kopplung von stofftransport und chemischer reaktion in rohren

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Fur die Berufspraxis - 14. Folge Kopplung von Stofftransport und chemischer Reaktion in Rohren Prof. Dr.-lng. H. Brauer und Dr.-lng. H. Schmidt-Traub, TU Berlin I n dieser und der nachsten Folge der ,,Berufspraxis" sollen an Hand einiger Beispiele Grundlagen erlautert werden, die fur das Verstandnis der in chemischen Reaktoren ablaufenden Vorgange von Bedeutung sind. Als Beispiele werden che- mische Reaktionen in Rohren, an Platten und Kugeln sowie in Poren behandelt. Durch Vergleich mit den fiir Rohr- und Plattenreaktoren bekannten experimentellen Untersuchungs- ergebnissen wird die Gultigkeit theoretisckier Untersuchungen nachgewiesen. Eine befriedigende Ubereinstimmung zwischen Theorie und Experiment liil3t sich bei dem heutigen Stand des Wissens jedoch nur fur verhiiltnismiiBig einfache Reak- tionen erreichen. Derartige Bedingungen treten z. B. haufig bei der Beseitigung von Schadstoffen aus der Luft durch deren chemische Umwandlung auf. Die in der 14. und 15. Folge der ,,Berufspraxis" besprochenen Probleme sind daher im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung von unmittel- barem Interesse. In vielen anderen Fallen ist der Ablauf der in der Praxis auftretenden chemischen Reaktionen vie1 ZIX verwickelt, als daB er sich bereits theoretisch verfolgen lieBe. Aber auch ftir diese Fiille sind die Ausfuhrungen von Bedeu- tung. Sie ermoglichen qualitativ richtige Interpretationen des beobachteten Verhaltens praktisch betriebener Reak- toren und tragen dazu bei, das Ergebnis gezielter Betriebs- veriinderungen richtig vorauszusagen. Allgemeine Erlauterung der physikochemischen Probleme In dieser Folge soll das Zusammenwirken von heterogenen chemischen Reaktionen rnit dem konvektiven und diffusiven Stofftransport bei laminarer und turbulenter Rohrstromung untersucht werden. Von einer heterogenen chemischen Reak- tion spricht man, wenn die Reaktion an der Oberfliiche einer Wand ablauft. Technisch ist von den heterogenen Reaktionen diejenige besonders bedeutsam, bei der die beteiligte feste Phase lediglich als Reaktionsmittler auftritt und selbst nicht durch die Reaktion veriindert wird. Derartige Reak- tionen werden heterogen katalysierte Reaktionen genannt. Von ihnen wird im folgenden gesprochen. Die an der Wand reagierenden Komponenten diffundieren aus dem Kernstrom zur Wand hin und werden hier chemisch umgesetzt, wahrend das Reaktionsprodukt in umgekehrter Richtung von der Wand in den Kernstrom diffmdiert. Zur Veranschaulichung kann man annehmen, daB die Wandober- flache gleichmiil3ig rnit Stoffsenken und Stoffquellen besetzt ist. Die reagierenden Komponenten verschwinden in den Stoffsenken, und das Reaktionsprodukt tritt aus den Stoff- quellen aus. Es treten niemals mehr Molekule in die Stoff- senken ein, als chemisch umgesetzt werden konnen. Anderer- seits konnen aber nicht mehr Molekule chemisch reagieren, als durch Diffusion zu den Senken hinkommen. Die Auf- nahmefiihigkeit der Senken, ausgedriickt durch die Mol- stromdichte tin, hangt sowohl von der Geschwindigkeit, rnit der die chemische Reaktion abliiuft, als auch von der Diffu- sionsgeschwindigkeit ab. Gruridsiitzlich wird der bei einer heterogenen chemischen Reaktion erzielte Umsatz immer von der Reaktionsgeschwindigkeit und der Diffusionsge- schwindigkeit bestimmt. Eine allgemeine mathematische Behandlung des Problems ist heute noch nicht moglich. Theoretische Berechnungen sind im wesentlichen gebunden an die Voraussetzung iso- thermer Systeme und iiquimolarer chemischer Reaktionen, wobei das folgende empirische Reaktionsgesetz zugrunde ge- legt wird : +a = kwCn Aw Hiernach ist die Reaktionsstromdichte +A, d. h. die je Zeit- und Fliicheneinheit chemisch umgesetzte Molmenge des Stoffes A, gleich dem Reaktionsgeschwindigkeitsfaktor k, multipliziert rnit der Partialmoldichte cAw der Komponente A an der Wand. Bei isothermen und isobaren Reaktiorisbedin- gungen ist kw ein konstanter Faktor. Mit n wird die Reak- tionsordnung bezeichnet, die ganzzahlige oder auch gebro- chene Zahlenwerte annehmen kann. Ubliche Werte liegen zwischen n = 0 und n = 2. Je groDer die Reaktionsordnung ist, desto langsamer verliiuft die Reaktion. Heterogen katalysierte Reaktion und Stofftransport bei laminarer Rohrstromung Erlauterung des mathematischen Problems Darnkohler [l] hat als erster das Stofftransportproblem unter Berucksichtigung einer heterogenen chemischen Reaktion erster Ordnung theoretisch untersucht. Er setzte dabei ein kolbenformiges Geschwindigkeitsprofil, eine iiquimolare Reaktion und einen isothermen Zustand des Reaktions- systems voraus. Damit war das System volumenbestandig, und die Stoffwerte konnten als konstant angesehen werden. Die Untersuchungen von Damkohler wurden spiiter von Hoelscher [2] sowie von Brauer und Schliiter [3] ergiinzt. Die entsprechenden Rechnungen unter Berucksichtigung eines ausgebildeten parabolischen Geschwindigkeitsprofs fuhrten Chambrb [4], Katz [5] sowie Brauer und Schluter [6] durch. Diese Untersuchungen wurden von Petting [7] sowie Seijert und Schmidt [8] auf den Fall einer beliebigen Reaktionsord- nung ausgedehnt. Die rnit der isothermen Reaktion verbun- denen Warmeubergangsprobleme hat Brauer [9] bearbeitet. Die folgenden Ausfiihrungen betreffen den isothermen Reak- tionsablauf und stutzen sich auf die Untersuchungen von Seijert und Schmidt [S]. Durch das in Abb. 1 schematisch dargestellte Rohr stromt ein Fluid rnit der konstanten mittleren Geschwindigkeit 8. Die Geschwindigkeitsvertei- lung soll parabelformig und von der Laufliinge x unabhangig sein. I n dem stromenden Fluid befinden sich die chemisch umzuwandelnden Komponenten, von denen die Komponente A betrachtet wird. Deren Moldichte CA dient als Konzentra- tionsmal3; sie nimmt mit der Laufliinge x ab. Im allgemeinen Chernie-/ng.-Techn. 45. lahrg. 1973 I Nr. 3 145

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Page 1: Kopplung von Stofftransport und chemischer Reaktion in Rohren

Fur die Berufspraxis - 14. Folge

Kopplung von Stofftransport und chemischer Reaktion in Rohren

Prof. Dr.-lng. H. Brauer und Dr.-lng. H. Schmidt-Traub, TU Berlin

In dieser und der nachsten Folge der ,,Berufspraxis" sollen an Hand einiger Beispiele Grundlagen erlautert werden, die fur das Verstandnis der in chemischen Reaktoren ablaufenden Vorgange von Bedeutung sind. Als Beispiele werden che- mische Reaktionen in Rohren, an Platten und Kugeln sowie in Poren behandelt. Durch Vergleich mit den fiir Rohr- und Plattenreaktoren bekannten experimentellen Untersuchungs- ergebnissen wird die Gultigkeit theoretisckier Untersuchungen nachgewiesen. Eine befriedigende Ubereinstimmung zwischen Theorie und Experiment liil3t sich bei dem heutigen Stand des Wissens jedoch nur fur verhiiltnismiiBig einfache Reak- tionen erreichen. Derartige Bedingungen treten z. B. haufig bei der Beseitigung von Schadstoffen aus der Luft durch deren chemische Umwandlung auf. Die in der 14. und 15. Folge der ,,Berufspraxis" besprochenen Probleme sind daher im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung von unmittel- barem Interesse. In vielen anderen Fallen ist der Ablauf der in der Praxis auftretenden chemischen Reaktionen vie1 ZIX

verwickelt, als daB er sich bereits theoretisch verfolgen lieBe. Aber auch ftir diese Fiille sind die Ausfuhrungen von Bedeu- tung. Sie ermoglichen qualitativ richtige Interpretationen des beobachteten Verhaltens praktisch betriebener Reak- toren und tragen dazu bei, das Ergebnis gezielter Betriebs- veriinderungen richtig vorauszusagen.

Allgemeine Erlauterung der physikochemischen Probleme

In dieser Folge soll das Zusammenwirken von heterogenen chemischen Reaktionen rnit dem konvektiven und diffusiven Stofftransport bei laminarer und turbulenter Rohrstromung untersucht werden. Von einer heterogenen chemischen Reak- tion spricht man, wenn die Reaktion an der Oberfliiche einer Wand ablauft. Technisch ist von den heterogenen Reaktionen diejenige besonders bedeutsam, bei der die beteiligte feste Phase lediglich als Reaktionsmittler auftritt und selbst nicht durch die Reaktion veriindert wird. Derartige Reak- tionen werden heterogen katalysierte Reaktionen genannt. Von ihnen wird im folgenden gesprochen.

Die an der Wand reagierenden Komponenten diffundieren aus dem Kernstrom zur Wand hin und werden hier chemisch umgesetzt, wahrend das Reaktionsprodukt in umgekehrter Richtung von der Wand in den Kernstrom diffmdiert. Zur Veranschaulichung kann man annehmen, daB die Wandober- flache gleichmiil3ig rnit Stoffsenken und Stoffquellen besetzt ist. Die reagierenden Komponenten verschwinden in den Stoffsenken, und das Reaktionsprodukt tritt aus den Stoff- quellen aus. Es treten niemals mehr Molekule in die Stoff- senken ein, als chemisch umgesetzt werden konnen. Anderer- seits konnen aber nicht mehr Molekule chemisch reagieren, als durch Diffusion zu den Senken hinkommen. Die Auf- nahmefiihigkeit der Senken, ausgedriickt durch die Mol- stromdichte tin, hangt sowohl von der Geschwindigkeit, rnit der die chemische Reaktion abliiuft, als auch von der Diffu-

sionsgeschwindigkeit ab. Gruridsiitzlich wird der bei einer heterogenen chemischen Reaktion erzielte Umsatz immer von der Reaktionsgeschwindigkeit und der Diffusionsge- schwindigkeit bestimmt.

Eine allgemeine mathematische Behandlung des Problems ist heute noch nicht moglich. Theoretische Berechnungen sind im wesentlichen gebunden an die Voraussetzung iso- thermer Systeme und iiquimolarer chemischer Reaktionen, wobei das folgende empirische Reaktionsgesetz zugrunde ge- legt wird :

+a = kwCn Aw

Hiernach ist die Reaktionsstromdichte +A, d. h. die je Zeit- und Fliicheneinheit chemisch umgesetzte Molmenge des Stoffes A, gleich dem Reaktionsgeschwindigkeitsfaktor k , multipliziert rnit der Partialmoldichte cAw der Komponente A an der Wand. Bei isothermen und isobaren Reaktiorisbedin- gungen ist kw ein konstanter Faktor. Mit n wird die Reak- tionsordnung bezeichnet, die ganzzahlige oder auch gebro- chene Zahlenwerte annehmen kann. Ubliche Werte liegen zwischen n = 0 und n = 2 . J e groDer die Reaktionsordnung ist, desto langsamer verliiuft die Reaktion.

Heterogen katalysierte Reaktion und Stofftransport bei laminarer Rohrstromung

Erlauterung des mathematischen Problems

Darnkohler [l] hat als erster das Stofftransportproblem unter Berucksichtigung einer heterogenen chemischen Reaktion erster Ordnung theoretisch untersucht. Er setzte dabei ein kolbenformiges Geschwindigkeitsprofil, eine iiquimolare Reaktion und einen isothermen Zustand des Reaktions- systems voraus. Damit war das System volumenbestandig, und die Stoffwerte konnten als konstant angesehen werden. Die Untersuchungen von Damkohler wurden spiiter von Hoelscher [2] sowie von Brauer und Schliiter [3] ergiinzt. Die entsprechenden Rechnungen unter Berucksichtigung eines ausgebildeten parabolischen Geschwindigkeitsprofs fuhrten Chambrb [4], K a t z [5] sowie Brauer und Schluter [6] durch. Diese Untersuchungen wurden von Petting [7] sowie Seijert und Schmidt [8] auf den Fall einer beliebigen Reaktionsord- nung ausgedehnt. Die rnit der isothermen Reaktion verbun- denen Warmeubergangsprobleme hat Brauer [9] bearbeitet. Die folgenden Ausfiihrungen betreffen den isothermen Reak- tionsablauf und stutzen sich auf die Untersuchungen von Seijert und Schmidt [ S ] . Durch das in Abb. 1 schematisch dargestellte Rohr stromt ein Fluid rnit der konstanten mittleren Geschwindigkeit 8. Die Geschwindigkeitsvertei- lung soll parabelformig und von der Laufliinge x unabhangig sein. I n dem stromenden Fluid befinden sich die chemisch umzuwandelnden Komponenten, von denen die Komponente A betrachtet wird. Deren Moldichte CA dient als Konzentra- tionsmal3; sie nimmt mit der Laufliinge x ab. Im allgemeinen

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Konzentrationapro file

Die ortliche bczogene Konzentration 5 ist eine Funktion des bezogenen Ortsradius r*, der Einlaufkcnnzahl z, der Dam- kohler-Zahl Da und dcr Rcaktionsordnung n :

E = fi(r*;z;Da;n) . (13)

In Abb. 2 ist 6 fiir Da = 1 sowie fur verschicdene Werte von z und n iiber r* aufgetragen. Da die Reaktion an der Wand stattfindct, hat 5 bei r* = 1 den nicdrigstcn Wcrt. Aus diesem Grunde tritt ein zur Wand gerichteter Diffusionsstrom auf. Er ist um so groBcr, je grooer der Konzentrationsgradicnt an dcr Wand ist. Mit zunehmcnden Werten der Einlaufkenn- zabl z wird dieser Diffusionsstrom, der gleich dem Rcaktions- strom ist, kleiner. Ebenso nimmt mit z auch die ortliche Konzentration ab. Aus Abb. 2 entnimmt man fcrner, da13 die chemischc Umsetzung um so schnellcr erfolgt, bzw. die Komponente A um so schncller verschwindct, je kleiner die Reaktionsordnung ist.

135m Abb. 1. Zur Erlauterung des Stofftransportes mit heterogen katalysierter chemischer Reaktion im laminar durchstromten Rohr.

hiingt CA von r und von x ab. Im Eintrittsqucrschnitt des Rohres bei x = 0 hat die Moldichte CA = CAO ihren groaten Wert. Daruber hinaus wird als Anfangsbedingung vercin- bart, da13 CAO iiber dem Querschnitt konstant ist. Da die chemischc Rcaktion an dcr Wandoberflachc stattfindet, ver- armt der wandnahe Fluidbercich an Komponente A. Ein von der LauflSinge x abhiingiger Stoffstrom ist zur Wandobcr- flache gerichtet. In unmittelbarer Wandniihe stellt sich der grol3te Gradient der Moldichtc CA ein. Wegen der Rotations- symmetric dcs Systems ist der Gradient in der Rohrachse gleich Null. Dieses ist die zweite Bedingung, die zur mathc- matischen Bchandlung des Problems bcachtet wird. Die dritte Bcdingung bcsagt, daB der zur katalytisch wirksamen Wand diffundierende Molstrom NA* gerade so go13 ist wie der chcmisch umgcsctzte Reaktionsstrom.

Zur Beschreibung dcs Konzentrationsfeldcs im Rohrrcaktor dicnt die in dimcnsionsloser Schreibweise angcgebenc Diffe- rcntialglcichung

Die zugehorigcn Randbedingungen lautcn :

z = O u n d r * < l : 5 - 1 , (3)

z 2 o undr* = 0 : (ag/ar*),,=o = o , (4)

z 2 Oundr* = 1: (aE/ar*) , = - DaeG . ( 5 )

In den Gln. (2) bis (5) trcten folgendc dimcnsionslose GroBcn auf :

r* = r / R bezogener Ortsradius , (6)

tration , (7)

z E (l/[RcSc]) (x/d) Einlaufkennzahl , ( 8 )

Re = Gd/v Reynolds-Zahl , (9)

Sc = v / D Schmidt-Zahl , (10)

Da = ( k , RID) c:;' Damkohlcr-Zahl , (11)

dcr Wand . (12)

E cA/c:il bczogene ortliche Konzen-

5, = C A ~ / C A O bczogcne Konzentration an

Hierin bedeuten aul3cr den bcreits bckanntcn Grol3en R Rohrradius, d Rohrdurchmesser, v kincmatische Viskositiit dcs stromenden Gemisches und D Diffusionskoeffizient der bctrachteten Komponente A im Gemisch. Die Differential- glcichung fur das Konzentrationsfcld latit sich mittcls cines impliziten Differenzenverfahrens von Crank und Nicolson numcrisch losen.

146

z z 5.1 0.'

o'2 t P 1 0,2 Q,L 0.6 48 1,o

rod io ie Koordinote rf r lR O O

Abb. 2. Konzentrationsprofile fur Da = 1.

I

rn r o d i o l e Koordinate r*=r/R

Abb. 3. Konzentrationsprofile fur Da = 100.

Um den EinfluS der Damkohler-Zahl diskutieren zu konnen, sind in Abb. 3 einige wcitere Konzentrationsprofile fur Da = 100 dargestellt. Durch Vcrglcich mit Abb. 2 crgibt sich, dalj die chemische Umsetzung, d. h. der Abbau dcr Komponente A, um so schneller crfolgt, je gro13cr die Dam-

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kohler-Zahl ist. Nach G1. (1 1) bedeuten gro13e Werte von Da, da13 die Reaktionsgeschwindigkeit ( k w ) grol3 im Vergleich zur Diffusionsgeschwindigkeit ( D I R ) ist. Der schnellste Ab- bau der Komponente A stellt sich somit fur Da + 00 ein. Die Reaktion ist hierbei unendlich schnell im Vergleich zur Diffusionsgeschwindigkeit. Aus diesem Grunde ist die Diffu- sion der fur die Stoffwandlung geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Man bezeichnet den Grenzfall Da + 00 auch mit ,,Diffusionshemmung". Der zweite Grenzfall, Da + 0, wird rnit ,,Reaktionshemmung" bezeichnet.

Im Grenzfall der Diffusionshemmung entfallt jeder Einflul3 der f~ den Reaktionsablauf maBgebenden Groaen, also auch der EinfluB der Reaktionsordnung n. - Der Konzentrations- gradient an der Wand, (at/&*),, ist ein direktes Ma13 fiir den an der Wand auftretenden Diffusionsstrom, der gleich dem Reaktionsstrom ist. Der Gradient ist weiterhin ein direktes Ma13 fiir die ortliche Sherwood-Zahl Sh,, auf die spiiter noch eingegangen wird. - Der Grenzfall der Diffusionshemmung ist identisch rnit dem Fall des Stofftransportes ohne che- mische Reaktion. Hierbei erreicht der Diffusionsstrom seinen maximalen Wert. Eine heterogen katalysierte chemische Reaktion fuhrt stets zu einer Erniedrigung des Diffusions- stromes.

Mittlere Konzentration

Die mit 6 = CA/cAO bezeichnete mittlere Konzentration er- halt man durch Integration der ortlichen Konzentration E uber den Stromungsquerschnitt P unter Berucksichtigung der ortlich veriinderlichen Geschwindigkeit w :

7? 1

Die mittlere Konzentration kann unmittelbar zur Berech- nung des in einem Rohr von der LSinge L und dem Durch- messer d chemisch umgesetzten Mengenstroms verwendet

10-2 10-1 100 10' 1 m Einloufkennzoh l I-- R e S c d

Abb. 4. Bezogene mittlere Konzentration abhangig von der Ein- laufkennzahl z bei versohiedenen Werten der Damkohler-Zahl Da uncl der Reaktionsordnung n.

werden. Druckt man den Mengenstrom durch den Molstrom N A der Komponente A aus, so gilt hierfiir die Beziehung

Fiir die mittlere Konzentration gilt die allgemeine Funktion

$ = fi(z; Da; n) . (16)

In Abb. 4 ist 6 fur einige Werte der Damkohler-Zahl Da und der Reaktionsordnung n abhiingig von der Einlaufkennzahl z dargestellt. Fur die beiden Grenzfiille gelten folgende Be- dingungen :

Reaktionshemmung, Da = 0 :

t = 1

Diffusionshemmung, Da = 00:

E = Emin

fiir alle Werte von z und n,

fur alle Werte von z.

Allgemeine Diskussion der mittleren Sherwood-Zahl

Zur Berechnung des im Rohrreaktor umgesetzten Molstro- mes N A bedient man sich haufig auch eines mittleren Stoff- ubergangskoeffizienten 8, der durch die Gleichung

N A = B d x L A c A (17)

definiert ist. Mit

ACA = ( C A O - C A ) / ~ (18)

wird eine geeignete Konzentrationsdifferenz bezeichnet, die als arithmetischer Mittelwart gebildet wird. Setzt man G1. (17) unter Berucksichtigung von G1. (18) der Gl. (15) gleich, so erhiilt man nach Einfuhren dimensionsloser Gro13en die fol- gende Berechnungsgleichung fur die mittlere Sherwood- Zahl :

1 1 - E 22 I+[

Sh = .

Die Definitionsgleichung fur die Sherwood-Zahl lautet :

Sh - p d / D . (20)

In Abb. 5 ist Sh fur einige Werte von Da und n abhangig von z dargestellt. Jede Kurve besitzt zwei Grenzwerte :

1. Grenzwert: z --f 00 : Sh, = 1/(22) . (21)

Die Sherwood-Zahl hiingt zzllein von der Einlaufkennzahl z ab; sie ist unabhangig von der Damkohler-Zahl Da und der Reaktionsordnung n.

1 iB3179p51 Einloufkennzohl z =- ReSc d

Abb. 5. Mittlere Sherwood-Zahl Sh abhangig von der Einlauf- kennzahl z fur einige Werte der Damkohler-Zahl Da und der Reaktionsordnung n.

2. Grenzwert : z ---f 0: Sho = 2 Da . (22)

Diese Beziehung liil3t sich mit Hilfe einer ortlichen Sher- wood-Zahl herleiten. Hiernach ist Sh allein eine Funktion der Damkohler-Zahl Da. Fur die praktische Anwendung ist es besonders bedeutsam, da13 der Grenzwert Sho = 2 Da unabhangig von der geometrischen Form und der GroBe des Kanalquerschnitts sowie vom Stromungszustand ist. Der Grenzwert ist unabhilngig davon, ob die Stromung laminar oder turbulent ist. - Aus Abb. 5 geht ferner hervor, daB sich fiir die mittlere Sherwood-Zahl eine obere und eine untere Grenzkurve ergeben:

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Page 4: Kopplung von Stofftransport und chemischer Reaktion in Rohren

Obere Grenzkurve :

Da = a: Sh = 1,6152-113 fur z + 0 Sh = 1/(22) fur z + 00 . (23)

Sie gilt fur den Fall der Diffusionshemmung. Da die Reak- tion im Vergleich zur Diffusion unendlich schnell verliiuft, sind fur die Stoffumsetzung allein fluiddynamische und diffusive GroBen von EinfluB. Bei laminarer Stromung kann die Sherwood-Zahl unter keinen Umstanden groaer werden als fur den Fall Da = m.

Untere Grenzkurve : D a = O : S h = O . Dieses Ergebnis ist dadurch bedingt, daD fur Da = 0 keine Reaktion und somit auch kein Stofftransport s ta t thdet . Es ist der Grenzfall der Reaktionshemmung. - Die theoreti- schen Rechnimgen stimmen rnit experimentellen Unter- suchungsergebnissen recht gut uberein [ 101.

Diskussion der mittleren Sherwood-Zahl im Bereich zunehmen- der Reaktionshemmung

Aus Abb. 5 geht hervor, daB die Reaktionsgeschwindigkeit der umsatzbestimmende Teilschritt wird, wenn Da 5 1 wird. Die fur verschiedene Werte der Reaktionsordnung n dargestellten Kurven niihern sich rnit gro13er werdenden Werten von z unmittelbar der Grenzkurve 1/(22) .

Fur einen Wert von n ist der Verlauf von Sh in Abb. 6 noch einmal schematisch angegeben. Es sol1 geklgrt werden, in welchem MaBe sich die Sherwood-Zahl durch fluiddynami- sche Maljnahmen erhohen 1aBt. Bleibt das Reaktionsgesetz unveriindert, dann kann Sh nur durch einen verbesserten Stofftransport zur Wand erhoht werden. Das ist beispiels- weise moglich durch Anordnung von Mischorganen im Rohr oder auch durch den Ubergang von der laminaren zur turbu- lenten Stromung. Der maximal mogliche Wert, Sh,,,, wird bei vollkommener Durchmischung des Fluids erreicht. Fiir diesen Fall ist die Kurve ebenfalls in Abb. 6 eingetragen. In Abb. 5 ist dieser Fall fur Da 5 1 weitgehend identisch rnit

I I Isaslsshl lg I 4

Abb. 6. Zur Erlauterung der mittleren Sherwood-Zahl Sh im Be- reich zunehmender Reaktionshemmung, Da 5 1.

I m73-g l g z d

Abb. 7. Zur Erlauterung der mittleren Sherwood-Zahl im Be- reich zunehmender Diffusionshemmung, Da 2 10.

der Kurve fiir 12 = 0. In Abb. 6 ist der Bereich, innerhalb dessen Sh durch verstarkte Durchmischung des Fluids er- hoht werden kann, durch Schraffur hervorgehoben. Dieser Bereich wird mit abnehmenden Werten der Damkohler-Zahl Da kleiner. Aus diesem Grunde ist eine verstarkte Durch- mischung des Fluids im Bereich zunehmender Reaktions- hemmung von nur sehr geringer Bedeutung.

Diskussion der mittleren Sherwood-Zahl im Bereich zunehmen- der Di@usionshernmung

Fiir den Bereich zunehmender Diffusionshemmung, Da 2 10, sind die entsprechenden Kurven in Abb. 7 schematisch dar- gestellt. Zu beachten ist, daB die fur Da = const sowie n = const geltende Kurve in die fur Da = m geltende ein- liiuft und sich mit dieser zusammen bei wesentlich hoheren Werten von z der Kurve 1/(22) nahert. Das durch Schraffur hervorgehobene Gebiet wird mit zunehmender Damkohler- Zahl, d. h. mit wirksamer werdender Diffusionshemmung groBer. Innerhalb dieses Gebietes ist eine wesentliche Erho- hung der Sherwood-Zahl durch zusiitzliche Durchmischung des Fluids moglich. Sie 1aBt sich sowohl durch den Ubergang vom laminaren zum turbulenten Stromungszustand als auch durch den Einbau von Mischorganen in das Rohr erreichen.

Heterogene chernische Reaktion bei turbulenter Rohr- stromung

Die bei turbulenter Stromung geltenden Kurven fiir die Sherwood-Zahl liegen immer innerhalb des in den Abb. 6 und 7 schraffiert dargestellten Bereiches. Eine vollstiindige Berechnung der Kurven findet man in dem Buch von Brauer und Mewes [lo].

Programm zur Berechnung des Stofftransports bei heterogener chernischer Reaktion im Rohr

Der Stofftransport wird fiir laminare Stromung im Rohr so- wie vollstandige Durchmischung berechnet. Die Reaktions- ordnung ist beliebig. Das Programm ist in der Programmier- sprache FORTRAN geschrieben. Programmkopien mit, ausfuhr- licher Benutzeranleitung sind gegen Erstattung der Verviel- fiiltigungskosten von der Universitiitsbibliothek der Techni- schen Universitat Berlin unter dem Titel H . Brauer und H . Schmidt-Traub: Programm zur Berechnung des Stoff- transports bei heterogener chemischer Reaktion im Rohr, 1973, erhgltlich. Eingegangen am 4. Januar 1973 [B 3579Pl

Literatur

[l] G. Darnkdhler, EinfluD von Diffusion, Stromung und Warme- transport auf die Ausbeute bei chemisch-technischen Reak- tionen; erschienen in ,,Der Chemie-Ingenieur" Bd. 111, I. Teil, S. 359/485, Leipzig 1937.

[2] H . E . Hoelscher, Chem. Engng. Progr., Symp. Ser. 50, 45/50 [ 19541.

[3] H . Brauer, H . Schliiter, diese Zeitschr. 38, 279/87 [1966]. [4] P . L. ChambrQ, Appl. sci. Res. A 6, 97/113 [1956]. [5] 8. Katz, Chem. Engng. Sci. 10, 202/1l [1959]. [6] H . Brauer, H . Schliiter, diese Zeitschr. 37, 1107/17 [1965]. [7] F . Fetting, diese Zeitschr. 35, 185 [1963]. [8] A. Seifert, H . Schmidt, diese Zeitschr. 39, 593/600 [1967]. [9] H . Brauer, diese Zeitschr. 39, 1241/53 [1967].

[lo] H . Brauer, D. Mewes, Stoffaustausch einschlierjlich chemi- scher Reaktionen. Sauerlander, Aarau-Frankfurt/M. 197 1 .

148 Chemie-lng.-Techn. 45. lahrg. 1973 I N r . 3