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Kolumbien – so grausam schön Kolumbien-Rundbrief 4/2011 Brot für die Welt – Ökumenisches Lernen und Handeln – Kolumbien Stafflenbergstr. 76, 70184 Stuttgart, email: [email protected] Internet: www.brot-fuer-die-welt.de/kolumbien Juli 2011 Liebe Kolumbienfreundinnen und -freunde! Am 9. Juli wurde die Anwältin Judith Maldonado mit dem Shalom-Preis der Universität Eichstätt- Ingolstadt geehrt. In ihrer Rede sprach die Anwältin über ihre Motivation, sich trotz aller Bedrohungen für die bedrohten Gemeinschaften einzusetzen. Am 13. Juli wird Bundesaußenminister Guido Westerwelle auf seiner Lateinamerika-Reise auch Kolumbien besuchen. Deutsche Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke fordern ihn auf, die Ermordung von Bauernvertretern bei seinem Staatsbesuch zu thematisieren und sich mit Menschenrechtsorganisationen zu treffen. Wir dokumentieren die Presse-Erklärung von „Brot für die Welt“ und anderen Hilfswerken. Am 10. Juni unterzeichnete Präsident Santos das Opfergesetz, das Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer des bewaffneten Konflikts bringen soll. Doch das Gesetz hat neben einigen Stärken auch zahlreiche Schwächen; seine Umsetzung wird zudem äußerst schwierig werden. Wie dramatisch der Konflikt in Kolumbien in einigen Regionen weiterhin tobt, beschreibt Tommy Ramm in seinem Bericht über ein Massaker an Jugendlichen im Norden der Provinz Cauca. Er ist Mitarbeiter der Diakonie Katastrophenhilfe (DKH), der Schwester-Organisation von „Brot für die Welt“. Zu der permanenten Gewalt des Konflikts kommen für die Menschen noch die seit Monaten anhaltenden Regenfälle, die Erdrutsche und Überschwemmungen verursachen. Die DKH unterstützt die Bevölkerung sowohl bei Schutzmaßnahmen im bewaffneten Konflikt wie bei der Sicherung ihrer Ernährung. Neben weiteren Informationen und Nachrichten haben wir für Sie wieder Materialien, Tipps und Termine zusammengestellt. Insbesondere wollen wir Sie auf mehrere hervorragende Radio- und TV-Beiträge zum Kohleabbau in Kolumbien hinweisen. Mit freundlichen Grüßen Jochen Schüller Adrian Oelschlegel Thomas Sandner Beauftragter für Öffentlich- Regionalverantwortlicher Abteilung Öffentlichkeitsarbeit keitsarbeit zu Kolumbien Kolumbien / „Brot für die Welt“ Brot für die Welt“

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Kolumbien – so grausam schön

Kolumbien-Rundbrief 4/2011

Brot für die Welt – Ökumenisches Lernen und Handeln – Kolumbien Stafflenbergstr. 76, 70184 Stuttgart, email: [email protected] Internet: www.brot-fuer-die-welt.de/kolumbien

Juli 2011

Liebe Kolumbienfreundinnen und -freunde!

Am 9. Juli wurde die Anwältin Judith Maldonado mit dem Shalom-Preis der Universität Eichstätt-Ingolstadt geehrt. In ihrer Rede sprach die Anwältin über ihre Motivation, sich trotz aller Bedrohungen für die bedrohten Gemeinschaften einzusetzen.

Am 13. Juli wird Bundesaußenminister Guido Westerwelle auf seiner Lateinamerika-Reise auch Kolumbien besuchen. Deutsche Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke fordern ihn auf, die Ermordung von Bauernvertretern bei seinem Staatsbesuch zu thematisieren und sich mit Menschenrechtsorganisationen zu treffen. Wir dokumentieren die Presse-Erklärung von „Brot für die Welt“ und anderen Hilfswerken.

Am 10. Juni unterzeichnete Präsident Santos das Opfergesetz, das Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer des bewaffneten Konflikts bringen soll. Doch das Gesetz hat neben einigen Stärken auch zahlreiche Schwächen; seine Umsetzung wird zudem äußerst schwierig werden.

Wie dramatisch der Konflikt in Kolumbien in einigen Regionen weiterhin tobt, beschreibt Tommy Ramm in seinem Bericht über ein Massaker an Jugendlichen im Norden der Provinz Cauca. Er ist Mitarbeiter der Diakonie Katastrophenhilfe (DKH), der Schwester-Organisation von „Brot für die Welt“. Zu der permanenten Gewalt des Konflikts kommen für die Menschen noch die seit Monaten anhaltenden Regenfälle, die Erdrutsche und Überschwemmungen verursachen. Die DKH unterstützt die Bevölkerung sowohl bei Schutzmaßnahmen im bewaffneten Konflikt wie bei der Sicherung ihrer Ernährung.

Neben weiteren Informationen und Nachrichten haben wir für Sie wieder Materialien, Tipps und Termine zusammengestellt. Insbesondere wollen wir Sie auf mehrere hervorragende Radio- und TV-Beiträge zum Kohleabbau in Kolumbien hinweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Schüller Adrian Oelschlegel Thomas Sandner Beauftragter für Öffentlich- Regionalverantwortlicher Abteilung Öffentlichkeitsarbeit keitsarbeit zu Kolumbien Kolumbien / „Brot für die Welt“ Brot für die Welt“

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„Das Gefühl des Schmerzes mit denen, die in Kolumbien leiden“

„Seit meiner Kindheit trage ich dieses Mitgefühl des Schmerzes in mir mit denen, die in Kolumbien unter dem Regime der politischen und ökonomischen Ausgrenzung und der Unterdrückung leiden.“ So beschreibt Judith Maldonado ihre Motivation für ihr mutiges Eintreten für die Rechte der kleinbäuerlichen und indigenen Gemeinschaften im Nordosten Kolumbiens in ihrer Rede zu SHALOM-Preisverleihung in Eichstätt. Sie empfinde „eine große Empörung hinsichtlich der Gewalt, die sich gegen die Gemeinschaften richtet und der Straflosigkeit all der Verbrechen.“

Judith Maldonado ist 34 Jahre alt und mittlerweile eine recht prominente Anwältin in ihrem Land. Für ihr couragiertes Engagement für die Menschenrechte wurde ihr am 9.7. der SHALOM-Preis 2011 der Universität Eichstätt-Ingolstadt verliehen.

Damit ist der AK-Shalom dem Vorschlag von „Brot für die Welt“ gefolgt und hat die junge Anwältin zur Trägerin dieses hoch-dotierten Preises gewählt. Die Übergabe des Preises wurde im Spiegelsaal der Residenz in Eichstatt gefeiert. Die Laudatio hielt der Regionalverantwortliche für Kolumbien von „Brot für die Welt“ Adrian Oelschlegel. „Das Anwaltskollektiv wurde vor zehn Jahren gegründet, welch schöne Würdigung ihrer Arbeit durch diesen renommierten und anerkannten Menschenrechtspreis!

Auch wenn vor allem im europäischen Ausland oftmals der Eindruck vermittelt wird, dass sich die Lage in dem Land in den letzten Jahren deutlich verbessert habe, sieht die Realität anders aus“, konstatierte Adrian Oelschlegel und führte die lange Liste der Menschenrechtsverletzungen auf, die

weiterhin grausamer Alltag in Kolumbien sind.

„Eine solche Auszeichnung ist meines Erachtens für uns eine Art Selbstverpflichtung, es nicht bei einer feierlichen Preisvergabe zu belassen, sondern den Einsatz und die Aktiv itäten der Ausgezeichneten zu begleiten und aktiv zu unterstützen.“

Der „Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden“ der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ehrt mit der Auszeichnung die Arbeit des Anwaltskollektivs, das sich für die Rechte von Kleinbauern, indigenen Völkern und Opfer von Vertreibungen in Kolumbien einsetzt.

Am Vorabend der Preisverleihung fand eine Informationsveranstaltung mit Judith Maldonado im Rathaus von Eichstätt statt. Zum öffentlichen Teil der Feierlichkeiten gehörten auch eine Andacht am Samstag und der sonntägliche Gottesdienst.

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Insgesamt ist Judith Maldonado gut zwei Wochen in Deutschland unterwegs. Zu Beginn ihrer Reise nahm sie auch an der „Partner Consultation on Land Conflicts“ der beiden evangelischen Hilfswerke – Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) und „Brot für die Welt“ (BfdW) – in Berlin teil. Dort trafen sich Partner-Organisationen aus aller Welt, um sich über Landkonflikte in ihren Ländern auszutauschen und mit „Brot für die Welt“ und dem EED gemeinsame Strategien dagegen zu entwickeln.

Die Rundreise von Judith Maldonado wurde von „Brot für die Welt“ organisiert. In Berlin hatte sie in Begleitung von der Kolumbien-Fachstelle „Kolko – Menschenrechte für Kolumbien“ mehrere Lobby-Termine, u.a. mit Tom Königs und Frank Schwabe. Nach der Preisverleihung in Eichstätt und Veranstaltungen in Augsburg und Köln wird Judith noch in Belgien und Spanien über die Situation im Nordosten Kolumbiens berichten.

Die Laudatio von Adrian Oelschlegel und die Preisrede von Judith Maldonado finden Sie unter: www.brot-fuer-die-welt.de/kolumbien

Weitere Informationen des AK Shalom für Gerechtigkeit und Frieden an der KU Eichstätt-Ingolstadt: http://akshalom.landlos.de/index.php?page=preisverleihung-2011&hl=de

Bericht auf Radio K1: http://www.bistum-eichstaett.de/radio-k1/podcast/alle-beitraege-anhoeren/detail/news/fuer-mehr-menschenrechte-in-kolumbien-der-shalom-preis-2011/ Posts bei Facebook: http://www.facebook.com/brotfuerdiewelt/posts/240539872640227

Fotos der Preisverleihung auf Facebook: http://de-de.facebook.com/media/set/?set=a.10150251496879512.341129.338419994511

Gemeinsame Pressemitteilung von: „Brot für die Welt“, Caritas International, Peace Brigades International, Pax Christi und „kolko – Menschenrechte für Kolumbien“

Kolumbien: Bedrohte Menschenrechtler brauchen Schutz

Hilfswerke fordern Außenminister Westerwelle auf, die Ermordung von Bauernvertretern zum Thema beim Staatsbesuch zu machen

Berlin, 12. Juli 2011 –Deutsche Nichtregierungsorganisationen fordern, dass sich Außenminister Guido Westerwelle bei seinem Staatsbesuch in Kolumbien persönlich bei seinen kolumbianischen Gesprächspartnern für die Sicherheit der Mitglieder von Menschenrechts- und Bauernorganisationen einsetzt. Der Außenminister wird am 13. Juli in Kolumbien eintreffen, er wird begleitet vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning.

In Kolumbien werden immer wieder Bauernvertreter/innen und Menschenrechtsaktivist/innen bedroht und ermordet. Die Rückgabe von Land ist eines der herausragenden Projekte der Regierung Santos. Dennoch: "Diejenigen, die sich für Landrückgabe einsetzen, werden ermordet", erklärt Alexandra Huck von kolko e.V. "Die Pläne der Regierung sind reine Makulatur, wenn die Vertriebenen sich nicht für die Landrückgabe einsetzen können", so Huck weiter. Am 30. Juni wurde der Vertriebenenvertreter Antonio Mendoza im Departement Sucre ermordet, am 07. Juni Ana Fabricia Córdoba mitten in Medellin erschossen. Von Juli 2010 bis April 2011 wurden in

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Kolumbien fünfzehn Vertriebenenvertreter/innen ermordet, die das Recht auf Rückkehr auf ihr Land einforderten.

"Es gibt eine Vielzahl von Drohungen gegen Menschenrechtsaktivist/innen aus unseren Partnerorganisationen, andere werden durch Strafprozesse bei ihrer Arbeit behindert", erklärt Adrian Oelschlegel von “Brot für die Welt“ und fährt fort: "In ihren Äußerungen hat die Regierung Santos eine positive Haltung zu Menschenrechtsfragen gezeigt, doch nun müssen den Worten auch Taten folgen."

"Die Regierung hat keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, damit wir unsere Arbeit an der Seite der verletzlichsten Gruppen der kolumbianischen Gesellschaft leisten können. Wir haben deshalb den Dialog zwischen Menschenrechtsorganisationen und Regierung über Sicherheitsgarantien suspendiert", erklärt Judith Maldonado.

Die kolumbianische Anwältin Judith Maldonado von der Menschenrechtsorganisation „Colectivo de Abogados Luis Carlos Pérez“ hat am 09.07.2011 für ihre Arbeit den Shalompreis der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erhalten. Am 13. Juni haben die Dachverbände kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen den Dialog mit der Regierung über Sicherheitsgarantien für ihre Arbeit ausgesetzt. In den vier Dachverbänden sind hunderte kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen zusammen geschlossen.

„Ein persönliches Gespräch von Außenminister Westerwelle mit den kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen wäre in dieser Situation sehr wichtig“, so Adrian Oelschlegel.

Kontakt: Adrian Oelschlegel, „Brot für die Welt“: 0176 69185150, kolko – Menschenrechte für Kolumbien, 0172 1660346, [email protected]. Weitere Informationen: www.kolko.de

„Die Gruppen sind sehr engagiert – das hat mir sehr gut gefallen!“

Besonders die vielen kleinen und großen Gruppen von Menschen, die sich für Kolumbien interessieren und engagieren, haben Mauricio Meza bei seiner Rundreise nachhaltig beeindruckt. Aber auch er hat bleibende Spuren hinterlassen: „In unserem Weltladenkreis wird noch oft von dem Vortrag gesprochen. Er machte die Zuhörer betroffen und ließ sie nachdenklich zurück“, erklärt Veronika Rein aus Lippstadt. „Mauricio Meza appellierte eindringlich an die Zuhörer, sich mit Petitionen an die kolumbianische Regierung und an die deutsche Regierung gegen willkürliche Enteignungen und für die Einhaltung der Menschenrechte zu wenden.“

Neben den vielen Veranstaltungen hatte Mauricio Gelegenheit an zahlreichen Lobby-Gesprächen in Brüssel und Berlin teilzunehmen. Auch in den Städten, in denen er zu Veranstaltungen eingeladen war, nahm er Möglichkeiten zu Gesprächen mit Vertretern der lokalen und regionalen Politik wahr. Auf dem Foto überreicht er dem Kieler Bürgermeister Albig ein Freundschaftsbändchen und Informationsmaterial von „Brot für die Welt“. (Foto: Chrstel Kohnert)

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Bei den Veranstaltungen betont Mauricio Meza immer wieder die Gewaltsituation in Kolumbien, unter der nach seiner Einschätzung eine nachhaltige Produktion von Palmöl gar nicht vorstellbar ist. Er berichtet von den Kleinbauern, die ihr Land verloren haben oder in die Kreditfalle der „Strategischen Allianzen“ getappt sind. Als sie die Kredite, die die Palmölunternehmer vermittelt haben, nicht zurückzahlen konnten, haben sie alles verloren. Doch öffentlich wollen sie nicht darüber sprechen – aus Angst vor den Unternehmern und den Paramilitärs, die weiterhin die Kontrolle in der Region ausüben - ein typischer Fall in Kolumbien. Daher ist Mauricio Meza auch dezidiert gegen den Versuch, mit Zertif iz ierung einzelne Verbesserungen zu erreichen. Nach seiner Erfahrung klappt das einfach nicht in Kolumbien – alles werde gekauft oder mit Gewalt erpresst.

Im zweiten Teil seiner Rundreise machte Mauricio – begleitet von der ZDF-Fachkraft Bertram Doll – den Bergbau zum zentralen Thema der Veranstaltungen. Einige Berichte finden Sie in der Tagespresse.

Berichte von der Rundreise von Mauricio Meza - „Umstrittene Steinkohle für Karlsruhe - Diskussion im IBZ“ http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/Umstrittene-Steinkohle-fuer-Karlsruhe-Diskussion-im-IBZ;art6066,647107 - „Wo Blut dran klebt - Kolumbiens Kohle für Karlsruhe“ http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/Wo-Blut-dran-klebt-Kolumbiens-Kohle-fuer-Karlsruhe;art6066,647455

Mauric io Meza mit der Kolumbiengruppe der ESG Köln (Foto: S. Rötters)

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Tragödie eines endlosen Konflikts

Die Diakonie Katastrophenhilfe leistet seit sechs Jahren Hilfe im Nord-Cauca, wo der bewaffnete Konflikt unvermindert ausgetragen wird. Schwere Regenfälle verschärfen nun die Situation der Zivilbevölkerung.

„Ich glaube, ich bin nur noch wegen meinen zwei Kindern hier”, sagt Luz Amparo mit leiser, gebrochener Stimme. Zwischen ihren Sätzen schaut sie verloren in die Ferne. Sie kämpft mit den Tränen. Die junge Mutter sitzt vor ihrem kleinen Zelt, das in einer Lagerhalle steht und sonst für Agrarprodukte ihres Weilers benutzt wird. Neben weiteren vier Familien ist sie seit einem Monat hier zuhause. Zuerst wurde ihr Mann Ende März bei einem Bombardement der kolumbianischen Polizei getötet, dann zerstörte im April eine Gerölllawine ihr Haus und das gesamte Hab und Gut. Ein paar Kinderschuhe stehen neben dem Zelt, gebrauchte Wäsche, die sie von Nachbarn bekommen hat, stapelt sich in einer Ecke. Mehr blieb ihr nicht.

Von Konflikt und Naturgewalten gleichermaßen betroffen

In kaum einer anderen kolumbianischen Provinz wird der seit Jahrzehnten anhaltende bewaffnete Konflikt mit solcher Vehemenz ausgetragen wie im Cauca. Wo vor allem indigene Gemeinden unter eigenen Bräuchen und Gesetzen in den Bergen leben, hat die marxistische FARC-Guerilla ein ideales Rückzugs- und Operationsgebiet gefunden. Hinzu kamen nun die ungewöhnlich starken Regenfälle der vergangenen Monate – ausgelöst durch das klimatische Phänomen La Niña – was zu verheerenden Zerstörungen in ganz Kolumbien geführt hat. Über drei Millionen Menschen waren im Mai 2011 von den Naturgewalten betroffen. Besonders stark trifft es die Gemeinden, die bereits inmitten des Konflikts ausharren müssen. Das Schicksal von Luz Amparo steht für viele tausend Menschen in Kolumbien.

Der Bezirk Toribío im Nord-Cauca ist Synonym für diesen endlosen Krieg. Fast jeden dritten Tag kommt es dort zu Scharmützeln zwischen Rebellen und Sicherheitskräften, nicht selten innerhalb der Dörfer mit entsprechenden Folgen innerhalb der Zivilbevölkerung. Die persönlichen Tragödien

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in der Bergregion dringen selten nach außen, zu lange leben die Menschen Seite an Seite mit dem Konflikt, der zum Alltag geworden ist. „Er war doch ein fürsorglicher Vater und war nicht bewaffnet? Warum musste er sterben?” fragt Luz Amparo in die Leere.

Bombenangriff tötet mindestens 16 Bewohner

Am 26. März starben während des Bombardements mindestens weitere 15 Menschen aus der Region, vier von ihnen Minderjährige. Indigene Vertreter des Reservats Tacueyó, wo sich die Ereignisse zugetragen haben und welches zu Toribío gehört, beklagen, dass es sich um eine Falle gehandelt habe. „Sieht so ein Guerilla-Lager aus? Das ist gelogen!”, beklagt sich der Anführer des Reservats, Creciencio Peteche. Öffentliche Meldungen sprachen von einem schweren Schlag gegen die Guerilla-Strukturen in der Region, in dem Camp wurde demnach eine Spezialeinheit ausgebildet.

Noch einen Monat später finden sich in dem vermeintlichen Lager Knochenreste, verbogene Löffel und zerstörte Bäume. Behutsam beerdigen einige Anwohner die Überreste an einem Kreuz, das inmitten der Senke steht. „Unsere Freunde und Angehörigen wurden einen Tag vor der Operation hierher gebracht, um ein Wochenende zu verbringen und sich ein Gespräch über Politik anzuhören”, erklärt Peteche.

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Ein lokaler FARC-Kommandant habe die Jugendlichen dazu überredet, die darin nichts Verwerfliches fanden. Obwohl Angehörige diese gewarnt hatten, sich nicht zu involv ieren, gingen einige mit. Was für die Jugendlichen ein Wochenendausflug werden sollte, endete in einem Massaker: Der FARC-Kommandant nutzte die Gruppe, um nachts zur Polizei überzulaufen und die Koordinaten weiterzugeben. Bomben und Maschinengewehrfeuer beendeten wenige Stunden später das Leben der Jugendlichen, die sich hinters Licht haben führen lassen. Sie wurden Opfer von den kontinuierlichen Rekrutierungen der FARC, die nicht vor Minderjährigen halt machen, und dem Druck der Polizei, Erfolge im Kampf vorzuweisen. Wie weit die Aktion schon vorher geplant war, weiß niemand. Für die Anwohner ist jedoch klar, dass es sich um eine vorbereitete Aktion handelte. Todesursachen wurden gefälscht, Bilder von anderen Opfern veröffentlicht, Zeugen und Verletzte noch Wochen später ermordet. Zwei Ziv ilisten, welche den Verletzten helfen wollten, wurden ebenfalls tot aufgefunden.

William Paredes, der seit Jahren für Diakonie Katastrophenhilfe in der Region Toribío arbeitet, weiß um die permanenten Gefahren. „Überraschend ist hier, wenn es über längere Zeit nicht zu Scharmützeln oder Gefechten kommt”, erzählt der DKH-Mitarbeiter. Man gewöhne sich, wie die Zivilbevölkerung, an die Konfliktsituation, darf aber dennoch nicht die routinemäßigen Schutzmechanismen vergessen. Um arbeiten zu können, stützt sich Paredes auf die Hilfe der indigenen Bevölkerung: Begleitet wird er regelmäßig von der guardia indígena, der indigenen Wache, welche über Funk die Situation analysiert und hinten bei ihm im Auto sitzt. Nur mit ihnen kann er in die Regionen gelangen, um die Projekte der Diakonie durchführen zu können.

Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt Schutz der Bevölkerung

In den vergangenen Jahren hat die Diakonie Katastrophenhilfe vor allem einen Schwerpunkt auf den Schutz der Zivilbevölkerung gegenüber Gefechten, Landminen und nichtexplodierter Munition gelegt. Gemeinsam mit dem lokalen Partner Tierra de Paz wurden über 40 Schulen in der Region im Umgang mit Minen und Munition geschult, Schulgelände umzäunt und als humanitäre Zone markiert. Der Konflikt lässt sich nicht verhindern, aber zumindest die Risiken lassen sich mindern.

Im Gegensatz zu anderen Regionen Kolumbiens fliehen die betroffenen Gemeinden im Cauca nicht in weit entfernte Gebiete, sondern harren in so genannten sitios de asambleas permanentes aus: Gelände mit minimaler Infrastruktur, wo zahlreiche indigene Familien auf ein Ende eines Gefechts warten, um später wieder in ihre Häuser zurückkehren zu können. Dutzende weiße Fahnen wehen über diesen, um den bewaffneten Gruppen den zivilen Raum zu signalisieren.

Schutzmechanismus: „Sitio de Asamblea Permanente“ = „Ort der dauerhaften Versammlung“

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Dennoch wird dies nicht immer beachtet. Schuldächer etwa weisen Einschusslöcher auf, Kinder und Lehrer werden regelmäßig Opfer der Schießereien.

Viele dieser markierten Zivilgelände wurden in den vergangenen Jahren von der Diakonie Katastrophenhilfe logistisch verbessert und infrastrukturell ausgestattet. Begleitet wurden diese Maßnahmen mit einem Risikomanagement in den jeweiligen Ortschaften. Mit Erfolg: Bewohner vom Reservat Tacueyó erklärten, dass dadurch weniger Häuser am Rande des Flusses gebaut wurden, welcher zur erhöhten Risikozone gilt und die sieben Häuser im April zerstört hatte. Ohne die Kenntnis der Risiken wäre die Zerstörung heute vermutlich höher und es wären noch mehr Todesopfer zu beklagen.

Kollektiver Anbau garantiert Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln

Um der Bevölkerung im entlegenen Gebiet von Tacueyó mehr Souveränität in der Versorgung mit Nahrungsmitteln zu geben, hat die Diakonie Katastrophenhilfe in den vergangenen Jahren die Nutzung kollektiver Agrarflächen gefördert. Auf wenigen Hektar Land werden seitdem gemeinschaftlich Grundnahrungsmittel angepflanzt, die der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen. Opfer wie Luz Amparo und ihre Kinder können heute auf diese zurückgreifen, um die erste Not ohne Hunger zu überstehen und ohne komplett auf externe Hilfe angewiesen zu sein. „Anfangs haben wir den Gemeinden noch Saatgut zur Verfügung gestellt, um die Flächen zu bewirtschaften”, sagt Paredes. „Aber mittlerweile lagern die Menschen eigenes Saatgut von diesen Feldern ein, um auch zukünftig aussäen zu können.”

Rekrutierung ist leichtes Spiel

Allerdings weiß auch Paredes, dass es in der Region sehr schwer ist, den Einfluss des Konflikts in allen seinen Formen auf die Bevölkerung und vor allem auf die Jugend einzudämmen oder zu verhindern. Zwar bemüht sich das Hilfswerk, Jugendgruppen, welche sich vor allem an den indigenen Traditionen orientieren, als Schutzmechanismen zu organisieren und zu stärken. Doch die Abgeschiedenheit der Region, die Präsenz von Rebellengruppen über Generationen und die Nichtachtung internationaler Abkommen durch die Konfliktparteien machen die Jugendgruppen zu leichten Opfern. Perspektivlosigkeit, innerfamiliäre Probleme und simple Neugier spielen den Rebellengruppen in die Arme. Am Ort des Massakers von Tacueyó fragt Paredes die Anwohner, warum es so einfach ist, die Jugendlichen zu involvieren: „In diesem Land ist es obligatorisch, den Umgang mit Waffen zu erlernen und diese zu tragen. Zwar können wir als Indigene uns vom Wehrdienst ausschließen lassen, aber wer verhindert, dass die anderen bewaffneten Gruppen unsere Jugendlichen rekrutieren? Manchmal reicht die Aussicht auf ein Handy, etwas Geld oder das Tragen einer Waffe aus, sich einer Gruppe anzuschließen.”

Ein Bericht von Tommy Ramm, DKH-Bogotá, 24. Mai 2011 – Fotos: DKH

Sechs Tote und über 80 Verletzte durch Autobombe der FARC-Rebellen

Bei einem Angriff auf die Polizeistation des Städtchens Toribío zündete die FARC-Guerilla am 9. Juli 2011 einen mit Sprengstoff beladenen Bus. Dadurch starben sechs Menschen, 80 Zivilisten und fünf Polizisten wurden verletzt. Im Umkreis von 400 Metern wurden die meisten Gebäude zerstört. Toribío ist das Zentrum eines Reservats der Nasa-Indigenen im Norden der Provinz Cauca,

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Zeitgleich fanden bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Guerilla und der Armee in den Orten Jámbalo, Corinto, Caldono, Mondomo und Siberia statt – ebenfalls Dörfer der Nasa-Indigenen. Auch dabei nahm die FARC keine Rücksicht auf die Ziv ilbevölkerung, Die regionale Organisation der Nasa-Inidigenen ACIN (Asociación de Cabildos Indígenas del Norte de Cauca) protestiert energisch gegen die Gräueltaten der FARC, die sich nicht nur gegen die Armee sondern ebenso gegen die Zivilbevölkerung richte.

„Brot für die Welt“ unterstützt die Nasa-Indigenen und ihre Organisation ACIN seit mehreren Jahren bei Projekten zur Ernährungssicherung und beim Anbau und der Vermarktung von Bio-Kaffee.

Präsident Santos reagierte auf die Kampfhandlung mit der Ankündigung, ein weiteres Bataillon der Armee zu stationieren und die Häuser der Indigenen zu zerstören, aus denen die Guerilla angeblich geschossen haben sollen.

Diese Eskalation der Gewalt durch den Präsidenten weist ACIN scharf zurück und ruft die Konfliktparteien - die FARC und den kolumbianischen Staat – zum Dialog auf, um den bewaffneten Konflikt beizulegen. Sollten diese beiden Akteure dazu nicht bereit sein, müsse eine Initiative der kolumbianischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft eine partizipative Friedensinitiative starten.

„Brot für die Welt“ verurteilt die Gewalt der FARC gegen die Ziv ilbevölkerung und fordert sie zur Einhaltung des Internationalen Humanitären Rechts auf.

Quellen: Plantepaz / ACIN

Das Opfergesetz – eine unvollständige Realität

So titelt eine Analyse des Anwaltskollektivs CAJAR und beschreibt damit gleich den größten Mangel dieses Gesetzes. Denn obwohl das Gesetz als wichtiger Schritt in Richtung der Anerkennung der Rechte der Opfer darstellt, wird vielen Opfern das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung weiterhin verwehrt bleiben. So wird der Zeitraum, ab dem eine Anerkennung und Entschädigung möglich ist, auf Verbrechen ab 1985 bzw. ab 1991 begrenzt. Finanzielle Entschädigung bekommt, wer nach dem 1. Januar 1985 in Zusammenhang mit dem bewaffneten internen Konflikt Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurde. Vertriebene können rückwirkend frühestens ab dem 1. Januar 1991 ihr Land einfordern.

Auch die Definition der Opfer schließt gleich mehrere Gruppen pauschal aus. Wer selbst Mitglied einer illegalen bewaffneten Gruppe war, kann prinzipiell keine Verletzungen der eigenen Menschenrechte einklagen. Auch zwangsrekrutierte Kinder und Jugendliche werden nicht entschädigt, wenn sie nicht vor Erreichung des 18. Geburtstags diese verlassen haben, kritisiert das UNO-Hochkommissariat. Außerdem müssen die Opfer nachweisen, dass ihre Menschenrechte im Kontext des bewaffneten Konflikts verletzt wurden. Was passiert also mit all jenen, die Opfer von Verbrechen der „bacrims“ (bandas criminales) geworden sind, wie die jetzige Regierung die neuen paramilitärischen Gruppen bezeichnet: „Kriminelle Banden“.

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Dennoch hat das Gesetz auch erstaunlich positive Züge, weil es neben der Anerkennung vieler Verbrechen und dem Recht auf Wiedergutmachung auch die Existenz des internen bewaffneten Konflikts bejaht. Das könnte in der politischen Auseinandersetzung in Kolumbien Türen für den Dialog mit den Guerilla-Bewegungen öffnen.

In der Landfrage ist besonders positiv zu bewerten, dass das Gesetz die Beweislast umdreht: Nicht das Opfer von Vertreibung muss den Nachweis erbringen, sondern der vermeintliche jetzige Besitzer von Land muss beweisen, dass er wirklich legitimer Eigentümer ist. Auch unter Druck und Zwang stattgefundene „Verkäufe“ werden mit dem Gesetz illegal. Damit sind auch Landkäufe illegal, die unter der Präsenz und der Drohung der Paramilitärs stattfanden oder die durch Korruption und Aktenfälschung einen legalen Anschein haben.

Doch alle positiven Initiativen dieses Gesetzes sind für die Opfer wertlos, wenn sie nicht umgesetzt werden. Das sind auch die größten Befürchtungen, dass nämlich nur ein Bruchteil der neuen Regelungen und Garantien umgesetzt werden. Zu wenig politischer Wille in den staatlichen Strukturen, zuviel Korruption und Mittäterschaft von Behörden und Amtsträgern zwingen zu großer Skepsis.

Schon bei der Erarbeitung des Gesetzes waren die Opfer und ihre Verbände außen vor. Nun müssen sie zumindest bei der Implementierung stark einbezogen werden, um die positiven Ansätze effektiv umzusetzen. Eine grundlegende Voraussetzung ist auch der Schutz und die Sicherheit der Opfer, die ihre Rechte einfordern. Die Täter und Nutznießer der Gewalt werden nicht freiwillig Land zurückgeben oder andere Priv ilegien abgeben. Was nützt einem Bauern die Rückgabe seines geraubten Landes, wenn er ein paar Tage später ermordet wird. Das aber ist momentan weiterhin die Realität in Kolumbien.

Das Gesetz hat also etliche Schwächen und Nachbesserungsbedarf. Insbesondere bei der Umsetzung sind größte Zweifel angebracht, ob es den Opfern wirklich zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verhelfen wird.

Weitere Hintergrund-Informationen: - „Das Opfergesetz – ein Beitrag zur Aussöhnung?“ Für die Arbeitsgruppe Schweiz –Kolumbien (ASK) hat Ann-Seline Fankhauser eine Analyse des Opfergesetztes geschrieben, die wir als Hintergrund-Information sehr empfehlen: : http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/analysen-und-berichte-der-ask/analyse-des-opfergesetzes/ - Zwei Hintergrund-Artikel von unserem Partner, dem Anwaltskollektiv CAJAR: “Ley de víctimas una realidad incompleta”: http://www.colectivodeabogados.org/Ley-de-victimas-una-realidad “La ley de víctimas invisibiliza las víctimas de desaparición forzada”: http://www.colectivodeabogados.org/La-ley-de-victimas-invisibiliza

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Carolina Rubio frei von Anklage

Die gegen die Menschenrechtsverteidigerin Caroliina Rubio erhobenen Vorwürfe wegen vermeintlicher „Rebellion“ sind von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen worden. Carolina ist die Vertreterin der Stiftung „Komitee zur Solidarität mit den politischen Gefangenen“ (FCSPP) im

Nordosten Kolumbiens. Sie war im vergangenen Herbst nach einer Europa-Reise verhaftet worden, obwohl sie schon im 6. Monat schwanger war. Internationale Proteste gegen die willkürliche Verhaftung der Menschenrechtlerin führten zu ihrer zügigen Entlassung aus dem Gefängnis. (Wir berichteten). Die Anklage wegen „Rebellion“ wurde jedoch aufrecht erhalten und Carolina stand unter Hausarrest. Nun sind die konstruierten Vorwürfe gegen sie fallen gelassen worden. Ein Hintergrund-Bericht von peace brigades international: http://www.pbi-colombia.org/fileadmin/user_files/projects/colombia/files/colomPBIa/110317boletin17_english.pdf

Kurz-Nachrichten aus Kolumbien

- Festival Internacional de Poesia de Medellín Vom 2.-9.7. fand in Medellín wieder das Festival der Poesie statt.

- Universitätsprofessor Miguel Ángel Beltrán freigesprochen Am 3. Juni beendete die zuständige Richterin Luisa Fernanda López in Bogotá den Prozess gegen den wg. vermeintlicher Mitgliedschaft in der FARC-Guerilla gegen den Universitätsprofessor Miguel Ángel Beltrán. Dabei bezog sich die Richterin auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs, der die

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beim Angriff auf ein FARC-Lager in Ecuador am 1. März 2008 gefundenen Computer als Beweismittel ausgeschlossen. Die vermeintlichen Computer des bei dem Überfall getöteten FARC-Sprecher Raúl Reyes seien manipuliert worden. Möglicherweise wird das auch Auswirkungen auf den Prozess gegen den schwedischen Staatsbürger kolumbianischer Herkunft Joaquín Pérez Becerra haben. Er leitete die alternative Nachrichtenagentur ANNCOL und war Ende April in Caracas verhaftet und umgehend an Kolumbien ausgeliefert worden. Quelle und Bericht: http://www.jungewelt.de/2011/06-06/058.php

- Paramilitärs in Abu Dhabi Der frühere Chef und Gründer des Söldner-Unternehmen Blackwater Erik Prince soll nach Berichten der New York Times in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine 800-Mann-starke Söldnertruppe für 529 Millionen Dollar aufgestellt haben. Diese soll neben Fremdenlegionären und anderen Söldnern vorwiegend aus kolumbianischen Paramilitärs bestehen. In der Monarchie Abu Dhabi sollen sie die Infrastruktur – wie Wolkenkratzer und Ölpipelines – beschützen und potentielle Aufstände unterdrücken. Die "Sicherheitsfirma“ Blackwater wurde in Xe-Services umbenannt, nachdem sie 2007 wegen massiver Menschenrechtsverletzungen im Irak – darunter ein Massaker an Ziv ilisten – in die Schlagzeilen gelangt war. Prince verkaufte die Firma im vergangenen Jahr. Mittlerweile soll Xe dem Agro-Chemie-Multi Monsanto gehören, berichtet The Nation. Dennoch soll er hinter dem Aufbau der Söldnertruppe im Emirat stehen – laute New York Times möglicherweise ein Versuch das tödliche Geschäft von dort neu aufzuziehen. Quellen: NYT, Freitag

- Menschenrechtsorganisationen suspendieren Gespräche mit Regierung Mitte Juni haben die vier Plattformen für Menschenrechte, Frieden und Entwicklung sowie indigene und afrokolumbianische Organisationen die Gespräche mit der Regierung über Schutzgarantien für MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen (Mesa de Garantías) wegen der anhaltenden und zunehmenden Bedrohung ihrer Mitglieder und Organisationen suspendiert Hintergrund-Artikel: http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/menschenrechtspolitik-zu-kolumbien/suspendierung-der-mesa-de-garantia/

Veröffentlichungen

- Gutachten der Böckler-Stiftung zum Nachhaltigkeitskapitel des EU-Freihandelsabkommens mit Kolumbien und Peru: http://www.gew.de/Kein_Freihandel_ohne_Menschenrechte.html

- Powerpoint-Präsentation zu Kohle in Kolumbien – Das Colombia Support Network in Madison stellt eine informative PowerPoint-Präsentation über die diversen Facetten des Bergbaus in Lateinamerika, speziell in Kolumbien zur Verfügung. http://colombiasupport.net/2011/Mining-in-Colombia.pdf

- „300 Tage Santos: Bilanz europäischer Menschenrechtsorganisationen“ http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/berichte-ausgewaehlter-organisationen/oidhaco-300-tage-santos/

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- „Women and Conscientious Objection – An Anthology“ Diese englisch- bzw. französisch-sprachige Veröffentlichung hat auch einen spannenden Teil über „Frauen und Kriegsdienstverweigerung in Kolumbien“ – u.a. vom Alejandra Londoño und Sandra Murillo Marín Im Web zum Lesen und Download: http://www.wri-irg.org/pubs/WomenCOs

Kolumbien in den Medien

- „Kolumbien - Kohle und Vertreibung“ – ARD / SWR, Sonntag, 3. Juli 2011 Deutschland hat den Atomausstieg beschlossen und wird in Zukunft vermehrt auf Kohle setzen müssen. Das zumindest hoffen internationale Konzerne, die etwa in Kolumbien Kohle fördern um den fossilen Brennstoff auch in Deutschland zu verkaufen. Doch der Preis für die Kohle aus Südamerika ist hoch. Zahlreiche Menschen werden aus den Kohlegebieten vertrieben, Gewerkschaftler, die gegen das rücksichtslose Vorgehen der Kohlemultis protestieren, werden von paramilitärischen Banden bedroht, manche sogar ermordet. Die TV-Sendung können Sie noch online sehen: http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/329478_weltspiegel/7599014_kolumbien--kohle-und-vertreibung?type=null&buchstabe=W

- „Kolumbianische Steinkohle für deutsche Kraftwerke“ - 17.06.2011 – BAYERN 2 El Cerrejón ist das größte Steinkohleabbaugebiet der Welt. Der größte Teil der Kohle geht nach Deutschland. Kolumbien zahlt dafür einen hohen ökologischen und sozialen Preis. Radio-Beitrag von Julio Segador http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/bayern2/mp3-download-podcast-nahaufnahme.shtml

- „Düstere Geschäfte“ - Kolumbien exportiert Kohle zum Nachteil für Mensch und Natur http://www.fr-online.de/wirtschaft/duestere-geschaefte/-/1472780/8517056/-/index.html

- „Aderlass in den Anden – Kohle aus Kolumbien für deutsche Kraftwerke“ – Radiofeature von Kai Laufen: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/feature/-/id=8084836/property=download/nid=659934/1owg9p7/swr2-feature-20110629.pdf

- „Situation der Zivilbevölkerung in einem gewalttätigen Konflikt“ von Zeljko Crncic: http://www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/kolumbien/kolumbien-gewalt-menschenrechte-zivilgesellschaft-19093.html

- “Zum Abschuss freigegeben” - Jungle World Nr. 23, 9. Juni 2011 Kolumbianische Menschenrechtsanwälte dokumentierten in den vergangenen fünf Jahren über 3.000 Morde an Zivilisten, die von Angehörigen der Armee verübt wurden. Die Ermordeten wurden zu im Kampf erschossenen Guerilleros erklärt. In Wahrheit handelte es sich jedoch um Bauern und Jugendliche aus den Armenvierteln der großen Städte. An deren Tod verdienen die Soldaten, denn für jeden getöteten Rebellen gibt es Prämien. In Jungle World: http://jungle-world.com/artikel/2011/23/43356.html

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- „Krimineller Block gruppiert sich um den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe“ Interview mit Iván Cepeda: http://womblog.de/2011/06/02/kolumbien-krimineller-block-gruppiert-sich-um-den-ex-prsidenten-lvaro-uribe/

ILA 346 – Juni 2011 – „Straßenkunst“

- Der Doppelsalto kommt am besten an Bericht eines Jungen, der auf der Straße jongliert und Akrobatik macht von Brayan Stiven Rico Robledo

- Faszinierende Traumfabrik Das Internationale Poesie-Festival von Medellín von Bettina Reis

- Wo sich die Stimmen treffen Geschichtenerzählen in Kolumbien und Lateinamerika von Liliana María Zapata Hernández

- Wie ein Schmetterling, der der Freiheit entgegenfliegt Interview mit Erick Arellana Bautista, Mitglied der Menschenrechtsorganisation Hijos Colombia von Bettina Reis

Hinweis auf Online.-Aktion:

Ihre Stimme zählt: Damit wir keinen Hunger tanken

„Biosprit“ darf den Hunger in Entwicklungsländern nicht verschärfen. Nach Deutschland importierte Energiepflanzen und Agrartreibstoffe gewonnen aus Zuckerrohr, Mais, Soja und Ölpalmen dürfen nicht auf Kosten der Menschen vor Ort produziert werden. Dafür braucht es verbindliche Sozialstandards wie die Einhaltung internationaler Normen für Arbeitsschutz und Arbeiterrechte und die Rechte der indigenen und in Stämmen lebenden Völker.

Bitte setzen Sie sich für die Aufnahme dieser Menschenrechte als Sozialstandards in die EU-Richtlinie und die deutsche Nachhaltigkeitsverordnung ein, damit kein Hunger im Tank landet.

http://www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung/lobbybrief/lobbybrief.php?ck=5