kitzrettung im eschner riet...2020/07/27  · kitzrettung im eschner riet liechtensteiner...

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KITZRETTUNG IM ESCHNER RIET LIECHTENSTEINER JÄGERSCHAFT 18 I PANORAMA SOMMERAUSGABE 2020 Warum betreiben die Jäger Kitz- rettung, wenn die Tiere danach im Rahmen des vorgeschriebenen Abschussplanes sowieso wieder erschossen werden müssen? Mit unserer Arbeit retten wir nicht nur Rehkitze, sondern auch viele andere Tiere. Es geht dabei nicht um die Ret- tung des einzelnen Tierlebens, son- dern vor allem darum, Tierleid zu ver- meiden. Meist sind die Tiere nicht sofort tot, sondern werden schwer verletzt. Sie leiden dann tage- oder wochenlang, bis sie an ihren Verlet- zungen und deren Folgen sterben. Die Jäger im Eschner Riet dürfen hierzulande als Pioniere der Kitzrettung bezeichnet werden. Schon vor Jahren, als dieses Thema in der Öffentlichkeit noch kaum auf Interesse gestossen ist, haben sie erkannt, dass durch die Be- wirtschaftung der Wiesen im Frühjahr oft unsägliches Tierleid entsteht und haben beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Seither haben sie in Tausenden Arbeitsstunden unzählige Methoden ausprobiert, entwickelt und laufend verbessert. Neben weiteren Massnahmen zur Lebensraumverbesse- rung wie das Anlegen von Wildäckern, das Pflanzen von Trittsteinen und dgl., um die Artenvielfalt (Biodiversität) zu unterstützen, ist die Kitzrettung eine der zeitintensivsten Arbeiten, die im Jagdrevier Eschner Riet anstehen. Wir haben Jagdleiter Daniel Nägele zu diesem Thema befragt.

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  • KITZRETTUNG IM ESCHNER RIET

    LIECHTENSTEINER JÄGERSCHAFT

    18 I PANORAMA SOMMERAUSGABE 2020

    Warum betreiben die Jäger Kitz-

    rettung, wenn die Tiere danach im

    Rahmen des vorgeschriebenen

    Abschussplanes sowieso wieder

    erschossen werden müssen?

    Mit unserer Arbeit retten wir nicht nur

    Rehkitze, sondern auch viele andere

    Tiere. Es geht dabei nicht um die Ret-

    tung des einzelnen Tierlebens, son-

    dern vor allem darum, Tierleid zu ver-

    meiden. Meist sind die Tiere nicht

    sofort tot, sondern werden schwer

    verletzt. Sie leiden dann tage- oder

    wochenlang, bis sie an ihren Verlet-

    zungen und deren Folgen sterben.

    Die Jäger im Eschner Riet dürfen hierzulande als Pioniere der Kitzrettung

    bezeichnet werden. Schon vor Jahren, als dieses Thema in der Öffentlichkeit

    noch kaum auf Interesse gestossen ist, haben sie erkannt, dass durch die Be-

    wirtschaftung der Wiesen im Frühjahr oft unsägliches Tierleid entsteht und

    haben beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Seither haben sie in

    Tausenden Arbeitsstunden unzählige Methoden ausprobiert, entwickelt und

    laufend verbessert. Neben weiteren Massnahmen zur Lebensraumverbesse-

    rung wie das Anlegen von Wildäckern, das Pflanzen von Trittsteinen und dgl.,

    um die Artenvielfalt (Biodiversität) zu unterstützen, ist die Kitzrettung eine

    der zeitintensivsten Arbeiten, die im Jagdrevier Eschner Riet anstehen. Wir

    haben Jagdleiter Daniel Nägele zu diesem Thema befragt.

  • PANORAMA SOMMERAUSGABE 2020 I 19

    Was sind die grössten Heraus -

    forderungen bei der Kitzrettung?

    Am schwierigsten war es, die Land-

    wirte dazu zu bewegen, sich vor den

    Mäharbeiten bei uns zu melden. Einige

    waren von Anfang an froh, dass wir

    diese Leistung anbieten, andere woll-

    ten die Sinnhaftigkeit oder den Nut-

    zen anfangs gar nicht einsehen. Seit

    aber die VBO ihre Mitglieder auch dazu

    aufruft, die Kitzrettung zu unterstüt-

    zen, ist die Zusammenarbeit mit prak-

    tisch allen Landwirten hervorragend.

    Sind bei euch auch Drohnen

    im Einsatz?

    Wir haben keine Drohnen im Einsatz.

    Wir versuchen, möglichst schonend

    zu handeln. Die Drohnen fliegen am

    frühen Morgen noch im Dunkeln. Sie

    machen schlafenden Vögeln, Rehen,

    Füchsen, Hasen usw. Angst und ver-

    setzen sie womöglich in Panik. Wird

    mit der Drohne ein Kitz entdeckt, dann

    wird es aus der Wiese getragen und

    mit einer Kiste abgedeckt, damit es

    nicht zurück in die Wiese läuft. Das

    Kitz hat dabei grosse Angst und auch

    die Mutter beobachtet das Gesche-

    hen aus der Ferne und hat Angst um

    ihr Junges. Unter Umständen mäht

    der Landwirt erst am Nachmittag

    und das Kitz muss solange unter der

    Kiste ausharren. Die Drohne ist si-

    cher eine super Methode für den

    Notfall, sie kommt aber für uns nicht

    als Standardmethode infrage.

    Wie läuft die Kitzrettung bei euch

    ab und wie viele Kitze könnt ihr

    jedes Jahr retten?

    Unser Ziel ist es, die Wiesen am Vor-

    tag so zu präparieren, dass die Reh-

    geiss veranlasst wird, ihre Jungen

    (meist sind es zwei Kitze) über Nacht

    selbst aus der Wiese zu holen und

    anderswo abzulegen. So können wir

    unter Tags arbeiten, wenn die Tier-

    welt die menschlichen Störungen

    sowieso gewöhnt ist.

    Ausserdem überlassen wir es der

    Mutter, wie und wo sie ihre Jungen

    in Sicherheit bringt. Aus unserer Sicht

    ist das viel stressfreier für alle Tiere

    im Umfeld. Ausserdem retten wir so

    nicht nur Rehkitze, sondern neben-

    bei auch andere Tiere wie Hasen

    oder Bodenbrüter, welche die präpa-

    rierten Wiesen ebenfalls verlassen.

    Leider können wir dadurch aber nicht

    sagen, wie viele wir retten. Wir kön-

    nen nur feststellen, dass verletzte

    oder getötete Kitze im Eschner Riet

    mittlerweile eine Ausnahme sind.

    Unsere Arbeit funktioniert also und

    das ist die Hauptsache.

    Wie funktioniert das, wie werden

    diese Wiesen präpariert?

    Das Muttertier reagiert sehr miss-

    trauisch auf plötzliche Veränderun-

    gen in seiner Umgebung. Als Vorsichts-

    massnahmen verlässt sie dann die

    unmittelbare «Gefahrenzone». Seit

    ein paar Jahren setzen wir dazu den

    Kitzretter KR01 ein. Das Gerät wird

    mitten in die Wiese platziert, wo es

    leuchtet, blinkt und pfeift. Es hat eine

    sehr grosse Reichweite (ca. 100 m)

    und erleichtert uns die Arbeit enorm.

    Natürlich ersetzt es andere Metho-

    den, wie das Verstinken mit Parfum,

    Deo oder einem speziellen Spray

    nicht völlig. Wir haben sehr viele

    Methoden ausprobiert. Jede Situa-

    tion ist anders (Wind, Bewuchs, To-

    pografie …) und wir setzen jeweils

    die geeignetste Methode ein.

    Wieviel Arbeit steckt ihr jedes Jahr

    in die Kitzrettung?

    Seit wir mit den neuen Geräten ar-

    beiten, sind es im Eschner Riet noch

    ca. 100–150 Mannstunden pro Jahr.

    Zuvor waren es aber auch schon

    250 Mannstunden in einer Saison

    oder mehr.

    Vielen Dank für die Informationen

    und euren freiwilligen und unent-

    geltlichen Einsatz für unsere

    Natur. Vielen Dank auch an alle

    anderen Jäger, die in den anderen

    Revieren ebenfalls eine grossartige

    Arbeit zur Vermeidung von Tierleid

    und für den Naturschutz leisten.