesen anerkennt. Aber das Ganze muss man kontextbezogen durchaus differenziert betrachten – vor allem bei Kindern und in der Führungsarbeit. (…) Es gibt so etwas wie verantwortungslose Symmetrie und verant-wortungsvolle Asymmetrie. Eine Asymmetrie im Verhältnis von Führungskraft zu Mitarbeiter ergibt sich z. B. durch die ungleiche Informa-tionsverteilung – wer hat den Gesamtkontext im Blick und kann somit über die Tragweite der Entscheidungen Bescheid wissen?“20

Wer davon ausgeht, dass Menschen vernunft-begabte Wesen mit einem immanenten Eigen-antrieb sind, muss auch seine Führungsarbeit so ausrichten, dass allen Mitarbeitern Wachs-tum bzw. Weiterentwicklung im System möglich ist – ohne sie dabei zu überfordern.

Wenn Leadership im Kern die Übernahme von Verantwortung bedeutet, muss man sich fra-gen, WIE eine Führungskraft dann sein, den-ken und handeln soll. Eine Antwort darauf zu finden ist ein schwieriges Unterfangen, zumal auch aus wissenschaftlichen Untersuchungen keine eindeutigen „Eigenschaften“ erfolgrei-cher Leader abzuleiten sind.

3. WArUM sOLLteN KöNiGe PHiLOsO-PHeN seiN?

Hier hilft uns eine Anleihe bei der Philosophie weiter: nämlich Platons umstrittene Theorie, dass in einem Staat entweder die Philosophen

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KÖNIGE oder die Könige PHILOSOPHEN sein sollen. Konrad Paul Liessmann meint dazu in unserem Interview:

„Ersetzen wir jetzt ‚Könige‘ durch ‚Führungs-kräfte‘. Dann würde das bedeuten, dass die Herausforderung genau darin bestünde, dass Führungskräfte entweder zu Philosophen wer-den oder Philosophen Führungsarbeit überneh-men. Warum hat Platon das gesagt? Aus zwei Gründen.

Der erste Grund war jener: Platon war der Mei-nung, dass zum Wahrnehmen von Führungs-aufgaben etwas gehört, was man eigentlich jedem Menschen zutrauen könnte, nämlich das Erkennen der WAHRHEIT. Nur dann, wenn ich dieses innere Streben habe, mich nicht täuschen zu lassen – und diese Eigenschaft hat Platon ja den Philosophen zugeschrieben – werden wir auch die richtigen Entscheidungen treffen können. (…) Es darf bei Führung eben NICHT um meine subjektiven Präferenzen gehen. Es darf sich NICHT um eine Ideologie handeln, die mit Gier und Eigennutz zu tun hat. Es geht darum, dass Entscheidungen darauf beruhen, WAHR und WAHRHAFT eingeschätzt worden zu sein. Das ist sicherlich die größte Herausforderung für Führungskräfte.“21

Den zweiten Grund, warum Platon glaubte, dass Könige Philosophen sein sollten, ist folgender: „…einen Staat kann nur derjenige gut führen – und Staat kann jetzt mit UN-TERNEHMEN ersetzt werden –, der frei von persönlichen Ambitionen ist. (…) Derjenige, der wirklich imstande ist, das Interesse des Unter-nehmens, der Gemeinschaft, der Gesellschaft zu sehen, ist zum Führen geeignet und nicht derjenige, der aus persönlichem Ehrgeiz Ziele verfolgt.“22

„(…) ein Führungsanspruch, der sich am Wohle des Unternehmens oder der Gemeinschaft orientiert, erfordert neben dieser Liebe zur Wahrheit und dem Anspruch auf Macht auf der einen Seite den Verzicht auf PERSÖNLICHE Macht auf der anderen Seite!“23

Obwohl diese Forderung scheinbar Über-menschliches verlangt, kann sie einen REFE-RENZPUNKT für ein sinnstiftendes Selbstbild von Führungskräften darstellen. Denn wie be-reits erwähnt, verfügt das menschliche Gehirn über die Fähigkeit, sich in Sekundenschnelle und mit großer Treffsicherheit ein Urteil über

Verantwortung wahrnehmen

Problemlösungs-intelligenz fördern

Führungsverständnis

Nach Wahrheit streben

Abbildung 2: Bausteine für ein zukunftsorientiertes Leadership-Denken

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Situationen, Menschen oder Verhaltenswei-sen zu bilden. Übertragen auf Führungsarbeit bedeutet dies, dass auch Mitarbeiter laufend prüfen und beurteilen:

– wie ehrlich das gemeint ist, was Führungs-kräfte sagen,

– wie bedeutend das Gesagte für die Füh-rungskräfte selbst ist und

– wie hoch das persönliche Engagement der Führungskräfte tatsächlich ist.24

Ehrlichkeit, Authentizität und das persönliche Engagement von Führungskräften sind die entscheidenden Parameter für die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich zu engagieren.

Wie kann es nun gelingen, die vorhandenen Energien in wirkungsvolle Kooperationsbereit-schaft bei möglichst vielen Mitarbeitern umzu-wandeln?

4. Wie MAcHt MAN MitArBeiter ZU Mit-sPieLerN?

Gerade in Mannschaftssportarten entscheiden Kooperationsbereitschaft und Spielintelligenz über Erfolg oder Misserfolg einer Mannschaft. Was läge also näher, als sich die dort etablier-ten Führungsprinzipien näher anschauen? Für Horst Wein, international angesehener Fuß-ballanalytiker und -lehrer, bedeutet der Begriff „Spielintelligenz“ die Fähigkeit der Spieler „HÄUFIG RICHTIG ZU HANDELN“ – und zwar im Sinne des Mannschaftserfolgs.25

In Unternehmen, die sich heute in äußerst kom-plexen Umgebungen befinden, gibt es – ähn-lich wie im Fußball – unzählige Möglichkeiten, ein bestimmtes Problem bzw. eine bestimmte Situation zu lösen. Standardlösungen oder einfache Erfolgsrezepte haben ausgedient. Hier ist die Problemlösungsintelligenz der Mitarbeiter, die „Spielintelligenz“, von der Horst Wein spricht, ein zentraler Erfolgs- und Überle-bensfaktor.

Zwei Aspekte erscheinen in diesem Kontext für die Führungsarbeit als besonderes relevant:

– Auf welchen Fähigkeiten basiert die Problem lösungsintelligenz?

– Welche Voraussetzungen muss Führungsar-beit schaffen, damit Mitarbeiter ihre „Spiel-intelligenz“ erhöhen können?

Beim FC Barcelona wird in der Trainingsarbeit seit Jahren mit ausgefeilten Methoden daran gearbeitet, die Spieler zu befähigen,

1. die relevanten Dinge wahrzunehmen,

2. die Situation richtig einzuordnen und umfas-send zu verstehen,

3. richtige Entscheidungen unter Berücksichti-gung der möglichen Risiken und Chancen zu treffen und

4. diese dann erfolgreich und zum richtigen Zeitpunkt auszuführen bzw. ausführen zu lassen.

Im Idealfall sollten in Unternehmen auf mög-lichst vielen Positionen Mitarbeiter agieren, die in ihrem Bereich diese vier Fähigkeiten zum Einsatz bringen können.

Ob die Fußballspieler diese Fähigkeiten ent-wickeln können, hängt für Host Wein zum Großteil vom jeweiligen Führungsverständnis der Trainer ab: „Nach wie vor fokussiert unsere Führungsarbeit vor allem auf Instruieren, Leh-ren, Anweisen und Kontrollieren. Spielintelli-genz kann sich in einem solchen Umfeld aber niemals entwickeln. Führung muss Mitarbeiter anregen, selbstständig Lösungen für die rele-vanten Probleme zu finden. Das Fragenstellen wird dabei zu einem wichtigen Führungsinstru-ment. Dabei wird es zur Kernherausforderung, die richtige ‚Spielfeldgröße‘, also den richtigen Rahmen zu definieren. So wie neunjährige Kin-der mit einem Spiel ‚elf gegen elf‘ völlig über-fordert sind und keine Spielintelligenz entwi-ckeln können, so ist es auch Mitarbeitern nicht

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möglich, an zu schwierigen und komplexen Aufgaben Führungsintelligenz zu erwerben.“26

In der Führungsarbeit muss der richtige, SINN-VOLLE Rahmen für jeden Mitarbeiter gefunden werden. Die richtigen Fragen zu stellen, hilft dabei. Die altbekannten Handlungsanweisun-gen von „oben herab“ behindern die Entwick-lung zu einem „häufig richtig Handeln“.

Zudem gilt es, als Führungskraft konsequent Prinzipien zu definieren, die Kooperationsbe-reitschaft zum höchsten Gut erklären, und sich für die Einhaltung dieser Prinzipien auch mit aller Kraft einzusetzen. Wenn wir also einen „SINNVOLLEN Rahmen“ schaffen wollen, in dem Kooperationsbereitschaft Platz hat, geht es um den dritten und letzten Punkt unseres Dreiklangs MACHT. FÜHRUNG. SINN.

SINN Oder: Warum wir alles dafür tun sollten, damit Mitarbeiter einen sinn in ihrem tun erkennen können

Was sinnvoll bzw. sinnlos ist, ist nicht nur eine von Philosophen aller Zeitepochen disku-tierte Frage. Es ist eine jener Fragen, die die Menschen Zeit ihres Lebens immer wieder beschäftigen: Wie sinnvoll ist es, überhaupt in die Schule zu gehen, sich gesellschaftlich zu engagieren, sich bei der Arbeit anzustrengen? Wir alle kennen diese Fragen, die letztlich alle in die eine Frage nach dem SINN des Lebens münden. Und spüren, dass ein sinnerfülltes Leben etwas ist, das wir uns alle explizit oder implizit wünschen – unabhängig davon, was jeder Einzelne darunter versteht.

Was bedeutet „sinn“ für die Führungsar-beit?

Der Arzt und Psychotherapeut Viktor Frankl bringt die Dimension bzw. Bedeutung des SINNS aus unserer Sicht auf den Punkt: Einen

Beitrag zu etwas Sinnvollem leisten zu können, löst jene Primärmotivation beim Menschen aus, die ungeahnte Kräfte freizusetzen imstande ist. „Nur die Suche nach dem Sinn gibt uns (…) authentische Bereicherung und die Erfüllung, welche die meisten Menschen in ihrer Arbeit und ihrem Alltag suchen. Und nur die Fähigkeit, unseren Willen zum Sinn zu realisieren – au-thentisches Engagement für sinnvolle Werte und Ziele, die nur wir selbst verwirklichen und erfüllen können und niemand sonst –, treibt uns dazu an, dieses rein menschliche Potenzial anzuzapfen.“27 Die häufig angepriesenen Moti-vationstechniken und -tricks verblassen dem-gegenüber zu „Manipulationsversuchen“, die keine nachhaltige Wirkung erzeugen.

Jeder von uns kann sich nur dann inhaltlich und emotional für eine Sache, eine Idee, eine Arbeit, ein Unternehmen … begeistern, wenn er darin einen Sinn erkennt.

Denn:

– Je größer die Sinnhaftigkeit ist, desto wert-voller wird das Ganze für uns.

– Je wertvoller etwas für uns ist, desto wichti-ger wird es für uns.

– Je wichtiger etwas für uns ist, desto mehr beschäftigen wir uns emotional und inhaltlich mit dem Anliegen.

– Je mehr wir uns emotional und inhaltlich mit etwas befassen, desto eher wachsen wir über uns hinaus, und sind imstande, etwas Besonderes zu leisten.

„Sinnlosigkeit“ und „Sinnleere“ hingegen führen zu Interesseverlust und Gleichgültigkeit, die am Arbeitsplatz auch zum „Bore-out“ führen können: einer massiven Unzufriedenheit mit der eigenen Aufgabe, die mit denselben Symp-tomen wie ein Burn-out einhergeht: Übermü-dung, Antriebslosigkeit, Gereiztheit bis hin zu Depression und Totalausfall. Bore-out darf nicht als „Faulheit“ missverstanden werden: Solcherart unzufriedene Menschen MÖCHTEN arbeiten und suchen in Wahrheit nach sinnvol-len Aufgaben. Häufig werden jedoch Bore-out-

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Betroffene auch dazu GEMACHT (!), indem ihnen keine passenden, herausfordernden, d. h. für sie sinnvollen Aufgaben übertragen werden.

Auch Prof. Sedmak spricht im Rahmen unse-res Interviews von der PASSGENAUIGKEIT der Arbeit und von „sinnvollen“ Produkten oder Dienstleistungen, die Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen und Bedürfnisse der Gesellschaft geben sollten: „Ein Unternehmen, das solche sinnvollen Produkte anbietet, wird bei den Mitarbeitern entsprechenden Nachhall finden. Was Menschen bestärken kann, ihre Arbeit als ‚sinnvoll‘ zu empfinden, ist neben dem soziale Nutzen (‚Antwortwert‘ des Pro-dukts) auch die ‚Passgenauigkeit‘, die ‚Persön-lichkeit‘ der Arbeit. Es geht also darum, dass die Arbeit zu einem PASST, meinen Fähigkeiten entspricht und vielleicht in dieser Weise nur von mir ausgefüllt werden kann. Auch hier haben Unternehmer Spielraum, um darauf zu achten, dass Tätigkeiten und Mitarbeiter gut aufeinan-der abgeglichen werden.“28

Unweigerlich könnten man nun also denken, dass eine Kernaufgabe von Leadership darin besteht, SINN zu erzeugen – ein Irrglaube, wie uns Sedmak im Gespräch erläutert: „Die Wortkombination ‚Sinn MACHEN‘ ist falsch und irreführend. Warum? Weil damit angedeu-tet wird, dass Sinn hergestellt und fabriziert werden kann. Sinn ‚machen‘ klingt wie ‚Kuchen machen‘. Wenn Sie aber einen Kuchen ma-chen, gibt es dafür ein Rezept und bestimmte Zutaten. Für die Herstellung von SINN gibt es aber kein ‚Rezept‘ (…) Somit kann weder ein Unternehmen, noch Arbeit Sinn MACHEN. Sie können aber als Unternehmen oder Person Sinn GEBEN bzw. Sinn FINDEN.“29

Mit der Frage, ob die eigene Berufsausübung als „sinnvoll“ erlebt wird – ob Menschen also in ihrer Arbeit Sinn FINDEN – setzten sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Innsbruck auseinander. So konnte zum Beispiel Elke Siller in einer empirischen Studie belegen, dass ein positiver Zusammen-hang zwischen Sinnerfüllung im Beruf und

Arbeitsengagement besteht: Wer seinen Beruf als sinnvoll erlebt, ist auch bereit, sich für die Arbeit stärker einzusetzen. Wenn umgekehrt Arbeit als sinnlos empfunden wird, verringert sich auch die Anstrengung, etwas für diese Arbeit zu leisten.30

Nun ist diese Erkenntnis weder neu noch gibt sie automatisch eine Antwort darauf, wie ein SINNVOLLER UNTERNEHMENSRAHMEN gestaltet sein sollte, damit möglichst viele Mit-arbeiter darin ihren SINN FINDEN können. Dennoch können mit solcherlei Studien auf Basis von Mitarbeiter-Befragungen wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Wichtige Be-zugspunkte für Sinn im Beruf sind demnach:

1. Selbstständigkeit und Selbstbestimmung

2. Eine offene Unternehmenskultur

3. Soziale Unterstützung seitens Kollegen und Vorgesetzten

4. Positive Aspekte der Arbeitsaufgaben wie Bedeutsamkeit, Anforderungsvielfalt, Auto-nomie und Rückmeldungen.31

Was heißt das nun für BEIDE, sowohl für die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer? Denn die oben angeführten Punkte bringen klar zum Ausdruck, dass es nicht NUR am ARBEITGE-BER liegen kann, für einen entsprechenden Rahmen zu sorgen. Es liegt auch beim AR-BEITNEHMER, die Möglichkeiten innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu nutzen, be-stimmte Rahmenbedingungen zu fordern und aktiv an der Gestaltung der Unternehmenskul-tur mitzuarbeiten.

In der Studie werden mit Blick auf Arbeitge-ber- und Arbeitnehmerseite folgende Punkte vorgeschlagen:

– Arbeitgeber sollten sich darum bemühen, ihren Beschäftigten eine Position zu bieten, in der diese relativ selbstbestimmt arbeiten und kreativ mitgestalten können; damit steigt das Sinnerleben im Beruf und das Arbeitsen-gagement.

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– Im Kreis der Kollegen ist es wünschenswert, füreinander einzustehen: Eine Abkehr vom Konkurrenzdenken hin zu Kollegialität stei-gert das Sinngefühl des Einzelnen. Für die Arbeitgeberseite bedeutet dies, dass sich Arbeits- und Unternehmensstrukturen, die auf innerbetriebliche Solidarität abzielen, positiv auswirken.

– Eine Unternehmenskultur, in der auf Mitbe-stimmung bzw. Mitsprache der Arbeitnehmer Wert gelegt wird, bringt ein subjektives Sinngefühl mit sich und drückt sich auch in stärkerem Engagement der Mitarbeiter aus.32

Eine weitere und die vielleicht bedeutendste Dimension der Sinnfindung verbirgt sich in der inneren Haltung, mit der man eine Tätigkeit ausübt. Sedmak führt als Beispiel dafür, dass es darauf ankommt, WIE man etwas tut, den Dalai-Lama an. Der höchste buddhistische Meister der Tibeter war von einem amerikani-schen Psychologen und Schriftsteller nach den „Glücksregeln für den Alltag“ gefragt worden: „Zwar hatte der Dalai-Lama noch nie in seinem Leben Fließbandarbeit verrichtet (…) – trotz-

dem hat er sich Gedanken darüber gemacht, wie er z. B. diese Tätigkeit als Buddhist ver-richten würde. Die Hauptaussage dieses Bu-ches ist sicherlich: ‚Stärke Menschen in ihren inneren Ressourcen!‘ Eine weitere Botschaft ist: ‚Wenn die Arbeit, die du machst, monoton ist, dann versuche den Punkt zu finden, den du GESTALTEN kannst!‘ Der Dalai-Lama meinte in diesem Zusammenhang: ‚Ich würde mir jeden Tag ein Projekt suchen, wie zum Beispiel: Wenn es eine schlecht gelaunte Empfangsdame gäbe, würde ich versuchen, ihr ein Lächeln zu entlocken. Oder, wenn es einen Kollegen gäbe, mit dem niemand in der Pause spricht, würde ich mich in der nächsten Pause zu ihm setzen!‘ Die Botschaft ist also: Es geht gar nicht so sehr darum, WAS du machst, sondern WIE du das machst, was du machst.“33

Man kann auch monotone Tätigkeiten, die un-ter ungünstigen Bedingungen stattfinden, als sinnvoll empfinden.

Von der Gruppe gebraucht

werden

Freude in der Aufgabe

suchenSinn

Individuell gefordert werden

Bedeutsamkeit empfinden

Abbildung 3: sinn-Dimensionen

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Laut Isaksens qualitativer Studie (2000)34 ge-ben drei von vier Angestellten eintöniger Jobs an, ihre Arbeit sehr wohl als sinnvoll zu empfin-den. Isaksens Studienergebnissen zufolge kann man sich aktiv und durch kontinuierliche Bemü-hungen seinen EIGENEN Sinn SCHAFFEN, wie auch folgendes Beispiel untermauert, das der amerikanische Autor, Professor und Bera-ter Alex Pattakos in seinem Buch „Gefangene unserer Gedanken – Viktor Frankls 7 Prinzipi-en, die Leben und Arbeit Sinn geben“ erzählt:

„Jeden Tag bringt Vita fröhlich pfeifend meine Post. Das Pfeifen ist ihr Markenzeichen. Eines Tages schüttete es aus Eimern, aber ich hörte ihr Lied unten am Briefkasten. Spontan rief ich zu ihr hinunter: (…) Wie können Sie tagaus, tagein so gut gelaunt und beschwingt Post austragen?‘, fragte ich. ‚Ich bringe nicht nur die Post‘, sagte sie. ‚Ich verbinde Menschen, ich unterstütze ihr Miteinander. Abgesehen davon sind die Leute von mir abhängig, und ich will sie nicht hängen lassen.‘ Ihre Antwort verriet Begeisterung und Stolz.“35

Diese Episode bringt kurz und bündig jene sinnstiftenden Kriterien auf den Punkt, die Isaksen in seiner Studie identifizieren konnte, nämlich:

1. Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeitsstelle und Tätigkeit

2. Engagement in sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz

3. Betrachtung der Arbeit in einem größeren Zusammenhang

4. Gefühl von Verantwortung und Stolz

Und diese Kriterien korrespondieren 1 : 1 mit den bereits genannten Kriterien, die der Hirnforscher Hüther als relevant für die MOTI-VATION herausgefunden hatte. Zur besseren Erinnerung: Laut Hüther stehen die Chancen auf hohe Mitarbeitermotivation gut, wenn fol-genden Fragen positiv beantwortet werden können:

– Fühle ich mich der Gemeinschaft zugehörig?

– Vermittelt mir die „Gemeinschaft“ das Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden?

– Habe ich das Empfinden, dass ich mich gemeinsam mit anderen um etwas Wichti-ges – um etwas „Größeres“ – kümmern bzw. einsetzen darf?

– Habe ich die Möglichkeit, im Sinne der ge-meinsamen Sache bzw. Zielsetzung meine individuelle Gestaltungskraft einbringen zu können?

Unabhängig also davon, mit welcher „Brille“ – ob aus der Sicht der Gehirnforschung, der Phi-losophie oder der Psychologie – man die Frage nach dem Sinn betrachtet: Das Erkennen und Empfinden eines SINNS im eigenen Tun und die ARBEITSMOTIVATION scheinen im direk-ten Zusammenhang zu stehen. Und damit liegt in der Sinn-FINDUNG wohl eine der größten Antriebskräfte menschlichen Denkens und Handelns begründet.

Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern Möglichkeiten zur persönlichen Sinnfindung ermöglichen. Sie können dann erleben, wie sich im Team ungeahnte Ressourcen entfalten und gemeinsam echte Herausforderungen bewälti-gen lassen.

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Wir hatten uns eingangs gefragt, was Lea-dership wieder zu der notwendigen und ge-rechtfertigten Anerkennung verhilft. Unsere Gespräche, Diskussionen und Reflexionen mit führenden Männern und Frauen aus den unter-schiedlichsten Disziplinen, die Sie im Folgen-den ausführlich lesen können, lassen sich als Antwort auf diese Frage in

vier KerNtHeseNzusammenfassen. Demnach bedeutet „Leader-ship-Logiken der Zukunft“ …

– … dass Führende sich vom Bild des passi-ven Menschen lösen. Führungsverantwor-tung muss so wahrgenommen werden, dass die Potenziale der Mitarbeiter im Sinne und zum Wohle des Unternehmens zur Geltung kommen können.

– … dass Führende sich dazu verpflichtet füh-len, losgelöst von persönlichen Eitelkeiten und Wünschen nach „Wahrheit“ im Sinne Platons für das Unternehmen und die Mitar-beiter zu streben.

– … dass Führende sich vom klassischen Machtverständnis verabschieden und sich dafür einsetzen, dass sich die Kraft koopera-tiven Denkens und Handelns im Unterneh-men entfalten kann.

– … dass Führende die Verantwortung haben, in ihrem Unternehmen für Raum und Metho-den zur persönlichen und kollektiven Sinnfin-dung zu sorgen.

MACHT FÜHRUNG SINN?

haben wir die diesjährige Ausgabe der IMP Perspectives betitelt. Ja – wir sind stärker denn je davon überzeugt. Führung macht Sinn, wenn die FÜHRUNG darin besteht, die MACHT und Intelligenz der Masse sowie das Potenzial des Einzelnen durch Kooperation und Koordination SINNvoll zur Entfaltung zu bringen.

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QUeLLeN

1 Joseph C. Rost ist emeritierter Professor an der

School of Leadership and Education Sciences der

Universität von San Diego.

2 Joanne B. Ciulla ist Professorin für Leadership

und Ethik an der Universität von Richmond.

3 Weber, K.; Bailom, F.; Kausl, A.: Philosophicum mit

Konrad Paul Liessmann. „Führung MACHT keinen

Sinn, sondern hat die Aufgabe, die Sinnfrage zu

verhindern!“, IMP Perspectives 4: Leadership-Logi-

ken der Zukunft, 2012.

4 Ebd.

5 Vgl. Weber, K.; Ettinger, A.: Führung ist … reine

„Kopfsache“? Oder: Einblicke in die Gehirne von

„Führungsköpfen“, IMP Perspectives 4: Leadership-

Logiken der Zukunft, 2012.

6 Weber, K.; Bailom, F.; Mirow, M.: Der Kontrabass, die

Zweite: alles Theater? Oder: IMP im Gespräch mit

Menschen, die wissen, wie das wahre Leben „spielt“,

IMP Perspectives 4: Leadership-Logiken der

Zukunft, 2012.

7 Morton Deutsch (*1920) ist ein US-amerikanischer

Sozialpsychologe und Konfliktforscher. Deutsch gilt

als Gründer der modernen Konfliktlösungstheorie

und -praxis. Er forscht seit 1949 als Pionier im

Bereich der Konfliktforschung und der Diplomatie.

8 Winfried Hacker (*1934) ist ein deutscher Psycholo-

ge und Arbeitswissenschaftler. Hacker ist vor allem

durch seine Beiträge zur Handlungsregulationsthe-

orie und weiteren Themen der Arbeitspsychologie

bekannt.

9 Erika Spieß ist Professorin am Lehrstuhl für Wirt-

schafts- und Organisationspsychologie an der

Ludwig-Maximilians-Universität München und be-

schäftigt sich unter anderem mit Lern- und Koopera-

tionskulturen.

10 Vgl. Weber, K.; Ettinger, A.: Führung ist … reine

„Kopfsache“? Oder: Einblicke in die Gehirne von

„Führungsköpfen“, IMP Perspectives 4: Leadership-

Logiken der Zukunft, 2012.

11 Ebd.

12 Vgl. Weber, K.; Bailom, F.: Hüther’s Lemon Trees.

Oder über Fools Garden und den Geist der Inno-

vation, IMP Perspectives 3: Innovationslogiken der

Zukunft, 2011.

13 Vgl. Weber, K.; Ettinger, A.: Führung ist … reine

„Kopfsache“? Oder: Einblicke in die Gehirne von

„Führungsköpfen“, IMP Perspectives 4: Leadership-

Logiken der Zukunft, 2012.

14 Herbert Marcuse (1898–1979) war ein deutsch-US-

amerikanischer Philosoph, Politologe und Soziologe.

15 Sir Karl Raimund Popper (1902–1994) war ein

österreichisch-britischer Philosoph, der mit seinen

Arbeiten zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie,

zur Sozial- und Geschichtsphilosophie sowie zur

politischen Philosophie den kritischen Rationalismus

begründete.

16 Weber, K.; Bailom, F.; Kausl, A.: Philosophicum mit

Konrad Paul Liessmann – „Führung MACHT keinen

Sinn, sondern hat die Aufgabe, die Sinnfrage zu ver-

hindern!“, IMP Perspectives 4: Leadership-Logiken

der Zukunft, 2012.

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QUeLLeN

17 Ebd.

18 Vgl. Weber, K.; Bailom, F.: Hüther’s Lemon Trees.

Oder über Fools Garden und den Geist der Inno-

vation, IMP Perspectives 3: Innovationslogiken der

Zukunft, 2011.

19 Ebd.

20 Weber, K.; Bailom, F.: Die Philosophie des Führens.

Oder: Warum Führung keine Kunst oder Wissen-

schaft ist, sondern eine Philosophie und Haltung,

IMP Perspectives 4: Leadership-Logiken der Zu-

kunft, 2012.

21 Weber, K.; Bailom, F.; Kausl, A.: Philosophicum mit

Konrad Paul Liessmann – „Führung MACHT keinen

Sinn, sondern hat die Aufgabe, die Sinnfrage zu ver-

hindern!“, IMP Perspectives 4: Leadership-Logiken

der Zukunft, 2012.

22 Ebd.

23 Ebd.

24 Vgl. Weber, K.; Ettinger, A.: Führung ist … reine

„Kopfsache“? Oder: Einblicke in die Gehirne von

„Führungsköpfen“, IMP Perspectives 4: Leadership-

Logiken der Zukunft, 2012.

25 Vgl. Tschemernjak T.; Kausl, A.; Cotiaux N.: Tiki-Taka

… Oder: Mit der Philosophie des Ball-Führens zu

mehr (Problemlösungs-)Intelligenz, , IMP Perspec-

tives 4: Leadership-Logiken der Zukunft 2012.

26 Vgl. Weber, K.; Ettinger, A.: Führung ist … reine

„Kopfsache“? Oder: Einblicke in die Gehirne von

„Führungsköpfen“, IMP Perspectives 4: Leadership-

Logiken der Zukunft, 2012.

27 Pattakos, A.: Gefangene unserer Gedanken. Viktor

Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn

geben, Linde Verlag Wien, 2007, S. 89.

28 Weber, K.; Bailom, F.: Die Philosophie des Führens.

Oder: Warum Führung keine Kunst oder Wissen-

schaft ist, sondern eine Philosophie und Haltung,

IMP Perspectives 4: Leadership-Logiken der Zu-

kunft, 2012.

29 Ebd.

30 Siller, E.: Sinnerfüllung im Beruf: Zum Zusammen-

hang von Merkmalen der Arbeitstätigkeit, Sinner-

füllung, Arbeitsengagement und Wohlbefinden.

Unveröffentlichte Diplomarbeit. Leopold-Franzens-

Universität Innsbruck, 2009.

31 http://www.sinnforschung.org/gesellschaftsrele-

vant/sinnerfullungim-beruf

32 Siller, E.: Sinnerfüllung im Beruf: Zum Zusammen-

hang von Merkmalen der Arbeitstätigkeit, Sinner-

füllung, Arbeitsengagement und Wohlbefinden.

Unveröffentlichte Diplomarbeit. Leopold-Franzens-

Universität Innsbruck, 2009.

33 Ebd.

34 Isaksen, J.: Constructing Meaning despite the

Drudgery of Repetitive Work. Journal of Humanistic

Psychology, 40, 2000, S. 84–107.

35 Pattakos, A.: Gefangene unserer Gedanken, Viktor

Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn

geben, Linde Verlag Wien, 2007, S. 25.