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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07 Amt und Gemeinde Die traditionelle Form christlichen Lebens

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Page 1: Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07 Amt und Gemeinde

Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte

Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

Amt und Gemeinde

Die traditionelle Form christlichen Lebens

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Gregormesse

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lutherischer Gottesdienst

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Übersicht

1. Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment

2. Die calvinistische Basiskirche

3. Der Hausvater und die christliche Familie• Ekklesiologie

- die Lehre von der Kirche

- griech.: εκκλησία, lat.: ecclesia; kath.: sakramentale, durch Bischöfe repräsentierte Organisation mit dem Primat des römischen Bischofs; luth.: durch Predigtamt konstituierte Gemeinschaft; reformiert: presbyterial-synodal organisierte Basiskirche; täuferisch: Gemeinschaft der Glaubenden

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1.1 Luthers Adelsschrift

Portrait von Lucas Cranach d.Ä., 1520

Die unvergänglichen Abbilder seines Geistes bringt Luther selbst hervor, seine sterblichen Züge jedoch das Wachs des Lucas

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1.2 Begriffsklärungen

• Stand– rechtlich und sozial abgeschlossene gesellschaftl. Schicht

• Qualifizierung durch Geburt, Beruf oder Bildung; kirchlicherseits meist Zweiteilung: Kleriker / Laien; im Früh- u. HochMA Differenzierung in Adel, Freie und Unfreie; im SpätMA: Adel/Bürger/Bauern; verfassungsrechtlich: Adel/Prälaten/Städte (Bürger)

• Kleriker– Person geistlichen Standes

• Aufnahme in den Stand des Klerikers erfolgte früher durch die Tonsur ; mit dem Klerikerstand waren Privilegien verbunden: p.canonici (bes. Rechtschutz), fori (weltl. Gericht), immunitatis (Abgaben); Pflichten u.a.: Zölibat für Priester u. Mönch seit Lateran II, 1139

• Weihesakrament– Einsetzung zum Bischof, Priester oder Diakon

• durch Handauflegung und Weihegebet wird die Gabe des Heiligen Geistes auf den Anwärter übertragen; beim Bischof wird das Haupt mit Chrisam (Salböl) gesalbt; beim Priester: Gehorsamsversprechen und Gelöbnis der Ehelosigkeit; seit Vaticanum II als Diakone auch viri probati zugelassen

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1.3 allgemeines Priestertum – Luther: Adelsschrift

Dan alle Christen sein warhafftig geystlichs stands, unnd ist unter yhn kein unterscheyd, denn des ampts halben allein, ... das macht allis, das wir eine tauff, ein Evangelium, eynen glauben haben, unnd sein gleyche Christen, den die tauff, Evangelium und glauben, die machen allein geistlich und Christen volck. ... Dem nach szo werden wir allesampt durch die tauff zu priestern geweyhet, ... dan wo nit ein hoher weyen in uns were, den der Bapst odder Bischoff gibt, szo wurd nymmer mehr durch Babsts vnnd Bischoff weyhen ein priester gemacht …

(Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, 1520, WA 6, 407)

WA = Weimarer Gesamtausgabe der Werke Martin Luthers, Weimar 1883 ff

alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes und ist unter ihnen kein Unterschied außer allein des Amts halber. ... Das alles macht, dass wir eine Taufe, ein Evangelium und Glauben haben und auf gleiche Weise Christen sind; denn die Taufe, Evangelium und Glauben, die machen allein geistlich und Christenvolk. ... Demnach werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweihet. (vgl. 1. Petr.2; Offenb. 5,10) ... Denn wo nicht eine höhere Weihe in uns wäre, als der Papst oder Bischof gibt, so würde durch des Papstes und Bischofs Weihen nimmermehr ein Priester gemacht ...

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1.4 die Vollmacht der Gemeinde , 1523

• Sonst wo nicht solch nott [an Verkündigung des Evangeliums] da ist und fur handen sind, die recht und gnad haben zu leren, soll keyn Bischoff yemand eynsetzen on der gemeyn wal, will und beruffen, sondern soll den erwelten und beruffen von der gemeyne bestettigen; thut ers nicht, das der selb [der Pfarrer] dennoch bestettiget sey durch den gemeyne beruffen. Denn es hat widder Titus noch Timothes noch Paulus yhe eynen priester eyngesetzt on der gemeyne erwelen und beruffen [Titus 1,7; 1.Tim 3,2].

Martin Luther, Daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusaetzen. Grund und Ursach aus der Schrift. 1523, WA 11, 414

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1.5 der große Bauernkrieg 1525

• 1524-1525– Der große Bauernkrieg, eine christliche Sozialrevolte

– im südlichen Schwarzwald begonnen, verbreitete er sich über große Teile Süd- und Mitteldeutschlands; ideelle Grundlage: «Die zwölf Artikel»; blutige Niederlagen in Weinsberg und Mühlhausen; markiert einen Wendepunkt in der lutherischen Reformationsgeschichte

Die Grundtlichen vnd rechten haupt Artikel aller Baurschafft vnd Hyndersessen der Geistlichen vn weltlichen oberkayten, von welchen sy sich beschwert vermainen¹

Luthers Gegenschriften:1) Ermanunge zum fride auff die zwelff artikel der Bawrschafft ynn Schwaben2) Wider die sturmenden Bawren Auch wider die reuberischen vnd mördisschen rotten der andern Bawren

„Solch wunderliche Zeiten sind jetzt, dass ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen leichter verdienen kann als andere mit Beten ... Drum, liebe Herren, ... steche, würge hier, wer da kann, bleibst Du drüber tot, wohl Dir, seligeren Tod kannst Du nimmermehr überkommen.“

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1.6 der Beginn eines neuen Kirchenwesens

Dürer: Philipp Melanchthon, 1626

Melan – chthon

Schwarz – erdt

melanos – chthon

μέλανος - χδών

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1.7 sächsische Visitation, 1528

• [wenn eine Vakanz in einer Pfarre eintritt] und andere an yhre stat durch yhre lehenherrn genomen würden, ... sollen zuvor, ehr sie mit den Pfarren belehnt odder zu Prediger auffgenomen werden, dem Superattendenten fürgestellet werden. Der soll verhören und examiniren, wie sie ynn yhrer lere und leben geschickt, ob das volck mit yhnen genugsam versehen sey, Auff das durch Gottes hülffe mit vleis verhütet werde, das kein ungelerter odder ungeschickter zu verfürung des armen volcks auffgenomen werde.

Philipp Melanchthon, Unterricht der Visitatoren, [1528], WA 26, 235

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1.8 der Landesherr als Bischof

der Fürst:

praecipuum membrum ecclesiae,

das vornehmste Glied der Kirche

Johann Friedrich, „der Großmütige“, Kurfürst von Sachsen seit 1532

von links nach rechts:

Luther, Magister Georg Spalatin, Kf. Johann Friedrich, Kanzler Dr. Gregor Brück, Philipp Melanchthon

Lukas Cranach d.Ä., 1532/39, Altar-fragment (?), Museum of Art, Toledo/Ohio

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1.9 das landesherrliche Kirchenregiment

• Welcher Regent ... nun auch öffentliche, allgemeine Reichs- und Friedensschlüsse für sich hat, daß er Episcopus in externis sei und daß er auch die anderen jura Episcopalia, welche die Bischöfe sonst allein für sich oder durch ihre Officiales verrichtet, durch gewisse dazu bestellte ... Personen, die man Consistoriales oder Superintendentes (das ist eben so viel als Episcopi) nennt, zu führen habe, der wird ja daraus ... erkennen, daß es nicht zu verantworten sei, wenn er .. damit .. unordentlich umgeht

Veit Ludwig von Seckendorff, Christenstaat (1685)

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1.10 Glossar zum landesherrlichen Kirchenregiment

• Summus episcopus– Bischofsamt einer weltlichen Obrigkeit

• in der Reformation nach Wegfall der bisherigen bischöflichen Jurisdiktion ausgebildet; bei Melanchthon als membrum praecipuum bezeichnet, dann als Notbischof, schließlich, seit dem Westfälischen Frieden als summus episcopus

• Konsistorium (lutherisch)– oberste Verwaltungsbehörde der Landes- bzw. Provinzialkirche

• übte im Namen des Landesherrn dessen kirchl. Regierungsrechte aus (Summepiskopat); Leitung: kollegiales Gremium aus Juristen und Theologen; nach 1918 in Landeskirchenamt umbenannt; im 19. Jh. wurde diese Kirchenstruktur um synodale Elemente erweitert

• Ius circa sacra– Recht über kirchliche Angelegenheiten zu entscheiden

• im Gegensatz zum ius in sacra als reine innerkirchliche Angelegenheit die juristische Kompetenz, in allen äußerlichen Fragen des kirchlichen Lebens zu entscheiden (Kult, Ordnung, Organisation etc.), wobei die Differenzierung problematisch bleibt

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Übersicht

1. Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment

2. die calvinistische Basiskirche

3. der Hausvater und die christliche Familie

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2.1 die Calvinistische Basiskirche – der Reformator Johannes Calvin

• Jean Calvin (1509-1564)– Reformator Genfs und

Westeuropas

1509-1564; Studium der klass. Lit. und Recht in Paris, Orléans; nach Bruch mit Tradition Aufenthalt in Basel, Genf, Straßburg, Genf (seit 1540); prägt die «reformierte Theologie» und Kirche (ämterorientierte Laienkirche mit strenger Kirchenzucht)

... wie David von den Schafhürden weg zur höchsten Stelle im Reich erhoben worden ist, so hat Gott mich aus meinen dunklen und geringen Verhältnissen emporgezogen und mich des ehrenvollen Amtes gewürdigt, ein Verkünder und Diener seines Evangeliums zu sein. ... Und während ich nur im Sinne hatte, irgendwo unbekannt in Muße zu leben, führte mich Gott auf allerlei Umwegen ... bis er mich, ganz entgegen meiner natürlichen Veranlagung, schließlich ans helle Licht zog.Jean Calvin, Psalmenkommentar. Vorrede (1557) , - Schwarz 3. 895ff

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2.2 die Calvinistische Basiskirche – die Stadt Genf

• Genf– Wirkungsstätte Calvins

• ehemals Bischofsstadt, unter dem Schutz von Bern Vertreibung des Bischofs und Öffnung zur Reformation; 1540 Calvin geht endgültig in die Stadt; 1553 erste protestantische Ketzerverbrennung (Michel Servet); 1559 Gründung einer Akademie (Théodore Bèze); von dort Ausstrahlung des Calvinismus auf Westeuropa; heute: Sitz des ökumen. Rates der Kirchen

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2.3 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenordnung

• Erstlich gibt es vier Klassen und Arten von Aufträgen, die unser Herr für die Leitung seiner Kirche gestiftet hat, nämlich die Pastoren, dann die Doktoren, hierauf die Ältesten, viertens die Diakonen ... Der Auftrag der Pastoren ... ist, das Wort Gottes zur Lehre, zur Ermahnung, zur Zurechtweisung und zum Tadel öffentlich und den einzelnen zu verkündigen, die Sakramente zu verwalten und zusammen mit den Ältesten (und Ratsbeauftragten) die brüderliche Zurechtweisung durchzuführen

Jean Calvin, Ordonnaces ecclésiastiques, 1541, 2.Aufl. 1561 , I.2.4

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2.4 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenzucht

• Ihre [der Ältesten] Aufgabe ist, über den Lebenswandel jedes einzelnen zu wachen und die in Liebe zu ermahnen, die sie straucheln und ein ungeordnetes Leben führen sehen... Entsprechend der Lage der hiesigen Kirche soll man dafür zwei aus dem Kleinen, vier aus dem Mittleren und sechs aus dem Großen Rat wählen, Leute von gutem und ehrbarem Lebenswandel, ... Und bei ihrer Wahl wird man darauf achten müssen, daß jedes Stadtviertel berücksichtigt wird, damit sie überall ihre Augen haben können ...

Jean Calvin, Ordonnances ecclésiastiques, 1541, ²1561, I.48.49

l‘avancement du Royaume de Dieu,

der Fortschritt der Königsherrschaft Gottes

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2.5 die Calvinistische Basiskirche – die Prüfung der Pastoren

• Die Prüfung [des Pastors] besteht aus zwei Teilen. Der erste betrifft die Lehre, nämlich ob der zu Berufende eine gute und heilige Kenntnis der Schrift hat, und ferner, ob er geschickt und fähig ist, sie dem Volk zu seiner Erbauung zu übermitteln ... Der zweite Teil der Prüfung betrifft seinen Lebenswandel. Es ist festzustellen, ob er ein gutes Benehmen besitzt und sich immer untadelig geführt hat. Die Art des Vorgehens ist von Paulus ausgezeichnet geschildert worden [1.Tim 3,1ff].

Jean Calvin, Ordonnances ecclésiastiques, 1541, ²1561; I.6.9

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2.6 die reformierte Basiskirche – die Emder Synode

• Nulla Ecclesia in alias, nullus Minister in Ministros, Senior in Seniores, Diaconus in Diaconos primatum seu dominationem obtinebit, sed potius omni suspicione sibi cavebit. / Keine Kirche soll über andere Kirchen, kein Diener des Wortes über andere Diener des Wortes, Ältester über Älteste, Diakon über Diakone einen Primat oder Weisungsbefugnis erhalten, ja soll sich selbst vor jedem Verdacht [irgendeiner Vorrangstellung] hüten.

Acta Synodi ecclesiarum Belgicarum habitae Embdae (1571) , art. 1 - BSKORK, 279

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2.7 Die Duisburger Generalsynode von 1610 – die „Kirche unter dem Kreuz“ tritt ans Licht

• Titelblatt des Duisburger Protokollbuchs

Umschrift: SIG[illum] SYNODI GENERALIS IUL[iaci] CLIV[iae] MONT[is] MARCH[iae]innen: PETRA CHRISTUS

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2.8 die nieder-rheinischen Herzogtümer

JülichKleveBerg

im

16. Jahrhundert

Kleve

Mark

ab 1610:

Brandenburg-Preußen

Jülich

Berg

Pfalz-Zweibrücken

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2.9 die Synodalstruktur der protestantischen Kirche am Niederrhein

Vom sechsten: [9.] Ferners halten die anwesende Brüder dafür, daß zu Vortpflanzung und Erbauung der Kirchen sehr dienlich, daß die bis anhero unter dem Creuz geubte Zusammenkunften der Kirchendiener und Eltisten auf folgende Weise soll continuirt werden: [species Conventuum] 1) Irstlich daß eine jede Gemeine ihr Presbyterium oder Consistorium habe und underhalte; oder wo eine Gemeinde allein zu schwach oder zu gering darzu were, sich zwo, drei oder mehr zusamentuen und unter ihnen ein gemeines Consistorium anstellen. -Zum anderen daß alle Kirchen in gewisse Classes geteilt und in jede Class gewisse Kirchen gezogen werden, die ihre Classicos Conventus haben und zu bestimbten Zeiten besuchen sollen. - Zum dritten daß die Classes den Provincialibus Synodis zu gebuerlichen Zeiten beiwohnen, und zum vierten die Provinciales die Generales Synodos auch besuchen sollen.

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2.9a reformierte Kirchenstruktur

Generalsynode

Provinzialsynode

Classis, Kreissynode

Kirchengemeinde, Prebyterium

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KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde26

2.10 die reformierte Basiskirche - Glossar

• Synode– übergemeindliche Kirchenversammlung

– von der reformierten Basiskirche, ohne landesherrlichen Schutz, entwickelte Organisationsform, in der Geistliche (minister verbi) und Laien (Presbyter) gleichberechtigt sind; Synodenhierarchie: Gemeinde < Kreissynode (Classis) < Provinzialsynode < General- oder Nationalsynode

• Presbyterium– Rat der Ältesten, Leitungsgremium der Gemeinde

– aus Laien zusammengesetzt; bilden mit den Geistlichen zusammen das Consistoire (Konsistorium, reformiert), dessen Hauptaufgabe die Kirchenzucht ist; entsendet Vertreter in die nächst höhere Synode (Classis)

• Kirche unter dem Kreuz– Selbstbezeichnung niederländischen Flüchtlingsgemeinden

– der Niederrhein war ein wichtiger Zufluchtsort vor der spanischen Verfolgung der Protestanten in den Niederlanden; trotz der relativ milden herzoglichen Regierung waren sie wegen der chaotischen Zustände immer wieder Verfolgungen ausgesetzt

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Übersicht

1. Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment

2. die calvinistische Basiskirche

3. der Hausvater und die christliche Familie

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3.1 der Hausvater als Zentrum der christlichen Sozialisation

• Martin Luther, Enchiridion. Der kleine Katechismus fur die gemeine Pfarrherr und Prediger (1529)– DAS ERSTE HAUPTSTÜCK: Die zehn Gebote,

• wie sie ein Hausvater den Seinen einfältig vorhalten soll– Das erste Gebot

» Ich bin der Herr, dein Gott ...

– DAS ZWEITE HAUPTSTÜCK: Der christliche Glaube,

• wie ihn ein Hausvater den Seinen aufs einfältigste vorhalten soll.

– Der erste Artikel

– Von der Schöpfung» Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer

Himmels und der Erde.

– Was ist das? » Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat ...

Parvus catechismus pro pueris in schola. Quo pacto paedagogi suos pueros decem praecepta (bzw. symbolum apostolicum, orationem Dominicam, sacramentum baptismi, sacramentum altaris) simplicissime docere debeant

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KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde29

3.2 Der Kleine Katechismus Martin Luthers, 1529

Das Erste Hauptstück• Die Zehn Gebote

Das Zweite Hauptstück• Der Glaube (das apostolische Glaubensbekenntnis)

Das Dritte Hauptstück• Das Vater Unser (die 7 Bitten mit Anrede und Beschluss)

Das Vierte Hauptstück• Das Sakrament der heiligen Taufe (4 Abschnitte: Was ist die

Taufe? Was gibt oder nützt die Taufe? Wie kann Wasser solch große Dinge tun? Was bedeutet denn solch Wassertaufen?)

Das Fünfte Hauptstück• Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl

Anhang• Mustergebete, Haustafel (standesspezifische Ermahnungen auf

der Basis von Bibelpassagen)

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KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde30

3.3 Das Morgengebet des Kleines Katechismus, 1529

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren, morgens und abends sich segenen¹.

• Des walt Gott Vater, Sohn, heiliger Geist, Amen.

Darauf knieend² oder stehend den Glauben (das apostolische Glaubensbekenntnis) und das Vaterunser; willst Du, so magst Du dies Gebetlin dazu sprechen:

• Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch Jesum Christ, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht fur allem Schaden und Fahr behut hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behuten fur Sunden und allem Ubel, daß Dir alle mein Tun und Leben gefalle; denn ich befehle mich, mein Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der bose Feind keine Macht an mir finde, Amen.

Und alsdenn mit Freuden an Dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen, als die zehn Gepot³ oder was Dein Andacht gibt.

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3.4 der Heidelberger Katechismus, 1563

• Catechismus in unserer Christlichen Religion heißt ein kurzer und einfältiger¹ mündlicher Bericht² von dem fürnehmsten³ Stücken der christlichen Lehre, darinnen von den Jugendlichen und Einfältigen wiederum gefordert und gehört wird, was sie gelernt haben. Denn es haben alle Gottseligen von Anbeginn der christlichen Kirchen sich beflissen, ihre Kinder daheim, in Schulen und Kirchen in der Furcht des Herrn zu unterweisen ...

modernisierter Text aus der Einleitung zum Katechismus in der Kirchenordnung der Kurpfalz, mit der 1563 dort die reformierte Konfession vom Kurfürsten eingeführt wurde; zitiert nach:

Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. Wilhelm Niesel, 2. Aufl., Zollikon-Zürich (1938)4, S. 148

• 1. Teil: Von des Menschen Elend• 2. Teil: Von des Menschen Erlösung (enthält ausführliche

Analyse des Glaubensbekenntnisses und Erläuterung von Taufe und Abendmahl)

• 3. Teil: Von der Dankbarkeit (Erklärung der 10 Gebote und Vaterunser)

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3.5 der Catechismus Romanus, 1566

• erster offizieller katholische Katechismus, 1566– setzt die Beschlüsse des Trienter Konzils lehrmäßig um;

• Vorläufer: Katechismus des Petrus Canisius SJ, 1555;• Adressat: nicht Kinder, sondern Pfarrer als Leitfaden für

Predigt und Unterricht; • in humanistischer Manier in Frage- und Antwortform verfasst;• neben der Professio fidei Tridentina,1564 prägt der CR

maßgeblich den neuzeitlichen Katholizismus bis zum zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65)

heute, nach mehreren Vorläufern, ersetzt durch:

Katechismus der katholischen Kirche, 1993

lat.: Catechismus catholicae ecclesiae, 1991

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3.6 das freie exercitium privatum¹ des Hausvaters, 1648

• Ferner ist beschlossen worden, dass jene ..., welche nach Verkündigung des Friedens inkünftig eine andere Religion bekennen und annehmen werden als ihr Landesherr, nachsichtig geduldet und nicht gehindert werden sollen, sich mit freiem Gewissen zu Hause ihrer Andacht privat zu widmen, in der Nachbarschaft aber, wo und sooft sie es wollen, am öffentlichen Gottesdienst teilzunehmen oder ihre Kinder auswärtigen Schulen ihrer Religion oder zu Hause Privatlehrern zur Erziehung anzuvertrauen

Der Westfälische Friede 1648, Art. V, § 34

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3.7 Glossar - Katechismus

• Katechismus– kurze Unterweisung des christlichen Glaubens

• seit dem 16. Jh. oft in Frage- und Antwortform aufgebauter Leitfaden des christlichen Glaubens zur Unterweisung in Kirche, Schule und Familie. Bsp. Großer und Kleiner Katechismus Martin Luthers, 1529, Der Heidelberger Katechismus, 1563 (reformiert), der Catechismus Romanus, 1566 (römisch-katholisch)

Der Kleine Katechismus von Martin Luther in modernisiertem DeutschDer Große Katechismus von Martin Luther nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches (Dresden 1580)Der Heidelberger Katechismus (reformiert) in modernisiertem Deutschin modernisiertem Deutsch