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Kapitel 1 Konvergente Folgen 1.0 Reelle Folgen und Reihen Motivation: Ein einem Kreis K einbeschriebenes (regelm¨ aßiges) n-Eck E n 19/11/99 n=6 approximiert die Fl¨ ache des Kreises: Fl¨ ache (E n ) Fl¨ ache(K) falls n 0. Die mathematisch pr¨ azise Fassung solcher oder ¨ ahnlicher Approximations- prozesse f¨ uhrt zum Begriff der Konvergenz - dem zentralen Begriff der Analysis. Definition 1.0.0 x R. Dann heißt |x| := -x x< 0 x x 0 der (Absolut)betrag von x. 38

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Page 1: Konvergente Folgen - Philipps-Universität Marburglohoefer/... · Konvergente Folgen 1.0 Reelle Folgen und Reihen Motivation: Ein einem Kreis K einbeschriebenes (regelm¨aßiges)

Kapitel 1

Konvergente Folgen

1.0 Reelle Folgen und Reihen

Motivation: Ein einem Kreis K einbeschriebenes (regelmaßiges) n-Eck En 19/11/99

n=6

approximiert die Flache des Kreises:

Flache (En) ≈ Flache(K) falls n� 0.

Die mathematisch prazise Fassung solcher oder ahnlicher Approximations-prozesse fuhrt zum Begriff der Konvergenz - dem zentralen Begriff derAnalysis.

Definition 1.0.0 x ∈ R. Dann heißt

|x| :={−x x < 0x x ≥ 0

der (Absolut)betrag von x.

38

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 39

Offenbar ist

(1) −|x| ≤ x ≤ |x|

(2) |x|2 = x2, d.h. |x| =√x2

Satz 1.0.1 Die Abbildung

| | : R → R, x 7→ |x|,

hat folgende Eigenschaften

N1: |x| ≥ 0, |x| = 0 ⇔ x = 0

N2: |x · y| = |x| · |y|

N3: |x+ y| ≤ |x|+ |y|.

N3 ist die sogenannte ∆ - Ungleichung (”Dreiecksungleichung“).

���������

���������������:

PPPPPPPPPPPPqx

y

x+ y

Grob gesprochen ist die Analysis die Theorie der ∆ - Ungleichung.

Beweis :

N1: |x| =√x2.

N2: Œ x · y 6= 0. Ist x · y > 0 so ist |x · y| = x · y = (−x) · (−y) = |x| · |y|.Ist x · y < 0 so ist |x · y| = −(x · y) = (−x) · y = x · (−y) = |x| · |y|.

N3: |x+y|2 = (x+y)2 = x2+2·x·y+y2 ≤ |x|2+2|x|·|y|+|y|2 = (|x|+|y|)2.Da das √ -ziehen monoton ist, folgt |x+ y| ≤ |x|+ |y|.

Folgerung 1.0.2

(1) |0| = 0, |1| = 1

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 40

(2) | − x| = |x|

(3)∣∣∣|x|∣∣∣ = |x|

(4)∣∣ 1x

∣∣ = 1|x| falls x 6= 0

(5) |x| ≤ c⇔ −c ≤ x ≤ c

(6)∣∣∣|x| − |y|∣∣∣ ≤ |x± y| ≤ |x|+ |y|.

Die Eigenschaft (6) ist die sogenannte ”verscharfte ∆ -Ungleichung“ ; ihrBeweis beruht auf dem ”Fundamentaltrick“ der Analysis:

|x| = |x+ (y − y)| = |(x+ y) + (−y)| ≤ |x+ y|+ |y|, d.h.|x| − |y| ≤ |x+ y|

In dem man x und y vertauscht, findet man

|y| − |x| ≤ |y + x|

also ∣∣∣|x| − |y|∣∣∣ ≤ |x+ y|.

Indem man y durch −y ersetzt, folgt∣∣∣|x| − |y|∣∣∣ ≤ |x− y| ≤ |x|+ |y|.Mit Hilfe des Absolutbetrages kann man den ”Abstand“ zweier reeller Zahlenmessen:

Satz 1.0.3 Die ”Abstandsfunktion“

d : R× R → R, (x, y) 7→ d(x, y) := |x− y|

hat folgende Eigenschaften:

M1: d(x, y) ≥ 0, d(x, y) = 0 ⇔ x = y

M2: d(x, y) = d(y, x)

M3: d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y).

Außerdem ist sie translationsinvariant, d.h.

d(x+ a, y + a) = d(x, y) fur alle a ∈ R.

Definition 1.0.4 X Menge, α : N → X.Dann heißt α eine X − Folge mit dem n-ten Folgeglied αn := α(n).

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 41

Ist X = R so spricht man von einer reellen Folge. Haufig werden Folgenauch als (unendliche) Tupel geschrieben:

α = (αn) = (αn)n≥0.

WARNUNG: Folge 6= {Folgenglieder}.α = N× {1} ⊂ N× R aber {αn|n ∈ N} = {1}.

Definition 1.0.5 α : N → R reelle Folge, a ∈ R.a Grenzwert von α ( α konvergiert gegen a) :⇔ Zu jedem 0 < ε ∈ R gibt esein N = Nε ∈ N so dass der Abstand |αn − a| < ε sofern n ≥ Nε.

Konvergenz bedeutet nicht, dass irgendein Folgeglied αn mit dem Grenzwerta ubereinstimmen muss.Konvergenz bedeutet, dass in dem offenen Intervall

(a− ε, a+ ε)

egal wie ε > 0 gewahlt ist, fast alle1 Folgenglieder liegen, außerhalb aberhochstens endlich viele.

c�

��

@@@R

@@

@I

����

( )aa− ε a+ ε

hier fast alle αn

hier hochstens endlich viele αn und zwar egal, wie ε > 0 gewahlt.

Lemma 1.0.6 Eine reelle Folge α : N → R hat hochstens einen Grenzwerta. Man schreibt dann

a = lim αn oder αn → a.

[HS] x ∈ R so dass |x| ≤ ε fur alle ε > 0. Dann ist x = 0.

Beweis des Lemmas: a, a′ Grenzwerte, ε > 0. Dann gibt es N,N ′ ∈ N sodass

|αn − a| <ε

2sofern n ≥ N

|αn − a′| <ε

2sofern n ≥ N ′

1=alle bis auf endlich viele Ausnahmen

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 42

Fur n ≥ N +N ′ ist dann

|a− a′| = |a− αn + αn − a′| ≤ |a− αn|+ |αn − a′| <ε

2+ε

2= ε,

d.h. a = a′ nach [HS]. �

EX: 23/11/99[1] Fur αn := const. = c ∈ R gilt limαn = c.

[2] Fur A ∈ R,αn :={

1 n = 0An n > 0

, gilt lim αn = 0.

Beweis :

|αn − 0| =∣∣∣∣An∣∣∣∣ ≤ |A|

nfur n ≥ 1.

Zu ε > 0 existiert nach Archimedes ein N ∈ N+ so dass

|A|ε< N,

d.h. n ≥ N ≥ 1 impliziert

|αn − 0| ≤ |A|n

< ε,

also αn → 0. �KRITERIUM:β : N → R, b ∈ R, c ≥ 0 so dass

|βn − b| ≤c

nfur fast alle n.

Dann ist b = limβn.[3] Fur |x| < 1, αn := xn gilt lim xn = 0

xn

x

Beweis : Œ x 6= 0. |x| < 1 ⇒ 1|x| = 1 + h, h > 0. Nach Bernoulli ist

|xn − 0| = |xn| = |x|n =1

(1 + h)n≤ 1

1 + nh≤ 1h· 1n

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 43

fur n ≥ 1, also limxn = 0 nach dem Kriterium. �[4] αn := 1 + (−1)n konvergiert nicht2.Beweis : Angenommen a ∈ R ist Grenzwert von αn. Zu ε = 1

2 gibt es dannein N so dass

|αn − a| <12

sofern n ≥ N.

Ist n ≥ N, n gerade, so ist |αn − a| = |2 − a| < 12 , d.h. 3

2 < a < 52 , ist

dagegen n ≥ N, n ungerade, so ist |αn − a| = |0− a| < 12 , d.h. −1

2 < a < 12 ,

ein Widerspruch. �

[5] Fur x > 0, αn :={

1 n = 0n√x n > 0

, gilt limαn = 1.

Beweis : Sei x ≥ 1 : n√x = 1 + hn, hn ≥ 0 geeignet.

Bernoulli: x ≥ 1 + n · hn, d.h. hn ≤ x−1n , n ≥ 1. Damit | n

√x− 1| = hn ≤ x−1

nfur n ≥ 1 also lim n

√x = 1 nach Kriterium.

Sei 0 < x < 1 : n√x = 1

1+hn, hngeeignet.

Bernoulli: hn ≤ 1−xx · 1

n Damit∣∣ n√x− 1

∣∣ = ∣∣∣∣ 11 + hn

− 1∣∣∣∣ = hn

1 + hn≤ hn ≤

1− xx

· 1n, n ≥ 1

also lim n√x = 1 nach Kriterium. �

[6] Fur αn :={

1 n = 0n√n n > 0

, gilt lim αn = 1

Beweis : αn = 1 + hn, hn ≥ 0Bernoulli-Trick versagt.

n = (1 + hn)n ≥ 1 +(n

1

)hn +

(n

2

)h2

n ≥(n

2

)h2

n

d.h.h2

n ≤2

n− 1≤ 3n

fur n ≥ 3.

Zu ε > 0 gibt es nach Archimedes ein N ∈ N so dass 3ε2 < N

Fur n ≥ N + 3 ist dann |αn − 1| = hn ≤√

3n < ε, d.h. αn → 1. �

Satz 1.0.7 : |x| < 1, sn(x) = 1 + x+ x2 + . . .+ xn.Dann ist lim sn(x) = 1

1−x .

Beweis :

sn(x) =1− xn+1

1− x=

11− x

− xn+1

1− xalso∣∣∣∣sn(x)− 1

1− x

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ xn+1

1− x

∣∣∣∣ ≤ 1|1− x|

· |xn| ≤ const

nfur n ≥ 1 nach EX [3].

�2=divergiert

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 44

Bemerkung 1.0.8 : Die Menge RN der reellen Folgen

α : N → R

ist auf naturliche Weise eine R-Algebra mit 11 , d.h. ist 11 die konstante Folge11 n = 1, (αn), (βn) ∈ RN, λ ∈ R so ist

(αn)±� (βn) := (αn±� βn)

λ · (αn) := (λ · αn)

(11 n)(αn) = (αn)

wieder eine reelle Folge. Uberdies ist RN partiell geordnet :

(αn) ≤ (βn) :⇔ αn ≤ βn fur alle n

und mit (αn) gehort auch die Folge der Betrage

|(αn)| := (|αn|)

zu RN.

Stabilitatseigenschaften (”Die Glorreichen 8“)

(1) (αn) konvergent ⇒ Es gibt ein C ≥ 0 so dass |αn| ≤ C fur alle n.

(2) αn → a, αn = βn fur fast alle n⇒ βn → a.

(3) αn → a, βn → b, λ ∈ R ⇒ αn±� βn → a±� b, λαn → λa.

(4) αn → a, βn → b, b 6= 0, βn 6= 0 fur alle n⇒ αnβn→ a

b .

(5) αn → a⇒ |αn| → |a|.

(6) αn → a, a 6= 0 ⇒ Es gibt ein C > 0 so dass |αn| ≥ C fur fast alle n.

(7) αn → a, βn → b, αn ≤ βn fur fast alle n⇒ a ≤ b.

(8) αn ≤ γn ≤ βn fur fast alle n, αn → a, βn → a⇒ γn → a.

Beweis der Stabilitatseigenschaften:

(1): αn → a. Zu ε = 1 gibt es ein N ∈ N so dass |αn−a| < 1 fur alle n ≥ N .Fur diese n ist dann

|αn| = |αn − a+ a| < 1 + |a|, also

|αn| ≤ C := max{1 + |a|, |α0|, |α1|, . . . , |αN |}

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 45

fur alle n.(2): Zunachst gibt es ein N ′ ∈ N so dass αn = βn fur alle n ≥ N ′. Da αn → agibt es zu ε > 0 ein N so dass |αn − a| < ε sofern n ≥ N , also |βn − a| < εsofern n ≥ max{N,N ′}.(3): Exemplarisch: αn · βn → a · b|αn · βn − a · b| = |αnβn − βna+ βna− ab| ≤ |βn||αn − a|+ |a||βn − b|.Nach (1) gibt es ein C ≥ 0 so dass |βn| ≤ C fur alle n ≥ 0, also|αn · βn − a · b| ≤ A(|αn − a| + |βn − b|) wobei max{C, |a|} = A. Zu ε > 0gibt es nun N,N ′ ∈ N so dass

|αn − a| <ε

2A+ 1, n ≥ N

|βn − b| <ε

2A+ 1, n ≥ N ′

also|αn · βn − a · b| < ε sofern n ≥ max{N,N ′}.

(5): ||αn| − |a|| ≤ |αn − a|(6): Zu ε := 1

2 |a| gibt es ein N ∈ N, so dass |αn − a| < 12 |a| fur alle n ≥ N ,

also fur n ≥ N ∣∣∣|αn| − |a|∣∣∣ ≤ |αn − a| <

12|a|.

Dies ist gleichbedeutend mit

−12|a| < |αn| − |a| <

12|a|

d.h.|αn| > C :=

12|a| fur alle n ≥ N.

(7): Sei γn := βn − αn, c := b − a. Es gilt γn ≥ 0 fur n ≥ N ′, γn → c.Angenommen c < 0. Dann gibt es zu ε := 1

2 |c| ein N ∈ N so dass|γn − c| < 1

2 |c| fur alle n ≥ N , also

−12|c| < γn − c <

12|c|

und damitγn < c+

12|c| = 1

2c < 0,

ein Widerspruch.(8): αn − a ≤ γn − a ≤ βn − a, insbesondere −|αn − a| ≤ γn − a ≤ |βn − a|,also |γn − a| ≤ max{|βn − a|, |αn − a|} < ε fur n ≥ N (siehe (2)).(4): |αn

βn− a

b | =1

|βn||b| |αn · b−a · b+a · b−a ·βn| ≤ 1|βn| |αn−a|+ |a|

|βn||b| |βn− b|.Da b 6= 0, gibt es ein C ≥ 0, N ′ ∈ N so dass

1|βn|

,|a|

|βn||b|≤ C fur alle n ≥ N ′

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 46

also ∣∣∣∣αn

βn− a

b

∣∣∣∣ ≤ C|αn − a|+ C|βn − b| fur alle n ≥ N ′.

Daher gibt es zu ε > 0 ein N ∈ N so dass∣∣∣∣αn

βn− a

b

∣∣∣∣ < ε fur alle n ≥ max{N,N ′}

(vgl.(3)). �

WARNUNG: αn → a, αn > 0i.a.6⇒ a > 0 (sondern nur a ≥ 0).

αn :={

1 n = 01n n ≥ 1

.

αn > 0 aber lim αn = 0.

EX:

[1]αn :=

n

n2 + 1.

Weder die Folge im Zahler noch die im Nenner konvergiert, aber fur n ≥ 1ist

αn =nn2

n2+1n2

=1n

1 + 1n2

→ 01

= 0.

[2] x, y ∈ Rx ∨ y := max{x, y} =

12(x+ y + |x− y|)

x ∧ y := min{x, y} =12(x+ y − |x− y|)

αn → a, βn → b⇒ αn∧∨ βn → a∧∨ β

Aufgrund der Stabilitatseigenschaften des Konvergenzbegriffes ist die Menge

zkonv := {α ∈ RN | α konvergent}

auf naturliche Weise ein R-Vektorraum (vgl. VL � Lineare Algebra �) unddie Limesbildung α 7→ limαn eine lineare Abbildung

lim : zkonv → R

Der ”kern“ dieser Abbildung

kern(lim) := {α ∈ zkonv | lim αn = 0}

ist gerade der Untervektorraum der NULLFOLGEN.

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 47

Definition 1.0.9

α : N → R

(1) α beschrankt :⇔ {αn| n ∈ N} beschrankt, d.h. es existiert ein c ≥ 0 sodass |αn| ≤ c fur alle n.

(2) α monoton steigend (fallend) :⇔ αn+1 ≥ αn fur fast alle n( αn+1 ≤ αn fur fast alle n)

Monoton steigende Folgen werden mit α ↗, monoton fallende Folgen mit 24/11/99α↘ bezeichnet.

Theorem 1.0.10 α : N → R monoton und beschrankt. Dann hat α einenGrenzwert und es gilt:

limαn :={

supαn α↗inf αn α↘ .

EX:

[1] Eulersche Zahl e = 2, 718281...

en :={

2 n = 0(1 + 1

n

)nn ≥ 1

e′n :={

4 n = 0(1 + 1

n

)n+1n ≥ 1

klar: 2 ≤ en ≤ e′n ≤ 4 fur alle n.

en ↗:en+1

en=

(1 +

1n+ 1

)(1− 1

(n+ 1)2

)n

≥(

1 +1

n+ 1

)(1− n

(n+ 1)2

)≥ 1 +

1(n+ 1)3

> 1

en ↘:e′n−1

e′n=

(1 +

1n

)(1 +

1(n2 − 1)

)n

>

(1

1 + 1n

)(1 +

1n

)= 1

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 48

also2 = e0 ≤ e1 < e2 < ... < en < e′n < e′n−1... < e′1 = e′0 = 4

2 ≤ lim en = sup en ≤ 4

2 ≤ lim e′n = inf e′n ≤ 4

e′n = en +enn⇒ 2 ≤ e := lim en = lim e′n ≤ 4.

[2] Naturlicher Logarithmus,x > 0

λn(x) :={x− 1 n = 0n ( n√x− 1) n > 0

(1) λn

(1x

)= − 1

n√x· λn(x), n > 0

(2) λn(x · y) = λn(x) + λn(y) + 1nλn(x) · λn(y)

(3) λn(x) < λn(y) falls x < y

(4) λn(1) = 0

s Die reelle Folge (λn(x)) konvergiert fur jedes x > 0.

log : R+ → R, x 7→ log x := lim λn(x) ist der sogenannte naturlicheLogarithmus.

Beweis : Da n√x→ 1, Œ x > 1.

Fur diese x ist λn(x) ≥ 0.

λn − λn−1 = n(yn+1 − 1)− (n+ 1)(yn − 1), x = yn(n+1), y > 1.= n · yn · (y − 1)− (yn − 1)= n · yn · (y − 1)− (y − 1)(yn−1 + yn−2 + ..+ 1)= (y − 1)

[(yn − yn−1) + (yn − yn−2) + ..+ (yn − 1)

]> 0.

Damit ist λn ≥ λn+1 ≥ 0, also existiert

limλn(x) = inf λn(x)

Theorem 1.0.11 Der naturliche Logarithmus

log : R+ → R, x 7→ limλn(x),

hat folgende Eigenschaften:

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 49

L1 log x · y = log x+ log y

L2 log x < log y fur x < y

L3 log e = 1, log 1 = 0

L4 1− 1x ≤ log x ≤ x− 1

Folgerung 1.0.12log 1

x = − log x

log xpq = p

q log x fur alle pq ∈ Q

x 7→ log x injektiv.

Folgerung 1.0.13 log : (Rx, ·) → (R,+) Homomorphismus von abelschenGruppen.

Spater: log ist sogar ein Isomorphismus.

Beweis des Theorems:

L1: λn(x · y) = λn(x) + λn(y) + 1nλn(x) · λn(y)

L2: x < y ⇒ y = A · x, A > 1, log A > 0.L3: en ≤ e ≤ e′n ⇒

nn+1 ≤ n · log

(1 + 1

n

)≤ log e ≤ (n+ 1) log

(1 + 1

n

)≤ n+1

n

L4: λnn = n

√x− 1 > −1 ⇒ x ≥ 1 + λn

log(

1x

)≤ 1

x − 1 ⇒ log x ≥ 1− 1x . �

1

1 e

log x

x-1

Definition 1.0.14 α, α′ : N → X Folgen.α′ Teilfolge von α :⇔ Es gibt eine streng monoton steigende Folge ϕ : N → Nnaturlicher Zahlen, so dass

α′ = α ◦ ϕ,mit anderen Worten α′n = αϕ(n).Ist ϕ 6= id so heißt α′ eine echte Teilfolge von α.

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 50

Satz 1.0.15 α : N → R reelle Folge

aq

(i) α konvergent

(ii) Jede echte Teilfolge von α ist konvergent und samtliche Grenzwertedieser Teilfolgen stimmen uberein.

Theorem 1.0.16 (Satz von Bolzano3-Weierstraß 4)Jede beschrankte Folge reeller Zahlen besitzt eine konvergente Teilfolge.

[HS] Jede Folge reeller Zahlen besitzt eine monotone Teilfolge.

Beweis des HS: 30/11/99α : N → R, s ∈ N.s Spitze von α :⇔ αn ≤ αs fur alle n ≥ s.S := {s ∈ N | s Spitze von α}.

c c c c c

ss s s

ss s+ 1 s+ 2 s+ 3 s+ 4

Ist S unendlich, so gibt es Spitzen

s0 < s1 < s2 < s3 < .. < sk < ..

also αs0 ≥ αs1 ≥ αs2 ≥ αs3 ≥ .. .

und (αsk)k≥0 ist eine monoton fallende Teilfolge von (αn).

Ist S dagegen endlich, definiere

n0 :={

0 S = ∅maxS + 1 S 6= ∅

Dann gibt es ein n1 ≥ n0 so dass αn1 > αn0 , insbesondere n1 > n0.n1 ist ebenfalls keine Spitze, daher gibt es ein n2 ≥ n1 so dass αn2 > αn1 ,insbesondere n2 > n1. Nach Induktion existieren

3Bernhard Bolzano (1781-1848), ital. Mathematiker4Karl Weierstraß (1815-1897), deutscher Mathematiker

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 51

n0 < n1 < n2 < n3 < .. < nk < ..so dass

αn0 < αn1 < αn2 < ..d.h. (αnk

)k≥0 ist eine (streng) monoton steigende Teilfolge von (αn). �

Definition 1.0.17 α : N → R reelle Folge.α Cauchy5-Folge :⇔ Zu jedem ε > 0 gibt es ein N ∈ N so dass

|αn − αm| < ε

fur alle n,m ≥ N.

Lemma 1.0.18

(1) Jede CF ist beschrankt.

(2) Jede konvergente Folge ist eine CF.

WARNUNG:

Selbst wenn der Abstand zweier aufeinander folgender Folgenglieder beliebigklein wird, ist die Folge im allgemeinen keine Cauchy-Folge:s0 := 0, sn := 1 + 1

2 + 13 + ..+ 1

n , n ≥ 1.sn+1 − sn = 1

n+1

n ≤ 2k < 2k+1 ≤ msm − sn ≥ 1

2k+1+ ..+ 1

2k+1 ≥ 2k+1−2k

2k+1 = 12 .

Theorem 1.0.19 α : N → R reelle Folge

aq

(i) α konvergent

(ii) α Cauchy-Folge.

Beweis : (i) → (ii) : 1.0.18(ii) → (i): Nach 1.0.19 ist (αn) beschrankt und besitzt deshalb eine konver-gente Teilfolge αnk

→ α.

|αn − α| ≤ |αn − αnk|+ |αnk

− α|.

Zu ε > 0 gibt es ein N ≥ 0 sodass

|αnk− α| < ε

2, k ≥ N

5Auguste Cauchy (1789-1857), franz. Mathematiker

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 52

|αn − αm| <ε

2, n,m ≥ N

Fur k ≥ N ist nk ≥ N , also

|αn − α| < ε fur n ≥ N.

Bemerkung 1.0.20 Eine rationale Cauchy-Folge α : N → Q hat i.a. kei-nen Grenzwert in Q :

1n

[n ·√

2]→√

2 6∈ Q.

EX:

[1] Goldene Zahl 1+√

52 .

x0 := 1, xn+1 := 1 + 1xn, n ≥ 0

Induktion:

(1) 32 ≤ xn ≤ 2 fur x ≥ 1.

(2) |xn+k − xn| ≤(

49

)n |xn − x0| ≤ 4 ·(

49

)n(xn) ist damit CF, x := limxn, x = 1+ 1

x oder x2−x−1 = 0 ⇒ x = 12±

12

√5

Da xn ≥ 32 ist auch x ≥ 3

2 , d.h. x = 12(1 +

√5).

[2] Allgemeine Potenza > 0, 0 6= q ∈ Z, p

q ∈ Q

a1q :=

{a√a q > 0

1a√a

q < 0

apq := (ap)

1q = (a

1q )p.

Eigenschaften: r, s ∈ Q, a, b > 0

(1) ar · as = ar+s

(2) (ar)s = ar·s

(3) ar · br = (a · b)r

(4) Fur r < s istar < as falls a > 1ar > as falls a < 1

(5) Fur 1 < a ist |ar − as| ≤ amax{r,s} (a|r−s| − 1).

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 53

[HS] Zu jedem x ∈ R gibt es rationale Folgen xn ↗ x und x′n ↘ x.

Beweis : 1n [nx] ≤ x < 1

n [nx] + 1n . �

Die beiden außeren Folgen besitzen monotone Teilfolgen, die notwendiger-weise monoton steigend bzw. monoton fallend gegen x konvergieren.

s a > 0, x ∈ R, xn, x′n ∈ Q so dass

xn → x, x′n → x.

Dann sind (axn) und (ax′n) Cauchy-Folgen und ihre Grenzwerte stimmenuberein:

lim axn = lim ax′n .

Zusatz: lim axn > 0.

Beweis : Œ a > 1. Dann existiert ein M ∈ N so dass |xn|, |x′n| ≤M fur allen, insbesondere ∣∣∣axn − ax′m

∣∣∣ ≤ aM(a|xn−x′m| − 1

), n ∈ N

Zu ε > 0 gibt es ein p ∈ N+ so dass |a1p − 1| = p

√a− 1 < ε

aM .Da xn → x, x′m → x gibt es ein N ∈ N so dass |xn − x′m| < 1

p fur allen,m ≥ N , d.h. |axn−ax′m | < ε, n, m ≥ N . Fur xm = x′m folgt, dass sowohl(axn) als auch (ax′m) CF sind. y := lim axn , y′ := lim ax′m existiert.

|y − y′| ≤ |y − axn |+ |axn − ax′m |+ |ax′m − y| < 3 · ε

fur n,m ≥ N∗ ≥ N geeignet, d.h. y = y′.

Zusatz: x ≥ 0. xn ≥ x, xn → x, xn ∈ Q ⇒ axn ≥ 1, also auch lim axn ≥ 1.x < 0. yn ≤ x, yn → x, yn ∈ Q ⇒ a−yn ≥ 1, also lim a−yn ≥ 1 d.h.lim ayn = 1

lim a−yn > 0. �

Definition 1.0.21 : a > 0, x ∈ R.

ax := lim axn , xn → x, xn ∈ Q.

s Die Abbildung R → R+, x 7→ ax hat folgende Eigenschaften:

(1) ax+y = ax · ay

(2) ax·y = (ax)y

(3) ax < ay falls x < y, 1 < aax > ay falls x < y, 1 > a.

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 54

a<1 a>1

1

Beweis :(1)-(2) Stabilitat des Limes.a > 1 : y = x+ h, h > 0. Wahle m ∈ N+, hn ∈ Q so dass1m ≤ hn < h, hn → h. Dann ist 1 < m

√a ≤ ahn , also lim ahn = ah > 1 und

damit ay = ax · ah > ax. �

Folgerung:

(1) log(ex) = x, elog y = y

(2) ax = ex log a

(3) (R+, ·)log→ (R,+) Isomorphismus abelscher Gruppen.

Beweis : xn ≤ x ≤ x′n, xn, x′n ∈ Q, xn, x

′n → x. Dann ist fur a > 1

axn ≤ ax ≤ ax′n

und damitxn log a ≤ log ax ≤ x′n log a,

d.h. x · log a = log ax. Fur a = e folgt x = log ex. Da log injektiv, folgt auslog elog y = log y, y = elog y. �

Theorem 1.0.22 Es gibt genau eine Abbildung λ : R+ → R mit

L1 λ(x · y) = λ(x) + λ(y)

L2 λ(x) < λ(y) fur x < y

L3 λ(e) = 1

namlich λ = log .

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 55

[HS] ψ : R → R so dass

(1) ψ(x+ y) = ψ(x) + ψ(y)

(2) ψ(x) ≤ ψ(y) fur x ≤ y

Dann ist ψ(x) = ψ(1) · x, ψ(1) ≥ 0.

Beweis des Hilfssatzes: Nach (1) ist ψ(2) = ψ(1) + ψ(1). Mit (2) folgt0 ≤ ψ(2)− ψ(1) = ψ(1) =: A und ψ(2) = 2 ·A.Mit Induktion folgt ψ(n) = n ·A fur alle n ∈ N+.

ψ(0) = ψ(0 + 0)(1)= ψ(0) + ψ(0)

⇒ ψ(0) = 0⇒ 0 = ψ(0) = ψ(n+ (−n)) = ψ(n) + ψ(−n)⇒ ψ(−n) = −ψ(n) = −n ·A, n ∈ N+,

insgesamt ψ(q) = q ·A fur alle q ∈ Z.

p

q∈ Q ⇒ p = q · p

q=

q∑n=1

p

q

(1)⇒ ψ(p) =q∑

n=1

ψ

(p

q

)= q · ψ

(p

q

)⇒ ψ

(p

q

)=ψ(p)q

=p ·Aq

,

d.h. ψ(x) = x ·A, x ∈ Q.xn, x

′n ∈ Q, x ∈ R s.d. xn ↗ x, x′n ↘ x

A · xn = ψ(xn) ≤ ψ(x) ≤ ψ(x′n) = A · x′n, also ψ(x) = lim A · xn = ψ(1) · x.�

Beweis des Theorems:

(1) x 7→ ψ(x) := λ(ex) genugt dem [HS] mit ψ(1) = 1, d.h. λ(ex) = x,insbesondere

λ(eλ(x)

)= λ(x),

d.h. eλ(x) = x, da λ injektiv. Beachte: ex > 0 fur alle x und daher ist λ(ex)definiert.(2) Sowohl λ als auch log sind Umkehrabbildungen zu x 7→ ex, also λ = log.

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 56

Definition 1.0.23 : (an), (sn) reelle Folgen

(1) ((an), (sn)) unendliche Reihe mit n-tem Reihenglied an und n-ter Par-

tialsumme sn :⇔ sn = a0 + . . .+ an =n∑

k=0

ak fur alle n.

(2) ((an), (sn)) konvergiert: ⇔ (sn) konvergiert.

Ublicherweise wird sowohl die Reihe ((an), (sn)) als auch deren moglicher 3/12/99Grenzwert mit ∑

k≥0

ak

bezeichnet, da die Folge der Partialsummen (sn) die Reihe festlegt:an = sn − sn−1.

EX:

[1] |x| < 1Die geometrische Reihe ∑

n≥0

xn

hat den Grenzwert ∑n≥0

xn =1

1− x.

[2] Die harmonische Reihe ∑n≥1

1n

divergiert:

s2k = 1 +12

+(

13

+14

)+ . . .+

(1

2k−1 + 1+ . . .+

12k

)≥ 1 +

12

+ 214

+ . . .+ 2k−1 · 12k≥ 1 +

k

2.

[3] Die Reihe ∑n≥1

1n(n+ 1)

konvergiert gegen 1 (”Teleskopsumme“):

sn =n∑

k=1

1k(k + 1)

=n∑

k=1

(1k− 1k + 1

)= 1− 1

n+ 1

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 57

[4] Die Zeta-Funktion

ζ(s) :=∑n≥1

1ns

konvergiert fur s > 1 und divergiert fur s ≤ 1.

2n − 1 = (1 + 1)n − 1 ≥ 1 + n− 1 ≥ n

also

ζn(s) ≤ ζ2n−1(s) = 1 +(

12s

+13s

)+ . . .+

(1

2(n−1)s+ . . .+

1(2n − 1)s

)≤∑k≥0

2(1−s)k =1

1− 2(1−s)

Bemerkung:

(1) k ∈ N+, ζ(2k) = π2k · rk, rk ∈ Q, z.B.ζ(2) = π2

6 .

(2) ζ(3) 6∈ Q ; ob ζ(5) rational oder irrational ist, ist unbekannt.

(3) Die ζ-Funktion ist wesentlich beim Beweis des Primzahlsatzes:

#{p ∈ N | p prim} ≈ x

log x.

Satz 1.0.24

aq

(i)∑k≥0

ak konvergent

(ii) Zu jedem ε > 0 gibt es ein N ∈ N so dass∣∣∣∣ m∑k=n

ak

∣∣∣∣ < ε fur alle

n, m ≥ N, m ≥ n.

Folgerung 1.0.25 ∑k≥0

ak konvergent ⇒(an) Nullfolge.

Ist (an) eine Nullfolge, so braucht∑

n≥0 an nicht notwendig zu konvergieren.

Satz 1.0.26 (Leibniz6)

an ↘ 0, an ≥ 0 ⇒∑n≥0

(−1)nan konvergiert.

6Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), deutscher Universalgelehrter

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 58

Beweis : Sei sn =n∑

k=0

(−1)kak. Aus ak ≥ ak+1 fur alle k folgt

s2n+2 − s2n = (−1)2n+1a2n+1 + (−1)2n+2a2n+2 = −a2n+1 + a2n+2 ≤ 0,

also (s2n) ↘, analog s2n+3 − s2n+1 = a2n+2 − a2n+3 ≥ 0, also (s2n+1) ↗außerdem s2n+1 = s2n − a2n+1 ≤ s2n, also fur alle n gilt

s1 ≤ s3 ≤ . . . ≤ s2n+1 . . . ≤ s2n ≤ s2n−2 ≤ . . . ≤ s2 ≤ s0.

Da (s2n+1) monoton wachsend und nach oben beschrankt (z.B. durch s0)und (s2n) monoton fallend und nach unten beschrankt (durch s1), existierens = lim s2n+1 und s′ = lim s2n. Andererseits folgt mit STABs = lim s2n+1 = lim s2n − lim a2n+1 = s′ − 0 = s. Insgesamt folgt s = lim sn.

EX: ∑n≥1

(−1)n 1n

konvergiert.

Definition 1.0.27∑n≥0

an konvergiert absolut :⇔∑n≥0

|an| konvergiert.

Lemma 1.0.28∑n≥0

an konvergiert absoluti.a:⇒∑n≥0

an konvergiert.

Kriterium 1.0.29

aq

(i)∑n≥0

an konvergiert absolut

(ii) Es existiert ein c ≥ 0 so dass∑

n∈E

|an| ≤ c fur jede nicht-leere endliche

Menge E ⊂ N.

Beweis :

An :=n∑

k=0

|ak|, An ↗ .

Daher konvergiert (An) genau dann, wenn es ein c ≥ 0 gibt mit An ≤ c. �

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 59

Folgerung 1.0.30 (Allgem. Kommutativgesetz)∑n≥0

an absolut konvergent, π ∈ Aut(N). Dann konvergiert auch die ”umge-

ordnete“ Reihe ∑n≥0

aπ(n)

absolut und die Grenzwerte∑n≥0

an und∑n≥0

aπ(n)

stimmen uberein.

Beweis : Ist ∅ 6= E ⊂ N endlich, so ist∑n∈E

|aπ(n)| =∑

m∈π(E)

|am| ≤ c.

s := limn∑

k=0

ak, s′ := lim

n∑k=0

aπ(k), ε > 0.

Dann gibt es ein N ∈ N so dass fur alle n ≥ N∣∣∣∣∣s−n∑

k=0

aπ(k)

∣∣∣∣∣ < ε

3∣∣∣∣∣s′ −n∑

k=0

aπ(k)

∣∣∣∣∣ < ε

3∑k≥n

|ak| <ε

3

Da π ∈ Aut(N) gibt es ein M ≥ N so dass {0, 1, . . . N} ⊂ {π(0), . . . , π(M)}.Daher ist

|s− s′| ≤

∣∣∣∣∣s−N∑

k=0

ak

∣∣∣∣∣+∣∣∣∣∣

N∑k=0

ak −M∑

k=0

aπ(k)

∣∣∣∣∣+∣∣∣∣∣

M∑k=0

aπ(k) − s′∣∣∣∣∣

3+

∑π(k)>N

|aπ(k)|+ε

3

< ε

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 60

Bemerkung 1.0.31 (ohne Beweis)Konvergiert ∑

n≥0

an

bedingt, d.h. konvergiert aber konvergiert nicht absolut, so gibt es zu jederreellen Zahl A ∈ R ein π ∈ Aut(N) so dass

A =∑n≥0

aπ(n).

Bemerkung 1.0.32 (Konvergenzkriterien)

(1) Majorantenkriterium 7/12/99∑n≥0

cn konvergent, cn ≥ 0 fur fast alle n, |an| ≤ cn fur fast alle n.

Dann konvergiert∑n≥0

an absolut.

(2) Quotientenkriterium0 ≤ 4 < 1, (an) so dass

(i) an 6= 0 fur fast alle n

(ii)∣∣∣an+1

an

∣∣∣ ≤ 4 fur fast alle n.

Dann konvergiert∑n≥0

an absolut.

(3) Wurzelkriterium0 ≤ 4 < 1, (an) so dass n

√|an| ≤ 4 fur fast alle n.

Dann konvergiert∑n≥0

an absolut.

EX

[1] ∑n≥1

log(√n+ 1)n2

konvergiert (absolut), da

∣∣∣∣ log(√n+ 1)n2

∣∣∣∣ ≤ √n

n2=

1

n32

und ξ(

32

)konvergiert.

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KAPITEL 1. KONVERGENTE FOLGEN 61

[2] ∑k≥0

k2

2kkonvergiert (absolut) nach QK;

∣∣∣∣ak+1

ak

∣∣∣∣ = 12

(1 +

1k

)2

≤ 12

(1 +

13

)2

=89

=: 4 < 1 fur k ≥ 3.

[3] ∑n≥1

(n

n+ 1

)n2

konvergiert (absolut) nach WK;

n√|an| =

(n

1 + n

)n

≤ 12

nach Bernoulli.

Warnung:

[1] Weder aus∣∣∣an+1

an

∣∣∣ < 1 fur alle n noch aus n√|an| < 1 fur alle n folgt die

Konvergenz von∑n≥0

an : ∑n≥1

1n

divergiert.

[2] Aus der Konvergenz von∑n≥0

|an|, an 6= 0, folgt weder die Existenz eines

0 ≤ 4 < 1 so dass∣∣∣an+1

an

∣∣∣ ≤ 4 fur fast alle n noch die Existenz eines

0 ≤ 4 < 1 so das√|an| ≤ 4 fur fast alle n:∑ 1

n2konvergiert, aber

sup∣∣∣∣an+1

an

∣∣∣∣ = sup(

n

n+ 1

)2

= 1, sup n√|an| = sup

1

( n√n)2

= 1.

[3] Aus∣∣∣an+1

an

∣∣∣ ≥ 1 fur fast alle n folgt stets Divergenz, ebeso aus n√|an| ≥ 1

fur fast alle n, denn dann kann (an) keine Nullfolge sein.