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Institut für Medizinische Genetik
Die Zukunft ist molekular-
Genetische Medizin fallbasiert
Workshop Ärztekongress Arosa 2016
Dr. med. Silvia Miranda Azzarello-Burri, FMH Medizinische Genetik
Institut für Medizinische Genetik
Universität Zürich
Wagistrasse 12
CH-8952 Schlieren
Institut für Medizinische Genetik
Hereditäre
Bindegewebserkrankungen
• Marfan-Syndrom oder ähnliche Syndrome
• Ehlers-Danlos-, Stickler-Syndrom oder
ähnliche Syndrome
• Osteogenesis imperfecta
Institut für Medizinische Genetik
Marfan-Syndrom oder ähnliche Syndrome
• FBN1: Marfan-Syndrom
• ACTA2: Fam. thorakale Aneurysmen
• SMAD3: Loeys-Dietz-Syndrome 3
• TGFBR1: Loeys-Dietz-Syndrom 1
• TGFBR2: Loeys-Dietz-Syndrom 2
• TGFB2: Loeys-Dietz-Syndrom 4
• TGFB3: Loeys-Dietz-Syndrom 5
• MYH11: Fam. thorakale Aneurysmen
• FBN2: Beals-Syndrom
• MYLK: Fam. thorakale Aneurysmen
• TNXB1: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III
• COL3A1: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV
• COL5A1: Klass. Ehlers-Danlos-Syndrom
• COL5A2: Klass. Ehlers-Danlos-Syndrom
• PLOD1: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VI
Institut für Medizinische Genetik
Marfan-Syndrom: Klinik
• Hohe klinische Variabilität; okuläre, skelettale und kardiovaskuläre
Auffälligkeiten.
• Myopie als häufigste Augenauffälligkeit, 60% der Fälle mit
Linsenluxation, erhöhtes Risiko für Retinaablösung, Glaukom und frühe
Kataraktbildung.
• Vermehrtes Knochenwachstum und Gelenksüberbeweglichkeit,
Dolichostenomelie, pectus excavatum oder carinatum, Skoliose.
• Dilatation der Aorta im Bereich des Sinus Valsalva, Prädisposition für
Ruptur der Aorta, Mitralklappenprolaps, Trikuspidalklappenprolaps,
Erweiterung der proximalen Pulmonalarterie.
Institut für Medizinische Genetik
Marfan-Syndrom: Therapie
• Mind. jährliche Vorstellung beim Kardiologen/ Echokardiografie, je nach
Befund häufiger, intermittierende Überwachung der gesamten Aorta
• Erwägung einer medikamentösen Therapie mit einem Betablocker oder
Losartan. CAVE: Losartan ist in der Schwangerschaft kontraindiziert.
• Augenärztliche Überwachung
• Orthopädische Kontrollen bei skeletalen Beschwerden, auch im Hinblick
der Dura Ektasie.
• Verhaltensmassnahmen mit vermeiden von bestimmten Sportarten etc.!
Institute of Medical Genetics
Loeys-Dietz-Syndrom: Klinik
Faciale Dysmorphien (Dolichozephalie,
hypoplastische Alae nasi,
Micro/Retrognathie), marfanoider Habitus,
muskuläre Hypotrophie, Skoliose, Pes planus
Dilatation der Aorta ascendens
Durchscheinende Haut mit subkutan
sichtbaren Venen und Plattfüsse
Institut für Medizinische Genetik
Loeys-Dietz-Syndrom: Klinik
• Vaskuläre Auffälligkeiten: zerebrale, thorakale und abdominelle arterielle
Aneurysmen oder Dissektionen.
• Skelettale Manifestationen: Pectus excavatum oder carinatum, Skoliose,
Gelenksüberbeweglichkeit, Arachnodaktylie, talipes equinovarus.
• Z.T. craniofaziale Auffälligkeiten: weit auseinander liegende Augen, gespaltene
Uvula/ Gaumenspalte, Craniosynostose.
• Krankheitsverlauf charakterisiert durch aggressive arterielle Aneurysmen und
einer hohen Inzidenz von Schwangerschaftskomplikationen.
Institut für Medizinische Genetik
Loeys-Dietz-Syndrom: Therapie
• Aortale Dissektionen finden bereits bei kleinerem Durchmesser statt als
bei Patienten mit Marfan-Syndrom und vaskuläre Auffälligkeiten sind
nicht auf die Aortenwurzel beschränkt!
• Reduktion des hämodynamischen Stresses mittels Beta-Blocker oder
weiterer Medikation.
• Aufgrund hohem Risiko für Instabilität der Halswirbelsäule sollte vor
einer Intubation oder Manipulation am Hals ein Röntgen der
Halswirbelsäule erfolgen.
• Regelmässige Echokardiografien, Häufigkeit von MRI/CT zur
Überwachung des gesamten arteriellen Baumes je nach Klinik.
• Orthopädische Kontrollen.
• Verhaltensmassnahmen mit vermeiden von bestimmten Sportarten etc.!
Institut für Medizinische Genetik
Beals-Syndrom: Klinik
• Marfan-ähnliches Aussehen, Ohrauffälligkeit mit gefaltener oberen Helix,
Gelenkskontrakturen, Kamptodaktylie, Hüftkontrakturen, aduzierte
Daumen und Klumpfüsse, muskuläre Hypotonie.
• Kyphose/ Skoliose in ca. der Hälfte der Fälle, beginnend im
Säuglingsalter mit progressivem Verlauf.
• Z.T. Dilatationen der Aorta oder schwerer Verlauf mit multiplen
kardiovaskulären und gastrointestinalen Anomalien.
Institut für Medizinische Genetik
Beals-Syndrom: Therapie
• Physiotherapie zum Verbessern der Mobilität bei Gelenkskontrakturen
und Verbesserung der muskulären Hypotonie.
• Alle 2 Jahre Echokardiografie.
• Jährliche Untersuchung bezüglich Kyphose/ Skoliose.
Institute of Medical Genetics
Familiäres thorakales Aortenaneurysma
• Dilatation der ascendierenden thorakalen Aorta im Bereich des Sinus
Valsalva oder der Aorta ascendens.
• Dissektion der thorakalen Aorta im Bereich der ascendierenden (Standford
Typ A Dissektion) oder descendierenden Aorta (Stanford Typ B).
Institut für Medizinische Genetik
Familiäres thorakales Aortenaneurysma: Therapie
• Reduktion des hämodynamischen Stresses mittels Beta-Blocker oder
weiterer Medikation.
• Regelmässige Bildgebung der Aorta (Echokardiografie, CT, MRI).
• Vermieden werden sollten: unkontrollierter Bluthochdruck, Rauchen,
isometrische Übungen, Bodybuilding/Krafttraining und
Wettkampfsportarten, bei welchen es zu einem plötzlichen Schlag auf
die Brust kommen könnte (könnte die Erweiterung der Aortenwurzel
beschleunigen oder die Ursache für eine Dissektion/Ruptur sein).
Institut für Medizinische Genetik
Diagnostik:
Molekulargenetische Analysen
Hochdurchsatzsequenzierung/ next generation sequencing
- Mutationsscreening in vielen Genen durch paralleles
Sequenzieren
- Detektion von Punktmutationen und kleinen Indels
- Mutationsscreening mittels whole exome Sequenzierung (alle
Gene), klinisches Exom mit ca. 4800 bekannten
krankheitsverursachenden Genen oder gene-panel Analyse von
wenigen diagnostisch relevanten Genen (z.B. Tumor-Panel)
Institut für Medizinische Genetik
Genetik von familiären Krebserkrankungen
Darmkrebs
• Ca. 25% der Kolonkarzinome sind mit positiver Familienanamnese
assoziiert, ca. 3-5% entstehen im Rahmen eines bestimmten familiären
genetischen Syndromes.
• Das häufigste familiäre kolorektale Tumor-Syndrom ist das Lynch-
Syndrom (HNPCC, vererbter nicht polypöser Darmkrebs) bei ca. 2-3%
der Personen mit Darmkrebs.
Institut für Medizinische Genetik
Genetik von familiären Krebserkrankungen
Darmkrebs/ Lynch-Syndrom
Stark erhöhtes Lebenszeitrisiko für folgende Tumoren:
• 52-82% für kolorektales Karzinom (mittleres Alter bei Diagnose 44-61
Jahre)
• 25-60% für Endometrium-Karzinom (mittleres Alter bei Diagnose 48-62
Jahre)
Zusätzlich erhöhtes Risiko für:
• Magenkarzinome (6-13%, mittleres Alter bei Diagnose 56 Jahre) und
Ovarialkarzinome (4-12%, mittleres Alter bei Diagnose 42.5 Jahre, ca.
30% vor dem 40. LJ)
Zusätzlich leicht erhöhtes Risiko für Tumore des hepatobiliären Systems,
des Urogenitaltraktes, des Dünndarms, des ZNS, der Talgdrüsen und der
Prostata, Brustkrebs.
Institut für Medizinische Genetik
Genetik von familiären Krebserkrankungen
Darmkrebs/ Lynch-Syndrom-Vorsorgeuntersuchungen
• Regelmässige Kolonoskopien alle 1-2 Jahre, beginnend mit 20-25
Jahren oder 2-5 Jahre vor dem frühsten Erkrankungsalter in der Familie
(ggf. also bereits vor dem 20.LJ).
• Die Wirksamkeit der Überwachung bezüglich Tumore des
Endometriums, Ovars, Magens, Duodenums und Harntrakts ist
unbekannt.
Institut für Medizinische Genetik
Ehlers-Danlos-Syndrom-, Stickler o. ä. Syndrome
• COL5A1: Klass. Ehlers-Danlos-Syndrom
• COL5A2: Klass. Ehlers-Danlos-Syndrom
• COL1A1: Osteogenesis imperfecta/ EDS
• COL1A2: Osteogenesis imperfecta/ EDS
• COL2A1: Stickler-Syndrom u.a.
• COL3A1: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV
• PLOD1: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VI
• TNXB: Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III
• SLC2A10: Syndrom der geschlängelten Arterien
• ELN: Cutis laxa/ Supravalvuläre Aortenstenose
• FBN1: Marfan-Syndrom
• COL11A1: Stickler-Syndrom Typ 2 u.a.
Institut für Medizinische Genetik
Klassisches Ehlers-Danlos-Syndrom: Klinik
• Hautüberstreckbarkeit, abnormale Wundheilung,
Gelenksüberbeweglichkeit.
• Hypotonie, motorische Entwicklungsverzögerung, Müdigkeit,
Muskelkrämpfe, Neigung zu Blutergüssen.
• Mitral- und Trikuspidalklappenprolaps, Dilatation der Aortenwurzel,
spontane Ruptur der grossen Arterien.
Institut für Medizinische Genetik
Klassisches Ehlers-Danlos-Syndrom: Therapie
• Physiotherapie zur Muskelstärkung und Gelenkstabilisierung,
angepasstes Wund-Management nach Verletzung oder Operationen
(Hautwunden sollten spannungsfrei, am besten zweischichtig
verschlossen werden, tiefe Stiche sollten grosszügig vorgenommen
werden, Hautnähte sollten doppelt so lange als gewöhnlich belassen
werden, durch zusätzliches Fixieren der Haut rund um die Wunde kann
eine Dehiszenz der Narbe vermieden werden).
• Stark gelenkbelastende Sportarten (Kontakt- und Kampfsportarten,
Fussball, Laufsport) sollten eher vermieden werden. Es werden
hingegen Sportarten ohne Gewichtsbelastung, z.B. Schwimmen zur
Verbesserung der Muskelkraft und Koordination empfohlen.
Institut für Medizinische Genetik
Klassisches Ehlers-Danlos-Syndrom: Therapie
• Die Einnahme von Acetylsalicylsäure (Aspirin) sollte wenn möglich
vermieden werden.
• Für Kinder empfehlen sich gepolsterte Gelenkschoner/Helme, um
stärkere Verletzungen aufgrund der Hautfragilität zu vermeiden.
• Jährliche Echokardiographien bei auffälligem kardialen Befund. Falls
keine auffälligen Befunde im Echokardiogram eines Erwachsenen
bestehen, sind spezifische Empfehlungen für Verlaufskontrollen eines
Patienten schwierig zu geben, da sichere Langzeitdaten über die
Progression der Aortendilatation nicht verfügbar sind. Laut Literatur
werden Kontrolluntersuchungen im 3-Jahres-Intervall empfohlen (bei
Individuen ab dem 11./12. Lebensjahr mit normaler Echokardiographie,
welche Wettkampfsport betreiben, werden häufigere Evaluationen
empfohlen.
Institut für Medizinische Genetik
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III
• Subluxationen und Dislokationen, spontan oder durch minimales
Trauma, degenerative Gelenksprobleme, chronische Schmerzen,
Neigung zu Blutergüssen.
• Funktionelle Darmprobleme, autonome Dysfunktion mit orthostatischer
Intoleranz.
• Milde Aortendilatation ohne erhöhtes Dissektions-Risiko bei fehlender
signifikanter Dilatation.
• Häufig psychosoziale und emotionale Probleme.
Institut für Medizinische Genetik
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV
• Dünne, durchscheinende Haut, Neigung zu Hämatomen, z.T.
charakteristische Gesichtszüge, arterielle, intestinale und uterine
Brüchigkeit.
• Vaskuläre Dissektionen oder Rupturen, gastrointestinale Perforation,
Organrupturen.
• Inguinalhernien, Pneumothorax, Gelenksluxationen, Hautblutungen.
Institut für Medizinische Genetik
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VI
• Hautüberstreckbarkeit, dünne Narben, Hämatomneigung, generalisierte
Gelenksüberbeweglichkeit, schwere muskuläre Hypotonie bei Geburt.
• Progressive Skoliose mit Manifestation im ersten Lebensjahr, Sklera-
Brüchigkeit.
• Risiko für Ruptur der Arterien, respiratorische Beeinträchtigung.
• Autosomal-rezessiver Erbgang.
Institut für Medizinische Genetik
Syndrom der geschlängelten Arterien
• Geschlängelt verlaufende und verlängerte grosse und mittelgrosse
Arterien mit erhöhtem Risiko für Aneurysmen und Dissektionen und
Stenosen der Aorta oder Pulmonalarterien.
• Charakteristische Gesichtszüge mit Mikrogenie, hohem Gaumen.
• Weiche und überdehnbare Haut, skelettale Auffälligkeiten (Skoliose,
pectus excavatum/carinatum, Gelenksüberbeweglichkeit, Kontrakturen,
Arachnodaktylie, Camptodaktylie), Hernien, Hypotonie,
Augenauffälligkeiten (Myopie, Keratokonus).
• Autosomal-rezessiver Erbgang.
Institut für Medizinische Genetik
Cutis laxa, autosomal dominant
• Runzelige, überschüssige und hängende unelastische Haut mit normaler
Wundheilung
• Anomalien der Herzklappen, kardiovaskuläre Manifestationen (u.a.
Aortenaneurysma) Emphysem, Leistenhernien, gastrointestinale
Divertikel
Institut für Medizinische Genetik
Stickler-Syndrom
• Augenauffälligkeiten wie Myopie, Katarakt, Retinaablösung
• Schwerhörigkeit (konduktiv, sensorineural), Mittelgesichtshypoplasie,
Gaumenspalte (ev. Robin-Sequenz), milde spondyloepiphysale
Dysplasie und frühzeitige Arthritis
• Mitralklappenprolaps
Institut für Medizinische Genetik
Vaskuläres Ehlers-Danlos-Syndrom: Therapie/ Überwachung
• Patienten sollen bei unklaren plötzlichen Schmerzen sofort einen Arzt
aufsuchen, Tragen eines Notfallarmbandes.
• Allenfalls periodisches arterielles Screening mittels Ultraschall, MRI oder
CT; regelmässige Blutdruckkontrollen.
• Meiden von Traumas (Kollision-Sport, Krafttraining etc.), Arteriografien
nur mit grosser Vorsicht bei lebensbedrohlicher Blutung, Koloskopie nur
bei Symptomen oder starker familiärer Belastung mit Kolonkarzinom.
• Versterbensrisiko in Schwangerschaft aufgrund peripartaler arterieller
Ruptur oder Uterus-Ruptur von ca. 5.3%.
Institut für Medizinische Genetik
Osteogenesis imperfecta
• PYCR1
• SERPINF1
• SERPINH1
• SLC26A2
• SOX9
• SP7
• STAT3
• TMEM38B
• WNT1
• ZNF469
• FBN2
• FGFR2
• FGFR3
• FKBP10
• GORAB
• IFITM5
• LEPRE1
• LRP5
• PLOD2
• PPIB
• PLS3
• COL1A1, COL1A2
• ALPL
• ANO5
• ATP6VOA2
• B4GALT7
• BMP1
• CASR
• COL2A1
• CRTAP
• DSPP
Institut für Medizinische Genetik
Osteogenesis imperfecta (COL1A1/2)
• Frakturen ohne/ mit minimalem Trauma, dentinogenesis imperfecta,
Schwerhörigkeit im Erwachsenenalter
• Variabler Phänotyp von perinataler Lethalität, schweren skelettalen
Deformationen, Mobilitäts-Problemen und ausgeprägtem Kleinwuchs bis
zu beinahe asymptomatisch Betroffenen mit milder Prädisposition
gegenüber Frakturen, normaler Zahnentwicklung, normaler
Körpergrösse und normaler Lebenserwartung