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92 5 Kolon und Rektum loskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) erfolgen. Bei eindeutiger und durch einen Referenzpathologen bestätigter hochgradiger intra- epithelialer Neoplasie in flacher, nicht-entzündeter Schleimhaut ist dem Patienten die elektive, konti- nenzerhaltende Proktokolektomie zu empfehlen. M. Crohn: Beim M. Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinomrisiko auszugehen, allerdings existieren für Patienten mit M. Crohn keine Empfehlungen zur endoskopischen Überwa- chung. 5.6 Anorektale Erkrankungen A. HEROLD 5.6.1 Analfissur Analfissuren sind längsgerichtete Defekte im hoch- sensiblen Anoderm zwischen Linea dentata und Li- nea anocutanea. Primäre Fissuren entstehen auf nicht vorgeschädigtem Anoderm, sekundäre Fissuren im Rahmen anderer Vorerkrankungen (z.B. M. Crohn). Analfissuren sind mit dem Hämorrhoidalleiden die häufigsten Erkrankungen des Analkanals. Ätiopathogenese Die eigentliche Ursache ist wissenschaftlich noch nicht hinreichend bewiesen. In der Regel liegt eine multifaktorielle Genese zu Grunde, bei der der Sphinkterhypertonus eine zentrale Rolle einnimmt: Mikrotrauma (unter anderem bedingt durch man- gelhafte Stuhlkonsistenz), Kontamination, ober- flächliche Infektion (z.B. Kryptitis), Schmerz, re- flektiver Hypertonus, dorsale Minderperfusion, chronische Fibrosierung und auch ein begleitend vorhandenes Hämorrhoidalleiden. 80–90% aller Fissuren finden sich in der hinteren Kommissur. Klinisches Erscheinungsbild Die akute Fissur besteht nur wenige Tage und zeigt keine Sekundärveränderungen, die chronische Fis- sur ist meist rezidivierend, besteht über mehr als 6 Wochen und zeigt als Sekundärläsionen Vorpos- tenfalte, Analfibrom, indurierte Ränder sowie einen freiliegenden und sklerosierten M. sphincter ani in- ternus. Im Vordergrund steht ein fast immer defäkationsab- hängiger, stechend, scharfer, brennender Schmerz, der über mehrere Minuten bis einige Stunden an- hält. Meist ist dies kombiniert mit Blutspuren am Toilettenpapier. Stärkere Blutungen sind nicht die Regel. Bei chronischem Verlauf kommen Sekretion und analer Juckreiz dazu. Die akute Form zeigt einen schmalen, länglichen Anodermdefekt von 0,5–2 cm Länge mit scharf be- grenzten Wundrändern. Bei chronischer Verände- rung findet man ein wulstiges, kallöses Ulkus mit den typischen Sekundärveränderungen (s.o.). Als Folgeveränderung treten inkomplette, subanoder- male und intersphinktäre Abszesse und Fisteln auf. Diagnostik Anhand einer klassischen Anamnese lässt sich mit ausschließlicher Inspektion und Palpation sowie ei- ner Proktoskopie die Diagnose zweifelsfrei stellen. Bei der Palpation findet sich meist in der dorsalen Zirkumferenz eine Induration mit oberflächlichen narbigen Veränderungen. Die Proktoskopie, z.B. auch mit einem Spreizspekulum, zeigt den Ano- dermdefekt. Ist diese Untersuchung aufgrund des Schmerzes nicht durchführbar, empfiehlt sich eine Abklärung in Lokalanästhesie oder in Narkose (mit der Option einer simultanen operativen Sanierung). Therapie Die Prophylaxe von Analfissuren besteht in einer physiologischen Defäkation. Die Therapie beinhal- tet die Stuhlregulation, Anwendung von Lokalthe- rapeutika und operative Maßnahmen. Die akute Fissur heilt in 50% spontan, mit zusätzlichen Salben (Lokalanästhetika, Adstringentien, auch unspezifi- sche Therapeutika) wird in 90% Heilung erreicht. In den letzten Jahren hat die Therapie mit Glycerin- trinitrat (0,2%) eine wesentliche Verbesserung der konservativen Möglichkeiten bei chronischen Fissu- ren erreicht. Anfängliche Erfolgsraten bis zu 80% wurden in randomisierten Studien nicht erreicht. Mit 50–60% liegen sie aber signifikant über der Placebo- wirkung. Die Verwendung von Botulinumtoxin zeigt mit 70–80% gute Therapieergebnisse, ist jedoch eine teure Alternative (s. Kap. II.5.4.1). Die besten Ergeb- nisse in Bezug auf eine Abheilung hat die operative Therapie: Eine Fissurektomie ist einer Sphinkteroto- mie vorzuziehen, auch wenn letztere in den USA als Methode der Wahl angesehen wird. Für beide Techni- ken liegen die Erfolgsraten bei über 90%. Literatur Brühl W. Ätiologie und Therapie von Analfissuren. Co- loproctology 1982; 4: 114–5. (aus S. Kahl, G. Kähler, A. Dormann. Interventionelle Endoskopie, Elsevier, München 2007)

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Page 1: Kolon und Rektum - enddarm-zentrum.de · Anhand einer klassischen Anamnese lässt sich mit ausschließlicher Inspektion und Palpation sowie ei-ner Proktoskopie die Diagnose zweifelsfrei

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5 Kolon und Rektum

loskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsienalle 10 cm) erfolgen. Bei eindeutiger und durch einenReferenzpathologen bestätigter hochgradiger intra-epithelialer Neoplasie in flacher, nicht-entzündeterSchleimhaut ist dem Patienten die elektive, konti-nenzerhaltende Proktokolektomie zu empfehlen.M. Crohn: Beim M. Crohn ist ebenfalls von einemerhöhten kolorektalen Karzinomrisiko auszugehen,allerdings existieren für Patienten mit M. Crohnkeine Empfehlungen zur endoskopischen Überwa-chung.

5.6 Anorektale ErkrankungenA. HEROLD

5.6.1 Analfissur

Analfissuren sind längsgerichtete Defekte im hoch-sensiblen Anoderm zwischen Linea dentata und Li-nea anocutanea. Primäre Fissuren entstehen auf nichtvorgeschädigtem Anoderm, sekundäre Fissuren imRahmen anderer Vorerkrankungen (z.B. M. Crohn).Analfissuren sind mit dem Hämorrhoidalleiden diehäufigsten Erkrankungen des Analkanals.

� ÄtiopathogeneseDie eigentliche Ursache ist wissenschaftlich nochnicht hinreichend bewiesen. In der Regel liegt einemultifaktorielle Genese zu Grunde, bei der derSphinkterhypertonus eine zentrale Rolle einnimmt:Mikrotrauma (unter anderem bedingt durch man-gelhafte Stuhlkonsistenz), Kontamination, ober-flächliche Infektion (z.B. Kryptitis), Schmerz, re-flektiver Hypertonus, dorsale Minderperfusion,chronische Fibrosierung und auch ein begleitendvorhandenes Hämorrhoidalleiden. 80–90% allerFissuren finden sich in der hinteren Kommissur.

� Klinisches ErscheinungsbildDie akute Fissur besteht nur wenige Tage und zeigtkeine Sekundärveränderungen, die chronische Fis-sur ist meist rezidivierend, besteht über mehr als6 Wochen und zeigt als Sekundärläsionen Vorpos-tenfalte, Analfibrom, indurierte Ränder sowie einenfreiliegenden und sklerosierten M. sphincter ani in-ternus. Im Vordergrund steht ein fast immer defäkationsab-hängiger, stechend, scharfer, brennender Schmerz,der über mehrere Minuten bis einige Stunden an-hält. Meist ist dies kombiniert mit Blutspuren am

Toilettenpapier. Stärkere Blutungen sind nicht dieRegel. Bei chronischem Verlauf kommen Sekretionund analer Juckreiz dazu. Die akute Form zeigt einen schmalen, länglichenAnodermdefekt von 0,5–2 cm Länge mit scharf be-grenzten Wundrändern. Bei chronischer Verände-rung findet man ein wulstiges, kallöses Ulkus mitden typischen Sekundärveränderungen (s.o.). AlsFolgeveränderung treten inkomplette, subanoder-male und intersphinktäre Abszesse und Fisteln auf.

� Diagnostik Anhand einer klassischen Anamnese lässt sich mitausschließlicher Inspektion und Palpation sowie ei-ner Proktoskopie die Diagnose zweifelsfrei stellen.Bei der Palpation findet sich meist in der dorsalenZirkumferenz eine Induration mit oberflächlichennarbigen Veränderungen. Die Proktoskopie, z.B.auch mit einem Spreizspekulum, zeigt den Ano-dermdefekt. Ist diese Untersuchung aufgrund desSchmerzes nicht durchführbar, empfiehlt sich eineAbklärung in Lokalanästhesie oder in Narkose (mitder Option einer simultanen operativen Sanierung).

� Therapie Die Prophylaxe von Analfissuren besteht in einerphysiologischen Defäkation. Die Therapie beinhal-tet die Stuhlregulation, Anwendung von Lokalthe-rapeutika und operative Maßnahmen. Die akuteFissur heilt in 50% spontan, mit zusätzlichen Salben(Lokalanästhetika, Adstringentien, auch unspezifi-sche Therapeutika) wird in 90% Heilung erreicht. In den letzten Jahren hat die Therapie mit Glycerin-trinitrat (0,2%) eine wesentliche Verbesserung derkonservativen Möglichkeiten bei chronischen Fissu-ren erreicht. Anfängliche Erfolgsraten bis zu 80%wurden in randomisierten Studien nicht erreicht. Mit50–60% liegen sie aber signifikant über der Placebo-wirkung. Die Verwendung von Botulinumtoxin zeigtmit 70–80% gute Therapieergebnisse, ist jedoch eineteure Alternative (s. Kap. II.5.4.1). Die besten Ergeb-nisse in Bezug auf eine Abheilung hat die operativeTherapie: Eine Fissurektomie ist einer Sphinkteroto-mie vorzuziehen, auch wenn letztere in den USA alsMethode der Wahl angesehen wird. Für beide Techni-ken liegen die Erfolgsraten bei über 90%.

LiteraturBrühl W. Ätiologie und Therapie von Analfissuren. Co-loproctology 1982; 4: 114–5.

(aus S. Kahl, G. Kähler, A. Dormann. Interventionelle Endoskopie, Elsevier, München 2007)

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5.6 Anorektale Erkrankungen 5

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

Hyman N. Incontinence after lateral internal sphincte-rotomy: a prospective study and quality of life assess-ment. Dis Colon Rectum 2004; 47: 35–8.Lund J, Scholefield J. A randomised prospective double-blind placebo-controlled trial of glycerin trinitrate oint-ment in the treatment of anal fissure. Lancet 1997; 349:11–4.Jost W, Schimrigk K. Therapy of anal fissure using botu-linum toxin and long-term results. Dis Colon Rectum1997; 40: 1029–32.Notaras M. Lateral subcutaneus sphincterotomy for analfissure: a new technique. Pro R Soc Med 1969; 62: 713.Nelson R. A systematic review of medical therapie foranal fissure. Dis Colon Rectum 2004; 47: 422–31.

5.6.2 Analfisteln und -abszesse

Analfisteln und Analabszesse sind eng miteinanderverbundene Krankheitsbilder und auf dasselbeGrundleiden zurückzuführen. Fast immer ist derAbszess das vorausgehende primäre Ereignis (akutesStadium) und die Fistel eine sekundäre Folge (chro-nisches Stadium). Selten kommt es zum Auftretenperianaler Fisteln, ohne dass ein Abszess vorgelegenhätte.

� Ätiopathogenese Periproktale Abszesse sind meist auf eine Infektionder Proktodealdrüsen zurückzuführen. Diese kryp-toglandulären Strukturen findet man am häufigstenim Bereich der hinteren Kommissur. Wenn sich dieEntzündung ihren Weg entlang vorgegebener Spalt-räume submukös, subanodermal, intersphinktäroder transsphinktär bahnt, führt dies zum Auftreteneines Abszesses.

� Klinisches Erscheinungsbild Die Symptomatik der periproktalen Abszesse iststark von deren Lokalisation abhängig. Anfangskommt es zu einem unangenehmen Druck oderFremdkörpergefühl, ehe sich mit zunehmenderAusdehnung starke Schmerzen, Fieber oder Schüt-telfrost einstellen. Im Gegensatz zu den Abszessen ist die klinischeSymptomatik perianaler Fisteln weniger drama-tisch. Im Vordergrund steht die unterschiedlichstarke Absonderung eines eitrig serösen Sekrets. Sekundär treten Juckreiz, Brennen und auch Blut-spuren hinzu. Da diese Beschwerden meist subjektivnicht sehr belästigend sind, wird dies nicht seltenüber lange Zeit toleriert.

Meist erfolgt die Sekretion im Bereich der äußerenperianalen Region und hat nicht selten ausgeprägteAnalekzeme zu Folge. Durch Epithelialisierung deräußeren Fistelöffnung ist ein vorübergehender Se-kretverhalt möglich, ohne dass darunter aber eineAbheilung zu verstehen wäre. Im Allgemeinen er-folgt die Sekretion dann nach innen in den Analka-nal, oder es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Fisteloder ein neuer Abszess auftritt.

� EinteilungFolgende Einteilung hat sich in der klinischen Praxisbewährt (Abb. I.5-22):

Abszesse❚ Subanodermal/submukös/subkutan: Sie treten

relativ selten auf und sind oberflächlich zwischenSphinktermuskulatur und Anoderm bzw. Rek-tummukosa gelegen. Demnach unterscheidet manhierbei zwischen submukösen und subanoderma-len Abszessen. Liegen sie ganz peripher, kommteine rein subkutane Ausdehnung dazu.

❚ Intersphinktär: Zwischen den Sphinkteren lokali-sierte Abszesse entleeren sich meist innerhalb kur-zer Zeit über die Ausführungsgänge der infiziertenProktodealdrüsen und imponieren dann häufig alsinkomplette innere Fisteln, aus denen sich z.B. beider Untersuchung schwallartig Eiter entleert; an-dere perforieren nach distal. Durchaus könnendiese Abszesse aber auch in den suprasphinktärenBereich aszendieren und von dort zur Bildungsupralevatorischer Fisteln führen.

❚ Ischiorektal: In der Ischiorektalregion gelegeneAbszesse sind nach innen von der Sphinktermus-kulatur, nach oben vom M. levator ani und nach

Abb. I.5-22 Einteilung der Analfisteln und -abszesse.

pelvirektalerAbszess

M. levatorani

M. sphincterani internus

inter-sphinktärerAbszess subkutaner,

subanodermalerAbszess

extra-sphinktäreFistel

supra-sphinktäreFistel

trans-sphinktäreFistel

inter-sphinktäreFistel

subanodermaleFistel

ischio-rektalerAbszess

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außen vom Sitzbein begrenzt. Wenn diese Abszessedicht unter der Haut liegen, werden sie auch alsperianale Abszesse bezeichnet.

❚ Pelvirektal: Diese Abszesse finden sich zwischenRektumwand und Levatormuskulatur und werdenauch als supralevatorische Abszesse bezeichnet.

Gelegentlich liegen auch mehrere äußere Fistelöff-nungen vor, die beiderseits des Afters auftreten kön-nen (z.B. Hufeisenfistel).

Fisteln❚ Subkutan / submukös / subanodermal: Sie ver-

laufen unter der Rektummukosa, dem Anodermbzw. der äußeren Haut und sind häufig Folge ei-nes lokalen Abszesses, einer Kryptitis oder einerFissur.

❚ Intersphinktär: Die Gänge dieser Fisteln findensich zwischen innerem und äußerem Schließmus-kel. In der Mehrzahl handelt es sich um distale Ver-läufe, die nicht selten ursächlich auf Fissuren zu-rückzuführen sind. Sie können inkompletteAusläufer im Intersphinktärraum nach proximalbis nach retrorektal haben.

❚ Transsphinktär: Diese Fisteln durchbohren so-wohl den M. sphincter ani externus als auch inter-nus, münden im Bereich der perianalen Haut nachaußen. Auch hierbei finden sich zusätzlich inkom-plette, vom Hauptgang abzweigende Nebengänge.

❚ Suprasphinktär: Der Verlauf dieser Fisteln ist imIntersphinktärraum aszendierend, umfasst den ge-samten M. sphincter ani externus, um meist bo-genförmig über die Puborektalisschlinge in dieFossa ischiorectalis zu gelangen und von dort zuräußeren Haut.

❚ Extrasphinktär: Extrasphinktäre Fisteln umgehenden gesamten Analkanal, münden im Rektum undhaben keine Verbindung zum Analkanal in Höhe derLinea dentata. Ihr Verlauf führt von einer innerenÖffnung deutlich proximal der Linea dentata durchden M. levator ani zur äußeren Haut. Da hier keinekryptoglanduläre Verbindung besteht, sind sie ur-sächlich auf andere Erkrankungen (z.B. M. Crohn)zurückzuführen bzw. oft iatrogen verursacht.

85–95% aller Fisteln sind den inter- und trans-sphinktären Fisteln zuzuordnen und haben einenunkomplizierten Verlauf.

� Klinisches ErscheinungsbildDie Rückbildung eines periproktalen Abszesses istnicht möglich. Wenn er durch operative Maßnahmen

nicht entlastet wird, kommt es in jedem Falle zu einerspontanen Perforation. Diese wird abhängig von derLokalisation nach außen, in den Analkanal oder auchin das Rektum erfolgen. Damit ist eine schnelle Rück-bildung der klinischen Symptomatik (Schmerzen,Fieber, Schüttelfrost, allgemeines Krankheitsgefühl)verbunden und eine folgenlose Abheilung möglich.Meist geht das akute Abszessstadium in das chroni-sche Fistelstadium über. Die ständige Sekretion eines eitrig-serösen Sekrets istAusdruck einer im Fistelbereich nicht abklingendenEntzündung. Unbehandelt muss man mit einer Aus-dehnung der Erkrankung in Form neu auftretenderAbszesse oder weiterer Fisteln rechnen. Die Beein-trächtigung und Funktionseinschränkung des Konti-nenzorgans ist eine zwangsläufige Folge. Bei immu-nologischen Störungen können massive Nekrosenmit lebensbedrohlichen Zuständen auftreten.

� Diagnostik Der Abszess ist mit Anamnese, klinischer Sympto-matik, Inspektion und Palpation zu diagnostizieren.Abszesse im ischiorektalen Bereich führen bei ober-flächlicher Lage meist zu einer rötlich lividen Ver-färbung mit deutlich sichtbarer Prominenz. ImFrühstadium kann es Schwierigkeiten machen, pel-virektale, aber auch ischiorektale Abszesse sicher zuobjektivieren. In solchen Fällen hilft die digitale rek-tale Untersuchung, bei der sich vom Analkanal oderunterem Rektum eine Schwellung und vermehrteDruckschmerzhaftigkeit feststellen lässt.Eine exakte Diagnostik perianaler Fisteln ist nur beikomplizierten Fisteln mit größeren Problemen ver-bunden. Die überwiegend vorkommenden inter-und transsphinktären Fisteln lassen eine meist gutsichtbare, unterschiedlich weit vom After entfernteäußere Fistelöffnung erkennen und im gleichen Sek-tor des Analkanals die innere Öffnung. Mit Knopf-sonden lässt sich deren Verlauf gut verfolgen. EineSondierung sollte in keinem Fall erzwungen werden. Die röntgenologische Darstellung von Fisteln (Fis-tulographie) ist obsolet. Bei komplizierten Fistelnsind eine Endosonographie, die Computertomogra-phie oder die Kernspintomographie hilfreich.

� Therapie Ein anorektaler Abszess wird grundsätzlich unver-züglich nach Diagnosestellung gespalten und aus-reichend drainiert. Da immer die Gefahr einer Pro-gression mit zunehmender Beteiligung umliegender

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5.6 Anorektale Erkrankungen 5

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

Strukturen besteht, ist ein zeitlicher Aufschub kon-traindiziert. Die Therapie erfolgt durch breite trich-terförmige Eröffnung der Haut und anschließendeSekundärheilung. Eine ergänzende Therapie mitAntibiotika ist nur in wenigen Fällen sinnvoll, z.B.bei immunsupprimierten Patienten, bei begleiten-der Weichteilphlegmone oder schwerer septischerBegleitreaktion. Bei der Operation eines anorektalen Abszesses solltenach Möglichkeit in gleicher Narkose nach einer ur-sächlichen Fistel gefahndet werden. Lässt sich dieFistelverbindung zum Analkanal finden, wird dieFistel primär operiert oder mit einem Faden zurDrainage für einige Wochen angeschlungen undspäter dann definitiv chirurgisch versorgt. Ist bei derRevision eine Fistel primär nicht zu finden, sollteauf brüske Manipulation wegen der Gefahr einerVia falsa verzichtet werden.Eine symptomatische Analfistel stellt eine Indika-tion zur Operation dar. Das Ziel jeder Fistelchirur-gie ist die Sanierung ohne Kontinenzeinbuße undohne Rezidiv. Die operative Maßnahme orientiertsich am Verlauf der Fistel und somit an ihrem Bezugzum Sphinkterapparat.

Subanodermale, submuköse, intersphinktäre unddistale (tiefe) transsphinktäre Fisteln, die nur ei-nen kleinen Anteil der Sphinktermuskulatur umfas-sen, können ohne Einschränkung der Kontinenzkomplett gespalten werden. Die Rezidivrate liegtunter 10%, während die Kontinenzstörung direktvom Ausmaß der Sphinkterbeteiligung abhängt.Hat man früher bis zu zwei Drittel der Muskelmassedurchtrennt, geht man heute zurückhaltender vor.In der Literatur wird die postoperative Kontinenz-störung mit 5–40% angegeben. Proximale (hohe) transsphinktäre, supra-sphinktäre und extrasphinktäre Fistelgänge, diewesentliche Muskelanteile durchbohren, werdenprimär fadendrainiert und im nicht-entzündli-chen Stadium in zweiter Sitzung exstirpiert undplastisch verschlossen (Abb. I.5-23). Hierzu wirdnach kompletter Exstirpation des Fistelgangs ins-besondere der kryptoglandulären Region eine di-rekte Naht der Sphinktermuskulatur durchge-führt und diese mit einem Verschiebelappen ausMukosa oder Mukosa / Submukosa / Internus gesi-chert, somit die innere Fistelöffnung verschlos-sen. Eine unmittelbare Nahtinsuffizienz tritt in bis

Abb. I.5-23Operationsschema: Plastischer Fistelverschluss (Flap-Technik).

a b

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zu 10–25% auf, die Rezidivrate liegt zwischen 5und 30%. In Einzelfällen können auch andere Technikenzum Einsatz kommen: eine direkte komplette Spal-tung und ein- oder zweizeitiger Wiederaufbau derMuskulatur sowie auch die Interposition von Mus-kulatur (z.B. M. gracilis oder M. rectus abdomi-nis), langzeitige Fadendrainage und Fibrinkle-bung. Eine Sonderform der anorektalen Fistel stellen dierekto- bzw. anovaginalen Fisteln dar. Aufgrundihrer Lokalisation sind jedoch meist plastische Ver-fahren notwendig. Bedingt durch das in diesemBereich fehlende umgebende Binde- und Muskel-gewebe des Septum rectovaginale sind die Erfolgs-raten schlechter als bei den anderen Anorektal-fisteln. Anale Fisteln im Rahmen eines M. Crohn sind in75% kryptoglandulären Ursprungs und folgen obi-gen Verläufen. Dagegen folgen 25% nicht den ana-tomischen Strukturen und durchdringen destruie-rend das Gewebe. Die Therapie folgt obigenStrategien.Eine kompetente konservative Therapie derGrunderkrankung ist Vorbedingung erfolgreicherchirurgischer Maßnahmen.Aufgrund der hohen Rezidivrate bei der Grunder-krankung können in vielen Fällen wiederholte chir-urgische Eingriffe notwendig werden, die Schonungder Sphinktermuskulatur ist hier besonders wichtig.Vor einer operativ-rekonstruktiven Fistelsanierungmuss die Grunderkrankung kontrolliert und die lo-kalen Verhältnisse müssen infektfrei sein. Bei kom-plexen Fisteln mit rezidivierenden Schüben ist dielockere Langzeitfadendrainage über Monate undJahre eine vom Patienten i.d.R. sehr gut tolerierteMaßnahme, die die Stomaanlage verhindert oder zu-mindest verzögert.

Literatur

Buchmann P, Alexander-Williams J. Classification ofperianal Crohn’s disease. Clin Gastroenterol 1998; 9:323–30.Christiansen J, Ronholt C. Treatment of recurrent highanal fistula by total excision and primary sphincter re-construction. Int J Colorect Dis 1995; 10: 207–9.Corman M. Anorectal abscess and anal fistula. In: Cor-man M (ed.). Colon and rectal surgery, 224–71. Lip-pincott-Raven Philadelphia 1998.

Gordon PH. Anorectal abscesses and fistula-in-ano. In:Gordon PH, Nivatvong S (eds.). Principles and Practiceof the Surgery for the Colon, Rectum and Anus, 241–86.Quality Medical Publishing, St. Louis, 1999.Hoexter B, Labow SB, Moseson MD. Transanal rectova-ginal fistola repair. Dis Colon Rectum 1985; 28: 572–5.Parks A, Gordon P, Hardcastle J. A classification of fis-tula-in-ano. Br J Surg 1976; 63: 1–12.Stelzner F. Die anorectalen Fisteln. Springer, Berlin,1981.

5.6.3 Hämorrhoidalleiden

Oberhalb der Linea dentata, unter der Rektum-schleimhaut, findet sich ein zirkulär angelegtes arte-rio-venöses Gefäßkonglomerat, das Corpus caver-nosum recti. Bei einer Hyperplasie dieserGefäßstrukturen spricht man von Hämorrhoidenund bei zusätzlich auftretenden Beschwerden von ei-nem Hämorrhoidalleiden. Entgegen der früheren Meinung ist heute wissen-schaftlich belegt, dass es sich nicht um Venen handelt,sondern um arterio-venöse Schwellkörper mit typi-schen Prädilektionsstellen bei 3, 7 und 11 Uhr inSteinschnittlage, denen eine wichtige Funktion bei derFeinkontinenz zukommt.

� Ätiopathogenese So häufig diese Erkrankung auftritt, so unzurei-chend wissenschaftlich belegt ist ihre Ätiologie. Die Beschwerden und die damit verbundenen mor-phologischen Veränderungen können sowohl gene-tisch bedingt sein als auch Folge einer gestörten De-fäkation bzw. mangelhafter Stuhlkonsistenz. Diesbetrifft besonders Personen mit chronischer Ver-stopfung, die meist nur unter starkem Pressen har-ten Stuhl absetzen können. Das übermäßige Pressen führt im Verlauf von Jah-ren zur Vergrößerung und Dislokation des Hämor-rhoidalgewebes nach distal. Auch nicht geformter,breiiger bis durchfallartiger Stuhl stellt eine unphy-siologische Belastung der Hämorrhoidalkonvolutedar. Unter diesen Umständen erfolgt die Defäkationgegen den nicht ausreichend relaxierten Anal-sphinkter und die nur ungenügend entleerten Hä-morrhoidalpolster.

� Klinisches Erscheinungsbild Die auf Hämorrhoiden zurückzuführenden Be-schwerden sind uncharakteristisch und auch bei

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5.6 Anorektale Erkrankungen 5

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

vielen anderen proktologischen Erkrankungen inähnlicher Weise vorhanden. Sie sind nicht von derGröße der Hämorrhoiden abhängig. Am häufigs-ten sind Blutungen. Typisch sind wechselnde Pha-sen: Blutungen, die täglich, bei jeder Defäkationauftreten und ohne besondere Behandlungsmaß-nahmen über Wochen, aber auch Monate wiederverschwinden. Bei stark vergrößerten und prolabierenden Hämor-rhoiden ist die Feinkontinenz gestört. Dies führt zuunterschiedlich starkem Nässen, Schmieren undstuhlverschmutzter Wäsche. Mit Juckreiz einherge-hende Analekzeme sind eine indirekte Folge des Hä-morrhoidalleidens.Hämorrhoiden machen in der Regel keine Schmer-zen. Häufig sind Schmerzen auf synchron beste-hende Fissuren zurückzuführen (bei Hämorrhoiden2. Grades bis zu 70%). Starke Schmerzen finden sichdagegen beim inkarzerierten Hämorrhoidalprolaps.

� Klassifikation Beim Hämorrhoidalleiden wird der Lokalbefund invier Stadien eingeteilt (Tab. I.5-4).Hämorrhoiden Grad 1 sind im Proktoskop zu er-kennende wulstige, prall elastische, mit Schleimhautbedeckte Knoten. Hämorrhoiden Grad 2 prolabieren bei der Defäka-tion, um sich anschließend spontan wieder zurück-zuziehen. Bei den prolabierenden Knoten lässt sichzwischen solchen unterscheiden, die von Rektum-schleimhaut bedeckt sind und solchen, die alspralle Schwellung unter dem Anoderm imponie-ren. Wenn Anoderm bei prolabierenden Hämor-rhoiden außerhalb des Analkanals sichtbar wird,spricht man von einem Anodermprolaps (syno-nym: Analprolaps).

Hämorrhoiden Grad 3 unterscheiden sich vommorphologischen Befund nicht von HämorrhoidenGrad 2 und zeichnen sich nur dadurch aus, dass siesich nach der Defäkation nicht spontan zurückzie-hen, sondern manuell reponiert werden müssen. Hämorrhoiden 4. Grades sind nicht mehr zu repo-nierende Knoten

� Diagnostik Nicht prolabierende Hämorrhoiden (Hämorrho-iden 1. Grades) sind nur proktoskopisch zu erken-nen. Prolabierende Hämorrhoiden zeigen sich amdeutlichsten nach der Defäkation. Außen fixierteund nicht mehr zu reponierende Hämorrhoiden(Hämorrhoiden 4. Grades) sind schon bei der In-spektion gut zu beurteilen. Weitere Untersuchungensind zur Diagnostik eines Hämorrhoidalleidensnicht erforderlich.

Differentialdiagnose Besonders von Laien werden Marisken gern mitHämorrhoiden verwechselt. Häufig sind Hämor-rhoiden mit Anodermprolaps und Marisken kom-biniert. Auch bei perianalen Thrombosen handeltes sich nicht um Hämorrhoiden, sondern umThrombosen in den subkutanen Analrandvenen.Verwirrend ist hier oft der Begriff von „äußerenHämorrhoiden“ im angloamerikanischen Sprach-raum.

� Therapie Von einer lokalen Behandlung mit Salben, Supposi-torien oder Analtampons ist bei Beschwerden, dieausschließlich auf Hämorrhoiden zurückzuführensind (z.B. Blutungen), kein Erfolg zu erwarten, dahier nur symptomatisch und nicht kausal eingegrif-fen wird. Allerdings können sie die bei Hämorrho-iden auftretenden, entzündlichen, ödematösen Be-gleitveränderungen günstig beeinflussen.

Sklerosierungsbehandlung Die Sklerosierungstherapie ist die erste Wahl beiHämorrhoiden 1. Grades (Abb. I.5-24). Bei derBlond-Methode wird die Sklerosierungslösung(z.B. Polidocanol, Thesit, Chinin, Calcium-Zink-chlorid) im Blond'schen Proktoskop tropfenweisezirkulär oberhalb der Linea dentata submukös inji-ziert. Dafür sind 0,5–1,0 ml Sklerosierungslösungausreichend, die im Abstand von 8–14 Tagen 2- bis3-mal verabreicht werden.

Tab. I.5-4 Stadieneinteilung der Hämorrhoiden.

Stadium Charakteristikum

1 Proktoskopisch sichtbare Polster

2 Prolaps bei der Defäkation, retrahiert sich spontan

3 Prolaps bei der Defäkation, manuell reponibel

4 Prolaps fixiert, fibrosiert, thrombosiert, nicht reponibel

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Bei der Sklerosierungstechnik nach Blanchard bzw.Bensaude werden je 1–3 ml einer Phenol-Man-delöl-Lösung oder einer Phenol-Erdnussöl-Lösungin den Bereich der zuführenden Hämorrhoidalarte-rien bei 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage appli-ziert. Auch bei dieser Technik sind allenfalls 2 bis3 Behandlungen im Abstand von 1–2 Wochen nö-tig. Der therapeutische Effekt ist auf eine Fixierungder Hämorrhoidalkonvolute oberhalb der Lineadentata zurückzuführen.Vergleichende Untersuchungen über die Wirksam-keit beider Methoden sprechen für eine bessere Effizi-enz des Blond’schen Verfahrens. Hämorrhoidale Be-schwerden (Blutungen) sind mit dem Blond’schenVerfahren nach zwei Sklerosierungsbehandlungenschon in 70–80% abgeklungen. Langfristig ist mit ei-ner hohen Rezidivquote zu rechnen, die nach dreiJahren bei 70% liegt.

Infrarotkoagulation Die Infrarotkoagulation ist ein Therapieverfahren,das sich bei der Behandlung blutender Hämorrho-iden 1. Grades bewährt hat. Da heute andere Me-thoden favorisiert werden, ist die Infrarotkoagu-lation in den letzten Jahren deutlich in denHintergrund getreten.

Gummiringligatur Sie gilt als Therapie erster Wahl zu Behandlung vonHämorrhoiden 2. Grades (Abb. I.5-25). Mit Hilfe

eines speziellen Ligators werden im vorn offenenProktoskop knotig vergrößerte Hämorrhoiden mitHilfe von kleinen Gummiringen so abgeschnürt,dass sie innerhalb kurzer Zeit nekrotisieren und ab-fallen. Die Behandlungserfolge mit Gummiringliga-turen bei Hämorrhoiden 2. Grades liegen zwischen70 und 80%. Im Vergleich zur Sklerosierungsbe-handlung und Infrarotkoagulation werden über-wiegend bessere Resultate mitgeteilt. Die Rezidiv-rate liegt bei 25% in den ersten 4 Jahren.

Dopplergesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur (HAL) Bei Hämorrhoiden 2. und 3. Grades lassen sich miteinem Spezialproktoskop, in das ein Dopplertrans-ducer eingebaut ist, die zuführenden Hämorrhoidal-arterien orten und gezielt ligieren. Innerhalb kurzerZeit schrumpfen die Hämorrhoidalkonvolute. Da-durch soll nicht nur der Hämorrhoidalprolaps ver-schwinden, sondern auch die damit verbundenenBeschwerden. Diese Methode wird erst seit kurzer Zeit in wenigenKliniken eingesetzt. Die wenigen Publikationen be-richten einen Therapieerfolg in 50–90%. Eine ab-schließende Beurteilung der Effektivität ist nochnicht möglich.

Operation Hämorrhoiden 3. Grades sind nur in Ausnahmefäl-len noch konservativ mit zufriedenstellendem Er-gebnis therapierbar. Daher ist hier die Indikationzur Operation gegeben, für die verschiedene Verfah-ren angewandt werden können:❚ Offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Mor-

gan,❚ geschlossene Hämorrhoidektomie nach Ferguson, ❚ submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks,❚ rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach Fansler-

Arnold,❚ supraanodermale Hämorrhoidektomie nach White-

head.❚ supraanodermale Mukosektomie mit dem Stapler.Insbesondere bei segmentären Hämorrhoidalvorfäl-len sind die Verfahren nach Milligan-Morgan undFerguson empfehlenswert (Abb. I.5-26). Die vergrö-ßerten Hämorrhoidalknoten werden segmentär rese-ziert und ausreichend breite Brücken am Anodermerhalten, um Stenosen und Kontinenzeinbußen vor-zubeugen. Die Methode nach Milligan-Morgan be-lässt die so entstandenen Wunden im Anoderm zur

Abb. I.5-24 Sklerosierungstechnik nach Blond.

(aus S. Kahl, G. Kähler, A. Dormann. Interventionelle Endoskopie, Elsevier, München 2007)

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

Sekundärheilung offen, während bei der Techniknach Ferguson etwas mehr Anoderm erhalten wird,um die Wunde durch Naht zu verschließen. Die Rezi-divrate wird in der Literatur der letzten 20 Jahre zwi-schen 3 und 26% angegeben. Als subanodermale/submuköse Resektion der Hämorrhoiden mit gleich-zeitiger Reposition des dislozierten Anoderms – so-mit bei fortgeschritteneren Befunden zu bevorzugen– kommt alternativ die Operationstechnik nachParks zur Anwendung. Die Hämorrhoidenoperation mit dem Zirkularstap-ler (Abb. I.5-27) gilt als das ideale Verfahren beim zir-kulären Hämorrhoidalleiden 3. Grades. Mit Hilfe desKlammernahtgeräts sowie eines speziellen Einfüh-rungssets werden die prolabierenden Hämorrhoidenreponiert und das proximal liegende Mukosagewebezirkulär reseziert. Hierdurch wird eine Fixation desvorfallenden Anoderms und Hämorrhoidalgewebesin seiner physiologischen intraanalen Position er-reicht. Im weiteren Verlauf kommt es durch sekun-

däre Umbauvorgänge zu einer Gewebsreduktion aufeine normale Größe. Da das Verfahren keine Wundeim sensiblen Anoderm setzt, hat es sich, bedingtdurch den resultierenden höheren Patientenkomfort,zu einer effektiven Alternative entwickelt. Der Vorteilliegt insbesondere in den geringeren postoperativenSchmerzen. Ist der Hämorrhoidalprolaps nicht mehr reponibel,liegen Hämorrhoiden 4. Grades vor. Im Falle einerakuten Thrombosierung oder Inkarzeration ist diekonservative Therapie mit Antiphlogistika, Analge-tika und lokalen Maßnahmen zu bevorzugen. In er-fahrenen Händen kann auch eine sofortige Opera-tion zum Einsatz kommen. Hier ist vor allem dieGefahr einer postoperativen Stenose bedingt durchübermäßige Resektion im ödematösen Stadium zuberücksichtigen. Bei chronischen, fibrosierten, fixierten Befunden meistmit einem begleitenden zirkulären Anodermprolapssind auch plastisch-rekonstruktive Verfahren sinnvoll.

Abb. I.5-25 Technik der Ligaturbehandlung.

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Diese operativ-technisch und auch zeitlich wesentlichaufwändigere Technik (Operationszeit 30–60 Minuten) erzielt neben der Resektion des hämor-rhoidalen Gewebes mittels plastischer Verschiebelap-pen eine zirkuläre bzw. semizirkuläre komplette Re-konstruktion des Analkanals. Dies resultiert in einerhohen postoperativen Komplikationsrate von bis zu20%. Bei allen Techniken liegt die Beschwerdefreiheitnach 2 Jahren über 90%. Rezidive nehmen im Zeit-verlauf zu, sind aber meist mit konservativen Maß-nahmen beherrschbar. Die Reoperationsrate liegtunter 5%.

LiteraturBarron J. Office ligation treatment for hemorrhoids. DisColon Rectum 1963; 6 : 109–13.Brühl W, Schmauz R. Injection Sclerotherapy and Bulklaxantive in Grade 1 Hemorrhoids. Coloproctology2000; 22: 212–7.Ganio E, Altomare F, Gabrielli F, Milito G, Canuti S.Prospective randomised multicentre trial comparing

stapled with open hemorrhoidectomy. Br J Surg 2001;88: 669–74.McRae H, McLeod R. Comparison of hemorrhoidaltreatment modalities: a meta-analysis. Dis Colon Rec-tum 1995; 38: 687–94.Mehigan BJ, Monson JRT, Hartley JE. Stapling procedu-res for hemorrhoids versus Milligan-Morgan hemor-rhoidectomy: randomised controlled trial. Lancet 2000;355: 782–5.Poen A, Felt-Bersma R, Cuesta MA et al. A randomizedcontrolled trial of rubber band ligation versus infraredcoagulation in the treatment of internal hemorrhoids.Eur J Gastroenterol Hepatol 2000; 12(5): 535–9.Rosswell M, Bello M, Hemingway DM. Circumferentialmucosectomy (stapled hemorrhoidectomy) versus con-ventional hemorrhoidectomy: randomised controlledtrial. Lancet 2000; 355: 779–81.Senapati A, Nicholls R. A randomised trial to comparethe results of injection sclerotherapy with a bulk laxativealone in the treatment of hemorrhoids. Int J of ColorectDis 1988; 3: 124–6.Stelzner F, Staubesand J, Machleidt H. Das corpus ca-vernosum recti – die Grundlage der inneren Hämor-rhoiden. Canterbeck’s Arch Chir 1962; 299: 302–12.

Abb. I.5-26Operationstechnik der Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan.

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5.6 Anorektale Erkrankungen 5

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

Walker A, Leicester R, Nicholls R et al. A prospectivestudy of infrared coagulation, injection and rubberband ligation in the treatment of hemorrhoids. Int J Co-lorectal Dis 1990; 5: 113–6.

5.6.4 Analkanalkarzinom

Tumoren des Analkanals entstehen im Bereich desAnoderms sowie der Transitionalzone. Analkanal-karzinome reichen somit von der Linea anocutaneanach proximal bis zum anorektalen Übergang. IhreEinteilung erfolgt nach der TNM-Klassifikation(Tab. I.5-5) und der UICC-Stadieneinteilung(Tab. I.5-6). Tumoren distal der Linea anocutanea bis 5 cm late-ral (entspricht der Perianalregion) werden als Anal-randkarzinome bezeichnet. Diese werden den Tu-moren der Haut zugeordnet und entsprechend dendortigen Empfehlungen therapiert.

� EpidemiologieDas Analkanalkarzinom ist ein seltener Tumor, der ca.1% aller Malignome des Gastrointestinaltrakts aus-macht. Frauen sind auffällig häufiger betroffen alsMänner. Die Inzidenz beträgt ca. 0,5 Neuerkrankun-gen pro 100 000 Einwohner und Jahr. Histologischhandelt es sich i.d.R. um Plattenepithelkarzinome,seltener um Basalzellkarzinome, infiltrierende Adeno-karzinome oder maligne Melanome.

� Klinisches ErscheinungsbildJe nach Größe und Sitz des Tumors kann die Sym-ptomatik variieren. Anamnestisch werden amhäufigsten anale Blut- und Schleimabgänge angege-ben, seltener oberflächliche Hautveränderungen,perianale Schmerzen, Fremdkörpergefühl, Juckreiz,Sekretion, Stuhlunregelmäßigkeiten, Kontinenz-störungen, Fistelbildungen und vergrößerte Leis-tenlymphknoten.

Abb. I.5-27 Operationstechnik der Stapler-Hämorrhoidpexie.

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� DiagnostikDurch Anamnese und klinische Untersuchung mitInspektion und Palpation des Analkanals sowieRektoskopie und Proktoskopie lässt sich der Pri-märtumor vermuten. Mit Hilfe einer Tumorbiopsie(kleine Tumoren < 1 cm sollten als Totalbiopsiekomplett entfernt werden) wird die maligne Verän-derung histologisch gesichert. Zur Beurteilung desTumorstadiums sind CT oder MRT von Abdomenund Becken insbesondere zur Beurteilung der ilia-

kalen, inguinalen und paraaortalen Lymphknotenhilfreich.

� TherapieEine lokale Tumorexzision erfolgt bei Tumoren< 2 cm, die distal der Linea dentata gelegen sindund keine Metastasen zeigen. Aufgrund der sehr guten 5-Jahres-Überlebensratevon bis zu 80%, bei über 4 cm großen Tumoren bis55%, bei gleichzeitiger Erhaltung der Kontinenz hatsich als Therapie der Wahl bei allen anderen Tumo-ren die primäre Radiochemotherapie gegenüber derRektumexstirpation durchgesetzt. Ein etabliertesTherapieregime ist die kombinierte Radiochemo-therapie mit Mitomycin C 10 mg/m2 Körper-oberfläche an Tag 1 und Tag 30; 5-Fluorouracil1000 mg/m2 Körperoberfläche pro 24 h in der 1.und 5. Woche kombiniert mit externer Bestrahlung1,8 bis 2,0 Gy/Tag über 5 Wochen und zusätzlicherBestrahlung der Leistenlymphknoten. Nur beiverbleibendem Resttumor 6 Wochen nach Endeder primären Radiochemotherapie oder im Falleines Tumorrezidivs erfolgt die abdominoperinealeRektumexstirpation. Gegebenenfalls ist vor Radio-chemotherapie im Falle eines hochgradig stenosie-renden Tumors oder bei kompletter Inkontinenzein Kolostoma notwendig. Bei der Mehrzahl derkurativ behandelbaren Patienten ist ein permanentesKolostoma jedoch vermeidbar.

Tab. I.5-5 TNM-Klassifikation bei Analkanalkarzinom.

Charakteristikum Sta-dium

Befund

Tumoraus-breitung

T0 Kein Anhalt für Pri-märtumor

Tis Carcinoma in situ

T1 Tumor ≤ 2 cm

T2 Tumor > 2 cm, ≤ 5 cm

T3 Tumor > 5 cm

T4 Infiltration in angren-zende Organe

Lymphknoten-metastasen

N0 Keine regionären Lymphknoten-metastasen

N1 Metastasen in perirektalen LK

N2 Metastasen einseitig in inguinalen Lymph-knoten oder an der A. iliaca interna einer Seite

N3 Metastasen beidseitig in perirektalen, ingui-nalen oder iliakalen Lymphknoten

Fernmetastasen M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. I.5-6 UICC-Klassifikation beim Analkanalkarzinom

Stadium TNM-Befund

T L M

1 T1 N0 M0

2 T2, T3 N0 M0

3a T4 N0 M0

T1, T2, T3 N1 M0

3b T4 N1 M0

T1, T2, T3 N2, N3 M0

4 Jedes T Jedes N M1

(aus S. Kahl, G. Kähler, A. Dormann. Interventionelle Endoskopie, Elsevier, München 2007)

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5.6 Anorektale Erkrankungen 5

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GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN

Literatur Greenall MJ, Quan SHQ, Stearns MW et al. Epidermoidcancer of the anal margin: pathological features, treat-ment and clinical results. Am J Surg 1985; 149: 95–101. Nigro ND: Multidisciplinary management of cancer ofthe anus. World J Surg 1987; 11: 446–51.Nivatvongs S. Perianal and anal canal neoplasms. In:Gordon PH, Nivatvongs S (Hrsg.). Principles andPractice of surgery for the Colon, Rectum and Anus, pp.447–72. Quality Medical Publishing, St. Louis 1999.

Notaras M. Lateral subcutaneus sphincterotomy foranal fissure: a new technique. Pro R Soc. William NS. Malignant tumours of the anal canal andanus. In: Keighley MRB, Williams NS (Hrsg.). Surgeryof the anus, rectum and colon, pp. 1092–11. WB Saun-ders, London 1993.

(aus S. Kahl, G. Kähler, A. Dormann. Interventionelle Endoskopie, Elsevier, München 2007)