ist die handgelenksarthrodese heute noch der goldstandard?

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18 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4) Fortbildung Patienten mit rheumatoider Arthritis Ist die Handgelenksarthrodese heute noch der Goldstandard? C . BIEHL , C . JUNG Die Hand ist im Langzeitverlauf der rheumatoiden Arthritis immer in das Krankheitsgeschehen einbezogen. Die Ausprägung des Befalls hingegen ist variabel. So gibt es Rheumatiker die nur diskrete Befunde zeigen und solche mit einem frühzeitigen Befall und mutilierendem Verlauf. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit Zerstörung der artikulären Flächen bleiben therapeutisch meist nur versteifende Verfahren übrig. Hier gilt die komplette Arthrodese des Handgelenks nach Mannerfelt immer noch als Goldstandard. M it der Einführung neuer Veran- kerungssysteme und einem Wandel im Anspruch der Pati- enten mit rheumatoider Arthritis (RA) an die Funktion ihrer Hände und Finger, ist die Frage nach dem Goldstandard bei Eingriffen am fortgeschritten zerstörten Handgelenk gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, wenn man alle Eingriffe am rheumatischen Handgelenk berücksich- tigt. Als Goldstandard im übertragenen Sinn wird das zum gegebenen Zeitpunkt beste und zuverlässigste Verfahren be- zeichnet, welches das Erreichen eines be- stimmten Ziels ermöglicht. Wenn wir alle Eingriffe an der rheu- matischen Hand berücksichtigen, so entfallen mehr als die Hälſte der Eingrif- fe auf gelenkerhaltende Operationen an Sehnen und Gelenken. Auch bei Eingrif- fen, die mit einer Arthrodese von Hand- wurzelknochen einhergehen, bildet die Synovialektomie von Sehnen und Ge- lenken die Grundlage. Man darf also mit Fug und Recht behaupten, dass die Ar- tikulo-Teno-Synovialektomie (ATS) der Goldstandard für Handgelenkseingriffe bei Rheumatikern ist, wenn alle ver- schiedenen Operationen berücksichtigt werden. Arthrodesen machen nur rund 25% der Eingriffe aus (Tab). Folgende Fragen sind zu stellen: Wann und unter welchen Voraussetzungen kann die Arthrodese nach Mannerfelt [4] als Standard angesehen werden? Wel- cher Patient profitiert davon? Und wel- che Verfahren stehen bei denen, für die der Goldstandard nicht passt, zur Ver- fügung? Aus diesen Fragen ergibt sich die Notwendigkeit eines erapiekon- zepts, das die verschiedenen Optionen beinhaltet und sich an objektivierbaren Befunden, wie der Röntgenklassifikati- on nach Larsen, Dale, Eek (LDE) aus- richtet [4, 7]. Therapiekonzept nach LDE-Stadien In unserer Abteilung in der Kreuznacher Diakonie existiert seit Jahren ein stadi- enadaptiertes Konzept, um die Greif-, Halte- und Stützfunktion der Hand für den Patienten zu erhalten [7, 9]. Ziel rekonstruktiver Maßnahmen ist der Erhalt der Greiffunktion der Finger. Die Einschränkungen, die mit einer RA- Beteiligung des Handgelenks einherge- hen, sind so gravierend, dass eine ad- äquate erapie dieses Gelenks ganz entscheidend zu einer guten Funktion der Finger beiträgt. Hierzu zählt eine Rekonstruktion, die den Hohlhandbo- gen für MCP-Gelenke intakt lässt, weil dann der Ulnadriſt der Strecksehnen nicht so ausgeprägt ist. Gleichzeitig muss die Spannung der Sehnen optimal eingestellt werden, um eine möglichst energiearme, physiologische Funktion der Sehnen zu gewährleisten. Hierzu dient der Erhalt der karpalen Höhe. Zu- sammen mit der Greiffunktion ist die in- takte Stabilität im Handgelenk für den Gebrauch der Hand entscheidend. Im Sektor I nach Kuhlmann, mit einer Bewegungsamplitude von jeweils 20° um die Neutralposition, findet die meis- te Bewegung im Handgelenk statt. Der Erhalt dieser wenngleich einge- schränkten, aber für die meisten alltäg- lichen Arbeiten ausreichenden – Beweg- lichkeit ist ein erstrebenswertes Ziel, steht aber gegenüber den oben erwähn- ten anderen Anforderungen in fortge- schrittenen Stadien des rheumatischen Handgelenks etwas zurück. Mithilfe eines erapiealgorithmus gelingt es leichter, die passende Versor- gung zu wählen und gleichzeitig flexibel auf intraoperative Befunde zu reagieren (Abb. 1 ). Bildet die Artikulo-Teno-Syn- ovektomie (ATS) die Grundlage der Operation, kommen entsprechend der | Tab. Art und Zahl der Eingriffe am rheumatischen Handgelenk an der Kreuznacher Diakonie Synovialektomien 62 Arthrodesen 52 Teno-Synovialektomien (Beugesehnen) 44 Handgelenksplastiken 32 Prothesen 7 Revisionen 3 © Biehl, Kreuznacher Diakonie

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Page 1: Ist die Handgelenksarthrodese heute noch der Goldstandard?

18 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (4)

Fortbildung

Patienten mit rheumatoider Arthritis

Ist die Handgelenksarthrodese heute noch der Goldstandard?C. B I E H L , C. J U N G

Die Hand ist im Langzeitverlauf der rheumatoiden Arthritis immer in das Krankheitsgeschehen einbezogen. Die Ausprägung des Befalls hingegen ist variabel. So gibt es Rheumatiker die nur diskrete Befunde zeigen und solche mit einem frühzeitigen Befall und mutilierendem Verlauf. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit Zerstörung der artikulären Flächen bleiben therapeutisch meist nur versteifende Verfahren übrig. Hier gilt die komplette Arthrodese des Handgelenks nach Mannerfelt immer noch als Goldstandard.

M it der Einführung neuer Veran-kerungssysteme und einem Wandel im Anspruch der Pati-

enten mit rheumatoider Arthritis (RA) an die Funktion ihrer Hände und Finger, ist die Frage nach dem Goldstandard bei Eingri� en am fortgeschritten zerstörten Handgelenk gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, wenn man alle Eingri� e am rheumatischen Handgelenk berücksich-tigt. Als Goldstandard im übertragenen Sinn wird das zum gegebenen Zeitpunkt beste und zuverlässigste Verfahren be-zeichnet, welches das Erreichen eines be-stimmten Ziels ermöglicht.

Wenn wir alle Eingri� e an der rheu-matischen Hand berücksichtigen, so entfallen mehr als die Häl� e der Eingrif-fe auf gelenkerhaltende Operationen an Sehnen und Gelenken. Auch bei Eingrif-fen, die mit einer Arthrodese von Hand-wurzelknochen einhergehen, bildet die Synovialektomie von Sehnen und Ge-lenken die Grundlage. Man darf also mit Fug und Recht behaupten, dass die Ar-tikulo-Teno-Synovialektomie (ATS) der Goldstandard für Handgelenkseingri� e bei Rheumatikern ist, wenn alle ver-schiedenen Operationen berücksichtigt werden. Arthrodesen machen nur rund 25% der Eingri� e aus (Tab).

Folgende Fragen sind zu stellen: Wann und unter welchen Voraussetzungen kann die Arthrodese nach Mannerfelt [4] als Standard angesehen werden? Wel-

cher Patient pro� tiert davon? Und wel-che Verfahren stehen bei denen, für die der Goldstandard nicht passt, zur Ver-fügung? Aus diesen Fragen ergibt sich die Notwendigkeit eines � erapiekon-zepts, das die verschiedenen Optionen beinhaltet und sich an objektivierbaren Befunden, wie der Röntgenklassi� kati-on nach Larsen, Dale, Eek (LDE) aus-richtet [4, 7].

Therapiekonzept nach LDE-StadienIn unserer Abteilung in der Kreuznacher Diakonie existiert seit Jahren ein stadi-enadaptiertes Konzept, um die Greif-, Halte- und Stützfunktion der Hand für den Patienten zu erhalten [7, 9].

Ziel rekonstruktiver Maßnahmen ist der Erhalt der Grei� unktion der Finger. Die Einschränkungen, die mit einer RA-Beteiligung des Handgelenks einherge-hen, sind so gravierend, dass eine ad-äquate � erapie dieses Gelenks ganz entscheidend zu einer guten Funktion der Finger beiträgt. Hierzu zählt eine Rekonstruktion, die den Hohlhandbo-gen für MCP-Gelenke intakt lässt, weil dann der Ulnadri� der Strecksehnen nicht so ausgeprägt ist. Gleichzeitig muss die Spannung der Sehnen optimal eingestellt werden, um eine möglichst energiearme, physiologische Funktion der Sehnen zu gewährleisten. Hierzu dient der Erhalt der karpalen Höhe. Zu-sammen mit der Grei� unktion ist die in-

takte Stabilität im Handgelenk für den Gebrauch der Hand entscheidend.

Im Sektor I nach Kuhlmann, mit einer Bewegungsamplitude von jeweils 20° um die Neutralposition, � ndet die meis-te Bewegung im Handgelenk statt. Der Erhalt dieser – wenngleich einge-schränkten, aber für die meisten alltäg-lichen Arbeiten ausreichenden – Beweg-lichkeit ist ein erstrebenswertes Ziel, steht aber gegenüber den oben erwähn-ten anderen Anforderungen in fortge-schrittenen Stadien des rheumatischen Handgelenks etwas zurück.

Mithilfe eines � erapiealgorithmus gelingt es leichter, die passende Versor-gung zu wählen und gleichzeitig � exibel auf intraoperative Befunde zu reagieren (Abb. 1). Bildet die Artikulo-Teno-Syn-ovektomie (ATS) die Grundlage der Operation, kommen entsprechend der

| Tab. Art und Zahl der Eingri� e am rheumatischen Handgelenk an der Kreuznacher Diakonie

Synovialektomien 62Arthrodesen 52Teno-Synovialektomien (Beugesehnen)

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Handgelenksplastiken 32Prothesen 7Revisionen 3© Biehl, Kreuznacher Diakonie

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Situation additive Verfahren hinzu. In welche Richtung der Eingri� tendiert, ist aber im Vorfeld festzulegen.

Indikation zur ArthrodeseDie Indikation zur kompletten Arthro-dese am rheumatischen Handgelenk ist der mutilierende Verlaufstyp nach Sim-men/Huber in Verbindung mit einem Funktionsanspruch an die betro� ene Hand und die Finger, der durch die krankheitsbedingte Destruktion nicht mehr gewährleistet ist. Eine einsetzbare stabile Hand mit funktionierender Grei� unktion der Finger erzielt bei die-sen Patienten eine hohe Akzeptanz und Zufriedenheit. Kann die ursprüngliche karpale Höhe nicht wiederhergestellt werden, droht ein dauerha� er Kra� ver-lust der Finger.

Die Handgelenksarthrodese erfordert aber auch Anpassungsvorgänge im tägli-chen Leben. Nachbargelenke müssen teil-weise den Verlust der Beweglichkeit kom-pensieren; sind auch diese von der RA be-fallen, kann das verstei� e Handgelenk nur teilweise zur Entlastung dieser Ge-lenke herangezogen werden. Gegebenen-falls wird ein Wechsel der dominanten Hand nötig, wenn bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden können [2].

Alternativen zur ArthrodeseAls Alternativen zur Arthrodese sind die Resektions-Interpositions-Arthroplasti-

ken (RIAP) und die verschiedenen Hand-gelenksprothesen zu nennen. Wobei die diversen Möglichkeiten auch entspre-chende Einschränkungen beinhalten.

Die proximale Handgelenks-RIAP nach Tillmann erfordert ein hohes Maß an Erfahrung des Operateurs und ein fundiertes Wissen um die richtige Balan-cierung des Handgelenks. Mit dem Rück-gang der operativen Versorgungen infol-ge des breite Einsatzes der Biologika scheint diese Operation nur noch in Aus-nahmefällen (z. B. bei einem Os carpale) in die therapeutischen Überlegungen einzu� ießen. In unserer Abteilung wur-de in den vergangenen 18 Jahren keine einzige proximale RIAP durchgeführt.

Die Silastic-Prothesen zeigen am Handgelenk die gleiche Problematik wie an den Fingergelenken. Der Verschleiß ist eher noch ausgeprägter, da die Belas-tung im Handgelenk höher ist als bei ei-nem MCP- oder PIP-Gelenk.

Die modularen Handgelenksprothe-sen erlauben – sparsame Knochenresek-tion vorausgesetzt – einen Erhalt der Be-weglichkeit bei balancierbaren Handge-lenken. Auch hier sind nachfolgende Operationen aufgrund der PE-Situation unumgänglich. Wird wegen Funktions-verlusts eine Entfernung der Prothese nötig, sind meist große Defekte auszu-gleichen, die eine Knochentransplanta-tion und die Versorgung mit großen Platten erfordern [10].

Die erstmals von Gordon und King beschriebene distale RIAP ermöglicht eine Stabilisierung über die Arthrodese in Stellungskorrektur der proximalen Handwurzelreihe und eine Restbeweg-lichkeit über einen eingeschlagenen Kapselstreifen um das Capitatum/Ha-matum [3]. Besteht die Gefahr einer fort-schreitenden Destruktion der Hand-wurzelknochen, ist eine spätere Revision mit Übergang zur kompletten Arthro-dese gut möglich. Die distale RIAP bie-tet aber weder die stabile Situation der Arthrodese, noch die Beweglichkeit der gut funktionierenden Prothese. Hier-über muss der Patienten vor dem Ein-gri� aufgeklärt werden.

Vor einer Arthrodese am Handgelenk sind die mobilen Lösungen in Betracht zu ziehen und für den Einzelfall kritisch zu hinterfragen. Die Indikation zur mobilen Versorgung eines rheumatischen Hand-gelenks richten sich nach dem Destrukti-onsgrad. Handgelenke mit den Destruk-tionstypen I und II nach Simmen/Huber sind für eine mobile Versorgung eher ge-eignet [8]. In diesen Fällen kann die Re-konstruktion von Drehpunkt, Kinematik, Weichteilbalance und karpaler Höhe des Handgelenks gelingen. Gleichzeitig ist eine gute Knochenqualität zur Veranke-rung unabdingbar. Ebenso sollten keine Voroperationen am Handgelenk stattge-funden haben, da dies die Balancierung erheblich erschwert bis verhindert. Ein-

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Abb. 1: Algorithmus zum Einsatz der Artikulo-Teno-Synovialektomie

0 1GelenknaheOsteoporose

Radiosynoviorthese (Rhenium)

Artikulo–Teno–Synovektomie

± Ulnaköpfchenresektion

± distale R I A P

+ Sehnentransfer (ECRB > ECU)

+ radioulnare Arthrodese

+ radiocarpale Arthrodese

2

initial

3

manifest

4Osteo-

destruktionChondrodestruktion

5Ankylose

Prothese

Mannerfelt–Arthrodese

R I A P

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Fortbildung Handgelenksarthrodese bei RA

schränkungen an den Gelenken der un-teren Extremitäten sollten ebenfalls nicht vorhanden sein.

Neben dem – sicher berechtigten – Pa-tientenwunsch nach einer mobilen Lö-sung, ist auch die Compliance der Be-

tro� enen zu bedenken, stehen ihnen doch im Laufe ihres Lebens weitere Ope-rationen am Handgelenk bevor. Dies gilt insbesondere, wenn eine endoprotheti-sche Versorgung angestrebt wird. Eine mobile Lösung, um weiterhin z. B. Kra� -sport betreiben zu können, ist sicher nicht sinnvoll und zum Scheitern verur-teilt. Soll eine mobile Lösung bei einem fortgeschritten destruierten Handgelenk eine Chance haben, ist eine adäquate postoperative � erapie unabdingbare Voraussetzung.

Mangelnde Erfahrung des Operateurs mit mobilen Lösungen sollte nicht das Kriterium für eine Arthrodese sein. Die Indikationsstellung für den Eingri� ge-hört in die Hand des versierten Rheuma-orthopäden.

Ergebnisse Wie bei vielen einschneidenden Verän-derungen, benötigt ein Patient auch nach der Arthrodese des Handgelenks viel Zeit, um sich mit der neuen Situati-on auseinanderzusetzen und sich an die Einschränkungen, die der Eingri� nach sich zieht, zu gewöhnen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich das Er-gebnis in den üblicherweise angewende-ten Score-Systemen zunächst verbessert, um sich dann auf einem annähernd gleichbleibendem Niveau zu stabilisie-ren [1]. Vergleicht man die Eingri� e an-hand der absoluten Punktzahl, schnei-det die Arthrodese im Gegensatz zu vie-len anderen operativen Versorgungen schlecht ab. Allerdings muss die deutlich ungünstigere Ausgangslage der versteif-ten Handgelenke berücksichtigt werden. Beim Vergleich der relativen Ergebnisse untereinander, zeigen die Ergebnisse der Mannerfelt-Arthrodesen hingegen na-hezu identische Werte zu den Artikulo-Teno-Synovialektomien in frühen Stadi-en der Erkrankung.

Die Handgelenksprothesen erzielen dagegen im Vergleich schlechtere Werte

– auch wenn sich diese durch Einführung neuerer Implantate verbessern ließen. Die alternative Versorgung mit einer Si-lastic-Prothese erscheint in diesem Zusammenhang obsolet. Unabhängig vor der Art der Versorgung des Handge-lenks werden die schlechtesten Score-Ergebnisse immer dann beobachtet, wenn bereits Sehnendefekte vorgelegen

Fallbeispiele

Eine juvenile Rheumatikerin zeigt den in Abb. 2 dargestellten radiologischen Befund. Sie klagt über eine persistierende Schwellung des rechten Handgelenks, verbunden mit Schmerzen und eingeschränkter Belastbarkeit. Sie arbeitet vorwiegend am Computer. Zu Hause versorgt sie den Haushalt und ihre zwei kleinen Kinder. Die Basistherapie mit Azathioprin und Methotrexat (MTX) wurde nicht vertragen, Kortison 5 mg täglich, keine Biologika.

Soweit ist dies sicher eine den meisten Kollegen vertraute Anamnese. Doch nun zur Frage: Was tun? Eine konservative Therapie reicht o� enbar nicht aus. Eine stabilisierende Bandage zu tragen hat die Patientin versucht, diese aber nicht toleriert. Anhand des Röntgenbildes ist eine Radiosynoviorthese (RSO) keine Option mehr. Ein teilversteifendes Vorgehen mit Erhalt einer Restbeweglichkeit im Sinne einer distalen Resektions-Interpo-sitions-Arthroplastik (RIAP) ist möglich. Alternativ käme eine Prothese in Betracht oder eine komplette Arthrodese des Handgelenks.

Bei der Wahl der Therapie ist es unbedingt hilfreich, auch die Lebensumstände der Pati-entin zu erfragen und zu berücksichtigen. Beispiel 1: Die Patientin wohnt in einer deut-schen Großstadt und wird von einem erfahrenen internistischen Rheumatologen und in einer ebenfalls in Sachen RA versierten physiotherapeutischen Praxis betreut. Eine Heil- und Hilfsmittelversorgung ist gewährleistet. Hier schlagen wir vorrangig eine mobile Operationslösung vor. Beispiel 2: Die Patientin weilt in Deutschland nur zu einem Ver-wandtenbesuch und will in ihre sibirische Heimat zurückkehren. Dort hat sie weder zu einem internistischen Rheumatologen noch zu einem Orthopäden, der sich mit rheuma-tologischen Operationen auskennt, Zugang. Die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln ist nur über ihre Familienangehörigen und Freunde möglich. Angesichts dieser Lebens-situation tendieren wir zur „sicheren“ Variante der Arthrodese.

Abb 2.: 36-jährige Patientin mit juveniler rheumatoider Arthritis

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Fortbildung Patienten mit rheumatoider Arthritis

haben, die bei der Operation mit ver-sorgt wurden. Somit spiegelt die Sehnen-situation der Lang� nger auch das Resul-tat der Handgelenksversorgung wider.

FazitZusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Handgelenksarthrodese beim fortgeschritten destruierten Handgelenk weiterhin als Goldstandard gelten darf. Die operative Versorgung ist gemeinhin leichter, da die Balancierung des Ge-lenks besser gelingt. Der Erhalt bzw. die Rekonstruktion des Hohlhandbogens ist gegenüber den meisten Prothesenmo-dellen möglich. Die Arthrodese zeigt im Langzeitverlauf in puncto Schmerz, All-tagsfunktion und Akzeptanz durch die Patienten vergleichbare prozentuale Werte wie die reine Artikulo-Teno-Syn-ovialektomie über alle Stadien der rheu-matischen Hand. Eine Weiterentwick-lung durch neue Implantatsysteme mit winkelstabiler Verankerung und da-durch möglicher Schonung der Metacar-palia und dünneren, die Sehnen scho-nenden Platten ist gegeben.

Unabhängig von der Art des geplanten Eingri� s sollte eine operative Versor-gung statt� nden, bevor sich mögliche Sehnenschäden entwickeln, da die Er-gebnisse bei eingetretener Sehnenläsion immer schlechter sind als ohne. Wir sind daher als Rheumatologen gefordert, unsere Patienten dahingehend zu bera-ten und zu begleiten.

Literatur unter www.springermedizin.de/orthopaedie-und-rheuma

Dr. med. Christoph BiehlOrthopädische und Rheumaorthopädische Abteilung Diakonie Krankenhaus Kreuznacher Diakonie Ringstr. 64 55543 Bad KreuznachE-Mail: [email protected]

Abb. 3: Ergebnisse (%) im modi� zierten Clayton-Score bei verschiedenen Operationen (MPH = modular-physiologische Handgelenksprothese; APH = APH-Prothesen; HG-Swanson = Arthroplastik nach Swanson; RIAP = Resektions-Interpositions-Arthroplastik; ATS = Artikulo-Teno-Synovektomie).)

Arthrodesen

MPH

APH

HG-Swanson

Strecksehnen

RIAP

ATS

gut

befriedigend

schlecht

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Patienten (%)

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Abb. 4: Mannerfelt-Arthrodese

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8. Simmen BR, Huber H: Das Handgelenk bei der chronischen Polyarthritis. Eine neue Klassi� kation aufgrund des Destruktions-typs, des natürlichen Verlaufes und deren Konsequenzen für die chirurgische Therapie. Handchir Mikrochir Plast Chir. 1994:26: 182-189.

9. Thabe H: Das Handgelenk. In Thabe H (Hrg): Praktische Rheumaorthopädie, 1997: 162-182, Chapman&Hall, Weinsheim

10. Thabe H: Der endoprothetische Ersatz des rheumatischen Handgelenks Z.Rheumatol. 2011:70:395-399