jahresbericht (1918) der vogelwarte rossitten der deutschen ornithologischen gesellschaft

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Ornith. Beobaehtungen in der Muss-AUa-Gruppe 1916--19. 257 130. Eri~l~zcus rubeculus (L.). (bulg.: tscherwenoguschka.) Das Rotkehlchen ist sowohl in der submontanen und montanen, als auch in der vor- und sub- alpinen Stufe ein ungemein h~ufiger Brutvogel, der in tieferen Lagen vielleicht auch im Winter dableibt. 131. A~don luscinia (L.) (-- megarhynchus Br.). (bulg.: sslawei.) Die Naehtigall wurde in dora Augebtiseh des Isker und tier Bistriza in der submontanen Stufe ~fters ge- h~rt. Aueh in Sofia, z.B. in dem Borisgarten ist sic h~tufig. Im Frtihjahr 1918 wurde im K~nigliehen Sehlofspark in Wrana (15 km yon Sofia) der erste s am 15. IV. vernommen. XVIII. Jahrcsbericht (1918) tier Vogelwarte Rossittcn der Deutschen Ornith01ogischen Gesellschaft. Von Prof. Dr. J. Thtenemann. Man nimmt im Leben gern das Schlechte vornweg, um dann schnell zu etwas Besserem iibergehen zu kSnnen. So will auch ich zun~chst yon recht unerfreulichen Dingen beriehten. Der Geist des ,neuea freien Deutschlands" hat bei seinem Vorw~rts- schreiten auch vor der preufsischen Wtiste nicht Halt gemaeht und ist leider in reichlichem Mafse auch in unser entlegenes Nehrungsd~rfchen eingestrSmt, seine traurigen Spuren aufzeiehnend. Die Ulmenhorsthtitte ist eine St~tte der Ver- w ti s t u n g. Ruchlose Hiinde haben da in unglaublicher Weise gewtitet. Fenster und Tfiren zerschlagen und durchschossen, die Wiinde aufgehackt, die innere Ausstattung, auf die ich so viel Liebe verwandt hatte, vollstiindig zertrtimmert und besudelt. Kein Diebstahl, reine ZerstSrungswut. Man steht sprachlos vor solcher Rohheit. Die Sache liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Ob etwas herauskommen wird? Aufserdem hat das Vogelwartenkuratorium einen Bericht tiber dieses verQbte Verbrechen an das Ministerium ftir Wissenschaft, Kunst und Volksbildung abgehen lassen. Es ist das Schlimme, dais eine Handvoll junger Radaubrtider die biesige Bev~lkerung durch Schrecken vergewattigt, dafs Niemand etwas anzugeben wagt aus Furcht vor Brandstiftung, Anschief~en und andern schSnen Sachen. Man soil hier in Rossitteu tiberhaupt kein Unrecht anzeigen und verfolgen. Das ist unschicklich und stSrend. Ja, so sind wir hier. Ich mufs wohl eine Vorahnung yon diesem Unheil gehabt haben. Am 4. November 1918 verliel~ ich die Htitte nach voll- endeter Zugzeit. Vier interessante Wochen hatte ich wieder da- selbst zugebracht. Da finde ich in meinem Tagebuche die Worte eingezeichnet : ,,Ade liebes Ulmenhorst I Hoifentlich sehe ich dich

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Page 1: Jahresbericht (1918) der Vogelwarte Rossitten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft

Ornith. Beobaehtungen in der Muss-AUa-Gruppe 1916--19. 257

130. Eri~l~zcus rubeculus (L.). (bulg.: tscherwenoguschka.) Das Rotkehlchen ist sowohl in

der submontanen und montanen, als auch in der vor- und sub- alpinen Stufe ein ungemein h~ufiger Brutvogel, der in tieferen Lagen vielleicht auch im Winter dableibt.

131. A~don luscinia (L.) (-- megarhynchus Br.). (bulg.: sslawei.) Die Naehtigall wurde in dora Augebtiseh

des Isker und tier Bistriza in der submontanen Stufe ~fters ge- h~rt. Aueh in Sofia, z.B. in dem Borisgarten ist sic h~tufig. Im Frtihjahr 1918 wurde im K~nigliehen Sehlofspark in Wrana (15 km yon Sofia) der erste s am 15. IV. vernommen.

XVIII . Jahrcsber ich t (1918) tier Vogelwarte Rossi t tcn der Deutschen Ornith01ogischen Gesellschaft.

Von Prof. Dr. J . T h t e n e m a n n . Man nimmt im Leben gern das Schlechte vornweg, um

dann schnell zu etwas Besserem iibergehen zu kSnnen. So will auch ich zun~chst yon recht unerfreulichen Dingen beriehten. Der Geist des ,neuea freien Deutschlands" hat bei seinem Vorw~rts- schreiten auch vor der preufsischen Wtiste nicht Halt gemaeht und ist leider in reichlichem Mafse auch in unser entlegenes Nehrungsd~rfchen eingestrSmt, seine traurigen Spuren aufzeiehnend. D i e U l m e n h o r s t h t i t t e i s t e i n e S t ~ t t e d e r V e r - w ti s t u n g. Ruchlose Hiinde haben da in unglaublicher Weise gewtitet. Fenster und Tfiren zerschlagen und durchschossen, die Wiinde aufgehackt, die innere Ausstattung, auf die ich so viel Liebe verwandt hatte, vollstiindig zertrtimmert und besudelt. Kein Diebstahl, reine ZerstSrungswut. Man steht sprachlos vor solcher Rohheit.

Die Sache liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Ob etwas herauskommen wird? Aufserdem hat das Vogelwartenkuratorium einen Bericht tiber dieses verQbte Verbrechen an das Ministerium ftir Wissenschaft, Kunst und Volksbildung abgehen lassen. Es ist das Schlimme, dais eine Handvoll junger Radaubrtider die biesige Bev~lkerung durch Schrecken vergewattigt, dafs Niemand etwas anzugeben wagt aus Furcht vor Brandstiftung, Anschief~en und andern schSnen Sachen. Man soil hier in Rossitteu tiberhaupt kein Unrecht anzeigen und verfolgen. Das ist unschicklich und stSrend. Ja, so sind wir hier.

Ich mufs wohl eine Vorahnung yon diesem Unheil gehabt haben. Am 4. November 1918 verliel~ ich die Htitte nach voll- endeter Zugzeit. Vier interessante Wochen hatte ich wieder da- selbst zugebracht. Da finde ich in meinem Tagebuche die Worte eingezeichnet : ,,Ade liebes Ulmenhorst I Hoifentlich sehe ich dich

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258 J. Thienemann:

unversehrt und in bessern Zeiten wieder". Und wie war das Wiedersehen! D i e traurige Genugtuuug will ich diesen rohen Menschen gern lassen; sie haben reich furchtbar getroffen.

Uad noch ein zweites unerfreuliches Biid. Der sridliche Teil der Kurischeu Nehrung mit Rossitten als Mittelpunkt war im Sommer und Herbst 1918 der Schauplatz grofser milit~rischer Unternehmungen. Die Artillerie hielt ausgedehnte Schiefs~lbungen hier ab. Ein Millionenentwurf war, wie es hiefs, im Gange. Wo sonst l~.ndliche Ruhe herrschte, wimmelte es yon Soldaten. Die alten stilten Wanderdfinen mit Telephondr~.hten fiberspannt, und oben safsen die Beobachtungsposten. Auf der Vogelwiese, die wegen ihres Vogelreichtums schon eine Art klassische Berrihmtheit erlangt haben mag, wo man die intimsten Vorgiinge im Strand~ vogelleben beobachten konnte, standen die Geschritze. Eine Art Barackendorf ist dort entstanden. Munitionsschuppen, Ballon- hallen, Autoschuppen, meteorologische BeobachtungshKuser, Feld- bahnen und dergleichen. Und fortw~hrend sausten die Geschosse durch die Luft, um in's Haft oder iu die See einzuschlagen, eine geregelte Fischerei unterbindend. Ungeziihlte aufgelassene Piloten flogen mit den ZugvSgeln um die Wette. Ja, es war geplant, die Nehrung fiberhaupt dauernd als Schiefsplatz einzurichten. DSrfer sollten verschwinden. Die Bahn Cranz--Rossitten ist bereits abgcsteckt.

Und w i e waren die Soldaten. Die Disziplin schon damals recht gelockert. Da wurde denn arg gehaust und gewristet und abends fest getanzt, und unsere blehrunger haben yon dem Guten, was in ihnen steckte, mancherlei vergessen und nichts Gutes dazugelernt. So bin ich lest fiberzeugt, dais bei den Ein- brQchen in Ulmenhorst Soldaten mit beteiligt sind. Ich habe bestimmte Anhaltspunkte daffir. Unsern armen Elchen aber ist's auch fibel ergangen. Noch jetzt werden Decken yon gewilderten Stricken im Walde gefunden. Ja, es war wenig schSn.

Nun kann und darf ich mir kein Urteil erlauben fiber die Notwendigkeit dieses Schiefsens gerade in der damaligen kritischen Zeit, dean ich verstehe nichts yon der Sache. Es entzieht sich auch meiner Beurteiluag, ob es in ganz Deutschland wirklich keinen zweiten geeigneten, weniger reizvollen Platz zum Schiefsen gibt, wo nicht so viel ethische und ~sthetischeWerte zerstSrt worden w~ren.

Aber das eine darf ich, namlich meinem tiefsten Bedauern darriber Ausdruck geben, dars man mit ranher, zerst~render Hand in ein l~ndliches Idyll hineingegriffen hat, wie es ein zweites Rhnliches in Deutschland nicht mehr gibt; dafs man ein Stfickchen unverf~lschte, urwrichsige Natur austilgt, die in jedem Jahre so vielen feinsinnigen Naturfreunden Erholung und ein Emporheben aus dem Gehetze des mod~rnen Kulturlebens schafft, dars man ein in seiner Art einzig dastehendes Landschaftsbild einfach wegwischen will.

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XYIII. Jahreshericht der Vogelwarte Rossitten. 259

Da hSrt und liest man so viel davon, dars es unsere ,,heiligste Pflicht sei, unseren Nachkommen die Natur in mSglichst unverfiilschter Form zu hinterlassen". Da soil jene Baumgruppe unbedingt stehen bleiben, jene Felsecke soll keine Ver~nderung erfahren, well das Landschaftsbild sonst gestSrt wtlrde, ,,und. das Volk soll doch dazu erzogen werden, die Reize des deutschen Vaterlandes kennen zu lernen, um Heimatliebe uad Boden- st~ndigkeit in sich aufzunehmen, es soll erfahren, dafs es neben materiellen Werten auch noch ethische und 5sthetische Werte gibt, die nicht hoch genug eingesch~tzt werden kSnnen", und so weiter. Was soiled diese Worte, wend in einer so grofszfigigen $ache gerade entgegengesetzt gearbeitet wirdl

Noch im M~rz 1918 fanden i~ Kfnigsberg mehrere Sitzungen der ,,Vereinigung zum Schutze der NaturdenkmRler in 0stpreufsea" statt, um fiber die Frage zu verhandeln, ob es nicht geraten er- scheinen mSchte, die Kurische Nehruag in ein Naturschutzgebiet umzuwandeln, um die zersetzenden Wirkungen der Kultur davon fernzuhalten. Dcr unterzeichnete Berichterstatter war zu diesen Sitzungen hinzugezogen worden. Und ein paar Monate sp~ter springt man mit dicsem Hauptjuwel in dem Schatze der heimat- lichen Landschaftsbilder in so rficksichtsloser Weise urn! Was sollen dann die Worte?l

Ob die Gefahr bereits vorfiber ist - - ich weirs es nicht. Ich weirs abet, dais ich erst aufatmen werde, wean ich keine Uniform mehr hier in Rossitten sehe, keinen Leutnant, kein Auto, keinen Trainwagen, keine Kanonen. Die passen nicht hierher. Sie sind ein stSrender Fremdkfrper in dieser ur- wiichsigen Umgebung. Man lasse doch wenigstens ein paar Fleckchen in Deutschland frei yon dieser elenden, iibertiinchten sogenaanten Kultur.

Es diirfte interessieren zu erfahren, wie sich die VSgel bei dem $chiefsen verhielten. Ich werde auf diesen Punkt sp~.ter noch ausffihrlich zu sprechen kommen, wend ich die Ulmenhorst- beobachtungen zusammenstelle, jetzt nur die kurze Bemerkuag, dafs das Schiefsen an und fiir sich, also das Knallen und das Sausen tier Geschosse in tier Luft, wenig oder gar nicht stSrte, aber das laute, unruhige, oben geschilderte Beiwerk, alas stSrt natfirlich gewaltig und w~re wohl im $tande die YSgel nach und nach yon der Kurischen Nehrung zu vertreiben, und die l~lehrung wfirde dann aufhSren das zu sein, was sie ist, eine u strafse allerersten Ranges, wo sich die Vogelzugerscheinungen so glinstig beobachten lassen wie wohl sonst nirgends. Ein un- ersetzlicher Yerlust fttr die ornithologische Wissenschaft.

Es macht den Eindruck, als ob jetzt wieder mehr Lust zu wissenschaftlicher Bet~.tigung ira Volke erwacht. Man merkt das an der auf derVogelwarte einlaufenden Korrespondenz, die jetzt wieder viel zahlreicher ist wie frfiher. Man wird auch wieder mehr zur Mitarbeit an Zeitschriften aufgefordert, zu VortrRgen

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260 J. Thienemann :

und dergleichen. Auch der Besuch auf der Vogelwarte war im verflossenen Jahre recht rege. Am 6. August war Herr Ober- pr~sidialrat v o n H a s s e 11 mit Gemahlin aus KSnigsberg hier anwesend. Wir besuchten die Sammlung, fuhren nach Ulmen- horst, stiegen auf die Wanderdilnen. Man konnte noch die Nehrung in ihrer Unberiihrtheit zeigen. Dann kam's anders$

Von Ornithologen und Vogelzugsbeobachtern sind als Be- sucher der Station aufzufiihren die Herren Amtsrichter T i s c h- l e r , P a u l G o t t s c h a l k aus CSthen, Studienrat Prof. G i i n t h e r , Dr. yon L e n g e r k e n , L e u t n a n t W e f e l s c h e i d , weiter der ,,Verein zur FSrderung der Landwirtschaft in KSnigs- berg", Herren veto ,,Entomologischen Kriinzchen" in K5uigsberg, mehrere andere Vereine und schlies die gr0fse Zahl der t~ig- lichen Besucher. Auch der Wissenschaftliche Leiter der Lichtbild- Abteilung der Neuen Photographischen Gesellschaft in Berlin war hier, um Erkundigungen Qber anzufertigende kinematographische Aufnahmen einzuzieheu.

Zur Hilfeleistung auf der Vogehvarte wurden Frl. B e c k m a n n und nachher Herr cand. rer. nat. G I a s e w a I d angenommen. Ein Student der Zoologie, Herr P 1 o n e i t , hatte die Absicht, das g a n z e Sommerscmester an der Vogelwarte zuzubringen, mufste aber nach zweimonatigem Aufenthalte Rossitten ,,wegen Nahrungsmangel" verlassen.

Veto 18. bis 21. Mai wurde wieder der ilbliche Pfingstkursus abgehalten, der sehr g u t besucht war. Der im Oktober zur Zugzeit in Ulmenhorst angesetzte Kursus konnte sich nicht offiziell gestalten, auch der leidigen Verpflegungs- und Verkehrs- schwierigkeiten wegen. Aber einige begeisterte l~aturfreunde waren trotz Hunger und Strapazen doch gekommen, um die Vogelzugsherrlichkeit aus eigener Anschauung kennen zu lernen.

An die Bibliothek haben folgende Autoren 8cbriften ein- gesandt:

Yereinigung flit ostdeutsche Wirtschaft, KSnigsberg i./Pr. Ornithologische Zentrale Agram (Prof. Dr. RSfsler). Dr. Hermann Reichling, Miinster i./W. Dr. reed. Richard Hilbert, Sensburg, z. Zt. im Felde. Dr. Fr. Lindner, Quedlinburg. Bund ffir Vogelschutz, Stuttgart. Dr. H. Fischer-Sigwart. A. Klengel, Meifsen. Prof. Dr. O. Brick, Hamburg. Ungar. ornithol. Zentrale, Budapest. Wilhelm Rlldiger. Dr. Otto v. Wettstein, Wien. Werner Sunkel. E. Stresemann. Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Reichenow. Ornith. Gesellschaft in Bayern (C. E. Hellmayr).

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XVIII. Jahresbericht de~ Vogelwarte Rossitten. 261

Naturhistorische Gesellschaft zu N~rnberg. Dr. Waldemar Lenz. J. A. Palm,n, Helsingfors. Alfred Richard, Neuchatel. Dr. H. Lfittschwager, Elbing, Sonnenstr. 79. Vogelwarte Helgoland (P. Krtlss). F. Tischler, Heilsberg. Prof. Dr. A. Gruber. Albert Hess, Bern. Landgerichtsrat a. D. Kayser, Lissa. Dr. Ernst Sch~ff. G. yon Burg. Ornithol. Station des ,Lotos", Liboch a./E. (Kurt Loos). H. Mayhoff. W. Knopfli, Ziirich. Eduard Paul Tratz. Dansk ornithologisk Forenings Tldsskrift (0. Helms). Pfarrer W. Schuster, Rastatt. Victor Ritter yon Tschusi zu Schmidhoffen. Prof. Dr. A. V o i g t stiftete die neue Auflage seines be-

kannten ,,Exkursionsbuches zum Studium der Vogelstimmen". Prof. C. G. S c h i l l i n g s schickte ein grofses Paket Netze, Amtsrichter T i s c h l e r stiftete bei seinem Hiersein 35 M. Allen freundlichen Gebern herzlichsten Dank.

Im Sommer 1914 war ein Neu- und Erweiterungsbau ftlr die Vogelwarte in Aussicht genommen worden, da die vorhandenen R~ume den Anforderungen nicbt mehr geniigten. Die Sammlungs- o.bjekte standen viel zu eng, die Beschauer konnten keine klare Ubersicht gewinnen. Auch die Arbeitsr~.ume waren viel zu be- schr~nkt. Der Ausbruch des Krieges hat die Ausfilhrung dieser BauplS.ne vereitelt. Da sicb nun jetzt w~hrend der Teuerung der Inangriffnahme yon Neubauten sehr grorse Schwierigkeiten entgegenstellen, so wurde yon der Vogelwarte eiu im Dorfe ge- legenes villenartiges Haus hinzugemietet, das schSne passende R~ume besitzt.

Nun murs ich 1eider noch yon 2 TodesfKllen berichten, die in das verflossene Jabr fallen und die Vogelwarte besonders be- r~hren. Der Apotheker T h e o d o r Z i m m e r m a n n aus Danzig ist in hohem Alter verstorben, dieser a re Nehrungs- und Vogel- wartenfreund. Frfiher konnte man sich eine Herbst-Vogelzugzeit in Rossitten ohne Zimmermann gar nicht denken. Und wie eifrig und begeistert beobachtete, sammelte und pr~,parierte er, um dana seine Aufzeichnungen der Vogelwarte fiir die Jahresberichte zur Verfiigung zu steUen. Zum Frfihjahrszuge siedelte er nach Hela fiber und richtete dort eine Art Erggnzungs-Beobachtungsstation zu Rossitten ein. Ihm verdanken wir die Nachrichten fiber die grorsartigen Raubvogelzfige auf Hela, besonders fiber die inte- ressanten Wanderungen der Rotfursfalken. In frfiheren Jahres-

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berichten der Vogelwarte ist dartlber ausffihrlich gesprochen worden. Zimmermaaa hatte im Laufe der Zeit eine bemerkens- werte Vogelsammlung zusammengebracht, besonders in Dunen- kleidern. Sein Wunsch war es, dafs die auf der Kurischen Nehrung gesammelten Sachea nach seinem Tode a l l e in den Besitz der Vogelwarte Rossitten fibergehen sollten. Sehr oft sprach er nicht nur zu mir fiber diesen Punkt, sondern auch zu anderen Freunden und Bekannten. Leider hat er keine schriftlichen Bestimmungen darltber hinterlassen, und so ist die ganze Sammlung in das westpreufsische Provinzialmuseum fiberffihrt worden. Ich hoffe aber doch noch manches zu bekommen. Vor allem den berfihmten Numenius tenuiroslris, den Zimmermann bei Rossitten geschossen hat.

In den letzten Jahren war Zimmermann sehr hinfiillig ge- worden.

Der zweite Fall betrifft einen jungen Mann, der ein Opfer des Weltkrieges geworden ist: Herrn M a t s k o. Er war es, der mir seiner Zeit persSnlich Nachricht brachte yon der Erbeutung der beringten LacbmSwe am Golf yon Mexiko. Von der Zeit an blieb die Vogelwarte in steter Verbinduag mit diesem eifrigea, verst~adnisvollen Beobachter und 8ammler und h~itte noch viel Gewian yon ihm habea kSaaea. Seine Priiparierkunst war fiber alles Lob erhaben. Mir persSnlich war Herr Matsko mit seinem freundlichen, bescheideQea, natfirlichen Wesea ein ~ufserst lieber Mensch. Er ist im November 1918 in Bukarest verstorben.

Dana kam die Revolution. Dal's sie leider auch an der Vogelwarte nicht spurlos vorfibergegangen ist, wurde schon oben gezeigt. Die Welt stand aaf dem Kopfe. Und mitten in den aufregendea und aufgeregten Novembertagea kam eiae KSaigs- berger Dame zu mir und verlangte Lichtbilder, um eiaen Vortrag fiber die T~itigkeit der Vogelwarte Rossitten, im besonderen tiber den Beringungsversuch in KSnigsberg zu halten. Der Vortrag ist auch yore Stapel g~laufen und mufste bald darauf wiederholt werden. Ich mufs sagea, dafs dieser kleine Zwischenfall yon recht beruhigender Wirkung war, and ich deuke noch jetzt 5fter daran zur/Jck.

~ber das Massensterben you VSgeln in der Ostsee im M/irz 1918, das als ein besonderes Ereignis ianerhalb der Vogelwelt bezeichnet werden kann, babe ich bereits in den Orn. Monats- berichten (September/Oktoberheft 1918) ausfiihrlich berichtet. Es sei bier nochmals darauf bingewiesen.

Nun soil auf ausdrficklichen Wunsch des Herrn Heraus- gebers der Jahresbericht diesmal ganz besonders kurz gehalten werden. Ieh kann demnach nur den Bericht fiber den Beringungs- versuch im Jahre 1918 bringen und mufs alles andere zurtick- stellen. Ich mSchte den Bericht nicht beginnen, ohne auf die ausgezeichnete zusammenfassende Arbeit yon F r i e d r i c h v o n L u ca n us aufmerksam zu machen, die vor kurzem in dem

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XVIII. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten. 268

ersten Hefte 1919, des ,,Journals fiir Ornithologie" ersehienen ist: , , Z u g u n d W a n d e r u n g t i e r V O g e l E u r o p a s n a e h d e n E r g e b n i s s e n d e s R i n g v e r s u e h e s . " Sie gibt einen Oberbliek fiber das, was bisher dureh den Beringungs- versueh erreieht worden ist.

Bericht fiber den Vogelberingungsversuch im Jahre 1918.

In den foigenden Zusammensteliungen miissen vor allem die vielen bejahrten V0gelauffallen. Friiher war es so, dafs dot beringte Jungvogel gewOhnlich sehon in dem auf die Geburt folgenden Herbste oder Winter wieder erbeutet wurdo. Nun hat der Krieg N e u markierungen mehr oder weniger verhindert, und da sind die Qbriggebliebenen al t e n VOgel mit der Erbeutung an die Reihe gekommen. Der ~Iteste ira vorliegenden Jahres- berichto aufgef/ihrte Vogel ist ein S t o r ~ h yon 11 Jahren. Gewifs ein hiibseher Beweis ftir die Dauerhaftigkeit der Ringe und ihre Unschiidliehkeit filr die Tr~iger. Neben diesem Senior kamen noch Artgenossen yon 3, 5 und 7 Jahren vor.

Die aufgefLihrten N e b e l k r ~ h e n sind 4, 5 und 6 Jahre all Unter den 25 L a e h m O w e n sind 4 dreil~ahrige, 3 vier-

jahrige, 2 fiinfj~hrige, 2 sechsj~ihrige, 2 siebenjiihrige, 1 achtj~ihrige. Die S i l b e r m O w e n z~thlen 5, 8 und 9 Jahre; eine

M a n t e l m O w e ist 5 Jahre alt; eine S t u r m m O w e 6 Jahre. Sehliefslieh seien noeh erwahnt ein vierj~ihriges B 1 ~i fs h u h n,

ein fiinfjahriger F i s c h r e i h e r , eine vierj~thrige R i n g o l - t a u b e , ein sechsj~thriger H ii h n e r h a b i e h t , ein dreij~thriger M a u e r s e g l e r , eine filnfj~thrige M e h l s e h w a l b e .

Noch kein Jahresberieht hat bisher mit so vielen bejahrten V0geln aufwarten kOnnen.

Auf der Vogelwarte Rossitten selbst wurden im vergangenen Jahre nut wenig VOgel markiert. Die Ringe sind knapp, und es sollten vor allem die ausw~irtigen Mitarbeiter befriedigt werden Folgende Markierungen liegen vor:

1 Haubentaueher (Colymbus eristatus) 4 HeringsmOwen (Larus fuseus)

Summa 34

8 Kiebitze (Vanetlus vanellus) 1 8perber (Aecipiter nisus) 1 Turmfalke (Cerehneis tinnunculus) 1 Mauersegler (Apus apus) 5 Rotriiekige Wtirger (Lanius eollurio) 1 Star (Sturnus vulgaris) 4 Karmingimpel (Corpodaeus erythrinus) 1 Goldammer (J~mberiza eitrinella) 5 Feldlerchen (Alauda arvensis) 2 Gartengrasmiicken (Sylvia simplex)

VOgel.