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HMD 270 19 Roman Egger, Mario Jooss, Sabine Schmeisser Informationsverhalten von Freizeitreisenden im Kontext kultureller Besonderheiten Die Aussage von [Poon 1993], »Information is the lifeblood of Tourism«, zählt wohl zu den meist- zitierten Quellen in der einschlägigen wissenschaft- lichen Literatur, und dies nicht ohne Grund, denn der Tourismus erweist sich als äußerst informati- onsintensive, komplexe und dynamische Branche. Gleichzeitig hat sich das Internet als wichtigstes Informationsmedium zur Reisevorbereitung unter den Usern etabliert. Will man in der Hotellerie wettbewerbsfähig bleiben, so führt kein Weg am Web, insbesondere am Direktvertrieb über das In- ternet, vorbei. Es gilt zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Informationen über den richtigen Kanal an eine definierte Zielgruppe zu kommunizieren. Der vorliegende Beitrag analysiert dahingehend das Informationsverhalten von Freizeitreisenden und widmet sich darüber hinaus speziell den kul- turellen Besonderheiten, die Gäste bei der Reise- vorbereitung im Web an den Tag legen. Der Einbe- zug kultureller Besonderheiten zur Sicherstellung einer optimalen Zielgruppenansprache bildet dementsprechend einen entscheidenden Wettbe- werbsvorteil innerhalb der Hotellerie und ist heut- zutage aufgrund des laufend steigenden Wettbe- werbsdrucks sowie des »Information Overload« im Web unumgänglich. Inhaltsübersicht 1 Informationsverhalten allgemein 2 Zentrale Erklärungsansätze des touristischen Informationsverhaltens 3 Praxisrelevante Erkenntnisse 4 Diskussion 5 Literatur 1 Informationsverhalten allgemein Das Informationsverhalten stellt im touristi- schen Kaufprozess eine zentrale Rolle dar. Durch die Immaterialität touristischer Dienstleistun- gen sind Konsumenten in besonderem Maße auf qualitativ hochwertige und vertrauenswür- dige Informationen angewiesen [Bruhn 2006, S. 21]. Dies gilt sowohl für die primäre Entschei- dung hinsichtlich des Reiseziels als auch für se- kundäre Entscheidungen, wie etwa die Wahl der Unterkunft [Snepenger et al. 1990]. Im Rahmen der touristischen Marketinglite- ratur gilt das Informationsverhalten als eines der meistuntersuchten Themenfelder. Der Großteil der Studien beschäftigt sich allerdings rein mit dem Informationsverhalten von Gästen für Destinationsentscheidungen und geht nicht auf die Auswahl von Hotels ein. Es besteht also ein großer Bedarf, das Informationsverhalten von Gästen speziell für die Hotellerie zu unter- suchen [Lee et al. 2007, S. 165-176]. Insbesondere Erkenntnisse zum Informations- und Nutzungs- verhalten auf nationaler Ebene fehlen, wenn- gleich gerade diese Aspekte für den Tourismus und die Hotellerie im Besonderen höchst rele- vant wären. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnet für KMUs (kleine und mittelständische Unterneh- men) die große Chance, die Geschäftsvorgänge und betrieblichen Abläufe zu optimieren, neue Distributionskanäle zu nutzen, das Qualitäts- management zu verbessern und insgesamt Kosteneinsparungen zu realisieren, was wieder- um die Wettbewerbsfähigkeit der Unterneh- men steigern kann. Zur Verdeutlichung des Einflusses von Rei- semotivationen auf das Informationsverhalten bei Reiseentscheidungen kann festgehalten werden, dass prinzipiell zwischen Pull- und Push-Faktoren [Dann 1977] zu unterscheiden ist. Erst detaillierte Erkenntnisse über die Push- und Pull-Faktoren der Freizeitreisenden ermögli-

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Roman Egger, Mario Jooss, Sabine Schmeisser

Informationsverhalten von Freizeitreisenden im Kontext kultureller Besonderheiten

Die Aussage von [Poon 1993], »Information is thelifeblood of Tourism«, zählt wohl zu den meist-zitierten Quellen in der einschlägigen wissenschaft-lichen Literatur, und dies nicht ohne Grund, dennder Tourismus erweist sich als äußerst informati-onsintensive, komplexe und dynamische Branche.Gleichzeitig hat sich das Internet als wichtigstesInformationsmedium zur Reisevorbereitung unterden Usern etabliert. Will man in der Hotelleriewettbewerbsfähig bleiben, so führt kein Weg amWeb, insbesondere am Direktvertrieb über das In-ternet, vorbei. Es gilt zum richtigen Zeitpunkt dierichtigen Informationen über den richtigen Kanalan eine definierte Zielgruppe zu kommunizieren.Der vorliegende Beitrag analysiert dahingehenddas Informationsverhalten von Freizeitreisendenund widmet sich darüber hinaus speziell den kul-turellen Besonderheiten, die Gäste bei der Reise-vorbereitung im Web an den Tag legen. Der Einbe-zug kultureller Besonderheiten zur Sicherstellungeiner optimalen Zielgruppenansprache bildetdementsprechend einen entscheidenden Wettbe-werbsvorteil innerhalb der Hotellerie und ist heut-zutage aufgrund des laufend steigenden Wettbe-werbsdrucks sowie des »Information Overload«im Web unumgänglich.

Inhaltsübersicht1 Informationsverhalten allgemein2 Zentrale Erklärungsansätze des

touristischen Informationsverhaltens3 Praxisrelevante Erkenntnisse4 Diskussion5 Literatur

1 Informationsverhalten allgemeinDas Informationsverhalten stellt im touristi-schen Kaufprozess eine zentrale Rolle dar. Durch

die Immaterialität touristischer Dienstleistun-gen sind Konsumenten in besonderem Maßeauf qualitativ hochwertige und vertrauenswür-dige Informationen angewiesen [Bruhn 2006,S. 21]. Dies gilt sowohl für die primäre Entschei-dung hinsichtlich des Reiseziels als auch für se-kundäre Entscheidungen, wie etwa die Wahlder Unterkunft [Snepenger et al. 1990].

Im Rahmen der touristischen Marketinglite-ratur gilt das Informationsverhalten als einesder meistuntersuchten Themenfelder. DerGroßteil der Studien beschäftigt sich allerdingsrein mit dem Informationsverhalten von Gästenfür Destinationsentscheidungen und geht nichtauf die Auswahl von Hotels ein. Es besteht alsoein großer Bedarf, das Informationsverhaltenvon Gästen speziell für die Hotellerie zu unter-suchen [Lee et al. 2007, S. 165-176]. InsbesondereErkenntnisse zum Informations- und Nutzungs-verhalten auf nationaler Ebene fehlen, wenn-gleich gerade diese Aspekte für den Tourismusund die Hotellerie im Besonderen höchst rele-vant wären. Der Einsatz von Informations- undKommunikationstechnologien eröffnet fürKMUs (kleine und mittelständische Unterneh-men) die große Chance, die Geschäftsvorgängeund betrieblichen Abläufe zu optimieren, neueDistributionskanäle zu nutzen, das Qualitäts-management zu verbessern und insgesamtKosteneinsparungen zu realisieren, was wieder-um die Wettbewerbsfähigkeit der Unterneh-men steigern kann.

Zur Verdeutlichung des Einflusses von Rei-semotivationen auf das Informationsverhaltenbei Reiseentscheidungen kann festgehaltenwerden, dass prinzipiell zwischen Pull- undPush-Faktoren [Dann 1977] zu unterscheiden ist.Erst detaillierte Erkenntnisse über die Push- undPull-Faktoren der Freizeitreisenden ermögli-

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chen touristischen Anbietern die notwendige,zielgruppengerechte Ansprache derselben. DieIntensität der Informationsbeschaffung ist inAbhängigkeit einiger Determinanten zu be-trachten. Zunächst wird diese von bereits vor-handenem produktbezogenem Wissen desKonsumenten beeinflusst. Kann der Konsu-ment auf vergangene Kauf- bzw. Nutzungser-fahrungen zurückgreifen, sinkt damit auch dieIntensität der Informationsbeschaffung, da derKonsument nur noch auf wenige bis keine wei-teren Informationen angewiesen ist. Anderer-seits steigt die Intensität der Informationsbe-schaffung mit Zunahme der Relevanz (High In-volvement) einer Kaufentscheidung sowie mitdem vom Kunden wahrgenommenen Kaufrisi-ko [Kuß & Tomczak 2007].

Mit der Entscheidung für den Kauf eines be-stimmten Produktes oder einer Dienstleistungwerden zeitgleich weitere Produkte abgelehnt.Dies führt beim Kunden häufig zu einem Unsi-cherheitsgefühl, der sogenannten kognitiven Dis-sonanz [Kroeber-Riel & Weinberg 2003]. Um die-se Unsicherheit zu minimieren, widmen sich Kon-sumenten einer intensiven Informationssuchemit dem Ziel, unter allen Angeboten die optimaleAlternative zu eruieren [Kuß & Tomczak 2007].Die vierte Determinante im Zusammenhang mitder Intensität der Informationsbeschaffung stelltder Komplexitätsgrad der Entscheidung dar. Die-ser steigt mit hoher Alternativenauswahl, zahlrei-chen relevanten Produkteigenschaften und/odergroßen Unterschieden zwischen den Produkten[Kuß & Tomczak 2007]. Bei näherer Betrachtungdieser Determinanten wird deutlich, dass im tou-ristischen Kontext ein hoher Intensitätsgrad derInformationsbeschaffung vorliegt.

Schon längst ist das Internet mehr als bloßeInformationsquelle für die Reisevorbereitung.So haben im Jahr 2008 von den 30 MillionenDeutschen, die bereits Erfahrungen mit Pla-nung oder Buchung von Reisen haben, 80 %ihre Urlaubsvorbereitungen oder Buchungen

online durchgeführt [Verband Internet Reise-vertrieb 2009].

Im engeren Sinne betrachtet, stellen dieUnterkategorien Buchungsportale, wie etwaExpedia oder Travelocity, Webseiten der tou-ristischen Leistungsträger (Airlines, Hotels)und Destinationswebseiten mit zirka 70 %die bedeutendsten Online-Informationsquel-len bei Reiseentscheidungen dar [Fesenmaieret al. 2004].

Durch die Entwicklung der Informations-und Kommunikationstechnologien und denenormen Informationszuwachs im Web erlangtdie Bedeutung von Recommender-Systemen(Online-Empfehlungssystemen) eine völligneue Dimension. Online-Bewertungsplattfor-men wie Tripadvisor oder Holidaycheck werdenvon Konsumenten zur allgemeinen Informati-onsbeschaffung verwendet, wobei neben derCorporate Information insbesondere die wahr-genommene Produkt- bzw. Leistungsqualitätdurch die Peergroup von hoher Bedeutung ist.Zusammenfassend haben Destinationswebsei-ten, Buchungs- und Bewertungsportale sowiedie Webseiten touristischer Leistungsträger diegrößte Bedeutung bei der Informationsbereit-stellung touristischer Inhalte.

2 Zentrale Erklärungsansätze des touristischen Informationsverhaltens

Aus Marketingperspektive ist es von enormerBedeutung, den Kunden hinsichtlich jener In-formationsprozesse zu verstehen, die als Vor-stufe der eigentlichen Entscheidung angesehenwerden können, um daraus optimierte Kommu-nikationsstrukturen ableiten und etablieren zukönnen [Schmücker 2006]. Die wissenschaftli-che Literatur hält eine Vielzahl von Erklärungs-ansätzen zum Informations-, Rezeptions- undEntscheidungsverhalten im Tourismus aus denunterschiedlichsten Disziplinen bereit. EineAuswahl selektierter Modelle zeigt Tabelle 1.

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Tab. 1: Modelle des Informations- und Entscheidungsverhaltens

Wenngleich das touristische Informations- undEntscheidungsverhalten weitgehend bearbeitetwurde, so sind dennoch Studien zur Internetnut-zung im Rahmen der Urlaubsplanung rar gesät.Bei den Erklärungsansätzen kann grundsätzlichzwischen drei Grundströmungen unterschie-den werden, die auch im touristischen Kontextihre Anwendung finden. Dies sind der psycholo-gisch-motivationsorientierte, der ökonomisch-funktionale sowie der prozessorientierte Ansatz,wobei letzterer auch im Rahmen des psycholo-gisch-motivationsorientierten Ansatzes thema-tisiert wird und somit für die folgende Abhand-lung vernachlässigt werden kann.

Der psychologisch-motivationsorientierte An-satz orientiert sich bei der Erklärung des Infor-mationsverhaltens primär an soziodemografi-schen Merkmalen. Dabei sind insbesondere Al-ter, Bildung, Einkommen, das Geschlecht sowiedie Kultur1 entscheidende Einflussgrößen. So ge-winnen beispielsweise Empfehlungen durchFreunde und Bekannte sowie der eigene Erfah-rungsschatz mit zunehmendem Alter an Bedeu-tung. Studien haben nachgewiesen, dass die De-terminanten Bildung und Einkommen in engemZusammenhang mit der Intensität der Informa-tionssuche stehen. Insbesondere der kulturelle

Aspekt liefert – sofern aus einem geografischenStandpunkt betrachtet – für tourismusspezifi-sche Fragestellungen einen interessanten Blick-winkel. Zahlreiche Studien belegen die signifi-kanten Nutzungsunterschiede von Informati-onsquellen in unterschiedlichen Kulturen undzeigen, dass Navigations-, Such- und Interakti-onsmuster ebenso kulturell geprägt sind wie diewahrgenommene Benutzerfreundlichkeit. Se-kundär orientiert sich der psychologisch-moti-vationsorientierte Ansatz an den verwendetenInformationsquellen, der Anzahl der in den In-formationsprozess einbezogenen Quellen sowiedem benötigten Suchaufwand – stets in Abhän-gigkeit zur jeweiligen Reise. [Bieger & Laesser2004] weisen diesbezüglich insbesondere aufdie Reisemerkmale hin. So haben sowohl die Rei-sedauer, die Reiseerfahrung, die Reiseform alsauch die Reisegesellschaft sowie die Entfernungmassive Auswirkungen auf den Informations-prozess. Die Intensität der Informationsbeschaf-fung steigt mit zunehmender Reisedauer, Ent-fernung und Reisegruppengröße.

Der ökonomisch-funktionale Ansatz, auchals Kosten-Nutzen-Ansatz bekannt, wird inder Literatur häufig dann verwendet, wenndie Informationsphase die Kaufentscheidungstützen soll. Die bei der Suche entstehendenKosten in Form von Zeit, Geld und Energiewerden hinsichtlich des wahrgenommenenInformationswertes abgewogen. Die Anzahlder einbezogenen Informationsquellen sowiedie Intensität der Informationssuche orientie-

Autor/Jahr Titel

Pan & Fesenmaier 2006 Semantic Mental Model

Pan & Turner 2006 Tourist Information Search and Acquisition – Extended Framework

Gursoy & McCleary 2004 An Integrative Model of Tourists’ Information Search Behavior

Cai et al. 2004 A Framework of Tourist Information Search

Bieger & Laesser 2004 Process Framework of Information Sourcing

Jeng & Fesenmaier 2002 A Conceptual Model of Travel Decision-Making Process

Schmidt & Spreng 1996 Model of External Consumer Information Search

1. Kultur wird hier verstanden als die »mentale Pro-grammierung« im Sinne von [Hofstede 2006],wobei nicht nur geografische, sondern auch ge-schlechter- oder klassenspezifische Kulturräumezu subsumieren sind.

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ren sich dabei am zu erwartenden Erfolg, derals die Basis einer optimalen Kaufentschei-dung angesehen werden kann. Gerade touris-tische Leistungen, die einen hohen Komplexi-tätsgrad aufweisen und vorab nicht getestetwerden können, bergen ein hohes Risiko. Dies-bezüglich orientiert sich der Kosten-Nutzen-Ansatz nicht nur am Erfolg (Nutzen), sondernauch am möglichen Misserfolg. Die gezielteRisikoreduktion, die dem ökonomisch-funkti-onalen Ansatz somit inhärent ist, weist klareQuerbezüge zum psychologisch-motivations-orientierten Ansatz auf. So werden beispiels-weise für unbekannte Destinationen undFernzielgebiete überproportional hohe Kos-ten im Rahmen der Informationsbeschaffungin Kauf genommen.

3 Praxisrelevante ErkenntnisseBasierend auf der zuvor erläuterten Theorie undder dargestellten Relevanz dieser Thematik fürdie Praxis, werden im Folgenden einige zentraleAussagen einer Studie der Autoren vorgestellt,die als Lösungsideen und Umsetzungsmöglich-keiten für die Praxis dienen können. Im Konkre-ten wurde der Frage nachgegangen, welche In-formationen in welchen Informationsquellenzu welchem Zeitpunkt für deutsche, italieni-

sche und britische Freizeitreisende zur Verfü-gung stehen müssen, um sich positiv auf eineHotelbuchung auszuwirken. Die Untersuchungfand im Herbst/Winter 2008 statt. Währenddes Untersuchungszeitraumes wurden 238Gäste mittels stark strukturierter schriftlicherFragebögen befragt. Diese wurden bei Ankunft,also nach Auswahl und Buchung des Hotels, andie zuvor definierten Freizeitreisenden verteilt.Insgesamt basieren die Ergebnisse der empiri-schen Untersuchung auf einer Anzahl von 151validen Befragungen.

Wie bereits zuvor erläutert wurde, ist dasInformationsverhalten ein entscheidender Pro-zess bei der touristischen Kaufentscheidung.Freizeitreisende gründen ihre Hotelentschei-dung auf eine sehr geringe Anzahl an Kriterienbzw. Informationen. Um eine Kaufentschei-dung zu gewährleisten, stellen die Kriterien»Zentrale Lage«, »Preis-Leistungs-Verhältnis«,»Hotelkategorie«, »Ruf bzw. Bewertungen«,»Fotos« und »Hotelausstattung« die relevantenInformationsinhalte für Freizeitreisende dar.Diese müssen von den Hotels in den wesentli-chen Informationsquellen ihrer Zielgruppebestmöglich erfasst werden. Die prozentualeBedeutung dieser Kriterien für die Kaufent-scheidung zeigt Abbildung 1.

20,8% 20,8%

16,3%

10,8%

8,2%

5,5%

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Abb. 1: Top-5-Kriterien für die Hotelauswahl

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Bei den relevanten Auswahlkriterien existierenallerdings deutliche Unterschiede, wenn diesenach Nationen betrachtet werden. Die Kriterien»Zentrale Lage« und »Preis-Leistungs-Verhält-nis« stellen für alle drei Nationen die höchsteBedeutung für die Kaufentscheidung dar. Dage-gen wurde aufgezeigt, dass »Bewertungen bzw.der Ruf des Hotels« für britische Reisende einedeutlich höhere Relevanz für deren Kaufent-scheidung aufweisen als für deutsche und itali-enische Reisende. Im Gegensatz dazu beruhtdie Hotelauswahl deutscher Freizeitreisenderhäufiger auf Hotelfotos.

Zur Sicherstellung einer optimalen Ziel-gruppenansprache ist es ferner notwendig, In-formationen in Bezug auf die Reisemotive in dieKommunikationspolitik zu integrieren. Ent-scheidende Triebkräfte für Städtereisen sind fürdeutsche Freizeitreisende die Motive‚ »Weg ausdem Alltag«, »Unterhaltung« und »Geschenk«.Hierbei ist anzumerken, dass dem Motiv »Ge-schenk« in der allgemeinen Motivforschungbisher noch wenig Beachtung zukam. Dies deu-tet somit auf eine ideale Eignung von Städterei-sen als Geschenk hin und führt zur Empfeh-lung, Geschenkgutscheine im Zuge der Marke-tingpolitik, insbesondere für deutsche Gäste,

aktiv zu bewerben. Im Gegensatz dazu stehenfür italienische Freizeitreisende die Motive »Rei-se mit der Familie« und »Erholung« im Vorder-grund. Das Thema »Familie« sollte folglich fürMarketingaktivitäten verstärkt aufgegriffenund die besonderen familienfreundlichen Leis-tungen hervorgehoben werden, um einenWettbewerbsvorteil für die Kaufentscheidungsicherzustellen. Die Entwicklung der Informati-ons- und Kommunikationstechnologien hat dasInformationsverhalten von Reisenden deutlichverändert, und der Einfluss des Internets aufdas touristische Informationsverhalten ist un-bestritten. Uneinigkeit herrscht allerdings darü-ber, ob Offlinequellen von Online-Informations-quellen komplett ersetzt werden können oderob diese auch in Zukunft ergänzend zu verwen-den sind. Grundsätzlich verwenden 78 % derFreizeitreisenden im Zuge ihrer Informationsbe-schaffung über Hotelunterkünfte, bei Zusam-menfassung von Online- und Offline-Informati-onsquellen, bis zu drei Quellen. 19 % nutzen vierInformationsquellen und lediglich 1 % je fünfbzw. sechs Informationsquellen.

Die bedeutendsten Online-Informations-quellen stellen Hotelwebseiten, Buchungsporta-le und Hotelbewertungsportale dar (vgl. Abb. 2).

73,5%

51,7%

40,4%

35,1%

15,2% 14,6%11,3% 11,3% 10,6% 7,3%

0

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Abb. 2: Verwendete Informationsquellen aller Freizeitreisender

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Besonders hervorzuheben ist vor allem die deut-lich untergeordnete Relevanz von Destinations-webseiten für die Informationsbeschaffung überHotels. Offline-Informationsquellen wurden beider Hotelsuche von Onlinequellen nahezu ver-drängt. Die Betonung liegt hierbei allerdings auf»nahezu«. Besonders im ersten Schritt der Infor-mationssuche darf die Bedeutung der relevan-testen Offlinequellen Reisebüro, Reiseführer undEmpfehlung nicht außer Acht gelassen werden.Dies gilt vor allem für die Zielgruppenansprachebritischer und italienischer Gäste. Insbesonderebritische Gäste neigen stark zu Medienbrüchen,weshalb ein gut abgestimmtes On- und Offline-marketing besonders für diese Reisenden einehohe Relevanz aufweist. Obwohl Offlinequellenmittlerweile eine eher untergeordnete Rolle fürdie Zielgruppenansprache von Freizeitreisendenaus nahe gelegenen Quellmärkten spielen, sollteder Informationsaufbereitung in ausgewähltenOfflinequellen demnach auch weiterhin Beach-tung geschenkt werden.

Die Verwendung bzw. Nutzung von Infor-mationsquellen unterliegt, ebenso wie die bei-den zuvor dargestellten Aspekte, deutlichenkulturellen Unterschieden. Dies wird mittels Ta-belle 2 verdeutlicht.

Auf den ersten Blick sind keine kulturellenUnterschiede ersichtlich, da für alle drei Her-kunftsmärkte die Hotelwebseite die wichtigsteInformationsquelle darstellt. Betrachtet manjedoch die Top-5-Informationsquellen der dreiNationen im Detail (vgl. Tab. 2), wird ab derzweiten Quelle deutlich, dass eindeutige Unter-

schiede festgestellt werden können. DeutscheFreizeitreisende ziehen für die Informationsbe-schaffung wesentlich häufiger Suchmaschinenheran als britische und italienische Reisende. ImGegensatz dazu stellen Buchungsportale fürdiese beiden Nationen eine höhere Relevanz darals für deutsche Reisende. Besonders eindeutigzeigen sich die nationalen Unterschiede bei derVerwendung von Hotelbewertungsportalen,Empfehlungen und anderen Offlinequellen.Während 57,1 % der Briten Hotelbewertungs-portale für ihre Hotelsuche nutzten, gilt diesnur für 35,3 % der italienischen und nur für 29,4 %der deutschen Gäste. Dagegen stellt die Top-5-Informationsquelle der Italiener die Empfeh-lung dar, die erst an achter Stelle bei deutschenwie auch bei britischen Reisenden steht. Umdiese Bedeutung für Marketingaktivitäten auf-zugreifen, eignen sich insbesondere Bonussys-teme, um Empfehlungen italienischer Gäste zuforcieren. Deutsche Gäste weisen demgegen-über bei der Verwendung von Offlinequellen(kategorisiert) deutlich mehr Nennungen auf.Hierzu zählen die Informationsquellen Touris-musverband, die ausschließlich von deutschenGästen herangezogen wurde, die Kontaktie-rung des Hotels per Telefon, Reisemagazine,Hotelprospekte und Hotelführer. Da der Touris-musverband von deutschen Gästen auch für di-rekte Hotelanfragen genutzt wird, empfiehlt essich für Hotels, eine enge Beziehung zu diesemaufzubauen.

Vergleichbare Ergebnisse wurden bei derAuswertung der bedeutendsten Informations-

Nation Deutschland Großbritanien Italien

Top 1 Hotelwebseite 74,5% Hotelwebseite 79,6% Hotelwebseite 66,7%

Top 2 Suchmaschine 45,1% Buchungsseite 59,2% Buchungsseite 52,9%

Top 3 Buchungsseite 43,1% Hotelbewertungen 57,1% Suchmaschine 35,3%

Top 4 Hotelbewertungen 29,4% Suchmaschine 24,5% Hotelbewertungen 35,3%

Top 5 Offlinequellen kat. 25,5% E-Mail an Hotel 16,3% Empfehlung 19,6%

Tab. 2: Top-5-Informationsquellen nach Nationen

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quelle für die Kaufentscheidung ersichtlich (vgl.Abb. 3).

Hotelbewertungsportale stellen für Frei-zeitreisende die bedeutendste Informations-quelle für die Kaufentscheidung dar. Dies giltinsbesondere für britische und italienischeReisende. Hierbei ist anzumerken, dass Hotel-bewertungsportale für britische Reisendeentlang ihres gesamten Informationsprozes-ses eine deutlich höhere Relevanz aufweisen.Eine optimale Hotelpräsentation in Online-Recommender-Systemen ist dementspre-chend eine absolute Notwendigkeit zur An-sprache britischer Gäste. Hotels sind gefor-dert, positive Einträge zufriedener britischerGäste zu fördern. Durch die erhöhte Relevanzvon Online-Hotelbewertungen ist bei briti-schen ebenso wie bei italienischen Gästen zu-sätzlich sowohl auf die hohe Bedeutung derGästezufriedenheit als auch auf die optimaleBeschwerdepolitik der Unternehmen zu ver-weisen. In weiterer Folge stellen Hotelwebsei-ten, vor Buchungsportalen, die entscheiden-den Informationsquellen für die Hotelaus-wahl dar. Hierbei wurde deutlich, dass sichinsbesondere deutsche Reisende auf die Ho-

telwebseite beziehen, um ihre abschließendeKaufentscheidung zu treffen.

Um Reisende zum richtigen Zeitpunkt wäh-rend ihrer Informationsbeschaffung anzuspre-chen, muss in weiterer Folge der Suchverlaufhinsichtlich der Reihenfolge der verwendetenInformationsquellen beachtet werden. Die In-formationsquellen Buchungsportale und Such-maschinen bilden dabei die entscheidendenzwei Startpunkte. Insgesamt konnten vier über-wiegende Suchverläufe der Freizeitreisendenermittelt werden:

27,8 % der Freizeitreisenden nutzen alsStartpunkt die Buchungsportale für ihre Infor-mationssuche. Weitere große Relevanz habendie Hotelwebsite bzw. Hotelbewertungen (vgl.Abb. 4).

23,8 % der Freizeitreisenden bevorzugenSuchmaschinen als erste Informationsquelle(vgl. Abb. 5). Anhand der Analyse des Suchver-laufes nach Nationen ist hervorzuheben, dassdeutsche Freizeitreisende ihre Informationssu-che überwiegend in Suchmaschinen beginnen(Suchverläufe 3+4). Im Gegensatz dazu infor-mieren sich britische und italienische Gäste imersten Schritt vorwiegend auf Buchungsporta-

32,9%

27,9%

14,3%

8,6%

7,1%

5,0% 4,3%

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Abb. 3: Relevante Informationsquellen für die Kaufentscheidung

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len (Suchverläufe 1+2) und weisen auch bei derInformationsbeschaffung im Reisebüro mehrNennungen auf als deutsche Reisende. Italienernutzen häufig erst im zweiten Schritt der Infor-mationssuche Suchmaschinen, um weitere In-formationen über das gewählte Hotel zu su-chen. Diesen Ergebnissen zufolge ergibt sich fürdie Ansprache deutscher Gäste somit die Emp-fehlung, gezieltes Suchmaschinenmanage-ment zu betreiben, um in den organischen Tref-ferlisten der Suchmaschinen möglichst weitoben angezeigt zu werden. Zur Keyword-Opti-mierung der Hotelwebseite wird zusätzlich aufdie relevanten Informationen für die Hotelaus-wahl und die Reisemotive verwiesen, wie diese

zuvor dargestellt wurden. Zur Ansprache briti-scher und italienischer Reisender müssen Ho-tels ein bestmögliches Ranking auf Buchungs-portalen sicherstellen, um bereits zu Beginn derInformationssuche gefunden zu werden. DaReisen mit der Familie für Italiener eine hoheRelevanz aufweisen, wird zusätzlich empfohlen,in Buchungsportalen Zimmer mit der direktenBezeichnung »Familienzimmer« anzubietenund in der Angebotsbeschreibung die gesam-ten familienfreundlichen Leistungen detailliertanzuführen.

Allgemein lässt sich in Bezug auf den Zeit-punkt der Informationssuche festhalten, dassFreizeitreisende aus nahe gelegenen Quell-

Abb. 4: Suchverläufe 1 + 2

Abb. 5: Suchverläufe 3 + 4

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märkten gleichzeitig mit der Suche nach Reise-ziel und Hotelinformationen beginnen und einsehr kurzfristiges Informationsverhalten vonbis zu drei Monaten vor Reiseantritt aufweisen.

4 DiskussionDie gewählte Forschungsmethode der quantita-tiven Befragung weist in der wissenschaftlichenLiteratur Kritikpunkte für die Untersuchung desInformationsverhaltens auf. Der größte Kritik-punkt hinsichtlich der Erhebung des Informati-onsverhaltens von Freizeitreisenden mittels Be-fragungen besteht darin, dass die Erhebung erstnach der Informationssuche durchgeführt wirdund somit nur der bewusst kontrollierte und er-innerte Teil der Informationsaufnahme abge-fragt wird [Kroeber-Riel & Weinberg 2003]. DieseEinschränkung war den Autoren bei der Wahl derempirischen Methode bewusst. Aufgrund derfehlenden wissenschaftlichen Untersuchung desForschungsfeldes für die Hotellerie war es aller-dings Ziel dieser Arbeit, die grundlegenden Quel-len und Schritte des Informationsverhaltens zuanalysieren. Durch die Kategorienliste der rele-vantesten touristischen Informationsquellen, dieaus der Literatur erarbeitet wurden und den Be-fragten somit als Hilfestellung dienten, wurdedieser Problematik zudem entgegengewirkt. DesWeiteren erfolgte die Erhebung für knapp 80 %der Befragten nicht länger als drei Monate nachderen Informationssuche.

5 Literatur[Bieger & Laesser 2004] Bieger, T.; Laesser, C.: Infor-

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[Bruhn 2006] Bruhn, M.: Qualitätsmanagement fürDienstleistungen. Grundlagen, Konzepte, Me-thoden. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg,New York, 2006.

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[Dann 1977] Dann, G.: Anomie, ego-enhancementand tourism. In: Annals of Tourism Research,Vol. 4, 1977, S. 184-194.

[Fesenmaier et al. 2004] Fesenmaier, D.; Gretzel, U.;Hwang, Y.-H.: Modeling experience in OnlineTravel Planning. In: Frew et al. (Hrsg.): Informa-tion and Communication technologies in Tour-ism, 2004.

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[Hofstede 2006] Hofstede, G.: Lokales Denken, glo-bales Handeln. DTV Deutscher TaschenbuchVerlag, 3. vollst. überarbeitete Auflage, 2006.

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[Lee et al. 2007] Lee, J.; Soutar, G.; Daly, T.: Touristssearch for different types of information: across national study. In: Information Technolo-gy & Tourism, Vol. 9, No. 3/4, 2007, S. 165-176.

[Pan & Fesenmaier 2006] Pan, B.; Fesenmaier, D.:Online information search and trip planningprocess. Annals of Tourism Research, 33(3), 809-832, 2006.

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[Snepenger 1990] Snepenger, D.; Meged, K.; Snel-ling, M.; Worrall, K.: Information search strate-gies by destination-naive tourists. In: Journal ofTravel Research, Vol. 29, 1990, S. 13-16.

[Verband Internet Reisevertrieb 2009] Verband In-ternet Reisevertrieb. www.v-i-r.de; Zugriff am20.04.2009.

FH-Prof. Mag. Dr. Roman EggerMag. Dr. Mario JoossFachhochschule SalzburgForschungsgesellschaft mbH, TourismusforschungUrstein Süd 1A-5412 Puch Urstein {roman.egger, mario.jooss}@fh-salzburg.ac.atwww.tourismusforschung.at

Mag. (FH) Sabine SchmeisserHotel AuerspergAuerspergstr. 61A-5020 [email protected]