klinische studien über die wirkung von arsen auf den grundumsatz, den reststickstoff und die...

9
Aus der Medizinischen und Nervenklinik der Universitiit Giegen (Direktor: Prof. Dr. Reinwein). Klinisehe Studien iiber die ~irkung yon Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des ~Ienschen% Von Elfriede Knell. Mit 4 Textabbildungen. (E~ngegangen am 9. Mi~rz 1936.) Die Erfahrung, dab das Arsen in kleiner Dosis einen Eindruek von Wohlbefinden und Kraft auslSst, alope*itanregend wirkt, KSrpergewichts- zun~hme bewirkt (Henius 1, v. d. Velde 2, Gies 3) und An/~mien giinstig beeinfluBt (Miiller ~, BelonogowaS), 15ste bald Bestrebungen aus, zu erfahren, we und wie es im Organismus angreift, um seine Anwendung zu systematisieren, zu erweitern und vet allem Sehaden zu vermeiden. Man ist heute der Auffassung, dab die Wirkung des Arsens auf einer Oxydationshemmung im K5rper beruh*, die bei zweekmgBiger Dosierung zu einer Hemmung der dissimilatorisehen and zu einer Steigerung der assi- milatorischen Prozesse und damit zu einer K5rpersubstanzvermehrnng fiihrt. Bei der Subst~nzvermehrung is~ ein echter EiweiBansatz wahrsehein- lich, da bei Priifung der Stickstoffbilanz sich meist eine Stickstoffretention ergibt (Krams und Tomcsik6). Onaka 7 konnte 1910 den oxyd~tionshemmenden EinfluB des Arsens auf Blut- zellen in vitro naehweisen, wobei die Oxydationshemmung naeh Absetzen des Arsens nut zum Teil reversibel war. Libesney und Vogel s haben die in vitro festgestellte Oxyd~tionshemmung dutch respiratorisehe Gasweehse]messungen beim Menschen darzustellen versueht und dabei die nicht ganz einheitliche Feststellung gemacht, d~13 kleine Arsendosen be~ normalem Stoffweehsel nur sehr geringe, bei krankh~ft gesteigertem Stoffwechse] betr/~chtliehe Verminderung des Sauerstoff- verbrauchs bewirken. Andere Forscher gl~uben den Naehweis der Oxyd~tions- hemmung dutch Arsen ~us einer Verschiebung der H-Ionenkonzentration des Harns erbringen zu kSnnen, insofern, als erf~hrungsgem/il~ verlangsarnte Oxydation im K6rper zur Bildung saurer Stoffweehselprodukte ffihre, beschleunigte Oxydation dagegen eine alkalotische VersChiebung verursaehe. Hildebrand9 f~nd dugegen bei Versuchen an Ratten in der Dosierung 0,05--1 mg Arsen stets Stoffwechsel- steigerung und Gewiehtsabnahme. Dosen bis zu 0,05 nag blieben unwirksam. -- Bei mit Sehilddriise (Thyr~den) geftitterten Tieren war eine st~rk erhShte Emlofind- * Angenommen als Dr.-Dissertation yon der reed. Fakultg~ in Giel]en, 1935. Henius: Dtsch. reed. Wschr. 1904, S. 949. -- ~ v. d. Velde: Mtineh. reed. Wsehr. 1909, S. 241.- 8 Zitiert naeh Poulsen: Lehrb. d. Pharmakologie. -- Mtiller Dtseh. reed. Wsehr. 1922, S. 836.--~ Belonogowa: Dtseh. Arch. f. klin. Med. 162, 297. -- 8 Igram~r u. Tomcsik: Klin. Wschr. 1924, S. 111. -- 70naka: Hoppe-Seylers Arch. 70, 433. -- s Libesney u. Vogel: IZlin. Wsohr. 1923, S. 689. -- ~ Hildebrand: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 101, 156 (1931).

Upload: elfriede-knell

Post on 19-Aug-2016

217 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

Aus der Medizinischen und Nervenklinik der Universitiit Giegen (Direktor: Prof. Dr. Re inwein) .

Klinisehe Studien iiber die ~irkung yon Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des ~Ienschen%

Von

Elfriede Knell.

Mit 4 Textabbildungen.

(E~ngegangen am 9. Mi~rz 1936.)

Die Er f ah rung , dab das Arsen in k le iner Dosis einen E i n d r u e k von Wohlbef inden und K r a f t auslSst , a lope*itanregend wirk t , KSrpergewich t s - zun~hme bewi rk t ( H e n i u s 1, v. d. V e l d e 2, G i e s 3) und An/~mien gi inst ig beeinfluBt ( M i i l l e r ~, B e l o n o g o w a S ) , 15ste ba ld Bes t r ebungen aus, zu er fahren, we u n d wie es im Organismus angreif t , u m seine Anwendung zu sys temat i s i e ren , zu e rwei te rn und v e t a l lem Sehaden zu vermeiden.

Man is t heu te de r Auffassung, dab die W i r k u n g des Arsens auf einer O x y d a t i o n s h e m m u n g im K 5 r p e r beruh*, die bei zweekmgBiger Dos ierung zu einer H e m m u n g der d iss imi la tor isehen a n d zu einer S te igerung der assi- mi la tor i schen Prozesse und d a m i t zu einer K 5 r p e r s u b s t a n z v e r m e h r n n g f i ihr t . Bei der Subs t~nzve rmehrung is~ ein echter EiweiBansatz wahrsehein- lich, da bei Pr i i fung der S t icks tof fb i lanz sich meis t eine S t icks tof f re ten t ion e rg ib t ( K r a m s und T o m c s i k 6 ) .

O n a k a 7 konnte 1910 den oxyd~tionshemmenden EinfluB des Arsens auf Blut- zellen in vitro naehweisen, wobei die Oxydationshemmung naeh Absetzen des Arsens nut zum Teil reversibel war. L i b e s n e y und Vogel s haben die in vitro festgestellte Oxyd~tionshemmung dutch respiratorisehe Gasweehse]messungen beim Menschen darzustellen versueht und dabei die nicht ganz einheitliche Feststellung gemacht, d~13 kleine Arsendosen be~ normalem Stoffweehsel nur sehr geringe, bei krankh~ft gesteigertem Stoffwechse] betr/~chtliehe Verminderung des Sauerstoff- verbrauchs bewirken. Andere Forscher gl~uben den Naehweis der Oxyd~tions- hemmung dutch Arsen ~us einer Verschiebung der H-Ionenkonzentration des Harns erbringen zu kSnnen, insofern, als erf~hrungsgem/il~ verlangsarnte Oxydation im K6rper zur Bildung saurer Stoffweehselprodukte ffihre, beschleunigte Oxydation dagegen eine alkalotische VersChiebung verursaehe. H i l d e b r a n d 9 f~nd dugegen bei Versuchen an Ratten in der Dosierung 0,05--1 mg Arsen stets Stoffwechsel- steigerung und Gewiehtsabnahme. Dosen bis zu 0,05 nag blieben unwirksam. - - Bei mit Sehilddriise (Thyr~den) geftitterten Tieren war eine st~rk erhShte Emlofind-

* Angenommen als Dr.-Dissertation yon der reed. Fakultg~ in Giel]en, 1935. H e n i u s : Dtsch. reed. Wschr. 1904, S. 949. - - ~ v. d. Ve lde : Mtineh. reed.

Wsehr. 1909, S. 2 4 1 . - 8 Zitiert naeh P o u l s e n : Lehrb. d. Pharmakologie. - - Mti l ler Dtseh. reed. Wsehr. 1922, S. 836.--~ B e l o n o g o w a : Dtseh. Arch. f. klin.

Med. 162, 297. - - 8 Ig ram~r u. T o m c s i k : Klin. Wschr. 1924, S. 111. - - 7 0 n a k a : Hoppe-Seylers Arch. 70, 433. - - s L i b e s n e y u. Vogel : IZlin. Wsohr. 1923, S. 689. - - ~ H i l d e b r a n d : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 101, 156 (1931).

Page 2: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

Klinisehe Studien fiber die Wirkung yon Arsen auf den Grundumsatz. 293

liehkeit gegen Arsen festzustellen: Schon in der Dosis yon 0,005 mg wkkte es dem den St, offwechsel steigernden Einflug der Thyradenfiitterung entgegen, indem es vorfibergehend zu einer Herabsetzung des Grundnmsatzes ffihrte. B i i t t n e r '~ land, daf3 kleine Arsendosen eine Senkung des Reststickstoffs ira Blur, grofle Arsen- dosen eine Steigerung bewirken. Eine analoge Wirkung land er bei geringer uncl bei hoehgradiger Sauerstoffarmut der Luft und schloB daraus, dal3 die Oxyda~ions- hemmung das ausschlaggebende Moment bei der Arsenwirkung ist.

LTber die Wirkung des Arsens als Antianaemicum liegen neuere Untersuchungen yon Wichels ll vor. Gemessen an der Retikulozytenzahl land er, dab erst toxische Arsendosen antianaemisch wirken. Einen Anstieg der H~moglobinwerte und Erythrozytenzahlen konnte er dabei nieht feststelleia.

I n Erwei te rung der Arbe i ten yon B i i t ~ n e r ~~ denen fast n u t Tier- versuche zugrundeliegen, babe ich n u n versucht , beim Menschen dutch gleichzei~ige Beobach tung von Grundnmsa tz , Res~stickstoff im Bln te u n d Ret ieu lozy tenbi ldung u n t e r dem Einf lug yon Arsen in verschiedener Dosierung, Anha l t spunk t e ffir seine Wirkungsweise u n d vielleicht Chera- peutische II inweise zu bekommen.

Versuchsanordnung. Als Versuchspersonen warden Patienten der Xlinik herangezogen, die keine

ernsteren Organbefunde t/atten oder sich in der Rekonvaleszenz befanden und eine gesunde Mitarbei~erin. Bei allen lag ein ann~hernd normaler Blutwert vor. W~hrend der Versuchsdauer unterblieb jede andere Medikation. Vor Beginn eines jeden Versuehs wurden m6gliehst zwei Kontrollbestimmungen des Grundumsatzes (O. U.), des Reststickstoffs (R. N.) und der Retieulozyten (Ret.) gemacht.

Die Versuche w-arden ausgeffihrt 1. in Form yon K u r z v e r s u c h e n , bei denen nach einer einmaligen Belastung mit Arsen in versehiedenen Dosierungen O. U., R. N. and Ret. �89 Stunde, 1 Stunde und 2 Stunden nach der Injektion bestimmf~ wurder~ (der Patient blieb w~hrend der Dauer des Versuehs nfichtern), 2. in Form yon L a n g v e r s u c h e n , die sich fiber 10--14 Tage erstreckten. Der Patient erhielt dabei 10 Tage lang tfiglich eine bestimmte Menge Arsen. G.U., R.N. und Ret. warden im Abstand yon 3--4 Tagen kontrolliert, m6glichst auch noch 3--4 Tage nach dem Absetzen des Arsens.

Das Arsen wurde bei einem Teil der Versuche in a n o r g a n i s c h e r B i n d u n g ale Natrium ~rsenieosum in 1 ~oiger L6sung intramuskul~r verwandt, bei einem anderen Teil in o r g a n i s c h e r B i n d u n g als Natriumsalz der Allylarsins~ure in 5~oiger L6sung - - dem Arsylen der Firma Hoffmann-Lu Roche -- , ebenf~lls intra- muskulgr (1 ccm Arsylen enthi~lf 22,5 mg Arsen). Bei drei Patienten wurcle Fowle r - sche LSsung angewand~, da sic Injektionen ablehn~en.

Der G. U. ist mit dem K n i p p i n g s c h e n Apparat im Zehrn~ninutenversuch er- mittelt worden. Zum Vergleieh wurde nur die jeweils verbrauehte Sauerstoffrnenge herangezogen, well die Fehlergrenze bei der Bestimmung der Kohlens~ureaus- seheidung und des respiratorischen Quotienten ffir diese Zweeke noeh zu groB ist (10 ~o). Der R. N. wurde bei den Kurzversuchen mit der Mikromethode naeh B a n g im Vollb!ut bestimm~, bei den Langversuohen wurde die Italbmikromethode nach K j e l d a h l in der Modifikation naeh P i n k u s s e n angewandt. Die Bet. wurden mit der fiblichen Supra-Vitalfi~rbung mit Brillant-iKresylviolett dargesCellt and mit Z~hlokkular jeweils 2000--3000 Erythrocyten ~usgez~hlt.

Es warden insgesamt 29 Versuche in 8 Versuehsreihen durchgeffihrt.

~0 B t l t t n e r : Z. exper, l~ed. 93, 391. - - n Wiche ls : Klin. Wsehr. 1933, S. 591. Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 181. 20

Page 3: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

294 E. KNELL �9

Kurzversuehe:

I. Versuchsreihe. DreiPersonenwurdenmit 2 ocmArsylen(45mgAs)inframuskul~r belastet.

2. ,, Drei Personen wurden mit 4 corn Arsylen (90 mg As) intramuskul~r belastet.

3. ,, Vier Personen wurden mit i mg Natrium arsenic, intramuskul~r belastet.

4. ,, Vier Personen wurden mit 4 mg Natrium arsenic, intramuskulSr belastet .

L a n g v e r s u c h e :

5. Versuehsreihe. Vier Personen erhieRen t~iglich 0,5 ecru Arsylen intramuskul~ir (Gesamtmenge As = 112,5 rag).

6. ,, Vier Personen erhiel ten t~g]ieh 2 ecru Arsylen in~ramuskul.~r (Gesamtmenge As = 450 mg).

7. ,, Vier Personen erhieRen tagl ich 2 mg Na t r ium arsenic, in t ra- muskul~r (Gesamtmenge 20 mg).

8. ,, Drei Personen erhie l ten F o w l e r s c h e LSsung in steigender Dosierung, insgesamt 75rag Kal i arsenic.

Die K u r z v e r s u c h e lassen im Grundumsatz fast durchweg ein geringes Absinken des Sauerstoffverbrauehs um 6--16 ~o des Ausgangs- wertes erkennen (s. Tabelle 1). - - Der Reststickstoff sinkt regelmal~ig 30--60 Miau~en naoh der Injektion erheblioh ab, um 16--60 ~o des Aus-

gangswertes. Auf organisch gebun-

lL 2#6

l z, s~ 13~

o

_~.~ ,

i /

I

30 6O 30 &O~h

Abb. 1. Versueh 4.

denes Arsen steigt er wieder zum Ausgangswert an oder bleib~ wenig dahinter zuriick, wahrend er nach anorganisch gebundenem Arsen nach 2 Stunden meist i~ber dem Ausgangs- weft liegt, um 17--40 ~o*.

Wie zu erwarten, ist so kurz nach einmatiger Arsengabe ein Reti- culozytenansfieg nicht sicher fest- zustellen** (Abb. 1).

Die Grundumsatzwerte der L a n g v e r s u c h e nach Gaben anor-

ganisch wie organisch gebundenen Arsens sind nioht gleichartig, die Aus- schliige gering und liegen durchweg innerhalb der Fehlergrenze. Bei mehr- tiigiger Pause reicht eine nur 10 Minuten dauernde Bestimmung offensicht- lich nicht aus, um Differenzen einwandfrei bestimmen zu kSnnen. Leider verfiigten wir noch nieht fiber eine Apparatur, die Bestimmungen fiber

* Nach den Laboratoriumsarbeiten der Med. Klinik Giel~en pilegt der R. N. beim nfiehternen Menschen im Laufe des Vormittags um wenige mg abzusinken, ohne dab ein \Viederanstieg erfolgt. Von uns vorgenommene IKontrollunter- suohungen konn ten diese Erfal~a'ung best~itigen. - - ** Aus Raumersparnis- gr i inden geben wir yon den Kurz- und Langversuehen nu t je ein Ergebnis in I4urvenform wieder.

Page 4: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

Klinische Studien tiber die Wirkung yon Arsen a uf den Grundumsatz. 295

Tabelle 1.

u such ~qr,

9

10

11 12

13

14

Dosis

2 ccm Arsylen 2 ,, ~,

1 m g Natr . ars.

1 ,, ,, ,, 1 ,, ,, ,,

4 ,, ,, , 4 ,, ,, ,,

4 ,, ,, ,,

4 ,, , ,

Grundumsatz

Ausgangs- grSl~te Ab- wer t des 0 2- ~veichung Yerbrauchs

2,79 2,63 2~34 2,41 2,18 2,38 2,15 2,30 2,16 2,28 2,24

2,36 2,32 2,12 1,99

2,52 2,32 2,75 2,87

2,59 2,18 2,52 2,36

2,24 2,06

2,74 2,63

%

- - 0

- - 0

- - 2

- - 1

- - 6

- - 2

+

- - 6

- - 8

- - 4

Reststickst.off

Ansgangs- grSlSte Ab- wer t weichung

in mgO/o in mgO/o

42 32 25 15 36 24 26 14 26 14 32 17

36 14 28 21

35 25 45 42 28

59 36 18 31 21

42 35 25

56 36 20

42

~

- - 1 6

- - 4 0

- - 3 4

- - 4 5

- - 4 3

- - 4 7

--61 - - 21 + 2 5 + 2 8 - - 40 d- 30 -- 40 - - 32 + 36 - - 29 d- 60 - - 44 -~- 17

mehrere Tage ermSglicht. Bei den Kurzversuchen kommt dieser Mangel insofern zum Wegfall, als yon wenig mehr als 2 Stunden 40 Minuten lang der Sauerstoffverbrauch kontrolliert wird. - - ~_hnlich liegen die Verhiiltnisse beim Reststickstoff. Auch hier ergeben sich ohne Medikamente oft recht erhebliche Unterschiede bei demselben Menschen an verschiedenen Tagen, vielIeicht z .T . auf Grund der Ern~hrung, die wir nicht so gleichm~l]ig gestalten k5nnen wie bei Versuchstieren. In sehr geringen Ausschl~gen yon 3- -4 mg~o lg ] t sich in Dosen yon 0,5 ccm Arsylen ein anfgngliches Absinken der Reststiekstoffwerte feststellen und e~n Zuriickgehen zum Ausgangswert gegen das Ende der Kur. Bei Dosen yon 2 ccm Arsylen war ein geringer Anstieg zu bemerken, der bei anorganisch gebundenem Arsen noch deutlicher war; es ist mSglich, da ] wit uns dabei bereits an der Grenze der die Assimilation f5rdernden kleinen Arsendosen befinden, wo u. U. die Dissimilation bereits zu iiberwiegen beginnt (Abb. 2). - - Das Knochenmark spricht auf lgngere Arsengaben dentlioh mit Reticulozytenausschwemmung an, bis zum 3--4:fachen Ausgangswert im peripheren Blur (Tabelle 2). Die yon W i c h e l s angegebenen Reticulozytosen habe ich bei den von mir angewandten geringeren Dosen nicht erreicht. Die Anox;4mie scheint allein nicht auszureichen flit einen stgrkeren Knoehenmarkreiz, sondern es miissen andere Reize hinzukommen, die wahrscheinlieh yon Eiwei~zerfalls- produkten herr'fihren. Wir diirfen denmach yon hohen Arsendosen zweierlei Wirknngen aui das Knochenmark annehmen: l. Den Reiz dutch die Anox~mie und 2. den Reiz dutch Eiweil~spaltprodnkte.

Page 5: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

296 E. K~LL :

In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, die Frage aufzu- werfen, oh das vermehrte Auftreten yon Reticulozyten als Beweis fiir eine wirksame Therapie der Anamien anzusprechen ist.

W i c he l s 11 schreibt: ,,Das ~eue unserer Methode ist, dab wit die Reticulozyten des gesunden Menschen als Testobjelct benutzen und aus ihrem Anstieg die Wirkung unserer Mittel auf die Blntbfldung erkennen kSnnen." Und: ,,Arsen ruff in hohen Dosen eine machtige Vermehrung tier Retieu!ozyten im peripheren Blur hervor. Es wird daraus auf eine dutch das Arsen bewirl~e vermehrte Blutbildung geschlossen. Die yon den Prak~ikern immer vertretene, abet noch hie bewiesene Ansehauung yon der fSrdernden Wirkung des Arsens auf die Blutbildung des Menschen finde~

Z 2 s g / s Z s ~ ~

2 r 6 8

Abb. 2. u 24.

10 12 I~ Tage

so die erste objektive Unterlage." Weil in den u abet gleichzeitig H~moglobinwerte und Erythrozy~enzahlen konstant blieben, so erw~gt Wiche l s dafiir zwei MSglichkeiten: 1. der Bildung der Erythrozyten geht vermehrter Untergang parallel, 2. die vermehrt gebildeten Erythrozyten werden in irgendwelchen Depots gestapelt und haben nicht tell an tier Zirkulation. Ich halte den vermehrten Untergang yon Erythrozyten fiir das Wahrscheinliche im Sinne der Erhaltung der Konstanten zwischen

Tabelle 2.

Aus- I S Versuch Aus- H~ichst- u gangs- ttiieh t Dosis gangs- weft Nr. weft wert " l~r. wer~

15 16 17 18 19 20 21 22

Dosis

0,5 eem Arsylen 1 4

t

eem Arsylen ~ 2 (

5 8 1

23 24 25 26 27 28 29

2 mg Natr. { arsenic.

Fowlersche { LSsung steigend

19 18 8

16 14 16 18

Page 6: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

Klinisehe S~udien t'tber die Wirkung yon Arsen a uf den Orundumsatz. 297

Blutbildung und -zerfall, da Wiehels nut Individuen mit normalen Nut- werten zur Priifung der Arsenwh'kung herangezogen hat. Die Menge der vermehrt untergehenden Erythrozyten ist jedoeh zu gering, um meBbare Untersehiede der Urobilinogenausseheidung im Itarn zu ergeben. - - Ziehen wit zum Vergleich die Lebertherapie bei der perniziSsen An~tmie heran. Der Anstieg der Reticulozyten ist dabei um so hSher, je mehr Amino- s~uren nnd Eiweigspaltwodukte sieh in den verwandten Leberextrakten befinden. In der hiesigen Klinik wurden his 54~o! Ret. beobaehtet. Diesem starken Knochenmarkreiz entsprieht nieht das Verhalten der Blutwerte. Wit haben sogar hgufig die Erfahrung gemaeht, dal3 I-Iiimo-

% gz?

~71 ,q 5 - 75 1 75

g

20

75

~S 5

0

I I I I I I I I

. . . . . >4:" f~ "/d. f~ ld.16.1Z',

~lr e..~Ne a~C~c~e Abb. 3. Patien~ K. ~. 12. II. his 16. IIL 1934.

^

t ~v/?e//cu/ozd/e h I

I I

I -/- \

I " ' / \~

} "- ~,7 "V')'~r'"1~..~, f ~ 7 ' l l l } l I l l l

y

~c~e

globinwerte und Erythrozytenzahien erst dann kontinuierlieh anstiegen, wenn die Reticulozytenzahlen abfielen. Die fiberstfirzte Aussehwem- mung yon Retieulozyten fiihrt zu keinem Erfolg, wenn nicht gleich- zeitig die Qualit~it der E r y t h r o z y t e n oder ihre Lebensbed in - gungen sieh bessern, d. h. ~ r vermehrter Untergang sistiert. Ist dies er- reieht, geht die Retieulozytenaussehwemmung spontan zuriick. Gleich- zeitig sinken die Urobilinogenwerte im Ham ab als Zeichen verminderten Erythrozytenzerfalls. Leberextrakte, die weitgehend yon den auf das Knochenmark reizend wirkenden Ehvei~spaltprodukten befreit sind, haben sich als besonders wirkungsvoll erwiesen. Bei Verwendung dieser Leber- extrakte iindet man praktiseh keinen Retieulozytenanstieg, dagegen einen kontinuierliehen Anstieg der Er~hrozytenzahlen nnd H~moglobin~erte neben allm~hlichem Absinken des Urobilinogens ira Harm Die folgenden Kurven aus den Beobaehtungen der Klinik 12 mSgen dies veranschauliehen.

12 B fit t n e r : Verhandl. d. deutsch. Gesellsch. f. inn. Medizin, Wiesbaden 1935.

Page 7: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

298 E. K~nL~:

Abb. 3 (Patient K.) zeig~ den Verlauf bei Anwendung eines an Eiweig- spaltprodukten reichen Leberex~ra]rtes, Abb. 4 (Patient Sch.) den bei Anwendung eines eiweigarmen Extraktes.

Die Retieulozy~enausschwemmung ist also offenbar nicht Ausdruek der wesentliehen spezifisehen Wirkung bei der erfolgreichen Lebertherapie der perniziSsen Angmie, beweist nicht den Weft eines Leberpri~parats. Ist es nun bei der Arsentherapie berechtigt den Retieulozytenanstieg als Test fiir ihre antian~mische Wirksamkeit anzuspreehen? C. Naegel i lz gibt an, dal] dutch Sauerstoffarmnt die Minimumresistenz eines Teils der roten BlutkSrperchen sink~, dagegen die Maximumresistenz besonders der jugendlichen Zellen erheb]ieh steigt. Da die oxydationshemmende Wirkung

t l - g l'~

r /~3 r~ , I /.~ {I-9 L oLgDt~ ~ 0

!

J Re/icalozy/ez [ "x..---.~

I r--va-r---.--~_ _+._e--r.-r-v----.t.-----~-~.--+--~_ ~ ' ~ . L . _ I8.18e~22122.e~ec..25g~ezes.e,9.?o.3~ 1 2. 3. g 5. 8. Z 8. ~ l~ l l , ~V. j ~ j~g/ J

l.lVocke z,~eke S.#ocke Abb. 4. Pa t i en t Seh. ~. 18. V. b i s 11. %'I. 1934.

des Arsens als feststehend anerkannt wird, darf man von ihm die analoge Wirkung wie bei primgrer Sauerstoffarmut annehmen, d.h. ein Tell der roten BlutkSrperchen geht unter der Arsenwirknng zugrunde nnd wird ersetzt dureh jugendlichere Zellen, deren Maximnmreslstenz erhSht ist. Es kommt anf diese Weise zn einer Auffrisehung des Blutes mit qualitativ wertvolleren Erythrozyten. Die Reticulozytenaussehwemmnng geht zuriiek, sobald die qualitative Besserung erreieht ist, Wit kSnnen uns auf Grnnd obiger Ausfiikrnngen daher der Meinung Wiehels nicht ansehliegen, dag die Vermehrung der Retienlozy~en im peripheren Blnt als Test fiir die blnt- bildende Wirkung des Arsens anzusprechen ist. Sic ist lediglieh ,,das friiheste und sicherste Zeiehen einer reak~iven Uberfunk~ion des Marks" (Naegelila), die wit z.B. auch bei In~e!rtionskrankheiten finden. Das Steigen oder Fallen der Retieulozytenzahl im peripheren Blur kann nut im Zusammenhang mit genauester Beobaehtung des Blutbildes gewertet werden. Das Absinken kann das Zeichen beginnender Bessernng ebensowoM als das der ErschSpfung des Knochenmarks sein.

13 Naegeli: Biol. Z. 231, 59 (1931). -- 14 Naegeli: Blutkrankheiten u. Blutdiagnostik.

Page 8: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

I41inisehe Studien tiber die Wirkung yon Arsen auf den Gmmdumsatz. 299

Besprechung.

AuI Grund der bisherigen Ergebnisse der Arsenforsehnng und unserer Yersuchsergebnisse mSchten wit uns die Wh'kung therapeutischer Arsen- gaben wie folgt rots*ellen: Das Arsen setzt den Sauerstoffbedarf des KSrpers herab und fiihrt in Meinen Dosen zu einer Steigerung der assimilatorischen Vorggnge. AIs ein Zeiehen gesteiger~er Assimilation ist die positive Stick- stoffbilanz ~rtiher beschrieben worden. Wit sehen aueh die Reststiekstoff- senkung in diesem Sinne an. Das Blur verarmt an R.N.-Substanzen, weil der normale Zerfall yon Muttersubstanz unter Arsenwirkmlg verlang- saint wird. Die naeh h6heren Arsendosen beobaehteten Reststiekstoff- steigerungen lassen sieh zwanglos als Folge erhShten Zer~alls yon Mutter- substanz deuten. Der Retieulozy~enanstieg im Blur naeh Arsengaben mag zum Teil auf die Anoxiimie zu beziehen sein; bei hohen Desert diirften auch Eiweil~zerfallsprodukte als Knoehenmar~'eiz wirken. Die Reticulo- zytenvermehrung im Blur ist allein Ausdruek eines Knoehenmarkreizes altgemein und nieht Zeichen unbedingt gtinstiger Blutneubildung. Wit kSnnen daher die l%eticulozytensteigerung wie aueh andere Autoren nicht als ,,Teat" flit die antianSmisehe Wirksamkeit eines Pr~parats ansprechen.

Es iiberrascht, zu sehen, welch hohe Mengen Arsen man in organiseher Bindung geben kann ohne toxisehe Erseheinungen zu bekommen, wie sehnell man dagegen mit anorganisehen Dosen an der toxisehen Grenze ist.

Bereits naeh 10--15 nag Arsen besehreibt Wiehels unangenehmste toxisehe Erseheinungen, wghrend 90 mg Arsen und mehr in Arsylen symptomlos vertragen werden. 4mg Natrium arsenic, lassen im Kurzversueh den Reststiekstoffspiegel h6her ansteigen als 90 mg Arsen in Arsylen, desgleiehen wirken 20 mg Natrium arsenic, im Langversueh stiirker als 500 mg in Arsylen. Es ist die gleiehe gute VertriLgliehkeit hoher Arsendosen in org~niseher Bindung, die wit vom Salvarsan her kennen. Die I~2oppelung an das grebe Molekiil einerseits, die L6sliehkei~ in anderen Substanzen und damit die Verteilung und Resorption in anderen KSrperregionen andererseits, diirften die Ursache der ver/inderten Wirkungsweise sein.

Als Roborans, we man die die Assimilation f6rdernde Dosis keinesfalls iibersehreiten will, seheint daher das organiseh gebundene Arsen wegen seiner geringeren Giftigkeit den Vorzug zu verdienen. Als AntianSmieum d~'fte die Beeinflul~barkeit des Einzelnen bei der Wahl des Nittels und der Dosis aussehlaggebend sein.

Zusammenfas sung .

1. Nach einmaligen therapeutischen Arsendosen kommt es zu einem i eindeutigen geringen Absinken des Grundumsa tzes . Dabei ist es gleieh- giilgig, ob eine anorganisehe oder organisehe Arsenverbindung gegeben wird....!

2. Der R e s t s t i e k s t o f f erfiihrt sowohl naeh anorganisehen wie organisehen Arsenverbindungen im K u r z v e r s u e h regelm~igig eine er-

Page 9: Klinische Studien über die Wirkung von Arsen auf den Grundumsatz, den Reststickstoff und die Reticulozyten im Blute des Menschen

300 E. KNELL.

hebliehe Senkung. Bei anorganischen Arsenverbindungen komrat es nach der Senkung vielfach zu einem Anstieg fiber den Ausgangswert, w~hrend bei den organischen Arsenverbindungen der Anstieg h6chstens den Aus- gangswert erreicht.

Im L a n g v e r s u c h fiihren die anorganischen Arsenverbindungen zu einer Steigerung des Reststickstoffs, die bei den org~nischen Verbindungen hSchstens bei starker Dosierung eben angedeutet ist.

3. Anorganische und organische Arsenverbindungen ffihren naeh l~ngerer Yerabreichung regelm~ig zu einer R e t i c u 1 o z y t e n - ausschwemmung im Blur. Die Ausschwemmung naeh anorganischen Verbindungen ist die st~rkere.

4. Der Ansicht Wishe l s , dag der Reticulozytenanstieg ein ,,Test" flit die antiangmisehe Wirksamkeit eines Pr~parates ist, kSnnen wir uns nieht ansehliel~en.