kaltstart. vokswirtschaftliche aspekte der deutschen wiedervereinigungby gerlinde sinn; hans-werner...

5
Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigung by Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn Review by: Norbert Andel FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 49, H. 2 (1991/1992), pp. 257-260 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912495 . Accessed: 15/06/2014 12:14 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Upload: review-by-norbert-andel

Post on 15-Jan-2017

215 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigungby Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn

Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigung by Gerlinde Sinn;Hans-Werner SinnReview by: Norbert AndelFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 49, H. 2 (1991/1992), pp. 257-260Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912495 .

Accessed: 15/06/2014 12:14

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigungby Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn

Besprechungen

Gerlinde Sinn und Hans- Werner Sinn: Kaltstart. Volkswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigung. Tübingen 1991. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). VIII, 229 Seiten.

„Die Fehler und Versäumnisse der Wirtschaftspolitik sind so gravierend, daß nach- haltige Folgen für den sozialen Frieden in Deutschland erwartet werden müssen, wenn nicht bald eine Umbesinnung erfolgt" (S. VII). Diese Erkenntnis bezeichnen die Autoren als Motiv für ihre Abhandlung. Zentrales Ergebnis für die aktuelle Wirtschaftspolitik ist ein Plädoyer für einen „Sozialpakt für den Aufschwung", der ein Lohnstillhalteabkom- men umfaßt sowie eine Zuteilung von Beteiligungsrechten an dem von der Treuhand verwalteten Vermögen (zusammenfassend S. 185-194). Auf den Seiten dazwischen bieten die Autoren eine kurze Schilderung der bisherigen Entwicklung, vor allem eine breite Analyse vielfaltiger ökonomischer Probleme, die sich im Zuge der Wiedervereinigung ergeben, und möglicher Problemlösungen.

In Kapitel I (Revolution und Vereinigung) wird das Ende des Kommunismus als eindrucksvolle Bestätigung für die Richtigkeit der These, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, konstatiert und die Entwicklung skizziert, die zur Wiedervereinigung führte. In Kapitel II (Deutschland und die Welt) wollen die Autoren durch globale statistische Vergleiche falschen (und im Ausland Befürchtungen hervorrufenden) Vorstellungen von einer Großmacht Deutschland begegnen und eine Vorstellung vom erforderlichen Kapi- taltransfer nach Ostdeutschland und darüber hinaus nach Osteuropa ganz allgemein vermitteln: „Die amerikanische Kapitalnachfrage hat die weltwirtschaftliche Entwick- lung in den achtziger Jahren geprägt. Die Kapitalnachfrage Ostdeutschlands und ganz Osteuropas wird es in den neunzigern tun" (S. 33).

Der Währungsumstellung und den damit verknüpften wirtschaftspolitischen Diskus- sionen ist Kapitel III (Neues Geld) gewidmet, wobei besonders den Aspekten der Wettbe- werbsfähigkeit nachgegangen wird. Bereits hier wird auf die Gefahren aggressiver Lohn- politik hingewiesen: „Der ostdeutschen Bevölkerung muß klargemacht werden, daß die aggressive Lohnpolitik, die unter dem Einfluß der westlichen Gewerkschaften zustande kam, ihr nicht wirklich nützen kann . . . Aus der Erkenntnis, daß niedrige Löhne die Abwanderung forcieren, folgt nicht notwendigerweise, daß hohe Löhne die Abwande- rung bremsen. Löhne, die die Lohnstückkosten über das westliche Niveau hinaus erhö- hen, führen zu Konkursen, Konkurse bedeuten Arbeitslosigkeit, und Arbeitslosigkeit ist ein besonders starker Anreiz zur Abwanderung" (S. 49).

Sehr kritisch sehen die Autoren den VermögensefTekt, der sich für die Bürger in der ehemaligen DDR dadurch ergab, daß die Geldbestände nicht durchgehend, sondern nur in begrenztem Umfang 1:1, darüber hinaus 2 : 1 umgetauscht wurden. Bei einer vermute- ten Kaufkraftrelation von 1 : 1 ermitteln die Autoren einen Umtauschverlust in Höhe von 62 Mrd. DM, „eine Größe, die man in den offiziellen Statistiken über die Zuwendungen an die DDR-Bevölkerung nicht unerwähnt lassen sollte. Es gibt legitime Ansprüche der ostdeutschen Bevölkerung, die man durch Umwandlung in längerfristige Wertpapiere hätte befriedigen können, ohne die Liquiditätsausstattung der ostdeutschen Wirtschaft zu vergrößern und ohne Inflationsgefahren heraufzubeschwören" (S. 55). Ob wohl auch die Bürger der neuen Länder den Eindruck haben, beim Tausch der Währungen so schlecht abgeschnitten zu haben? Erfahrungsgemäß werden bei Kaufkraftvergleichen Qualitäts- unterschiede tendenziell unterbewertet. Es kommt hinzu, daß angesichts der Erhöhung der Realeinkommen in den neuen Ländern, nicht zuletzt der Renten im Zuge der Über- nahme des westdeutschen Systems mit einem beträchtlichen Niveaueffekt, die vermut- liche Verwendung der Ersparnisse sich ändern, nämlich sich stärker auf qualitativ bessere und preislich billigere Produkte erstrecken wird, als die allgemeinen Warenkörbe anzeigen.

This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigungby Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn

258 Besprechungen

Sinn/Sinn betrachten auch die Umstellungsgewinne der Banken kritisch, in der sie eine Quelle sehen, mit der die Sparerverluste hätten vermieden werden können. Das DDR- Bankensystem habe mit der Umstellung, bei der nicht nach der Verzinslichkeit der Aktiva und Passiva differenziert wurde, in Höhe der Zinsen auf die Ml -Geldmenge einen Ge- winn gemacht, die Bundesbank dadurch, daß sie Zentralbankgeld gegen Solawechsel zu marktüblichen Bedingungen bzw. später im Rahmen des allgemeinen Rediskontgeschäfts schuf. Die Autoren schätzen den Barwert dieser Zinszahlungen auf 31 Mrd. DM.

Sehr ausführlich gehen Sinn/Sinn in Kapitel IV auf die Probleme der „Privatisierung" ein. Wie fast alle Ökonomen sehen sie in der Entscheidung für die Naturalrestitution eine zentrale falsche Weichenstellung; mehr als andere kritisieren sie darüber hinaus die ver- folgte Privatisierung durch Verkauf. Die Verfasser konzedieren, daß die Naturalrestitu- tionen einem spontanen Rechtsempfinden entsprechen, relativieren dieses aber sogleich mit dem Hinweis darauf, „daß der Verlust an Leben, Lebensqualität, Freiheit und Ein- kommen nicht ausgeglichen werden kann. Ein Alternativmodell wäre es deshalb gewesen, den beim Untergang des kommunistischen Staates verfügbaren Restbestand an Vermö- gen auf alle Beteiligten zu verteilen" (S. 73). Angesichts der ungeklärten Eigentumsver- hältnisse habe sich das Prinzip der Naturalrestitution zu einem „Investitionshemmnis ersten Ranges" entwickelt. „Der mißlungene Versuch, das Rad der Geschichte bis 1933 zurückzudrehen, muß als schwerer Fehler der deutschen Vereinigungspolitik angesehen werden" (S. 79). Das „Hemmnisbeseitigungsgesetz" (Gesetz zur Beseitigung von Hemm- nissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 15. März 1991) war noch zu kurze Zeit in Kraft, als daß die Verfasser seine Wirkung schon hätten beurteilen können.

Bei der Frage „Sanierung oder Privatisierung?" sprechen sich die Autoren klar für die Privatisierung aus, denn die „logistischen Probleme, vor der die Treuhandanstalt stehen würde, wären etwa die gleichen wie jene, an denen die Zentralverwaltung des kommu- nistischen Staates gescheitert ist" (S. 86). Bei der Beantwortung der Frage, was mit dem unveräußerlichen Restvermögen geschehen soll, zögern sie. „Ist es sinnvoll oder effizient, daß Millionen von Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren, weil sich keine Käufer für diese Arbeitsplätze finden lassen" (S. 86)? Sie zitieren den Sachverständigenrat zur Begutach- tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als Befürworter dieser Lösung, fügen aber sogleich hinzu: „Über Zweifel erhaben ist diese folgenträchtige Empfehlung aber nicht" (S. 87).

Der Rest des Kapitels 4 (S. 87-121) ist der Kritik des Privatisierungsmodells der Treuhand gewidmet. Hier heben sich die Autoren von ihren Kollegen durch die Schärfe der Kritik ab, insbesondere wenn sie die Politik der Treuhand aus makroökonomischen Erwägungen für letztlich nicht realisierbar halten. Sie führen sechs Gründe für den endo- genen Preisverfall der Treuhandobjekte an: das Ziel, Marktmacht zu verhindern; die Beschäftigungsgarantien; die Kreditfinanzierung der Vereinigungspolitik, die zu steigen- den Marktzinsen und damit zu sinkenden Ertragswerten der Treuhandobjekte geführt habe; den Portfolio-Effekt; die beschränkte Kreditaufnahmemöglichkeit der Käufer und vor allem das, was sie als Inkongruenz von Strömen und Beständen bezeichnen. „Wohl das gravierendste Problem der Treuhandpolitik liegt in dem Versuch, fundamentale volkswirtschaftliche Kreislaufbeziehungen zu überlisten und Finanzierungsmittel zu akti- vieren, die es nicht gibt" (S. 104). Der Rezensent hat den Eindruck, daß dieser Aspekt über Gebühr betont wird. Sicherlich haben die Autoren Recht, wenn sie meinen, „daß es schon aus kreislauftheoretischen Gründen gar nicht möglich wäre, den Kapitalstock der Ex-DDR in der von der Treuhandanstalt beabsichtigten Weise auf einmal zu verkaufen" (S. 104; Hervorhebung vom Verfasser). Aber darum geht es ja gegenwärtig gar nicht, schon nicht wegen der vielen ungelösten Rechtsstreitigkeiten. Es wäre angebracht gewe- sen, die bislang realisierten und sich abzeichnenden Veräußerungsvolumina einmal mit den Privatisierungsaktionen westeuropäischer Länder in zurückliegenden Jahren zu ver- gleichen. Es kommt hinzu, daß die Treuhandanstalt zwar ihre Geldeinnahmen nicht

This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigungby Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn

Besprechungen 259

wieder am Kapitalmarkt anlegt, daß aber zu vermuten ist, daß sie mehr oder weniger in Höhe der Erlöse weniger Kredite aufnimmt.

Einen Ausweg sehen die Verfasser vor allem in einem von Werner Sinn bereits früher vorgelegten und von einer Minderheit des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesmini- sterium für Wirtschaft unterstützten Modell: Die erwerbende Firma entrichtet keinen Kaufpreis für das Objekt, sondern räumt der Treuhandanstalt in Höhe des Wertes des vorhandenen Altkapitals eine Restbeteiligung ein. Diese Restbeteiligungen können auf Fonds übertragen werden, an denen die Sparer für die lediglich 2 : 1 umgestellten Sparbe- träge Anteile erhalten.

Im letzten und umfangreichsten Kapitel 5 zu „Strategien für den Aufschwung" (S. 122-194) wird eine große Zahl von Strategien und Einzelmaßnahmen analysiert oder jedenfalls referiert, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann. Mehr zusam- menfassend: Die Autoren betonen einleitend den erforderlichen „langen Atem": „Daß die ostdeutsche Wirtschaftskraft in „drei, vier, fünf" Jahren an das Westniveau ange- glichen sein wird, kann nur glauben, wer es kraft Amtes muß. Man wird von Glück sagen können, wenn der Aufschwung in dieser Zeitspanne überhaupt mit voller Kraft zustande kommt. Auf eine Niveauangleichung muß man sicherlich länger warten" (S. 122).

Die Verfasser beurteilen die bisherige Lohnpolitik mit Recht sehr kritisch: Sie laufe teilweise auf ein Beschäftigungsverbot im Osten hinaus und führe über die mit den Löhnen steigenden Arbeitslosengelder dazu, daß der Staat hohe Bleibeprämien zahle, die die Beschäftigung im Westen diskriminiere und dafür sorge, daß ein großer Teil des Erwerbstätigenpotentials nirgendwo beschäftigt werde (S. 154). Niemand habe sich ei- gentlich dem Wunsch nach höheren Löhnen entgegengestellt: die Arbeitgeber nicht, um billige Ostkonkurrenz zu vermeiden; die ostdeutschen Gewerkschaftler nicht, weil sie „wohl zu Recht darauf vertrauen, daß die Politiker einer Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil nicht tatenlos zusehen würden. Man war zuversichtlich, daß letztlich die Treuhandanstalt oder andere staatliche Instanzen die Löhne zahlen würden, und wenn nicht, so wußte man doch, daß die Arbeitslosen zumindest auf hohem Niveau in das bundesdeutsche Sozialsystem einsteigen würden. Die Leistungen der Arbeitslosenversi- cherung richten sich ja nach dem letzten Lohn vor der Entlassung, und ihn konnte man durch die Tarifverhandlungen noch beeinflussen . . . Die westdeutschen Steuerzahler, die letztlich für die sozialen Kosten dieser Politik aufkommen müssen, waren an den Ver- handlungen nicht beteiligt" (S. 158).

Sinn/Sinn stehen den Vorschlägen, dieser Fehlentwicklung auf dem Lohnsektor durch Subventionen zu begegnen, eher skeptisch gegenüber. Sie weisen daraufhin, daß faktisch die Politik der Treuhandanstalt bereits in mehrerer Hinsicht auf Lohnsubventionierung hinausläuft und daß angesichts des gegenwärtigen Ausmaßes der Verzerrungen und der brisanten politischen Situation Vorschläge dieser Art ernsthaft diskutiert werden müssen. Ihre letztendlich ablehnende Haltung basiert auf der Gefahr, daß Lohnsubventionen zu zusätzlichen Forderungen führen, und auf dem fortbestehenden Anreiz, lieber Arbeitslo- senunterstützung zu kassieren als im Westen eine Übergangsbeschäftigung zu suchen.

In dem letzten, zusammenfassenden Charakter tragenden Abschnitt identifizieren die Verfasser drei Hauptfehler der Wirtschaftspolitik im Zuge der Wiedervereinigung: die Naturalrestitution, den Versuch, das Produktiwermögen der alten Bundesländer am Markt rentierlich zu verkaufen, und die aggressive Lohnpolitik. Sie halten den letzten Faktor für am gravierendsten, sind aber so optimistisch, ihn noch für grundsätzlich korrigierbar einzuschätzen. Zu diesem Zweck schlagen sie einen „Sozialpakt für den Aufschwung" vor. Er beinhaltet einmal ein zwischen den Tarifpartnern zu vereinbarendes Lohnstillhalteabkommen auf 47% des Westniveaus. Er umfaßt ferner eine Zuweisung von Anteilsrechten: Ein Drittel der bei der Treuhand verbleibenden Anteilsrechte soll an die Belegschaft, zwei Drittel sollen an die ostdeutschen Sparer für die lediglich im Verhält- nis von 2 : 1 umgestellten Sparguthaben ausgegeben werden. „Wenn man soziale Markt- wirtschaft erfolgreich etablieren will, dann muß man allen eine faire Chance bieten, ihr

This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Kaltstart. Vokswirtschaftliche Aspekte der deutschen Wiedervereinigungby Gerlinde Sinn; Hans-Werner Sinn

260 Besprechungen

Glück zu finden. Die Trennung der deutschen Bevölkerung in westdeutsche Kapitalisten und ostdeutsche Arbeiter, die derzeit stattfindet, bietet diese Chance nicht. Es war uns ein Anliegen, Politikalternativen aufzuzeigen" (S. 194).

Auch wer die Chancen fur die praktische Realisierung eines solchen oder ähnlichen Sozialpaktes gegenwärtig für recht gering erachtet, jedenfalls wenn man ihn nicht mit zu- sätzlichen, (ordnungs) politisch bedenklichen Elementen verknüpft, wird die Arbeit von Sinn/Sinn mit großem Interesse und Gewinn lesen, die überdies durch zahlreiche Litera- turhinweise Anregungen für die weitere Lektüre gibt. Es ist zu hoffen, daß bald eine zweite Auflage erscheinen wird, in der die zwischenzeitlichen Erfahrungen berücksichtigt werden, nicht zuletzt auch mit dem sogenannten „Hemmnisbeseitigungsgesetz". Dabei sollte man auch die Gliederung des Abschnitts 5 überdenken, die wohl verbesserungsfa- hig ist, auch weil sie Aspekte enthält, die besser vorgezogen werden sollten. Der Finanz- wissenschaftler wünscht sich auch eine etwas eingehendere, systematischere Behandlung finanzpolitischer Probleme einschließlich der interessante Aspekte aufweisenden Umstel- lung der Alterssicherungssysteme.

Norbert Andel

Michael Hüther: Integrierte Steuer-Transfer-Systeme für die Bundesrepublik Deutsch- land. Normative Konzeption und empirische Analyse. Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 400. Berlin 1990. Duncker & Humblot. 287 Seiten.

Wer der Glasperlenspiele der Optimal taxation, in ihrer stereotypen Formalstruktur ebenso ideenarm wie in ihrer Unbestimmtheit für die konkrete Gestaltung von Steuer- oder Transferordnungen unbrauchbar, überdrüssig ist, der studiere als theoretisch an- regendes und empirisch bedeutsames Gegenstück die Forschungsarbeit von Michael Hüther. Sie ist als Dissertation im Rahmen des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts „Simulation alternativer Steuer- und sozialrechtlicher Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland" entstanden.

I.

Die Arbeit verfolgt ein hochgestecktes und arbeitsreiches Programm: - Da soll zunächst, sozusagen als Vorbereitung und Grundlegung für den empirischen

Teil, die Notwendigkeit einer Integration von Steuer- und Transferordnung system- theoretisch nachgewiesen und eine normative Theorie der Integration entworfen wer- den, die aus übergeordneten gesellschaftlichen Leitbildern, normativen Gestaltungs- prinzipien und technischen Gestaltungselementen eine Systematik integrativer Ideal- typen im Sinne Max Webers liefert (Kap. II/1-3).

- Mit diesem Systemraster sollen zum zweiten neue Integrationslösungen aufgedeckt und literarische Vorlagen normativ analysiert und eingeordnet werden (Kap. II/4).

- Die Arbeit will drittens gesamtwirtschaftliche und gruppenspezifische Wirkungen der durch konkrete Gestaltungsvorschläge vertretenen Idealtypen vorrangig anhand eines statischen Modells der mikroökonomischen Gruppensimulation überprüfen (Kap. 111/ 1-3.2). Als Nagelprobe auf die entwickelte Integrationstypologie ist die im Schlußkapi- tel (IV) gestellte Frage zu verstehen, ob sich die vorweggenommene theoretisch-norma- tive Einordnung der untersuchten Integrationsvorschläge im Lichte der (quasi-)empi- rischen Wirkungsanalyse bestätigt.

This content downloaded from 62.122.76.45 on Sun, 15 Jun 2014 12:14:06 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions