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INSOLVENZRECHT IN DER EU ENGLAND, FRANKREICH, ITALIEN, NIEDERLANDE Recht

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INSOLVENZRECHT IN DER EUENGLAND, FRANKREICH, ITALIEN, NIEDERLANDE

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Inhalt

3Germany Trade & Invest www.gtai.de

A. Einleitung ........................................................................................................................... 4

B. Europäische Insolvenzverordnung ..................................................................................... 4

1. Internationale Zuständigkeit .............................................................................................. 5

2. Universalitätsprinzip ........................................................................................................... 5

3. Anwendbares Recht ............................................................................................................ 6

4. Anerkennung ...................................................................................................................... 6

C. Insolvenzregister ............................................................................................................... 7

D. Grundzüge des Insolvenzrechts in ausgewählten Ländern ................................................ 7

1. England und Wales ............................................................................................................. 7

2. Frankreich ........................................................................................................................ 10

3. Italien ................................................................................................................................ 14

4. Niederlande ...................................................................................................................... 16

E. Checkliste ......................................................................................................................... 19

F. Tabellarische Übersicht .................................................................................................... 20

4 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

A. Einleitung

Die wirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre haben das Insolvenzrecht stärker in den Fokusgerückt. Gemäß einer Untersuchung von „Creditreform“ zur Entwicklung der Unternehmensinsol-venzen in Europa 2013/2014 stiegen die Insolvenzen 2013 gegenüber dem Vorjahr um 1,1% an. Signi-fikante Anstiege sind u.a. in Italien (15,9%) zu verzeichnen. In den Niederlanden ist die Zahl der In-solvenzen um 9,7% und in Frankreich um 2,1% gestiegen, während in Großbritannien die Zahl derInsolvenzen um 9,9% zurückging. Wegen des bedeutenden Handelsvolumens deutscher Unter-nehmen im Vereinigten Königreich - Das Vereinigte Königreich rangierte 2013 auf Platz 3 der deut-schen Außenhandelspartner (!) - lohnt sich aber unabhängig von den aktuellen Entwicklungenauch ein Blick in das englische Insolvenzrecht.

Laut Creditreform erfolgen 32,4% aller Insolvenzen im Handelsbereich, im Dienstleistungsbereichsogar 35,9%. In Großbritannien waren 2013 alleine 62% aller Insolvenzen der Dienstleistungsbran-che zuzuordnen.

B. Europäische Insolvenzverordnung

Auf Grund der wachsenden internationalen Verflechtung des Wirtschaftslebens haben internatio-nalinsolvenzrechtliche Aspekte an Bedeutung gewonnen. Deren Grundlagen sind EU-weit in derEU-Verordnung Nr. 1346/2000 DES RATES vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren geregelt.

Bei Insolvenzen mit internationalen Bezügen, insbesondere, wenn die Vermögenswerte desSchuldners teilweise im Ausland belegen sind oder die Gläubiger im Ausland ansässig, stellen sichviele Vorfragen: Die Gerichte welchen Staates sind für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu-ständig? Welches Vermögen des Schuldners wird erfasst? Die insolvenzrechtlichen Regelungenwelchen Staates sind anwendbar? Werden Entscheidungen des Insolvenzrechts im Ausland aner-kannt?

Die Antworten darauf liefert das sog. „internationale Insolvenzrecht“. Innerhalb der EU ist dies (mitAusnahme Dänemarks) durch die EU-Verordnung Nr. 1356/2000 vereinheitlicht worden. Insol-venzverfahren in diesem Sinne sind Gesamtverfahren (d.h. Verfahren, bei denen individuelleRechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger ausgeschlossen sind), welche die Insolvenzdes Schuldners voraussetzen und einen Vermögensbeschlag sowie die Bestellung eines Verwalterszur Folge haben. Welche Verfahren dies EU-weit sind, ist im Anhang A zur Verordnung aufgeführt.Nicht erfasst von der EU-VO sind Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunter-nehmen oder Kreditinstituten, von Wertpapierunternehmen, die Dienstleistungen erbringen,welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen sowie von Organismen fürgemeinsame Anlagen. Räumlich erfasst sind nur solche Verfahren, bei denen „der Mittelpunkt derhauptsächlichen Interessen des Schuldners“ in einem EU-Mitgliedstaat liegt, wobei Dänemarkkein Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung ist.

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1. Internationale Zuständigkeit

Eine zentrale Frage des internationalen Insolvenzrechts ist die der internationalen Zuständigkeit,d.h. die Frage, die Gerichte welchen Staates für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständigsind.

a) Interessenmittelpunkt

Art.3 der VO knüpft hier an den „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ („centre of main in-terests“ (COMI)) des Schuldners an. Aus den Materialien zur Insolvenzverordnung ergibt sich, dassdies der Ort ist, an dem der Schuldner üblicherweise, in für Dritte erkennbarer Weise der Verwal-tung seiner Interessen nachgeht. Gemäß einer Entscheidung des High Court of Justice Leeds mussdieser Ort eine „gewisse Beständigkeit“ aufweisen. Im Übrigen gibt es hierzu eine Fülle von Recht-sprechung und juristischer Literatur. Dabei stehen sich im Wesentlichen zwei Ansätze gegenüber:Gemäß der in der Rechtsprechung vorherrschenden „mind of management-Theorie“ sind unter-nehmensinterne Gesichtspunkte entscheidend. Maßgeblich ist demnach, in welchem Mitglied-staat die strategischen Unternehmensentscheidungen getroffen werden. Dem steht die „businessactivity“-Theorie gegenüber, die auf die nach außen tretenden Handlungen und Vermögenswertedes Schuldners abstellt. Gesichtspunkte dafür sind u.a. der Ort der Geschäftsräume, der Ort, an demdie meisten Angestellten tätig sind, der Ort des Geschäftskontos und der Ort und die Art der Ab-wicklung der Verträge mit den Gläubigern.

b) Konzerne

Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird gemäß Art.3 Abs.2 der VO vermutet, dass der In-teressenmittelpunkt der Ort des Satzungssitzes ist.

Die Insolvenzverordnung trifft keine Regelungen für eine Konzerninsolvenz. Sie äußert sich somitauch nicht dazu, ob auf den Interessenmittelpunkt der Muttergesellschaft oder einen davon unab-hängigen COMI der Tochtergesellschaft abzustellen ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatbislang dazu entschieden, dass für jede Tochtergesellschaft unabhängig von der Muttergesell-schaft zu entscheiden ist, wo der Interessenmittelpunkt ist. Folglich ist eine einheitliche internatio-nale Zuständigkeit für den gesamten Konzern nur gegeben, wenn alle Tochtergesellschaften inein- und demselben Staat ihren Interessenmittelpunkt haben.

2. Universalitätsprinzip

Insolvenzen mit internationalem Bezug zeichnen sich häufig dadurch aus, dass der Schuldner überVermögensgegenstände in verschiedenen Ländern verfügt. Dann stellt sich die Frage, ob von derInsolvenzeröffnung sämtliche Vermögensgegenstände weltweit oder nur die in dem Eröffnungs-staat belegenen erfasst sind.

6 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

Die EU-Verordnung geht von dem Grundsatz aus, dass alles irgendwo vorhandene Schuldnerver-mögen von einem einzigen - wo auch immer eröffneten - Insolvenzverfahren erfasst wird.

Allerdings wird das Prinzip einer Universalinsolvenz durch die Zulassung von Territorialverfahrenabgeschwächt. In diesen Verfahren sind die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf das im Gebieteines bestimmten Mitgliedstaats belegene Vermögen beschränkt, ohne, dass in diesem Staat derInteressenmittelpunkt des Schuldners liegt. Ein solches Verfahren setzt allerdings voraus, dass derSchuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses Mitgliedstaates hat (Art.3 Abs.2 S.1 der VO 1346/2000). Es kann vor oder nach Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens (d.h. eines Verfahrens, dasam Gericht des Interessenmittelpunktes eröffnet wird) eröffnet werden. Wird es nach dem Haup-tinsolvenzverfahren eröffnet, ist es nur als Liquidationsverfahren zulässig.

3. Anwendbares Recht

Lex fori concursus

Ist ein internationales Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, das Insolvenzrecht wel-chen Staates denn auf das konkrete Verfahren anwendbar ist. Gemäß Art.4 Abs.1 der VO ist für dasInsolvenzverfahren das Recht des Mitgliedstaates anwendbar, in dem das Verfahren eröffnet wur-de. Man spricht insofern auch von dem Grundsatz der „lex fori concursus“. Hierzu gehört insbeson-dere, über welche Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet werden darf (Insolvenzfähigkeit), dieBefugnisse des Insolvenzverwalters sowie die Anmeldung, Prüfung und Feststellung der Forderun-gen. Auch die Fragen, wie sich ein Insolvenzverfahren auf laufende Verträge auswirkt und welcheRechtshandlungen wegen Benachteiligung der Gläubiger nichtig, anfechtbar oder relativ unwirk-sam sind, fallen darunter.

4. Anerkennung

Eine andere Frage ist es, ob sich die Wirkungen eines z.B. in Großbritannien eröffneten Insolvenz-verfahrens auch auf Deutschland erstrecken. Die EU-VO bejaht dies (grundsätzlich) in Art. 17 Abs.1,sofern nicht die Verordnung (aufgrund bestimmter Sonderregelungen) etwas anderes bestimmtund solange noch kein Territorialverfahren in dem jeweils anderen Mitgliedstaat (im Beispiel hierDeutschland) eröffnet worden ist. Darüber hinaus gilt gemäß Art.4 Abs.1 „für das Insolvenzverfah-ren und seine Wirkungen das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird“. Wasdarunter zu verstehen ist, wird in Art.4 Abs.2 konkretisiert. Aus den genannten Vorschriften folgt,dass sich (grundsätzlich) die Wirkungen eines Insolvenzverfahren auch auf das Ausland erstre-cken.

Ein Mitgliedstaat kann sich jedoch weigern, die Wirkungen auf sein Staatsgebiet zu erstrecken,wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, dass offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnungunvereinbar ist („ordre public“).

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C. Insolvenzregister

In einigen EU-Mitgliedstaaten sind sog. Insolvenzregister eingerichtet worden, die es ermögli-chen, auf elektronischem Weg Zugang zu wichtigen Informationen rund um die Insolvenz vonUnternehmen zu erlangen. Der Umfang der bereitgestellten Informationen variiert unter denMitgliedstaaten.

Im Zuge der europäischen Initiative zur Modernisierung des europäischen Insolvenzrechts sinddie Insolvenzregister einiger Mitgliedstaaten miteinander verbunden worden. Einzelheiten hier-zu sind auf dem EU-Justizportal unter https://e-justice.europa.eu/content_insolvency_registers-110-de.do abrufbar.

D. Grundzüge des Insolvenzrechts in ausgewählten Ländern

1. England und Wales

Ein auf das gesamte Vereinigte Königreich anwendbares Insolvenzrecht existiert nicht. Der Insol-vency Act gilt nur teilweise in Schottland, in Nordirland ist er grundsätzlich nicht anwendbar. Ne-ben dem Insolvency Act sowie den Insolvency Rules als wesentlicher Rechtsgrundlage bilden (ge-mäß dem traditionellen System des case law) Gerichtsentscheidungen die Rechtsgrundlage desenglischen und walisischen Insolvenzrechts.

Zu unterscheiden sind Insolvenzen natürlicher Personen von denjenigen der Gesellschaften. Liqui-dationsverfahren über das Vermögen natürlicher Personen werden als „bankruptcy“ bezeichnet.Im Folgenden sind die verschiedenen Insolvenzverfahren bezüglich Gesellschaften dargestellt.

a) Alternativen einer Liquidation

Zur Vermeidung eines auf Liquidation einer Gesellschaft gerichteten Insolvenzverfahrens existie-ren die Verfahren des „Company Voluntary Arrangement“ (Insolvency Act Ss.(Sections) 1-7), des„Compromise (oder Scheme) Arrangement“ (Companies Act 2006, Part 26 Ss. 895-901 und Part 27),der „Administration“(Insolvency Act Schedule B1) sowie des „Administrative Receivership“ (Insol-vency Act Ss. 29 ff.).

Gemäß Anhang A der europäischen Insolvenzordnung sind „Administration“ und „Company Vo-luntary Arrangement“ Insolvenzverfahren i.S.d. Art. 2 a) der Verordnung. Die entsprechenden Vor-schriften können daher auf der Grundlage der unter B) dargestellten Verordnung zur Anwendungkommen. „Compromise Arrangement“ und „Administrative Receivership“ dagegen sind keine In-solvenzverfahren in diesem Sinne.

8 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

aa) Arrangement

Während beim freiwilligen außergerichtlichen Vergleich („Company Voluntary Arrangement“)das Gericht nicht wesentlich eingeschaltet werden muss, unterliegt der „Compromise of Arrange-ment“ der Genehmigungspflicht durch das Gericht, das zuvor Gläubiger und Gesellschafterzwecks Abschluss eines Vergleiches einberufen hat. In beiden Fällen ist die Zustimmung von anwe-senden und stimmberechtigten Gläubigern erforderlich, deren Forderungen mindestens 75% derForderungen aller anwesenden und stimmberechtigten Gläubiger ausmachen.

bb) Administration

Die Administration dient dem Ziel, einer Company Zeit zur Restrukturierung einzuräumen. DieGesellschafter müssen eine eidesstattliche Versicherung über die Vermögensverhältnisse der Ge-sellschaft abgeben und diese gemeinsam mit einem Antrag auf Eröffnung des Administration-Ver-fahrens einreichen. Besteht die berechtigte Aussicht, dass die Zahlungsunfähigkeit durch das Ad-ministration-Verfahren überwunden werden kann, nimmt das Gericht den Antrag an. Es erlässtdann eine sog. „Administration Order“, der gemäß alle Geschäfte von einem vom Gericht bestell-ten Administrator verwaltet und fortgeführt werden. Auf Veranlassung des Administrators mussein Bericht über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich konkreter Maß-nahmen zur Sanierung verfasst werden. Genehmigt die Gesellschafterversammlung den Berichtnicht, ordnet das Gericht die Zwangsliquidation an. Seit dem Enterprise Act 2002 besteht auch dieMöglichkeit, ein Administration-Verfahren ohne Gerichtsbeschluss einzuleiten („out of courtrules“; durch den Inhaber einer Floating Charge (globales Sicherungsrecht) oder die Companyselbst).

cc) Administration Receivership

Auf die Verwertung von Vermögensgegenständen und Sicherheiten zugunsten der Gläubiger istdas Verfahren der „Administrative Receivership“ zugeschnitten. Im Unterschied zum Liquidatorwickelt der aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung durch einen Gläubiger bestellte Adminstra-tive Receiver die Company nicht ab, sondern verwertet Sicherheiten. Ein administrative Receiverhat weitreichende Geschäftsführungsbefugnisse. Durch den Enterprise Act ist die administrativeReceivership für nach dem 15.9.2003 vereinbarte Floating Charges weitgehend abgeschafft wor-den.

b) Liquidation

Die Liquidation der Gesellschaft („winding up“) kann auf drei verschiedene Arten erfolgen:

- Bei der „members’ voluntary winding up“ wird die company auf Initiative der Gesellschafter frei-willig abgewickelt.

- Die „creditors’ voluntary winding up“ ist eine Abwicklung auf Initiative der Gesellschafter ohneMitwirkung des Gerichts.

In der ersten Variante handelt es sich um die Abwicklung einer solventen Gesellschaft. In der zwei-ten Variante dagegen ist die Gesellschaft insolvent und muss innerhalb von 14 Tagen nach dem Be-schluss über die Abwicklung eine Gläubigerversammlung einberufen.

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- Die „compulsory winding up“ schließlich ist die gerichtliche Abwicklung der insolventen Com-pany.

aa) Liquidationsgrund

Die Eröffnung einer gerichtlichen Liquidation steht im Ermessen des Gerichts. Voraussetzung istallerdings ein Liquidationsgrund. Als solcher kommt u.a. gemäß s. 122 (1) (f) Insolvency Act die „Un-fähigkeit, Schulden zu begleichen“ („the company is unable to pay ist debts“), in Betracht. Vermö-genslosigkeit alleine ist noch kein Grund, die Liquidation der Gesellschaft abzulehnen. Ein gewich-tiger Grund, im Falle der Zahlungsunfähigkeit eine Liquidation zu eröffnen, ist das Vorliegen einer(unbestrittenen) Forderung des antragstellenden Gläubigers. Nach der Rechtsprechung orientiertman sich hier an einem Betrag von 750 Pfund Sterling (£). Unterhalb dieser Schwelle soll eine Liqui-dation nicht eröffnet werden, da das Liquidationsverfahren nicht als Vollstreckungsverfahren fürForderungen in geringer Höhe genutzt werden soll (siehe Schillig in:Kindler/Nachmann „Hand-buch Insolvenzrecht in Europa“ (Loseblattsammlung), England und Wales Randziffer 79 m.w.N.).Ein weiterer bei der Entscheidung über die Eröffnung zu berücksichtigender Aspekt ist die Haltungder Gläubiger. Widerspricht die Mehrheit (nach Köpfen und Betrag) der Gläubiger, spricht dies ausdem Grund, die Interessen aller Gläubiger zu berücksichtigen, gegen eine solche Liquidation (vgl.hierzu Schillig, a.a.O., Rz 82).

Örtlich zuständig ist für alle in England und Wales registrierten Gesellschaften der High Court inLondon, der außerhalb London in sog. „District Registries“ agiert.

bb) Liquidator

Eröffnet das Gericht ein Liquidationsverfahren, setzt es einen „Liquidator“ ein (vergleichbar demdeutschen Insolvenzverwalter). Seine Aufgabe ist es, insbesondere, unter Beachtung der entspre-chenden rechtlichen Bestimmungen die Forderungen festzustellen sowie das Vermögen zu ver-werten und zu verteilen. Dies erfolgt entsprechend der gesetzlichen Rangfolge der einzelnen An-sprüche. Zunächst sind (wie in Deutschland auch) die Verfahrenskosten zu begleichen. Im Übrigenbesteht der Grundsatz der gleichmäßigen und anteiligen Befriedigung. Bestimmte Gläubiger-gruppen genießen jedoch Vorrang.

Bezüglich laufender und beiderseits noch nicht oder nicht vollständig erfüllter Verträge hat der Li-quidator ein Wahlrecht, ob er diese erfüllt oder nicht.

Der Liquidator hat auch dafür zu sorgen, dass die Eröffnung des Verfahrens in der „London Gazet-te“ sowie weiteren „Zeitungen seiner Wahl“ erfolgt.

Weitere Angaben über zahlungsunfähige Schuldner, die sich in „Voluntary Arrangement-Verfah-ren“ befinden sowie solchen, die eine vereinfachte Privatinsolvenz („debt relief order“) beantragthaben, lassen sich dem Insolvenzdienst von England und Wales entnehmen.

Bis zur Entscheidung über die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens kann das Gericht auch ei-nen vorläufigen („provisional“) Liquidator bestellen. Im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnissehat der Liquidator treuhänderische Pflichten gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger zu beach-

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Insolvenzrecht in der EU

ten. So muss er gegenüber allen Verfahrensbeteiligten strikte Neutralität wahren. Die Vergütungsetzt (soweit vorhanden) der Liquidationsausschuss, ansonsten die Gläubigerversammlung fest.

Der Liquidator kann vom Management der Gesellschaft innerhalb von 21 Tagen eine Erklärungüber die Angelegenheiten der Gesellschaft („statement of affairs“) verlangen. Auch die Gläubigerund Gesellschafter haben die Möglichkeit, einen Antrag auf Einsicht in die Bücher und Papiere zustellen, über den dann das Gericht nach seinem Ermessen entscheidet. Die Gläubiger haben dieMöglichkeit, einen Liquidationsausschuss (mindestens drei, höchstens fünf Gläubiger) einzurich-ten, der die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger gegenüber dem Liquidator wahrnimmt.

cc) Forderungsanmeldung

Stellt der Liquidator fest, dass (voraussichtlich) genug Masse vorhanden ist, um die von ihm ermit-telten Gläubiger quotal zu befriedigen, so informiert er diese entsprechend mit der Aufforderung,ihre Forderungen anzumelden. Hierzu ist das Formblatt „form 4.25“ („proof of debt“) zu verwen-den. Der Insolvenzverwalter kann auch weitere Nachweise zum Beweis des Bestehens der Schuldverlangen. Anmeldefähig sind auch künftige oder befristete Ansprüche. Der Wert noch nicht fälli-ger Ansprüche ist jedoch nach einer bestimmten Formel herabzusetzen. Nach der Anmeldung ent-scheidet der Liquidator, ob der Anspruch für die Verteilung zuzulassen ist und begründet dies ge-genüber dem Gläubiger. Dieser kann dann innerhalb von 21 Tagen gegen diese EntscheidungRechtsmittel einlegen. Diejenigen Gläubiger, die nicht innerhalb von 14 Tagen nach der Aufforde-rung zur Forderungsanmeldung ihre Forderungen angemeldet haben, nehmen an der Verteilungnicht teil.

dd) Wirkungen eines vereinbarten Eigentumsvorbehaltes

Ein Eigentumsvorbehalt („retention of title“) ist insolvenzfest. Das heißt, dass der Verkäufer dieWare aussondern darf.

ee) Verteilung

Vor einer Verteilung der Konkursmasse sind zunächst die Verfahrenskosten in voller Höhe zu be-gleichen. Es folgen in dieser Reihenfolge die Forderungen der vorrangigen Gläubiger, der Insol-venzgläubiger sowie der nachrangigen Gläubiger. Zu letzteren zählen etwa mitgliedschaftlicheAnsprüche von Gesellschaftern.

2. Frankreich

a) Alternativen einer Liquidation

Auch in Frankreich haben die Überlegungen zur Vermeidung einer Liquidation zu entsprechen-den alternativen Verfahrensarten geführt.

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Im Einzelnen handelt es sich dabei um eine „procédure alerte“, die Einsetzung eines „mandatairead hoc“, ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren („procédure de conciliation“), ein präventi-ves Sanierungsverfahren („procédure de sauvegarde“) sowie das ordentliche Insolvenzverfahrendes „redressement judiciaire“. Die beiden letztgenannten Verfahren sind Insolvenzverfahren i.S.der Insolvenzordnung.

aa) Procédure alerte

Die „procédure alerte“ ist eine Art „Frühwarnverfahren“ durch den Abschlussprüfer. Sie kommtfolglich nur bei prüfungspflichtigen Gesellschaften in Betracht. Die Verfahren variieren, je nach-dem, ob der Schuldner eine Aktiengesellschaft („Société Anonyme“) oder eine sonstige Handelsge-sellschaft ist. In beiden Fällen untersucht der Abschlussprüfer, ob Tatsachen vorliegen, die eineFortführung des Unternehmens gefährden könnten und informiert darüber die Geschäftsleitung,die hierzu Stellung zu nehmen hat. Bleibt die Stellungnahme aus, fordert der Abschlussprüfer dieGeschäftsleitung zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf. DerPräsident des zuständigen Handelsgerichts erhält diese Aufforderung in Kopie. Bei der S.A. befasstder Abschlussprüfer im Falle einer fehlenden Stellungnahme Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat mitder Angelegenheit. Der Gerichtspräsident erhält auch in diesem Fall eine Kopie der Aufforderung.Erscheint die Unternehmensfortführung weiterhin gefährdet, ist eine außerordentliche Haupt-versammlung einzuberufen. Sinn und Zweck der „procédure alerte“ besteht darin, dass die befass-ten Gremien unter der Aufsicht des Gerichtspräsidenten zu der Unternehmensfortführung geeig-nete Entscheidungen treffen. Der Gerichtspräsident kann die Geschäftsleitungsorgane diesbezüg-lich zu einer persönlichen Besprechung vorladen, in der mögliche Sanierungsmaßnahmen erör-tert werden.

bb) Mandataire ad hoc

Als „Krisenmanager“ können die Gerichte auch einen „mandataire ad hoc“ einsetzen. In der Regelerfolgt dies im Rahmen oder im Anschluss an eine „procédure alerte“. Voraussetzung ist ein ent-sprechender Antrag eines Unternehmervertreters („représentative de l’entreprise“). In der Aus-wahl dieses mandataire ist der Gerichtspräsident frei. Allerdings muss die Neutralität des manda-taire gewährleistet sein. Der Aufgabenbereich des mandataire ist nicht gesetzlich geregelt, son-dern wird ausschließlich vom Gerichtspräsidenten bestimmt. Das Verfahren des mandataire adhoc unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung.

cc) Procédure de Conciliation

Ein Schlichtungsverfahren („procédure de conciliation“) kann eröffnet werden, wenn eine rechtli-che, wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeit entweder bereits besteht oder absehbar ist.Auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist ein solches Schlichtungsverfahren möglich, soferndieser Eintritt nicht länger als 45 Tage zurückliegt. Das Schlichtungsverfahren dauert grundsätz-lich vier Monate und kann um einen Monat verlängert werden. Ebenso wie beim mandataire adhoc, liegt auch die Bestimmung des Schlichters („conciliateur“) im Ermessen des Gerichtspräsiden-ten. Im Unterschied zum „mandataire ad hoc“ hat das Unternehmen hier jedoch ein Vorschlags-recht und kann den eingesetzten Schlichter ablehnen. Die Aufgabe des Schlichters besteht darin,eine Schlichtungsvereinbarung zwischen Insolvenzschuldner, dessen Hauptgläubigern und denregelmäßigen Vertragspartnern auszuarbeiten mit dem Ziel, hierdurch die Unternehmenskrise zu

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Insolvenzrecht in der EU

überwinden. Ist eine solche Vereinbarung abgeschlossen, hängen ihre Wirkungen davon ab, ob sievom Gerichtspräsidenten lediglich festgestellt („constatation“) oder inhaltlich bestätigt wird(„homologation“). Die „constatation“ setzt einen gemeinsamen Antrag sämtlicher Verfahrensbe-teiligter voraus und hat die sofortige Vollstreckbarkeit der Vereinbarung zur Folge. Eine „homolo-gation“ erfolgt nur auf Antrag oder Initiative des Insolvenzschuldners und sichert darüber hinausdie Gläubiger noch besser ab. So verfügen Gläubiger, die noch vor der Eröffnung eines Liquidati-onsverfahrens, eines Verfahrens des „redressements“ oder einer „procédure de sauvegarde“ fürdas Unternehmen neue Geldmittel bereitstellen, in einem solchen Verfahren über ein Vorzugs-recht. Außerdem gilt der Vergleich auch gegenüber den nicht verfahrensbeteiligten Gläubigern.Die homologation ist zu veröffentlichen.

Wird die Schlichtungsvereinbarung wie vereinbart ausgeführt, so ist jede individuelle Rechtsver-folgungs- und Vollstreckungsmaßnahme eines Gläubigers ausgeschlossen.

dd) Procédure de sauvegarde

Das Verfahren der „procédure de sauvegarde“ ist mit der Insolvenzrechtsreform 2005 eingeführtworden. Dieses präventive Sanierungsverfahren ist ausschließlich vor der Zahlungsunfähigkeitdurchzuführen. Erforderlich ist ein Antrag des Insolvenzschuldners. Außerdem muss sich das Un-ternehmen in Schwierigkeiten befinden, die vom Insolvenzschuldner allein nicht mehr bewältigtwerden können. Liegen diese Voraussetzungen vor, ernennt das zuständige Insolvenzgericht denverfahrensleinleitenden Richter („juge-commissaire“), einen Verwalter („administrateur judiciai-re“) sowie einen Gläubigervertreter („mandataire judiciaire“). Die Ernennung eines Verwalters istallerdings nicht erforderlich, wenn der Umsatz des Insolvenzschuldners bestimmte Schwellenwer-te unterschreitet. Der Verwalter hat (wenn der Insolvenzschuldner prüfungspflichtig ist und be-stimmte Schwellenwerte überschreitet) innerhalb von 30 Tagen nach Verfahrenseröffnung zweiGläubigerausschüsse einzusetzen. An die Verfahrenseröffnung schließt sich eine sog. „Beobach-tungsphase“ an, die in der Regel sechs Monate dauert. Verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibtdie Geschäftsleitung. Der Verwalter hat die Aufgabe, die Geschäftsleitung zu überwachen und un-terstützen. Kern der „procédure de sauvegarde“ ist die Ausarbeitung eines Sanierungsplans, wel-cher der Zustimmung der Gläubigerausschüsse bedarf. Die Zustimmung setzt voraus, dass mindes-tens die einfache Mehrheit der Mitglieder, die zwei Drittel der Gesamtsumme der Forderungen re-präsentieren, für den Sanierungsplan stimmen. Ist die Zustimmung erfolgt, prüft das Gericht denEntwurf daraufhin, ob die Interessen der Gläubiger ausreichend geschützt sind. Ist dies der Fallund billigt das Gericht deshalb den Plan, so ist dieser innerhalb einer Frist von maximal 10 Jahrenumzusetzen. Zur Überprüfung der Umsetzung setzt das Gericht einen „commissaire de l’exécuti-on“ ein. Um dieses Verfahren für die Geschäftsleitung attraktiv zu gestalten, hat der Gesetzgeberbestimmte Erleichterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage für Geschäftsleitungsorganegeschaffen. So kommt eine persönliche Ausfallhaftung der Geschäftsleitungsorgane nur für denFall in Betracht, dass ein bereits gerichtlich verabschiedeter Sanierungsplan im Nachhinein aufge-löst wird.

ee) Redressement judiciaire

Ist eine Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten, so ist die Geschäftsleitung verpflichtet, inner-halb von 45 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung eines Insol-venzverfahrens („redressement“ oder Liquidation) zu stellen. Das Gericht entscheidet dann, ob es

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das Verfahren der „redressement judiciaire“ eröffnet oder ob das Unternehmen zu liquidieren ist.Letzteres ist der Fall, wenn es unmöglich erscheint, das Unternehmen fortzuführen. Zahlungsunfä-hig ist der Insolvenzschuldner dann, wenn den fälligen Verbindlichkeiten keine kurzfristig verfüg-baren Vermögensgegenstände gegenüber stehen. In der Regel entzieht das Insolvenzgericht derGeschäftsleitung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und überträgt sie einem Verwalter.Darüber hinaus ist ein Insolvenzbeauftragter zu ernennen, der die Gläubiger vertritt und die Sanie-rungsfähigkeit des Unternehmens prüft. Auch das Verfahren des „redressement“ zielt auf eine Sa-nierung des Unternehmens. Entsprechend dem Verfahren der „procédure de sauvegarde“ sindauch insoweit zwei Gläubigerausschüsse einzubinden.

b) Liquidation

aa) Liquidationsgrund

Ist im Falle der Zahlungsunfähigkeit eine Sanierung offenkundig nicht möglich, eröffnet das Ge-richt ein Liquidationsverfahren.

bb) Liquidator

Mit Eröffnung des Liquidationsverfahrens ist der Insolvenzschuldner nicht mehr zur Führung derGeschäfte befugt. Das Gericht ernennt einen Liquidator, dessen Aufgabe darin besteht, das Vermö-gen des Insolvenzschuldners durch Veräußerung der Vermögenswerte des Unternehmens in Geldumzusetzen. Hierzu kann er einen Plan zur Unternehmensveräußerung ausarbeiten, der gericht-lich festzustellen ist. Der Liquidator entscheidet über die Erfüllung laufender und beiderseits nochnicht oder nicht vollständig erfüllter Verträge. Ist der Insolvenzschuldner zu einer Geldzahlungverpflichtet und erklärt der Liquidator, den Vertrag nicht fortführen zu wollen, wird der Vertragaufgelöst. Gleiches gilt auch, wenn der Liquidator dem Vertragspartner trotz Fälligkeit einer Geld-zahlung diese nicht leistet.

Innerhalb von zwei Wochen nach Eröffnung des Liquidationsverfahrens ist die Eröffnungsent-scheidung in das Handelsregister bzw. das Verzeichnis der Handwerkskammer, im öffentlichenAmtsblatt für Gerichtsentscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Bulletin officiel des annoncesciviles et commerciales“) sowie in einem öffentlichen Mitteilungsblatt am Ort des Unternehmenseinzutragen. Ein Insolvenzregister existiert in Frankreich nicht.

cc) Forderungsanmeldung

Grundsätzlich sind alle vor der Eröffnung der Liquidation entstandenen Forderungen gegenüberdem Liquidator anzumelden und zwar innerhalb von zwei Monaten ab Veröffentlichung der Eröff-nungsentscheidung. Auch die nach der Eröffnung entstandenen Forderungen sind anzumelden(innerhalb von zwei Monaten ab Entstehung der Forderung). Die Gläubiger dieser Forderungengenießen unter bestimmten Voraussetzungen Vorzugsrechte.

dd) Wirkung eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts

14 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

Dem Vorbehaltsverkäufer steht ein Aussonderungsrecht zu unter der Voraussetzung, dass der Ei-gentumsvorbehalt spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware schriftlich vereinbart wurde.Die Aussonderung muss innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Veröffentlichung des Urteils zurInsolvenzeröffnung beantragt werden. Die Sache muss als solche beim Insolvenzschuldner vor-handen sein. Eingebaute Sachen können herausgefordert werden, wenn sie ohne Schaden von derSache, in die sie eingebaut wurden, getrennt werden können.

ee) Verteilung

Der Liquidator führt das Unternehmen bis zu seiner Veräußerung fort. Anschließend verteilt er denVeräußerungserlös an die Gläubiger gemäß deren jeweiligem Rang. Die Verfahrenskosten sindvorab zu entrichten.

3. Italien

a) Alternativen einer Liquidation

Auch in Italien stehen verschiedene Verfahren zur Vermeidung einer Liquidation zur Verfügung.Es sind dies der konkursabwendende Vergleich, die Vereinbarung einer Umschuldung sowie derSanierungsplan.

aa) Konkursabwendender Vergleich

Der konkursabwendende Vergleich setzt voraus, dass sich das Unternehmen in der Krise befindet.Im Unterschied etwa zur „procédure de sauvegarde“ nach französischem Recht schließt dies dieZahlungsunfähigkeit ein. Zahlungsunfähig ist, wer seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt oder an-derweitig zeigt, dass er nicht mehr in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen regelmäßignachzukommen. Der Insolvenzschuldner leitet das Verfahren durch Antrag beim Landgericht amHauptsitz des Unternehmens und Vorlage eines Vergleichsvorschlags und Vergleichsplans ein.Der Vorschlag muss einen Bericht über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens enthalten. Bei-zufügen ist der Bericht eines Rechnungsprüfers zur Bestätigung der gemachten Angaben. Eröffnetdas Gericht das Verfahren, so ernennt es einen Vergleichsverwalter („commissario giudiziale“) undberuft die Gläubigerversammlung ein. Der Schuldner bleibt verfügungsbefugt, untersteht jedochder Aufsicht des Vergleichsverwalters. Außerdem bedürfen vermögensmindernde Geschäfte zuihrer Wirksamkeit der richterlichen Mitwirkung. Über den Vergleichsvorschlag entscheidet danndie Gläubigerversammlung. Nimmt sie den Vorschlag an, bedarf er noch der gerichtlichen Bestäti-gung.

bb) Umschuldungsvereinbarung

Während der konkursabwendende Vergleich von der einfachen Wertmehrheit der zugelassenenForderungen aller Gläubiger getragen sein muss, kann die Umschuldungsvereinbarung auch mitnur einem Teil der Gläubiger getroffen werden. Sie bindet dann auch nur diese beteiligten Gläubi-ger. Allerdings besteht für die übrigen Gläubiger ein 60-tägiges Verbot der Einzelzwangsvollstre-ckung. Erforderlich ist eine Wertmehrheit von 60% der betroffenen Gläubiger. Ebenso wie der kon-

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kursabwendende Vergleich erfordert auch die Umschuldungsvereinbarung eine Bestätigungdurch den Rechnungsprüfer. Die Vereinbarung ist im Unternehmensregister einzutragen. Gläubi-ger sowie andere betroffene Dritte können dann Einwendungen erheben, über die das Gericht ent-scheidet.

cc) Sanierungsplan

Einen Sanierungsplan kann der Insolvenzschuldner alleine aufstellen. Eine gerichtliche Bestäti-gung ist hier nicht erforderlich. Ausreichend ist die Bestätigung eines Rechnungsprüfers.

b) Liquidation

aa) Konkursgrund

Ist die Zahlungsunfähigkeit nicht zu vermeiden, bleibt nur noch die Liquidation im Rahmen einesKonkursverfahrens. Nicht konkursfähig sind Kleinunternehmer. Dies sind solche Unternehmen,die in den letzten drei Geschäftsjahren nur über ein jährliches Gesamtaktivvermögen von nichtmehr als 300.000 Euro verfügt haben. Außerdem dürfen sie in den letzten drei Geschäftsjahrennicht mehr als 200.000 Euro Bruttogewinne erzielt haben und Schulden dürfen nur in Höhe vonnicht mehr als 500.000 Euro vorliegen.

Ist ein Unternehmen hiernach konkursfähig sowie zahlungsunfähig, so ist auf Antrag das Konkurs-verfahren zu eröffnen. Antragsberechtigt sind die Gläubiger, der Schuldner und die Staatsanwalt-schaft. Zuständig ist das Landgericht am Hauptsitz des insolventen Unternehmens.

bb) Masseverwalter

Eröffnet das Gericht das Konkursverfahren, ernennt es einen beauftragten Richter sowie den Mas-severwalter (Konkursverwalter). Der beauftragte Richter ist in erster Linie für einstweilige Maß-nahmen zum Schutz der Konkursmasse zuständig. Außerdem überprüft er die Handlungen desVerwalters auf ihre formelle Rechtmäßigkeit.

Der Masseverwalter ist für Erhalt und Mehrung der Masse zuständig. Für laufende und beiderseitsnoch nicht oder nicht vollständig erfüllte Verträge gilt, dass diese grundsätzlich ruhen und derVerwalter innerhalb eines angemessenen Zeitraums entscheidet, ob er den Vertrag fortführt odernicht. Zu diesem Zweck erstellt er einen Verwertungsplan, welcher der Genehmigung durch denGläubigerausschuss unterliegt.

Der Konkursverwalter muss alle bekannten Gläubiger des insolventen italienischen Unterneh-mens anschreiben und sie über den Gerichtstermin informieren, in dem das Konkursgericht überdie Forderungen verhandelt. Er fordert die Gläubiger auf, innerhalb einer bestimmten Frist, diemindestens 30 Tage vor dem Gerichtstermin zur Feststellung der Forderungen endet, ihre Forde-rungen anzumelden. Bis zu einem Jahr nach Feststellung der Forderungen sind noch nachträgli-che Forderungsanmeldungen möglich, bei komplexen Verfahren auch bis zu 18 Monaten, wobeinach Ablauf eines Jahres jedoch der Gläubiger beweisen muss, dass er den Grund der Verspätungnicht zu vertreten hat. Ein Insolvenzregister wird von der italienischen Justiz derzeit erarbeitet.

16 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

Der beauftragte Richter kann die Forderungsanmeldungen vollständig oder teilweise annehmenoder ablehnen bzw. als unzulässig erklären. Nach Überprüfung der Anmeldungen legt der beauf-tragte Richter die endgültige Passivtabelle fest, die durch einen Beschluss für vollstreckbar erklärtwird.

Der Masseverwalter teilt den Gläubigern die Entscheidung zu den einzelnen Anmeldungen mit.

cc) Wirkung eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts

Der Eigentumsvorbehalt gilt nur zwischen den Vertragsparteien. Dritten gegenüber kann er nichtentgegengehalten werden. Der Eigentumsvorbehalt ist folglich nach italienischem Insolvenzrechtnicht konkursfest.

dd) Verteilung

Im Rahmen der Verwertung der Masse erstellt der Verwalter alle vier Monate einen Verteilungs-plan, der in der Geschäftsstelle des Konkursgerichts ausgelegt ist. Dagegen können die Gläubigerjeweils Beschwerde einlegen. Die Schlussverteilung ist vom beauftragten Richter zu genehmigen.

4. Niederlande

a) Alternativen einer Liquidation

Zur Vermeidung einer Liquidation stehen in den Niederlanden die Verfahren der Schuldensanie-rung und des Vergleichs zur Verfügung.

aa) Vergleich

Auf natürliche Personen ist der Vergleich nur anwendbar, wenn sie freiberuflich tätig sind oder einGewerbe ausüben. Für juristische Personen kommt das Verfahren immer in Betracht, sofern es sichnicht um eine Versicherungsgesellschaft handelt.

Der Vergleich setzt voraus, dass der Schuldner absehbar nicht in der Lage sein wird, seine fälligenZahlungsverpflichtungen weiter zu erfüllen. Den Antrag auf Vergleich kann ausschließlich derSchuldner stellen. Ihm ist ein Vermögensverzeichnis beizufügen sowie eine Liste der Verbindlich-keiten unter Angabe der Gläubiger, unterzeichnet vom Antragsteller und einem am Gericht zuge-lassenen Anwalt. Das Verfahren ist nur auf Unternehmen anwendbar. Zuständig ist das jeweiligeBezirksgericht am Sitz des Schuldners. Eröffnet es ein Vergleichsverfahren, ernennt es einen Ver-gleichsverwalter. Gemeinsam mit dem Schuldner obliegt ihm die Verwaltung des Schuldnerver-mögens. Die Wirksamkeit eines Vergleichs setzt voraus, dass mindestens zwei Drittel der stimmbe-rechtigten Gläubiger in der Gläubigerversammlung dem Vergleichsvorschlag zustimmen und die-se Gläubiger mindestens drei Viertel des Gesamtbetrags der nicht bevorrechtigten Forderungenrepräsentieren. Ist dies der Fall, so wird der Vergleich gerichtlich bestätigt. Er bindet alle nicht be-

17Germany Trade & Invest www.gtai.de

vorrechtigten Gläubiger, deren Forderungen bei Eröffnung des Verfahrens bereits bestanden ha-ben.

Das Bezirksgericht veröffentlicht den Vergleich in seinem Vergleichsregister und übermittelt dieDaten an den Rat für Rechtsprechung zur Einstellung in das zentrale Insolvenzregister für Konkur-se und Vergleiche. Die Einsichtnahme in dieses Register ist kostenlos. Es kann im Internet aufgeru-fen werden unter http://insolventies.rechtspraak.nl/.

bb) Schuldensanierung

Das Verfahren der Schuldensanierung setzt voraus, dass es sich um „untilgbare“ Schulden handelt,d.h. keine Aussicht auf Rückzahlung besteht. Außerdem müssen die Schulden „in gutem Glauben“entstanden oder nicht zurückgezahlt worden sein. Daran fehlt es z.B., wenn der Schuldner bereitsgewohnheitsmäßig Schulden eingeht, ohne dass nachweislich eine Verbesserung eintrat. Letztlichist dies eine Frage des Einzelfalls. Grundsätzlich sind alle Gläubiger gegenüber dem Schuldnergleichrangig. Allerdings gewährt das Gesetz einzelnen Rechten Vorrang. Solche Forderungen (wieetwa ein Pfand- oder Hypothekenrecht) sind im Verfahren der Schuldensanierung im Verhältnis2:1 zu befriedigen.

b) Liquidation

Eine Liquidation erfolgt im Rahmen des Konkursverfahrens, das sowohl der Schuldner als auch einGläubiger beantragen kann. Auch die Staatsanwaltschaft ist bei Vorliegen eines öffentlichen Inte-resses antragsberechtigt. Der Antrag ist an das Bezirksgericht am Sitz des Schuldners zu richten.

aa) Konkursgrund

Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses ist die Tatsache, dass der Schuldner seine Zahlun-gen eingestellt hat („Der Schuldner befindet sich in dem Zustand, dass er aufgehört hat zu bezah-len.“(Art. 1 Abs.1 Konkursgesetz.)).

bb) Konkursverwalter

Nach der Eröffnung ernennt das Gericht einen kommissarischen Richter („rechter-commissaris“)sowie einen Konkursverwalter. Der kommissarische Richter hat bestimmte Aufsichtsfunktionen,wie z.B. über die Zustimmung zu einer Reihe von Handlungen des Konkursverwalters zu entschei-den.

Zentrale Aufgabe des Konkursverwalters ist die Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse.Dies schließt auch das Wahlrecht über die Erfüllung laufender und beiderseits noch nicht odernicht vollständig erfüllter Verträge ein. Alle drei Monate hat er über den Bestand der Konkursmas-se Bericht zu erstatten.

Als beratendes Organ kann das Gericht einen Gläubigerausschuss einsetzen. In bestimmten Fällenmuss der Konkursverwalter eine Stellungnahme des Ausschusses einholen. An die entsprechendePosition des Ausschusses ist der Verwalter jedoch nicht gebunden.

18 Insolvenzrecht in der EU

Insolvenzrecht in der EU

Zwingend vorgesehen ist dagegen die Gläubigerversammlung, deren Beschlüsse (mit Ausnahmedes Vergleichs) mit der absoluten Mehrheit der Stimmen der anwesenden Gläubiger gefasst wer-den. Die jeweilige Anzahl der Stimmen bemisst sich für jeden Gläubiger nach der Summe der offen-stehenden Forderungen.

cc) Forderungsanmeldung

Ist das Konkursverfahren eröffnet worden und sind die Organe eingesetzt, bestimmt der kommis-sarische Richter eine Frist zur Anmeldung der Forderungen. Sie wird allen bekannten Gläubigernmitgeteilt und in der Presse veröffentlicht. Darüber hinaus finden sich entsprechende Angaben imInsolvenzregister (s.o.). Über die Anerkennung der Forderungen entscheidet der Verwalter. Ist ge-nügend Insolvenzmasse (nach Abzug der Masseverbindlichkeiten) vorhanden, ordnet der kom-missarische Richter die Verteilung unter die Gläubiger an. Der Konkursverwalter erstellt hierzueine Verteilungsliste und verwertet das Vermögen des Schuldners (i.d.R. im Wege der öffentlichenVersteigerung). Nach Befriedigung der bevorrechtigten Gläubiger werden die übrigen Konkurs-gläubiger im Rahmen der Quote bedient.

dd) Wirkungen eines vereinbarten Eigentumsvorbehaltes

Die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sachen gehören nicht zur Konkursmasse. Infolgedessenkann der Verkäufer die Rückgabe seiner Sache vom Konkursverwalter verlangen. Allerdings kannder kommissarische Richter anordnen, dass innerhalb einer maximal zwei Monate dauernden Fristder Herausgabeanspruch nicht ausgeübt werden kann. Diesbezüglich ist auf eine Besonderheitdes niederländischen Rechts hinzuweisen: Die niederländische Finanzverwaltung hat nämlich einRecht zur bevorrechtigten Befriedigung von sog. „Bodensachen“. Dies sind sämtliche Wirtschafts-güter, die sich auf dem Grundstück eines Steuerschuldners befinden und der Ausstattung oder Ein-richtung des Grundstücks dienen. Hierzu zählen auch Maschinen und Betriebsinventar. DiesesVorrecht gilt auch gegenüber dem Dritten, der Eigentümer der Vorbehaltsware ist, etwa dem deut-schen Lieferanten. Seit dem 1.1.2013 muss der Eigentümer gegenüber der Finanzverwaltung die Ab-holung seiner Vorbehaltsware ankündigen. Die Verwaltung hat dann 4 Wochen Zeit zur Prüfung,ob sie von ihrem Vorrecht Gebrauch macht. Während dieser Zeit kann der Eigentümer die Vorbe-haltsware nicht herausverlangen. Damit hat der Lieferant keine Möglichkeit mehr, die Ware nochrechtzeitig vor dem Zugriff der Verwaltung abzuziehen.

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E. Checkliste

Insolvenz des ausländischen Geschäftspartners (EU) - was ist zu tun?

Wo liegt der Interessenmittelpunkt des Schuldners?

Wenn außerhalb der EUoder in Dänemark

wenn innerhab der EU(mit Ausnahme Dänemarks)

Maßgeblichkeit des Insolvenzrechtsrichtet sich nach den jeweiligennationalen Vorschriften des Insolvenzrecht dieses Staates istinternationalen Insolvenzrechts maßgeblich

Ist bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet?

Einsichtnahme in Insolvenzregister (falls vorhanden)Oder: amtliche Bekanntmachungsblätter

Wie melde ich meine Forderungen an ?

Gemäß Anschreiben des Insolvenzverwalters oder (falls nicht angeschrieben: initiativ gegenüberdem Insolvenzverwalter)

Wie wahre ich meine Interessen im Rahmen vonVerfahren zur Vermeidung einer Liquidation? durch Teilnahme anGläubigerversammlungen

20 Insolvenzrecht in der EU

F. Tabellarische Übersicht

Land RechtsgrundlageInsolvenzrecht

Insolvenzregister Weiterführende Links

EU EU-Verordnungüber Insolvenz-verfahrenNr. 1346/2000

EU-Justizportal(siehe Link)

http://eurlex.europa.eu ;https://e-justice.europa.eu/con-tent_insolvency_registers-110-de.do ;

England undWales

Insolvency Act1986, InsolvencyRules 1986

Insolvenzdienstvon England undWales(siehe Link)

www.legislation.gov.uk/ukpga/1986/45/contents ;www.gov.uk/government/organisati-ons/insolvency-service

Frankreich Code de Commer-ce (Livre VI, Art.L610-1 ff.)

nein www.legifrance.gouv.fr/ ;www.bodacc.fr/ ;http://vosdroits.service-public.fr/pro-fessionnels-entreprises/F22330.xhtml

Italien Legge fallimenta-re (Regio Decreto16 marzo 1942, n.267)

Ist in Arbeit www.altalex.com/?idnot=2888 ;www.sisco.org/

Niederlande Wet van 30 sep-tember 1893, ophet faillissementen de surséancevan betaling

Ja (siehe Link) http://wetten.overheid.nl/BWBR0001860/geldigheidsda-tum_13-11-2014 ;http://insolventies.rechtspraak.nl/

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Autor: Dr. Achim Kampf

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Redaktionsschluss: Januar 2015

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