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Kristallographie Deutsche Gesellschaft für Kristallographie e.V. D G K in Deutschland

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Kristallographie

Deutsche

Gesellschaft für

Kristallographie e.V.

DG

K

in Deutschland

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Impressum

Herausgeber

Deutsche Gesellschaft für Kristallographie e.V.www.kristall.ethz.ch/DGK/ und www.dgkristall.de

Koordination

Prof. Dr. Ladislav BohatyInstitut für Kristallographie, Köln

Autor

Dr. Mathias Schulenburg, BergerhofStudios, Köln

Gestaltung

Suzy Coppens, BergerhofStudios, Kölnwww.bergerhof-studios.de

Druck

Druckhaus Locher, Köln

Stand

März 2002

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Inhalt

1 Inhalt

2 Die historischen Wurzeln

der Kristallographie

Kristalle in Wissenschaft

und Technik

4

5

6

7

Mit Kristallen rechnen

Kristalleffekte

Kristalle und Licht

Weiche Materie

Die Bedeutung der Struktur

und ihre Entschlüsselung

8

9

1o

12

Formen, Farben, Gitter

Biowissenschaften

Materialwissenschaften

Geowissenschaften

14 Groß geräte

Oberflächen

16 LEED, Auger, STM & Co.

Wie Kristalle in die Welt

kommen

18

19

Formen aus dem Wasser

Formen aus der Schmelze

Formen aus dem Dampf

Kristallisation mit Licht

20 Biomineralisation

Der Kristall - ein Konzept

mit Ausstrahlung

Ideengeschichte

23 Wie wird man

Kristallograph

24 Bildnachweis

22

U2 Impressum

U3 Kontakte, Webseiten

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Die historischen Wurzeln

der Kristallographie

Das Wort Kristall stammt aus demGriechischen, krystallos bedeutetEis. Es sollen Bergkristalle gewesensein, die die Bezeichnung als erstetrugen, weil man glaubte, sie seienin extremer Kälte entstanden (tat-sächlich entstehen sie in heißemWasser unter hohem Druck). Mit ih-rem geheimnisvollen Licht- und Far-benspiel, ihrer kunstvollen Geomet-rie und einer Reihe vermeintlich ma-gischer Eigenschaften haben Kristal-le immer schon die Aufmerksamkeitder Menschen auf sich gezogen.

Kristalle sind ein stabiler Grundzu-stand der kondensierten Materie unddamit keineswegs selten, über 98%der festen Erde ist kristallin.

Aber die Erforschung der kristal-linen Welt ist tatsächlich an-spruchsvoll, was schon JohannesKepler (1571-1630) bemerkte, als erin der kleinen Schrift „De nivesexangula“ (Vom sechseckigenSchnee) den Grund für die Regelmä-ßigkeit der Schneeflocke zu findenversuchte. Die ganz richtigen Antwor-ten konnte Kepler beim damaligenStand des Wissens nicht haben, wohlaber stellte er die richtigen Fragen,so dass „De nive sexangula“ heuteals wichtiger Schritt weg vom Dog-ma hin zur experimentorientiertenNaturwissenschaft gilt.

Ein Geheimnis der Schneeflocke istfast schon menschlich: Die Materieist bequem, oder doch sparsam,jedenfalls arrangiert sie, nicht nur inKristallen, ihre Komponenten - Ato-me, Moleküle - stets so, dass unterden gegebenen Umständen ein Zu-stand möglichst niedriger Energie er-reicht wird. Dann sind die Bausteinedes Kristalls auch so regelmäßigwie möglich gepackt, was sich nach

außen, auch in der Schneeflocke, inschönen symmetrischen Formenäußert.

Auch dazu hatte Kepler etwas zu sa-gen, angeregt durch ein Problem derbritischen Admiralität, das zunächstder englische Mathematiker ThomasHariot bearbeitete: Wie lassen sichKanonenkugeln am dichtesten pa-cken? Immer auf Lücke (wie die Oran-gen im Basar), war Keplers Vermu-tung. Bewiesen (mutmaßlich) wurdedas erst am Ende des zwanzigstenJahrhunderts. Was wichtiger war:Hariot wie Kepler förderten mit ihrenGedankenspielen die Idee vom Atom,die schon der Grieche Demokrit (460- 370 v.Chr.) vertreten hatte, und dieIdee vom Kristall, der aus regelmä-ßig gepackten Atomen aufgebaut ist.Das war, mit kleinen Einschränkun-

gen, völlig richtig - fundamentale Ein-sichten, gewonnen durch die Beob-achtung von Schneeflocken.

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Durch die darauf folgende ständigeVerfeinerung der Methodik gelangdie Entschlüsselung immer komple-xerer Strukturen; in den fünziger Jah-ren schließlich konnten Francis Crickund James Watson das zentrale Ge-heimnis des Lebens präsentieren:

Die Struktur der Erbsubstanz DNA,der Doppelhelix.

Heute lassen sich mit leis-tungsfähigen Röntgen-strahlquellen und Com-putern Kristallstrukturenvon atemberaubenderKomplexität entschlüsseln

- die Kristallographie istmithin ein Schlüsselwerkzeug

auch für die Lebenswissenschaften.

In der Folge konnten durch diegenaue Vermessung von Kristalleneigentümliche geometrische Rela-tionen nachgewiesen werden, dieebenfalls einen blockartigen Auf-bau der Kristalle nahe legten.Der Beweis, dass Kristalle tatsäch-lich aus diskreten, regelmäßiggepackten Einheiten be-stehen, gelang erst 1912an der UniversitätMünchen, als nach ei-ner Idee Max vonLaues WaltherFriedrich und PaulKnipping Röntgen-strahlen auf einenKupfervitriolkristall lenktenund daraufhin auf einer photo-graphischen Platte ein regelmäßi-ges Punktmuster registrierten: DerKristall hatte Röntgenlicht ähnlichaufgefächert wie ein Opal sichtba-res Licht. Friedrich zeigte Laue dasschöne Ergebnis, der schon aufdem Heimweg durch dieLeopoldstraße die richtige theore-tische Deutung fand, was ihm zweiJahre später den Nobelpreis fürPhysik einbrachte. Mit den Münch-ner Experimenten war nicht nur diegitterartige, regelmäßige Anord-nung der Kristallbausteine bewie-sen sondern auch die Wellennaturder Röntgenstrahlen.

Ein Jahr später schon präsentiertenin England William Henry Braggund sein Sohn William LawrenceBragg als Ergebnis der ersten

Kristallstrukturanalyse dengenauen atomaren Aufbaukristallinen Kochsalzes, des Natri-umchlorids.

Nobelpreise für Kristall - Themen

1994 (Physik) Bertram N. Brockhouse, Clifford G. ShullNeutronenbeugung und Neutronenspektroskopie1988 (Chemie) Johann Deisenhofer, Robert Huber, HartmutMichelStruktur und molekulare Funktion eines membrangebundenenProtein-Chromophor-Komplexes1987 (Physik) Georg Bednorz, K. Alex MüllerEntdeckung der Hochtemperatursupraleiter1986 (Physik) Ernst Ruska, Gerd Binning, Heinrich RohrerEntwicklung des Elektronenmikroskops sowie des Rastertunnel-mikroskops1985 (Chemie) Herbert A. Hauptman, Jerome KarleDirekte Methoden in der Kristallstrukturbestimmung1982 (Chemie) Aaron KlugStruktur von Nukleinsäure-Protein-Komplexen.1976 (Chemie) William N. LipscombStruktur von Borhydriden1964 (Chemie) Dorothy Crowfoot HodgkinStrukturbestimmung wichtiger biochemischer Verbindungenmittels Röntgenbeugung1962 (Medizin) James D. Watson, Francis H.C.Crick, Maurice H.F.WilkinsBestimmung der Struktur von Desoxyribonukleinsäure und ihrerBedeutung für den genetischen Code1962 (Chemie) Max F. Perutz, John C. KendrewStrukturbestimmung von Myoglobin und Hämoglobin mittelsRöntgenbeugung1954 (Chemie) Linus C. PaulingNatur der chemischen Bindung und Struktur komplexer Verbin-dungen1937 (Physik) Clinton J. Davisson, Sir George P. ThompsonElektronenbeugung an Kristallen.1936 (Chemie) Peter J. DebyeMolekülstrukturen durch Untersuchungen von Dipolmomentensowie durch Röntgen- und Elektronendiffraktometrie an Gasen1915 ( Physik) Sir William H. Bragg, William L. BraggKristallstrukturbestimmung mittels Röntgenstrahlen1914 (Physik) Max von LaueEntdeckung der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen

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Mit Kristallen Rechnen

Die technisch wichtigsten - und er-tragreichsten - Kristalle aller Zeitenhat das Element Silicium hervor-gebracht. Mit lithographischen Me-thoden in einkristalline Silicium-kristallscheiben (Wafer) eingebrach-te Strukturen bilden die Grundlagedes elektronischen Rechnens.Derzeit schickt sich die Industrie zueinem neuen Generationenwechselihrer Produktionsanlagen an, der fürdie Lithographie die Verwendungsehr kurzwelliger, extrem ul-travioletter Strahlung(EUV) vorsieht, mit derStrukturen um die 30Nanometer erzeugtwerden können. Jen-seits dieses Maßsta-bes tritt allmählich dieatomare Körnigkeit derMaterie zutage, in 30 Na-nometer breiten Bahnen lä-gen nur mehr 120 Silicium-atome nebeneinander. Manchevertikalen Transistor-Strukturenbestehen heute schon aus geradenoch drei Atomlagen.

Für das Rechnen in der Zukunft wer-den unter anderem Quantencom-puter angedacht, die die besonderenGesetze des Nanokosmos nutzen.

Eine weitere vielversprechende Ent-wicklung ist das Rechnen mit Licht,

dem, analog zur Elektronik, die Ge-setze der Photonik zugrunde lägen.

Um Lichtteilchen, Photonen, ähnlichwie Elektronen manipulierbar, schalt-bar, lenkbar machen zu können, wer-den in Materialien regelmäßigegitterartige Strukturen eingebracht,die diese für Licht zu einer Art Halb-

leiter machen: manchesLicht wird durchgelassen,

manches nicht. Durchden Einbau von be-rechneten Unregelmä-ßigkeiten in diese Re-gelmäßigkeit entste-hen alle möglichen

optischen Elementewie Filter oder Wellen-

leiter. Am Ende der Ent-wicklung werden schnelle op-

tische Rechenelemente stehen, diebestimmte Klassen von Rechen-operationen photonisch schneller alselektronisch lösen.

Ein anderes Produkt der Forschungwird eher sichtbar werden: Mit ein-fachen photonischen Tricks kann dieEffizienz einer Leuchtdiode auf mehrals 30% gesteigert werden, entspre-chend einer Verzehnfachung des Wir-kungsgrades.

Kristalle in Wissenschaft

und Technik

InvertierterOpal:

Silicium mitLuftkugeln

Wafer fürChips mit

130 nm-Strukturen

Strukturenfür das

Rechnen mitLicht

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Kristalleffekte

Die Bausteine eines Kristalls sindsehr regelmäßig angeordnet, wie dieBäume eines Wirtschaftswaldes.Und so, wie ein Läufer imWirtschaftswald in dieser Richtungschnell, in jener langsam vorankommt, lässt die regelmäßigeKristallbausteinpackung verschiede-ne physikalische Phänomene wieStromfluss, Wärmefluss, Licht-ausbreitung in verschiedenen Rich-tungen verschieden ablaufen. Es istvornehmlich dieser anisotrope Auf-bau eines Kristalls, der eine Reihevon Effekten hervorbringt, die immerwieder neues Interesse und neue An-wendungen finden. Darunter

- der pyroelektrische Effekt. An derKristalloberfläche etwa eines Tur-malinkristalls bilden sich elektrischeLadungen aus, wenn der Kris-tall erwärmt wird. Der wohl schonden alten Griechen bekannte Effektfand u.a. in der Raumfahrt neue An-wendungen für die Detektion von In-frarot-Strahlung;

- der piezoelektrische Effekt. Diemechanische Deformation eines ge-eigneten Kristalls führt zur Ausbil-dung von elektrischen Ladungen.Umgekehrt lässt sich ein solcherKristall mit elektrischen Spannungenverformen. Die augenfälligste An-wendung hat dieser Effekt wohl inQuarzuhren gefunden; die wissen-schaftlich wichtigste bei Raster-sonden wie Rastertunnelmikrosko-pen, wo mit piezoelektrischen Ele-menten ein Tastelement in Schrittenvom Bruchteil eines Atomdurch-messers geführt werden kann. Kera-mische piezoelektrische Elementesind weit verbreitet, etwa in „elektro-nischen“ Feuerzeugen.

Ein verwandtes Phänomen, die Fer-roelektrizität, bei der ausgerichteteelektrische Dipole eine Rolle spielen,

macht in Zukunft womöglich Karrie-re in einer Art Spinelektronik, wo aufeiner schachbrettartig strukturiertenKristalloberfläche kleine, in denFeldern liegende Atomkollek-tive magnetische Momente alsInformationseinheiten, bits, spei-chern. Ein Leiterbahnennetzwerk wiein herkömmlichen Chips würde dieInformationen auslesen und spei-chern. Diese Technik, die einen ultra-schnellen Datenzugriff verspricht,könnte die gegenwärtige Fest-plattentechnik ablösen. Erste Mustersind bereits verfügbar.

Element fürDiesel-

Hochdruck-einspritzung

mitPiezokeramik

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Kristalle und Licht

Kristalle verdanken einen großen Teilihrer Popularität ihrem häufig spek-takulären Farbenspiel. Tatsächlich istdie Kombination von Kristallen undLicht auch wissenschaftlich und tech-nisch hochinteressant. So könnengeeignete (azentrische) Kristalle mitHilfe des elektrooptischen EffektesLicht modulieren und so Laserstrah-len Informationen aufprägen.Lithiumniobat-Kristalle sind beson-ders geeignet, von Laserlicht be-leuchtet, entstehen in ihnen La-dungsumverteilungen, die sich durchErwärmen fixieren lassen.So lassen sich stabile Volumen-hologramme speichern, mit denen

raffinierte optische Elementerealisierbar sind. Diese wie-derum spielen eine Schlüssel-rolle bei der Informations-übertragung mit Licht.

Eine der spektakulärsten Leis-tungen geeigneter azen-trischer Kristalle ist die Ver-dopplung der Frequenz eines

einfallenden Lichtstrahls. So wirdaus unsichtbarem Infrarot leuchten-des Grün. Eine besonders leistungs-

starke Substanz ist Bismut-Triborat.Frequenzverdopplung ist ein wich-tiges Mittel, technisch und wissen-schaftlich interessante Frequenzbe-reiche zu erschließen.

Kristalle spielen auch eine Schlüs-selrolle bei der Entwicklung neuarti-

ger Lasertypen. Scheibenlaser etwasind mit kristallinen Diodenlasern an-geregte Laser mit einer für guteStrahlqualitäten besonders günsti-gen Geometrie; für das laser-aktive Element, eine kristallineScheibe, werden ständig neue Mate-rialien gesucht, die hinsichtlichStrahlqualität und Farbe, Be-lastbarkeit und Effizienz Verbesse-rungen zulassen.

Manchmal kann allein die klassisch-optische Qualität eines Kris-talls Millionen wert sein. So werdenvon der Schott Lithotec AG für die Li-thographie-Optiken der nächstenChipgeneration im ganz großen StilCalciumfluorid-Kristalle gezüchtet.

Kristalle in Wissenschaft

und Technik

Bild rechts:Laserkristalle

für alle Fälle

Bismut-Triborat-

Kristallfür die

Frequenz-verdopplung

Frequenz malzwei: aus

unsichtbaremInfrarot wird

Grün

Calciumfluorid-Kristalle fürChip-Belichtungsoptiken

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Weiche Materie - Soft Matter

Kristalle sind - gemessen an der Grö-ße ihrer Bausteine - über weite Be-reiche streng geordnet, Flüssigkei-ten allenfalls über wenige Nachbar-moleküle hinweg. Zwischen diesenExtremen sind in den letzten Jahrenzahlreiche interessante Ordnungs-zustände entdeckt worden, die, zu-sammengefasst unter dem Sammel-begriff „soft matter“, „Weiche Ma-

terie“, auch wirtschaftlich hoch-bedeutsam geworden sind. Das be-kannteste Beispiel sind die in zahl-losen Displays von Dünnfilm-transistoren (TFTs) gesteuerten Flüs-sigkristalle.

Heute sind etwa 50.000 organischeVerbindungen bekannt, die beimSchmelzen nicht direkt in den unge-ordnet flüssigen Zustand übergehensondern eine oder mehrereflüssigkristalline Phasen durchlau-fen, in denen etwa die gestrecktenMoleküle zueinander parallel,entlang der Parallelen aber ver-schiebbar sind. Ordnungszuständewie diese sind beeinflussbar, unteranderem mit elektrischen Feldern,was Flüssigkristalle für die Display-technik geeignet macht. Inphotonischen Kristallen könntenFlüssigkristalle die Funktion von

Steuerelementen übernehmen, dannwürden drei Kristall-Varianten zu-sammenarbeiten: Silicium-Einkris-tall, Photonik-Strukturkristall, Flüs-sigkristall.

Konkurrenz bekommen die klassi-schen Kristalle mehr und mehr vonPolymeren, teilgeordneter Materieaus langen Kettenmolekülen, Plastik-material, das mittlerweile elektrischleiten, leuchten und holografische In-formationen speichern kann und das- jetzt oder doch in Zukunft - zu ei-nem niedrigen Preis. Für viele An-wendungen aber wird „harte Mate-rie“ die erste Wahl bleiben.

Eine besonders attraktive Form von„Weicher Materie“ kommt durch dieSol/Gel-Technologie zustande, diefunktionell beschichtbare Nano-partikel hervorbringt, die wiederumAusgangsstoff für zahllose „intelli-gente“ Beschichtungen und sogardefektarme dreidimensionale Kera-mikkörper sind.

Hier hat auch die Natur viel zu bie-ten: Ton, der aus mikrometerkleinenKristalliten von Kaolinit, Illit,Montmorillonit besteht und sicher-lich als High-Tech-Material geltenkönnte - wenn er nicht so gewöhn-lich wäre.

Struktur einesphotoadressier-baren Polymers

für Terabyte-Speicher

Textilie mitWasser absto-ßender Nano-

partikel-Beschichtung

Links:GestrecktesPolyethylen

unter demPolarisations-

mikroskop

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Die Bedeutung der Struktur

und ihre Entschlüsselung

Formen, Farben, Gitter

Aus den äußeren Regelmäßigkeitender Kristalle wurden schon früh in-nere Regelmäßigkeiten abgeleitet.1669 gelang dem Dänen NicolausSteno die Entdeckung, dass korres-pondierende Flächen beim Vergleichverschiedener Individuen einerKristallart immer die gleichen Winkeleinschließen. René-Just Haüy, häufigals „Vater der Kristallographie“ be-zeichnet, bestätigte die Entdeckungund schloss weiter, dass Kristalle ausperiodischen Anordnungen elemen-tarer Baugruppen bestehen, heute„Elementarzellen“ genannt.

Mit der Entwicklung leistungsstar-ker Lichtmikroskope, besonders desPolarisationsmikroskops, und dem

wachsenden Ver-ständnis opti-scher Phänome-ne entwickeltesich die Kristall-optik, die bis heu-te große prak-tische Bedeutunghat. Die Petrogra-phie, die Ge-s t e i n s k u n d e ,stützt sich we-

sentlich auf die kristalloptische Ana-lyse von Dünnschliffen, dünnen,transparenten Gesteinsschichten,die zwischen Polarisationsfiltern we-sentliche Informationen wie die Iden-tität der das Gestein bildenden Mi-nerale verraten.

Der vergleichsweise geringe experi-mentelle Aufwand macht die Kristall-optik unverändert sowohl für dieGrundlagenforschung als auch fürdie Industrie interessant.

Das Non-plus-ultra der Kristall-strukturbestimmung freilich ist dieStrukturanalyse mit Röntgen- undNeutronenstrahlen, ergänzt durchNMR-Untersuchungen (NuclearMagnetic Resonance = magnetischeKernresonanz).

Bei der Röntgenstrukturanalyse wer-den Moleküle, zum Teil regelrechteMolekülmaschinen wie das Photo-synthesezentrum oder Ribosomen,die zu einem Kristall zusammenge-funden haben, in ihrer Struktur be-stimmt (Kristalle sind die periodi-schen Wiederholungen dieser Mole-küle). Die Neutronenstreuung spürtdie Positionen von sehr leichten Ato-men wie etwa Wasserstoffatomenauf und macht Details der Strukturkomplexer Materialien erkennbar.

Die magnetische Kernresonanzschließlich lässt detaillierte Schlüs-se auf die Anordnung von Atomen inMolekülen auch in Lösung zu - Lö-sungen sind oftmals deren natürlicheUmgebung, etwa in lebenden Zellen.

Röntgen-beugungs-

muster eines

Silicium-kristalls

NeueNeutronen-

quelleFRMII in

Garching,Querschnitt

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Geowissenschaften

Die Wissenschaft von den Mineralenund Gesteinen ist eng mit der Kris-tallographie verbunden und hat sichgemeinsam mit ihr entwickelt.Deutschland hat auf diesem Feldeine lange Tradition.

Längst schon hat die Wissenschaftgelernt, im Labor die extremen Ver-hältnisse nachzubilden, die im Erd-inneren die Mineralbildung bestim-men. Das klarste „Fenster“ zum Erd-inneren ist die Diamantstempel-Zel-le, die für kleine Volumina Drücke biszu 5 Megabar zu erzeugen gestattet,die selbst die Bedingungen im Zen-trum des Erdkerns deutlich über-steigen. Mit Laserimpulsen kön-nen wenige Mikrometer große Be-reiche der Probe bis auf fast6.000 Grad erhitzt werden. DieDiamantstempel-Zelle hat zahlrei-che Fragen über das Verhalten vonMaterie unter extremen Bedin-gungen klären können und selbstdie Bildung von Wasserstoff-Ein-kristallen, wie sie im Zentrum desPlaneten Jupiter vermutet werden,beobachtbar gemacht.

Tatsächlich ist auch der WeltraumGegenstand kristallographischerForschungen. Meteorite enthal-ten kleine Mengen derUrmaterie, aus der das Son-nensystem entstanden ist.Diese Urmaterie istgleichsam „dritter Hand“,von mehreren Stern-generationen syntheti-siert und in Explosionenoder weniger gewalttäti-gen Prozessen in denWeltraum entlassen wor-den. Aus dem resultieren-den Staub entstand unsere

Sonne mit ihren Planeten. Diemikrometerfeinen Kristall-körnchen haben sich unteranderem als Diamant,Saphir, Titancarbid,Korund erwiesen - es wärengroßenteils Edelsteine, wennsie nicht so klein wären.

Im - was Druck und Temperatur an-geht - eher moderaten Bereich derMeerestiefen hat die Kristallographieebenfalls Neues zu erkunden: Gas-hydrate am Boden der Ozeane undan kontinentalen Hängen,kristalline Verbindungen ausWasser und Methangas, in de-nen gewaltige Energien gespei-chert sind. Es ist durchaus mög-lich, dass diese Gashydrate inder Klimageschichte der Erdeeine wichtige Rolle spielen oderals Energiereserven genutzt wer-den können.

Brennendes „Eis“ -Gashydrate in Aktion

Laserblickdurch eine

Hochdruckzelle

Diamantstempel-Hochdruckzelle

Staub zwischen denSternen: Edelsteine im

Nanometermaßstab- unter anderem

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Es dauerte zweiundzwanzig Jahre,bis der österreichisch-englische Bi-ochemiker Max Perutz in müh-samer Arbeit die Struktur desHaemoglobins mit röntgenkris-tallographischen Methoden aufge-klärt hatte. Seither sind, bei einerständig steigenden Veröffent-lichungsrate, 13.000 weitere Pro-teinstrukturen bestimmt worden.Das Tempo der Neu-bestimmungen wird sich in na-her Zukunft um eine oder zweiGrößenordnungen weiter stei-gern, denn nach der erfolgrei-chen Entschlüsselung desmenschlichen Genoms ist dieErkundung des „Proteoms“vordringlich geworden, derMenge der mit den Instruktionen derErbsubstanz herstellbaren Proteine.

Zu den komplexesten, aus Proteinenund Nukleinsäuren bestehendenZellkomponenten zählen Riboso-men, Komponenten, die, ihrerseitsvon Kopien der Erbsubstanz DNA ge-steuert, Proteine herstellen. Wer dieinnere Logik dieser Mini-Protein-fabriken versteht, kann gezielt nachneuen Mechanismen suchen, wieetwa die Ribosomen von Krankheits-erregern lahm gelegt werden kön-nen. Eben das ist Wissenschaftlernder Arbeitsgruppe für Ribosomen-struktur der Max-Planck-Gesellschaftin Hamburg und der Ribosomen-Arbeitsgruppe des MPI für moleku-lare Genetik in Berlin gelungen, siekonnten die Struktur der 50S Ribo-somen-Untereinheit des BakteriumsDeinococcus radiodurans in Wech-selwirkung mit verschiedenen wich-tigen Antibiotika bestimmen. Die50S-Untereinheit fügt einzelne Ami-

Biowissenschaften

Die Bedeutung der Struktur

und ihre Entschlüsselung

Bild mitte:50S

Ribosomen -Unterein-

heit desBakteriums

Deinococcusradiodurans

--

nosäuren zu einer Aminosäurenkettezusammen, die sich schließlich zueinem dreidimensionalen Proteinzusammenknäuelt. Die Amino-säurenkette hält sich während ihrerProduktion teilweise in einem 10 Na-nometer langen Tunnel mit 1,5 Nano-meter Querschnitt im Ribosom auf.Durch die detaillierte Kenntnis derStruktur des 50S-Ribosoms, desTunnels zumal, und der Strukturverschiedener Antibiotikakonnte im Herbst 2001erstmals die Wirkweise dieser

Antibiotika gezeigt wer-den: Sie verankern

sich im Tunnel-

innerenundblo-ckie-renso dieweite-re Pro-teinproduktion- das betreffende Bakteriumgeht zugrunde. Der Zeitaufwand fürdie röntgenkristallographischeEntschlüsselung der atemberaubendkomplexen Strukturen: wieder überzwanzig Jahre.

Die bestechenden Aussichten, diedie detaillierte Kenntnis wichtiger

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Proteinstrukturen etwa für diePharmazie, ganz allgemein für dieLebenswissenschaften eröffnet, hateine Reihe von Initiativen hervor-gebracht, die Strukturaufklärungdrastisch zu beschleunigen. Eine derwichtigsten in Deutschland ist die„Proteinstrukturfabrik“, ein For-

schungsverbund aus Berliner Uni-versitäten, außeruniversitären

Instituten der Grundlagenfor-schung, kleinen und mittle-

ren Unternehmen (KMU)sowie Pharma-

unter-nehmen.

DasProjekt

strebteinen

Durch-satz von

100 Proteinenjährlich an, was

eine weitgehendeAutomatisierung des

Prozesses zur Voraus-setzung hat.

Am Anfang jeder Struktur-bestimmung steht die Kristallisationder interessierenden Substanz.Dabei gehen einer erfolgreichen Pro-tein-Kristallisation typischerweiseeinige hundert, wenn nicht tausend

Versuche voraus; neu entwickelteKristallisationsroboter werden fasteine Million Experimente gleichzei-tig durchführen können. Die Be-stimmung von Kristallstrukturdatenam Fließband setzt auch Röntgen-strahlquellen hoher Intensität vor-aus, die in der Region mit der Berli-

ner Synchrotron-StrahlquelleBessy II zur Verfügung steht.

Die Wellenlänge von Synchro-tronstrahlung ist auch inweiten Bereichen veränder-bar, was bestimmte kris-tallographische Problemelösen hilft.

Am Ende der Entwicklungwird eine große Zahl von

Lebensprozessen ähnlichgenau verstanden sein wie die

oben beschriebene Wechselwir-kung spezieller Antibiotika mit ei-nem bakteriellen Ribosom. DieseKenntnisse werden bald auch sehrgefragt sein: Da der größte Teil derAntibiotika heute für die Produkti-on und Konservierung von Nah-rungsmitteln eingesetzt wird, wer-den mehr und mehr Erreger multi-resistent gegen eine große Zahl ver-schiedener Antibiotika.

Stationen in derProteinstruktur-

fabrik

QuelleGenomprojekte:

Sequenzierautomat

AutomatisierteProduktion vonrekombinanten

Proteinen in E. coli

Expressionhumaner Proteine

in Hefe

Erzeugung einesautomatisch aus-wertbaren Satzes

von NMR-Daten

Automatisierungder Protein-

kristallisation

Röntgenstruktura-nalyse mit hellen

Quellen (Bessy II)

-

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Materialwissenschaften

Hochtemperatursupraleiter

Das Phänomen der Supraleitung- ein elektrischer Leiter verliertunterhalb einer Sprungtempe-ratur jeglichen elektrischen Wi-derstand - ist seit 1911 bekannt.Das Interesse an diesem eher imStillen genutzten Effekt erfuhreine sprunghafte Belebung, als

1986 der deutsche Mineraloge GeorgBednorz undder Schwei-zer PhysikerAlex Müllerein Metall-oxid mit ei-ner unerwar-tet hohenSprungtem-peratur vor-stellten. Dermit dem No-belpreis ge-w ü r d i g t eDurchbruchführte inner-halb kürzes-

ter Zeit zur Entdeckung der soge-nannten Hochtemperatur-Supralei-ter, deren Sprungtemperatur überder Siedetemperatur des flüssigenStickstoffs bei minus 196 Grad Cel-sius liegt. Seither ist die Szene in hef-tiger Bewegung, es wird intensivnach den Beziehungen zwischenKristallstruktur und Leitungs-phänomenen gesucht.

Die Suche hat jetzt schon bemer-kenswerte technische Entwicklung-en ermöglicht, die in viele andere Be-reiche der Naturwissenschaft aus-strahlen:

- keramische SQUIDs, „Supra-leitende Quanteninterferenz-Bauele-mente (Devices)“. Das sind vor allemhochempfindliche Magnetfeld-sonden, die bei der Temperatur flüs-sigen Stickstoffs betrieben werdenund noch ein Milliardstel der Stärkedes Erdmagnetfeldes nachweisenkönnen. Bei geophysikalischen Un-tersuchungen der Erdmagnet-phänomene ist die Anwendung vonSQUIDs denn auch mittlerweile Rou-tine. SQUIDs sind selbst in der Me-dizin von Nutzen, ihre Empfindlich-keit erlaubt Magnetogramme einzel-ner Organe des menschlichen Kör-pers, etwa des Gehirns.

- Riesenmagnetwiderstand. Der (rie-sige) Effekt verhilft Festplatten zueinem sprunghaften Anstieg derSpeicherdichte. Die Entdeckung ge-lang u.a. im ForschungszentrumJülich.

Dazu kommen Anwendungen in derElektrotechnik und Elektromechanikwie verlustfreie elektrische Leitun-gen, verlustfreie Motoren, verlust-freie selbstregelnde magnetischeLager, Zwischenspeicher für elektri-sche Energie etc. Die Kristallographieist in allen diesen Feldern beteiligt,von der Aufklärung der Kristallstruk-turen bis zur Syntheseplanung fürneue Substanzen.

Fullerene

Für die Eigenschaften eines StücksMateriesind nichtalleindessenBestand-teile, son-dern auchund vor al-lem die Art,wie die ein-

Die Bedeutung der Struktur

und ihre Entschlüsselung

Trickreicheingebettete

keramischeSupraleiter

lassen sich zuMotor-

wicklungenbiegen

AtomareStruktur eines

keramischenHoch-

temperatur-Supraleiters

aus Oxiden vonLanthan,

Barium, Kupfer

Bild rechts:Fullerene,

Hohlräume ausKohlenstoff-

Netzen,Hoffnungs-

träger bei derSuche nachexotischen

Materialien

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zelnen Atome seiner Elemente zu-sammengefügt sind, entscheidend.So kann das Element Kohlenstoff inschichtartigen Strukturen als Graphitexistieren, aber auch in einem drei-dimensionalen Netz - die vermeint-lich kleine Differenz macht den Un-terschied zwischen einer Bleistift-mine und einem Diamanten aus.

Mitunter werden selbst für so ver-traute Elemente wie Kohlenstoff ganzneue Existenzformen entdeckt. In derStoffklasse der Fullerene finden sichKohlenstoffatome zu ball-, gurken-,und schlauchähnlichen Groß-molekülen zusammen; die Fulleren-Familie wächst von Jahr zu Jahr undwird - obwohl die anfängliche Eupho-rie Dämpfer erfahren hat - noch fürviele Überraschungen gut sein.

Keramische Verbundmaterialien

Die detaillierte Kenntnis der Strukturverhilft auch Substanzen, die langeals prinzipiell zu spröde galten, zuneuen Karrieren. So können Kerami-ken mit kristallinen „Whiskern“ alsFüllmaterial, gestreckten Kriställ-chen hoher Festigkeit, so weit„entsprödet“ werden, dass ihr Ein-satz in Turbinenschaufeln möglichwird. Mit kristallographischem Know-How kann selbst Abfall in wertvolleMaterialien verwandelt werden:

Reishül -sen etwaenthaltenS i l i c i u mund Koh-lenstoff ineinem soi d e a l e nVe r h ä l t -nis, dassaus denH ü l s e nbeim kon-

Variationen inKohlenstoff -

vom Graphit zueiner ständigwachsenden

Fulleren-Familie

Nanopartikel,„Superatom“für neuartige

Materialien

KeramischeNanopartikel-

folien sindtransluzent - diePartikel sind zuklein, um Licht

zu streuen

Vielseitiges Siliciumcarbid:Schleifmittel, Hoch-temperaturkeramik,Hochspannungschip

trollierten Verkokeln Kristallnadelnaus Siliciumcarbid wachsen, die fürdie Keramik-Verstärkung taugen.Mit noch mehr Sorgfalt finden Sili-cium und Kohlenstoff zu Silicium-carbid-Einkristallen zusammen, ausdenen sich Leistungshalbleiter her-stellen lassen, die auch hohen Tem-peraturen standhalten - Kristallo-graphie für die Leistungselektronikvon morgen.

Nanopartikelkeramik

Mit verfeinerten nasschemischenVerfahren (Sol/Gel) lassen sich heu-te auch massenweise Nanopartikelherstellen, aus denen sich relativeinfach defektfreieHochleistungs-Kerami-ken fertigen lassen -kristalline Körper, de-ren Bausteine keineAtome mehr sind, son-dern Aggregate von we-nigen hundert Atomen, „Superatomen“.

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Für die Erforschung der „Kondensier-ten Materie“, eben des Gegenstan-des der Kristallographie, steht inDeutschland eine Anzahl ausgespro-chen leistungsstarker Großgerätemit verschiedenen Strahlungsartenzur Verfügung:

Die Verfügbarkeit leistungsstarker,„heller“ Strahlungsquellen ist eineganz wesentliche Voraussetzungfür erfolgreiche Strukturbestim-mungen. Zugleich haben sich auchbei der Detektion der Strahlung be-trächtliche Fortschritte ergeben, soist etwa der fotografische Film durchCCD-Chips ersetzt worden, die dieunmittelbare Einspeisung der

Synchrotronstrahlung:

ANKA (Karlsruhe)BESSY I/ BESSY II (Berlin)DELTA (Universität Dortmund)DORIS III (DESY-HASYLAB, Hamburg)

Neutronenstrahlung:

BER-II (Hahn-Meitner-Institut, Berlin)FRG-1 (GKSS Geesthacht)FRJ-2 (Forschungszentrum Jülich)FRM (TU München)

Geladene Teilchen:

ISL (Hahn-Meitner-Institut Berlin)Beschleuniger beim ForschungszentrumRossendorf und bei der Gesellschaft fürSchwerionenforschung Darmstadt

Groß geräte

Messdaten in einen Computer er-möglichen. Die Entwicklung hat sichaber auch durch die drastisch gestie-gene Leistungsfähigkeit der Compu-ter stark beschleunigt. Hinzu kom-men immer raffiniertere Programme,gleichwohl ist für Strukturbe-stimmungen an hochkomplexen mo-lekularen Maschinen von der Art des

Prinzip der Erzeugung von Synchrotron-strahlung mittels einer periodischenMagnetstruktur

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Bakterienribosoms nach wie vor einenormer Einsatz an Forscherfleiß und-intelligenz vonnöten. Wie meist,sind mit den Möglichkeiten auch dieAnforderungen gestiegen.

Die Technik der Röntgenstruktur-bestimmung wird noch einmal einedeutliche Steigerung ihrer Leistungs-fähigkeit erfahren, wenn die Erzeu-

gung von kohärenter Strahlung imRöntgenwellenlängenbereich ge-lingt, wenn also der sogenannteRöntgenlaser realisiert wird. Die Aus-sichten stehen nicht schlecht, dassdann nach und nach die Enthüllungder kompletten molekularen Maschi-nerie des Lebens gelingt, Atom fürAtom.

Bild unten:4-Kreis-Diffraktometer zur abbildendenDiffraktometrie an polykristallinenMaterialien

Auf einem Glasfaden befestigte Kristall-probe zwischen Kollimator,Primärstrahlfänger und Detektor

Kappa-Kreis-diffraktometermit CCD-Flächen-detektor

Psi-6-Kreis-diffraktometermit CCD-Flächen-detektor

An PulvernermittelteStruktureinesungewöhnli-chen Supra-leiters:Fullerene mitChlorofom

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Für viele Prozesse - wie etwa die wirt-schaftlich immens wichtige hetero-gene Katalyse, die Beschleunigungund Steuerung chemischer Reaktio-nen in Flüssigkeiten und Gasendurch Feststoffe - ist das eigentlich

Wichtige an einem Kristall dessenOberfläche. Die gemittelte Struktur

dieser Oberfläche lässt sich durchdie Beugung langsamer Elektronen,

Oberflächen

Low Energy Electron Diffraction, be-stimmen; Auskunft über die elemen-tare Zusammensetzung der Oberflä-che geben sogenannte Auger-Elek-tronen, deren Energien element-spezifisch sind. Mit der Erfindung des

R a s t e r t u n n e l m i k r o s k o p s(Scanning Tunneling Micro-scope, STM) durch Gerd Binnigund Heinrich Rohrer erhielt dieOberflächenforschung eine ide-

ale Ergänzung, die elementare Vor-gänge wie das Kristallwachstum

erstmals auf atomarer Skala sichtbarmachen konnte. Erstmals auch kön-nen mit Rastertunnelmikroskopenund ihren mittlerweile zahlreichen

Natriumfilm auf Kupfer bei tiefen Temperatu-ren im Rastertunnelmikroskop. Die dargestell-te Dichte der Elektronenverteilung lässt denWellencharakter der Teilchen erkennen.

Ein einzelnes Fremdatom beult die erste Atomlage eines Siliciumkristalls

auf (überzeichnet dargestellt).

Manganatomeauf Silber für

ein Logo.

Die kleinstenGlühbirnen

der Welt:Buckyballs

leuchtenunter dem

STM.

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Varianten Atome nach Belieben aufKristalloberflächen platziert werden,auf diese Weise lassen sich „Käfige“für einzelne Elektronen konstruieren,„quantum corrals“, in denen der

Wellencharakter der Materie unmit-telbar zutage tritt. Phänomene wiedieses werden unter anderem für

künftige Quantencomputer erkun-det, die für bestimmte Aufgaben-stellungen alle konventionellen Com-puter in den Schatten stellen sollen.

Einer der bedeutsamsten Ober-flächeneffekte ist - neben der Kata-lyse - auf lange Sichtder Photoeffekt,technisch umge-setzt in die Pho-tovoltaik, die Di-rektumwandlungvon Sonnenlichtin elektrischen Strom.Die immer bessere Beherrschung derKristallographie verschiedenerSolarzellenmaterialien hat die Um-wandlungsgrade mittlerweile aufüber 30% steigen lassen.

Die Elektronen einesHäufchens von Silberatomenbilden eine „Quantenblume“.

Auch magnetische Domänenlassen sich mit einem

Rastermikroskopnanoskopisch auflösen

Ein „Quantencorral“ ausAtomen läßt sich miteinzelnen Elektronen füllen.

„Helios“,das „ewigeFlugzeug“,wird allein

von Kristallenund Licht in

der Luftgehalten.

Atomar dünne Inseln von Indium-Selenid-Clustern aufverschiedenen Substraten

Bild rechts:Grenzfläche Metall-

Halbleiter

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spieler noch der sechziger Jahre hat-ten Schallaufnehmer, in denen pie-zoelektrisches Seignettesalz Druck-schwankungen in elektrischeSpannungsschwankungen umwan-delte; das Seignettesalz war in wäss-riger Lösung gewachsen.

Der Rohstoff für Computerchips, Ein-kristalle aus hochreinem Silicium,wächst nach der Czochralski-Metho-de: Ein Impfkristall berührt die Ober-fläche einer Schmelze und wird un-ter beständigem Drehen langsamnach oben weggezogen. Die Details

sind knifflig, aber so einfach ist tat-sächlich das Prinzip, mit dem wahreKristallriesen wachsen, die dann inWafer zerteilt und zu Computer-

Formen aus dem Wasser

Aus Stoffen, die in Wasser löslichsind, lassen sich verhältnismäßigeinfach Kristalle gewinnen, gleich-sam züchten. Weil sich viele Sub-stanzen bei höheren Temperaturenin größeren Mengen in Wasser lösenlassen als bei niedrigeren, bestehtein gängiges Verfahren darin, einegesättigte Lösung sehr langsam ab-zukühlen. Die dann nicht mehr in Lö-sung haltbare Materie scheidet sichan einem Saatkristall ab. Eine ande-re Methode ist die, das Wasser lang-sam verdunsten zu lassen. Wiederwächst die überschüssige Substanz,von einem Keim gesteuert, zu einemgroßen Kristall heran.

Die vertrau-testen indieser ArtgezüchtetenK r i s t a l l esind sicher-lich Kandis-Kristalle; zuden tech-nisch wichti-

gen zählen Kristalle aus Kalium-Dihydrogen-Phosphat, KDP, die inder Laser-Technik Verwendung fin-den. Mit entsprechender Sorgfaltlassen sich metergroße, glasklareKDP-Kristalle gewinnen. Die Platten-

Wie Kristalle in die

Welt kommen

Formen aus der Schmelze

Kalialaun-Kristalle, in

wässrigerLösung

gewachsen.Der „Schliff“

bildet sichvon selbst.

Siliciumeinkristall für Computerchips

Computersimulation des Kristall-wachstums im atomaren Maßstab

KDP-Riesen-kristalle bilden

sich in wenigenWochen in

wäßrigerLösung.

Insert:Wachstums-

prozess atomarunter dem

Rastertunnel-mikroskop.

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sich schon herstellen, wenn man dieFlamme eines Acetylen-Brenners aufein kühles Stück Metall richtet.Diese Schmucksteine lassen sichfreilich nur unter dem Mikroskopausmachen.

Die Defekte von Kristallen lassen sich„ausheilen“, wenn man ihre Baustei-ne durch eine hohe Temperatur be-weglicher macht. Eine besonders raf-finierte Variation dieses Prinzips ge-lingt mit dem Licht eines Excimer-La-sers. Wenn das über eine mit amor-phem Silicium - „amorph“ bezeich-net Regellosigkeit, also Defekte pur- beschichtete Unterlage geführtwird, finden sich die Siliciumatomezu größeren einkristallinen Inseln zu-sammen, die für die Integration vonTreibertransistoren taugen. Mithinlässt die Methode die Fabri-kation von TFT-Displays zu, deren ak-tive Schicht als amorphes Siliciumbeginnt, das von einem Laser nach-kristallisiert wird.

schaltungen weiter verarbeitetwerden.

Manche Kristalle - wie Bariumtitanatfür holographische Anwendungen -reifen nur dann zu tauglichen Quali-täten heran, wenn die Schmelze wäh-rend des Wachstums ständig homo-genisiert wird. Beim Bariumtitanatgelingt das mit Schallwellen. DieserTrick und ähnliche machen immermehr Stoffgruppen im großen Maß-stab kristallisierbar.

Die Synthese von Diamanten istschon in den fünfziger Jahren gelun-gen und seither ständig verfeinertworden: Graphit wird in geschmolze-nem Metall, wie Eisen oder Kobalt,gelöst und scheidet sich an Impf-kristallen in einem kühleren Teil desReaktionsbehälters ab. Die künstli-chen Diamanten sind vor allem vontechnischem Interesse, sie dienenunter anderem zur Armierung hochbeanspruchten Bohrgerätes.

Die Synthese weniger anspruchsvol-ler Schmucksteine wie Saphir, Rubin& Co. gelingt mittlerweile routine-mäßig.

In einem Vakuum finden Kohlen-stoffatome ziemlich zwanglos zudünnen Schichten von Diamant zu-sammen, der Prozess - chemischeDampfabscheidung, Chemical VaporDeposition (CVD) - ist für viele Appli-kationen gut. So lassen sich damitoptische Linsen kratzfest vergüten,denn Diamant ist das bislanghärteste aller Materialien. OderKühl“bleche“ für Hochleistungs-prozessoren realisieren, denn Dia-mant ist einerseits ein elektrischerIsolator, andererseits ein exzellenterWärmeleiter. Oder optische Fenstermachen, die für Strahlung durchläs-sig sind, die andere Materialien blo-ckieren. Winzige Diamanten lassen

Formen aus dem Dampf

Kristallisation mit Licht

Aus einemPlasmaabgeschiede-ne Diamant-schicht aufSilicium. DieDicke nimmtzum Zentrumhin zu, daherdie Inter-ferenzringe.

Reaktor mitmetallorga-nischen Ver-bindungen zurAbscheidungdünnerSchichten

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Biomineralisation

In einem kleinen Seegebiet im west-lichen Pazifik lebt in Tiefen zwischen500 und 5000 Metern der „Blumen-korb der Venus“, oder „Gießkannen-schwamm“, ein Meisterwerk der Bio-mineralisation: Im Durchmesser 3Nanometer messende Elementar-bausteine aus Kieselerde (Silicium-dioxid) werden von den Zellen desSchwamms zunächst zu hauchfeinenSchichten zusammengefügt, diesezu Kieselnadeln eingerollt, die dannzu einem widerstandsfähigen Korb-geflecht verbunden werden.

Ähnlich meisterlich gestaltet, vomMolekül zur Makrostruktur, ist derSchwimmtank des Tintenfisches. Umohne Kraftentfaltung in der Schwe-be bleiben zu können, ver-fügt das Tier über einen mikrome-terfein gekammerten Tank aus Calci-umcarbonat. Die Kammerung istnach Art der Honigwaben-Sandwich-bleche, wie sie im Flugzeugbau Ver-wendung finden, strukturiert, infol-gedessen hält der großenteils mitStickstoff gefüllte Tank - seine Porennehmen 90% des Volumens ein -noch den Wasserdrücken in 200 Me-tern Tiefe stand.

Wie Organismen es schaffen, dieKristallisation von Stoffen wie Calci-umcarbonat, Siliciumdioxid und Cal-ciumphosphat so kunstvoll zu steu-ern, ist mehr und mehr Gegenstandvon Forschungsprogrammen, nichtallein der Grundlagenforschung we-gen, das Gebiet ist auch kommerzi-ell interessant. Seeigelstacheln etwabestehen aus Millimeter dünnen, biszu vierzig Zentimeter langen Kristal-len aus sprödem Calcit und haltendennoch der Meeresbrandung stand.Der Grund: Dem Calcit ist eine winzi-ge Menge eines speziellen Proteinszugesetzt, das die Stacheln flexibel

macht und die Rissbildung behin-dert. Dem Seeigel genügt hierfür we-niger als ein halbes Gewichts-prozent Verstärkungsprotein. DieSteuerung des Calcitkristall-wachstums wiederum wird heutedem Einsatz der AminosäureAspartat zugeschrieben. Wer solcheMechanismen versteht, kann sieauch auf synthetische Werkstoffeanwenden.

Die bislang komplexeste Art, Mine-rale zu biologischen Zwecken zusam-men zu fügen, ist am SeesternOphiocoma wendtii nachgewiesenworden. Das Tier gab den Zoologenlange Zeit Rätsel auf, weil es sichlichtempfindlich zeigte, ohne erkenn-bare Augen zu haben. Die Lösung:Einzelne Calcitplättchen im Mineral-panzer der Arme lassen sich unterdem Mikroskop als einkristalline, re-gelmäßige Mikrolinsenfelder erken-nen, wie sie auch in optischenTechnologien Verwendung finden.Die Einkriställchen sind so ausgerich-

Calcit-Mikrolinsennach Art der Natur:

gerichtet einkristallin,frei von Doppelbil-

dern, farbkorrigiert

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tet, dass die für Calcit typische Dop-pelbrechung am Fokalpunkt nichtwirksam wird, also kein Doppelbildentsteht. Zugleich sind die Mikro-linsen so geformt, dass Abbildungs-fehler minimiert werden. BeweglichePigmente bilden eine Art Iris um dieLinsen und regulieren den Lichtein-fall, so dass Ophiocoma wendtiitagsüber dunkel, nachts hell er-scheint. Der Seestern gilt als Muster-beispiel für das neu entstehendeFeld der „Biomimetic“, der „Biolo-gisch inspirierten Materialsynthese“.

HighTech wird auch von anderenMeeresbewohnern beherrscht. DieSeemaus(s.o.), eine ca. 20 Zentime-ter große Bewohnerin der australi-schen Küstengewässer, eigentlichein Wurm, besitzt Stacheln, die imQuerschnitt die Strukturen photo-nischer Kristalle zeigen. Das machtdie Stacheln bunt.

Naturgeschichtlich sehr alte Bio-minerale sind ebenfalls wissen-schaftlich ergiebig. 1975 wurdenerstmals magnetische Bakterien ge-funden, die in ihrem Körper eine odermehrere Ketten von Magnetit-kriställchen tragen. Die Kriställchensind gerade groß genug, dass sienicht spontan ummagnetisiert wer-den können, andererseits kleingenug, um der Bildung von gegen-orientierten Magnetfelddomänen zuentgehen, die die Magnetkraftschwächen würden. Ein möglicherSelektionsvorteil: Die so optimiertenKristalle, zu Ketten arrangiert, rich-ten die Bakterien wie eine Kompass-nadel am Magnetfeld der Erde aus,

das abseits desÄquators eineK o m p o n e n t esenkrecht zurErdoberf lächehat. Die Bakteri-en können sozwischen ver-schiedenen Schichten eines Gewäs-sers navigieren und die für sie güns-tigste erreichen. Schließlich, alsKompassnadeln in der Richtung desjeweiligen Erdmagnetfeldes ausge-richtet in Massen zu Boden sin-kend, haben Magnet-bakterien die Ge-schichte des Erd-magnetfeldes in Sedi-menten wie auf einemTonband festgehalten.

In den Fachzeitschriften hat es Be-richte über Magnetbakterien auchauf dem Mars gegeben. NASA-Wis-senschaftler jedenfallswerten Magnetkettenin Mars meteoriten alsSpuren von Leben, aufeinem noch belebtenMars, vor vier Milliarden Jahren.

Die von Organismen betriebene Kris-tallographie, die Biomineralisation,verspricht mithin viele Wissensge-biete zu stimulieren, nicht zuletzt diePoesie: Das Innere des „Blumen-korb(s) der Venus“ etwa wird gernvon einem Shrimp-Pärchen besie-delt, das wachsend bald nicht mehrdurch die Maschen nachaußen kann, nur dieNachkommen noch. Wes-halb das Schwamm-skelett im pazifischenRaum gerne als Glücks-bringer zu Hochzeitenverschenkt wird.

Magnetotacticumbavaricum,gefunden imChiemsee

Umstritten:Ein armerVerwandtervom Mars ?

Ophiocoma wendtii,ein Schlangenstern

mit Augen im Panzer

Diatomeemit Silikat-Panzer

Die Seemaus, ein Wurm mitphotonischen Stacheln

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rierende Gruppentheorie hat in derKristallographie breite Anwendunggefunden, was die Ausbreitung derTheorie sicherlich gefördert hat;auch Chemiker bringen mit ihrer Hil-fe Ordnung in die Spektren komple-xer Moleküle. Gedanken über Sym-metrien haben die Wissenschaft häu-fig auf die richtige Spur gebracht.1949 schrieb der bedeutende Physi-

ker Paul AdrianMaurice Dirac,dass er sich nichtvorstellen könne,wie die Gesetze derPhysik in einer ge-spiegelten Weltidentisch seinkönnten, denn dieS y m m e t r i e o p e -ration Spiegelungließe sich - andersals die Symmetrie-operationen Dre-hung und Verschie-bung - nicht in infi-nitesimal klei-nen Schritten be-werkstelligen. Sie-ben Jahre späterwar der Symme-triebruch bei Spie-gelungen anhanddes radioaktivenZerfalls bewiesen.Dirac hatte - auchaus Symmetrie-gründen - die Exis-tenz von Antimate-rie erfolgreich vor-hergesagt. DasStudium des Wach-sens und Werdensvon Kristallen und

anderen selbstordnenden Gebildenhat auch, beflügelt vom Fortschrittder Computertechnik, die Kenntnis-se von Chaos und Komplexität umwichtige Elemente bereichert.Der Kristall ist ein Konzept mitAusstrahlung.

Wesentliche Teile des modernen na-turwissenschaftlichen Weltge-bäudes haben die Vorstellung vomKristall als Grundlage. GeometrischeFiguren wie die von Kristallen gebil-deten führten Pythagoras und seineAnhänger zu der Vorstellung, dassdie Essenz der Realität aus Zahlenbestehe (was durchaus strittig ist),gleichwohl hat diese Idee nach derWiederentdeckungder Antike die Na-turwissenschaft vo-rangetrieben.Das wohl gewich-tigste Konzept, dasum Kristalle herumentwickelt wurde,ist das der Symmet-rie. Im allgemeinenSprachgebrauchsteht „Symmetrie“meist für eine ArtEbenmaß, Natur-wissenschaft undMathematik suchendahinter eher Eigen-schaften von Be-stand, Eigenschaf-ten, die sich nichtverändern, wenn einEtwas gedreht wird,oder verschoben,sich der Betrach-tungsstandpunktändert oder die Zeitrückwärts läuft. DerAnblick eines per-fekten, liegendenWürfels etwa bleibtgleich, wenn derWürfel eine ViertelUmdrehung erfah-ren hat, mithin be-sitzt der Würfel vierzählige Symmet-rieachsen (und außerdem zwei- unddreizählige). Mit Symmetriebetrach-tungen ist Einsteins Spezielle Relati-vitätstheorie geschmiedet worden,Symmetrien liegen dem Standard-modell der Elementarteilchenzugrunde. Die mit Symmetrien ope-

Der Kristall -

ein Konzept mit Ausstrahlung

Kristallstruk-tur: Hoch-

temperatur-Supraleiteraus Queck-

silber,Barium,

Calcium undKupfer

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fe ihres Berufslebens auch voneiner Stoffgruppe zu einer anderen,wobei sie die gleichen experimen-tellen und theoretischen Methodenweiter pflegen. So finden Wissen-schaftler auf ganz verschie-denen Wegen zur Gilde derKristallographen.

Die Institute für Kristallographie hal-ten Hilfe, technische Einrichtungenund Fachwissen bereit. Langeweileist beim Studium kristalliner Mate-rie nicht zu fürchten: Trotz ihres imWortsinne soliden Hintergrundes istdie Kristallographie immer wiederfür Überraschungen gut, so wurden1984 die Quasikristalle entdeckt, diescheinbar eine von den kristallogra-phischen Regeln verbotenefünfzählige Symmetrie zeigen.Heute sind Quasikristalle, derenMaterie einen Ordnungszustandzwischen amorphem, atomar nurschwach geordnetem Glas und derstrengen Ordnung des klassischenKristalls einnimmt, ein hochinteres-santer Forschungsschwerpunkt,denn quasikristalline Legierungenzeigen ganz ungewöhnlicheMaterialeigenschaften.

Wie wird man Kristallograph

Die Kristallographie ist als wissen-schaftliches Werkzeug ausgespro-chen vielseitig verwendbar, wie einSchweizer Taschenmesser. Tatsäch-lich ist ihr Gegenstand - Struktur undFormen der Materie - wie ihre Metho-dik für den Menschen und seine Wis-senschaften von größtem Interesse,denn die atomare Anordnung ent-scheidet darüber, ob die Materie ei-nes Eimers Kompost als Kohl, Kanin-chen oder Kleinod in Erscheinung tritt- Diamant ist nichts als kristallinerKohlenstoff. Die Kristallographie fin-det sich folgerichtig in der Schnitt-menge der Interessenfelder vieler Dis-ziplinen wie etwa Mineralogie, Che-mie, Biologie, Pharmazie, Physik oderMaterialwissenschaften und Werk-stofftechnik. Weltweit verzeichneneinschlägige Datenbanken denn auchmehr als zehntausend Kristallo-graphen, obwohl es eine Studien-richtung mit dieser Bezeichnung inDeutschland und vielen anderen Län-dern gar nicht gibt.

Der scheinbare Widerspruch löst sichso auf: Wer in einer der oben-genannten Disziplinen nach einemtieferen Verständnis etwa der Eigen-schaften von Mineralen, Eiweißen,Arzneimitteln, elektronischen Bauele-menten oder Hochleistungskera-miken sucht, wird den Schlüsselzwangsläufig im Plan des atomarenAufbaus der Stoffe suchen und damitauf die Kristallographie stoßen, d.h.erst nach dem Beginn des Studiumseiner der genannten Disziplinen, häu-fig in der zweiten Hälfte des Studi-ums, manchmal erst nach demStudienabschluß. Dadurch findensich schließlich Kristallographen ausganz verschiedenen Wissensfeldernzusammen, die gegebenenfalls dasgleiche Ziel mit unterschiedlichen Me-thoden an unterschiedlichenUntersuchungsgegenständen verfol-gen; Kristallographie ist von ihrerWesensart her interdisziplinär. Viel-fach wechseln diese Forscher im Lau-

Penrose-Ziegel:Muster mit un-symmetrischenSymmetrien

Röntgen-beugungsbildeines Quasikris-talls mit schein-bar fünfzähligerSymmetrie

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Bildnachweis

1.Seite:1.v.o. links :Caltech, USA,2.v.o. links : Institut für Kristallographie,Universität Köln3.v.o. links : DESY, Hamburg1.v.o.rechts: Institut für Theoretische Physik,Universität Würzburg2.v.o.rechts: : Lehrstuhl für Biochemie I,Universität Regensburg3.v.o.rechts: BergerhofStudios, Köln2.Seiteoben: Caltech, Kalifornien, USAunten rechts: BergerhofStudios, Köln3.Seiteoben: BergerhofStudios, Köln4.Seiteoben: Department of Physics, University ofToronto, KanadaMitte: Intel Corporation, USAunten: Max-Planck-Institut für Mikrostruktur-physik, Halle5.SeiteSiemens AG, München6.Seiteoben: FEE Forschungsinstitut, Idar-Oberstein2.v.o.: BergerhofStudios, Köln3.v.0.: Institut für Kristallographie,Universität Kölnunten: Schott Lithotec AG, Jena7.Seiteoben und Mitte links: Institut für Kristallogra-phie, Universität KölnMitte rechts: Bayer AG, Leverkusenunten: Institut für Neue Materialien, Saarbrü-cken8.SeiteMitte: Institut für Kristallographie, RWTHAachenunten: Technische Universität München9.Seiteoben links: GEOMAR, Kieloben Mitte: GEOMAR, Kieloben rechts: Optische Festkörper-spektroskopie und Didaktik derPhysik,Universität Kaisers-lauternMitte:Optische Festkörperspektroskopie undDidaktik der Physik, Universität Kaiserslauternunten: HST/NASA11.SeiteMitte: Max-Planck-Gesellschaft Hamburg/Berlin rechts: Quelle Genomprojekte: Protein-strukturfabrik, Berlin12.Seiteoben: SIEMENS AG, MünchenMitte: Institut für Kristallographie, RWTHAachenunten: Institut für Kristallographie, RWTHAachen13.Seiteoben: Institut für Kristallographie, RWTHAachenMitte: Institut für Neue Materialien,Saarbrücken

2.v.unten: Institut für Neue Materialien,Saarbrückenunten: SIEMENS AG, München14.Seiteoben: Hasylab, DESY/Hamburgunten: DESY/Hamburg15.Seiteoben rechts: MPI für Festkörperforschung,Stuttgartrechts: Hasylab, DESY/Hamburgunten: Hasylab, DESY/Hamburg16.Seiteoben links: Institut für Experimentelle undAngewandte Physik, Universität Kieloben rechts: Institut für Angewandte Physik,Universität Hamburgunten links: Institut für Experimentelle undAngewandte Physik, Universität Kielunten rechts: Institut für Experimentelle undAngewandte Physik, Universität Kiel17.Seiteoben links: Fachbereich Materialwissenschaft,Technische Universität Darmstadtoben rechts: Fachbereich Material-wissenschaft, Technische Universität Darm-stadt2.v.o.rechts: Fachbereich Materiawissenschaft,Technische Universität DarmstadtMitte links: Institut für Experimentelle undAngewandte Physik, Universität KielMitte rechts: Institut für Angewandte Physik,Universität Hamburgunten links: Institut für Experimentelle undAngewandte Physik, Universität Kielunten rechts: NASA18.Seiteoben rechts: Institut für Theoretische Physik,Universität WürzburgMitte links: BergerhofStudios,KölnMitte rechts: SIEMENS AGunten links: Lawrence Livermore Laboratory,Livermore, USA19.Seiteoben: BergerhofStudios, Kölnunten: Fachbereich Materialwissenschaft,Technische Universität Darmstadt20.SeiteLucent Technologies, New Jersey, USA/Weizmann Institut, Rehovot, Israel21.SeiteMitte links: Lucent Technologies/WeizmannInstitut,IsraelMitte rechts: Institut für Allgemeine undAngewandte Geophysik, Universität Münchenrechts darunter: NASAganz unten:Lehrstuhl fürBiochemie I,Universität Regensburg22.SeiteInstitut für Kristallographie,RWTH Aachen23.Seiteoben: Institut für Theoretische und Ange-wandte Physik, Universität Stuttgartunten: nach D. Shechtman et al.

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Kontakte, Webseiten

Deutsche Gesellschaft für Kristallographie e.V.

www.kristall.ethz.ch/DGK/ und www.dgkristall.de

Vorsitzender: Prof. Dr. Peter PauflerInstitut für Kristallographie und FestkörperphysikFachrichtung Physik, Technische Universität DresdenD-01062 Dresden, GermanyTel.: +49-351-46334670FAX: +49-351-4637049email: [email protected]

Stellvertretender Vorsitzender: Prof. Dr. Gernot HegerInstitut für KristallographieRheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) AachenJägerstr. 17-19, D-52056 Aachen, GermanyTel.: +49-241/80-6900FAX: +49-241/8888-184email: [email protected]

AachenAachenAachenAachenAachen RWTH Institut für KristallographieBayreuthBayreuthBayreuthBayreuthBayreuth Uni Lehrstuhl für Kristallographie (Physikalisches Institut)BerlinBerlinBerlinBerlinBerlin FU Arbeitsgruppe Kristallographie (Institut für Chemie)BerlinBerlinBerlinBerlinBerlin HU Lehrstuhl für Kristallographie (Institut für Physik)BerlinBerlinBerlinBerlinBerlin IKZ Institut für KristallzüchtungBochumBochumBochumBochumBochum Uni Institut für Geologie, Mineralogie und GeophysikBonnBonnBonnBonnBonn Uni Mineralogisches InstitutBremenBremenBremenBremenBremen Uni Arbeitsgruppe Kristallographie (Fachbereich Geowissenschaften)DarmstadtDarmstadtDarmstadtDarmstadtDarmstadt TU Fachgebiet Strukturforschung (Fachbereich Material-und

Geowissenschaften)DresdenDresdenDresdenDresdenDresden TU Institut für Kristallographie und FestkörperphysikErlangenErlangenErlangenErlangenErlangen Uni Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik (Institut

für Angewandte Physik)Frankfurt/M.Frankfurt/M.Frankfurt/M.Frankfurt/M.Frankfurt/M. Uni Abteilung Kristallographie (Institut für Mineralogie)FreiburgFreiburgFreiburgFreiburgFreiburg Uni Kristallographisches InstitutGöttingenGöttingenGöttingenGöttingenGöttingen Uni Abteilung Kristallographie (Fakultät für Geowissenschaften

und Geographie)HalleHalleHalleHalleHalle Uni Kristallphysik (Fachbereich Physik)HamburgHamburgHamburgHamburgHamburg Uni Mineralogisch-Petrographisches InstitutHamburgHamburgHamburgHamburgHamburg MPI Arbeitsgruppe für strukturelle MolekularbiologieHannoverHannoverHannoverHannoverHannover Uni Institut für MineralogieHeidelbergHeidelbergHeidelbergHeidelbergHeidelberg Uni Arbeitsgruppe Kristallographie (Mineralogisches Institut)KarlsruheKarlsruheKarlsruheKarlsruheKarlsruhe Uni(TH) Institut für KristallographieKielKielKielKielKiel Uni Abteilung für Kristallographie (Institut für Geowissenschaften)KölnKölnKölnKölnKöln Uni Institut für KristallographieLeipzigLeipzigLeipzigLeipzigLeipzig Uni Institut für Mineralogie, Kristallographie und MaterialwissenschaftMainzMainzMainzMainzMainz Uni Abteilung Materialwissenschaftliche Mineralogie (Institut für

Geowissenschaften)MarburgMarburgMarburgMarburgMarburg Uni Institut für Mineralogie, Petrologie und Kristallographie

Anorganische Chemie (Fachbereich Chemie)MartinsriedMartinsriedMartinsriedMartinsriedMartinsried MPI Abteilung für StrukturforschungMünsterMünsterMünsterMünsterMünster Uni Institut für MineralogieMünchenMünchenMünchenMünchenMünchen LMU Institut für Kristallographie und Angewandte MineralogieStuttgartStuttgartStuttgartStuttgartStuttgart Uni Institut für Mineralogie und KristallchemieTübingenTübingenTübingenTübingenTübingen Uni Institut für KristallographieWienWienWienWienWien Uni Institut für Mineralogie umd KristallographieWürzburgWürzburgWürzburgWürzburgWürzburg Uni Arbeitsgruppe Kristallographie (Institut für Mineralogie und

Kristallstrukturlehre)ZürichZürichZürichZürichZürich ETHZ Laboratorium für Kristallographie

Kristallographische Institute und Arbeitsgruppen

Page 28: Kristallographie - chem.uni-potsdam.de · Ladungen aus, wenn der Kris-tall erw−rmt wird. Der wohl schon den alten Griechen bekannte Effekt fand u.a. in der Raumfahrt neue An-wendungen

Deutsche

Gesellschaft für

Kristallographie e.V.

www.kristall.ethz.ch/DGK/

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