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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016 Informationen zur politischen Bildung / izpb 330 2/2016 B6897F Widerstand gegen den Nationalsozialismus

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1 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Informationenzur politischen Bildung / izpb

330 2/2016 B6897F

Widerstand gegen den Nationalsozialismus

2 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Inhalt

Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung 4Warnungen vor dem Nationalsozialismus vor 1933 8

Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis 10Widerstand aus der Arbeiterbewegung 10Widerstand aus christlichem Glauben 14Widerstand und Exil 18Formierung der militärisch-zivilen Opposition 20Umsturzplanungen 1938 21Georg Elser und das Attentat vom 8. November 1939 24

Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS- Gewaltverbrechen 26Widerstand aus der Arbeiterbewegung 27Die Europäische Union 30Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum 30Widerstand aus christlichem Glauben 32

Regimekritik und Versuche der Gegenöffentlichkeit 36Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, „Bewährungseinheiten“ 999 37Rote Kapelle 38Weiße Rose 42Widerstand von Jugendlichen 46Die Gruppe um Hanno Günther 50Die Gruppe um Helmuth Hübener 51Kreisauer Kreis 52Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 56Claus Schenk Graf von Stauffenberg und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 59Widerstand von außen 64Widerstand gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung 66Widerstand von Juden 68Widerstand von Sinti und Roma 70Widerstand von Häftlingen 72Hilfen für Verfolgte 74Widerstand der letzten Stunde 75

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die Wahrnehmung des Widerstands nach 1945 76Öffentlichkeit und politische Würdigungen 76Der Remer-Prozess – ein Wendepunkt 78Ringen um Entschädigung 78Fehlende juristische Aufarbeitung 79Historische und mediale Aufarbeitung 79

Literaturhinweise und Internetadressen 80

Der Autor und die Autorin 83

Impressum 83

Editorial

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Widerstand in der nationalsozialistischen Diktatur war im-mer die Haltung von sehr wenigen, von einzelnen und oft sehr einsamen Menschen. In diesem System mit totalitärem Anspruch riskierten Menschen, die Widerstand leisteten, ihr Leben. Umgeben waren sie von einer Bevölkerung, die sich in ihrer Mehrheit anpasste, ja vom Nationalsozialismus be-geistert zeigte und das Regime trug.

Um die Vielfalt der Motive und Handlungen zu veran-schaulichen, aus denen heraus eine kleine Minderheit tätig wurde, ist dieses Heft stark biografisch ausgerichtet. Was veranlasste Einzelne, Widerstand zu leisten, was motivierte sie zu ihren Aktionen, wer unterstützte sie? Welche Folgen mussten sie gewärtigen? Ohne Anspruch auf Vollständig-keit zu erheben, wird hier beispielhaft das breite, vielfältige Spektrum des deutschen Widerstands gezeigt, das sich nur schwer in Kategorien fassen lässt.

Um eine Übersicht zu ermöglichen, werden im Heft die Widerstandshandlungen vor dem Zweiten Weltkrieg und während des Krieges behandelt und gesellschaftlichen Gruppen zugeordnet, die sich auf vielfältige Art und Weise widersetzten. Dazu gehörten Hilfen für Verfolgte, Unterge-tauchte und Zwangsarbeiter, die Herstellung und Vertei-lung von Flugblättern und Klebezetteln, das Abhören und Verbreiten von Nachrichten ausländischer Radiosender, das Bemalen von Wänden mit Parolen gegen die NS-Herrschaft, das Verweigern und die Desertion vom Kriegsdienst, die In-formation über die nationalsozialistischen Verbrechen, die Vorbereitung von Attentaten auf den Diktator und die nati-onalsozialistische Führung.

Für die Mehrheit der Zeitgenossen waren Menschen, die Widerstand leisteten, „Volksverräter“. Doch Widerstand ist vielfältig interpretierbar und kann im Laufe der Zeit an-ders gedeutet werden. Heute werden viele derjenigen, die sich dem NS-Regime widersetzten, für ihren Mut und ihre Zivilcourage angesichts eines verbrecherischen Regimes öf-fentlich gewürdigt und mit Erinnerungszeichen und Denk-mälern geehrt.

Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus der NS-Zeit wurde im Grundgesetz Artikel 20 Absatz 4 verankert, um die Verfassungsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland, die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Rechts-staatlichkeit und die Menschenwürde, zu schützen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Das Beispiel der Menschen, die im Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben, kann Anstoß geben,  darüber nachzudenken, welche Handlungsmöglichkeiten und -spiel-räume dem Einzelnen bleiben, wenn die demokratische Ordnung gefährdet ist.

Widerstand komme, so Klaus von Dohnanyi, Sohn des 1945 hingerichteten Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, immer zu spät. Entscheidend sei, dass Zivilcourage und Ord-nung vorher gewahrt werden.

Jutta Klaeren

4 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

JOHANNES TUCHEL / JULIA ALBERT

Widerstand gegen den  Nationalsozialismus – eine Einführung

„Widerstand ist nicht, Widerstand wird!“ – mit diesen Wor-ten beschrieb Joachim Gauck als damaliger Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ im Juli 2004 den prozesshaften Charakter aller gegen die nationalsozialisti-sche Diktatur gerichteten Verhaltensweisen. Damit verwies er nicht nur auf die Vielfalt und Wandlungsfähigkeit des Wider-stands gegen den Nationalsozialismus, sondern gleichzeitig auch darauf, dass sich dieser Widerstand starren und einseiti-gen Erklärungsversuchen entzieht.

Widerstand gegen den Nationalsozialismus kann zuerst einmal als Oberbegriff für alle Formen aktiven Handelns ge-gen die nationalsozialistische Ideologie und Herrschaftspraxis verstanden werden. Beschrieben wird damit ein Verhalten, das mehr ist als nur eine kritische Einstellung gegenüber der Diktatur. Es setzt nicht nur die Bereitschaft zur Aktion voraus, sondern erfordert konkrete Handlungen. Diese Handlungen waren immer mit einem Risiko für die eigene Person oder für Familienangehörige verbunden.

Aus heutiger Sicht umfasst der Begriff des Widerstands ein weites Spektrum von Verhaltensweisen. Zu seinen Ausgangs-punkten gehörten systemkritische Haltungen, Selbstbehaup-tung gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie oder die Verweigerung regimetreuer Aktivitäten. So konnten sich unter-schiedliche Formen der Gegenöffentlichkeit oder des Protests entwickeln. Sie boten wiederum die Voraussetzungen für die aktive Gegnerschaft oder für die politische Verschwörung, die auf eine Veränderung der Verhältnisse oder den Umsturz des Regimes nach einem gelungenen Attentat auf Hitler zielten.

Das handlungsorientierte und umfassende Verständnis des Widerstands ermöglicht es der historischen Forschung, nicht nur die Existenz von Handlungsspielräumen unter den Bedin-gungen der Diktatur aufzuzeigen, sondern auch danach zu fra-gen, ob und wie sie genutzt wurden. Denn nur wenige ergrif-fen die Möglichkeiten, die noch zur politischen Aktion gegen den Nationalsozialismus bestanden. Widerstand war damit in der NS-Zeit das abweichende Verhalten einer Minderheit ge-genüber der Mehrheitsgesellschaft.

Drei Pfeile – Symbol der Eisernen Front, Demonstration in Berlin am 1. Mai 1932

Gegen Monarchisten, Kommunisten und Nationalsozialisten – die Mitglieder der Eisernen Front bekennen sich zum Weimarer Verfassungsstaat und wollen ihn ge-gen seine Feinde schützen. Manche sehen in den Pfeilen auch die SPD, die freien Gewerkschaften und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Nicht nur mit großen De-monstrationen wollen sie gemeinsam den Nationalsozialismus bekämpfen und die Demokratie bewahren.

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Von Walter Klingenbeck gemaltes „Victory“-Zeichen, München-Bogenhausen 1941

Der 1924 geborene Münchener Mechanikerlehrling verbreitet 1941 gemeinsam mit Freunden Nachrichten, die sie beim Abhören ausländischer „Feindsender“ erfahren haben. Zudem malt Klingenbeck auf Hauswände und Straßenschilder mit schwar-zer Ölfarbe das „Victory“-Zeichen, ein Symbol für den Sieg der Alliierten. Er wird im September 1942 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 in München-Stadelheim enthauptet.

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5 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die meisten Deutschen begrüßten 1933 die neue Herrschaft. Sie folgten bereitwillig der nationalsozialistischen Führung oder passten sich zumindest in die NS-„Volksgemeinschaft“ ein. Nur wenige stellten sich dem Regime entgegen, und nur in den aller-wenigsten Fällen handelte es sich dabei um einen bewaffneten Widerstand wie in den von Deutschland besetzten Gebieten.

Es gab in jeder Phase des NS-Regimes unterschiedlichste Formen des Widerstands, die von ethischen, politischen und religiösen Grundüberzeugungen getragen waren. Sie konnten einsamen Entschlüssen zum Sich-Widersetzen entspringen, aber auch auf gruppen- oder milieuorientierten Entscheidun-gen bzw. Haltungen beruhen. Sie konnten Reaktionen auf Unterdrückung und Verbrechen sein oder sich gegen den welt-anschaulichen Gestaltungs- und Führungsanspruch der Natio-nalsozialisten wenden.

Vor der nationalsozialistischen Regierungsübernahme 1933 hatten vor allem die Parteien der Arbeiterbewegung, aber auch viele Künstler und Intellektuelle vor den Gefahren des Natio-nalsozialismus gewarnt. Nach ihrer Regierungsübernahme im Januar 1933 betrieben die Nationalsozialisten dann ebenso zü-gig und planmäßig wie gewalttätig die Ausschaltung aller poli-tischen Gegner und Konkurrenten. Alle Parteien außer der Nati-onalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wurden verboten; ein Medien- und Meinungsmonopol sollte die politi-sche „Gleichschaltung“ der deutschen Bevölkerung sichern. Die Grundrechte der Weimarer Verfassung wurden nach einem Brandanschlag auf das Reichstagsgebäude mit der „Reichstags-brandverordnung“ vom 28. Februar 1933 aufgehoben.

Illegales Treffen von SPD- und SAP-Mitgliedern an der deutsch-tschechischen Grenze im Riesengebirge um 1935

In Berlin sammelt der Junggewerkschafter Willi Gabriel (r. mit seiner Frau Erna) Informationen über die „Köpenicker Blutwoche“, in der die SA 1933 mehr als 20 Menschen ermordet hat. Zusammen mit Fritz Benke (3. v. r.), einem Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), gibt er in einer Holzbaude für Skifahrer und Wanderer im Riesengebirge das Material an seinen Schwager, den früheren Köpenicker Jungbannerleiter Paul Hasche, weiter.

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So sahen sich etwa Kommunisten, Sozialdemokraten, Sozialis-ten und Gewerkschafter erst einmal gezwungen, neue Organi-sationsstrukturen aufzubauen, bevor sie mit Flugschriften und Flugblättern über den menschenverachtenden Charakter der neuen Diktatur informieren konnten. Die Nationalsozialisten be-trachteten dies als „Hochverrat“, den sie mit hohen Haftstrafen verfolgten. Dennoch wurden aus den traditionellen Milieus der Arbeiterbewegung immer wieder Versuche unternommen, alte Kontakte zu bewahren und neue Widerstandsgruppen zu bilden, um aktiv an der Beseitigung der NS-Diktatur mitzuwirken.

Auflösung einer nicht genehmigten Bibelfreizeit evangelischer Jugendlicher in Oberstein/Bayern um 1937

Weil die Gestapo alle Treffen christlicher Jugendlicher kontrollieren will, müssen Bibeltage, Jugendlager und Jugendfreizeiten polizeilich angemeldet werden. Ist dies nicht der Fall, werden die Veranstaltungen sofort aufgelöst.

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Die Verteidigung der eigenen Normen und Werte sowie der geistigen Unabhängigkeit findet sich ebenso bei den liberalen wie bei den konservativen NS-Gegnern. Einzelne wagten es, sich offen gegen die Zumutungen der neuen Machthaber aufzuleh-nen und fanden ihren Weg in den aktiven Widerstand.

Auch Christen beider Konfessionen und Mitglieder kleinerer religiöser Gemeinschaften wehrten sich gegen Übergriffe des Staates auf die Freiheit des Glaubens. Sie dokumentierten ihren Willen zur geistigen Selbstbehauptung und verteidigten so aktiv die Freiheit des Bekenntnisses.

Selbst nahe dem Zentrum der Macht regte sich aktiver Wi-derstand. Er zeigte sich in den militärischen Umsturzversuchen zwischen 1938 und 1944 und der Verschwörung entschiedener Regimegegner, die auf den Sturz der NS-Herrschaft abzielten.

Formen der Selbstbehauptung, der Verweigerung und der daraus folgenden Auflehnung fanden sich auch bei Jugendli-chen. Mitglieder früherer politischer oder kirchlicher Jugend-verbände widersetzten sich der Gleichschaltung ebenso wie Mitglieder bündischer Gruppen, deren elitärer Anspruch auf Neuausrichtung der Gesellschaft der NS-Massenideologie zu-widerlief und die deshalb 1933 direkt verboten worden waren. Sie verteidigten damit ihr Recht auf Selbstständigkeit und Un-abhängigkeit.

Desertion und Kriegsdienstverweigerung aus politischen und weltanschaulichen Gründen waren ebenfalls Ausdruck der Re-

gimegegnerschaft. So desertierten etwa Soldaten, weil sie mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen konfrontiert wurden und nicht bereit waren, einem verbrecherischen Staat zu dienen.

Auch die Unterstützung für verfolgte Juden, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene gehörte zu den Formen des Widerstands im Kriegsalltag. Insbesondere die Hilfe für verfolgte Juden wandte sich gegen einen Kernpunkt der NS-Ideologie.

Regimegegner mussten im nationalsozialistischen Herr-schaftsbereich besondere Vorsicht walten lassen. Sie hatten sich vor der Polizei zu hüten, aber fast noch mehr vor ihren Nachbarn, die regimekritische Handlungen registrierten und vielfach bereitwillig meldeten. Viele Flugblätter der Opposi-tion kennen wir heute nur aus den Akten der Verfolgungsbe-hörden, da sie von ihren Empfängern zwar gelesen, aber dann oftmals rasch bei der Polizei abgegeben wurden. Denunziati-onen führten in vielen Fällen zu Aktionen der Polizei oder der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) gegen Menschen, die sich regimekritisch geäußert oder verhalten hatten.

6 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Die Bereitschaft zum Widerstand gegen den Nationalsozialis-mus beruhte auf einer individuellen, ganz persönlichen Ent-scheidung, zumeist sogar auf einer Reihe von Entschlüssen. In Interviews können viele ehemalige Widerstandskämpferin-nen und Widerstandskämpfer oftmals einen genauen Punkt benennen, an dem Regimekritik oder Opposition in aktive Gegnerschaft umschlug. Viele andere können dies jedoch we-der auf eine konkrete Einzelentscheidung noch auf einen ge-nauen Zeitpunkt festlegen.

Arvid und Mildred Harnack bei Saalfeld im Jahr 1930

Im Kreis um das Ehepaar Harnack werden bereits ab 1933 Grundfragen der poli-tischen, wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Entwicklung disku-tiert. Die Literaturwissenschaftlerin Mildred Harnack lehrt am Berliner Abend-gymnasium und ist gemeinsam mit ihrem Mann an vielfältigen Aktionen der Widerstandsgruppe Rote Kapelle führend beteiligt. Beide werden 1942 vom Reichs-kriegsgericht zum Tode verurteilt und ermordet.

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Gruppenbildung und Vernetzung waren unter den Bedin-gungen der Diktatur keine einfachen Vorhaben, sondern häufig komplex ablaufende Vorgänge, in deren Verlauf sich die Beteilig-ten erst einmal kennenlernen und Vertrauen zueinander fassen mussten. Das gemeinsame Milieu, die gemeinsame Alterskohor-te, gemeinsame Interessen – all diese Faktoren konnten Men-schen zusammenführen. Die Gruppenbildung erfolgte vielfach in einer gemeinsamen Suche nach politischer und weltanschau-licher Übereinstimmung. Persönliche und politische Diskussio-nen gingen ineinander über. In diesen Diskussionen wurde vor allem das Informationsmonopol der Diktatur in Frage gestellt. Es ging darum, Informationen auszutauschen, sie mit der Propa-ganda der Diktatur zu vergleichen und sich so ein eigenes Bild von den politischen Prozessen der Gegenwart zu machen. Dabei wurde oft der eigene politische Standort – in Abgrenzung vom nationalsozialistischen System – bestimmt, bevor weitere Ak-tionen erfolgten. „Gegenöffentlichkeit“ – so klein sie auch sein mochte – war ein Ziel, das mit Flugblättern oder Wandparolen erreicht werden sollte.

Widerstand wird so als Prozess einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dessen Verbrechen deut-lich. Die Geschichte des Widerstands zeigt aber auch das Spannungsfeld, in dem die Deutschen in der NS-Zeit standen. Es reicht von Begeisterung, Anpassung und Nachfolgebereit-schaft zu Distanz, Opposition und Widerstand.

Die Vielfalt und Breite der Widerstandsformen führen dazu, dass der Begriff des Widerstands gegen den Nationalsozialis-mus nur schwer in theoretische Modelle oder eine harmoni-sierende Zusammenschau zu fassen ist. Hinzu kommt, dass der Widerstandsbegriff nach 1945 in der politischen wie in der wissenschaftlichen Diskussion oftmals umstritten war. Jede

Modellbildung kann hier anregend sein, niemals jedoch die genaue historische Analyse ersetzen.

Gerade in der Kriegsphase spiegelte sich in vielfältigen Ak-tionen des Widerstands und des Protests gegen die national-sozialistische Diktatur auch der Zerfall einer Gesellschaft, die mit dem militärischen Zusammenbruch zugleich auf ihre ge-sellschaftliche Katastrophe zutrieb.

Es kann der Widerstandsforschung und der wissenschaft-lichen Zeitgeschichte nur gelingen, die Vielfalt dieser Er-scheinungen wahrzunehmen, wenn sich die Forschenden die Offenheit des Blicks und die Unbefangenheit des Urteils bewahren, aber auch den Willen haben, das ganze Spektrum von Verhaltensmöglichkeiten zur Kenntnis zu nehmen. Im Widerstand wird dann die Alternative zur Anpassung und zur Folgebereitschaft der meisten Deutschen sichtbar. Und dies wiederum weist durchgängig darauf hin, dass Zivilcourage und Teilhabe, die heute so selbstverständlich erscheinen, nie-mandem in den Schoß fallen.

Elli Voigt (3. v. l., hier 1943 mit Zwangsarbeiterinnen aus dem Kabelwerk Schönow bei Berlin) gehört einer kommunistischen Widerstandsgruppe an. An ihrer Arbeits-stelle im Kabelwerk knüpft sie Kontakt zu Zwangsarbeitern, die sie unterstützt und in ihre politische Arbeit einbezieht. Sie wird vom „Volksgerichtshof“ zum Tode ver-urteilt und am 8. Dezember 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

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1938 entschließt sich der Schreiner Georg Elser (hier um 1936), die NS-Führung – Hit-ler, Göring und Goebbels – zu töten, um so den drohenden Krieg zu verhindern. El-ser präpariert in wochenlanger Arbeit ab Sommer 1939 einen tragenden Pfeiler des Veranstaltungssaales im Münchener Bürgerbräukeller, um dort einen Sprengkörper einzubauen. Hitler verlässt am 8. November 1939 nur wenige Minuten vor der Explo-sion unerwartet früh den Versammlungssaal und entgeht so dem Anschlag.

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Freund Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, hier im „Führerhauptquartier“ in Winniza/Ukraine 1942, gehören zu den wichtigsten Beteiligten des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944. Beide werden in der Nacht zum 21. Juli 1944 im Innenhof des Berliner Bendlerblocks erschossen.

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Was Widerstand bedeutet (I)Widerstand gegen das Unrechtsregime ist also mehr als nur Verweigerung, als schweigende Ablehnung, mehr als das Ein-verständnis gegen die Nationalsozialisten im gleichgesinn-ten Milieu, mehr als die Verurteilung des Diktators und seiner Gehilfen im geschlossenen Kreis. Aus der Ablehnung des Re-gimes wird Widerstand durch das Bekenntnis und die Bereit-schaft, Konsequenzen der Haltung und Handlung zu tragen.

Ein zentrales Element von Widerstand ist die Gefährdung dessen, der sich erkennbar auflehnt. Eine Voraussetzung ist die Bewahrung eigener Identität, das Festhalten an Normen und Werten, die Verweigerung von Anpassung und Kompro-miss, wie es des Vorteils, des Friedens, des Fortkommens we-gen von der Mehrheit praktiziert wurde. Widerstand ist mehr als das Beharren auf persönlichen Einstellungen, die mit der Räson des Regimes nicht übereinstimmten. Aber ohne eige-ne Haltung und Orientierung war kein Widerstand möglich.

Wolfgang Benz, Der deutsche Widerstand gegen Hitler, C.H. Beck München 2014, S. 8

7 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Modellbildung kann hier anregend sein, niemals jedoch die genaue historische Analyse ersetzen.

Gerade in der Kriegsphase spiegelte sich in vielfältigen Ak-tionen des Widerstands und des Protests gegen die national-sozialistische Diktatur auch der Zerfall einer Gesellschaft, die mit dem militärischen Zusammenbruch zugleich auf ihre ge-sellschaftliche Katastrophe zutrieb.

Es kann der Widerstandsforschung und der wissenschaft-lichen Zeitgeschichte nur gelingen, die Vielfalt dieser Er-scheinungen wahrzunehmen, wenn sich die Forschenden die Offenheit des Blicks und die Unbefangenheit des Urteils bewahren, aber auch den Willen haben, das ganze Spektrum von Verhaltensmöglichkeiten zur Kenntnis zu nehmen. Im Widerstand wird dann die Alternative zur Anpassung und zur Folgebereitschaft der meisten Deutschen sichtbar. Und dies wiederum weist durchgängig darauf hin, dass Zivilcourage und Teilhabe, die heute so selbstverständlich erscheinen, nie-mandem in den Schoß fallen.

Elli Voigt (3. v. l., hier 1943 mit Zwangsarbeiterinnen aus dem Kabelwerk Schönow bei Berlin) gehört einer kommunistischen Widerstandsgruppe an. An ihrer Arbeits-stelle im Kabelwerk knüpft sie Kontakt zu Zwangsarbeitern, die sie unterstützt und in ihre politische Arbeit einbezieht. Sie wird vom „Volksgerichtshof“ zum Tode ver-urteilt und am 8. Dezember 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

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1938 entschließt sich der Schreiner Georg Elser (hier um 1936), die NS-Führung – Hit-ler, Göring und Goebbels – zu töten, um so den drohenden Krieg zu verhindern. El-ser präpariert in wochenlanger Arbeit ab Sommer 1939 einen tragenden Pfeiler des Veranstaltungssaales im Münchener Bürgerbräukeller, um dort einen Sprengkörper einzubauen. Hitler verlässt am 8. November 1939 nur wenige Minuten vor der Explo-sion unerwartet früh den Versammlungssaal und entgeht so dem Anschlag.

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Freund Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, hier im „Führerhauptquartier“ in Winniza/Ukraine 1942, gehören zu den wichtigsten Beteiligten des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944. Beide werden in der Nacht zum 21. Juli 1944 im Innenhof des Berliner Bendlerblocks erschossen.

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Was Widerstand bedeutet (II)Kein System kann alle Normenverletzungen ahnden, jeder derartige Versuch würde das System selbst blockieren. Es gibt also in jedem, auch dem nationalsozialistischen System gan-ze Bereiche, die gewöhnlich unterhalb der polizeilichen Ein-greifschwelle liegen. In diesen Bereichen – also in gewöhn-lich sehr privaten Räumen – waren die meisten Akte von Nonkonformität gegenüber dem NS-Regime angesiedelt. In der Regel handelte es sich um einzelne Normenverletzungen, die nicht das Ganze in Frage stellten.

Akte bloßer Nonkonformität wurden dann um einen Grad genereller und damit politisch gegen das Regime gerichtet, wenn sie nicht nur gegen irgendwelche Normen des Systems verstießen, sondern sich den Anordnungen etwa von Behörden bewußt widersetzten. Solche Verweigerung konnte etwa darin bestehen, daß man seinen Sohn oder seine Tochter trotz mehr-maliger offizieller Intervention nicht zur HJ [„Hitler-Jugend“] oder zum BDM [„Bund Deutscher Mädel“] schickte. Oder darin, daß man trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Werkslei-tung die eigene Produktionsleistung nicht erhöhte.

Noch weitgehender, weil in der Tendenz noch mehr auf die generelle Ablehnung des Regimes ausgerichtet, ist der Protest. Er konnte sich immer noch auf eine Einzelmaßnahme beziehen, wie etwa in der Kampagne der Kirchen gegen die Euthanasie.

Als Widerstand würden wir in dieser langen Skala abwei-chenden Verhaltens dann jene Verhaltensformen bezeich-nen, in denen das NS-Regime als Ganzes abgelehnt wurde, und Maßnahmen zur Vorbereitung des Sturzes des NS-Re-gimes im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten des jeweils einzelnen Subjektes getroffen wurden.

Detlev Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Bund Verlag Köln 1982, S. 96 ff.

Was Widerstand bedeutet (III)Der Begriff Widerstand ist stets umstritten gewesen. In der Regel bezeichnet das Wort Widerstand Reaktionen eines Men-schen oder von Gruppen auf Machtmißbrauch, Verfassungs-bruch und Menschenrechtsverletzungen. Deshalb erscheint Widerstand immer dann als geboten oder gerechtfertigt, wenn Grundsätze des modernen Naturrechts oder Grundprin-zipien einer demokratischen, freiheitlichen, rechtsstaatlichen Ordnung gegen Übergriffe verteidigt werden sollen.

Weil sich Widerstand vor allem auf die Verteidigung ei-ner menschenwürdigen Ordnung bezieht, hängt die innere Anerkennung des Widerstands von der Formulierung der Grenzen und Ziele des Staates ab, deren Gefährdung und Ver-letzung widerständiges Verhalten notwendig macht. In der Regel wird Widerstand durch Attribute präzisiert. Dadurch soll deutlich gemacht werden, daß Widerstand als eine Form abweichenden Verhaltens ein breites Verhaltensspektrum abdeckt – vom passiven Widerstand und der Verweigerung über die innere Emigration, den ideologischen Gegensatz und die bewußte Nonkonformität zum Protest, zur offenen Ablehnung und schließlich zur Konspiration, die sich sowohl auf die gedankliche Vorbereitung der Neuordnung nach dem Ende des NS-Staates konzentrieren konnte als auch versu-chen mußte, aktiv den Umsturz des Regimes vorzubereiten und durchzuführen.

Widerstand bezeichnet ein breites Verhaltensspektrum, dessen Voraussetzungen in Vorbehalten gegenüber dem Regime (Resistenz), in der inneren Kraft zur bewußten Dis-tanzierung von den politischen Konventionen der Zeit und in der Befähigung zur Bewahrung traditional vermittelter Wertvorstellungen liegen. Im Verständnis der Deutschen wird der Begriff Widerstand vor allem durch die Erfahrun-gen der NS-Zeit bestimmt. Widerstand bezeichnet in diesem Zusammenhang jedes aktive und passive Verhalten, das sich gegen das NS-Regime oder einen erheblichen Teilbereich der NS-Ideologie richtete und mit hohen persönlichen Risiken verbunden war.

Peter Steinbach / Johannes Tuchel, Widerstandsbegriff, in: Dies. (Hg.), Lexikon des Widerstandes 1933–1945, 2. durchgesehene Auflage, C. H. Beck München 1998, S. 240 f.

8 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Warnungen vor dem Nationalsozialis-mus vor 1933

Republikanische Demonstration im Berliner Lustgarten, Oktober 1930

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ach dem Ende des Kaiserreichs im November 1918 prägten Auf-stände und Putschversuche die ersten Jahre der Weimarer Repu-blik. In der Bevölkerung wie unter deren politischen Vertretern herrschte eine ausgeprägte Abneigung gegen politische und soziale Kompromisse, die das Entstehen eines gemeinsamen Verantwortungsbewusstseins für ihren neuen, demokratischen Staat verhinderte.

Erst 1924 begann eine Phase relativer Stabilität und in-nenpolitischer Ruhe, die bis 1929 andauerte. Verbunden mit wirtschaftlichem Aufschwung führte sie zu einer Blütezeit in Kunst, Kultur und Wissenschaft. Eine Zwiespältigkeit zwi-schen Fortschritt und Stagnation, demokratischem Ringen und Anarchie, Moderne und Beharren auf Tradition kenn-zeichnete die „Goldenen Zwanziger“. Technischer Fortschritt und künstlerische Experimentierfreudigkeit beflügelten das Lebensgefühl.

Dies alles endete mit der im Oktober 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise, in der Armut und Verzweiflung um sich griffen. Die regierenden Parteien entzogen sich ihrer Verant-wortung und waren unfähig, stabile Koalitionen zu bilden. Tief verwurzeltes autoritäres Gedankengut und antisemiti-sche Überzeugungen beeinflussten die Wertvorstellungen der Gesellschaft. In dieser Situation entfesselten die Gegner der Weimarer Republik von rechts und links eine beispiellose Agi-tation gegen den Staat, der keine Mittel gegen die wirtschaft-liche und politische Krise fand.

Breite Initiativen zur Verteidigung der Demokratie blieben aus. Nur eine Massenorganisation bildete die Ausnahme: das 1924 gegründete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, der größ-te republikanische Schutzverband mit etwa drei Millionen Mitgliedern aus allen demokratischen Parteien und aus den Gewerkschaften. 1931 schlossen sich Mitglieder des Reichsban-

ners, der Arbeitersportverbände und der freien Gewerkschaf-ten sowie der Sozialdemokraten zur Eisernen Front zusammen. Sie reagierten damit auf die antidemokratische und rechtsex-treme Harzburger Front, die sich unter Beteiligung der Nati-onalsozialisten im November 1931 zusammengefunden hatte. Die Eiserne Front wollte verhindern, dass aus der Republik ein autoritärer Staat wurde. Doch die Arbeiterbewegung der Wei-marer Republik war gespalten. Die Kommunisten bekämpften die als „sozialfaschistisch“ diffamierte Sozialdemokratie mit mindestens ebenso viel Energie wie den aufkommenden und immer stärker werdenden Nationalsozialismus.

Einzelne Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle und Wissen-schaftler warnten frühzeitig, jedoch erfolglos, vor dem Natio-nalsozialismus. „Daß der Nazi dir einen Totenkranz flicht: Deutschland, siehst du das nicht?“, fragte Kurt Tucholsky 1930 in seinem Gedicht „Deutschland, erwache“. Carl von Ossietz-ky, der Herausgeber der Zeitschrift „Weltbühne“, schrieb Ende 1931: „Die gleiche Not, die alle schwächt, ist Hitlers Stärke. Der Nationalsozialismus bringt wenigstens die letzte Hoffnung von Verhungernden: den Kannibalismus. Man kann sich schließlich noch gegenseitig fressen.“ Kritik am Antisemitis-mus übte der liberale Politiker und spätere Bundespräsident Theodor Heuss in seinem 1932 erschienenen Buch „Hitlers Weg. Eine historisch-politische Studie über den Nationalsozi-alismus“. Ihm fehlte jedoch das Vorstellungsvermögen dafür, mit welcher Brutalität und Mordlust die Absichten der NSDAP ab 1933 in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollten.

Im Sommer 1932 entmachtete schließlich Reichskanzler Franz von Papen die demokratisch legitimierte preußische Regierung und besiegelte so das Schicksal der Weimarer Re-publik. Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den „Führer“ der NSDAP, Adolf Hitler, zum Reichs-kanzler. Als seine Gegner erkannten, dass er die endgültige Zerstörung der Weimarer Republik betrieb, verfügte Hitler bereits über die entscheidenden Machtmittel zur Errichtung einer Diktatur.

9 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

fritz gerlich

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Der 1883 geborene Journalist Fritz Ger-lich leitete zwischen 1920 und 1928 die Münchner Neuesten Nachrichten, eine Vorgängerzeitung der heutigen Süddeut-schen Zeitung.

Unter dem Eindruck des Hitlerputsches vom November 1923 entwickelte sich der engagierte Katholik zu einem scharfen Kri-tiker und Gegner Adolf Hitlers. 1930 über-nahm Gerlich das Wochenblatt „Illustrierter Sonntag“, das ab 1932 unter dem program-matischen Titel „Der gerade Weg. Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“ erschien.

Gestützt auf seine eigenen Informati-onsquellen und Interna der NS-Bewe-gung wandelte er die Zeitung in ein Kampfblatt gegen den Nationalsozia-lismus um. Ab Herbst 1932 berichtete er wiederholt über Zerwürfnisse in der NSDAP-Spitze und Putschpläne aus den Reihen der SA.

Am 9. März 1933 wurde Gerlich in der Re-daktion von SA-Leuten misshandelt und festgenommen, am 13. März wurde „Der gerade Weg“ verboten. Nach 16-monati-ger Haft wurde Fritz Gerlich in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934 in das KZ Dachau verlegt und dort erschossen.

„Der Nationalsozialismus ist eine Pest! […] Nationalsozialismus aber bedeutet: Feind-schaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg. Nationalsozialismus heißt: Lüge, Haß, Brudermord und grenzenlose Not. Adolf Hitler verkündigt das Recht der Lüge. […] Ihr, die ihr diesem Betruge eines um die Gewaltherrschaft Besessenen verfallen seid, erwacht! Es geht um Deutschlands, um Euer, um Eurer Kinder Schicksal.“

Wahlaufruf von Dr. Fritz Gerlich, „Der gerade Weg“, Nr. 31 vom 31. Juli 1932

kurt schumacher

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Der 1895 geborene Kurt Schumacher stu-dierte von 1915 bis 1919 Rechts- und Staats-wissenschaften und promovierte 1920. Noch während des Studiums schloss er sich 1918 der SPD an.

Von 1920 bis 1930 politischer Redak-teur der „Schwäbischen Tagwacht“, stieg er zum Repräsentanten der Stuttgarter Sozialdemokratie auf. Leidenschaftlich setzte er sich für die gefährdete Weima-rer Republik ein. Mehrere Jahre war er Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Stuttgart.

Im September 1930 wurde Kurt Schuma-cher Abgeordneter im Deutschen Reichs-tag. Als dort am 23. Februar 1932 Joseph Goebbels die SPD als „Partei der Deserteu-re“ beschimpfte, antwortete er mit einer Stegreifrede, die noch heute als eine der schärfsten Attacken gegen den National-sozialismus gilt.

Im Juli 1933 wurde Schumacher festge-nommen. Es folgte ein fast zehnjähriger Leidensweg durch Gefängnisse und Kon-zentrationslager. Nach dem Krieg war Kurt Schumacher zwischen 1946 und sei-nem Tod 1952 SPD-Parteivorsitzender.

„Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen. […] Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus an-erkennen, dann ist es die Tatsache, daß ihm zum ersten Mal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist. […] Abschließend sage ich den Herren Nationalsozialisten: Sie können tun und lassen, was sie wollen; an den Grad unserer Verachtung werden sie niemals heranreichen.“

Aus der Reichstagsrede des sozialdemokratischen Abge-ordneten Dr. Kurt Schumacher vom 23. Februar 1932

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Der 1889 geborene Journalist Carl von Ossietzky war zwischen 1911 und 1922 Mitarbeiter und Redakteur verschiede-ner Wochen- und Tageszeitungen und ab 1919 Sekretär der Deutschen Friedens-gesellschaft. Bewaffnete Auseinanderset-zungen lehnte er kategorisch ab und trat für das Prinzip der Gewaltlosigkeit ein. Die von ihm ab 1927 geleitete politi-sche Zeitschrift „Die Weltbühne“ war das wichtigste Medium gegen den deutschen Militarismus und übte scharfe Kritik am obrigkeitsstaatlichen Denken und an der politischen Justiz.

Im März 1933 wurde „Die Weltbühne“ verboten. Anfang April 1933 wurde Carl von Ossietzky vom Polizeigefängnis Ber-lin-Spandau in das Konzentrationslager Sonnenburg verlegt und dort schwer miss-handelt. Seine Schriften fielen im Mai 1933 der Bücherverbrennung der Nationalsozia-listen zum Opfer. Mitte Februar 1934 setzte sich Ossietzkys Leidensweg im emslän-dischen Konzentrationslager Esterwegen fort. Anfang November 1936 musste der Schwerkranke nach Berlin verlegt werden.

Kurz darauf erhielt der engagierte Pazi-fist und Demokrat rückwirkend für 1935 den Friedensnobelpreis. Die Nationalso-zialisten verboten ihm, zur Preisverlei-hung nach Oslo zu reisen. Sie forderten ihn zur Ablehnung des Preises auf, was Carl von Ossietzky jedoch standhaft ver-weigerte. Er starb am 4. Mai 1938 in der Klinik Nordend in Berlin-Weißensee an den Folgen der Haft.

„Ob wir überleben, ist weder sicher noch die Hauptsache. Wie man aber später von uns denken wird, ist so wichtig wie, daß man an uns denken wird. […] Ein Deutsch-land, das an uns denkt, wird ein besseres Deutschland sein.“

Bemerkung von Carl von Ossietzky gegenüber einem Mithäftling im KZ Esterwegen

10 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

JOHANNES TUCHEL / JULIA ALBERT

Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-HerrschaftspraxisWiderstand aus der Arbeiterbewegung

Kundgebung der Eisernen Front vor dem Berliner Schloss, 19. Februar 1933

Im Dezember 1931 schließen sich Sozialdemokraten, Freie Gewerkschaften, Reichs-banner Schwarz-Rot-Gold und Arbeitersportvereine zur Eisernen Front zusammen. Ihr Ziel ist die „Überwindung der faschistischen Gefahr“. Noch am 19. Februar 1933 demonstrieren mehrere zehntausend Menschen gegen die Nationalsozialisten.

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Schon vor 1933 hatten sich Kommunisten, Sozialisten, Sozi-aldemokraten und Gewerkschaftsmitglieder gegen die Ide-en und Ziele Hitlers zur Wehr gesetzt. Eine gemeinsame Ab-wehrfront der Arbeiterbewegung war jedoch nicht zustande gekommen, weil die Kommunisten in den Sozialdemokraten ihren „Hauptfeind“ sahen und die Gegensätze innerhalb der Arbeiterbewegung unüberbrückbar blieben. Die Mehrheit der Gewerkschaftsführer suchte schließlich sogar nach einem Kompromiss mit der neuen NS-Regierung.

KPD-Demonstration in Berlin, 25. Januar 1933

Vier Stunden lang ziehen am 25. Januar 1933 mehrere zehntausend KPD-Anhänger auf dieser letzten Großdemonstration der KPD an der Parteiführung vorbei. V. l.: Franz Dahlem, Wilhelm Hein, Willy Leow, Walter Ulbricht, Wilhelm Florin (verdeckt), Artur Golke, John Schehr, Ernst Thälmann

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In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannte das Reichstagsgebäude in Berlin. Die Täterschaft konnte nie zwei-felsfrei geklärt werden, doch die Nationalsozialisten werte-ten den Brandanschlag als Fanal für einen kommunistischen Umsturzversuch und nutzten ihn als Vorwand, um die Grund-rechte außer Kraft setzen zu lassen. Viele Kommunisten und Sozialdemokraten wurden in aller Öffentlichkeit verfolgt und inhaftiert. Einigen gelang die Flucht ins Ausland, wo sie den Kampf gegen die NS-Diktatur fortsetzten und versuchten, vom Exil aus Verbindung zu ihren Freunden in Deutschland zu hal-ten, Nachrichten zu sammeln oder Flugschriften weiterzuge-ben. In die Illegalität gedrängt, bildeten sich in Deutschland lo-kale Gruppen und oppositionelle Gesinnungsgemeinschaften.

Einzelne Regimegegner bemühten sich in dieser Situation, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu überwinden. Sozialisten und Anhänger von Einheitsbestrebungen fanden sich vor al-lem in der Gruppe „Neu Beginnen“, im „Roten Stoßtrupp“ und in den „Roten Kämpfern“ zusammen oder suchten die Verbin-dung zu Gruppen der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD), der wichtigs-ten anarcho-syndikalistischen Organisation in Deutschland. Im Vordergrund ihrer Bemühungen standen die Ziele, sich nicht von den Nationalsozialisten vereinnahmen zu lassen sowie den organisatorischen Zusammenhalt und einen inten-siven Informationsaustausch aufrechtzuerhalten.

Neben der Selbstbehauptung überwog allerdings auch in der Arbeiterschaft die Bereitschaft zur Anpassung an das NS-Regime. Die Nationalsozialisten wollten durch scheinbare Zugeständnisse die Unterstützung der Arbeiterschaft gewin-nen und erklärten 1933 den 1. Mai, einen traditionsreichen Kampftag der Arbeiterbewegung, zum Staatsfeiertag. Schon einen Tag später jedoch wurden die Gewerkschaften verboten. Bis 1935 wurde der Zugriff von Polizei und Justiz immer fes-ter. Massenprozesse und Konzentrationslager sollten abschre-ckende Wirkung entfalten.

Dennoch leisteten Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter weiterhin auf vielfältige Weise Gegenwehr:

11 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

durch Kritik in Betrieb und Nachbarschaft an der national-sozialistischen Herrschaft, durch geheime Zusammenkünfte, Kurierdienste und Nachrichtenübermittlung, durch die Ver-teilung von Flugblättern und illegalem Material sowie durch Hilfe für die Angehörigen inhaftierter Parteifreunde.

Die emigrierte Leitungsgruppe der KPD hatte nach Prag und Paris schließlich ihren Sitz in Moskau genommen. Dort vertrat sie unter der Leitung von Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck die politische Linie Stalins und strebte nach der Führung in der Arbeiterbewegung. Während die Sozialdemokraten stär-ker darauf aus waren, Gesinnungsfreunde zu sammeln, war es den Kommunisten wichtig, öffentliche Wirkung zu erzielen. Dieser öffentlichkeitswirksame Protest führte aber auch zur verstärkten Verfolgung von KPD-Funktionären. Schon in den ersten vier Jahren der NS-Diktatur wurden die kommunisti-schen Widerstandsgruppen weitgehend zerschlagen. Ihre Mit-

glieder wurden häufig durch V-Leute der Gestapo, die heimlich in die Gruppen eingeschleust worden waren, verraten und in politischen Massenprozessen verurteilt.

Zweifel an der Fähigkeit der Auslandsleitung, von außen den Widerstand zu koordinieren, bewogen seit der Mitte der 1930er-Jahre Gruppen kommunistischer Regimegegner, unabhängig von der Führung der Exil-KPD zu handeln. Hin-zu kam die Kenntnis der stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion. Schließlich offenbarte der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August 1939, der Hitler den Überfall auf Polen erleichterte, die Zusammenarbeit der beiden Dikta-toren bei der Aufteilung Ostmitteleuropas. Stalin ließ zu die-ser Zeit sogar kommunistische Regimegegner an die Gestapo ausliefern. Diese Umstände bewirkten in ihrer Gesamtheit bis zum Kriegsbeginn eine weitgehende Lähmung des kommu-nistischen Widerstands.

Rede gegen das Ermächtigungsgesetz[…] Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. (Lebh. Beifall bei den Soz.) Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemo-kratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können, dass sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren. Wo diese Möglichkeit besteht, besteht auch die Pflicht. (Sehr richtig! bei den Soz.) Kritik ist heilsam und notwendig. Noch niemals, seit es einen deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die ge-wählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet wor-den, wie es jetzt geschieht (sehr wahr! bei den Soz.), und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muss sich umso schwerer aus-wirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt. […]

Vergeblich wird der Versuch bleiben, das Rad der Geschich-te zurückzudrehen. Wir Sozialdemokraten wissen, dass man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann. Wir sehen die machtpolitische Tatsache Ihrer augenblicklichen Herrschaft. Aber auch das Rechtsbe-wusstsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewusstsein zu appellieren.

Die Verfassung von Weimar ist keine sozialistische Verfas-sung. Aber wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes, die in ihr festge-legt sind. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des So-zialismus. (Lebh. Zustimmung bei den Soz.)

Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgun-gen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.

Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen un se-re Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht – (Lachen bei den Nsoz. – Bravo! bei den Soz.) verbürgen eine hel-lere Zukunft.

Rede von Otto Wels im Reichstag am 23. März 1933 gegen das Gesetz, das die Regierung ermächtigen sollte, ohne parlamentarische Zustimmung Gesetze zu erlassen

Warnung vor der KriegsgefahrAm 2. Februar 1936 haben 118 Mitglieder aller Arbeiterparteien Deutschlands und Vertreter seines freiheitlichen Bürgertums in einer Kundgebung an das deutsche Volk eindringlich darauf hingewiesen, dass der von Hitler vorbereitete Vernichtungs- und Eroberungskrieg täglich näher rückt. […]

Die Unterzeichneten, Angehörige sämtlicher deutscher Ar-beiterparteien und Organisationen, die in Deutschland einen Heldenkampf gegen das Hitlerregime führen, erklären ge-meinsam mit Vertretern des freiheitlichen deutschen Bürger-tums: Die deutschen Volksmassen wollen nicht Krieg, sondern Frieden. Die Kriegspolitik Hitlers widerspricht dem Willen der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes. Es ist unwahr, dass hinter Hitler 99 Prozent des deutschen Volkes stehen. Die Zahlen der Wahlen sind teils durch einen unerhörten Terror erpresst, teils sind sie erreicht vermittels nachgewiesener bei-spielloser Fälschungen.

Die große Masse des deutschen Volkes, besonders die Werk-tätigen Deutschlands haben im Zusammenleben mit anderen Nationen nur ein Ziel, in einem freiheitlichen, von Naziterror erlösten Deutschland mit allen Völkern in Frieden zu leben und alle strittigen Fragen durch friedliche Verständigung zu lösen.

[…] Angesichts der gesteigerten Kriegsgefahr und drohenden Katastrophe ist dieser Zusammenschluss notwendiger denn je, um die Machenschaften Hitlers bloßzustellen, um die chauvi-nistische Demagogie, die ideologische Vorbereitung des Krieges zunichte zu machen.

Unser Ruf ergeht an alle deutschen Arbeiter, an alle Frauen und Männer, die Deutschland und die Welt vor einem neuen Krieg bewahren wollen. Vereinigt Euch! Kämpft gemeinsam für den Sturz der Hitlerdiktatur! Sie ist das Unglück unseres Volkes und wird zum Unglück für die ganze Welt, wenn w i r es nicht verhindern.

Unser Ruf ergeht gleichzeitig an die Arbeiter und ihre Organi-sationen in der ganzen Welt, an die Männer und Frauen in allen Ländern, durch einheitliches Handeln, durch Verhinderung jeder finanziellen Unterstützung Hitlerdeutschlands, durch Kampf für die Amnestierung der eingekerkerten Gegner des Naziregimes, die freiheitlichen und friedliebenden Kräfte des deutschen Vol-kes in ihrem heroischen Ringen zu unterstützen.[…]

Aufruf zur Bildung einer Einheitsfront vom 2. Februar 1936, abgedruckt in: Die Rote Fahne, Jahrgang 1936, Nr. 4

12 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

lilo herrmann

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Die 1909 geborene Lilo (Liselotte) Herr-mann studierte von 1929 bis 1931 an der Technischen Hochschule in Stuttgart Chemie und ab 1931 Biologie in Berlin. 1928 trat sie in den Kommunistischen Jugendverband ein, wurde Mitglied des Roten Studentenbundes und im Novem-ber 1931 KPD-Mitglied.

Wegen ihrer politischen Tätigkeit im Juli 1933 von der Universität verwiesen, arbeitete sie anschließend als Kinder-mädchen. Lilo Herrmann war in jener Zeit bereits Mitarbeiterin des geheimen Nachrichtendienstes der KPD.

Nach der Geburt ihres Sohnes Walter kehrte sie im September 1934 nach Stutt-gart zurück und war zunächst im Inge-nieurbüro ihres Vaters als Stenotypistin beschäftigt. Ab Ende 1934 arbeitete sie als technische Mitarbeiterin für Ste-fan Lovasz, den Leiter der illegalen KPD Württemberg, und übernahm Schreib- und Kurierarbeiten für den geheimen Militärapparat der KPD.

Von dem in den Dornier-Werken in Friedrichshafen beschäftigten Artur Gö-ritz erhielt sie militärische Informationen über die Produktion von Rüstungsgütern und über den Bau einer unterirdischen Munitionsfabrik bei Celle. Dieses Mate-rial wurde einem Instrukteur des Zent-ralkomitees (ZK) der KPD in der Schweiz übergeben.

Von Agenten verraten, wurde Liselot-te Herrmann am 7. Dezember 1935 fest-genommen und am 12. Juni 1937 vom

„Volksgerichtshof“ wegen „Landesverrats und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt. Ihre Enthauptung erfolg-te am 20. Juni 1938 in Berlin-Plötzensee, obwohl sich viele Menschen aus ver-schiedenen Ländern für die junge Frau und Mutter einsetzten.

willi münzenberg

GDW

Willi Münzenberg, 1889 geboren, trat 1919 der KPD bei und war von 1919 bis 1921 Se-kretär der Kommunistischen Jugendin-ternationale. 1921 organisierte er Hilfs-maßnahmen für das hungernde Russland und stand bis 1933 der Internationalen Arbeiterhilfe vor.

Er baute mit Hilfe der Kommunisti-schen Internationalen (kurz: Komintern) ein breitgefächertes kommunistisches Medienunternehmen auf. Im Zentralko-mitee der KPD gehörte er bis 1932 zu den Vertretern einer ultralinken Politik.

Nach dem Reichstagsbrand floh Mün-zenberg nach Frankreich und erhielt dort durch Vermittlung des französischen Po-litikers und Schriftstellers Henri Barbusse politisches Asyl. Er gründete einen Verlag und veröffentlichte von Paris aus Aufse-hen erregende „Braunbücher“ über den Reichstagsbrand und den Terror im nati-onalsozialistischen Deutschland.

1935 ergriff Münzenberg die entschei-dende Initiative zur Gründung einer deut-schen „Volksfront“ gegen den Nationalso-zialismus, der Vertreter unterschiedlicher Parteien angehörten.

Meinungsverschiedenheiten mit der KPD-Führung in Moskau und Ausei-nandersetzungen mit Walter Ulbricht führten 1938 zum Bruch mit der KPD. Münzenberg trat für gemäßigte, sozialde-mokratische Positionen ein und lehnte die Diktatur des Proletariats ab. Er war Gegner des deutsch-sowjetischen Nichtangriffs-paktes.

Als deutscher Staatsangehöriger in ei-nem französischen Internierungslager festgehalten, floh Münzenberg im Juni 1940 beim Vorrücken der deutschen Trup-pen. Sein Tod im Sommer 1940 auf dem Weg in die Schweiz ist bis heute ungeklärt.

robert stamm

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er 1900 geborene Robert Stamm be-suchte nach einer Werkzeugschlosser-lehre die Fachschule für Werkzeug- und Maschinenbau. Noch im Frühjahr 1918 wurde er zum Militärdienst einberufen.

Stamm trat bald nach ihrer Gründung der KPD bei, beteiligte sich 1920 an Ak-tionen gegen die Kapp-Putschisten und 1923 gegen die separatistischen Gruppen im Rheinland. Von 1924 bis 1930 übte Ro-bert Stamm verschiedene Funktionen in der KPD im Rhein-Ruhr-Gebiet aus.

Er war zunächst als Volontär, später als Gewerkschafts- und Wirtschaftsre-dakteur bei der KPD-Zeitung „Freiheit“ in Düsseldorf beschäftigt. 1930 schickte ihn die KPD-Führung als Bezirksleiter nach Bremen. 1932 wurde er als Abgeordneter in den Reichstag gewählt.

Nach dem Reichstagsbrand arbeitete er illegal weiter, verließ Anfang April 1933 Bremen und ging nach Berlin. Von Mai 1933 bis Frühjahr 1934 war er als Po-litischer Sekretär der KPD-Bezirksleitung Niedersachsen tätig, anschließend leite-te er die Berlin-Brandenburger Organi-sation der KPD bis Oktober 1934.

Im November 1934 verließ er Deutsch-land und nahm in Moskau an den Vor-bereitungen des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale teil. Auf Beschluss der KPD-Führung kehrte er An-fang März 1935 nach Berlin zurück.

Zusammen mit Adolf Rembte, Käte Lü-beck und Max Maddalena wurde Stamm am 27. März 1935 von der Gestapo fest-genommen. Trotz einer großen interna-tionalen Protest- und Solidaritätsbewe-gung wurden Stamm und Rembte am 4. Juni 1937 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 4. November 1937 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

13 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

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Ab 1919 war der 1873 geborene Otto Wels Reichstagsabgeordneter und ent-schiedener Anhänger der Republik. Als SPD-Parteivorsitzender griff er die Na-tionalsozialisten in Reden und Artikeln unerschrocken an. Bis zuletzt versuchte Wels, die Republik und ihre Verfassungs-ordnung zu verteidigen.

Im März 1933 wollte sich Hitler vom Parlament unabhängig machen und for derte deshalb das Recht der Ge-setzgebung für seine Regierung. Dieses

„Ermächtigungsgesetz“ sollte vorgeblich auf vier Jahre begrenzt sein. Es bedeu-tete tatsächlich die völlige Entmachtung des Reichstages und die Zerstörung der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung.

Durch die Festnahme der meisten kom-munistischen Abgeordneten, die Aberken-nung ihrer Mandate sowie die absehbare Zustimmung des Zentrums und der Libe-ralen, die Hitlers Zusicherungen glaubten, stand die SPD-Reichstagsfraktion alleine vor der Aufgabe, Hitlers Pläne abzulehnen.

Otto Wels wandte sich entschieden gegen die Entmachtung des Parlaments. Er bekannte sich zu den Grundsätzen des Rechtsstaats, des Parlamentarismus, der Menschlichkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Nach seiner Rede gegen das „Ermächtigungsgesetz“, die als letzte freie Rede im Reichstag gilt, wurde Wels auf der letzten SPD-Reichskonferenz am 27. April 1933 noch einmal zum Parteivor-sitzenden gewählt.

Die Zerschlagung der Gewerkschaften Anfang Mai bewies ihm, dass es keiner-lei Möglichkeit der legalen Opposition gegen Hitlers Regierung geben konnte. Wels emigrierte nach Prag und wurde einer der Vorsitzenden der Exil-SPD (SO-PADE). 1938 floh er nach Paris, wo er ein Jahr später starb.

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Als Sohn eines Pastors 1900 geboren, studierte Werner Blumenberg ab 1919 Theologie, Religionsgeschichte sowie ori-entalische Sprachen und befasste sich mit philosophischen und sozialistischen Schriften.

Er konnte sein Studium aus finanziel-len Gründen nicht beenden und arbeitete danach in einem Kalibergwerk. Daneben schrieb er Artikel für die in Hannover er-scheinende sozialdemokratische Tages-zeitung „Volkswille“, deren Lokalredak-teur er 1928 wurde.

Ab 1932 bereitete er die Hannoveraner SPD auf die Illegalität vor, organisierte einige Waffen und leitete die Flugblatt-produktion in die Wege. Zwischen März und Mai 1933 kritisierte er in mehreren Flugblättern die „Stillhaltetaktik“ der SPD, die auf das bloße Überleben der Par-tei abzielen sollte.

Unterstützt von den sozialdemokra-tischen Funktionären Franz Nause und Willy Wendt baute Werner Blumenberg eine Widerstandsgruppe nach konspi-rativen Regeln auf. Seit Ende 1933 trug diese Gruppe den Namen „Sozialistische Front“. Sie verteilte alle vier bis sechs Wochen die zehnseitige Flugschrift „So-zialistische Blätter“ an einen zeitweilig bis zu 1000 Leser umfassenden Kreis.

Im Sommer 1936 gelang es der Gestapo, einen Spitzel in die Sozialistische Front einzuschleusen. Blumenberg konnte in der Nacht vom 16. zum 17. August 1936 in die Niederlande fliehen. Nach 1945 kehrte er nicht mehr nach Deutschland zurück und starb 1965 in Amsterdam.

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Die 1905 geborene Fürsorgerin Hilde Ephraim arbeitete in Brandenburg an der Havel und trat dort 1931 der Sozia-listischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) bei.

1933 wurde sie wegen ihres politischen Engagements und wegen ihrer jüdischen Herkunft aus dem Staatsdienst entlassen. Sie zog nach Berlin und war hier für die SAP illegal tätig.

Nach ausgedehnten Verhaftungswel-len in der Berliner Organisation gab es nur noch circa 200 SAP-Mitglieder, die in Fünfer- bzw. Dreiergruppen organi-siert waren und sich kaum mehr unter-einander kannten. Nur je ein Mitglied durfte die Verbindung zur nächsten Ebene halten. Treffen dienten dem Aus-tausch von Informationen oder der Vor-bereitung von Hilfen für Verfolgte.

Aufgrund ihrer Kontakte zu jüdi-schen Hilfsorganisationen unterstütz-te auch Hilde Ephraim Gefährdete und Familien von Inhaftierten. Im Frühjahr 1936 wurde sie festgenommen und bei den Verhören von Gestapobeamten schwer misshandelt. Der „Volksgerichts-hof“ verurteilte Hilde Ephraim am 25. Juni 1937 zu vier Jahren Zuchthaus, die sie in Lübeck und im bayerischen Am-berg verbüßte. 1939 befand sie sich in der Frauenstraf- und Verwahranstalt in Aichach, wo sie die Nahrung verweiger-te und schwer erkrankte.

Am 24. Juni 1940 wurde sie in  der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar regis-triert; am 20. September 1940 erfolgte im Rahmen der „Aktion T4“, bei der syste-matisch Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung ermordet wur-den, ihre Überstellung in die Tötungsan-stalt Hartheim bei Linz. Hier wurde sie noch am Tag der Ankunft ermordet.

14 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Widerstand aus christlichem Glauben Der Widerstand von Christen beider Konfessionen und von Mitgliedern der kleineren religiösen Gemeinschaften lässt sich aus dem von vielen Gläubigen als unüberbrückbar empfunde-nen Gegensatz von Nationalsozialismus und Christentum, aber auch als innerkirchliche Auseinandersetzung erklären.

Die Grundsätze der Religions- und Bekenntnisfreiheit fan-den ihre Entsprechung im Willen zur Glaubenstreue. Sie muss-ten deshalb mit dem weltanschaulichen Führungsanspruch der NSDAP zusammenprallen, der Ausdruck des totalitären Charakters der NS-Ideologie war. Die Gegensätze zwischen den Gläubigen und der NSDAP zeigten sich beispielhaft, als die NS-Führung beabsichtigte, die Grenzen der Kooperation zwischen kirchlichen Institutionen und dem nationalsozialis-tischen Staat festzulegen.

Während die katholischen Bischöfe frühzeitig die natio-nalsozialistische „Irrlehre“ in klaren Worten verurteilten, ver-suchte in der evangelischen Kirche ein großer Teil der Gläu-bigen, die nationalsozialistische Weltanschauung mit dem herrschenden Verständnis kirchlicher Verkündigung in Ein-klang zu bringen. Sie organisierten sich in der Bewegung

„Deutsche Christen“, die sich als Anhänger der NSDAP in der evangelischen Kirche verstanden. Sie wollten ein „artgemäßes Christentum“ verkündigen und lehnten deshalb Glaubensvor-stellungen ab, die vor allem die enge Verbindung zwischen Christentum und Judentum hervorhoben.

Junge Christen auf einer Bibelfreizeit mit Friedrich Justus Perels (2. v. r.) und Hermann Eh-lers (2. v. l.), zwei zentralen Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche, Neuentempel 1937

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In den innerkirchlichen Auseinandersetzungen vertraten die Deutschen Christen einen entschieden nationalsozialis-tischen Standpunkt; sie wollten sowohl die Vielfalt der evan-gelischen Landeskirchen durch eine zentralisierte evangeli-sche Reichskirche unter einem „Reichsbischof“ ersetzen, als auch die Mehrheit der kirchlichen Gemeinderäte stellen. Aus diesem Grunde führten sie im Frühjahr 1933 einen sehr poli-

tisierten Kirchenwahlkampf und riefen nicht zuletzt dadurch ihre Gegner auf den Plan. Deren Wortführer wurde der Dah-lemer Pastor Martin Niemöller, der mit Gleichgesinnten den

„Pfarrernotbund“ ins Leben rief, um den Zugriff der Deutschen Christen und damit des NS-Staates auf die evangelischen Ge-meinden abzuwehren. Sie wollten die Freiheit ihres Bekennt-nisses verteidigen, hielten an der Einheit von Altem und Neu-em Testament fest und lehnten insbesondere die Übernahme des „Arierparagraphen“ für die Kirche ab.

Evangelische Christen fanden sich später in der „Bekennen-den Kirche“ zusammen, um die kirchenpolitischen Übergrif-fe der Deutschen Christen abzuwehren. Viele Landeskirchen strebten jedoch nach einer tragfähigen Grundlage für ihr Wir-ken im NS-Staat, passten sich teilweise an oder versuchten, eine Art Minimalkonsens zu finden.

So schmolz der Kreis der unbedingten NS-Gegner auf we-nige hundert Mitglieder der „Bekennenden Kirche“, deren geistiger Wortführer Dietrich Bonhoeffer war. In der Ausei-nandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurde Bonhoef-fer zu einem der wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Er prägte einen kleinen Kreis von evangelischen Geistlichen, die nach dem Zusammenbruch des NS-Staates die Erneuerung der evangelischen Kirche wesentlich beeinflussen konnten. Dietrich Bonhoeffer gehörte auch zum Kreis der Verschwö-rer, die den Sturz Hitlers vorbereiteten. Bonhoeffers Beispiel veranlasste dessen Freund Eberhard Bethge dazu, die „aktive Konspiration“, die keine Deckung durch Institutionen mehr kannte, als letzte Steigerung des Widerstands zu bezeichnen.

In der katholischen Kirche gab es im Unterschied zum Pro-testantismus eine lange Tradition des Widerstands gegen staatliche Übergriffe, aber auch ein Gefühl für die Notwendig-keit, Verfolgung aus Glaubensüberzeugung auf sich zu neh-men. Noch im Reichstagswahlkampf 1933 bezogen die katholi-schen deutschen Bischöfe klar Stellung gegen die NSDAP.

Pater Rupert Mayer mit Gläubigen bei einer Fronleichnamsprozession in München um 1936

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15 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

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Nachdem Hitler in seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 das Christentum als Basis des Staates beschworen hatte, rückten sie jedoch von ihrer klaren Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus ab. Viele Katholiken hofften auf eine Ko-operation zwischen ihrer Kirche und den neuen Machthabern. Nach längeren Verhandlungen schlossen am 20. Juli 1933 das Deutsche Reich und der Vatikan das Reichskonkordat, einen Staatskirchenvertrag, der die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche regelte. Trotz warnender Stimmen von Vertretern des politischen Ka-tholizismus und von einzelnen Bischöfen sahen viele Katholi-ken darin eine Garantie für die Unantastbarkeit ihrer Kirche und die Freiheit des Bekenntnisses.

Bereits im Herbst 1933 war jedoch klar, dass die National-sozialisten sich nicht an das Abkommen hielten. Die Wir-kungsmöglichkeiten der katholischen Organisationen, vor allem der Jugend- und Arbeitervereine, wurden immer wei-ter eingeschränkt, jede nicht rein religiöse Aktivität war ih-nen untersagt. Auch die katholische Presse geriet verstärkt unter Druck. Konfessionelle Schulen, die eigentlich durch das Konkordat abgesichert waren, wurden geschlossen, der Reli-gionsunterricht durch Geistliche wurde eingeschränkt und schließlich verboten.

Einzelne Bischöfe, Geistliche und Gemeindemitglieder pro-testierten offen gegen die Verletzungen des Reichskonkor-dats und stellten sich dem weltanschaulichen Führungs-anspruch der Nationalsozialisten entgegen. Prozessionen, Wallfahrten und gemeinsame Jugendfahrten wurden zu einer Demonstration der Glaubenstreue und stärkten den Zusammenhalt des katholischen Milieus.

Die Verfolgung katholischer Glaubensanhänger, die Dif-famierung von Geistlichen in Devisen- und Sittlichkeitspro-zessen, die Unterdrückung des katholischen Vereinslebens und der Jugendarbeit zeigten, dass die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Regime zu einer Existenz-frage für die katholische Kirche wurde. Auf Bitten der Kardi-näle Karl Joseph Schulte und Michael von Faulhaber sowie der Bischöfe Konrad Graf von Preysing und Clemens August Graf von Galen entschloss sich Papst Pius XI. zu einer öf-fentlichen Reaktion. Es entstand schließlich ein päpstliches Rundschreiben an die Weltkirche, das unter großer Geheim-haltung nach Deutschland gebracht, vervielfältigt und an die einzelnen Pfarrgemeinden verteilt wurde.

Am 21. März 1937 wurde die Enzyklika „Mit brennender Sor-ge“ in allen katholischen Gemeinden verlesen. Sie klagte die Rechtsbrüche des NS-Regimes an und wandte sich entschie-den gegen dessen weltanschauliche Positionen. Sie verwies zudem auf die Grundlagen des katholischen Glaubens und die Aufgabe der Kirche. Zwei Tage nach der Veröffentlichung der Enzyklika untersagte die NS-Regierung die weitere Ver-breitung. Es kam zu Hausdurchsuchungen und Festnahmen sowie zur Enteignung beteiligter Druckereien.

Einzelne katholische Gläubige wurden im Laufe der Jahre zu grundsätzlichen Gegnern des Nationalsozialismus und fanden den Weg in den politischen Widerstand. Vereinzelt ließen sich Bischöfe über die Pläne oppositioneller Kreise in-formieren und hielten während des Krieges Verbindung zu politischen Widerstandsgruppen. Auf der einen Seite gab es einzelne Gläubige, die Verfolgten halfen, stellvertretend für andere ihr Leben riskierten und schließlich auch den Weg in den engsten Kreis der Verschwörung fanden – wie beispiels-weise der Jesuitenpater Alfred Delp. Auf der anderen Seite stand das nicht selten als Ausdruck des Kleinmutes oder

sogar der Anpassungsbereitschaft gedeutete Verhalten ein-zelner Bischöfe, die den nationalsozialistischen Übergriffen nicht energisch und offen entgegentraten.

Zu den entschiedenen Wortführern eines katholischen Wi-derstands, der sich auch der Opfer des Staates annahm, ge-hörten der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, aber auch Katholikinnen wie Margarete Sommer, die verfolgten Juden beistanden. Sie waren im Berliner Bistum aktiv, wo Bischof Konrad Graf von Preysing immer wieder versuchte, dem Anspruch des NS-Regimes entgegenzutreten.

Besondere Aufmerksamkeit erregte allerdings in Münster Bischof Clemens August Graf von Galen, als er die Ermor-dung von Menschen mit geistiger Behinderung anprangerte. Seine Predigten wurden abgeschrieben und von einzelnen Gläubigen, aber auch von Regimegegnern verteilt, die nicht im Katholizismus wurzelten.

Neben den Anhängern und Vertretern der großen Kirchen widersetzten sich Mitglieder kleiner religiöser Gemeinschaf-ten, wie etwa der Zeugen Jehovas, dem NS-Staat. Sie zahlten für ihre geistliche und geistige Selbstbehauptung, aber auch für ihre Bereitschaft, anderen zu helfen, einen hohen Preis.

Zeugnisse christlichen Widerstands

Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und tota-le Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen.

Theologische Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen, 31. Mai 1934

Das evangelische Gewissen, das sich für Volk und Regierung mitverantwortlich weiß, wird aufs härteste belastet durch die Tatsache, daß es in Deutschland, das sich selbst als Rechtsstaat bezeichnet, immer noch Konzentrationslager gibt und daß die Maßnahmen der Geheimen Staatspolizei jeder richterlichen Nachprüfung entzogen sind.

Vorläufige Leitung und Rat der Deutschen Evangelischen Kirche, Denkschrift an Hitler, 28. Mai 1936

Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobach-ten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treu-bleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Lan-des und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht hat.

Papst Pius XI., Enzyklika „Über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich“, 14. März 1937

Es ist nun eine erschreckende Tatsache, daß die gegenwärti-gen Machthaber in Deutschland alle aufrichtigen Bibelchris-ten, die offen ihren Glauben an Jehova Gott bekennen und ihm dienen, schmähen, verleumden und mit grausamen Mit-teln verfolgen.

Offener Brief der Zeugen Jehovas, Juni 1937

16 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

bernhard lichtenberg

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Der 1875 geborene und 1899 zum Priester geweihte Bernhard Lichtenberg wirkte zuletzt als Domprobst an der Bischofskir-

che St. Hedwig in Berlin. In der Weimarer Republik war er Bezirksverordneter für die katholische Zentrumspartei in Ber-lin-Charlottenburg und gehörte dem Frie-densbund Deutscher Katholiken sowie der Arbeitsgemeinschaft der Konfessionen für den Frieden an.

1933 durchsuchten die Nationalsozia-listen erstmals seine Wohnung. Als kon-sequenter Gegner des NS-Regimes wurde Lichtenberg seit 1935 zu einem Vertrauten des neuen Berliner Bischofs Konrad Graf von Preysing.

Entschieden setzte er sich für die vom NS-Regime Verfolgten ein und beschwerte sich 1935 massiv beim preußischen Minis-terpräsidenten Hermann Göring über die Zustände im KZ Esterwegen im Emsland. Seit dem Novemberpogrom 1938 betete

er bis zu seiner Festnahme öffentlich für verfolgte Juden und war als Leiter des Hilfswerks beim Bischöflichen Ordinariat Berlin für zahlreiche Hilfsmaßnahmen verantwortlich. 1941 protestierte er in ei-nem Brief an den Reichsärzteführer Leo-nardo Conti gegen die Krankenmorde.

Die Gestapo, die Lichtenberg überwach-te, nahm ihn nach einer Denunziation am 23. Oktober 1941 fest. Am 22. Mai 1942 wurde er vom Sondergericht I beim Land-gericht Berlin zu einer zweijährigen Haft-strafe verurteilt, die er im Gefängnis Ber-lin-Tegel und im Arbeitserziehungslager Wuhlheide verbüßte.

Nach dem Ende der Haft wurde er in das KZ Dachau überstellt. Auf dem Transport dorthin starb der schwerkranke Priester am 5. November 1943 in Hof an der Saale.

rupert mayer

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Der 1876 geborene Rupert Mayer studier-te Philosophie und Theologie in Fribourg (Schweiz), München, Tübingen und am

Priesterseminar Rottenburg, wo er 1899 zum Priester geweiht wurde.

Nach seiner Aufnahme in den Jesui-tenorden verbrachte er einige Jahre als Missionar in den Niederlanden, Deutsch-land, Österreich und in der Schweiz. 1912 kam er als Seelsorger nach München.

Im Ersten Weltkrieg, an dem er als Feld- und Divisionsgeistlicher teilnahm, erlitt er eine schwere Verwundung, die zur Am-putation eines Beines führte.

Bereits in den frühen 1920er-Jahren setz-te sich Mayer in München mit dem Natio-nalsozialismus auseinander. Die Münche-ner Gläubigen schätzten ihn vor allem als Helfer und Seelsorger im sozialen Elend der Großstadt.

Die Gestapo verhängte 1937 ein Predigt-verbot für Mayer, das dieser jedoch nicht

befolgte. Er wurde mehrmals wegen re-gimekritischer Predigten festgenommen, verurteilt und im Dezember 1939 in das KZ Sachsenhausen verschleppt.

Nach seiner Entlassung im April 1940 stand er unter Hausarrest und durfte das Kloster Ettal bei Garmisch nicht mehr ver-lassen. Pater Rupert Mayer kehrte erst im Mai 1945 nach München zurück. Wenige Monate später starb er an den Folgen sei-ner Haft.

Papst Johannes Paul II. sprach Rupert Mayer am 3. Mai 1987 in München selig.

friedrich weißler

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Friedrich Weißler kam als Sohn des Juris-ten Adolf Weißler 1891 in Oberschlesien zur Welt. Seine Eltern, die sich vom Juden-

tum gelöst hatten, ließen ihn und seine zwei Brüder evangelisch taufen.

Friedrich Weißler studierte Jura und promovierte 1914. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg setzte er seine juristische Ausbildung fort und wurde 1922 Hilfsrich-ter in Halle. Im selben Jahr heiratete er Hanna Schäfer. 1932 wurde Weißler Land-gerichtsdirektor in Magdeburg.

Am 21. Juli 1933 wurde er nach vorherge-henden Schikanen durch die SA aus dem Justizdienst entlassen. Kurz zuvor hatte Weißler gegen einen in SA-Uniform er-schienenen Angeklagten ein Ordnungs-geld verhängt.

Nachdem seine Proteste gegen die Entlassung erfolglos blieben, ging Weiß-ler nach Berlin und wurde im November 1934 juristischer Berater und 1936 Leiter

der Kanzlei der Vorläufigen Kirchenlei-tung der Bekennenden Kirche. Er war 1936 maßgeblich an der Ausarbeitung der re-gimekritischen Denkschrift der Vorläufi-gen Leitung und des Rates der Deutschen Evangelischen Kirche an Hitler beteiligt. Das Papier gelangte an die Auslandspres-se und erregte erhebliches internationales Aufsehen.

Weißler wurde der Weitergabe des Pa-piers bezichtigt. Nachdem sich auch die Kirchenleitung von ihm distanzierte, er-folgte am 3. Oktober 1936 seine Festnahme. Am 13. Februar 1937 wurde Friedrich Weiß-ler in das KZ Sachsenhausen verschleppt, dort schwer misshandelt und am 19. Fe-bruar 1937 ermordet.

17 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

martin niemöller

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1892 in einem westfälischen Pfarrhaus ge-boren, kaisertreu und deutschnational er-zogen, nahm Martin Niemöller als U-Boot-

Kommandant am Ersten Weltkrieg teil. Ab 1919 studierte er Theologie und wurde 1924 Geschäftsführer der Inneren Mission in Westfalen. Seit 1931 war er Gemeindep-farrer in Berlin-Dahlem.

Niemöller tolerierte und unterstützte zunächst die NSDAP, geriet jedoch bald in Konflikt mit dem neuen Regime. Er wehrte sich gegen die Einflussnahme der Deutschen Christen auf die evangelischen Kirchen und rief, als der „Arierparagraph“ auch in der Kirche eingeführt wurde, mit anderen Pfarrern den Pfarrernotbund ins Leben. Wiederholt setzte er sich in seinen Predigten für die Unabhängigkeit der Kir-che von Staat und NSDAP ein.

Im März 1934 verhängte das NS-Regime ein zeitweiliges Redeverbot gegen Nie-möller. Ein Jahr später wurde er zusam-

men mit mehreren hundert Pfarrern fest-genommen, die sich gegen Angriffe des NS-Ideologen Alfred Rosenberg wandten.

Von der Gestapo ständig überwacht und am 1. Juli 1937 erneut festgenommen, ver-urteilte ihn ein Berliner Gericht am 7. Fe-bruar 1938 zu neun Monaten Festungshaft.

Am darauffolgenden Tag wurde Nie-möller jedoch als „persönlicher Gefange-ner“ Adolf Hitlers auf dessen Befehl in das KZ Sachsenhausen eingeliefert und von den anderen Häftlingen isoliert.

Am 11. Juli 1941 wurde er in das KZ Dachau verlegt und im April 1945 mit wei-teren Häftlingen nach Südtirol verschleppt. Alliierte Soldaten konnten ihn und seine Mithäftlinge Anfang Mai 1945 befreien.

dietrich bonhoeffer

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Der 1906 als Sohn des bekannten Psychi-aters und Neurologen Karl Bonhoeffer ge-borene Dietrich Bonhoeffer wurde nach

Theologiestudium und Habilitation Stu-dentenpfarrer in Berlin.

Bereits 1933 galt er als entschiedener Gegner der Nationalsozialisten und be-gründete in seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ die Pflicht der Chris-ten zum Widerstand gegen staatliche Un-rechtshandlungen.

Von 1935 bis 1937 leitete er das Predi-gerseminar der Bekennenden Kirche, das zunächst in Zingst, später in Finkenwal-de bei Stettin angesiedelt war. Die von Bonhoeffer geleiteten Kurse prägten alle Teilnehmer entscheidend in ihrer theolo-gischen Entwicklung.

1937 untersagte Reichskirchenminister Hanns Kerrl die Fortsetzung dieser Se-minare. In „Sammelvikariaten“ wurden Theologen der Bekennenden Kirche je-

doch bis 1940 weiter auf ihren Dienst vorbereitet.

1938 war Bonhoeffer in die Staatsstreich-planungen seines Schwagers Hans von Dohnanyi eingeweiht. 1940 von Dohnanyi und Oster ins Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht einge-zogen, reiste er mehrmals ins Ausland, um Verbindungen zu alliierten Regierungen zu knüpfen.

Anfang April 1943 wurde Bonhoeffer festgenommen. Ohne Gerichtsverfahren blieb er zwei Jahre im Gefängnis Tegel in Haft. Hier entstanden seine bedeutends-ten theologischen Werke. Im Februar 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer in das KZ Flos-senbürg gebracht und hier am 9. April 1945 nach einem SS-Standgerichtsverfah-ren ermordet.

elfriede löhr

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Elfriede Löhr kam 1910 in München als Tochter eines Zahnarztes zur Welt. Bereits im Alter von 16 Jahren schloss sie sich

den Bibelforschern an und gehörte nach 1933 zu den aktivsten Zeuginnen Jehovas in Bayern.

Nach dem reichsweiten Verbot der Glau-bensgemeinschaft 1935 beteiligte sie sich an der Herstellung und Verbreitung von illegalen Schriften und leitete heimliche Treffen. Als die Zeugen Jehovas im De-zember 1936 in einer deutschlandweiten Protestaktion die „Luzerner Resolution“ verbreiteten, in der sie gegen die Verfol-gung und die Misshandlungen ihrer Mit-glieder protestierten, wirkte Löhr aktiv daran mit.

Nach Verhaftungswellen im Herbst 1936 und im Frühjahr 1937 gegen die Glau-bensgemeinschaft rückten zunehmend Frauen in führende Positionen auf. Ab Frühjahr 1937 war Elfriede Löhr in Bayern

als Leiterin (Bezirksdienerin) der illegalen Organisation der Zeugen Jehovas tätig. Als Kurierin transportierte sie im Ausland hergestellte Schriften und Ausgaben der religiösen Zeitschrift „Der Wachtturm“ zu den verschiedenen Gruppen in ganz Deutschland. Die zweite groß angelegte Flugblattaktion im Juni 1937, die Vertei-lung des „Offenen Briefes“, bereitete Löhr maßgeblich mit vor.

Elfriede Löhr wurde am 21. August 1937 in Berlin festgenommen und blieb ohne Urteil in Haft. Im Januar 1939 wurde sie ins KZ Lichtenburg verschleppt und im Mai 1939 in das neu errichtete Frauen-KZ Ravensbrück überstellt, wo sie bis Kriegs-ende in Haft blieb.

18 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand und ExilAb 1933 flohen über eine halbe Million Deutsche vor den Natio-nalsozialisten ins Ausland. Für sie bedeutete die Emigration eine schmerzhafte und oftmals endgültige Trennung von dem Land, in dem sie aufgewachsen waren. Unter ihnen befanden sich etwa 350 000 deutsche Juden, deren Hoffnungen sich vielfach auf einen eigenen Staat in Palästina richteten.

Eine Rückkehr nach Deutschland wünschten sich dagegen viele der Flüchtlinge, die aus politischen oder weltanschauli-chen Gründen auswanderten. Solange ihr Land vom NS-Ter-rorregime beherrscht wurde, wollten sie im Ausland das „an-dere, bessere Deutschland“ verkörpern.

Die Emigranten kamen aus unterschiedlichen politischen, kulturellen und kirchlichen Gruppierungen. Neben Kommu-nisten, Sozialisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern fanden sich parteipolitisch unabhängige Pazifisten ebenso wie konservative Regimegegner und Mitglieder der ehemali-gen Zentrumspartei.

Immer wieder versuchten die Regierungen des Auslands, den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen. Sie verlangten manchmal den Nachweis gesicherter Vermögensverhältnisse, untersagten die Erwerbstätigkeit oder verboten jede politi-sche Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur. Den deutschen Emigranten schlug in ihren Gastländern oftmals Ablehnung entgegen. Viele von ihnen wurden ausgewiesen oder unter ein verschärftes Fremdenrecht gestellt.

Fehlende Sprachkenntnisse und fremde Lebensbedingun-gen, Rechtlosigkeit, da sie ihrer deutschen Staatsbürgerschaft und damit ihrer Freizügigkeit beraubt waren, wirtschaftliche Not und die immer schwächer werdende Hoffnung auf Heim-kehr bedrängten fast alle Flüchtlinge. Sie fühlten sich als Au-ßenseiter und suchten die Verbindung zu Landsleuten.

Hilde Löbner und Kurt Liebermann nach der Flucht in der Grenzstadt Biela in der Tschechoslowakei, vermutlich im Sommer 1933

Die beiden teilen ihre Zweizimmerwohnung mit dem ebenfalls aus Deutschland geflüchteten Walter Pöppel und dessen Frau Jenny. Die Wohnung dient als Um-schlagplatz für Flugschriften der Sozialistischen Arbeiterpartei und als Anlauf- und Sammelstelle für Informationen aus dem Reich.

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Zunehmend überwanden die Emigranten, die häufig ganz unterschiedliche politische Ziele verfolgten und noch lange durch die Auseinandersetzungen der Weimarer Zeit geprägt blieben, ihre Gegensätze. Sie einte nun vor allem der Wille, den Nationalsozialismus von außen zu bekämpfen.

Mittelpunkte des deutschen politischen Exils aus der Arbei-terbewegung bildeten sich zunächst in Prag und Paris, danach in London, Stockholm und Moskau. Von Prag aus setzte der Exil-Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

(SOPADE) den Kampf gegen Hitler fort. Paris wurde der geisti-ge Mittelpunkt der aus Deutschland emigrierten Intellektuel-len. Sie bemühten sich, eine „Volksfront“ zu bilden, die von An-hängern verschiedener politischer Gruppen und Richtungen verstärkt wurde. Kommunisten, Sozialdemokraten und Sozia-listen wollten vom Exil aus ihre Gruppen im Reich unterstüt-zen. Sie veröffentlichten Nachrichtenblätter, Zeitschriften und Aufrufe, um über die Verhältnisse in Deutschland zu informie-ren oder die deutschen Widerstandsgruppen mit Nachrichten zu versorgen. Unter den Bedingungen des von Hitler 1939 ent-fesselten Weltkrieges und nach der Besetzung Frankreichs war dies aber fast nicht mehr möglich.

Im Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 – April 1939) ergriffen die ins Ausland geflüchteten NS-Gegner die Partei der spani-schen Republik gegen die nationalistischen Putschisten unter General Franco, die von Deutschland militärisch unterstützt wurden. Ausschlaggebend dafür war die Hoffnung, später auch den Nationalsozialismus in Deutschland überwinden zu können. Von den rund 5000 deutschen Freiwilligen auf Seiten der spanischen Republik fielen mehr als 1000.

Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938, die Besetzung des Sudetenlandes im Herbst 1938 und schließlich der Einmarsch deutscher Truppen in Prag im März 1939 bedrohten die dort lebenden Emigranten. Sie mussten erneut vor den Nationalsozialisten fliehen. Als Frankreich im Sommer 1940 unerwartet rasch von deutschen Truppen besiegt und besetzt wurde, begann auch für die Flüchtlinge dort ein Wettlauf mit den vorrückenden deutschen Soldaten. Einige konnten nach Großbritannien oder in die Vereinigten Staaten entkommen, andere suchten Sicherheit in Lateiname-rika oder im Fernen Osten. Die meisten der zurückbleibenden Emigranten wurden von den Franzosen, ungeachtet ihrer Geg-nerschaft zum NS-Regime, als Angehörige eines feindlichen Staates in Lagern interniert. Einzelne Flüchtlinge wurden nach der Kapitulation Frankreichs sogar an die Nationalsozialisten ausgeliefert. Sie kamen später fast ausnahmslos in Gefängnis-sen oder Konzentrationslagern ums Leben.

Einige Gruppen und einzelne Emigranten, denen die Flucht in sichere Länder gelungen war, konnten dort in einigen Fäl-len die deutschlandpolitischen Vorstellungen der Alliierten beeinflussen und auf diese Weise das NS-Regime von außen bekämpfen.

Emigrantengruppe beim Sprachunterricht in Kopenhagen 1939

Viele Emigranten leiden in ihren Aufnahmeländern unter den ungewohnten Le-bensverhältnissen und fehlenden Sprachkenntnissen. Als ihnen bewusst wird, dass Hitlers Herrschaft von Dauer sein wird, versuchen sie, sich verstärkt auf die neuen Lebensumstände in der Fremde einzustellen. Um ihre Verwandten und Freunde in Deutschland zu schützen, verbergen die Emigranten auf diesem Bild ihre Gesichter.

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19 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

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Der 1872 geborene Philosoph Theodor Lessing war vor dem Ersten Weltkrieg Lehrer an verschiedenen Reformschulen. Trotz seiner Qualifikation blieb ihm als Jude und Sozialdemokrat eine akademi-sche Karriere zunächst versagt. Erst 1907 wurde er an der Technischen Hochschu-le (TH) Hannover habilitiert, war dort Privatdozent und ab 1922 außerordent-licher Professor für Philosophie. Dane-ben erlangte er Bekanntheit durch seine journalistische Arbeit für verschiedene Tageszeitungen.

Sein kritisches Porträt des neuen Reichs-präsidenten Hindenburg diente völki-schen Studenten in Hannover 1925 als Vorwand für eine antisemitische Kam-pagne gegen ihn. Es kam zu Vorlesungs-blockaden, Morddrohungen und Über-griffen. Die TH Hannover konnte ihm die allgemeine Lehrberechtigung zuerst nicht entziehen, wandelte jedoch seinen Lehr-auftrag in einen Forschungsauftrag um.

Anfang März 1933 floh Lessing in die Tschechoslowakei. Im Sommer nahm er am Prager Zionistenkongress teil, einer internationalen Konferenz, die die Grün-dung eines eigenen Staates der Juden zum Ziel hatte. Theodor Lessing plante, zusammen mit seiner Frau im tschechos-lowakischen Marienbad ein Landerzie-hungsheim zu eröffnen. Die NS-Presse streute zur selben Zeit Gerüchte über ein hohes Kopfgeld, das auf ihn ausge-setzt sei.

Am 31. August 1933 erlag Theodor Les-sing den Schussverletzungen, die ihm zwei Nationalsozialisten am Tag zuvor in seiner Marienbader Wohnung zugefügt hatten. Dieser erste politische Mord an einem deutschen Regimegegner im Aus-land sorgte weltweit für Empörung.

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1889 in eine bürgerliche Familie geboren, studierte Ernst Reuter Geschichte, Ger-manistik und Geografie in Marburg und München. 1912 trat Reuter in die SPD ein, arbeitete als Hauslehrer und anschlie-ßend als professioneller Redner für die SPD. Im Ersten Weltkrieg geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und en-gagierte sich für die Bolschewiki, die in der Oktoberrevolution 1917 die Macht in Russland übernahmen.

1918 kehrte er nach Berlin zurück und arbeitete zunächst für die KPD, ab 1922

wieder für die SPD. 1931 zum Oberbürger-meister von Magdeburg gewählt, wurde er nach Übergriffen der SA am 13. März 1933 abgesetzt. Wenige Tage später, am 23. März 1933, stimmte er als Reichstags-abgeordneter mit der SPD-Fraktion ge-gen das „Ermächtigungsgesetz“. Als be-kannter sozialdemokratischer Politiker wurde er in den Jahren 1933/34 mehr-fach festgenommen, misshandelt und inhaftiert.

1935 floh Ernst Reuter nach Großbri-tannien und bald darauf in die Türkei. Er arbeitete im Wirtschafts- und im Ver-kehrsministerium in Ankara und war maßgeblich am Aufbau der türkischen Verwaltung beteiligt. Später unterrich-tete Reuter auch als Hochschullehrer. Er hatte Kontakte zu deutschen Emigran-ten in der Türkei sowie in anderen Ländern und gehörte 1943 zu den Mitbe-gründern des Deutschen Freiheitsbun-des in Istanbul.

Ernst Reuter kehrte 1946 nach Berlin zurück, wo er zwischen 1948 und seinem Tod 1953 als Regierender Bürgermeister von Berlin eine Symbolfigur für den Frei-heitswillen der Berliner im Westteil der Stadt war.

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ie 1912 geborene Kinderpflegerin Irma Götze war Mitglied der anarcho-syn-dikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) und aktiv in der Leipziger Meute, einer Gruppe vor allem jugendlicher Oppositioneller. Im Unter-grund agierte sie als Kurierin und Grenz-gängerin in die Tschechoslowakei. Sie wirkte auch an der Herstellung illegaler Schriften mit.

1935 floh Irma Götze nach Spanien und nahm 1936 auf Seiten der Republikaner am Spanischen Bürgerkrieg in Katalonien teil. Besonders engagierte sie sich in der politischen Arbeit der deutschen Anar-cho-Syndikalisten in Barcelona und bei der Versorgung der Milizionäre.

Innerhalb der sehr heterogen zusam-mengesetzten Front der Republikaner versuchten sich die Moskautreuen Kom-munisten – teilweise gewaltsam – gegen Anarcho-Syndikalisten und Trotzkisten durchzusetzen. Diesen Querelen fiel auch Irma Götze zum Opfer. Im Mai 1937 wurde sie von der sowjetischen Geheimpolizei GPU festgenommen, in das berüchtigte Geheimgefängnis Puerta del Angel ver-schleppt und später in ein Frauengefäng-nis überführt.

Nach ihrer Freilassung ging Irma Götze 1939 nach Frankreich. Dort wurde sie 1940 und 1941 in den Lagern Gurs, Argelès-sur-Mer und Rivesaltes als „feindliche Auslän-derin“ interniert und geriet schließlich in die Hände der Gestapo. Das Oberlandes-gericht Dresden verurteilte sie 1942 wegen der illegalen Arbeit für die FAUD zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Nach deren Verbüßung im Zuchthaus Waldheim wurde sie in das KZ Ravensbrück verschleppt. Dort traf Irma Götze nach neun Jahren ihre Mutter Anna wieder, die bereits acht Jahre inhaf-tiert gewesen war. Beide überlebten das Kriegsende.

20 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Formierung der militärisch-zivilen OppositionBis heute ist die Frage ungeklärt, welche politischen Traditi-onen das Scheitern der Weimarer Republik und den Erfolg des Nationalsozialismus begünstigt haben. Die Bereitschaft, die Weimarer Verfassungsordnung als Grundlage deutscher Politik zu akzeptieren und zu verteidigen, war vor 1933 nur schwach ausgeprägt: „Herzensrepublikaner“ waren selten, und die „Vernunftrepublikaner“ waren kaum bereit, sich mit ihrer ganzen Kraft für einen Staat einzusetzen, in dem sie nach dem Untergang der Monarchie nur das kleinere Übel sahen.

Vor allem liberale und konservative Kreise neigten dazu, zu-nächst einmal die unmittelbaren politischen Folgen und nicht zuletzt auch die ersten Ergebnisse der Regierungsübertragung an Hitler abzuwarten. Sie gingen zudem davon aus, dass die-ser entweder scheitern oder auf die Unterstützung der rechten

politischen Mitte angewiesen sein werde. Letzterer schrieben sie die Kraft zu, die nationalsozialistische Bewegung einzurah-men, gar zu zähmen, und Hitler so an die Wand zu drücken,

„dass er quietscht“, wie Hitlers Vizekanzler Franz von Papen selbstbewusst verkündet haben soll.

Doch im Sog einer von Hitler und seinem Propagandami-nister Joseph Goebbels inszenierten Begeisterungsstimmung verfestigte sich bei Vielen der Eindruck, sich im Rahmen der

„nationalen Konzentration“ der Kräfte einer „nationalen Er-neuerung Deutschlands“ nicht entziehen zu können. Sie sa-hen sich veranlasst, ihre distanzierte Haltung aufzugeben oder zumindest zu unterdrücken und die innen- und außen-politischen Forderungen Hitlers breit, nicht selten auch de-monstrativ, zu unterstützen. Teilweise hatten sie bereits in Distanz zum Weimarer Staat gestanden und stimmten parti-ell – allerdings oftmals auch vergleichsweise weitgehend – mit den Zielen nationalsozialistischer Außen- und Gesellschafts-politik überein.

Wenn nach einer belastenden Phase der Anpassung an den herrschenden Zeitgeist die kritische Distanz gegenüber dem NS-Staat überwog oder wieder auflebte, gab es auch für ehemals einflussreiche Vertreter liberaler und konservativer Parteien keine Möglichkeit, aktiv einen Umsturz aus dem unmittelbaren Zentrum der Macht herbeizuführen. Denn im nationalsozialistischen Führerstaat, der die Einheit von Partei und Staat verkörpern sollte, waren einflussreiche Ämter – bis auf ganz wenige Ausnahmen, die vor allem Deutschnationale betrafen – den Mitgliedern der NSDAP vorbehalten.

Auch im Falle der Regimegegner aus liberalen und konser-vativen Kreisen verliefen die Auseinandersetzungen mit den Strukturen des NS-Staates und seiner Politik nicht als konti-nuierlicher Prozess. Vielmehr waren sie eine Abfolge ständig neuer Versuche, mit Gleichgesinnten eine gemeinsame politi-sche Basis zu finden, konspirative Netze zu bilden, Phasen der Entmutigung zu überwinden oder durch Versetzung, Umzug, Einschüchterungen und Verhaftungen zerstörte Kontakte neu aufzubauen bzw. den jeweils geänderten Bedingungen anzu-passen.

Viele Angehörige des Potsdamer Infanterie-Regiments 9, hier im Juni 1933, schlie-ßen sich später der militärischen Opposition an. Zu ihnen gehören der Regiments-adjutant Henning von Tresckow (zu Pferde, r.), Hasso von Boehmer, Axel Freiherr von dem Bussche, Hans Karl Fritzsche, Ludwig von Hammerstein, Ewald Heinrich von Kleist, Friedrich Karl Klausing, Georg Sigismund von Oppen, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und Achim Freiherr von Willisen.

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Generalmajor Erwin von Witzleben (M.) und Oberst Paul von Hase (l.), hier 1935 in Landsberg an der Warthe, gehören zu den treibenden Kräften der Umsturzpla-nungen im Herbst 1938. Im März 1942 scheidet Erwin von Witzleben, nun General-feldmarschall, aus gesundheitlichen Gründen aus dem Dienst aus. Er hält jedoch weiterhin engen Kontakt zu den Verschwörern und ist bereit, bei einem Umsturz den Oberbefehl über die Wehrmacht zu übernehmen. Paul von Hase wird 1940 Stadtkommandant von Berlin und kann den Kontakt zu Ludwig Beck und den Kreisen der Militäropposition um Friedrich Olbricht festigen.

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Position des Militärs Hitler konnte nach seiner Ernennung zum Reichskanzler die Reichswehrführung mit den Versprechen für sich gewinnen, Deutschland wieder zu größerer militärischer Geltung zu ver-helfen, die Reichswehr aufzurüsten und die allgemeine Wehr-pflicht einzuführen. Viele hohe Militärs teilten Hitlers Ziele, die er ihnen bereits am 3. Februar 1933 im Berliner Bendler-block eröffnet hatte. Dazu gehörten die „Ausrottung des Mar-xismus mit Stumpf und Stiel“, die „straffste autoritäre Staats-führung“ sowie die „Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung“.

Andere ließen sich durch Hitlers außenpolitische Erfolge ebenso beeindrucken wie die meisten Deutschen. Auch die Ausschaltung der als Konkurrenz wahrgenommenen „Sturm-abteilung“ (SA) der NSDAP im Zuge einer Mordaktion Ende Juni 1934 („Röhm-Putsch“) wurde von großen Teilen der mili-tärischen Führung begrüßt. Dass im Zuge dieser Säuberungs-welle auch der General und ehemalige Reichskanzler Kurt von Schleicher, sein enger Mitarbeiter Generalmajor Ferdinand von Bredow, der katholische Regimekritiker Erich Klausener sowie der konservative Berater Franz von Papens, Edgar Juli-us Jung, ermordet wurden, öffnete erstmals einigen Offizieren die Augen. Ihnen wurde bewusst, dass sie einem Unrechts-regime dienten.

21 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

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Umsturzplanungen 1938Am 5. November 1937 stellte Hitler dem Reichsaußenminister, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht und den Oberbefehls-habern von Heer, Kriegsmarine und Luftwaffe seine Kriegsplä-ne vor. Sie mussten zur Kenntnis nehmen, dass er zielstrebig einen Krieg vorbereitete, der die Vorherrschaft Deutschlands in Europa sichern und „Lebensraum im Osten“ schaffen sollte. Viele der Offiziere, die von diesen Plänen erfuhren, befürch-teten eine militärische Niederlage und damit eine nationale Katastrophe. Aus ersten Vorbehalten erwuchs bei regimekri-tischen Militärs der Wunsch, sich den Kriegsplänen zu wider-setzen. So versuchte der Generalstabschef des Heeres, Ludwig Beck, zunächst mit Denkschriften auf die Politik Hitlers einzu-wirken. Doch dieser hielt an seinem Vorhaben fest.

Anfang des Jahres 1938 nutzte Hitler Intrigen zur Entlassung des Reichskriegsministers und Oberbefehlshabers der Wehr-macht, Werner von Blomberg, und des Oberbefehlshabers des Heeres, Werner Freiherr von Fritsch, und übernahm nun selbst den Oberbefehl über die Wehrmacht, um seine Pläne durch-zusetzen. Die politische Entmachtung der Heeresspitze bestä-tigte einige jüngere Offiziere und Beamte in ihrer Ablehnung des Regimes.

Hans Oster (M.) und Friedrich Wilhelm Heinz (r.) um 1937

Oster beauftragt Heinz im September 1938, einen Stoßtrupp zu bilden, um Hitler festzunehmen.

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Nachdem er die Generalität vergeblich zum kollektiven Rücktritt aufgerufen hatte, um so den drohenden Krieg in Europa zu verhindern, trat Ludwig Beck im August 1938 von allen Ämtern zurück. Als zentrale Gestalt der Militäropposi-tion forderte er in ständiger Abstimmung mit Carl Friedrich Goerdeler, dem führenden Kopf der zivilen Widerstandskrei-se, ein gemeinsames Handeln von Zivilisten und Offizieren. Um die beiden entstand ein Kreis militärischer und ziviler Re-gimegegner. Sie nutzten ihre Verbindungen zu aktiven Militärs, Diplomaten und Verwaltungsbeamten, um möglichst nah am Zentrum der Macht – aus dem Militär- und Staatsapparat he-raus – einen Umsturz zu wagen. So versuchten Diplomaten um Ulrich von Hassell und Theodor Kordt noch im Sommer 1938 in London eine entschiedene Stellungnahme der britischen Re-gierung zu erwirken, um auf diese Weise Hitlers Eroberungs-pläne gegenüber der Tschechoslowakei zu durchkreuzen.

Parallel zur Beck/Goerdeler-Gruppe bildete sich im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht um den damaligen Oberstleutnant Hans Oster ein Kreis von Op-positionellen, der mit zivilen Regimegegnern wie Hans von Dohnanyi und Hans Bernd Gisevius zusammenarbeitete. Im Sommer 1938 wurde er zur „operativen Zentrale“ aller Staats-streichplanungen. Einige Truppenkommandeure konnten für den Umsturz gewonnen werden. Dazu gehörten der Be-fehlshaber des Wehrkreises III (Berlin), Erwin von Witzleben, der Kommandeur der 23. Infanteriedivision in Potsdam, Wal-ter Graf von Brockdorff-Ahlefeldt, und Paul von Hase, Kom-mandeur des 50. Infanterieregiments in Landsberg an der Warthe.

Ulrich von Hassell als Botschafter in Rom 1935

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Während des Umsturzes sollte Hitler von einem Stoß-trupp festgenommen und später abgeurteilt werden, da die Verbrechen des Regimes immer offenkundiger geworden waren. Den Auftrag zur Festsetzung Hitlers erhielt Major Friedrich Wilhelm Heinz, ein ehemaliger Freikorpskämpfer und Stahlhelmführer, der seit 1936 in der Abwehr tätig war. Er zog frühere Stahlhelmangehörige, Jungkonservative und Nationalrevolutionäre hinzu, die Hitlers Ausschaltung radi-kaler vorantreiben wollten. Während Ludwig Beck Hitler vor Gericht stellen und Hans von Dohnanyi ihn für geisteskrank erklären wollte, plante Heinz, den Diktator beim Eindrin-

gen in die Reichskanzlei im Zuge eines provozierten Schuss-wechsels zu töten. Hans Oster billigte dieses offensichtlich nicht mit den Generalen Franz Halder und Erwin von Witz-leben abgesprochene Vorgehen, sodass heute auch von einer

„Verschwörung in der Verschwörung“ gesprochen wird.Die Verschwörer wollten handeln, wenn ein Krieg un-

mittelbar bevorstand und Hitler die Mobilmachung gegen die Tschechoslowakei befehlen würde. Dieser verlangte im September 1938 immer drängender den Anschluss des Su-detenlandes an das Deutsche Reich. Die Krise um diesen hauptsächlich von Deutschen bewohnten Teil der Tschecho-

22 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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slowakei spitzte sich stetig zu. In der letzten Septemberwo-che hielten sich die Verschwörer in der Erwartung des An-griffsbefehls bereit. Doch der italienische Diktator Benito Mussolini machte ein neues Vermittlungsangebot. Auf der Münchener Konferenz am 29. September 1938, zu der die Vertreter der tschechoslowakischen Regierung nicht einge-laden waren, stimmten Frankreich und Großbritannien den deutschen Gebietsforderungen zu. Ostmitteleuropa wurde

den Nationalsozialisten mit Zustimmung anderer europäi-scher Mächte preisgegeben, der Krieg war noch einmal ver-mieden worden. Nach dem Münchener Abkommen befand sich Hitler auf einem neuen Höhepunkt seiner Macht und Popularität. Die meisten Deutschen wie auch viele Offiziere stimmten seiner Politik zu. Die Verschwörer hielten jetzt ei-nen erfolgreichen Staatsstreich nicht mehr für möglich und stoppten alle Vorbereitungen.

Sorge vor einem zweiten WeltkriegDer Führer hält anscheinend eine gewaltsame Lösung der su-detendeutschen Frage durch Einmarsch in die Tschechei für unabwendbar; er wird in dieser Auffassung bestärkt durch eine Umgebung verantwortungsloser, radikaler Elemente. Über die Einstellung von Göring ist man geteilter Auffassung. Die einen glauben, dass er den Ernst der Lage erkennt und versucht, auf den Führer beruhigend einzuwirken, die anderen meinen, dass er wie in dem Falle Blomberg und Fritsch ein doppeltes Spiel treibt und umfällt, wenn er vor dem Führer steht.

Alle aufrechten und ernsten deutschen Männer in staatsver-antwortlichen Stellungen müssen sich berufen und verpflich-tet fühlen, alle erdenklichen Mittel und Wege bis zur letzten Konsequenz anzuwenden, um einen Krieg gegen die Tschechei abzuwenden, der in seinen Auswirkungen zu einem Weltkrieg führen muss, der das Finis Germaniae bedeuten würde.

Die höchsten Führer in der Wehrmacht sind hierzu in erster Linie berufen und befähigt, denn die Wehrmacht ist das aus-übende Machtmittel der Staatsführung in der Durchführung eines Krieges.

Es stehen hier letzte Entscheidungen für den Bestand der Nation auf dem Spiel; die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachli-chen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehles verbietet. Finden ihre Ratschläge und Warnungen in solcher Lage kein Gehör, dann haben sie das Recht und die Pflicht vor dem Volk und vor der Geschichte, von ihren Ämtern abzutreten.

Wenn sie alle in einem geschlossenen Willen so handeln, ist die Durchführung einer kriegerischen Handlung unmög-lich. Sie haben damit ihr Vaterland vor dem Schlimmsten, vor dem Untergang bewahrt. Es ist ein Mangel an Größe und an Erkenntnis der Aufgabe, wenn ein Soldat in höchster Stellung in solchen Zeiten seine Pflichten und Aufgaben nur in dem begrenzten Rahmen seiner militärischen Aufträge sieht, ohne sich der höchsten Verantwortung vor dem gesamten Volke be-wusst zu werden.

Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Hand-lungen!

Andere aufrechte Männer in staatsverantwortlichen Stellun-gen außerhalb der Wehrmacht werden sich auf ihrem Wege anschließen. Wenn man die Augen und Ohren offen hält, wenn man sich durch falsche Zahlen nicht selbst betrügt, wenn man nicht in dem Rausch einer Ideologie lebt, dann kann man nur zu der Erkenntnis kommen, dass wir zurzeit wehrpolitisch (Füh-rung, Ausbildung und Ausrüstung), wirtschaftspolitisch und stimmungspolitisch für einen Krieg nicht gerüstet sind.

Der Gedanke eines „Blitzkrieges“ (nach 2 Tagen in Prag ?) ist ein unsinniger Traum; man sollte aus der modernen Kriegsge-

schichte gelernt haben, dass überfallartige Überraschungen kaum jemals zu einem dauernden Erfolg geführt haben.

Unsere Vorbereitungen (Westen) sind oder werden so klar erkennbar, dass mit Präventivmaßnahmen der Gegner gerech-net werden muss. Die Kriegspropaganda in der ausländischen Presse hat bereits eingesetzt. […]

Für den Fall, dass es durch Einspruch berufener Männer noch gelingen sollte, einen Krieg zu vermeiden, ist mit erheblichen innerpolitischen Spannungen zu rechnen.

Man wird von radikaler Seite erklären, dass die Durchfüh-rung der Absichten des Führers an der Unfähigkeit der Wehr-macht und ihrer Führer gescheitert ist. Erneute und verstärkte Diffamierungen werden einsetzen. Hier gilt es, ein wachsames Auge und Ohr zu behalten.

Der Führer soll in kleinem Kreise erklärt haben, den Krieg gegen die Tschechei muss ich noch mit den alten Generalen führen, den Krieg gegen England und Frankreich führe ich mit einer neuen Führerschicht.

Man wird sich daher entschließen müssen, in unmittelbarer oder nachfolgender Verbindung mit einem Einspruch nunmehr eine klärende Auseinandersetzung zwischen Wehrmacht und SS herbeizuführen.

Auch wäre hierbei eine brutal klare Schilderung der wahren Stimmung im Volke am Platze, die sehr wesentlich durch die aufkommende Bonzokratie im Dritten Reich hervorgerufen ist.

Über den Zeitpunkt dieser Maßnahmen ist zu sagen:Man kann wohl damit rechnen, dass im Laufe der Sommermo-

nate (August) eine vielleicht noch in versöhnendem Tone gehal-tene englische und französische Note eingehen wird, der dann in einem gewissen Abstande eine in Form eines Ultimatums abge-fasste Note folgen wird, die der Staatsführung ein Ausweichen oder Nachgeben nicht mehr möglich macht, wenn nicht ohnehin Präventivmaßnahmen vom Gegner ergriffen werden.

Infolgedessen erscheint der Zeitpunkt: unmittelbar nach Ein-gang der ersten Note – für evtl. Maßnahmen als der günstigste.

Schließlich darf noch eine Überlegung angedeutet werden: ob man sich nicht bewusst auf den Standpunkt stellen sollte, dass die augenblickliche Einstellung des Führers und die von ihm befohlenen Maßnahmen nur als ein beabsichtigter großer Bluff dem Gegner gegenüber anzusehen sind, und sein Verhal-ten darauf einstellt: d.h. dass man nicht glauben kann, dass die befohlenen Maßnahmen wirklich zu einem Krieg führen sollen, sondern sie nur für einen genialen Bluff hält.

Allerdings könnte diese Einstellung ein gefährliches Spiel be-deuten.

Vortragsnotiz von Ludwig Beck vom 16. Juli 1938 mit Überlegungen zum Verhalten der obersten militärischen Führung angesichts der Gefahr eines Krieges mit der Tschechoslo-wakei, Bundesarchiv/Militärarchiv

23 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

hans von dohnanyi

bpk

Zwischen 1929 und 1938 im Reichsjus-tizministerium tätig, sammelte der 1902 geborene Hans von Dohnanyi als persön-licher Referent von Reichsjustizminister Franz Gürtner systematisch Informatio-nen über nationalsozialistische Verbre-chen.

Ab Anfang 1938 hatte er Kontakt zu oppositionellen Militärs und war zusam-men mit Ludwig Beck, Hans Oster und Er-win von Witzleben führend an der Vorbe-reitung eines Staatsstreichversuches im September 1938 beteiligt. Auf Druck der

NSDAP-Parteikanzlei musste Dohnanyi 1938 aus dem Ministerium ausscheiden und wurde an das Reichsgericht versetzt.

Im Herbst 1939 forderte ihn Oster für das Amt Ausland/Abwehr an. Hans von Dohnanyi sollte hier im Geheimen weiter an der Vorbereitung eines Staatsstrei-ches gegen Hitler arbeiten. Er war durch seine Tätigkeit frühzeitig über den Mas-senmord an den europäischen Juden informiert und leitete Berichte seines Schwagers Dietrich Bonhoeffer über die Judendeportationen an hohe Militärs weiter, um diese zum Einschreiten zu be-wegen. Im Frühjahr 1942 beschloss er, we-nigstens einige von der Deportation be-drohte Familien in Sicherheit zu bringen.

Bereits am 5. April 1943 wurde Dohna-nyi wegen eines angeblichen Devisenver-gehens verhaftet. Nach dem 20. Juli 1944 wurde ein Teil der von ihm vor 1938  ge-sammelten Dokumente über  NS-Verbre-chen von der Gestapo entdeckt. Dohnanyi, nach langer Haft in der Berliner Prinz-Al- brecht-Straße schwer krank, wurde wegen seiner Beteiligung an den Umsturz-vorbereitungen nach einem SS-Standge-richtsverfahren im KZ Sachsenhausen am 9. April 1945 ermordet.

ludwig beck

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Im Oktober 1933 wurde der 1880 gebore-ne Berufsoffizier Ludwig Beck Chef des Truppenamtes im Reichswehrministe-rium, ab Juli 1935 Generalstabschef des Heeres. In seiner kompromisslosen Ab-lehnung des Kriegsrisikos war sich Beck mit Carl Friedrich Goerdeler, dem Kopf der zivilen Oppositionskreise gegen Hit-ler, einig.

In der Berliner Mittwochsgesellschaft, in der sich seit ihrer Gründung 1863 auf ihrem jeweiligen Fachgebiet führende Wissenschaftler regelmäßig zur freien

Diskussion trafen, begegnete Beck ande-ren liberalen und konservativen Gegnern Hitlers.

Beck versuchte zunächst, die Möglich-keiten seines Amtes zu nutzen, um auf Hitlers Politik einzuwirken. Mit Vorträ-gen, Aktennotizen und Denkschriften wollte er aber nicht nur Hitler, sondern die Heeresspitze insgesamt beeinflussen. Seine Ziele wuchsen rasch über die rein militärischen Erwägungen hinaus.

Im Sommer 1938 forderte Ludwig Beck vergeblich die Generalität zum geschlos-senen Rücktritt auf, um den drohenden Krieg in Europa zu verhindern. Als er er-kannte, dass er sich weder auf die Genera-lität stützen noch Hitler überzeugen konn-te, reichte Beck am 18. August 1938 seinen Rücktritt ein.

Ludwig Beck wurde zum Mittelpunkt der militärischen Opposition und soll-te nach einem gelungenen Anschlag auf Hitler Staatsoberhaupt werden. Am Abend des 20. Juli 1944 forderte ihn Gene-ral Friedrich Fromm nach dem Scheitern des Umsturzes auf, Selbstmord zu bege-hen. Als dieser Versuch misslang, wurde der schwer verwundete Beck auf Befehl Fromms erschossen.

carl friedrich goerdeler

GDW

Carl Friedrich Goerdeler, 1884 geboren, war seit 1930 Oberbürgermeister von Leipzig und übte in der Endphase der Weimarer Republik gleichzeitig das Amt des Reichs-kommissars für die Preisüberwachung aus. Nach 1933 blieb er zunächst Oberbürger-meister, übernahm 1934/35 erneut die Preisüberwachung und wurde zum schar-fen Kritiker der Aufrüstung.

Goerdeler trat Ende des Jahres 1936 nach heftigen kommunalpolitischen Aus-einandersetzungen mit den Nationalsozi-alisten zurück. Unmittelbarer Anlass war die von den Nationalsozialisten veranlass-te Entfernung eines Denkmals, das an den Komponisten Felix Mendelssohn-Barthol-dy erinnerte.

In den Folgejahren wurde Goerdeler zum Mittelpunkt des zivilen Widerstands gegen Hitler. Als Berater des Bosch-Kon-zerns unternahm er in Deutschland und im Ausland ausgedehnte Reisen. Dabei warb er für eine Politik der internatio-nalen Völkerverständigung, die sich ent-schieden gegen die Nationalsozialisten richtete.

In zahlreichen Denkschriften kritisierte Goerdeler Ende der 1930er-Jahre Hitlers Wirtschafts- und Rüstungspolitik und warnte vor deren Konsequenzen, die in den Krieg münden mussten. Nach einem gelungenen Staatsstreich war Carl Fried-rich Goerdeler für das Amt des Reichs-kanzlers vorgesehen.

Bereits vor dem 20. Juli 1944 hatte er die Aufmerksamkeit der Gestapo erweckt. Nach dem Umsturzversuch konnte Goer-deler zunächst entkommen, wurde kurz darauf denunziert und am 8. September 1944 vom „Volksgerichtshof“ unter Ro-land Freisler zum Tode verurteilt. Auf Befehl Hitlers wurde er erst fünf Monate später nach ausführlichen Vernehmun-gen am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzen-see erhängt.

24 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Georg Elser und das Attentat vom 8. November 1939

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Georg Elser wurde 1903 geboren und wuchs als ältestes von fünf Geschwistern in Königsbronn unter schwierigen Famili-enverhältnissen auf. Der Vater, Ludwig Elser, trank und hatte gesundheitliche Probleme, die Familie verarmte. So musste der junge Georg schon früh Verantwortung für andere über-nehmen.

Georg Elser war ein außerordentlich begabter Schreiner. Zwischen 1925 und 1932 arbeitete er in der Tradition des wan-dernden Gesellen in verschiedenen Orten rund um den Boden-see. Elser galt als ein eher schweigsamer, aber dennoch gesel-liger Mensch. Seit seiner Schulzeit musizierte er. Er wanderte gern mit Freunden und war auch bei Frauen beliebt. Seine Freundin Mathilde Niedermann brachte 1930 sein einziges Kind Manfred zur Welt.

Mit politischen Fragen setzte sich Elser bereits während seiner Lehrzeit auseinander. Persönliches Freiheitsgefühl und Unabhängigkeitsstreben prägten sein Verständnis von Politik. Er wurde Mitglied im Holzarbeiterverband und trat 1928/29 dem Roten Frontkämpferbund bei, der paramilitärischen Or-ganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), ohne sich dort aber besonders zu engagieren. Bis 1933 wählte er die KPD, die seiner Ansicht nach die Interessen der Arbeiter-schaft am besten vertrat.

Der junge Schreiner lehnte den Nationalsozialismus von Anfang an entschieden ab. Augenzeugen berichteten, dass er Kundgebungen der NSDAP und ihrer Kampfverbände mit de-monstrativer Nichtachtung begegnete, konsequent den „Hit-lergruß“ verweigerte und den Raum verließ, wenn im Radio Hitlerreden übertragen wurden. Ein erstes und wichtiges Mo-tiv für seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus war die Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft während der ersten Jahre des NS-Regimes.

Obwohl die französische und die britische Regierung Ende September 1938 auf der Münchener Konferenz den territorialen Forderungen Hitlers an die Tschechoslowakei nachgegeben hat-ten, befürchtete Elser, dass „ein Krieg unvermeidlich ist“. Ab da reifte sein Entschluss, die nationalsozialistische Führung – nach seinen Worten Hitler, Goebbels und Göring – durch ein Attentat zu beseitigen, um den drohenden Krieg zu verhindern. Als am 1. September 1939 die deutsche Wehrmacht Polen überfiel, fühlte sich Elser bestätigt. Bei Verhören erklärte er später, er habe mit seiner Tat „noch größeres Blutvergießen“ verhindern wollen.

Seit Herbst 1938 bereitete Georg Elser systematisch den Bombenanschlag auf Hitler vor. Er sollte im Münchener Bür-gerbräukeller stattfinden, in dem Hitler alljährlich am Vor-abend seines gescheiterten Putschversuches vom 9. November 1923 eine Gedenkrede hielt. In seiner zeitweiligen Arbeits-stätte, einer Heidenheimer Armaturenfabrik, verschaffte sich Elser zunächst 250 Presspulverstücke. Daraus konstruierte er einen Sprengkörper mit einem mechanischen Zündmechanis-mus, den er anschließend mit einem Zeitzünder mit zwei Uhr-werken versah. Dabei kamen ihm die Kenntnisse zugute, die er sich durch die Arbeit in Uhrmacherwerkstätten angeeignet hatte. Um weiteren Sprengstoff zu beschaffen, arbeitete Elser auch in einem Königsbronner Steinbruch, aus dem er ab April 1939 mehr als 100 Sprengpatronen und über 125 Sprengkap-seln entwenden konnte.

Im August 1939 zog Elser nach München. Zwischen August und November 1939 ließ er sich an mehr als 30 Abenden nach

Lokalschluss unbemerkt im Bürgerbräukeller einschließen, um während der Nacht mit einfachsten Werkzeugen den Pfeiler über Hitlers Rednerpult für den geplanten Anschlag zu präpa-rieren. Am Morgen des 6. November stellte er die beiden Uhr-werke auf den Abend des 8. November ein und ließ „damit der Sache ihren freien Lauf“.

Hitler hatte sich im Unterschied zu den Vorjahren erst kurzfristig zu seiner Traditionsveranstaltung entschlossen. Auch sprach er erheblich kürzer als sonst, weil er unmittel-bar danach wieder nach Berlin zurückkehren wollte. Daher hatte er mit den anderen hohen NS-Führern den Raum be-reits seit etwa 13 Minuten verlassen, als gegen 21.20 Uhr der Sprengkörper explodierte. Die Explosion begrub das Redner-pult unter einem meterhohen Schutthaufen und zerstörte die Saaldecke. Acht Tote und über sechzig Verletzte waren die Folge.

Unmittelbar nach der Detonation begann die Suche der Gestapo nach dem Attentäter. Georg Elser hatte auf seiner Flucht in die Schweiz noch vor der Explosion seines Spreng-körpers gegen 20.45 Uhr die Aufmerksamkeit der deutschen Zollgrenzbeamten in Konstanz erregt und war festgenommen worden. Als die Nachricht vom Münchener Bombenanschlag Konstanz erreichte, geriet er in Verdacht. Die Gestapo brachte ihn nach München, wo er verhört und gefoltert wurde. Elser gestand seine Tat und übernahm die alleinige Verantwortung. Dennoch gab ihn die NS-Propaganda als „Werkzeug“ des briti-schen Nachrichtendienstes aus.

Nach dem Ende des Krieges sollte Elser vom „Volksgerichts-hof“ in einem „Schauprozess“ verurteilt werden. Deshalb wurde er seit 1940 als „Sonderhäftling“ im Zellenbau des KZ Sachsenhausen gefangen gehalten und Tag und Nacht von mindestens zwei SS-Männern bewacht. Mehr als fünf Jahre musste er in völliger Isolation leben.

Vermutlich Anfang Februar 1945 überführte die Gestapo Georg Elser in das KZ Dachau, wo er wiederum in Einzelhaft streng bewacht wurde. Auf Weisung „von höchster Stelle“ wurde Georg Elser schließlich am 9. April 1945 in der Nähe des alten Krematoriums erschossen. Seine Leiche wurde anschlie-ßend sofort verbrannt. Der zerstörte Bürgerbräukeller in München am Tag nach dem Attentat, 9. November 1939

GDW

25 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme und NS-Herrschaftspraxis

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Lokalschluss unbemerkt im Bürgerbräukeller einschließen, um während der Nacht mit einfachsten Werkzeugen den Pfeiler über Hitlers Rednerpult für den geplanten Anschlag zu präpa-rieren. Am Morgen des 6. November stellte er die beiden Uhr-werke auf den Abend des 8. November ein und ließ „damit der Sache ihren freien Lauf“.

Hitler hatte sich im Unterschied zu den Vorjahren erst kurzfristig zu seiner Traditionsveranstaltung entschlossen. Auch sprach er erheblich kürzer als sonst, weil er unmittel-bar danach wieder nach Berlin zurückkehren wollte. Daher hatte er mit den anderen hohen NS-Führern den Raum be-reits seit etwa 13 Minuten verlassen, als gegen 21.20 Uhr der Sprengkörper explodierte. Die Explosion begrub das Redner-pult unter einem meterhohen Schutthaufen und zerstörte die Saaldecke. Acht Tote und über sechzig Verletzte waren die Folge.

Unmittelbar nach der Detonation begann die Suche der Gestapo nach dem Attentäter. Georg Elser hatte auf seiner Flucht in die Schweiz noch vor der Explosion seines Spreng-körpers gegen 20.45 Uhr die Aufmerksamkeit der deutschen Zollgrenzbeamten in Konstanz erregt und war festgenommen worden. Als die Nachricht vom Münchener Bombenanschlag Konstanz erreichte, geriet er in Verdacht. Die Gestapo brachte ihn nach München, wo er verhört und gefoltert wurde. Elser gestand seine Tat und übernahm die alleinige Verantwortung. Dennoch gab ihn die NS-Propaganda als „Werkzeug“ des briti-schen Nachrichtendienstes aus.

Nach dem Ende des Krieges sollte Elser vom „Volksgerichts-hof“ in einem „Schauprozess“ verurteilt werden. Deshalb wurde er seit 1940 als „Sonderhäftling“ im Zellenbau des KZ Sachsenhausen gefangen gehalten und Tag und Nacht von mindestens zwei SS-Männern bewacht. Mehr als fünf Jahre musste er in völliger Isolation leben.

Vermutlich Anfang Februar 1945 überführte die Gestapo Georg Elser in das KZ Dachau, wo er wiederum in Einzelhaft streng bewacht wurde. Auf Weisung „von höchster Stelle“ wurde Georg Elser schließlich am 9. April 1945 in der Nähe des alten Krematoriums erschossen. Seine Leiche wurde anschlie-ßend sofort verbrannt. Der zerstörte Bürgerbräukeller in München am Tag nach dem Attentat, 9. November 1939

GDW

Georg Elser über seine MotiveDie seit 1933 in der Arbeiterschaft von mir beobachtete Unzu-friedenheit und der von mir seit Herbst 1938 vermutete unver-meidliche Krieg beschäftigten stets meine Gedankengänge. Ob dies vor oder nach der Septemberkrise 1938 war, kann ich heute nicht mehr angeben. Ich stellte allein Betrachtungen an, wie man die Verhältnisse der Arbeiterschaft bessern und einen Krieg vermeiden könnte. Hierzu wurde ich von niemandem an-geregt, auch wurde ich von niemandem in diesem Sinne beein-flusst. Derartige oder ähnliche Unterhaltungen habe ich nie ge-hört. Auch vom Moskauer Sender habe ich nie gehört, dass die deutsche Regierung und das Regime gestürzt werden müssen.

Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten das Ergeb-nis, dass die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Besei-tigung der augenblicklichen Führung geändert werden könn-ten. Unter der Führung verstand ich die „Obersten“, ich meine damit Hitler, Göring und Goebbels. Durch meine Überlegungen kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Beseitigung dieser 3 Männer andere Männer an die Regierung kommen, die an das Ausland keine untragbaren Forderungen stellen, „die kein frem-des Land einbeziehen wollen“ und die für eine Besserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft Sorge tragen werden.

An bestimmte Personen, die die Regierung übernehmen soll-ten, habe ich weder damals noch später gedacht. Den National-sozialismus wollte ich damals nicht beseitigen. Ich war davon

überzeugt, dass der Nationalsozialismus die Macht in seinen Händen hatte und dass er diese nicht wieder hergeben wer-de. Ich war lediglich der Meinung, dass durch die Beseitigung der genannten drei Männer eine Mäßigung in der politischen Zielsetzung eintreten wird. Bestimmt kann ich angeben, dass ich nicht im Geringsten an eine andere Partei oder Organisati-on gedacht habe, die nach einer Beseitigung der Führung das Ruder in Deutschland in die Hand genommen hätte. Auch über diesen Punkt habe ich mich mit niemand unterhalten.

Der Gedanke der Beseitigung der Führung ließ mich damals nicht mehr zur Ruhe kommen und bereits im Herbst 1938 – es war dies vor dem November 1938 – hatte ich auf Grund der im-mer angestellten Betrachtungen den Entschluss gefasst, die Beseitigung der Führung selbst vorzunehmen. Ich dachte mir, dass dies nur möglich sei, wenn die Führung sich bei irgend-einer Kundgebung befindet. Aus der Tagespresse entnahm ich damals, dass die nächste Zusammenkunft, bei der auch die Füh-rung teilnimmt, sich am 8. und 9. November 1938 in München im „Bürgerbräukeller“ abspielt. Bestimmt kann ich allerdings nicht mehr sagen, ob ich diese Zusammenkunft tatsächlich aus der Zeitung oder sonst irgendwie erfahren habe. Ob mir dies später noch einfällt, kann ich nicht angeben.

Auszug aus dem Gestapo-Verhör Georg Elsers im November 1939 über seinen Entschluss zur Tat und die ersten Vorbereitungen, Bundesarchiv R 22/3100

26 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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JOHANNES TUCHEL / JULIA ALBERT

Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen Die Versuche, Widerstand zu organisieren, erfolgten unter der ständigen Bedrohung durch ein politisches Regime, das einen Eroberungskrieg in Europa vorbereitete und dafür im Innern entsprechende Vorkehrungen traf. Zu diesen Vor-kehrungen gehörten die Aufrüstung, aber auch die Gleich-schaltung, Ideologisierung, Militarisierung und ständige Mobilisierung der deutschen Gesellschaft im Rahmen der

„Volksgemeinschaft“. Infolge des Krieges wurden viele Männer zur Wehrmacht

einberufen. Um ihre Arbeitskraft zu ersetzen und für den „Endsieg“ des Deutschen Reiches zu sorgen, wurden Millio-nen Menschen aus den von den Deutschen eroberten und besetzten Ländern zur Zwangsarbeit in der Industrie und in der Landwirtschaft nach Deutschland gebracht. Unmit-telbar hinter der Front begannen schon wenige Tage nach dem deutschen Überfall auf Polen Gewaltverbrechen, die für die nächsten Jahre die besetzten Gebiete zum Zentrum des Massenmords werden ließen. Doch auch in Deutschland selbst wurde im Herbst 1939 mit der Mordaktion an 200 000 kranken und hilflosen Menschen ein Massenverbrechen verübt, das verharmlosend als Euthanasie – „Gnadentod“ – bezeichnet wurde. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 folgte dann der Massenmord an sowjetischen Kriegsgefangenen. Die Zivilbevölkerung in den besetzten Ge-bieten fiel nicht nur dem Kriegsgeschehen zum Opfer. Viele wurden als Partisanen verdächtigt und hingerichtet oder Ziel von Vergeltungsaktionen. Im selben Jahr setzte das NS-Re-gime den planmäßigen Völkermord an den Juden Europas in

Gang, der mehr als sechs Millionen Menschenleben fordern sollte. Auch hunderttausende Sinti und Roma wurden Opfer des nationalsozialistischen Genozids.

Regimegegner stellten sich gegen Krieg und Völkermord. Sie waren oftmals vereinzelt und verzweifelt. Hinzu kam, dass sich ab Kriegsbeginn im Herbst 1939 die Rahmenbedingungen für die Regimegegnerschaft entscheidend verschlechtert hat-ten. Eine Vielzahl von Sonderbestimmungen, die im „Kriegs-sonderstrafrecht“ zusammengefasst waren, ermöglichten hö-here Strafen als bisher gegen alle, deren Verhalten auch nur geringfügig von der Norm abwich. Todesurteile gegen Kriegs-dienstverweigerer gehörten jetzt ebenso zur Realität des NS-Staates wie schwere Strafen für diejenigen, die ausländi-sche Rundfunksender gehört hatten und von „Volksgenossen“ denunziert worden waren.

Mordaktion in Serbien, Oktober 1941

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Unter diesen Bedingungen wurde die Bildung oppositi-oneller Netze und Gruppen immer schwieriger, die Gefahr des Verrats immer größer. In einer Gesellschaft, in der Mei-nungsaustausch mit Argwohn betrachtet wurde, boten nur Freundes- und Diskussionskreise die Möglichkeit für die Wei-terentwicklung politischer Konzepte. Jenseits von Meinungs-verschiedenheiten in Details waren sich alle Regimegegner jedoch einig in ihren Forderungen nach dem Sturz Hitlers, dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und des von den Nationalsozialisten entfesselten Vernichtungs- und Weltanschauungskrieges. Angesichts von Krieg und Ge-waltherrschaft wollten sie gegenüber den Herausforderungen der Diktatur nicht tatenlos bleiben.

27 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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Widerstand aus der ArbeiterbewegungAls der Krieg begann, bemühten sich die Regimegegner aus der Arbeiterbewegung um den Aufbau von betrieblichen Widerstandsgruppen. Sie versuchten, Nachrichten über den tatsächlichen Kriegsverlauf zu verbreiten, die Rüstungswirt-schaft zu sabotieren und Verfolgte zu unterstützen. Obwohl die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren bereits nahezu alle größeren Widerstandsgruppen von Kommunisten, Sozi-aldemokraten und Sozialisten zerschlagen hatten, konnten Verfolgung und Entrechtung den Willen der Regimegegner nur selten brechen. Die Erfahrungen der Haft bestärkten viele in ihrem Entschluss, den NS-Staat weiterhin bei jeder sich bie-tenden Gelegenheit aktiv zu bekämpfen. Neue Widerstandsor-ganisationen aufzubauen und Kontakte zu anderen Gruppen herzustellen, gelang jedoch nur in wenigen Fällen.

Die Hamburger ABC-Kolonne im Winter 1941. V. l. n. r.: Robert Abshagen, unbe-kannt, Hein Bretschneider, Hans Christoffers

1941 bildet sich um die Hamburger Arbeiterfunktionäre Bernhard Bästlein, Oskar Reincke, Franz Jacob und Robert Abshagen eine kommunistische Betriebszellen-organisation, deren Schwerpunkt in den Werften liegt. Ende 1942 gelingt es der Gestapo, die Gruppe aufzudecken. Mehr als 60 Festgenommene werden zum Tode verurteilt oder von der Gestapo ermordet, darunter auch Robert Abshagen und Hein Bretschneider.

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Viele Kommunisten hatte der Abschluss des deutsch-sow-jetischen Nichtangriffspaktes vom 23. August 1939 wie ein Schock getroffen. Ein großer Teil von ihnen wollte nun einen eigenen, von der Moskauer Führung unabhängigen Weg fin-den und sich neu orientieren. Erst der Überfall auf die Sow-jetunion am 22. Juni 1941 und die Kenntnis von den national-sozialistischen Gewaltverbrechen bewirkten eine neuerliche Verstärkung kommunistischer Widerstandsaktivitäten und eine Wiederannäherung an die Politik der Sowjetunion und der KPD-Führung.

Auch frühere KPD-Funktionäre, die 1939 und 1940 aus Kon-zentrationslagern und Zuchthäusern zurückkehrt waren, versuchten, neue Widerstandsgruppen aufzubauen. So ent-standen um Robert Uhrig in Berlin, um Theodor Neubauer in Mitteldeutschland und um Bernhard Bästlein in Hamburg große Widerstandsorganisationen; eine weitere um Wilhelm Knöchel war im Ruhrgebiet aktiv. Später bildete sich in Berlin eine weit verzweigte kommunistische Widerstandsorganisa-tion um Anton Saefkow und Franz Jacob. Sie verstand sich als Inlandsleitung der KPD und orientierte sich an den Zielen des 1943 von emigrierten Kommunisten und deutschen Kriegsge-fangenen in der Sowjetunion gegründeten Nationalkomitees

„Freies Deutschland“.

Druckanlage der Widerstandsgruppe Antinazistische Deutsche Volksfront (ADV), München 1943 (Beweisfoto der Gestapo)

1942 bildet sich in München die Widerstandsgruppe ADV um Karl Zimmet, Georg Jahres und Hans Hutzelmann. Sie steht der KPD nahe und arbeitet mit einer Münchener Widerstandsorganisation von sowjetischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, der Organisation BSW (Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen), zusammen. Im Spätherbst 1943 werden durch Gestapo-Spitzel 13 Gruppen mit nahezu 300 Mitgliedern aufgedeckt.

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Diese Organisationen, in denen auch Sozialdemokraten und Sozialisten mitwirkten, verbreiteten Flugblätter und selbst-gefertigte Flugschriften. Vor allem aber versuchten sie, in den Betrieben ihre Basis auszubauen und sich auf die Zeit nach der Befreiung von der NS-Herrschaft vorzubereiten. Doch im-mer wieder schleuste die Gestapo Spitzel in die kommunisti-schen Gruppen ein und konnte sie so zerschlagen.

Einige sozialistische Gruppen wie die Revolutionären Sozia-listen und der Internationale Sozialistische Kampfbund konn-ten ihre Widerstandsaktivitäten bis in die Kriegszeit fortset-zen. Sozialdemokratische Regimegegner festigten vor allem ihre Kontakte untereinander, ohne allerdings fest organisierte Gruppen aufzubauen. Ihr Ziel war es, nach einer deutschen mi-litärischen Niederlage, die die Befreiung vom Nationalsozialis-mus bedeutete, politisch handlungsfähig zu sein.

Einzelne Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer stan-den in enger Verbindung mit den Berliner Widerstandskreisen um Carl Friedrich Goerdeler, Helmuth James Graf von Moltke und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Im Sommer 1944 lo-teten Julius Leber und Adolf Reichwein, die neben Wilhelm Leuschner als Repräsentanten der sozialdemokratischen Ar-beiterbewegung galten, mit der Berliner Widerstandsorgani-sation um Anton Saefkow und Franz Jacob grundlegende Fra-gen der Zusammenarbeit aus.

All diese Gruppen stellten sich den täglichen Herausforde-rungen der illegalen Arbeit, indem sie sich gemeinsam auf die Grundlagen von Menschlichkeit und politischer Selbstbe-hauptung besannen. Oft setzten sie damit zugleich Zeichen für die Traditionen der Arbeiterbewegung, die sich in der Wei-marer Zeit verhängnisvoll gespalten hatte und nun unter dem Druck der Kriegsverhältnisse verschüttet zu werden drohte.

28 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

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Der 1906 in Hamburg geborene Maschi-nenschlosser Franz Jacob engagierte sich schon 1920 in der SPD-nahen Sozialisti-

schen Arbeiterjugend, trat aber 1925 dem Kommunistischen Jugendverband und der KPD bei. 1932 war er für die KPD jüngstes Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft. Mitte August 1933 wurde Jacob in Berlin festgenommen und nach der Verbüßung einer Zuchthausstrafe von 1936 bis 1940 im KZ Sachsenhausen festgehalten. Un-mittelbar nach seiner Entlassung nahm er erneut Verbindung zu seinen politi-schen Freunden auf und gehörte bald zum Führungskern der Gruppe um Bernhard Bästlein.

Als im Oktober 1942 eine Festnahmeak-tion in Hamburg begann, tauchte Franz Ja-cob in Berlin unter und baute ab 1943 mit Anton Saefkow eine neue Widerstands-organisation auf, die sich am National-komitee „Freies Deutschland“ orientierte.

Verbindungsleute gab es in zahlreichen Berliner Betrieben, in denen illegale Ar-beitergruppen bestanden. Sie versuchten, Verbindungen zu anderen Widerstands-gruppen im Reich zu halten, Verfolgten mit Lebensmittelkarten oder Ausweisen zu helfen und Kontakt zu Kriegsgefange-nen oder Zwangsarbeitern herzustellen. Kleine und besonders zuverlässige „Ka-dergruppen“ sollten eine angemessene Vorbereitung auf die Zeit nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft ge-währleisten.

Gemeinsam mit Saefkow wurde Jacob Anfang Juli 1944 festgenommen, am 5. September 1944 durch den „Volksgerichts-hof“ zum Tode verurteilt und am 18. Sep-tember 1944 in Brandenburg-Görden ent-hauptet.

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Der 1903 geborene Maschinenbauer An-ton Saefkow schloss sich der sozialisti-schen Jugendbewegung an, trat 1920 dem

Metallarbeiterverband bei und wurde bald einer der führenden Funktionäre des Kom-munistischen Jugendverbandes in Berlin. 1924 trat er der KPD bei und war von 1928 bis 1933 Mitglied der KPD-Bezirksleitun-gen in Sachsen, im Ruhrgebiet und in Hamburg. Er wurde im April 1933 erstmals festgenommen und 1934 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Im Herbst 1941 stieß Saefkow zum Kreis um Robert Uhrig. Gemeinsam mit Franz Jacob baute er 1943 ein neues Netz unter-schiedlicher illegaler Gruppen auf. Saef-kow und seine Freunde hielten auch akti-ve Formen des Kampfes gegen das Regime für möglich: Durch Produktionssabotage wollten sie die Rüstungsanstrengungen schwächen. Verbindungen zu ausländi-schen Arbeitern sollten Voraussetzungen

für individuelle Hilfe schaffen und der Bildung einer breiteren Basis im Kampf gegen das NS Regime dienen. Neben die

„Kaderschulung“ und die Bildung von Be-triebsgruppen trat die Aufklärungsarbeit durch Flugblätter. Die Organisation um Saefkow bezeichnete sich dabei unter an-derem als Berliner Ausschuss des Natio-nalkomitees „Freies Deutschland“.

Anton Saefkow wurde am 4. Juli 1944 festgenommen und am 5. September 1944 mit Bernhard Bästlein und Franz Jacob zum Tode verurteilt. Wenige Tage spä-ter, am 18. September 1944, wurden sie gemeinsam in Brandenburg-Görden ent-hauptet.

theodor neubauer

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1890 geboren, wuchs Theodor Neubauer als Sohn eines Gutsinspektors in einem konservativen Elternhaus auf. Er studierte

Geschichte und neuere Fremdsprachen in Brüssel, Jena und Berlin. Nach der Promo-tion in Jena 1913 wurde er Lehrer, meldete sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges frei-willig als Soldat und kehrte 1917 desillusio-niert zurück, nachdem er an der Front eine Gasvergiftung erlitten hatte.

Nach der Novemberrevolution war er zunächst Mitglied der Deutschen Demo-kratischen Partei, wechselte zur USPD (ei-ner Abspaltung der SPD) und schloss sich mit deren linkem Flügel 1920 der KPD an. Von 1921 bis 1924 war Neubauer thürin-gischer Landtagsabgeordneter, 1923 auch Staatsrat in der Thüringer Arbeiterregie-rung. Von 1924 bis 1933 vertrat er die KPD im Reichstag und lebte seit 1930 in Berlin.

Neubauer wurde im August 1933 erst-mals festgenommen und im Herbst 1934

zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. An-schließend hielten ihn die Nationalsozi-alisten in verschiedenen Konzentrations-lagern gefangen. Erst im Sommer 1939 wurde Neubauer entlassen und lebte seit-dem bei seiner Familie in Tabarz (Thürin-gen). Zusammen mit Magnus Poser bau-te er Anfang 1942 eine weit verzweigte kommunistische Widerstandsgruppe auf. Im Juli 1944 wurde Theodor Neubauer festgenommen, im Januar 1945 zum Tode verurteilt und am 5. Februar 1945 in Bran-denburg-Görden enthauptet.

29 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

wilhelm leuschner

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Der 1890 geborene Holzbildhauer Wilhelm Leuschner war ab 1919 zunächst Vorsitzen-der des Allgemeinen Deutschen Gewerk-

schaftsbundes (ADGB) Darmstadt und stieg 1926 zum Bezirkssekretär des ADGB für Waldeck, Hessen-Darmstadt, Hessen-Nas-sau, Rheinhessen und Saarland auf.

Der Sozialdemokrat war bis 1928 Stadt-verordneter in Darmstadt, danach bis 1933 Abgeordneter im hessischen Landtag. Als hessischer Innenminister veröffentlichte er 1931 interne Papiere der Nationalsozialis-ten, die viele ihrer Gewaltpläne offenbar-ten. Im Januar 1933 ging er als Mitglied des ADGB-Bundesvorstandes nach Berlin. Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften wei-gerte er sich, bei einem Treffen der Interna-tionalen Arbeitsorganisation in Genf für die Anerkennung der nationalsozialistischen „Deutschen Arbeitsfront“ zu sprechen.

Von 1933 bis 1934 von der Gestapo in Kon-zentrationslagern festgehalten, gründete

Leuschner nach seiner Freilassung in Berlin eine Firma, in der viele Sozialdemokraten ar-beiteten. Bei seinen Geschäftsreisen konnte er bis zuletzt mit zahlreichen Gesinnungsge-nossen in ganz Deutschland Kontakt aufneh-men, auch mit der bürgerlichen Opposition.

Bei Kriegsausbruch 1939 wieder kurzzeitig inhaftiert, hielt Leuschner in den folgenden Jahren Kontakte zum Kreisauer Kreis und war intensiv an den Vorbereitungen für den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 beteiligt. Für die Zeit nach dem Sturz Hitlers war er als Vizekanzler vorgesehen und sollte gemein-sam mit zwei anderen die neue Einheitsge-werkschaft führen. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch wurde Leuschner festge-nommen, vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Ber-lin-Plötzensee erhängt.

julius leber

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ulius Leber, 1891 geboren und in der Fami-lie eines elsässischen Kleinbauern aufge-wachsen, wurde nach dem Abschluss der

Mittelschule Lehrling in einer Tapetenfa-brik. Von 1910 bis 1912 konnte er mit einem Stipendium die Oberrealschule besuchen und anschließend Geschichte und Natio-nalökonomie (Volkswirtschaft) studieren. 1912 trat er der SPD bei. Er meldete sich 1914 freiwillig als Soldat, wurde Offizier und nahm 1920 noch als Leutnant an der Nie-derschlagung des Kapp-Putsches teil.

Leber war verheiratet mit Annedore Ro-senthal, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Ab 1921 Chefredakteur des so-zialdemokratischen „Lübecker Volksboten“ wurde er 1924 für die SPD in den Reichstag gewählt, dem er als wehrpolitischer Frakti-onssprecher bis 1933 angehörte.

1933 wurde Leber verhaftet und kam erst im Sommer 1937 aus dem KZ Sachsen-hausen frei. Er fristete sein Leben in Berlin

als selbstständiger Kohlenhändler, suchte jedoch bald wieder Verbindung zu seinen sozialdemokratischen Freunden und fand später zum Kreisauer Kreis. Im Sommer 1944 nahm er über Verbindungsleute Kon-takt zu dem Kommunisten Franz Jacob auf, den er im KZ Sachsenhausen kennen-gelernt hatte und der zu den führenden Mitstreitern der Widerstandsorganisation um Anton Saefkow zählte.

Julius Leber, der nach den Plänen der Widerstandsgruppe des 20. Juli nach ei-nem gelungenen Umsturz Reichskanzler oder Innenminister werden sollte, wurde am 5. Juli 1944 aufgrund der Denunziati-on eines Gestapo-Spitzels festgenommen, am 20. Oktober 1944 durch den „Volksge-richtshof“ zum Tode verurteilt und am 5. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

johanna kirchner

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Die 1889 geborene Johanna Stunz, ver-heiratete Kirchner, gehörte seit dem 14. Lebensjahr der Sozialistischen Arbei-

terjugend (SAJ), dann der SPD an und ar-beitete für die „Arbeiterwohlfahrt“ und als Zeitungskorrespondentin auf Partei- und Gewerkschaftskongressen.

Als 1933 ein Haftbefehl gegen sie erlas-sen wurde, befand sie sich auf einer Reise in die Schweiz, um für andere Verfolgte des NS-Regimes Fluchthilfe zu organisie-ren. Sie emigrierte zunächst ins Saarge-biet, beteiligte sich an den Vorbereitun-gen zur Saarabstimmung und musste, nachdem das Gebiet danach dem Deut-schen Reich angegliedert worden war, im Januar 1935 weiterflüchten.

Im französischen Forbach, nahe der deutschen Grenze, blieb sie mit dem Kampf der deutschen Hitlergegner eng verbunden und stand mit kommunis-tischen Gruppen in Kontakt. Sie wurde

1937 Mitglied des in Straßburg gegründe-ten Hilfskomitees für die Saar-Pfalz, das in Frankreich deutsche Emigranten aus dieser Region betreute.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Johanna Kirchner auf Erlass der französischen Regierung interniert. Ob-wohl es zunächst gelang, sie mit Hilfe französischer Freunde aus dem Lager Gurs zu befreien, wurde sie später von der Vichy-Regierung an Deutschland ausge-liefert. Seit dem 9. Juni 1942 in Deutsch-land Gestapo-Vernehmungen ausgesetzt, verurteilte sie der „Volksgerichtshof“ im Mai 1943 zu zehn Jahren Zuchthaus und in einem Wiederaufnahmeverfahren am 21. April 1944 zum Tode. Johanna Kirchner wurde am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

30 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die Europäische UnionIn den ersten Kriegsjahren fanden sich in Berlin Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen, die den Ver-brechen des NS-Regimes nicht länger tatenlos zusehen woll-ten. Sie standen in Kontakt mit verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Widerstandsgruppen, ohne jedoch en-ger mit diesen zusammenzuarbeiten. Georg Groscurth, Arzt und Dozent an der Berliner Universität, und sein Freund, der Chemikophysiker Robert Havemann, versuchten gemeinsam mit dem Architekten Herbert Richter und dem Dentisten Paul Rentsch immer wieder, verfolgten Menschen zu helfen. Mit einem Netz von Verbündeten, die Lebensmittelmarken sam-melten, Papiere besorgten und Informationen beschafften, un-terstützten sie illegal lebende jüdische Freunde.

Groscurth half Soldaten, sich als front- oder dienstuntauglich dem Kriegsdienst zu entziehen. Gemeinsam mit Havemann war er zudem seit Ende der 1930er-Jahre an Forschungen über Kampfgase beteiligt, die sie sabotierten und so ergebnislos in die Länge zogen. 1943 gelang es ihnen, mit Hilfe des Exil-Rus-sen Konstantin Shadkewitsch Kontakt zu verschiedenen Grup-pen von Zwangsarbeitern aufzunehmen, die nach Deutsch-land verschleppt worden waren. Sie unterstützten deren Versuche, Widerstandorganisationen aufzubauen, indem sie Kontakte vermittelten und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Gruppen aufrechterhielten. Im Sommer 1943 verfassten Havemann, Groscurth, Richter und Rentsch mehre-re programmatische Texte. Sie gaben ihrer Gruppe den Namen

„Europäische Union“ und wollten damit ausdrücken, dass sie die Widerstandsaktivitäten der aus vielen europäischen Nati-onen stammenden Zwangsarbeiter unterstützten. Im Kampf gegen das NS-Regime sahen sie die Grundlage für eine gesamt- europäische sozialistische Nachkriegsordnung.

Georg Groscurth und Robert Havemann in ihrem Berliner Labor um 1940

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Die meisten Mitglieder der Europäischen Union wurden im Spätsommer 1943 von der Gestapo festgenommen. Die Grup-pe galt den Nationalsozialisten als besonders gefährlich, weil sie sich aus angesehenen Intellektuellen und Angehörigen verschiedener Nationen zusammensetzte. 1943/44 wurden ge-gen 16 Angeklagte Todesurteile verhängt. Andere verloren ihr Leben schon in der Voruntersuchung, wurden in den Gaskam-mern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet, starben nach ihrer Verurteilung zu Haftstrafen im Gefängnis oder unmittelbar nach der Befreiung an den Folgen der Haft.

Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum

Die Widerstandsorganisation um Herbert Baum und seine Frau Marianne bestand aus jungen Menschen, die dem Kom-munismus nahe standen und durch ihre gemeinsamen Erfah-rungen als verfolgte Juden geprägt waren. Deshalb werden Herbert Baum und seine Mitkämpfer häufig als jüdische Wi-derstandsgruppe bezeichnet oder als Kreis einer gegen das NS-Regime gerichteten Jugendopposition gedeutet. Sie selbst verstanden sich aber stets als Angehörige der kommunisti-schen Widerstandsbewegung.

Die Mitglieder der Gruppe kannten sich teilweise bereits seit dem Ende der Weimarer Republik und hatten schon früh ers-te Erfahrungen im Widerstand gegen das NS-Regime gesam-melt. 1938/39 fanden sich einige der jüdischen Freunde von Herbert Baum erneut zusammen. Sie versuchten unabhängig von anderen kommunistischen Berliner Widerstandsgruppen, eigenständige Formen des Protests und des Widerstands zu entwickeln.

Seit dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion im Sommer 1941 verbreiteten sie Flugblätter, um so auf das Unrecht und die gefährlichen Folgen des Krieges aufmerksam zu machen. Ihre spektakulärste Aktion war ein Brandanschlag auf die Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ im Ber-liner Lustgarten am 17. Mai 1942. Herbert Baum und seine Freunde, die besondere Sympathie für die Bevölkerung der Sow-jetunion empfanden, wandten sich mit ihrer Tat vor allem gegen deren Verunglimpfung als „slawische Untermenschen“ und gegen die Verbindung von antijüdischer und antikommu-nistischer Propaganda.

Binnen weniger Tage wurden sie verhaftet, vermutlich nach einer Denunziation. Drei der Festgenommenen, neben Herbert Baum Walter Bernecker und Elfriede Schaumann, begingen in der Untersuchungshaft Selbstmord. Insgesamt fielen mehr als 20 Menschen aus den Kreisen um Herbert Baum der national-sozialistischen Verfolgung zum Opfer.

Seit 1941 muss Herbert Baum (hier l. mit der Familie seiner Frau Marianne) in der „Judenabteilung“ der Berliner Elmo-Werke arbeiten und kommt dort in Kontakt mit anderen Zwangsarbeitern.

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31 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Wenn wir das alles einmal bezahlen müssen!„Wenn ich auf die Welt blicke, die wir verkörpern und auf all die Männer, mit denen ich das Glück habe befreundet oder verbün-det zu sein, wenn ich weiter sehe auf meine politischen Führer im Reich, auf meine Reichsleiter, Gauleiter, Reichsstatthalter, Generalgouverneure, die Feldmarschälle und Admirale und Generalobersten, dann sehe ich mit stärkster Zuversicht in die Zukunft.“

So sprach Hitler am 26. April vor seinem sogenannten Reichs-tag. Besser konnte er sein Regime nicht charakterisieren. Die Welt, die er mit seiner Bande verkörpert, das ist der endlose und opferreiche Krieg, ist eine Welt der Massengräber, des Hungers, der absoluten Verelendung des Volkes. Seine Welt, das ist die Welt der 200 Plutokratenfamilien, denen die großen Konzerne und Monopole gehören; seine Welt ist die Welt der Schieber und Großverdiener, die Welt der Gangster, Volksbetrüger und Volks-verderber. Seine Welt ist die Welt von Blut, Schweiß und Tränen, ist die Welt der Konzentrationslager, der Galgen, des Henker-beils und der Geiselerschießungen.

Seine Herrschaft, die er so gern als Volksherrschaft auszu-geben versucht, ist nichts anderes, als die brutalste Herrschaft der Plutokraten und der Hierarchie der NSDAP, der Gau- und Reichsleiter, der Reichsstatthalter und Reichskommissare, der Generalität und der ganzen Bande von Nutznießern des Krieges. In dem oben zitierten Ausspruch hat Hitler unse-rem Volke klar und deutlich den wahren und einzigen Feind Deutschlands gezeigt. Diese Bande von Ausbeutern, Empor-kömmlingen und Nutznießern des brutalen imperialistischen Eroberungskrieges missbraucht den Namen Deutschlands und schändet den Ruf unseres Volkes mit unzähligen, grausa-men Verbrechen. All ihre Handlungen, die sie in Deutschland und in fremden Ländern begehen, sind Faustschläge in das Ge-sicht unseres Volkes. […]

Im Namen unseres Volkes wurden und werden tausende rus-sische Kriegsgefangene blindwütig erschossen, weitere tausen-de werden in einen grässlichen Hungertod getrieben.

Im Namen unseres Volkes werden die Kriegsgefangenen aller unterjochten Nationen völlig rechtswidrig in die Kanonen- und Munitionsfabriken zur Herstellung von Hitlers Mordwaffen ge-zwungen. 2 Mill. Arbeiter der geknechteten Völker werden mit allen Mitteln in die deutschen Rüstungsfabriken gepresst. Sie, die Zivil- und Kriegsgefangenen müssen in Deutschland Waf-fen und Munition erzeugen, die in diesem verfluchten Hitler-krieg gegen ihre eigenen Völker verwendet werden. […]

So gemein und niederträchtig all die Schandtaten in den be-setzten Westgebieten, auf dem Balkan und in Polen sind, so ist all das, was in diesen Ländern an tierischer Gemeinheit kursiert, unvergleichbar mit den beispiellosen Greueltaten, die in unse-rem Namen im zeitweise besetzten Teil der Sowjetunion verübt werden. […]

Auch unser Volk hat schon einiges über die grausamen Ver-brechen der hitlerischen Soldateska vernommen. Aber noch

sträubte es sich, an eine solche Verkommenheit deutscher Trup-penverbände zu glauben. Es wollte nicht wahrhaben, dass seine Männer und Söhne von den Hitlerbestien zu solchen Scheuß-lichkeiten missbraucht werden. Es ließ sich immer wieder von Göbbels einreden, dass die objektiven Berichte aus dem besetz-ten Sowjetgebiet lügnerische Feindpropaganda seien. Wir sind heute in der Lage auch diesen Schwindel über die angebliche Feindpropaganda zu entlarven. Wir sind in den Besitz einer Anzahl Originalfotos gekommen, die von anständigen und ehr-lichen deutschen Soldaten in der Ukraine aufgenommen wur-den. Diese Fotos geben einen Einblick in die verbrecherischen und bestialischen Greueltaten des hitlerischen Militarismus in den besetzten Sowjetgebieten. […]

Und doch drohte uns das Blut in den Adern zu erstarren bei der Durchsicht der uns übergebenen Bilder. Kinder, Frauen und Greise werden ohne Prozess unschuldig auf das bestialischste hingeschlachtet. Dörfer und Städte werden verbrannt und ver-wüstet. Die Zivilbevölkerung wird all ihrer Lebensmittel und Kleidungsstücke beraubt. Eine tiefe Schamröte stieg uns ins Gesicht und voll banger Sorge fragten wir uns: „Was soll aus Deutschland werden, wenn unser Volk einmal für all die Grau-samkeiten und Bestialitäten, die in seinem Namen von den Na-zihenkern begangen werden, büßen müsste.“ […]

Es fällt uns nicht leicht, das alles hier niederzuschreiben, geschieht das alles doch im Namen Deutschlands, wissen wir doch, dass unser Volk noch nicht in ganzem Umfang auch ahnt, welch ungeheuere Blutschuld das Hitlerregime ihm aufge-wälzt hat. Aber unsere Pflicht als Deutsche, die wir unser Volk und Heimat aus tiefster Seele lieben, zwingt uns dazu, unge-schminkt die Wahrheit zu sagen, damit unser ganzes Volk er-kennen kann, was die Hitlerbande alles in seinem Namen tut, zu welch scheußlichen Verbrechen es missbraucht wird.

Wir wollen nicht, dass am Ende des Krieges, das Todesurteil, das die unterjochten Völker über Hitler und sein Regime gefällt haben, auch an unserm Volk und an unserer deutschen Heimat vollstreckt wird.

Der verbrecherisch von Hitler und seiner Bande vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg ist für Deutschland bereits ver-loren. Das muss jeder Deutsche heute begreifen. Hitlers Ende rückt unvermeidlich näher und wir wollen nicht, dass es ihm gelingt, unser Volk mit in den Abgrund zu reißen. Solange noch ein Tropfen Blut in unsern Adern fliesst, werden wir dagegen kämpfen, dass Hitler unser Volk zu seinem Komplizen machen kann.

Deutschland kann nur noch gerettet werden, wenn unser Volk selbst ganz klare Fronten schafft. Hier Hitler mit seiner Räuberbande, dort unser großes deutsches Volk im Bündnis mit den unterjochten Völkern. […]

Sonderausgabe der illegalen Flugschrift „Der Friedenskämpfer“ vom Juni 1942, verfasst von der kommunistischen Widerstandsgruppe um Wilhelm Knöchel und im Ruhrgebiet verbreitet, Landesarchiv NRW

32 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand aus christlichem Glauben Seit der Mitte der 1930er-Jahre gelang es den Nationalsozia-listen zunehmend, den Kreis oppositioneller evangelischer Christen zu schwächen. Martin Niemöller, ein Wortführer des Kirchenkampfes, wurde 1937 festgenommen und 1938 ins Konzentrationslager eingewiesen. Andere Pfarrer aus der Bekennenden Kirche wurden bedroht und mit Predigtverbot belegt. Nach der Ermordung des Pfarrers Paul Schneider im KZ Buchenwald erkannten viele evangelische Regimegegner, mit welcher Brutalität die Nationalsozialisten ihre Drohungen verwirklichten.

Nicht alle Pfarrer und Christen aus den evangelischen Ge-meinden resignierten oder ließen sich einschüchtern. Sie beteiligten sich an Hilfsaktionen für Verfolgte, traten den Zumutungen des Staates und der nationalsozialistischen

„Deutschen Christen“ offen entgegen und verstärkten auf ihre Weise den kleinen Kreis unbeugsamer Protestanten, die Hit-lers Herrschaft ablehnten und bekämpften.

Unter den Bedingungen des Krieges erkannten evangelische Christen vermehrt den verbrecherischen Grundzug deutscher Politik. Wurden einzelne Pfarrer und Gemeindemitglieder be-drängt und festgenommen, weil sie sich angeblichen Zwän-gen des Krieges nicht unterwerfen wollten, so rückten oftmals Gleichgesinnte nach. Sie vertraten christliche Glaubensüber-zeugungen und protestierten deshalb gegen Verbrechen hin-ter der Front, gegen die entwürdigende und menschenver-achtende Behandlung von Kriegsgefangenen und schließlich gegen die Deportation von Juden. Sie litten darunter, dass ihr Protest zu schwach und ihre Kirche weitgehend stumm blieb. Einer der wichtigsten Wortführer des Protestantismus wurde während des Krieges der württembergische Landesbischof Theophil Wurm, der gegen die Ermordung von Menschen mit geistiger Behinderung öffentlich Einspruch erhob.

Der überzeugte Pazifist Hermann Stöhr widersetzte sich aus christlicher Überzeugung seiner Einberufung zum Kriegs-dienst. Er wurde hingerichtet, weil er sich weigerte, den Fah-neneid auf Hitler zu leisten. Dietrich Bonhoeffer beteiligte sich bis zu seiner Festnahme im April 1943 aktiv an der Verschwö-

rung gegen Hitler. Er wusste, dass seine Entscheidung aus eigener Verantwortung erfolgte und seitens der Kirche nicht gedeckt wurde.

Dietrich Bonhoeffer (3. v. l.) mit vier italienischen Mitgefangenen und einem Wärter im Zuchthaus Tegel, Sommer 1944

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Evangelische Christen, die sich politisch gegen das NS-Re-gime wandten, konnten ihren Selbstbehauptungswillen aus den Grundlagen ihres Glaubens schöpfen, nicht aber auf die Unterstützung durch ihre Kirche hoffen. Sie blieben auf sich gestellt und fühlten sich oft allein gelassen.

Schon bald nach Abschluss des Reichskonkordates von 1933 war unübersehbar, dass Hitler den Einfluss des Katholizismus auf das öffentliche Leben zurückdrängen wollte. Seit Mitte der 1930er-Jahre setzten einzelne Geistliche und Gläubige dem Zeichen ihres Selbstbehauptungswillens und ihrer Glaubens-treue entgegen. Auseinandersetzungen um die Entkonfessio-nalisierung von Schule und Erziehung sowie die Kämpfe um Glaubenssymbole und kirchliche Wirkungsmöglichkeiten zeigten den Machthabern, wie unbeirrbar sich praktizierende Katholiken der weltanschaulichen „Gleichschaltung“ wider-setzten.

Während des Krieges wurden Hunderte von katholischen Geistlichen in Konzentrationslagern gefangen gehalten, mit Predigtverboten belegt oder unter Hausarrest gestellt. Ein-zelne wurden vom nationalsozialistischen „Volksgerichtshof“ oder dem Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt, andere starben während der Haft in Konzentrationslagern oder wur-den dort getötet. Die Ermordung von Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten seit Herbst 1939 stieß bei vielen Bischöfen, Geistlichen und Gläubigen auf offenen Widerspruch.

Zwar ließen sich einige Bischöfe über die Pläne oppositio-neller Kreise informieren und hielten während des Krieges Verbindung zu politischen Widerstandsgruppen wie dem Kreisauer Kreis. Der politische Widerstand katholischer Chris-ten konnte sich jedoch ebenso wenig wie die Gegenwehr evangelischer Christen auf offenen Rückhalt durch kirchliche Amtsträger berufen.

Pater Alfred Delp SJ (l.) und Pater Lothar König SJ in Valkenburg/Niederlande um 1935

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Das Gleiche galt für gläubige Katholiken wie Pater Franz Reinisch, Franz Jägerstätter und Josef Ruf, die den Wehrdienst und den Eid auf Hitler verweigerten, dafür wegen Wehrkraft-zersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.

33 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Predigt von Bischof Clemens August Graf von Galen gegen die Ermordung von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten[…] Andächtige Christen! In dem am 6. Juli in allen Kirchen Deutschlands verlesenen Hirtenbrief heißt es u. a.: „Gewiss gibt es nach der katholischen Sittenlehre positive Gebote, die nicht mehr verpflichten, wenn ihre Erfüllung mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden ist. Es gibt aber auch heilige Gewis-senspflichten, von denen uns niemand befreien kann und die wir erfüllen müssen, koste es uns selbst das Leben. Nie, unter keinen Umständen, darf der Mensch außerhalb des Krieges und der gerechten Notwehr einen Unschuldigen töten.“

Ich hatte schon am 6.7.41 Veranlassung, diesen Worten des gemeinsamen Hirtenbriefes in Telgte folgende Erläuterung hinzuzufügen: „Seit einigen Monaten hören wir Berichte, dass aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden. Regel-mäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mit-teilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannt, die Asche könne abgeliefert werden! Allgemein herrscht der an Si-cherheit grenzende Verdacht, dass diese zahlreichen unerwar-teten Todesfälle von Geisteskranken nicht von selber eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden und dass man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes lebens-unwertes Leben vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint, ihr Leben sei für Volk und Staat nicht mehr wert. Eine Lehre, die furchtbar ist, die die Ermordung Unschuldi-ger rechtfertigen will – die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen Invaliden, Krüppel, Unheilbarkranken, Alters-schwachen grundsätzlich freigibt.“

Wie ich zuverlässig erfahren habe, werden jetzt auch in den Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen Listen aufgestellt von solchen Pfleglingen, die als sogenannte „unproduktive Volks-genossen“ abtransportiert und in kurzer Zeit ums Leben gebracht werden sollen. Aus der Anstalt Marienthal bei Münster ist in dieser Woche der Transport abgegangen! Deutsche Männer und Frauen! Noch hat Gesetzeskraft § 211 des Strafgesetzbuches, der bestimmt:

„Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausführt, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.“ Wohl um diejenigen, die jene armen kranken Menschen, Ange-hörige unserer Familien, vorsätzlich töten, vor dieser gesetzlichen Bestrafung zu bewahren, werden die zur Tötung bestimmten Kranken aus der Heimat abtransportiert in eine entfernte Anstalt. Als Todesursache wird dann irgendeine Krankheit angegeben. Da die Leiche sogleich verbrannt wird, können die Angehörigen und auch die Kriminalpolizei es hinterher nicht mehr feststellen, ob die Krankheit wirklich vorgelegen hat und welche Todesursache vorlag. Es ist mir aber versichert worden, dass man im Reichsin-nenministerium und auf der Dienststelle des Reichsärzteführers Dr. Conti gar kein Hehl daraus machte, dass tatsächlich schon eine große Anzahl Geisteskranker in Deutschland getötet worden ist und getötet werden soll.

[…] Als ich von dem Vorhaben erfuhr, Kranke aus Marienthal abzutransportieren, um sie zu töten, habe ich am 28. Juli 1941 bei der Staatsanwaltschaft, beim Landgericht in Münster und beim Herrn Polizeipräsidenten in Münster Anzeige erstattet […]. Nachricht über ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei ist mir nicht zugegangen. – […]

So müssen wir damit rechnen, dass die armen, wehrlosen Kranken über kurz oder lang umgebracht werden. Warum? Nicht, weil sie ein todeswürdiges Verbrechen begangen haben, nicht etwa, weil sie ihren Wärter oder Pfleger angegriffen ha-ben, sodass diesem nichts anderes übrig blieb, als dass er zur Erhaltung des eigenen Lebens in gerechter Notwehr dem An-greifer mit Gewalt entgegentrat. Das sind Fälle, in denen neben der Tötung des bewaffneten Landesfeindes im gerechten Krieg Gewaltanwendung bis zur Tötung erlaubt und nicht selten ge-boten ist.

Nein, nicht aus solchen Gründen müssen solche unglückli-chen Kranke sterben, sondern darum, weil sie nach dem Urteil irgendeines Arztes, nach dem Gutachten irgendeiner Kommis-sion „lebensunwert“ geworden sind, weil sie nach diesem Gut-achten zu den „unproduktiven Volksgenossen“ gehören. Man urteilt, sie können nicht mehr Güter produzieren, sie sind wie eine alte Maschine, die nicht mehr läuft, sie sind wie ein altes Pferd, das unheilbar lahm geworden ist, sie sind wie eine Kuh, die nicht mehr Milch gibt. Was tut man mit einer alten Maschi-ne? Sie wird verschrottet! Was tut man mit solch einem alten Pferd, mit solch einem unproduktiven Stück Vieh? Nein, ich will den Vergleich nicht bis Ende führen – so furchtbar seine Berech-tigung und seine Leuchtkraft ist! Es handelt sich ja hier nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um ein Pferd oder um eine Kuh, deren einzige Bestimmung es ist, dem Menschen zu dienen, für den Menschen Güter zu produzieren. Man mag sie zerschlagen, man mag sie schlachten, so bald sie diese Bestim-mung nicht mehr erfüllen! Nein, hier handelt es sich um Men-schen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen, unproduktive Menschen – meinetwegen  –, aber haben sie dadurch das Recht verwirkt zu leben? Hast Du, habe ich, nur so lange ein Recht zu leben, so lange wir produzie-ren? So lange wir von anderen als produktiv anerkannt werden?

Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Menschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir altersschwach werden! Wenn man den unprodukti-ven Menschen töten darf, dann wehe den Invaliden, die im Pro-duktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man die unproduktiven Menschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren bra-ven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel, als In-validen in die Heimat zurückkehren! […]

Mitschrift einer Predigt des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, vom 3. August 1941, Landeskirchliches Archiv Düsseldorf

34 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

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Geboren 1887, studierte Max Josef Metz-ger Theologie und Philosophie in Freiburg sowie in Fribourg (Schweiz) und wurde 1911 zum Priester geweiht. Als Militärseel-sorger nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Schon während des Krieges wurde für ihn die Friedensarbeit zur vordringlichen Aufgabe, denn er war überzeugt, dass „Kriege künftig ihren Sinn verloren haben, indem sie niemand mehr Aussicht geben, mehr zu gewinnen als zu verlieren“.

1919 gründete er den Friedensbund deut-scher Katholiken und suchte Verbindung zur internationalen Friedensbewegung. Mit Nachdruck trat er für die ökumeni-sche Friedensidee ein und galt bald als führender deutscher Pazifist. Mehrfach wurde Metzger von der Gestapo festge-nommen.

1943 verfasste er ein Memorandum zur staatlichen Neuordnung Deutschlands und dessen Einbindung in eine zukünfti-ge Weltfriedensordnung. Als er versuch-te, diese Denkschrift dem schwedischen Erzbischof Erling Eidem von Uppsala zu übermitteln, wurde er von der Kurierin, einer Gestapoagentin, denunziert und am 29. Juni 1943 erneut festgenommen.

Max Josef Metzger wurde in einem 70-minütigen Schauprozess, in dem ihm der Vorsitzende Richter Roland Freisler keinerlei Möglichkeit zur Verteidigung einräumte, wegen „Hochverrat und Feind-begünstigung“ vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 17. April 1944 in Brandenburg-Görden enthauptet.

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Der 1878 geborene Clemens August Graf von Galen entstammte einer katholischen Adelsfamilie. Nach dem Theologiestudi-um empfing er 1904 die Priesterweihe und wurde 1933 zum Bischof von Münster er-nannt. Galen galt als national und konser-vativ eingestellt. Er wehrte sich schon 1934 gegen Angriffe der Nationalsozialisten auf die Kirche, katholische Vereine und

Schulen. Immer wieder brandmarkte er öffentlich nationalsozialistische Übergrif-fe und Unrechtstaten. Neben dem Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing wurde er zum wichtigen Wortführer der inner-kirchlichen Opposition.

Im Sommer 1941 hielt Galen drei be-rühmt gewordene Predigten, in denen er die Terrormethoden der Gestapo, die Morde an Patienten von Heil- und Pfle-geanstalten und die staatliche Beschlag-nahme von Klöstern durch die National-sozialisten öffentlich anprangerte. Die Predigten Galens fanden im In- und Ausland große Verbreitung. Sie wurden vom Londoner Rundfunk gesendet, als Flugblätter von alliierten Flugzeugen abgeworfen und von vielen Deutschen abgeschrieben und verbreitet. Die Na-tionalsozialisten wagten jedoch nicht, den beliebten Bischof von Münster zu verhaften.

Clemens August Graf von Galen über-lebte das Kriegsende und wurde kurz vor seinem Tod 1946 zum Kardinal ernannt.

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Geboren 1905, engagierte sich Kurt Gestein nach dem Abitur in der christlichen Ju-gendarbeit. Er studierte Bergbau und legte 1931 die Prüfung zum Diplom-Ingenieur ab. Im Mai 1933 trat Gerstein in die NSDAP ein. Im selben Jahr protestierte er offen gegen die Auflösung der evangelischen Jugend-verbände und schloss sich bald darauf der oppositionellen Bekennenden Kirche an. 1936 wurde er aus der NSDAP ausgeschlos-sen und zweimal inhaftiert.

Nachdem Kurt Gerstein von der Mord-aktion an Patienten von Heil- und Pflege-anstalten erfahren hatte, entschloss er sich, in die Waffen-SS einzutreten. Er hoff-te, auf diesem Weg nähere Informationen über Verbrechen der Nationalsozialisten zu erhalten. Gerstein wurde dem Sanitäts-wesen der Waffen-SS zugeteilt und über-nahm die Leitung des technischen Desin-fektionsdienstes. Im Juni 1942 bekam er erstmals den Auftrag, Blausäure (Zyklon B) zur Ermordung von Menschen zu be-schaffen. Im August 1942 wurde er zudem Zeuge des Massenmordes in den Vernich-tungslagern Belzec und Treblinka. Ger-stein informierte mehrfach ausländische Diplomaten und Geistliche über die natio-nalsozialistischen Gewaltverbrechen und versuchte, Lieferungen des Zyklon-B-Ga-ses zu sabotieren.

Am 22. April 1945 stellte er sich den französischen Behörden. Kurt Gerstein kam am 25. Juli 1945 in einem Pariser Ge-fängnis unter bis heute ungeklärten Um-ständen ums Leben. Der von ihm noch in der Haft verfasste Bericht ist eines der wichtigsten Dokumente über den Völker-mord an den Juden Europas.

35 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

katharina staritz

Priv

atbe

sitz

Geboren 1903, promovierte Katharina Sta-ritz 1928 als erste Frau an der Marburger Evangelisch-Theologischen Fakultät. Ab 1933 war sie als Stadtvikarin in Breslau tä-tig. 1938 übernahm Staritz die schlesische Vertrauensstelle der „Kirchlichen Hilfs-stelle für evangelische Nichtarier“ (Büro Pfarrer Grüber), die Christen jüdischer Herkunft bei der Auswanderung half und ihnen seelsorgerisch sowie mit sozialen Angeboten zur Seite stand. Auch nachdem

die Vertrauensstelle Anfang 1941 von der Gestapo geschlossen worden war, setzte Staritz gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte ihre Hilfe für Verfolgte fort.

Als die deutschen Juden im Septem-ber 1941 zum Tragen des „Judensternes“ gezwungen wurden, mahnte Staritz die Breslauer Pfarrämter in einem Rund-schreiben, die von der Diskriminierung betroffenen Mitglieder ihrer Gemeinde nicht auszugrenzen. Fünf Wochen später wurde sie durch die evangelische Kirchen-leitung in Breslau vom Amt suspendiert und im Dezember 1941 in der SS-Zeitung

„Das Schwarze Korps“ scharf angegriffen.Im März 1942 nahm die Gestapo Staritz

in Haft und verschleppte sie im August 1942 in das KZ Ravensbrück. Paul Graf Yorck von Wartenburg konnte nach Ver-handlungen mit dem Breslauer Gaulei-ter Hanke im Mai 1943 ihre Freilassung erreichen. Sie blieb jedoch weiter unter Aufsicht der Gestapo und durfte ihren Be-ruf nicht mehr ausüben. Katharina Sta-ritz überlebte das Kriegsende und wirkte nach 1945 im Pfarrdienst in Thüringen und Hessen.

emmy zehden

GDW

Die 1900 geborene Emmy Windhorst arbeitete nach der Schule als Hauswirt-schaftshelferin. Seit 1918 lebte sie in Ber-lin und heiratete Mitte der 1920er-Jahre Richard Zehden, der aufgrund seiner jü-dischen Herkunft später durch die Nürn-berger Rassengesetze diskriminiert wurde. 1930 schloss sie sich den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) an. Ihr Mann wurde 1938

wegen der Zugehörigkeit zu dieser Religi-onsgemeinschaft zu einer Gefängnisstra-fe von neun Monaten verurteilt.

Emmy Zehden war wie alle Zeugen Je-hovas eine entschiedene Gegnerin des Kriegsdienstes und beeinflusste ihren Neffen Horst Günter Schmidt, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Obwohl ihr Mann verurteilt wurde und Emmy Zehden wusste, dass ihre Haltung lebensgefähr-lich war, hielt sie an ihrer Überzeugung fest. Sie versteckte ihren Neffen sowie zwei weitere Kriegsgegner zeitweise in ihrer Wohnung in Berlin-Gatow und in der Gärtnerei von Otto und Jasmine Muhs in Berlin-Staaken. Die Gestapo entdeckte je-doch die Verstecke und nahm Emmy Zeh-den am 24. September 1942 fest.

Am 19. November 1943 wurde sie vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee ent-hauptet. Ihre Abschiedsbriefe wurden der Familie vorenthalten. Ihr Mann Richard Zehden wurde in das KZ Sachsenhausen verschleppt und 1943 ermordet.

elisabeth abegg

Priv

atbe

sitz

Die 1882 geborene, linksliberal eingestell-te Lehrerin Elisabeth Abegg unterrichtete ab 1924 am Berliner Luisen-Oberlyzeum Mädchen in Geschichte. Zu Beginn der NS-Zeit gehörte sie einem kleinen Kreis von Lehrerinnen und Schülerinnen an, die sich gegen die nationalsozialistische Ver-einnahmung der Schule wehrten. Abegg, eine entschiedene Gegnerin des NS-Re-gimes, wurde 1935 strafversetzt und 1941 zwangspensioniert. Im selben Jahr trat sie der Religionsgemeinschaft der Quäker bei, die unterschiedslos allen Verfolg-ten half.

Als ihre enge Freundin Dr. Anna Hirsch-berg, eine Christin jüdischer Herkunft, ihre Hilfsangebote ablehnte und im Juli 1942 deportiert wurde, wollte Abegg fortan möglichst viele Verfolgte retten. Mit ihrer Schwester Julie nahm sie zwölf Geflohe-ne in ihrer Wohnung in Berlin-Tempelhof auf, darunter die jüdische Kindergärtne-rin Liselotte Pereles, welche die kinderlose Abegg nach dem Krieg adoptierte. An-deren konnte sie Verstecke bei Freunden vermitteln.

Die Lehrerin versorgte gemeinsam mit Helfern aus ihrer alten Schule die „Illega-len“, half mit Geld und beschaffte falsche Papiere. In ihrer Wohnung unterrichtete, ernährte und schützte sie trotz des für sie bestehenden Risikos, entdeckt zu werden, jüdische Kinder und Jugendliche. Für den untergetauchten Jizchak Schwersenz ver-kaufte Abegg Schmuck, damit er Flucht-helfer bezahlen konnte, die ihn 1944 über die Schweizer Grenze brachten. Für ihre Hilfe für Verfolgte wurde Elisabeth Abegg nach dem Krieg mehrfach geehrt.

36 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Regimekritik und Versuche der Gegenöffentlichkeit

Mit verschiedenen Mitteln versucht die NS-Führung das Abhören ausländischer Sender zu verhindern. Die NSDAP-Ortsgruppen warnen ab 1941 mit einem Anhän-ger für Radiogeräte vor „Rundfunkverbrechen“.

Priv

atbe

sitz

Mit Kriegsbeginn wurden der Empfang ausländischer Rund-funksendungen und die Verbreitung von „Feindmeldungen“ als „Rundfunkverbrechen“ unter Strafe gestellt. Damit sollte verhindert werden, dass sich die Deutschen über den tatsäch-lichen Verlauf des Krieges und über die politischen Ziele und militärischen Erfolge der Alliierten informierten.

Ab 1941 wurden immer mehr Menschen, die gegen dieses Verbot verstoßen hatten, wegen „Feindbegünstigung“ oder „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt. Vor allem Regimegegner versuchen dennoch, sich unabhängig von den Nachrichten der NS-Propaganda und den Wehrmachtsberichten zu infor-mieren und anschließend andere über die Kriegslage und die deutschen Gewaltverbrechen aufzuklären.

Auch kritische Äußerungen über die NS-Führung oder Zwei-fel am deutschen „Endsieg“ wurden unerbittlich geahndet. In den letzten Jahren des Krieges wurde dafür immer häufiger die Todesstrafe verhängt. Die Polizei ermittelte nach Hinwei-

sen aus der Bevölkerung und oftmals nach Denunziationen von Bekannten oder Familienmitgliedern.

elise und otto hampel

Priv

atbe

sitz

Die 1903 geborene Elise Lemme wuchs in der Nähe von Stendal mit vier Geschwis-

tern auf. Sie arbeitete als Hausmädchen und Näherin. Im Januar 1937 heiratete sie den 1897 geborenen Arbeiter Otto Ham-pel. Ihre Ehe blieb kinderlos. Sie wohnten im Berliner Arbeiterviertel Wedding und führten ein angepasstes und unauffälli-ges Leben. Elise Hampel war seit 1936 Mit-glied und Zellenleiterin in der Frauenorga-nisation der NSDAP.

Der Tod ihres Bruders Kurt, der im Juni 1940 als Soldat in Frankreich fiel, erschüt-terte Elise Hampel tief und ließ sie an der NS-Propaganda von der Notwendigkeit des Krieges zweifeln. Gemeinsam mit ih-rem Mann Otto begann sie kurz darauf, mit handgeschriebenen Postkarten und Flugzetteln zum Widerstand gegen Hitler und den Krieg aufzurufen. Diese Appelle

verteilten die beiden in Berliner Treppen-häusern und Briefkästen, insgesamt mehr als zweihundert Stück.

Zwei Jahre nach Beginn ihrer Aktionen, Ende September 1942, wurden sie festge-nommen. Die Bewohnerin eines Hauses hatte sie beim Ablegen der Karten beob-achtet und bei der Polizei denunziert. Der

„Volksgerichtshof“ verurteilte Elise und Otto Hampel wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, „Feindbegünstigung“ und

„Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode. Sie wurden am 8. April 1943 in Berlin-Plöt-zensee enthauptet. Das Schicksal des Ehe-paars Hampel diente dem Schriftsteller Hans Fallada als Grundlage für seinen Roman „Jeder stirbt für sich allein“.

berta schäfer

Priv

atbe

sitz

Die 1902 geborene Berta Klose war nach dem Besuch der Mittelschule und einer

einjährigen Wirtschaftslehre als Telefonis-tin tätig. 1932 schloss sie sich in Detmold der KPD an, der auch ihr späterer Ehemann Wilhelm Schäfer angehörte. Nach der natio-nalsozialistischen Machtübernahme wurde Wilhelm Schäfer aus dem lippischen Staats-dienst entlassen. Berta Schäfer hielt ihre politischen Kontakte weiterhin aufrecht, beteiligte sich an der Verbreitung von Flug-blättern der illegalen KPD und unterstütz-te politisch Verfolgte und deren Familien. Nach einer ersten Festnahme 1933 wurde sie im August 1934 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einem Jahr und vier Mona-ten Gefängnis verurteilt.

Nach ihrer Haftentlassung stand Berta Schäfer unter Beobachtung der Gestapo und hatte unter beruflichen Repressionen

zu leiden. Sie lebte inzwischen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen im nieder-sächsischen Verden, hörte nach Kriegsbe-ginn regelmäßig ausländische Radiosender ab und gab die Informationen beim Einkau-fen und auf der Arbeit an andere Frauen im Ort weiter. Sie wollte damit das Nachrich-tenmonopol der Nationalsozialisten durch-brechen und über den tatsächlichen Verlauf des Krieges aufklären.

Berta Schäfer wurde am 19. Januar 1943 vom Sondergericht Hannover wegen „Rund-funkverbrechen“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Ende März 1945 konnte sie aus einem Außenkommando des Zuchthauses Lübeck-Lauerhof fliehen und sich bis zum Kriegsende verstecken.

37 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, „Bewährungseinheiten“ 999

Seit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 lehnten Einzelne, die sich auf ihr Gewissen und ihren Glau-ben beriefen, konsequent den Dienst mit der Waffe und den Fahneneid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ab. Vor allem Angehörige der Zeugen Jehovas verweigerten sich aus Glaubensgründen dem Militärdienst und dem Fah-neneid.

Kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen trat am 26. Au-gust 1939 die „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“ (KSSVO) in Kraft, nach der die Verweigerung des Militärdienstes als

„Zersetzung der Wehrkraft“ geahndet wurde. Allein das Reichskriegsgericht verhängte auf dieser Grundlage zwi-schen 1939 und 1945 etwa 250 Todesurteile gegen Kriegs-dienstverweigerer; vor allem gegen Zeugen Jehovas. Da-gegen blieb die Zahl der Verweigerer aus dem Kreis der evangelischen und katholischen Kirche gering. Diese konn-ten kaum mit Unterstützung ihrer Kirchen rechnen, die viel-

mehr an die Opferbereitschaft und den Einsatzwillen der Soldaten appellierten.

Trotz der harten Strafen, auch für „Fahnenflucht“, desertier-ten Soldaten der Wehrmacht. Zu ihren Motiven gehörte der Wunsch, das eigene Leben zu retten, die grundsätzliche Ab-lehnung des als sinnlos empfundenen Krieges und die Weige-rung, an nationalsozialistischen Verbrechen mitzuwirken. Die Wehrmachtjustiz verurteilte insgesamt etwa 20 000 Deser-teure zum Tode, von diesen Urteilen wurden etwa 15 000 bis Kriegsende vollstreckt.

Vorgeblich zur „Bewährung im Fronteinsatz“ wurden ab Ende 1942 ehemalige Strafgefangene in „Bewährungseinhei-ten“ 999 der Wehrmacht zusammengefasst. Tatsächlich benö-tigte das NS-Regime im dritten Jahr des Krieges immer mehr Soldaten. Unter den „999ern“ waren auch Regimegegner, die wegen ihres politischen Widerstands verurteilt worden waren. Viele von ihnen desertierten, weil sie nicht für den Nationalso-zialismus kämpfen wollten.

hermann abke

GDW

Der 1903 geborene Dreher Hermann Abke kam Mitte der 1920er-Jahre mit den Leh-

ren der Bibelforscher (Zeugen Jehovas) in Berührung und bekannte sich auch nach dem reichsweiten Verbot der Religions-gemeinschaft im April 1935 zu seinem Glauben. 1939 heiratete er die Hausgehil-fin Mariechen Nissen. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor.

Als Hermann Abke im April 1944 zur Wehrmacht einberufen wurde, erklärte er, aus religiösen Gründen keinen Wehr-dienst leisten zu können, und verweiger-te den Eid auf Hitler. Er wurde im Wehr-machtsgefängnis Fort Zinna in Torgau inhaftiert und am 27. Juni 1944 vom 1. Senat des Reichskriegsgerichts wegen

„Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verur-teilt. Grundlage hierfür bildete der § 5 der am 26. August 1939 in Kraft getrete-

nen „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“ (KSSVO). Hermann Abke wurde am 17. Juli 1944 in Halle an der Saale enthauptet.

„Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich, beein-flusst durch die Eindrücke des vorigen Krie-ges, der Auffassung, dass es unchristlich ist, Menschen zu töten. Diese Auffassung finde ich auch in der Bibel begründet. […] Es ver-stößt auch gegen meinen Glauben mich in die Wehrmacht einordnen zu lassen, selbst wenn ich nicht mit der Waffe kämpfen brauche, da die Wehrmacht eine Organisa-tion ist, die den christlichen Grundsätzen widerstreitet. […] Die Ablegung eines Eides lehne ich aus biblischen Gründen ab. […]“

Begründung Hermann Abkes für seine Wehrdienstverwei-gerung, Mai 1944, Militärhistorisches Archiv Prag

ludwig gehm

Priv

atbe

sitz

Der 1905 geborene Ludwig Gehm war seit seiner Jugend in sozialistischen Gruppen

aktiv und trat Anfang der 1920er-Jahre der SPD bei. Seit 1927 gehörte er dem Interna-tionalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an. In Frankfurt am Main war er Mitglied eines Widerstandskreises, der zur Tarnung vegetarische Restaurants betrieb. Mehr-fach festgenommen und 1938 zu einer Zuchthausstrafe verurteilt, wurde Ludwig Gehm nach der Haft in das KZ Buchen-wald überstellt und kam von dort 1943 zu den „Bewährungseinheiten“ 999. Beim Einsatz in Griechenland desertierte er 1944 zur dortigen nationalen Befreiungs-bewegung ELAS. Hier versuchte er unter anderem mit Flugblättern, die Soldaten der Wehrmacht zur Aufgabe des Kampfes zu bewegen. Ludwig Gehm überlebte den Krieg in britischer Kriegsgefangenschaft.

„Das Nazi-Regime ist ohne Gewalt nicht zu beseitigen. Dies war eigentlich der für mich entscheidende Grund, wegzugehen und dann auch zu den Partisanen zu gehen und aktiv gegen die SS zu kämpfen. Ohne Gewalt geht es nicht. Wir allein sind viel zu schwach, und in Deutschland wird es kei-ne Gewalt gegen Hitler geben. Wir werden also angewiesen sein auf die Gewalt, die die Gegner Deutschlands gegenüber Deutsch-land und damit eben gegen den National-sozialismus anwenden, das heißt: Krieg führen.“

Ludwig Gehm über seinen Entschluss, zu den griechischen Partisanen zu desertieren, in: Antje Dertinger, Der treue Partisan. Ein deutscher Lebenslauf: Ludwig Gehm, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Bonn 1989, S. 143 f.

38 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Rote KapelleBereits Mitte der 1930er-Jahre waren in Berlin Freundes-, Dis-kussions- und Schulungskreise entstanden, die sich 1940/41 durch persönliche Kontakte zu einem losen Netzwerk von sieben Berliner Widerstandskreisen verbanden. Ihnen gehör-ten mehr als 150 Menschen ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft und weltanschaulicher Traditionen an, die aus dem universitären Bereich, aus Kunst, Publizistik und Verwaltung kamen, darunter viele Frauen. Sie alle einte die entschiedene Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Sie diskutierten über politische und künstlerische Fragen, halfen Verfolgten und do-kumentierten die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Über ihren engeren Kreis hinaus wandten sie sich an die Öf-fentlichkeit, indem sie Flugblätter und Klebezettel verbreite-ten. Schließlich nahmen sie Kontakte zu Gleichgesinnten in anderen Teilen Deutschlands auf.

Schon 1933 hatten Arvid Harnack, ein Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium, und seine Frau Mildred pri-vate Diskussionsrunden zur politischen Zukunft nach dem Sturz des NS-Regimes veranstaltet. An diesen Treffen nahmen neben den engen Freunden Adam und Greta Kuckhoff auch Schüler des Berliner Abendgymnasiums wie Karl Behrens und Bodo Schlösinger teil. Mitte der 1930er-Jahre knüpfte der Kreis um Harnack Kontakte zu Sozialdemokraten wie Adolf Grimme und zu kommunistischen Kreisen um John Sieg. Im Sommer 1939 vermittelte das Ehepaar Kuckhoff den intensi-veren Kontakt zwischen Harnack und Harro Schulze-Boysen, der seit 1934 im Reichsluftfahrtministerium arbeitete, und dessen Frau Libertas. 1940 stieß eine Gruppe von ehemaligen Schülern der Berliner Schulfarm Insel Scharfenberg zum Kreis um Schulze-Boysen hinzu. Dazu gehörten neben anderen Hil-de und Hans Coppi, Hans Lautenschläger und Heinrich Scheel. Nun begann zwischen den einzelnen Gruppen eine enge Zu-sammenarbeit, deren Höhepunkt 1941/42 erreicht war.

AktionenArvid Harnack und Harro Schulze-Boysen gewannen nicht nur stets neue Gesinnungsfreunde, sie hielten auch Kontakt zu amerikanischen und sowjetischen Botschaftsvertretern in

Berlin. Im Frühjahr 1941 informierten sie die sowjetische Bot-schaft über die Vorbereitungen der Wehrmacht zum Überfall auf die Sowjetunion. Doch Stalin ignorierte die Warnungen. Zwei Funkgeräte, die die sowjetische Botschaft Harnack und Schulze-Boysen im Sommer 1941 zur Aufrechterhaltung der Verbindung zur Verfügung stellte, kamen wegen technischer Probleme nicht zum Einsatz. Ab Herbst 1941 begannen die überzeugten Regimegegner damit, die deutsche Bevölkerung mit Flugblättern und Klebezetteln über die NS-Gewaltverbre-chen zu informieren und vor den Folgen eines verlorenen Krie-ges für die Eigenstaatlichkeit Deutschlands zu warnen.

Harro Schulze-Boysen (vorne links) im Reichsluftfahrtministerium um 1940

GDW

Im Frühjahr 1942 verstärkten sie ihre Flugschriftenaktionen und ihre Hilfen für Verfolgte und Zwangsarbeiter. Auch die Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen, besonders nach Hamburg, wurden intensiviert. In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1942 tauchten in mehreren Berliner Stadtbezirken Kle-bezettel auf, auf denen gegen die große NS-Propaganda-Aus-stellung „Das Sowjetparadies“ protestiert wurde. Diese Kle-bezettel hatte Fritz Thiel organisiert, in dessen Wohnung sich die Beteiligten am Abend des 17. Mai zusammenfanden. Ange-klebt werden die Zettel von Otto Gollnow und Liane Berkowitz sowie Werner Krauss und dessen Freundin Ursula Götze.

Trotz intensiver Ermittlungen gelang es der Gestapo zu-nächst nicht, der Gruppe auf die Spur zu kommen. Dies än-derte sich, als Mitte Juli 1942 ein Funkspruch des militäri-schen Nachrichtendienstes GRU aus Moskau entschlüsselt werden konnte. Der Funkspruch vom August 1941 war an den Brüsseler Agenten „Kent“ (Anatoli Gurewitsch) gerichtet und enthielt die Adressen von Kuckhoff und Schulze-Boysen.

„Kent“ hatte diese im Oktober 1941 besucht und Informationen über Brüssel nach Moskau weitergegeben. Ende August 1942 erfuhr Horst Heilmann, ein Mitglied der Gruppe, von den ent-schlüsselten sowjetischen Funksprüchen und versuchte, seine Freunde zu warnen. Doch in kürzester Zeit wurden weit über 130 Mitglieder festgenommen. Aufgrund der Verbindung zu

„Kent“ sah die Gestapo die Berliner Gruppe fälschlicherweise als Teil der sowjetischen Spionageorganisation an und gab ihr den Namen „Rote Kapelle“. In den folgenden Monaten wurden 49 Menschen der Gruppen um Harnack und Schulze-Boysen von der NS-Unrechtsjustiz zum Tode verurteilt und ermordet.

39 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

mildred und arvid harnack

Mildred und Arvid Harnack mit Martha Dodd (r.), der Tochter des US-Botschafters William Dodd, um 1935

GDW

Der 1901 geborene Arvid Harnack wuchs in einer Gelehrten-familie auf und schloss sich nach dem kriegsbedingten Not-abitur 1919 einem Freikorps an. Ein Rockefeller-Stipendium ermöglichte dem Juristen von 1926 bis 1928 ein Studium in Madison/Wisconsin. Dort lernte er seine Frau Mildred kennen. 1931 promovierte Harnack in Gießen über die vormarxistische Arbeiterbewegung in den USA. Mit einer Delegation der von ihm mitbegründeten Gesellschaft zum Studium der sow-jetrussischen Planwirtschaft (ARPLAN) reiste er im Sommer 1932 in die Sowjetunion.

1933 begann Harnack einen Schulungszirkel aufzubauen. Er wollte die Beteiligten befähigen, sich mit den politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, und sie für die Zeit nach dem Sturz des NS-Regimes vorbereiten. Ab 1935 im Amerikareferat des Wirt-schaftsministeriums tätig, stieg Harnack bis 1942 zum Oberre-gierungsrat auf.

Anfang 1942 erarbeitete Harnack die Studie „Das nationalso-zialistische Stadium des Monopolkapitals“, die in Berliner und Hamburger Widerstandskreisen zirkulierte. Arvid Harnack wur-de am 7. September 1942 festgenommen, am 19. Dezember vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und auf Befehl Hitlers am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1902 in Milwaukee/Wisconsin (USA) geborene Mildred Fish stammte aus einer amerikanischen Kaufmannsfamilie und lehr-te Literaturwissenschaft an der Universität Madison, wo sie Arvid Harnack während seines Studiums in den Vereinigten Staaten kennenlernte. Drei Jahre nach ihrer Heirat 1926 folgte Mildred ihrem Mann 1929 nach Deutschland. Sie lehrte am Berliner Städ-tischen Abendgymnasium und an der Volkshochschule Groß-Ber-lin. 1941 promovierte sie in Gießen und arbeitete als Dozentin an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität. Gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sie sich an allen Aktionen der Widerstandsgruppe.

Mildred Harnack wurde gemeinsam mit ihrem Mann festge-nommen und am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 21. Dezember 1942 hob Hitler das Urteil auf und beauftragte das Reichskriegsgericht mit einer zweiten Hauptverhandlung, die am 16. Januar 1943 mit der Todesstrafe endete. Mildred Harnack wurde am 16. Februar 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

libertas und harro schulze-boysen

Libertas und Harro Schulze-Boysen in Mülheim um 1935

GDW

Der 1909 geborene Harro Schulze-Boysen engagierte sich Ende der 1920er-Jahre im national-liberalen Jungdeutschen Orden. Als Herausgeber der Zeitschrift „gegner“ hatte er 1932/33 viel-fältige Kontakte in politisch unterschiedliche Lager. Nach dem Verbot des „gegner“ und einer kurzfristigen Haft in einem Ber-liner SA-Folterkeller begann Schulze-Boysen im Mai 1933 eine Ausbildung an der Verkehrsfliegerschule in Warnemünde. Seit April 1934 war er im Reichsluftfahrtministerium tätig und bil-dete um sich Mitte der 1930er-Jahre einen engeren Freundes- und Widerstandskreis.

Gemeinsam mit Arvid Harnack informierte Harro Schul-ze-Boysen im ersten Halbjahr 1941 einen Vertreter der sowjeti-schen Botschaft über die Angriffspläne gegen die Sowjetunion. Seine Initiative, den Kontakt nach Moskau während der Kriegs-zeit über ein Funkgerät aufrechtzuerhalten, wurde durch tech-nische Probleme verhindert.

Schulze-Boysen gewann nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 neue Mitstreiter, beteiligte sich an der Ausarbeitung von Flugschriften, an einer Klebezettel-Akti-on und hatte Kontakte zu politisch und weltanschaulich un-terschiedlich orientierten Hitler-Gegnern. Am 31. August 1942 festgenommen, wurde Harro Schulze-Boysen am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und drei Tage später auf Befehl Hitlers in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1913 geborene Libertas Haas-Heye begann 1933 eine Tä-tigkeit als Pressereferentin bei der Filmproduktionsfirma Me-tro-Goldwyn-Mayer in Berlin. Im Sommer 1934 lernte sie Harro Schulze-Boysen kennen, den sie im Sommer 1936 heiratete. Die Journalistin und Autorin arbeitete mit dem Autor und Schriftstel-ler Günther Weisenborn an einem Theaterstück „Die guten Feinde“ über den Mediziner und Nobelpreisträger Robert Koch. Im Jahre 1940 schrieb sie vor allem Filmkritiken und sammelte zugleich in der deutschen Kulturfilmzentrale im Reichspropagandaminis-terium Bildmaterial über NS-Gewaltverbrechen. Sie unterstützte ihren Mann bei der Suche nach neuen Verbindungen im Wider-stand. Ende Oktober 1941 empfing sie den aus Brüssel angereisten sowjetischen Offizier des militärischen Nachrichtendienstes und vermittelte ihm ein Gespräch mit ihrem Mann. Nach dessen Fest-nahme warnte sie Freunde und schaffte illegales Material beiseite. Libertas Schulze-Boysen wurde am 8. September festgenommen, am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verur-teilt und drei Tage später in Berlin-Plötzensee enthauptet.

40 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

hans coppi

Priv

atbe

sitz

Als Kind einer Arbeiterfamilie 1916 im Ber-liner Bezirk Wedding geboren, besuchte

Hans Coppi von 1929 bis 1932 die reform- pädagogische Schulfarm auf der Insel Scharfenberg im Tegeler See. 1931/32 schloss er sich den „Roten Pfadfindern“ und dem KJVD an. Wegen illegalen Verteilens von Flugblättern gesucht, wurde er Ende Januar 1934 festgenommen, kurze Zeit im KZ Oranienburg inhaftiert und zu einem Jahr Jugendgefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung schloss er sich wieder dem Scharfenberger Freundes- und Wider-standskreis an.

Hans Coppi arbeitete als Dreher in ei-ner kleinen Maschinenbaufabrik. Ab 1939 war er in der Widerstandsgruppe um den Dramaturgen Wilhelm Schürmann-Horster aktiv. Harro Schulze-Boysen gewann Coppi im Juni 1941 für die Aufgabe, eine Funk-

verbindung der Widerstandsorganisation in die Sowjetunion herzustellen. Dies kam wegen fehlender Vorkenntnisse und tech-nischer Probleme jedoch nicht zustande. Coppi beteiligte sich an Flugblatt- und Kle-bezettel-Aktionen und kümmerte sich im August 1942 um den aus Moskau eingetrof-fenen Fallschirmagenten Albert Hößler.

Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht am 10. September 1942 wurde Hans Coppi am 12. September 1942 in Schrimm bei Po-sen festgenommen, am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode ver-urteilt und am 22. Dezember 1942 in Ber-lin-Plötzensee erhängt.

hilde coppi

Priv

atbe

sitz

Die 1909 geborene Hilde Rake wuchs in Berlin-Mitte auf. Ihre Mutter hatte ei-

nen kleinen Laden für Lederwaren. Nach dem Besuch eines Mädchengymnasiums (Lyzeums) und einer höheren Handels-schule arbeitete sie in den 1930er-Jahren als Sprechstundenhilfe und seit 1939 als Sachbearbeiterin bei der Reichsversiche-rungsanstalt für Angestellte. Während des Besuchs der Volkshochschule freunde-te sie sich 1933 mit kommunistischen Ju-gendlichen an. Ihr jüdischer Freund Franz Karma musste 1939 nach Skandinavien emigrieren.

Im Juni 1941 heiratete sie Hans Coppi, mit dem sie seit 1939 eng befreundet war. Sie unterstützte dessen Widerstandsak-tivitäten und beteiligte sich an der Zet-telklebeaktion gegen die antisowjetische Propagandaausstellung „Das Sowjetpara-

dies“ im Berliner Lustgarten. Mehrfach in-formierte sie Angehörige deutscher Kriegs-gefangener über deren Lebenszeichen, die der Moskauer Rundfunk ausstrahlte.

Am 12. September nahm die Gestapo Hans und Hilde Coppi sowie ihre Mutter, ihre Schwiegereltern und ihren Schwager fest. Ende November 1942 wurde ihr Sohn Hans im Berliner Frauengefängnis Bar-nimstraße geboren. Das Reichskriegsge-richt verurteilte Hilde Coppi am 20. Januar 1943 zum Tode. Nachdem Hitler im Juli 1943 ein Gnadengesuch ablehnte, wurde sie am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das VolkVergeblich müht sich Minister Goebbels, uns immer neuen Sand in die Augen zu streuen. Die Tatsachen sprechen eine harte, warnende Sprache. Niemand kann mehr leugnen, dass sich unsere Lage von Monat zu Monat verschlechtert. Niemand kann noch länger die Augen verschließen vor der Ungeheu-erlichkeit des Geschehens, vor der uns alle bedrohenden Kata-strophe der nationalsozialistischen Politik. […]

Bisher hat man uns mit der Hoffnung auf den Endsieg ver-tröstet. Man hat von der Unfehlbarkeit des Führers und von den Errungenschaften des Dritten Reiches gesprochen. Wo alle Stricke rissen, da machte man uns Angst mit der Gestapo, da holt man immer noch einmal die alte Platte vom Bolschewis-tenschreck aus der Rumpelkammer, da spricht man von der ent-setzlichen Rache, die das ganze deutsche Volk für die Taten der bisherigen Regierenden über sich werde ergehen lassen müs-sen. Man will uns Angst vor der Zukunft einflößen.

Mögen sich diejenigen weiter belügen lassen, die zu schwach sind, die Wahrheit zu erfahren. Mögen diejenigen weiter untä-

tig bleiben, die zu träge sind, die Wahrheit zu suchen. Alle Ver-antwortungsbewussten müssen mit den Tatsachen rechnen: Ein Endsieg des nationalsozialistischen Deutschland ist nicht mehr möglich. Jeder kriegverlängernde Tag bringt nur neue un-sagbare Leiden und Opfer. Jeder weitere Kriegstag vergrößert nur die Zeche, die am Ende von Allen bezahlt werden muss. […]

Was kann der Einzelne tun, um seinen Willen zur Geltung zu bringen? Jeder muss Sorge tragen, dass er – wo immer er kann – das Gegenteil von dem tut, was der heutige Staat von ihm fordert. […] Die Wahrheit über die wirkliche Lage muss ins Volk dringen. Lasst darum keine Gelegenheit vorübergehen, der Propaganda entgegenzutreten. […] Wendet Euch gegen die Fort-setzung eines Krieges, der im besten Falle nicht das Reich allein, sondern den ganzen Kontinent zum Trümmerfeld macht. […]“

Flugschrift von Harro Schulze-Boysen unter Mitarbeit von John Sieg, im Februar 1942 in mehreren hundert Exemplaren in Berlin versandt, Bundesarchiv

41 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

helmut himpel

Priv

atbe

sitz

Der 1907 geborene Zahnarzt Helmut Him-pel eröffnete 1937 eine Praxis in Berlin-

Charlottenburg. Schon bald unterstützte er hier Verfolgte des NS-Regimes medizinisch und besuchte abends seine jüdischen Pa-tienten, die ihn nicht mehr aufsuchen durften. Er hatte seit 1939 Kontakt zu Har-ro Schulze-Boysen und John Graudenz. Mehrfach beteiligte er sich an der Verbrei-tung von Flugschriften, etwa bei „Die Sor-ge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“.

Erst nach der Festnahme der Angehöri-gen der Roten Kapelle im Herbst 1942 wurde aufgedeckt, dass John Graudenz einen Ver-vielfältigungsapparat besorgt und zusam-men mit Helmut Himpel und Maria Terwiel Herstellung und Versand der Flugschriften organisiert hatte. Gemeinsam mit ihr be-schaffte Himpel 1941 auch Personalpapiere

für in der Stadt untergetauchte Juden, die sich der Deportation entzogen hatten.

Himpel gewann Ende 1941 auch den Pia-nisten Helmut Roloff für die Widerstandsak-tivitäten der Gruppe. Am 17. September 1942 wurden Helmut Himpel und seine Lebens-gefährtin Maria Terwiel festgenommen und am 26. Januar 1943 gemeinsam mit der Tänzerin Oda Schottmüller und dem jungen Kommunisten Walter Husemann wegen

„Hochverrat“ und „Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. Noch in der Haft befasste Himpel sich mit theologischen Fragen und erhoffte sich für die Zeit nach dem National-sozialismus eine größere Gemeinsamkeit der evangelischen und katholischen Kirche. Helmut Himpel wurde am 13. Mai 1943 in Berlin-Plötzensee erhängt.

maria terwiel

Priv

atbe

sitz

Die 1910 geborene Maria Terwiel besuchte das Gymnasium in Stettin, wo ihr Vater

als Vizepräsident beim Oberpräsidium der Provinz Pommern arbeitete. Nach dem Abitur 1931 studierte Maria Terwiel in Frei-burg und München Jura. In Freiburg lernte sie ihren späteren Verlobten Helmut Him-pel kennen. Da sie wegen ihrer jüdischen Mutter keine Aussicht auf eine Stelle im staatlichen juristischen Vorbereitungs-dienst hatte, brach sie ihr Studium ab und kehrte zu ihrer Familie zurück, die inzwi-schen in Berlin wohnte. Ihren Lebensun-terhalt verdiente sie ab 1935 als Sekretä-rin in einem französisch-schweizerischen Textilunternehmen.

Maria Terwiel und Helmut Himpel un-terstützten jüdische Mitbürger, indem sie ihnen Lebensmittelkarten und Perso-nalpapiere beschafften. Sie lernten Harro

Schulze-Boysen und John Graudenz ken-nen und beteiligten sich an den Aktionen dieser Widerstandsgruppe. Maria Terwiel vervielfältigte auf ihrer Schreibmaschine mehrere Flugschriften, darunter im Ja-nuar 1942 die Flugschrift „Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“. Zudem beteiligte sie sich an der Zettelklebeaktion vom 17./18. August 1942 gegen die nationalsozialistische Propagan-daausstellung „Das Sowjetparadies“.

Im Zuge der Verhaltungswelle gegen die Widerstandsgruppe wurde Maria Terwiel am 17. September 1942 festgenommen, am 26. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

liane berkowitz

GDW

Die 1923 in Berlin als Tochter des aus der Sowjetunion geflohenen russischen Ka-

pellmeisters Viktor Wasiljew geborene Liane wurde nach dem Tode ihres Vaters 1930 von ihrem Stiefvater Henry Berko-witz adoptiert, der nach seiner Scheidung 1939 ins Ausland emigrierte.

Liane Berkowitz sprach fließend Russisch und besuchte die Heilsche Abendschule. Sie lernte dort Fritz Thiel und ihren späte-ren Verlobten Friedrich Rehmer kennen, mit denen sie an den Schulungszirkeln von John Graudenz teilnahm. Liane Berkowitz beteiligte sich mit Otto Gollnow an der Zettelklebeaktion vom 17./18. August 1942 gegen die antisowjetische Propagandaaus-stellung „Das Sowjetparadies“.

Am 26. September 1942 wurde sie fest-genommen und am 18. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Im

Berliner Frauenstrafgefängnis Barnimstra-ße brachte sie am 12. April 1943 ihre Tochter Irene zur Welt, die ab Juli 1943 von der Groß-mutter betreut wurde und im Oktober 1943 vermutlich einer NS-Krankenmordaktion im Krankenhaus Eberswalde zum Opfer fiel. Liane Berkowitz wurde am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet.

Zuvor hatte Adolf Hitler am 21. Juli 1943 persönlich die Gnadengesuche von 17 Mit-gliedern der Berliner Roten Kapelle abge-lehnt. Selbst das Reichskriegsgericht hatte ihm empfohlen, die 22-jährige Keramike-rin Cato Bontjes van Beek und die 19-jäh-rige Schülerin Liane Berkowitz wegen der geringen Schwere ihrer Taten zu begna-digen. Hitler lehnte dies jedoch ebenfalls ausdrücklich ab.

42 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Weiße RoseAn der Münchener Universität fand sich im Frühjahr 1942 um Hans Scholl und Alexander Schmorell eine Gruppe von Studie-renden zusammen, die sich der totalen Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus entziehen und ihre geistige Unabhän-gigkeit bewahren wollten. Zu ihnen gehörten Sophie Scholl, Christoph Probst und Willi Graf. Alle wurden auch durch ihren Hochschullehrer, den Philosophen Kurt Huber, geprägt, mit dem sie Grundfragen einer politischen Neuordnung diskutierten.

Zwischen dem 27. Juni und dem 12. Juli 1942 versandten Hans Scholl und Alexander Schmorell die von ihnen gemeinsam ver-fassten ersten vier Flugblätter der „Weißen Rose“ in einer Aufla-ge von mehr als hundert Exemplaren anonym per Post an aus-gewählte Adressaten aus ihrem Bekanntenkreis. Sie forderten darin zum „passiven Widerstand“ gegen Hitlers verbrecherische Kriegsführung auf, verlangten ein sofortiges Ende des Krieges, den Sturz des NS-Regimes und prangerten die nationalsozialisti-schen Gewaltverbrechen an.

Von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 wurden Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf als Sanitäter an der Ostfront eingesetzt. Nach ihrer Rückkehr unterstützte Kurt Huber im Ja-nuar 1943 Hans Scholl beim Text des fünften Flugblatts, das von diesem, seiner Schwester Sophie, Alexander Schmorell und Willi Graf vervielfältigt und in einer Auflage von mehr als 6000 Ex-emplaren in München, Augsburg, Stuttgart und Frankfurt am Main sowie in Salzburg, Linz und Wien verbreitet wurde. Allein in München wurden in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1943 mehr als 2000 Flugblätter ausgelegt. Die Studierenden ver-suchten zudem, Kontakte in andere Städte aufzubauen. In Ulm formierte sich eine Gruppe von Schülern, die Verbindung zu Hans und Sophie Scholl hielt.

Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf schrieben unter dem Eindruck der Niederlage von Stalingrad Anfang Fe-bruar 1943 nachts Parolen wie „Freiheit“, „Nieder mit Hitler“ oder „Massenmörder Hitler“ an Münchener Hausfassaden. Ebenfalls Anfang Februar 1943 verfasste Kurt Huber das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe. Es wandte sich in einer Auflage von 2000 Exemplaren ausdrücklich an die Münchener Studierenden und gegen das „furchtbare Blutbad“, das die Nationalsozialisten in Europa angerichtet hatten.

Am frühen Morgen des 18. Februar 1943 legten Hans und So-phie Scholl es in der Münchener Universität aus und warfen in einem spontanen Entschluss mehr als 100 Flugblätter in den Lichthof der Universität. Dabei wurden sie von einem Hausmeis-ter gestellt und der Gestapo übergeben. Führende Mitglieder der Weißen Rose wurden festgenommen und vor Gericht gestellt. Die nationalsozialistischen Machthaber sahen in ihren Taten und in ihrem ethisch begründeten Appell an das Gewissen ein politisches Schwerverbrechen. Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst wurden noch am Tage ihrer Verurteilung am 22. Februar 1943 im Gefängnis München-Stadelheim enthauptet.

In einem zweiten Prozess verurteilte der „Volksgerichtshof“ im April 1943 Alexander Schmorell, Willi Graf und Kurt Huber zum Tode. Weitere Helfer und Mitwisser, darunter auch Ange-hörige der Ulmer Gruppe, erhielten langjährige Freiheitsstrafen.

In Hamburg hatte sich 1942 eine Gruppe gebildet, die über Hans Leipelt und Traute Lafrenz Kontakte nach München hat-te. Im Herbst 1943 entdeckte die Gestapo auch diese Gruppe und nahm mehr als 20 Personen in Haft. In den folgenden Jahren wurden weitere zehn Regimegegner aus dem Umfeld des Mün-chener und des Hamburger Zweiges der Weißen Rose ermordet oder in den Tod getrieben.

Das sechste Flugblatt der Weißen Rose gelangt über Helmuth James Graf von Moltke zum norwegischen Bischof Eivind Berggrav und von dort aus nach Groß-britannien. Unter der Überschrift „Ein deutsches Flugblatt … Manifest der Münch-ner Studenten“ wirft die britische Royal Air Force im Sommer 1943 mehrere Millio-nen Exemplare über Deutschland ab.

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43 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

hans scholl

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Der 1918 geborene Hans Scholl wuchs mit vier Geschwistern in einem libera-len protestantischen Elternhaus auf und wurde stark von der bündischen Jugend beeinflusst. Seit 1933 engagierte er sich in der „Hitler-Jugend“ und stieg hier zum

„Fähnleinführer“ auf. Weil ihn dort aber bald die militärische Engstirnigkeit ab-stieß, wandte er sich vom Nationalsozi-alismus ab und beteiligte sich an bün-dischen Gruppen. Ende 1937 inhaftierte ihn die Gestapo für zwei Wochen.

Nach dem Arbeits- und Wehrdienst studierte Hans Scholl ab dem Sommer-semester 1939 in München Medizin. Im Mai 1940 wurde er als Sanitäter an der französischen Front eingesetzt. Hans Scholl konnte im April 1941 bei der 2. Studentenkompanie der Heeressani-tätsstaffel in München sein Studium fortsetzen, wo er im Juni 1941 Alexander Schmorell kennenlernte. Seit Herbst 1941 hielt Hans Scholl engen Kontakt zu dem katholischen Publizisten Carl Muth.

Im Juni und Juli 1942 verbreiteten Hans Scholl und Alexander Schmorell die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose. Gemeinsam mit Schmorell und Willi Graf wurde Hans Scholl von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 zu einer „Feld-famulatur“ in die Sowjetunion abkom-mandiert, das heißt, sie mussten ein für das Medizinstudium vorgeschriebenes Praktikum als Kriegsdienst ableisten. Nach der Rückkehr an die Münchener Universität setzte er seine Widerstands-aktionen fort.

Bei der Flugblattaktion am 18. Februar 1943 wurde Hans gemeinsam mit sei-ner Schwester Sophie festgenommen, vier Tage später vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am selben Tag im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

sophie scholl

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Die 1921 geborene Sophie Scholl trat 1934 in den „Bund Deutscher Mädel“ in der „Hit-ler-Jugend“ ein, wo sie bis zur Gruppenlei-terin aufstieg. Bereits als Schülerin wurde sie 1937 wegen des bündischen Engage-ments ihres Bruders Hans von der Gestapo vernommen. Seit dieser Zeit distanzierte sie sich radikal vom Nationalsozialismus.

Nach dem Abitur im März 1940 machte sie eine Ausbildung zur Kindergärtne-rin und begann nach dem Arbeits- und Kriegshilfsdienst im Mai 1942 in Mün-chen ein Studium der Biologie und Philo-sophie. Dabei kam sie durch ihren Bruder Hans auch mit dem katholischen Publi-zisten Carl Muth zusammen, der beide in ihrem christlichen Glauben bestärkte und sie in der Ablehnung des National-sozialismus ebenso beeinflusste wie der Hochschullehrer Kurt Huber.

Im August und September 1942 musste Sophie Scholl wieder vier Wochen Kriegs-hilfsdienst leisten und in einem Ulmer Rüstungsbetrieb arbeiten. Im Januar 1943 wirkte sie an der Herstellung und Ver-breitung des fünften Flugblattes der Wei-ßen Rose mit.

Bei der Flugblattaktion am 18. Februar 1943 wurden Sophie Scholl und ihr Bruder noch in der Universität festgenommen, am 22. Februar 1943 vom „Volksgerichts-hof“ unter Roland Freisler zum Tode ver-urteilt und am selben Tag im Strafgefäng-nis München-Stadelheim enthauptet.

„Es war unsere Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland verloren ist, und dass jedes Menschenleben das für diesen verlorenen Krieg geopfert wird, umsonst ist. Besonders die Opfer, die Stalingrad forderte, bewogen uns, etwas gegen dieses unserer Ansicht nach sinnlose Blutvergie-ßen zu unternehmen.“

Aus der Vernehmung von Sophie Scholl durch die Gestpo in München vom 20. Februar 1943

christoph probst

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Der 1919 geborene Christoph Probst studierte nach dem Arbeits- und Wehr-dienst 1939 in München Medizin. Seit 1935 kannte er Alexander Schmorell, mit dem er bald eng befreundet war. 1941 heiratete Christoph Probst Herta Dohrn, mit der er drei Kinder hatte. Schmorell führte Probst im Sommer 1942 in den Freundeskreis um Hans Scholl ein. Trotz seiner Versetzung nach Innsbruck im Dezember 1942 beteiligte Probst sich bei seinen Besuchen in München aktiv an der Diskussion des fünften Flugblattes der Weißen Rose und war auch bereit, selbst eine Flugschrift zu verfassen.

Nach der Festnahme der Geschwister Scholl fand die Gestapo einen Flugblatt-entwurf von Probst in Hans Scholls Ja-ckentasche, in dem es hieß: „Hitler und sein Regime muss fallen, damit Deutsch-land weiterlebt.“ Christoph Probst wurde am 20. Februar 1943 in Innsbruck fest-genommen und am 22. Februar 1943 gemeinsam mit den Geschwistern Scholl vom „Volksgerichtshof“ zum Tode ver-urteilt. Am selben Tag empfing er un-mittelbar vor seiner Hinrichtung im Strafgefängnis München-Stadelheim die katholische Taufe.

„Auch im schlimmsten Wirrwarr kommt es darauf an, dass der Einzelne zu seinem Lebensziele kommt, zu seinem Heil kommt, welches nicht in einem äußeren ‚Erreichen‘ gegeben sein kann, sondern nur in der inneren Vollendung seiner Person. Denn das Leben fängt ja nicht mit der Geburt an u. endigt im Tod. So ist ja auch das Leben, als die große Aufgabe der Mensch-Wer-dung, eine Vorbereitung für ein Dasein in anderer neuer Form. Und dieser Aufgabe dienen letzthin alle kleineren u. größeren Aufgaben u. Ereignisse des Lebens.“

Aus einem Brief von Christoph Probst vom 27. Juli 1942

44 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

alexander schmorell

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Der 1917 in Orenburg/Russland geborene Alexander Schmorell entstammte einer deutsch-russischen Familie, die seit 1921 in München lebte. Er wuchs mit starken Bindungen an seine russische Herkunft auf. 1933 trat Schmorell der SA bei und wurde 1934 Mitglied der „Hitler-Jugend“. Er wandte sich jedoch schon 1937 wäh-rend seines Arbeitsdienstes radikal ge-gen die geistige Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus.

Nach dem Wehrdienst begann er 1939 in Hamburg mit dem Medizinstudium, das er in München fortsetzte. Im Juni 1941 lernte er in der 2. Studentenkom-panie der Heeressanitätsstaffel in Mün-chen Hans Scholl kennen. Beide waren seit April 1941 hier kaserniert. Hans Scholl und Alexander Schmorell verfass-ten die ersten vier Flugblätter der Wei-ßen Rose, ehe sie gemeinsam mit Willi Graf Ende Juli 1942 zu einer „Feldfamu-latur“ an die Ostfront abkommandiert wurden. Das Land und die Menschen dort beeindruckten Alexander Schmo-rell tief.

Schmorell nahm auch an der Herstel-lung des fünften und sechsten Flugblat-tes der Weißen Rose teil sowie an den nächtlichen Aktionen im Februar 1943, bei denen sie Parolen gegen Hitler an Hausfassaden malten.

Nach der Festnahme von Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 ver-suchte Alexander Schmorell vergeblich, ins Ausland zu fliehen. Nach München zurückgekehrt, wurde er am 24. Febru-ar 1943 erkannt, denunziert und sofort festgenommen, am 19. April 1943 vom

„Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 13. Juli 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

willi graf

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Der 1918 geborene Willi Graf stieß 1929 zum katholischen Schülerbund „Neu-deutschland“. 1934 schloss er sich dem engeren Kreis des Jungenbundes „Grau-er Orden“ an und nahm an verbotenen Fahrten und Lagern teil. 1937 begann Willi Graf in Bonn ein Medizinstudium und wurde Anfang 1938 wegen seiner Akti-vitäten in der bündischen Jugendbewe-gung für zwei Wochen inhaftiert. Anfang 1940 absolvierte Graf in der Wehrmacht eine Sanitätsausbildung, um zunächst in Frankreich und Belgien, ab Juni 1941 an der Ostfront eingesetzt zu werden.

Im April 1942 zur Fortsetzung des Me-dizinstudiums in die 2. Münchener Stu-dentenkompanie abgeordnet, lernte er hier Hans Scholl und Alexander Schmo-rell kennen, mit denen er von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 an der Ostfront eingesetzt war. Ende 1942 und Anfang 1943 warb Willi Graf auf mehreren Rei-sen in seinem alten Freundeskreis um Mitstreiter. Ab Dezember 1942 nahm er an der Diskussion des fünften Flugblat-tes der Weißen Rose teil. Im Februar 1943 beteiligte er sich an den Freiheitsparolen der Gruppe in der Münchener Innenstadt und unterstützte die Herstellung und Verbreitung des sechsten Flugblattes der Weißen Rose.

Am 18. Februar 1943 nahm die Gestapo Willi Graf fest. Der „Volksgerichtshof“ verurteilte ihn gemeinsam mit Kurt Hu-ber und Alexander Schmorell am 19. April 1943 in München zum Tode. Fast ein halbes Jahr später wurde Willi Graf am 12. Oktober 1943 im Strafgefängnis Mün-chen-Stadelheim enthauptet.

kurt huber

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Der 1893 in der Schweiz geborene Kurt Huber studierte ab 1912 Musik, Philoso-phie und Psychologie, promovierte 1917 in Musikwissenschaft und habilitierte sich 1920 im Fach Psychologie und Phi-losophie. Ab 1926 lehrte er an der Uni-versität München Philosophie und war ein anerkannter Volksliedforscher und führender Experte für den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz.

1937 übernahm Huber die Abteilung Volksmusik am Berliner Institut für Mu-sikforschung. Ein Jahr später wurde ihm wegen seiner „katholisch-weltan-schaulichen Bindung“ untersagt, einen Lehrauftrag an der Berliner Universität wahrzunehmen. Er kehrte nach Mün-chen zurück, wo er nach seinem Eintritt in die NSDAP 1940 außerplanmäßiger Professor wurde. Huber fesselte seine Studenten vor allem durch seine weit-gefächerten Interessen und durch an-schauliche Vorlesungen.

Im Juni 1942 lernte er Hans Scholl und seine Freunde kennen, seine Vorbehalte gegen die Hitler-Diktatur verstärkten sich durch die Schilderungen von der Front zurückgekehrter Studenten. Ge-meinsam mit Hans Scholl formulierte Huber den politischen Teil des fünften Flugblattes der Weißen Rose und ver-fasste Anfang Februar 1943 auch das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe.

Wenige Tage nach der Verteilung die-ses Flugblattes durch die Geschwister Scholl in der Münchener Universität wurde Kurt Huber am 27. Februar 1943 festgenommen, am 19. April 1943 in München vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 13. Juli 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim ent-hauptet.

45 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

hans leipelt

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Der 1921 geborene Hans Leipelt absol-vierte nach dem Abitur zunächst den Ar-beitsdienst, anschließend leistete er den Wehrdienst ab. Im August 1940 wurde er aus der Wehrmacht entlassen, weil seine Mutter nach den nationalsozialistischen

„Nürnberger Rassegesetzen“ als Jüdin galt. Sein Vater konnte ihm jedoch einen Studienplatz für Chemie an der Hambur-ger Universität verschaffen. Dort lernte er Gleichgesinnte wie Margaretha Rothe und Heinz Kucharski kennen.

Im Winter 1941/42 wechselte Hans Leipelt nach München an das weithin bekannte Chemische Institut des Pro-fessors und Nobelpreisträgers Heinrich Wieland, der mehrfach rassisch Verfolg-ten half.

Die Nachricht von der Hinrichtung der Geschwister Scholl und Christoph Probsts wurde für Hans Leipelt und sei-ne Freundin Marie-Luise Jahn zur He-rausforderung. Weil sie sich der Weißen Rose verpflichtet fühlten, schrieben sie das letzte Flugblatt ab und verbreiteten es mit dem Zusatz „Und ihr Geist lebt trotzdem weiter“ in Hamburg. Nach der Ermordung von Professor Kurt Huber unterstützten Leipelt und seine Freun-de dessen Familie durch eine Geld-sammlung.

Hans Leipelt wurde am 8. Oktober 1943 in München festgenommen, aber erst am 13. Oktober 1944 vom „Volksge-richtshof“ zum Tode verurteilt und am 29. Januar 1945 in München Stadelheim enthauptet. Marie-Luise Jahn verurteilte der „Volksgerichtshof“ zu zwölf Jahren Zuchthaus. Sie wurde am 29. April 1945 aus dem Zuchthaus Aichach befreit.

traute lafrenz

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Die 1919 geborene Traute Lafrenz gehörte wie Heinz Kucharski und Margaretha Ro-the zur Schulklasse der Studienrätin Erna Stahl, die auch nach 1933 ganz im Sinne der freiheitlichen und musischen Tradi-tion der Hamburger Lichtwarkschule un-terrichtete.

Im Sommer 1939 begegnete Traute Laf-renz in Hamburg Alexander Schmorell, der hier ein Semester lang studierte. Im Mai 1941 wechselte sie für ihr Medizin-studium nach München und lernte bald Hans Scholl und Christoph Probst kennen. Sie nahm an vielen Gesprächen und Dis-kussionen, auch mit Kurt Huber, teil. Im November 1942 brachte Traute Lafrenz das dritte Flugblatt der Weißen Rose mit nach Hamburg. An Weihnachten 1942 versuch-te sie, in Wien einen Vervielfältigungsap-parat zu besorgen. Gemeinsam mit Sophie Scholl organisierte Traute Lafrenz im Janu-ar 1943 Papier und Briefumschläge für den Versand weiterer Flugblätter.

Am 5. März 1943 wurde sie erstmals von der Gestapo verhört, wenige Tage später, am 15. März 1943, festgenom-men, am 19. April 1943 gemeinsam mit Alexander Schmorell und Kurt Huber angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt – sie konnte verschleiern, an der Verteilung von Flugblättern beteiligt gewesen zu sein.

Nach ihrer Entlassung verhaftete die Gestapo Traute Lafrenz Ende März 1944 erneut und überführte sie ins Hambur-ger Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Ge-meinsam mit anderen weiblichen Ge-fangenen der Hamburger Weißen Rose wurde Traute Lafrenz über Gefängnisse in Cottbus und Leipzig nach Bayreuth verlegt, wo sie am 15. April 1945 von US-Truppen befreit wurde.

heinz kucharski

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Der 1919 geborene Heinz Kucharski be-suchte die Hamburger Lichtwark-Schule, setzte sich bereits als Schüler intensiv mit sozialistischen Ideen auseinander und studierte Philologie, Völkerkunde und Orientalistik. Er organisierte Le-seabende, auf denen politische Schrif-ten diskutiert wurden. Zusammen mit Margaretha Rothe machte er auf Flug-zetteln die Sendezeiten des Deutschen Freiheitssenders 29,8 bekannt. Ende 1942 diskutierte er mit Margaretha Rothe, der Buchhändlerin Hannelore Willbrandt, dem Mediziner Albert Suhr und dem Philoso-phiestudenten Reinhold Meyer das drit-te Flugblatt der Weißen Rose.

Am 9. November 1943 nahm die Ge-stapo Heinz Kucharski, seine Mutter Hildegard Heinrichs und seine Freun-din Margaretha Rothe fest. Bis zum 25. Oktober 1944 war Kucharski im Ge-stapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, danach im Hamburger Untersuchungsgefängnis in-haftiert. Nach dem Todesurteil des

„Volksgerichtshofs“ vom 17. April 1945 konnte er während des Transports zur Hinrichtungsstätte Bützow-Dreibergen entkommen.

Der ebenfalls festgenommene Rein-hold Meyer erkrankte in der Haft schwer und starb am 12. November 1944 im Ge-stapo-Gefängnis Fuhlsbüttel.

Margaretha Rothe wurde mit den ande-ren weiblichen Gefangenen der Hambur-ger Weißen Rose von Fuhlsbüttel zunächst nach Cottbus, später in das Gefängnis Leipzig-Kleinmeusdorf verlegt, wo sie am 18. Februar 1945 in das Gefängnislazarett aufgenommen wurde. Unmittelbar vor der Befreiung der Stadt durch US-Truppen starb Margaretha Rothe am 15. April 1945 in einem Leipziger Krankenhaus.

46 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand von JugendlichenAb 1933 sollte die „Hitler-Jugend“ (HJ) nach dem Willen des NS-Regimes die einzige Jugendorganisation in Deutschland sein. Daher wurden fast alle anderen Jugendverbände inner-halb weniger Monate verboten, zur Selbstauflösung gezwun-gen oder der HJ angegliedert. Seit Frühjahr 1939 mussten alle Jugendlichen dem „Bund Deutscher Mädel“ bzw. der HJ ange-hören, wo sie vormilitärisch ausgebildet und zu unbedingtem Gehorsam erzogen wurden.

Nicht alle akzeptierten diese totale Vereinnahmung durch das NS-Regime. Politische Jugendgruppen versuchten trotz Verboten und Auflösungen zusammenzuhalten oder sich neu zu formieren. Die Gestapo verfolgte dies rücksichtslos. Die Motive der Jugendlichen für ihren Widerstand waren vielfäl-tig. Es waren junge Kommunisten, Sozialdemokraten, Chris-

ten oder Jugendliche jüdischer Herkunft, die sich zusammen-fanden. Sie hörten verbotene ausländische Rundfunksender, verbreiteten Nachrichten oder wollten mit Flugblättern über den Kriegsverlauf und die NS-Gewaltverbrechen aufklären. Wurden ihre Aktivitäten aufgedeckt, drohte ihnen die Todes-strafe.

Illegales Treffen von Mitgliedern der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Dassow/Mecklenburg, Pfingsten 1934

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Während des Krieges verschärften die Nationalsozialisten die Verfolgung von Jugendlichen, die ihr Recht auf Unabhän-gigkeit und Selbstbestimmung außerhalb der „Hitler-Jugend“ verteidigten. Edelweißpiraten in Köln, Leipziger Meuten oder Hamburger Swing-Jugendliche, die sich dem Zwang der Dik-tatur durch ihren Lebensstil widersetzten, wurden von der Gestapo verfolgt, in Jugend-Konzentrationslager eingewiesen oder zu langen Haftstrafen verurteilt, obwohl sie eher unpoli-tisch waren und nur wenige von ihnen das Regime aktiv be-kämpften.

47 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Sozialistische und kommunistische JugendlicheDas Verbot der kommunistischen und sozialdemokratischen Aktivitäten richtete sich auch gegen die kommunistischen und sozialistischen Jugendverbände. Mitglieder der Sozialisti-schen Arbeiterjugend (SAJ) und des Kommunistischen Jugend-verbandes Deutschlands (KJVD) führten ihre Auseinanderset-zung mit den Nationalsozialisten daher im Untergrund fort. Scheinbar unpolitische Aktivitäten wie gemeinsame Wande-rungen sollten Schutz vor Entdeckung bieten. Indem sie ihre Treffen tarnten, konnten sie ihren Zusammenhalt bewahren. Die Jugendlichen beteiligten sich auch an Widerstandsaktivi-täten und überwanden dabei oftmals innere weltanschauli-che Gegensätze der Arbeiterbewegung.

Zahlreiche sozialistische und kommunistische Jugendliche wurden wegen ihrer Überzeugung verfolgt und kriminalisiert. Bis Mitte der 1930er-Jahre fanden zahlreiche Prozesse gegen Mitglieder des KJVD und der SAJ statt. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager verschleppt, misshandelt oder vor Ge-richt gestellt. Lange Haftstrafen und Todesurteile sollten auf andere Jugendliche abschreckend wirken.

Der 16-jährige Lehrling Hans Gasparitsch gehört der sozialistischen Gruppe „G“ (Gemeinschaft) an. Er wird 1935 festgenommen und bis 1945 im KZ inhaftiert, weil er im Stuttgarter Schlosspark Parolen gegen das NS-Regime verbreitet hat.

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Christliche Jugendliche 1933 waren mehr als 2,5 Millionen Jugendliche in christlichen Verbänden organisiert. Obwohl die Nationalsozialisten ver-sicherten, die Eigenständigkeit der Kirchen zu respektieren, wurden kirchliche Jugendgruppen zunehmend bedrängt und verboten. Der Führungsanspruch der „Hitler-Jugend“ und des NS-Regimes sollte durchgesetzt werden.

Viele christliche Jugendliche hatten der Regierung Hitlers zunächst positiv gegenübergestanden. Bei manchen von ihnen verstärkten sich jedoch schon bald Zweifel an der na-tionalsozialistischen Kirchenpolitik. Einigen Jugendlichen gelang es trotz der Auflösung oder „Gleichschaltung“ ihrer Verbände, in Verbindung zu bleiben. Sie festigten ihre Kontak-te und trafen sich bei Wallfahrten oder Freizeiten, die die Na-tionalsozialisten als Provokation empfanden. So gerieten sie zunehmend in Konflikt mit dem NS-Regime.

Eine katholische Jugendgruppe um Bernd Wittschier aus Köln auf einer verbote-nen Wallfahrt zur Altenberger Madonna 1941

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Jüdische JugendlicheNach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden jüdische Jugendliche zunehmend aus der Gesellschaft ausge-grenzt. Sie durften nur jüdischen Jugendorganisationen ange-hören und ab 1938 ausschließlich jüdische Schulen besuchen. Die Jugendlichen fanden sich in Gruppen zusammen, in denen sie sich respektiert fühlten, gemeinsam ihre Freizeit gestalte-ten oder sich auf eine Auswanderung vorbereiten konnten.

Verschiedene dieser Gruppen sammelten sich um den Berliner Elektriker Herbert Baum, der sich bereits 1927 der Deutsch-Jüdischen Jugendgemeinschaft angeschlossen hatte und 1931 in den kommunistischen Jugendverband Deutsch-lands eintrat. Gemeinsam bereiteten die Mitglieder der Grup-pen um Baum später Widerstandsaktionen vor, verbreiteten Parolen, verteilten Flugzettel und illegale Schriften (siehe auch S. 30). Als 1941 die systematische Ermordung der Juden Euro-pas einsetzte, entzogen sich jüdische Jugendliche der Deporta-tion durch die Flucht in den Untergrund.

48 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Bündische TraditionenDie Anhänger der Bündischen Jugend wollten sich weder po-litisch noch konfessionell binden, sondern ihr Leben frei und selbstbestimmt gestalten. Sie betonten das Recht der Jugend auf eigene Entfaltung. Die Deutsche Freischar war mit 15 000 Mitgliedern der größte Bund. Sie schloss sich im März 1933 mit anderen Vereinen zum Großdeutschen Bund zusammen, der bereits im Juni 1933 von den Nationalsozialisten aufge-löst wurde.

Zunächst hofften ehemalige Bündische, die „Hitler-Jugend“ beeinflussen zu können. Sie traten in die HJ ein, um so ihre Traditionen zu bewahren, bis die HJ-Führung die „bündischen

Umtriebe“ verbot. Viele Jugendliche widersetzten sich, indem sie weiterhin Ausflüge unternahmen oder, wie sie sagten, auf Fahrt gingen, bündische Lieder sangen, ihre Erkennungszei-chen trugen und oftmals sogar die Auseinandersetzung mit der HJ suchten. Immer wieder wurden bündische Jugendliche festgenommen, mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft oder in Konzentrationslagern inhaftiert.

Die Bonner Jovy-Gruppe, hier 1938 beim Wandern in der Schweiz, bekennt sich zur politischen Auseinandersetzung mit dem NS-Regime. Michael Jovy wird 1939 we-gen „bündischer Umtriebe“ und „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt.

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Leipziger MeutenIn Leipzig schlossen sich nach 1933 rund 1500 Jugendliche zu sogenannten Meuten zusammen. Die 14- bis 18-jährigen Mäd-chen und Jungen kamen überwiegend aus sozialdemokratisch oder kommunistisch geprägten Elternhäusern.

Die etwa 20 Leipziger Meuten nannten sich nach ihren Treff-punkten und wollten sich durch Kleidung und Verhalten von der HJ abgrenzen. Die Jungen trugen oft kurze Lederhosen, karierte Hemden und bunte Halstücher. In den 1930er-Jahren häuften sich Auseinandersetzungen mit der HJ. Einige Mit-glieder der Meuten forderten mit Streuzetteln, die heimlich ausgelegt wurden, zum Kampf auf. Die meisten Anhänger wa-ren jedoch eher unpolitisch und wollten vor allem ihre Freizeit ohne den Zwang der HJ verbringen. Die NS-Führung ging un-nachgiebig gegen die Meuten vor. Viele ihrer Anhänger wur-den wegen „bündischer Umtriebe“ festgenommen und hart bestraft.

Eine Meute aus dem Leipziger Osten auf Fahrt in die Sächsische Schweiz um 1941

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EdelweißpiratenUm 1938 entstanden im Rhein-Ruhr-Gebiet verschiedene Gruppen von sogenannten Edelweißpiraten, denen sich meh-rere tausend junge Arbeiter und Lehrlinge anschlossen. Ihr Er-kennungszeichen waren eine Edelweißblume an der Kleidung oder eine weiße Stecknadel. Sie trafen sich regelmäßig auf Plätzen oder in Parks und nannten sich wie die Meuten nach ihren Treffpunkten oder Stadtvierteln.

Die Edelweißpiraten lehnten die „Hitler-Jugend“ ab, gingen auf Fahrt, organisierten Zeltlager und sangen bündische Lie-der. Manche von ihnen hörten ausländische Rundfunksender und verbreiteten deren Meldungen. Sie stellten Flugblätter her und wandten sich mit Wandparolen gegen den Krieg. Einige Jugendliche waren sogar bereit, das NS-Regime mit Waffenge-walt zu bekämpfen. Viele Edelweißpiraten wurden in Fürsor-geanstalten eingewiesen oder in Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert.

Swing-JugendlicheIn verschiedenen Großstädten hatten sich Jugendliche getrof-fen, um gemeinsam Jazzmusik zu hören, zu tanzen und offene Gespräche zu führen. Viele von ihnen wollten ihren eigenen Weg gehen und ihre Persönlichkeit in bewusstem Gegensatz zu den nationalsozialistischen Beeinflussungsversuchen ent-falten. Ihre Begeisterung für den Swing verband sie auch, weil die Nationalsozialisten diese Musik als Symbol „kultureller Entartung“ als „undeutsch“ herabwürdigten.

Viele Swing-Jugendliche wollten sich nicht nur von der HJ abgrenzen. Für sie war Swing Ausdruck einer eigenständi-gen Lebensweise, die sie mit englisch klingenden Vornamen, langen Haaren und einem eigenen Kleidungs- und Tanzstil demonstrierten. Trotz des Verbots durch die Nationalsozia-listen hörten sie englische und amerikanische Schallplatten und veranstalteten private Partys. 1942 gab der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, die An-weisung, Rädelsführer der Swing-Jugend für mindestens zwei bis drei Jahre in Konzentrationslagern zu inhaftieren.

49 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

gertrud koch

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Gertrud „Mucki“ Koch wurde als Tochter eines Kesselschmieds und einer Apothe-kerin 1924 in Köln geboren. Ihr Vater war Kommunist, wurde nach 1933 mehrfach festgenommen und 1942 im Konzentrati-onslager ermordet.

Die Familie war vielfältigen Repressali-en ausgesetzt. Die Mutter verlor ihre Ar-beit, Mutter und Tochter wurden gezwun-gen, ihre Wohnung zu verlassen. Gertrud Koch musste schon als Kind zum Lebens-unterhalt beitragen, aus Geldmangel blieb

ihr der Besuch einer höheren Schule ver-wehrt. Ihre Ausbildung zur Montessori- Kindergärtnerin konnte sie nicht beenden, denn ihre Familie galt als „politisch unzu-verlässig“.

Vor 1933 war Gertrud Koch Mitglied der kommunistischen Roten Jungpionie-re und weigerte sich später, dem „Bund Deutscher Mädel“ beizutreten. Stattdes-sen gründete sie mit Freunden aus Köln und Düsseldorf eine Gruppe, die gemein-sam wanderte, musizierte und zuneh-mend politisch aktiv wurde. Diese Gruppe, die zu den sogenannten Edelweißpiraten gehörte, begann, Flugblätter herzustel-len und zu verbreiten. Die spektakulärste Aktion war der Abwurf von Flugblättern aus der Kuppel des Kölner Hauptbahnhofs. Mehrere Festnahmen waren die Folge.

Im Dezember 1942 wurde Gertrud Koch ins Gestapo-Gefängnis Brauweiler ge-bracht, wo sie geschlagen und misshan-delt wurde. Im Mai 1943 wurde sie ohne Angabe von Gründen aus der Haft entlas-sen und floh mit ihrer Mutter nach Süd-deutschland. Dort arbeitete sie bis zum Kriegsende auf einem Bauernhof und kehrte dann nach Köln zurück.

heinz „coco“ schumann

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1924 geboren, wuchs Coco Schumann im Berliner Scheunenviertel auf, einem Stadtteil, in dem viele aus dem Osten zugewanderte Juden und Jüdinnen leb-ten. Seine Mutter Hedwig war Jüdin und betrieb einen Friseurladen, sein Vater Alfred war vor der Hochzeit zum jüdi-schen Glauben übergetreten.

Anfang 1936 freundete sich Coco Schu-mann mit Berliner Swing-Jugendlichen an. In den folgenden Jahren erlernte er

verschiedene Musikinstrumente und er-hielt erste Engagements als Schlagzeuger und Gitarrist in mehreren Jazzkapellen. 1938 musste Coco Schumann auf eine jüdische Schule wechseln, wenig spä-ter wurde er zum Zwangsarbeitsdienst verpflichtet. Obwohl er wegen seiner jüdischen Herkunft kein Mitglied der

„Reichskulturkammer“ und damit Berufs-musiker werden konnte, gelang es ihm, weiterhin als Musiker in Berliner Bars und Tanzclubs aufzutreten.

Im März 1943 wurde Coco Schumann festgenommen und in das Ghetto The-resienstadt deportiert, wo er als Schlag-zeuger in der Ghetto Big Band „The Ghet-to-Swingers“ spielte. Im September 1944 wurde Schumann nach Auschwitz-Bir-kenau deportiert und im Januar 1945 von dort auf einen sogenannten Todesmarsch geschickt. Anfang Mai 1945 befreiten ihn alliierte Truppen. Coco Schumanns Eltern und sein Bruder erlebten das Kriegsende in einem Versteck. Nach dem Krieg kehr-te Schumann nach Berlin zurück und wurde zu einem der bekanntesten Jazz- und Swingmusiker der Nachkriegszeit.

walter klingenbeck

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1924 geboren, gehörte Walter Klingen-beck in der Münchener Gemeinde St. Ludwig der katholischen Jungschar an, die sich 1936 – aufgrund des national- sozialistischen Drucks – auflösen musste. Zusammen mit seinem Vater hörte er Sen-dungen von Radio Vatikan, in denen bei-spielsweise von nationalsozialistischen Verstößen gegen das Reichskonkordat berichtet wurde. Seiner Begeisterung für das neue Medium Hörfunk ging Walter Klingenbeck in einer Lehre als Schalttech-niker nach.

Ab Frühjahr 1941 fand sich um ihn ein kleiner Freundeskreis zusammen, der schließlich verschiedene Widerstandsak-tionen durchführte. Zu diesem Kreis ge-hörten Daniel von Recklinghausen, Hans Haberl und Erwin Eidel. Die vier Freun-de hatten eine große Leidenschaft für Technik, besonders für das Radio. Das gemeinsame Hören deutschsprachiger Sendungen der britischen BBC, des inter-nationalen Radio Vatikan und anderer verbotener Radiostationen verstärkte ihre regimekritische Sichtweise.

Im September 1941 malte Walter Klin-genbeck mit schwarzer Ölfarbe große V-Zeichen (für „Victory“) an etwa 40 Stel-len in München, die BBC hatte dazu auf-gerufen.

Nach einer Denunziation wurde Klin-genbeck am 26. Januar 1942 festgenom-men. Er nahm die gesamte Verantwor-tung für die Aktionen auf sich. Am 24. September 1942 verurteilte der „Volks-gerichtshof“ den 19-jährigen und seine Freunde zum Tod. Walter Klingenbeck wurde am 5. August 1943 in München enthauptet, seine Freunde zu Zuchthaus-strafen begnadigt.

50 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die Gruppe um Hanno GüntherDer 1921 geborene Hans Joachim „Hanno“ Günther wuchs in Berlin in einem Elternhaus auf, das an Politik interessiert und für die Lebensreformbewegung, eine naturnahe, zivi-lisationskritische Geisteshaltung, aufgeschlossen war. Sei-ne Mutter war Lehrerin, sein Vater Buchhändler. Die Eltern trennten sich, als Hanno Günther sechs Jahre alt war. Ab 1928 besuchte er eine bekannte Reformvolksschule, die Rüt-li-Schule in Berlin-Neukölln. Diese Schule galt als fortschritt-lich, die Prügelstrafe wurde dort grundsätzlich abgelehnt und den Schülerinnen und Schülern viel Spielraum für die geistige Entfaltung gelassen. Seit 1929 war Hanno Günther Mitglied der kommunistischen Jungpioniere und baute in einem Neuköllner Hinterhof einen Kinderclub auf. Nach der

„Gleichschaltung“ der Rütli-Schule durch die Nationalsozia-listen wechselte er auf die Schulfarm Insel Scharfenberg, um dort das Abitur machen zu können. 1936 musste er jedoch Scharfenberg aus politischen Gründen verlassen und begann eine Bäckerlehre.

Während dieser Zeit lernte er die Kommunistin Elisabeth Pungs kennen. Mit ihr schrieb und verteilte Hanno Günther nach dem deutschen Sieg über Frankreich die Flugblattse-rie  „Das freie Wort“. Darin verbreiteten sie Nachrichten über die Kriegslage, verlangten Frieden und Meinungsfrei-heit und forderten in Rüstungsbetrieben Beschäftigte zur Sabotage auf. Anfang 1941 schlossen sich Dagmar Petersen und andere ehemalige Schüler der Rütli-Schule dem Wider-standskreis um Günther an. Sie hörten den verbotenen bri-

tischen Rundfunksender BBC und diskutierten marxistische Schriften.

Am 2. April 1941 wurde Hanno Günther zur Wehrmacht eingezogen, am 28. Juli jedoch von der Gestapo festgenom-men. Am 9. Oktober 1942 verurteilte der „Volksgerichtshof“ ihn zusammen mit seinen Freunden Wolfgang Pander, Bern-hard Sikorski und Emmerich Schaper zum Tode. Emmerich Schaper starb an den Folgen der Folter im Gefängnis. Die anderen wurden am 3. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee enthauptet. Dagmar Petersen und Elisabeth Pungs überleb-ten die Haftzeit und den Krieg.

Der Freundeskreis um Hanno Günther bei einer Silvesterfeier in Pichelsdorf 1940/41. V. l. n. r.: Hanno Günther, Dagmar Petersen, unbekannt, Hertha Miethke, Wolfgang Pander, Mascha (Freundin von Pander); vorne: Irmgard Freier

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Flugblatt von Hanno Günther[…] Wir wollen einen gerechten und dadurch dauerhaften Frieden! Wir wollen die Freiheit der Meinung und des Glau-bens! Wir wollen die Freiheit der Arbeit! Wir wollen die Ver-hinderung kommender Kriege durch die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und die Einziehung der Kriegsgewinne! Wir wollen die Schaffung einer wahren Volksvertretung!!! Deutscher! Bekenne Dich zu diesen Forderungen! Sprich mit zuverlässigen Kameraden über sie!

Gebe dieses Flugblatt weiter, und wenn Dir eine Schreib- oder Vervielfältigungsmaschine zur Verfügung steht, so ver-breite unsere Forderungen! […]

„Das freie Wort“, Folge 3, September 1940, Bundesarchiv

51 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die Gruppe um Helmuth HübenerHelmuth Hübener, 1925 in Hamburg als Sohn einer Arbeiterin geboren, wurde entscheidend durch seine mormonische Reli-gionsgemeinschaft geprägt. Er wuchs ohne Vater bei seinen Großeltern auf und begann 1941 eine Lehre bei der Hamburger Sozialbehörde. 1940/41 kam er in Kontakt mit einer illegalen kommunistischen Jugendgruppe aus Altona. Er hörte regel-mäßig ausländische Rundfunksender und verbreitete wichti-ge Meldungen als Streuzettel weiter.

Im Sommer 1941 gewann Hübener mit dem 16-jährigen Schlossergesellen Rudolf Wobbe und dem 17-jährigen Ma-lergesellen Karl-Heinz Schnibbe Gesinnungsfreunde. Wenig später stieß auch der 17-jährige Verwaltungslehrling Ger-hard Düwer dazu. Sie diskutierten gemeinsam zahlreiche Flugblätter und verteilten sie in Hamburger Arbeitervier-teln. Bereits im Winter 1941 sahen die Freunde die militäri-sche Niederlage Deutschlands voraus. Sie wollten deshalb nicht mehr allein mit kurzen Parolen auf Streuzetteln zum Kampf gegen das NS-Regime auffordern, sondern die Men-schen über den Ernst der Lage aufklären. Innerhalb von sechs Monaten entwarf Helmuth Hübener mehr als 20 ver-schiedene Flugblätter.

Ende Januar 1942 baten Gerhard Düwer und Helmuth Hübener einen Bekannten, die Flugblätter ins Französische zu übersetzen. Dabei wurden sie beobachtet, denunziert und am 5. Februar 1942 von der Gestapo festgenommen. Während der Verhöre wurden die Jugendlichen schwer misshandelt. Am 11. August 1942 verurteilte der „Volksgerichtshof“ Helmuth Hübener trotz seines jugendlichen Alters zum Tode und sei-ne Freunde zu hohen Haftstrafen. Am 27. Oktober 1942 wurde Helmuth Hübener in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Helmuth Hübener (M.) mit Rudolf Wobbe (l.) und Karl-Heinz Schnibbe (r.) in Ham-burg um 1941

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Flugblätter von Helmuth HübenerHITLERJUGEND – Deutsche Jungen, seid ihr euch überhaupt bewusst, was die H. J. ist und welche Ziele sie verfolgt? Ihr könnt es nicht wissen. Eure selbstherrlichen Führer und Un-terführer predigen immer von Kameradschaft, während sie sich selbst aus dem Kreise der Kameradschaft ausschließen. Sie fühlen sich hier doch recht in ihrem Element, wenn sie die eingeschüchterten Jungen, wenn sie euch tyrannisieren kön-nen. Oder wollt ihr etwa abstreiten, dass man euch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gefügig machen will? Man droht euch mit disziplinarischen Strafen, polizeilichen Maß-nahmen und lässt euch, Deutsche, sogar die Freiheit nehmen und in sog. Wochenendkarzer stecken.

Kennt ihr derartige Bauten? Nein? Nun, bei der nächsten Gelegenheit werdet ihr noch von ihnen zu hören bekommen.

Das ist also die weit und breit gepriesene H.J. Eine Zwangs-organisation ersten Ranges zur Heranziehung nazihöriger Volksgenossen. Hitler und seine Komplizen wissen, dass sie euch von Anfang an den freien Willen nehmen müssen, um gefügige, willenlose Elemente aus euch machen zu können. Denn Hitler weiß, dass seine Zeitgenossen ihn langsam zu durchschauen beginnen, ihn, den Unterdrücker freier Natio-nen, den Mörder von Millionen.

Darum rufen wir euch zu: Lasst euch euren freien Willen, das kostbarste, was ihr besitzt, nicht nehmen. Lasst euch von euren Führern – selbstherrlichen Königen im Kleinen – nicht unterdrücken und tyrannisieren, sondern wendet vielmehr der H.J., dem Werkzeug des Hitlerregimes für euren Unter-gang, den Rücken.

Wir sind bei euch, und unsere Hilfe ist euch jederzeit gewiss!„Harret aus, Deutschland erwacht!“

„Hitlerjugend“, Flugblatt von Helmuth Hübener, 1941, Bundesarchiv

DER NAZI-REICHSMARSCHALL – Ja, der gute, feiste Hermann: Reichsmarschall. […] Wenn die R.A.F. [Royal Air Force] jemals dazu kommt, Berlin zu bombardieren, will ich Meier heißen, sagte er zu Beginn des Krieges. Heute zeigen die Straßen Ber-lins schon deutliche Spuren der Britischen Luftoffensive, doch Göring ist immer noch Göring – und er freut sich, dass er es ist. – Und dann das allzu beliebte Schlagwort: 1000 für eine! Auch ein blendender Reinfall; denn heute ist die deutsche Luftwaffe zufrieden, wenn sie die Insel überhaupt noch ein-mal überfliegen kann, ohne dabei durch die Abwehr schwere Verluste und blutige Köpfe erleiden zu müssen. Wohl kann der Luftmarschall der Nazis noch immer eine horrende Di-vidende […] aus seinen Rüstungswerken ziehen, doch der Traum von der uneingeschränkten, immer zunehmenden Luftüberlegenheit seiner Fliegerarmada geht dem Ende im-mer mehr entgegen. Es wird ein böses Erwachen geben.

Denn Winston S. Churchill sagte: Wenn es sein muss, brin-gen unsere tapferen Bombenflieger Tod und Verderben über Nazi-Deutschland!! Wir wünschen es nicht, haben es nie ge-wollt, doch der Tod vieler tausender hingemordeter Menschen in Rotterdam, Belgrad und nicht zuletzt in Frankreich, Norwe-gen und Polen, das Blut vieler freiheitsliebender Brüder in dem durch Gestapo-Terror niedergehaltenen Europa darf nicht un-gesühnt bleiben.

= Vergeltung wird kommen – so oder so, Herr Göring =

„Der Nazi-Reichsmarschall“, Flugblatt von Helmuth Hübener, 1941, Bundesarchiv

52 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Kreisauer KreisIm Jahr 1940 bildete sich um Helmuth James Graf von Molt-ke und Peter Graf Yorck von Wartenburg eine Gruppe oppo-sitionell gesinnter Männer und Frauen. Sie stammten aus unterschiedlichen sozialen Schichten und vertraten unter-schiedliche Grundüberzeugungen. Gemeinsam diskutierten in größeren und kleineren Gesprächsrunden Katholiken, Pro-testanten, Konservative, Liberale und Sozialisten.

Zu den Gesprächen traf man sich in den Berliner Wohnun-gen von Moltke und Yorck sowie auf den Gütern Kreisau (heu-te Krzyzowa in Polen), Klein Öls (heute Olesnica Mała), Kauern (heute Kurznie) und Groß Behnitz. Ziel des Netzwerks, das spä-ter von seinen Verfolgern den Namen „Kreisauer Kreis“ erhal-ten sollte, war es, Grundzüge einer geistigen, politischen und sozialen Neuordnung nach dem Ende des Nationalsozialismus zu erarbeiten. Durch Tagungen, Gespräche und Denkschriften wollten sie sich auf „die Zeit danach“ vorbereiten.

Kleinere Arbeitsgruppen erarbeiteten zunächst Entwürfe – etwa zu den Themen Staat, Kultur, Wirtschaft, Sozialpolitik, Agrarpolitik, Außenpolitik und Recht. Mitglieder des engeren Kreises standen in Kontakt zu weiteren Fachleuten, die zu den Entwürfen Stellung nahmen. Lediglich Moltke und Yorck kannten alle Beteiligten. Häufig wurden aus Sicherheitsgrün-den Decknamen verwendet. Von den Diskussionspapieren wurden nur wenige Exemplare sicher aufbewahrt.

Im Mai und Oktober 1942 sowie im Juni 1943 wurden im Kreisauer Berghaus auf drei größeren Zusammenkünften Ent-würfe zu den Themen Kirche und Staat, Erziehung, Staats- und Wirtschaftsaufbau, Außenpolitik und Bestrafung der natio-nalsozialistischen Verbrechen diskutiert. Die mit Zustimmung aller erarbeiteten Ergebnisse wurden in „Grundsätzen für die Neuordnung“ zusammengefasst.

Die Kreisauer wollten das Zusammenleben der Menschen ebenso wie den Staat auf eine neue Basis stellen. Besonders zentral war für sie die Einbettung Deutschlands in eine euro-päische Nachkriegsordnung. Christliche Maßstäbe sollten die Grundlage menschlicher Beziehungen und damit auch des in-neren und äußeren Friedens bilden. Rechtssicherheit, Achtung vor der Menschenwürde, Glaubens- und Gewissensfreiheit verlangten nach der Beseitigung der totalitären politischen Ordnung des Nationalsozialismus.

Mit ihren Überlegungen knüpften die Kreisauer an die Überlieferung der klassischen antiken und mittelalterlichen Staatsphilosophie an. Der Staat habe die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen und auf diese Weise eine gute und gerechte Ord-nung zu gewährleisten. Der Staat sollte zudem den Einzel-nen Mitwirkung ermöglichen und deshalb überschaubar in vier Ebenen – Gemeinde, Kreis, Land, Reich – gegliedert sein.

„Landschaftlich zusammengehörige“ Länder mit drei bis fünf Millionen Einwohnern sollten neu gebildet werden. Die Auf-gabenverteilung sollte nach dem Subsidiaritätsprinzip erfol-gen: Jede Körperschaft – von der jeweils kleinsten Einheit bzw. untersten Ebene angefangen – sollte all diejenigen Aufgaben erledigen, für die sie zuständig ist und die sie „sinnvollerweise selbst durchführen kann“.

Auf der unteren politischen Ebene von Gemeinde und Kreis sollten nach dem Prinzip der Persönlichkeitswahl Volksvertre-ter in geheimer und direkter Wahl ermittelt werden. Die „Fa-milienoberhäupter“ sollten für jedes noch nicht wahlberech-tigte Kind eine zusätzliche Stimme erhalten. Die Mitglieder des Landtags sollten in mittelbarer Wahl von den Vertretun-

gen der Kreise und Städte gewählt werden. Die Landtagsabge-ordneten wiederum sollten die Zusammensetzung des Reichs-tags bestimmen. Wählbar sollten hier die männlichen Bürger über 27 Jahre sein. Frauen sollten ein aktives, für die Landtage und den Reichstag jedoch kein passives Wahlrecht besitzen, das heißt, sie konnten in beide Parlamente nicht als Abgeord-nete gewählt werden. Neben dem Reichstag sollte als Vertre-tung der Länder ein Reichsrat bestehen mit der Zuständigkeit für Landes- und Standesinteressen. An die Spitze des Staates wollten die Kreisauer einen Reichsverweser stellen, der den militärischen Oberbefehl führen und das Reich nach außen vertreten sollte.

Im Kreisauer Kreis war das Ausmaß nationalsozialistischer Gewaltverbrechen bekannt. Die Kreisauer wollten die verant-wortlichen „Rechtsschänder“ – so ihre Bezeichnung für die am Massenmord Beteiligten – zur Rechenschaft ziehen. Einigkeit herrschte darüber, dass die Berufung auf Befehl und Gehorsam keine Rechtfertigung für die Beteiligung an Verbrechen sein konnte. Die Täter sollten nicht an fremde Mächte ausgeliefert, sondern vor internationale Gerichtshöfe gestellt werden, de-nen neben drei Richtern der Siegermächte und zwei Vertre-tern neutraler Staaten auch ein Richter des besiegten Staates angehören sollte. Die Pflicht zur Wiedergutmachung an den Opfern war für die Kreisauer Voraussetzung für die Rückkehr der Deutschen in die internationale Staatengemeinschaft.

Ab 1943 waren verschiedene Mitglieder des Kreisauer Krei-ses entschlossen, sich an Staatsstreichplänen zu beteiligen. Sie standen in engem Kontakt zu Ludwig Beck, Carl Fried-rich Goerdeler, Ulrich von Hassell und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Aufgrund dieser Verbindung wurden die meis-ten Mitglieder des Kreisauer Kreises nach dem 20. Juli 1944 als Mitverschwörer angeklagt und zum Tode verurteilt.

Berghaus auf Gut Kreisau, dem Ort der drei Haupttagungen und vieler Treffen des Kreisauer Kreises. In Kreisau finden Pfingsten 1942 und 1943 sowie im Oktober 1942 drei große Zusammenkünfte statt, auf denen die Neuordnung Deutschlands diskutiert wird.

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53 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

freya und helmuth james graf von moltke

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Der 1907 in Kreisau geborene Helmuth James Graf von Moltke studierte ab 1925 in Berlin Rechts- und Staatswissenschaften. 1927 gehörte er zu den Mitbegründern der Löwenberger Arbeitsge-meinschaft, die freiwillige Arbeitslager für Bauern, Arbeiter und Studenten organisierte, in denen gemeinsam nach Lösungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse gesucht wurde. Moltke stand den demokratischen Kräften seiner Zeit nahe und verfolgte Hitlers Aufstieg mit offener Kritik. Da ein Richteramt für ihn des-halb nicht infrage kam, ließ er sich 1935 als Anwalt in Berlin nieder.

Zwischen 1935 und 1938 absolvierte er eine Ausbildung zum bri-tischen Rechtsanwalt und plante die Übernahme eines Anwalts-büros in London, die durch den Kriegsbeginn im September 1939 verhindert wurde. Im selben Monat wurde Moltke als Kriegsver-waltungsrat in das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin verpflichtet. Als Sachverständiger für Kriegs- und Völkerrecht setzte er sich gegen Unrecht und Will-kür ein. Besonders engagierte er sich für die humane Behandlung von Kriegsgefangenen und die Einhaltung des Völkerrechts.

Bereits 1939 verfasste Moltke erste Denkschriften zur politi-schen Neuorientierung Deutschlands. Anfang der 1940er-Jahre wurden Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg zu den führenden Köpfen des entstehenden Kreisauer Kreises. Als Molt-ke Mitglieder des Widerstandskreises um Hanna Solf vor einer Gestapo-Überwachung warnte und dies entdeckt wurde, nahm man ihn am 19. Januar 1944 fest. Der „Volksgerichtshof“ verur-teilte ihn am 11. Januar 1945 zum Tode. Helmuth James Graf von Moltke wurde am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1911 geborene Bankierstochter Freya Deichmann besuch-te nach der Mittleren Reife zunächst eine landwirtschaftliche Frauenschule. Später holte sie ihr Abitur nach und promovier-te nach einem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin. 1929 lernte sie Helmuth James Graf von Moltke kennen, den sie 1931 heiratete. 1937 wurde der Sohn Helmuth Caspar geboren, 1941 der zweite Sohn Konrad. Während der Abwesenheit ihres Man-nes führte Freya das Gut in Kreisau. Im täglichen Briefwechsel informierte ihr Mann sie über seine Kontakte und Gespräche.

Freya von Moltke war die engste Vertraute ihres Mannes und nahm regelmäßig an den Zusammenkünften und Diskussionen in Kreisau und Berlin teil. Sie schrieb Grundsatzpapiere des Krei-ses ab und rettete die Dokumente sowie die Briefe ihres Mannes, die sie in ihren Bienenstöcken auf dem Gut Kreisau versteckte. Ihr Einsatz blieb der Gestapo verborgen. Im Gegensatz zu ihrem Mann, um dessen Freilassung sie sich erfolglos bemühte, konnte sie das Kriegsende überleben.

marion und peter graf yorck von wartenburg

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Der 1904 in Klein Öls im heutigen Polen geborene Peter Graf Yorck von Wartenburg bestand 1930 in Berlin sein zweites ju-ristisches Staatsexamen. Im selben Jahr heiratete er die pro-movierte Juristin Marion Winter. Nach Tätigkeiten als Anwalt, als Referent in der „Osthilfe“ und am Oberpräsidium in Breslau war Yorck von 1936 bis 1942 als Referent für Grundsatzfragen beim Reichskommissar für die Preisbildung in Berlin tätig. Da er sich weigerte, der NSDAP beizutreten, wurde Yorck ab 1938 nicht mehr befördert.

Nach den Pogromen gegen die deutschen Juden im Novem-ber 1938 rief Yorck einen Gesprächskreis ins Leben, in dem er mit Freunden wie Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld die Grundsätze einer neuen Reichsverfassung erarbeitete. Als Re-serveoffizier wurde er bei Kriegsbeginn eingezogen und wech-selte 1942 in den Wirtschaftsstab Ost beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin. Im Januar 1940 begann seine enge Zu-sammenarbeit mit Helmuth James Graf von Moltke, mit dem er gemeinsam die Gespräche des Kreisauer Kreises, die sehr häufig in Yorcks Wohnung in Berlin-Lichterfelde stattfanden, initiierte und führte.

Yorck gehörte bis zuletzt zum engen Kreis der Verschwörer des 20. Juli und war nach einem erfolgreichen Staatsstreich als Staatssekretär des Reichskanzlers vorgesehen. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch wurde Yorck am späten Abend des 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock festgenommen, am 8. August 1944 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und noch am selben Tag in Berlin-Plötzensee ermordet.

Die 1904 geborene Marion Winter wuchs als Tochter eines Oberregierungsrates im preußischen Kultusministerium auf. Sie nahm ein Studium der Medizin auf, wechselte jedoch schnell zum Fach Rechtswissenschaft. 1928 lernte sie auf einem schlesi-schen Gut Peter Graf Yorck von Wartenburg kennen. Sie heirate-ten Ende Mai 1930 und wohnten zunächst in Breslau, seit 1936 in der Hortensienstraße in Berlin-Lichterfelde. Marion Gräfin Yorck von Wartenburg nahm an den meisten Besprechungen der Kreisauer teil und ermöglichte viele Treffen in der gemein-samen Berliner Privatwohnung. 1944 wurde sie festgenommen. Obwohl sie über die Bestrebungen ihres Mannes informiert war, überstand sie die „Sippenhaft“ und das Kriegsende.

54 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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adam von trott zu solz

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Der Jurist Adam von Trott zu Solz, 1909 geboren, bewarb sich nach seiner Promo-tion 1931 erfolgreich um ein Rhodes-Sti-

pendium in Oxford. 1933 kehrte Trott nach Deutschland zurück und legte 1936 die zweite juristische Staatsprüfung ab. 1937/38 konnte er in den USA, ein Jahr im Rahmen eines Stipendiums in China und Ostasien verbringen. Bei seinen Aus-landsaufenthalten traf Trott auch immer wieder mit Gegnern des NS-Regimes zu-sammen. Anfang 1937 lernte er in Oxford Helmuth James Graf von Moltke, 1940 Peter Graf Yorck von Wartenburg kennen, mit denen er ab 1941 als zentrales Mitglied des Kreisauer Kreises eng zusammenar-beitete.

Im Frühjahr 1940 wurde Trott als Mitar-beiter der Informationsabteilung des Aus-wärtigen Amtes eingestellt. Trott unter-nahm noch 1944 Reisen ins Ausland und verstand sich als außenpolitischer Beauf-

tragter des Kreisauer Kreises. Dabei über-mittelte er den Westalliierten verschie-dene Memoranden. Während der dritten Kreisauer Haupttagung 1943 leitete er die Diskussion über die Grundlagen künftiger deutscher Außenpolitik.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 blieb Trott, der für eine lei-tende Funktion im Auswärtigen Amt vor-gesehen war, zunächst unbehelligt. Seine Festnahme erfolgte erst fünf Tage später, als seine Verbindungen zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg entdeckt wurden. Adam von Trott zu Solz wurde am 15. Au-gust 1944 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 26. August 1944 in Berlin-Plötzensee erhängt.

theodor haubach

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1896 geboren, wuchs Theodor Haubach in Darmstadt als Halbwaise auf. Ab 1919 stu-dierte er Philosophie und Soziologie und

schloss sich bereits in dieser Zeit der SPD an. Er gehörte zu den Mitbegründern des republikanischen Schutzverbandes Reichs-banner Schwarz-Rot-Gold.

1927 wurde er in die Hamburger Bürger-schaft gewählt, 1929 Pressereferent des Reichsinnenministers Carl Severing, 1930 des Berliner Polizeipräsidenten Albert Grzezinski. Zwischen 1930 und 1933 betei-ligte sich Haubach intensiv an den Diskus-sionen im Kreis der Religiösen Sozialisten.

Nach der Machtübernahme der Nati-onalsozialisten wurde er kurze Zeit in-haftiert und versuchte nach seiner Haf-tentlassung, die Verbindungen zwischen Gewerkschaften, Reichsbanner und SPD aufrechtzuerhalten. Am 24. November 1934 wurde er erneut festgenommen und bis Mai 1936 im KZ Esterwegen festgehalten.

Haubach stieß 1941 zum Kreisauer Kreis und nahm im Herbst 1942 an der zwei-ten Kreisauer Haupttagung teil. In den Planungen der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 war er als Regierungssprecher vorgesehen.

Nach erfolgter Festnahme am 9. August 1944 stand der während der Haft schwer Erkrankte am 9. Januar 1945 gemeinsam mit weiteren Angehörigen des Kreisauer Kreises vor dem „Volksgerichtshof“. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch abge-trennt.

Theodor Haubach wurde am 15. Januar 1945 zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

alfred delp

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lfred Delp wurde 1907 als ältestes von sechs Kindern einer gemischt-konfessi-onellen Familie geboren. Zunächst evan-

gelisch erzogen, besuchte er zwischen 1922 und 1926 das Bischöfliche Konvikt in Dieburg und arbeitete aktiv in der katho-lischen Jugendbewegung mit. Nach ei-nem Noviziat im Jesuitenorden studierte Delp Philosophie und war anschließend Jugenderzieher im Internat des Jesuiten-kollegs in Feldkirch und Präfekt am Jesu-itenkolleg St. Blasien.

1934 begann Delp ein Theologiestudi-um und empfing 1937 die Priesterweihe. Ab 1939 bis zu ihrem Verbot 1941 war er Redakteur der Kulturzeitschrift des Jesu-itenordens, „Stimmen der Zeit“, danach Seelsorger in der Filialgemeinde St. Ge-org in München-Bogenhausen.

Auf die Bitte Helmuth James Graf von Moltkes, den Kontakt zu einem Katholi-ken zu vermitteln, der intensiv über das

Verhältnis von Kirche und Arbeiterschaft nachgedacht habe, führte Pater Augus-tin Rösch Delp in den Kreisauer Freun-deskreis ein. Delp nahm ab dem Sommer 1942 an zahlreichen Besprechungen so-wie an der zweiten und dritten Kreisau-er Tagung teil, legte Denkschriften über Themen wie die „Arbeiterfrage“ und das

„Bauerntum“ vor und konnte Grundlini-en der katholischen Soziallehre in die Neuordnungspläne einfließen lassen. Er stellte auch wichtige Kontakte zu ande-ren kirchlichen Kreisen her.

Am 28. Juli 1944 wurde Alfred Delp in München festgenommen, am 11. Januar 1945 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Ber-lin-Plötzensee erhängt.

55 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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Aktionsprogramm zur Rettung DeutschlandsAm heutigen Tag, dem Pfingstmontag 1943, haben die Unter-zeichneten feierlich beschlossen, ihr gemeinsames Handeln als Sozialistische Aktion durch die Aufstellung des nachstehenden Aktionsprogramms zu bekräftigen.

Die Sozialistische Aktion ist eine überparteiliche Volksbewe-gung zur Rettung Deutschlands.

Sie kämpft für die Befreiung des deutschen Volkes von der Hitlerdiktatur, für die Wiederherstellung seiner durch die Ver-brechen des Nazismus niedergetretenen Ehre und für seine Freiheit in der sozialistischen Ordnung.

Den Aktionsausschuss bilden Vertreter der christlichen Kräf-te, der sozialistischen Bewegung, der kommunistischen Bewe-gung und der liberalen Kräfte als Ausdruck der Geschlossenheit und Einheit.

Der Kampf wird geführt unter dem Banner der Sozialisti-schen Aktion, der roten Fahne mit dem Symbol der Freiheit: dem mit dem Kreuz vereinten sozialistischen Ring als Zeichen der unverbrüchlichen Einigkeit des arbeitenden Volkes.

Die Sozialistische Aktion ruft in dieser schweren Stunde das arbeitende Volk in Stadt und Land und unsere tapferen Solda-ten zum Kampf auf in der Überzeugung, dass die Rettung des gemeinsamen Vaterlandes vor politischem, moralischem und wirtschaftlichem Verfall nur möglich ist durch:1. Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit.2. Beseitigung des Gewissenszwanges und unbedingte Tole-

ranz in Glaubens-, Rassen- und Nationalitätenfragen.3. Achtung vor den Grundlagen unserer Kultur, die ohne das

Christentum nicht denkbar ist.4. Sozialistische Ordnung der Wirtschaft, um Menschenwürde

und politische Freiheit zu verwirklichen und die Existenz-sicherheit der Angestellten und Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft sowie des Bauern auf seiner Scholle zu schaf-fen, die die Voraussetzung von sozialer Gerechtigkeit und Freiheit ist.

5. Enteignung der Schlüsselbetriebe der Schwerindustrie zu Gunsten des deutschen Volkes als Grundlage der sozialisti-schen Ordnung der Wirtschaft, um mit dem verderblichen Missbrauch der politischen Macht des Großkapitals Schluss zu machen.

6. Selbstverwaltung der Wirtschaft unter gleichberechtigter Mitwirkung des arbeitenden Volkes als Grundelement der sozialistischen Ordnung.

7. Sicherung der Landwirtschaft vor der Gefahr, zum Spielball kapitalistischer Interessen zu werden.

8. Abbau des bürokratischen Zentralismus und organischer Aufbau des Reiches aus den Ländern.

9. Aufrichtige Zusammenarbeit mit allen Völkern, insbesonde-re in Europa mit Großbritannien und Sowjetrussland.

Noch hat das deutsche Volk keine Möglichkeit, seine Stimme zu erheben. Umso lauter rufen die Ruinen und Gräber zur Samm-lung, zur Aktion! Es gilt zu handeln, ehe unsere Heimat ganz zerstört und der Zusammenbruch vollständig ist. Nur die Ein-heitsfront aller Feinde des Nationalsozialismus kann diese Tat vollbringen.

Im Gedenken an die Toten des Krieges und die Märtyrer der Freiheit, die vom Machtwahn des Faschismus hingemordet wurden, und an die Leiden unserer Soldaten geloben wir:

Nie wieder soll das deutsche Volk sich im Parteienstreit verirren!Nie wieder darf die Arbeiterschaft sich im Bruderkampf zer-

fleischen!Nie wieder Diktatur und Sklaverei!Ein neues Deutschland muss erstehen, worin sich das schaf-

fende Volk sein Leben im Geist wahrer Freiheit selbst ordnet.Der Nationalsozialismus und seine Lügen müssen mit Stumpf

und Stiel ausgerottet werden, damit wir die Achtung vor uns selbst zurückgewinnen und der deutsche Name wieder ehrlich wird in der Welt. Das Gebot der Stunde lautet: Fort mit Hitler! Kampf für Gerechtigkeit und Frieden!

Schwere Jahre stehen uns bevor. Fast übersteigt es Men-schenkraft, das wieder aufzurichten, was Hitlers Machtwahn und der Krieg vernichtet haben.

Dennoch! Die Sozialistische Aktion geht entschlossen an die Aufgabe heran. Sie ruft alle aufrechten Deutschen zu ehrlicher Mitarbeit: Wir werden unsere ganze Kraft einsetzen, unser ganzes Können, unser ganzes Selbstvertrauen; und werden da-durch schließlich vor der Geschichte den Beweis erbringen, dass wir doch stärker sind als unser Schicksal, indem wir es meistern.

Entwurf eines Aktionsprogramms zur Schaffung einer überparteilichen Volksbewegung, vermutlich verfasst von den sozialdemokratischen Mitgliedern des Kreisauer Kreises Carlo Mierendorff, Theodor Haubach und Julius Leber zur Zeit der dritten Kreisauer Tagung am 14. Juni 1943

Der gerechte StaatDie letzte Bestimmung des Staates ist es daher, der Hüter der Frei-heit des Einzelmenschen zu sein. Dann ist es ein gerechter Staat.

Aus einem Brief von Helmuth James Graf von Moltke an seinen Freund Peter Graf Yorck von Wartenburg vom 17. Juni 1940

Die Notwendigkeit der AlternativeMan kann eine Regierung nur beseitigen, wenn man eine an-dere Regierung anzubieten hat. Demnach kann mit der Zerstö-rung des Dritten Reiches erst begonnen werden, wenn man zu-mindest imstande ist, eine Alternative vorzuschlagen.

Helmuth James Graf von Moltke in einem Brief an den britischen Beamten Lionel Curtis vom 25. März 1943

56 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 Nach dem Abbruch des Umsturzversuchs im Herbst 1938 bemühten sich die Kreise der nationalkonservativen-militä-rischen Opposition, neue Strukturen aufzubauen und neue Kontakte zu knüpfen. Vor dem Hintergrund der umfassen-den Zustimmung der Bevölkerung zur Politik Hitlers gelang es allerdings weder im Herbst 1939 noch in der Zeit nach dem deutschen Sieg über Frankreich im Sommer 1940, Überle-gungen für einen Staatsstreich konkrete Planungen folgen zu lassen.

Gegner Hitlers versuchten auch nach dem deutschen Über-fall auf Polen im September 1939 wiederholt, die Regierungen in London und Paris über die Existenz einer Opposition und deren Ziele in Kenntnis zu setzen. Im Februar 1940 übergab der Diplomat Ulrich von Hassell in Arosa/Schweiz James Byrns, der dem britischen Außenminister Lord Halifax nahestand, ein Memorandum über die Friedensbestrebungen der deutschen Opposition. Auch über ihren Verbindungsmann zum Vati-kan, den katholischen Rechtsanwalt Josef Müller, suchten sie 1939/40, die Möglichkeiten für einen Verständigungsfrieden mit England auszuloten. Hans von Dohnanyi, der Schwager des Theologen Dietrich Bonhoeffer, nutzte seine Tätigkeit als Mitarbeiter des Amts Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht, um ausländische Kreise über den Widerstand in Deutschland und dessen Ziele zu informieren, genauso wie Adam von Trott zu Solz, der als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes viele Auslandsreisen unternehmen konnte.

Doch all ihre Bemühungen scheiterten daran, dass sie im Ausland nicht als Vertreter eines „anderen Deutschlands“ res-pektiert und als Verhandlungspartner anerkannt wurden. Die

alliierte Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht engte seit 1943 die Verhandlungs-möglichkeiten oppositioneller Kräfte zusätzlich ein.

Zentren des militärischen WiderstandsDie NS-Führung wollte seit Sommer 1941 nicht nur die deut-sche Vorherrschaft in Europa sichern, sondern führte einen Vernichtungs- und Weltanschauungskrieg gegen die Sowjet-union. Neben den gnadenlosen Kampf gegen den Kommu-nismus trat auch der Völkermord an den Juden Europas als wesentliches Kriegsziel. Von Anbeginn des Krieges waren die deutsche Wehrmacht und mit ihr auch Einzelne, die später zu Regimegegnern wurden, an Gewalt- und Kriegsverbrechen be-teiligt. Selten wurde Widerspruch erhoben. Erst im Laufe der Jahre überwanden manche Offiziere ihre loyale Haltung bzw. ihre Übereinstimmung mit dem Regime und entschieden sich in diesem Gewissenskonflikt gegen Eid, Befehl und Gehorsam und für den Widerstand.

Lagebesprechung beim Stab der Heeresgruppe Mitte an der Ostfront 1943, wo sich um Henning von Tresckow eine der stärksten militärischen Oppositionsgruppen sammelt. V. l.: Hauptmann Friedhelm Graf von Matuschka, Oberleutnant Risler, Oberstleutnant Berndt von Kleist, Oberst i. G. Georg Schulze-Büttger, Major i. G. Pretzell, Oberst i. G. Henning von Tresckow, Oberleutnant Kahlenberg, Leutnant Genth, Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff

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Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 bildeten sich drei erkennbare Zentren militärischer Wider-standsaktivitäten:

In der von Admiral Wilhelm Canaris geleiteten Abwehr, dem militärischen Nachrichtendienst, sammelten sich um Hans Oster und Hans von Dohnanyi weitere entschlossene Gegner des nationalsozialistischen Regimes, die – wie Dietrich Bonhoeffer, Otto Carl Kiep, Justus Delbrück oder Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg – gezielt für diese Dienststel-le angefordert wurden. Offiziell im Dienste des NS-Staates angestellt, ermöglichten Dohnanyi und Oster 1942 mit der Unterstützung von Canaris verfolgten Juden die Flucht in die Schweiz.

57 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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In der Heeresgruppe Mitte unterhielt seit Herbst 1941 Oberst im Generalstab (i. G.) Henning von Tresckow Kontakte zu op-positionellen Offizieren. Abgestoßen durch die rücksichtslose Kriegsführung, kritisierte er unfähige Befehlshaber und war sehr gut über die Verbrechen informiert, die bei der „Partisa-nenbekämpfung“ und durch die „Einsatzgruppen des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD“ begangen wurden. Tres-ckow gelang es, einzelne Kontakte zwischen dem Allgemei-nen Heeresamt im Berliner Bendlerblock und hohen Offizieren an der Ostfront zu vermitteln. Er war überzeugt, man müsse

„Hitler wie einen tollen Hund abschießen“. Dies rechtfertigte er als Notwehr und sittliche Verpflichtung.

Tresckow konnte einige seiner Kameraden dafür gewinnen, unter Einsatz ihres Lebens Attentatsversuche auf Hitler aus-zuführen. So erklärten sich 1943 die Brüder Philipp und Georg Freiherren von Boeselager bereit, Hitler bei einem Frontbe-such zu töten, was aber Generalfeldmarschall von Kluge ver-bot, weil er bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen Heer und SS befürchtete. Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff plante, sich am 21. März 1943 im Berliner Zeughaus mit Hit-ler in die Luft zu sprengen. Sein Attentatsversuch scheiter-te, weil Hitler sich nur überraschend kurz dort aufhielt. Im Herbst 1943 war Axel Freiherr von dem Bussche bereit, sich bei der Präsentation neuer Uniformen zusammen mit Hitler zu töten. Die Begegnung kam nicht zustande, weil die Unifor-men bei einem Luftangriff auf Berlin zerstört wurden.

Ein weiteres Zentrum der militärischen Opposition bilde-te sich um Friedrich Olbricht, seit 1940 Chef des Allgemeinen Heeresamtes im Oberkommando des Heeres in Berlin. In sei-nem Stab wurden Pläne für den Fall innerer Unruhen oder von Aufständen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen aus-gearbeitet. Dabei sollten die vollziehende Gewalt im Reich und die militärische Kommandogewalt auf den Befehlshaber des Ersatzheeres, Friedrich Fromm, übergehen. Olbricht stimmte sich mit den Widerstandskreisen um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler ab und betrieb die Ausarbeitung und Um-wandlung dieser Notfallpläne in Instrumente für einen Um-sturz. „Walküre“ war die Bezeichnung für diese Pläne, zu deren Präzisierung Olbricht systematisch Regimegegner in seinen Stab holte. Im Herbst 1943 forderte er Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Stabschef für das Allgemeine Heeresamt an. Gemeinsam mit Tresckow bereitete dieser den Umsturzver-such vor, der die NS-Herrschaft beseitigen sollte.

Motive und Zielvorstellungen Die Motive der militärischen Opposition gegen Hitler, die in den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 mündeten, waren vielfältig und durchaus nicht widerspruchsfrei. Die weltan-schaulichen Überzeugungen der Verschwörer umfassten ein breites Spektrum von Ideen und Vorstellungen. Ewald von Kleist-Schmenzin sprach sich bereits 1933 scharf gegen die nationalsozialistische Diktatur aus. Für viele Offiziere waren jedoch auch militärfachliche Probleme von großer Bedeutung, etwa die aus ihrer Sicht operativ falsche Kriegführung. Fried-rich Karl Klausing betonte in einer Vernehmung im August 1944: „Nach unserer Meinung waren diejenigen Offiziere, die die Lage offen und wahr schilderten, abgesetzt worden. Des-halb haben wir eine Änderung in der Führung der deutschen Wehrmacht für erstrebenswert gehalten.“

Axel Freiherr von dem Bussche war zum Attentat auf Hitler bereit, nachdem er eine Massenerschießung von Juden beob-achtet hatte. Auch viele andere Widerstandskämpfer waren über die nationalsozialistischen Gewalttaten so entsetzt, dass

Besichtigung des Kavallerieregiments Mitte durch Generalfeldmarschall Günther von Kluge (M.), Rittmeister Philipp Freiherr von Boeselager (l.) und Major Georg Freiherr von Boeselager (r.). Beide Brüder erklären sich 1943 bereit, Hitler bei einem Frontbesuch zu töten.

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Seit November 1939 ist der Reserveoffizier Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld (r.) ein enger Mitarbeiter des späteren Generalfeldmarschalls und Oberbefehlshabers West Erwin von Witzleben (l.).

Im März 1943 holt Hans Oster Schwerin nach Berlin, wo er sich in vielfältiger Wei-se an den Staatsstreichvorbereitungen beteiligt. Vorgesehen als Staatssekretär des designierten Staatsoberhauptes Ludwig Beck, gehört Schwerin bis zuletzt zum engsten Kreis der Verschwörer.

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sie jedes Risiko einzugehen bereit waren, um auf diese Weise den Verbrechen ein Ende zu setzen. Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld konfrontierte Roland Freisler, den Präsidenten des „Volksgerichtshofs“, noch im Prozess mit den

„vielen Morden“ der nationalsozialistischen Besatzungsherr-schaft.

58 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Der 20. Juli 1944 war kein „Militärputsch“. Die beteiligten Offi-ziere und Soldaten erkannten immer das Primat der Politik an. Zwar lag ihnen eine Demokratie nach dem Vorbild der Weima-rer Republik eher fern, doch wollten sie keine Militärjunta an die Spitze des Staates stellen. Vielmehr sollte Deutschland von der Diktatur befreit, der Krieg beendet und es sollten neue po-litische Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Militäri-sche Macht war Mittel, nicht Ziel des Umsturzversuches. Die drohende militärische Niederlage, die politische Isolation des Deutschen Reiches, der Wunsch, die Substanz des deutschen Nationalstaats zu bewahren, vor allem aber auch der Wille, die NS-Gewaltverbrechen zu beenden, stellten unverkennbar wichtige Motive vieler Widerstandskämpfer dar.

Die Gegner Hitlers, die den Umsturzversuch des 20. Juli 1944 vorbereiteten, mussten sich fortlaufend über ihre unterschiedli-chen außen- und innenpolitischen Zielvorstellungen verständi-gen. Dies betraf auch die Umsturzplanungen von militärischer und ziviler Seite, die miteinander verzahnt werden mussten. So hatten schon 1940, als es noch keine reale Chance für einen Um-sturzversuch gab, Johannes Popitz und Ulrich von Hassell den Entwurf für ein „Gesetz über die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse im Staats- und Rechtsleben (Vorläufiges Staats-grundgesetz)“ vorgelegt, das den Rechtsstaat wiederherstellen und die Verfolgung der Juden beenden sollte.

Zur Diskussion standen der Verwaltungsaufbau, die Glie-derung der Wehrmachtsspitze, die Grundlinien sozialer Poli-tik sowie der Kultur-, Wirtschafts- und Außenpolitik ebenso wie die Zusammensetzung einer neuen Regierung nach dem Sturz des NS-Regimes. Die Debatten und Gespräche spiegelten die unterschiedlichen Traditionen politischen Denkens wider. Sozialdemokratische Vorstellungen, wie sie etwa Julius Leber und Wilhelm Leuschner einbrachten, mussten mit konservati-veren Ordnungsvorstellungen, wie sie bei Carl Friedrich Goer-deler und Johannes Popitz vorherrschten, in Einklang gebracht werden. Doch allen Beteiligten war klar, dass sie die politische Situation nach einem gelungenen Umsturzversuch nicht vor-her bestimmen konnten. Politische Zielsetzungen hatten da-her immer provisorischen Charakter und hätten sich der po-litischen Realität nach einem erfolgreichen Umsturz stellen müssen.

Ihre gemeinsamen Grundüberzeugungen halfen den Wi-derstandskämpfern, politische Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. In der gemeinsamen Gegnerschaft zum nati-onalsozialistischen Unrechtsstaat überschritten sie die engen Grenzen des obrigkeitsstaatlichen Denkens und des außen-politischen Hegemonialstrebens. Aus dem Geist des Wider-stands entstand so ein Gegenbild zum totalitären „Dritten Reich“, das viele Widerstandskämpfer später auch vor dem

„Volksgerichtshof“ verteidigten. Sie traten für die Menschen-würde als höchsten politischen Grundwert ein und bestritten dem Staat das Recht, über Leben und Gewissen seiner Bürge-rinnen und Bürger zu verfügen.

Grundlegendes Motiv des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 war die „Wiederherstellung der vollkommenen Majes-

tät des Rechts“. Dies hieß nach mehr als elf Jahren Diktatur in Deutschland die Wiedererrichtung des Rechtsstaates als Garant der unveräußerlichen Menschenrechte. Recht gegen Gewalt, nicht Gewalt gegen Gewalt war eine zentrale For-derung. In den Plänen der Verschwörer für die vorläufige Besetzung von Regierungsämtern waren Ludwig Beck als Staatsoberhaupt und Carl Friedrich Goerdeler als Reichskanz-ler vorgesehen. Für den Posten als Vizekanzler war Wilhelm Leuschner im Gespräch. Doch all dies waren vorläufige Pla-nungen.

Die Widerstandskämpfer der Gruppen des 20. Juli 1944 wa-ren darin einig, dass sich die Deutschen nach dem Ende des Krieges der Verantwortung für das Unrecht stellen mussten, das sie den Völkern Europas und vor allem den Juden ange-tan hatten. Nach dem Völkermord an den europäischen Ju-den, an den Sinti und Roma und nach den anderen Verbre-chen in den besetzten Gebieten war für sie nichts anderes denkbar. In der für den 20. Juli 1944 geplanten Regierungs-erklärung hieß es deshalb: „Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Men-schen. Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichs-ten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wiedergutzumachenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt.“

Auf dem Feld der Außenpolitik waren viele konservative Gegner der Nationalsozialisten noch durch die Traditionen machtstaatlichen Denkens geprägt. Sie hatten deshalb in der frühen Kriegsphase selbstbewusst die Interessen des deut-schen Reiches gegenüber den Staaten Europas durchsetzen wollen. Einige unterstützten frühzeitig den Diplomaten Ul-rich von Hassell, der einen Ausgleich mit den Westmächten anstrebte, um so eine Position der Stärke gegenüber der Sow-jetunion zu gewinnen. Andere folgten dem Plan des langjähri-gen deutschen Botschafters in Moskau, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, der eine Verständigung mit der Sowjet-union suchte.

Jüngere Diplomaten wie Adam von Trott zu Solz, Hans-Bernd von Haeften und andere Mitglieder des Kreisauer Krei-ses wollten dagegen den Nationalstaat überwinden und ent-wickelten den Gedanken einer europäischen Konföderation. Auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts wollten sie eine Friedensordnung schaffen, die auf gegenseitigem Ver-trauen aufgebaut sein sollte und so Wettrüsten und Angriffs-kriege unmöglich machte.

Dabei sollte Deutschland über die eigenen territorialen In-teressen hinaus eine besondere Verpflichtung für Frieden und politische Ordnung im Rahmen einer europäischen Kon-föderation übernehmen. Nach einem sofort anzustrebenden Waffenstillstand sollte der Friedensschluss die Völker Europas miteinander versöhnen und die Grundlage für eine neue Frie-densordnung schaffen. Aus dem Wunsch, ein von allen Staa-ten respektiertes Friedenssystem zu bilden, entwickelte sich ein zukunftsweisendes Bewusstsein von Europa als neuer po-litischer Einheit auf föderaler Grundlage.

59 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944

Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 in Jettingen geboren und besuchte wie seine zwei Jahre älteren Brüder, die Zwillinge Alexander und Berthold, das Eber-hard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart.

Seit 1923 zählten die drei Brüder zum Kreis des Dichters Stefan George. Sie verstanden sich als Teil einer verantwor-tungsbewussten Elite und als Vorkämpfer für ein „geheimes Deutschland“, das am Denken des Dichters ausgerichtet sein sollte. Georges Tod im Dezember 1933 erschütterte Claus von Stauffenberg, Verse des Lyrikers dienten ihm in späterer Zeit als Maximen seines Handelns und Verhaltens. Doch auch Grundsätze des katholischen Christentums waren tief in Stauffenberg verankert. Eine enge Freundschaft verband ihn mit den Bildhauern Ludwig Thormaehlen und Frank Mehnert, die er aus dem Kreis um Stefan George kannte.

V. l.: Oberst i. G. Reinhard Gehlen, Oberstleutnant i.G. Coelestin von Zitzewitz und Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf der Fahrt nach Winniza, Sommer 1942

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Nachdem er seine militärische Generalstabsausbildung 1926 begonnen hatte und im Mai 1933 zum Leutnant ernannt worden war, heiratete Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Septem-ber 1933 Nina Freiin von Lerchenfeld. Zu seinen Kindern hatte der Vater ein enges und herzliches Verhältnis.

Stauffenberg war ein besonders begabter Offizier. Dem Natio-nalsozialismus stand er anfänglich positiv gegenüber und be-grüßte die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Nach  Front-einsätzen in Polen und Frankreich wurde er 1941 zum General stab des Heeres versetzt. Doch 1942 kritisierte er nicht nur Hitlers Kriegsführung und dessen strategische Entscheidungen, son-dern hatte sich grundsätzlich vom NS-System abgewandt. Die völkerrechtswidrige Kriegsführung, der Massenmord an den Juden und die Unterdrückung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten ließen ihn im Sommer 1942 zu dem Schluss kommen, dass ein Umsturzversuch und ein Attentat auf Hitler zwingend notwendig waren.

UmsturzvorbereitungenIm Februar 1943 wurde Stauffenberg nach Nordafrika versetzt und dort am 7. April 1943 schwer verwundet. Er verlor die rech-te Hand, den kleinen und den Ringfinger der linken Hand so-wie das linke Auge. Kurz vor der Kapitulation der deutschen Afrika-Truppen konnte er über Italien ins Lazarett nach Mün-chen gebracht werden.

Nach seiner Genesung war Stauffenberg ab Mitte Septem-ber 1943 Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt unter Ge-neral Friedrich Olbricht. Zu diesem Zeitpunkt zählte er bereits zum engsten Kreis der entschlossenen Verschwörer und nutz-te seine Position für die weiteren Attentats- und Umsturzvor-bereitungen.

Stauffenbergs persönliche Ausstrahlung war groß, seine fachliche Kompetenz anerkannt. So führte er viele Gegner des Regimes zusammen und fand unter ihnen enge Freunde. Peter Graf Yorck von Wartenburg vermittelte ihm den Kontakt zum früheren sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Julius Leber, der ebenso wie Yorck und Adam von Trott zu Solz zum Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke zählte. Auch mit Vertretern der Gewerkschaftsbewegung wie Wilhelm Leuschner, Jakob Kaiser, Hermann Maaß und Max Habermann führte Stauffenberg im Herbst 1943 intensive Gespräche. Mit Stauffenbergs Wissen sprachen Julius Leber und Adolf Reich-wein im Juni 1944 mit kommunistischen Widerstandskämp-fern in Berlin.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg (l.), Adolf Hitler und Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel (r.), Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, im „Führerhaupt-quartier Wolfschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen, 15. Juli 1944

Stauffenberg plant den Anschlag auf Hitler bereits für den 15. Juli 1944. Doch Hit-ler verlässt die Lagebesprechung, bevor Stauffenberg die letzten Abstimmungen mit den Verschwörern in Berlin abgeschlossen hat und den Sprengkörper scharf machen kann. In Berlin löst General Friedrich Olbricht an diesem Tag die Opera-tion „Walküre“ aus, in deren Verlauf wichtige Schaltstellen von Staat, NSDAP und Wehrmacht in Berlin besetzt werden sollen. Olbricht kann sie nur mühsam abbre-chen und nachträglich als Probealarm tarnen.

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Attentat und UmsturzversuchDie Lagebesprechungen Hitlers schienen eine Möglichkeit zu bieten, den Diktator auszuschalten. Deshalb konzentrierte sich Stauffenberg nach mehreren misslungenen Attentatsver-suchen anderer und Verhaftungen prominenter Mitverschwö-rer wie Julius Leber und Adolf Reichwein darauf, Hitler durch einen Bombenanschlag im Führerhauptquartier zu töten. Seit Mitte Juni 1944 hatte er als Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheeres dort Zugang. Obwohl er persönlich die Tat aus-führen wollte, blieb Stauffenberg auf die Unterstützung seiner Freunde angewiesen: Sprengstoff musste beschafft und trans-portiert werden, die Flucht aus dem Hauptquartier vorbereitet und eine weitgehende Nachrichtensperre verhängt werden. Erst dadurch entstand die Chance, das Attentat in einen Um-sturz des Systems münden zu lassen, der unter dem Stichwort

„Operation Walküre“ vorbereitet wurde.Die Bombe, die Stauffenberg am 20. Juli in seiner Aktentasche

bei sich trug, enthielt zwei Sprengstoffpakete mit chemischen Zeitzündern. Hauptmann Wessel Freiherr Freytag von Loring-hoven verfügte als Chef der Abteilung Sabotage im Amt Ausland/Abwehr über Zugang zu Sprengmaterial. Er hatte den Sprengstoff für die Attentäter beschafft und Oberstleut-nant Fritz von der Lancken in Potsdam zur Verwahrung ge-geben. Von dort war die Aktentasche mit zwei verschnürten Sprengstoffpaketen am Nachmittag des 19. Juli 1944 zur Woh-nung Stauffenbergs in Berlin gebracht worden.

Stauffenberg flog am Morgen des 20. Juli gemeinsam mit sei-nem Adjutanten Werner von Haeften zum „Führerhauptquar-tier Wolfschanze“ in Rastenburg (heute Ketrzyn). Dabei behielt er die Tasche mit dem Sprengstoff stets in seiner Nähe. Kurz vor 12.30 Uhr zog er sich unter einem Vorwand zurück und zerdrückte mit einer Zange die Säureampulle eines Zeitzün-ders. Da er dabei gestört und zur Lagebesprechung gerufen wurde, gelang es ihm nicht mehr, das zweite Sprengstoffpaket scharf zu machen. Es verblieb in der Tasche Werner von Haef-tens, der es kurz darauf bei der Flucht aus dem Wagen warf.

Stauffenberg konnte den Sprengkörper unter dem Karten-tisch in der Nähe von Hitlers Standort ablegen. Danach verließ er unbemerkt den Raum und beobachtete aus einiger Entfer-nung die Detonation gegen 12.42 Uhr. Unglückliche Zufälle verhinderten den Erfolg des Anschlags: Hitler blieb am Leben. Der schwere Eichentisch, über den er sich zum Zeitpunkt der Explosion beugte, hatte seinen Körper geschützt. Zudem hatte die Besprechung nicht im Bunker, sondern in einer Baracke in Leichtbauweise stattgefunden, wo die Explosionskraft des ei-nen Sprengstoffpakets nicht ausreichend war und viel von ihr nach außen entwich.

Stauffenberg glaubte jedoch, dass sein Attentat gelungen war. Er konnte das „Hauptquartier“ im letzten Moment vor der Abriegelung verlassen und flog nach Berlin, um dort im Ober-kommando des Heeres in der Bendlerstraße, der Zentrale der Verschwörung, den Umsturzversuch voranzutreiben.

Der zerstörte Besprechungsraum im „Führerhauptquartier Wolfschanze“ nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Alle 24 Personen, die sich zum Zeitpunkt der Explo-sion in diesem Raum aufhalten, werden verwundet. Vier von ihnen erliegen später ihren Verletzungen, Hitler überlebt den Anschlag nur leicht verletzt.

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„Walküre“Um 15.15 Uhr erreichte die erste Nachricht vom Anschlag das Allgemeine Heeresamt im Bendlerblock, um 15.45 Uhr meldete Werner von Haeften telefonisch, Hitler sei tot. Doch die dor-tigen Mitverschworenen hatten keine gesicherten Informa-tionen und warteten ab. Erst gegen 16.00 Uhr wurde von Al-brecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht die Operation „Walküre“ ausgelöst. Die vollziehende Gewalt soll-te nun auf Generaloberst Friedrich Fromm, den Befehlshaber des Ersatzheeres, übergehen, der sein Hauptquartier im Bend-lerblock hatte. Außerdem mussten wichtige Schaltstellen der Macht und des Nachrichtenwesens besetzt und gesichert wer-den. Kurz darauf trafen Stauffenberg und Haeften im Bendler-block ein. In den folgenden Stunden versuchten Stauffenberg, Mertz, Beck und Olbricht verzweifelt, Unterstützung für den Umsturzversuch zu erhalten.

Die „Walküre“-Pläne boten den Verschwörern eine fast per-fekte Tarnung: Den in Marsch zu setzenden Einheiten sollte der Eindruck vermittelt werden, nach Hitlers Tod hätten hohe Nationalsozialisten mit einem Putsch die Führung an sich reißen wollen. Deshalb müssten wichtige Schaltstellen der Macht, vor allem in der Reichshauptstadt Berlin, von Wehr-machtsverbänden abgesperrt und notfalls auch gegen SS-Ein-heiten verteidigt werden. Doch nur wenige Truppenteile wur-den zwischen 16.00 und 18.00 Uhr in Marsch gesetzt. Denn als sich Fernmeldungen vom Überleben Hitlers mit Fernschrei-ben der Verschwörer aus dem Bendlerblock kreuzten und wi-dersprachen, verhielten sich die meisten Offiziere abwartend. Als schließlich die Nachricht von Hitlers Überleben ab 18.28 Uhr mehrfach im Rundfunk gesendet wurde, verunsicherte dies auch die Mitverschworenen in der Stadtkommandantur und im Wehrkreiskommando.

Scheitern des UmsturzesDa Hitler den Bombenanschlag überlebt hatte, konnten die Vertrauensleute der Verschwörer im „Führerhauptquartier Wolfschanze“ die Verbindungen nach außen über Telefon und Funk nicht lange unterbrechen. Deshalb waren Hitler, Reichs-innenminister Heinrich Himmler, Hitlers Sekretär Martin Bormann und der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel ab dem späten Nachmittag in der Lage, Gegen-befehle zu erlassen, die alle Bemühungen der Verschwörer zu-nichtemachten.

Viele Offiziere in den entscheidenden Positionen im Bendler-block und in den Wehrkreisen beriefen sich jetzt auf ihren Eid und bekannten sich zu Hitler. Friedrich Fromm, Befehlshaber des Ersatzheeres, hatte den Verschwörern verweigert, den Be-fehl zur Auslösung der Operation „Walküre“ zu unterschrei-ben, wozu nur er berechtigt war. Daraufhin hatten ihn die Verschwörer festgesetzt. Gegen 22 Uhr wurde er durch regime-treue Offiziere befreit und befahl am späten Abend, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Innen-hof des Bendlerblocks zu erschießen. Ludwig Beck war kurz zuvor nach einem missglückten Selbstmordversuch auf Befehl Fromms erschossen worden.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erreichte der nationalsozialistische Terror in Deutschland einen neuen Hö-hepunkt. Eine von der Gestapo eingesetzte „Sonderkommissi-on 20. Juli 1944“ nahm mehr als 600 Menschen fest. Die Of-fiziere unter ihnen wurden aus der Wehrmacht ausgestoßen. Der nationalsozialistische „Volksgerichtshof“ verurteilte die meisten von ihnen gemeinsam mit den zivilen Beteiligten am Umsturzversuch zum Tode. Allein in der Hinrichtungs-stätte Berlin-Plötzensee wurden 89 Menschen erhängt oder enthauptet, die den Widerstandskreisen des 20. Juli 1944 zuge-rechnet werden können oder diese unterstützt hatten. Andere kamen in der Haft ums Leben oder wählten den Freitod. Insge-samt fielen der nationalsozialistischen Verfolgung im Zusam-menhang mit dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 etwa 150 Menschen zum Opfer.

Am 30. Juli 1944 befahl Adolf Hitler die „Sippenhaft“ gegen die Familien der am Umsturzversuch Beteiligten sowie ge-gen die Familien der Soldaten und Offiziere, die sich in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft dem Nationalkomitee

„Freies Deutschland“ angeschlossen hatten. Dies betraf mehr als 300 Menschen, darunter viele Kinder, die unter falschen Namen in ein nationalsozialistisches Kinderheim in Bad Sachsa verschleppt wurden. Im September 1944 wurden die ersten „Sippenhäftlinge“ wieder aus der Haft entlassen. Für die anderen begann im Januar 1945 eine Odyssee durch ver-schiedene Konzentrationslager, die erst mit der Befreiung Ende April 1945 in Tirol endete. Viele Kinder aus dem Kinder-heim in Bad Sachsa kehrten erst nach Kriegsende zu ihren Müttern zurück. Die meisten Väter waren der nationalsozia-listischen Unrechtsjustiz zum Opfer gefallen.

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Der 1901 geborene Berufsoffizier Henning von Tresckow begrüßte zunächst die Macht-übernahme der Nationalsozialisten, dis-

tanzierte sich dann aber zunehmend von der Politik Hitlers und stellte sich nach den Novemberpogromen 1938 auf die Seite der entschlossenen Regimegegner. 1940 wurde er als Oberstleutnant zur Heeresgruppe B versetzt, die 1941 vor dem Überfall auf die Sowjetunion in Heeresgruppe Mitte umbe-nannt wurde. Dort versammelte sich eine Gruppe von oppositionellen Offizieren, in der Tresckow eine führende Rolle innehatte.

Ende Juli 1943 wurde Tresckow in die „Führerreserve“ versetzt, hatte also vorüber-gehend keine Aufgabe und war von Fron-teinsätzen vorerst entbunden. Er nutzte die Gelegenheit, um zusammen mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg, den er be-reits im Juli 1941 an der Ostfront kennen und schätzen gelernt hatte, in Berlin die

„Walküre“-Pläne, die für den Fall innerer

Unruhen gedacht waren, in einen Staats-streichplan für die Opposition umzuarbei-ten. Im Herbst 1943 wurde er an die Ost-front versetzt und hielt als Generalmajor Kontakt zu den Verschwörern um Stauf-fenberg, ohne direkt eingreifen zu kön-nen. Unmittelbar vor dem Anschlag vom 20. Juli 1944 bestärkte Henning von Tres-ckow Stauffenberg in seinem Entschluss, das Attentat auszuführen.

Einen Tag nach dessen Scheitern töte-te sich Tresckow an der Front bei Ostrów in Polen mit einer Gewehrsprenggranate. Man glaubte zunächst, er sei im Kampf gefallen. Die späteren Prozesse gegen die Urheber und Mitwisser der „Walküre“-Plä-ne brachten seine Beteiligung an dem Um-sturzversuch ans Licht. Seine Familie wurde in „Sippenhaft“ genommen.

axel freiherr von dem bussche

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er 1919 geborene Berufssoldat Axel von dem Bussche trat 1937 in das traditionsrei-che Potsdamer Infanterieregiment 9 ein.

Er nahm am Überfall auf Polen und an der Besetzung Frankreichs teil und wurde schließlich als Regimentsadjutant bei Dubno (Ukraine) am 5. Oktober 1942 Au-genzeuge der Ermordung von mehreren tausend Juden. Dieses Verbrechen er-schütterte ihn zutiefst.

Bussche, der eng mit Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg befreundet war, wurde von diesem in die Pläne der Ver-schwörer eingeweiht und traf im Oktober 1943 in Berlin Claus von Stauffenberg. Als sich im November 1943 eine Gelegenheit bot, in die Nähe Hitlers zu gelangen und ihn zu töten, war Bussche unter dem Ein-druck der nationalsozialistischen Verbre-chen dazu bereit. Er wollte Hitler bei der Vorführung neuer Uniformen töten, die für den 21. November im „Führerhaupt-

quartier Wolfschanze“ vorgesehen war. Bussche gehörte zu der kleinen Gruppe jener Soldaten, die Hitler die Modelle präsentieren sollten. Zwei Tage wartete Bussche in der Gästebaracke der „Wolf-schanze“, doch die Vorführung kam nicht zustande.

Kurz nach seinem gescheiterten At-tentatsversuch wurde Bussche im Januar 1944 an der Ostfront schwer verwundet, ein Bein musste amputiert werden. We-gen seines Lazarettaufenthalts konnte er sich an den unmittelbaren Vorbereitun-gen für den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 nicht beteiligen. Seine Attentatsvor-bereitungen vom November 1943 blieben von der Gestapo unentdeckt.

ulrich-wilhelm graf von schwerin von schwanenfeld

Priv

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Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld, 1902 geboren, wurde in

München 1923 Zeuge des „Hitlerputsches“, der den gewaltsamen Sturz der demokra-tisch gewählten Regierung zum Ziel hatte. Dieses Erlebnis begründete seine Ableh-nung des Nationalsozialismus.

Seine aktive Widerstandsarbeit begann 1938 mit seinen Freunden Peter Graf Yorck von Wartenburg und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Bereits 1938 wurde Schwe-rin dank seiner Kontakte zum Auswärtigen Amt und zum Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht Verbin-dungsglied zwischen zivilem und militäri-schem Widerstand. Als Reserveoffizier ein-gezogen, arbeitete er seit November 1939 im Stab und in der unmittelbaren persön-lichen Nähe des späteren Feldmarschalls und Oberbefehlshabers an der Westfront, Erwin von Witzleben. Nach der Verabschie-

dung Witzlebens 1942 wurde Schwerin als „politisch unzuverlässig“ von Paris nach Ut-recht versetzt.

Im März 1943 holte ihn Hans Oster nach Berlin, wo er sich intensiv an den Staats-streichvorbereitungen beteiligte. Dort freun-dete er sich im September 1943 mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg an. Vorgesehen als Staatssekretär des designierten Staats-oberhauptes Ludwig Beck, gehörte er bis zu-letzt zum engsten Kreis der Verschwörer.

Am 20. Juli 1944 wartete Schwerin zusam-men mit Berthold Schenk Graf von Stauffen-berg, Yorck und Schulenburg in seinem Büro auf die Nachricht von der Durchführung des Attentats. Schwerin wurde am 21. Au-gust 1944 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 8. September 1944 in Ber-lin-Plötzensee erhängt.

63 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

friedrich olbricht

GDW

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Generalstabsoffizier, die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen worden war,

wurde der 1888 geborene Friedrich Olbricht 1926 in die Abteilung „Fremde Heere“ des Reichswehrministeriums berufen und kam 1933 als Stabschef nach Dresden. Im März 1940 wurde er zum Chef des Allgemei-nen Heeresamtes beim Oberkommando des Heeres in Berlin ernannt und war in Personalunion seit 1943 auch Chef des Wehrersatzamtes beim Oberkommando der Wehrmacht.

Olbricht betrieb in Abstimmung mit zi-vilen Oppositionsgruppen um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler seit 1942 die Ausarbeitung der „Walküre“-Pläne, um den Verschwörern die Übernahme der vollzie-henden Gewalt zu ermöglichen.

Nachdem Olbricht 1943 Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Stabschef für sein Amt angefordert hatte, weihte er die-

sen bei einem Gespräch um den 10. August 1943 in die Planungen der Verschwörer und die bisherigen Ausarbeitungen der

„Walküre“-Befehle ein. Die vertrauensvolle Kooperation endete auch nicht, als Stauf-fenberg im Juni 1944 zum Befehlshaber des Ersatzheeres General Fromm wech-selte. Als am 20. Juli 1944 das mehrfach verschobene Attentat auf Hitler verübt wurde, löste Friedrich Olbricht am Nach-mittag in Berlin den „Walküre“-Alarm aus. Nach dem Scheitern des Umsturzversu-ches wurde er noch in der Nacht im Hof des Bendlerblocks zusammen mit Stauf-fenberg, Mertz von Quirnheim und Wer-ner von Haeften erschossen.

albrecht ritter mertz von quirnheim

Priv

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1905 geboren, absolvierte Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim ab 1923 eine Aus-

bildung zum Berufsoffizier und war seit einem gemeinsamen Lehrgang an der Kriegsakademie in Berlin mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg befreundet. Nach Einsätzen in Polen und Frankreich kam Mertz im Winter 1941 in das „Führerhaupt-quartier“ Winniza an der Ostfront, wo er mit Stauffenberg bis zu dessen Versetzung nach Afrika zusammenarbeitete.

Mertz erlebte im Winter 1942/43 an der Ostfront die Niederlage von Stalingrad. Im Juni 1944 trat er die Nachfolge Stauf-fenbergs als Chef des Stabes bei Gene-ral Friedrich Olbricht an. Mertz gehörte inzwischen zum engsten Kreis der Ver-schwörer um Stauffenberg. Gemeinsam mit Friedrich Olbricht löste er am 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock gegen 16.00 Uhr die Operation „Walküre“ aus. Nach

dem Scheitern des Umsturzversuches wurde Mertz, der bis zuletzt versucht hat-te, den militärischen Umsturz zum Erfolg zu führen, in der Nacht zum 21. Juli 1944 gemeinsam mit Stauffenberg, Olbricht und Werner von Haeften im Hof des Ber-liner Bendlerblocks erschossen.

„Hitler ist ein Verbrecher oder Wahnsinni-ger, wahrscheinlich aber beides. Er muss be-seitigt werden, um den aussichtslosen Krieg zu beenden.“

Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim am 25. Juni 1944 gegenüber seiner Schwester Gudrun

„Regierungserklärung“ für den 20. Juli 1944Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muss darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muss sich daher einer ge-ordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen. […] Zur Siche-rung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Be-handlung aller Menschen. […] Das Recht wird jedem gegenüber, der es verletzt hat, durchgesetzt. Alle Rechtsbrecher werden der verdienten Strafe zugeführt. […] Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschä-menden und gar nicht wieder gutzumachenden Formen vollzo-gen hat, ist sofort eingestellt. […]

Es ist ein grober Irrtum, anzunehmen, dass es einer Regierung gestattet sei, das Volk durch Lüge für ihre Ziele zu gewinnen. […] Die Presse soll wieder frei sein. […] Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wieder hergestellt. […] Die Konzentrationslager werden aufge-

löst, die Unschuldigen entlassen, Schuldige dem ordentlichen gerichtlichen Verfahren zugeführt werden.

Aus der für den 20. Juli 1944 geplanten Regierungserklärung von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler

Die Konsequenz des eigenen HandelnsWenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, dass Gott auch Deutschland um unsertwillen nicht vernich-ten wird. Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. [In der griechischen Mythologie: Verderben brin-gendes Geschenk, das seinen Träger vergiftet – Anm. d. Red.]

Henning von Tresckow, überliefert von Fabian von Schlabrendorff

64 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand von außen

V. l.: Erich Weinert, Wilhelm Pieck, General Walther von Seydlitz-Kurzbach und Major Albert Hünemörder um 1943. General von Seydlitz-Kurzbach gehört wie Major Hünemörder zu den Gründungsmitgliedern des Bundes Deutscher Offiziere, der kurz nach seiner Gründung im Nationalkomitee „Freies Deutschland“ (NKFD) aufgeht.

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Während des Krieges kämpften deutsche Emigranten als Sol-daten in den alliierten Armeen oder schlossen sich den Parti-sanengruppen im deutsch besetzten Europa an. Sie waren aus politischen Gründen geflohen oder weil sie als Juden verfolgt worden waren und wollten so Deutschland von der NS-Herr-schaft befreien. Ihre deutschen Sprachkenntnisse setzten einige in speziellen Propagandaeinheiten ein: Mit Hilfe von Flugblättern klärten sie Wehrmachtssoldaten über den tat-sächlichen Kriegsverlauf auf und wollten sie zur Aufgabe bewegen.

Ab 1941 gerieten immer mehr deutsche Soldaten in Kriegs-gefangenschaft. In amerikanischer und britischer Gefangen-schaft lernten sie Grundsätze freiheitlicher Demokratie ken-nen, in sowjetischer Gefangenschaft wurden sie vielfach mit der Frage konfrontiert, ob sie den Vernichtungskrieg in der Sowjetunion rechtfertigen könnten.

Im Sommer 1943 wurde im Kriegsgefangenenlager Krasno-gorsk bei Moskau auf Initiative der sowjetischen Führung und unter Beteiligung deutscher kommunistischer Emigranten um Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht das Nationalkomitee

„Freies Deutschland“ (NKFD) gegründet. Es sollte deutsche Kriegsgefangene beeinflussen, rief zum Sturz des NS-Regimes und zur Desertion aus der Wehrmacht auf. Schnell wurde aber deutlich, dass die Propaganda des Nationalkomitees „Frei-es Deutschland“ ohne Unterstützung gefangener deutscher

Generale wirkungslos bleiben würde. Es gelang, einige hohe deutsche Offiziere zur Mitarbeit zu gewinnen. Ihnen war von ihren sowjetischen Gesprächspartnern versprochen worden, den Bestand des Deutschen Reiches zu garantieren, wenn sich die Wehrmachtsführung von Hitler abwende, dadurch sein Regime beseitige und den Befehl zum geordneten Rück-zug auf die Reichsgrenzen gebe. Im Spätsommer 1943 wurde der Bund Deutscher Offiziere gegründet und wenig später mit dem NKFD vereinigt. Er sollte möglichst viele der Offiziere an-sprechen, die dem Kommunismus ablehnend gegenüberstan-den. Als sich zeigte, dass die Rote Armee auch ohne Hilfe des NKFD die deutsche Front unaufhaltsam zurückdrängte, verlor es für die Sowjetunion ab 1944 seine Bedeutung und wurde kurz nach Kriegsende im Herbst 1945 aufgelöst.

In amerikanischer Kriegsgefangenschaft fanden sich ab 1943 Gleichgesinnte zusammen, die sich innerlich vom Nationalso-zialismus gelöst hatten. Sie versuchten, ihre Kameraden durch Vorträge und Lagerzeitschriften zu beeinflussen und  warben für den Aufbau eines demokratischen Deutschlands. 300 Geg-ner des NS-Regimes, darunter vorwiegend politische Zwangs-rekrutierte, die in Strafdivisionen der „999er“ (siehe S. 37) Wehr-dienst leisten mussten, befanden sich von Mai 1943 bis zum Sommer 1947 in Kriegsgefangenschaft in Französisch-Nord- afrika. In der Tradition der Arbeiterbewegung konnten diese Regimegegner über das Kriegsende hinaus vielen jungen ge-fangenen Soldaten des Afrika-Korps die Idee eines demokrati-schen Nachkriegsdeutschlands näher bringen.

65 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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hanna podymachina

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Hanna Bernstein, 1924 in Berlin gebo-ren, wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf. Ihr Vater Rudolf war KPD- Abgeordneter der Bezirksversammlung Berlin-Mitte und leitete verschiedene Be-triebe in Parteibesitz. Er wurde im Februar 1933 festgenommen und im KZ Sonnen-burg inhaftiert. Nach seiner Entlassung aus der Haft emigrierte die Familie im Juni 1934 in die Sowjetunion.

Nach ihrem Abitur trat Hanna Bernstein 1942 in eine Propagandaeinheit der Ro-ten Armee ein. Hier nutzte sie ihre deut-schen Sprachkenntnisse auf vielfältige Weise: Sie dolmetschte bei Verhören deutscher Kriegsgefangener und Über-läufer, wertete erbeutete deutsche Feld-postbriefe aus und verfasste Flugblät-ter und Aufrufe an die Soldaten der Wehrmacht.

In der Nähe der Frontlinien sprach Hanna Bernstein über einen Lautspre-cherwagen zu den Wehrmachtssoldaten, um sie zur Aufgabe des Kampfes zu be-wegen. Zeitweise war sie auch mit ei-nem Doppeldeckerflugzeug im Einsatz, mit dem sie nachts über den Stellungen der deutschen Soldaten kreiste und ihre Appelle verlas. Mit ihrem Lautsprecher-wagen begleitete sie die sowjetische Armee auf ihrem Weg von der Ukraine bis nach Wien, wo sie im April 1945 das Kriegsende erlebte. 1946 heiratete sie den sowjetischen Hauptmann Semjon Podymachin.

dora schaul

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Die 1913 geborene Dora Davidsohn stamm-te aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin, besuchte eine Handelsschule und arbeitete danach als Büroangestell-te. 1933 verließ sie Deutschland und ging nach Amsterdam. Ein Jahr später über-siedelte sie gemeinsam mit ihrem spä-teren Ehemann Alfred Benjamin nach Frankreich. Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Dora Davidsohn in Paris festgenommen, weil sie keine gültigen Papiere vorweisen konnte. Nach der Haft in Paris wurde sie im Oktober 1939 in das südfranzösische

Internierungslager Rieucros, nach dessen Schließung in das Lager Brens gebracht. Während der Internierung heiratete sie Alfred Benjamin.

Im Juli 1942 floh sie aus dem Lager Brens und schloss sich in Lyon dem französi-schen Widerstand, der Résistance, an. Un-ter dem Decknamen „Renée Fabre“ arbei-tete Dora Benjamin als Französin getarnt bei deutschen Dienststellen, um so wich-tige Informationen für die Résistance zu sammeln. Sie nutzte ihre Kontakte zu deutschen Soldaten, um Schriften und Flugblätter gegen den Nationalsozialis-mus zu verbreiten. Das Kriegsende erleb-te Dora Davidsohn in Frankreich.

1946 kehrte sie nach Deutschland zu-rück. Ihre Eltern und ihre Schwester wa-ren im Vernichtungslager Lublin-Maj-danek ermordet worden, ihr Ehemann Alfred Benjamin war während eines Fluchtversuchs in die Schweiz 1942 töd-lich verunglückt. Einige Jahre nach dem Krieg heiratete sie Hans Schaul, der 1933 ebenfalls vor den Nationalsozialisten geflohen war, im Spanischen Bürger-krieg für die Republik gekämpft hatte und später in Frankreich interniert wor-den war.

henry ormond

Hans Oettinger, 1901 in Kassel als Hans Ludwig Jacobsohn geboren und 1920 adoptiert, studierte Rechtswissenschaft, arbeitete ab 1930 als Staatsanwalt und wenig später als Amtsrichter in Mann-heim. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er 1933 aufgrund des „Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufs-beamtentums“ aus dem Staatsdienst entlassen.

Ende 1938 wurde er verhaftet und ins KZ Dachau gebracht, aber unter der Auf-lage, aus Deutschland auszureisen, im März 1939 entlassen. Über die Schweiz gelang ihm die Flucht nach Großbritan-nien, wo er kurz darauf, nach Beginn des Krieges, als „feindlicher Ausländer“ inter-niert wurde.

Als ein Geistlicher für ihn bürgte, er-hielt Oettinger eine Stelle als Haushalts-hilfe, wurde wenig später aber erneut in-terniert und nach Kanada gebracht. Dort meldete er sich zur britischen Armee und nahm später den Namen Henry Lewis Ormond an. Mit einer Propagandaeinheit der Royal Army kehrte er nach Deutsch-land zurück. Er verfasste Flugblätter und Aufrufe an die deutsche Bevölkerung, die auch über Lautsprecherwagen verbreitet wurden.

Nach dem Ende des Krieges blieb Hen-ry Ormond in Deutschland und arbeitete wieder als Rechtsanwalt. Dabei engagier-te er sich besonders für Opfer des Natio-nalsozialismus und vertrat ab 1963 die Nebenklage im ersten der Frankfurter

„Auschwitz-Prozesse“.

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66 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand gegen die nationalsozia-listische Judenverfolgung

Belegschaft der Blindenwerkstatt Otto Weidt in der Rosenthaler Straße 39 in Berlin 1941

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Unmittelbar nach der Machtübernahme durch die National-sozialisten am 30. Januar 1933 begann die Ausgrenzung, Diffa-mierung und Entrechtung der etwa 500 000 deutschen Juden. Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, mit dem die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben einsetzte, die Nürnberger „Rassengesetze“ vom September 1935 und die Pogrome vom 9. November 1938 markierten die wesentlichen Stationen der Judenverfolgung in Deutschland. Nach den Po-gromen 1938 wurden mehr als 30 000 jüdische Männer in Konzentrationslager verschleppt; gesetzliche Vorschriften ver-schärften die wirtschaftliche und soziale Entrechtung weiter.

Viele Juden erkannten, wie gefährlich das Leben in Deutsch-land wurde. Sie bereiteten sich seit Mitte der 1930er-Jahre durch Sprachkurse und Umschulungen auf ihre Auswande-rung vor. Mehr als 300 000 Juden konnten bis zum Kriegsbe-ginn im Herbst 1939 aus Deutschland fliehen.

Dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Eu-ropas fielen rund sechs Millionen Menschen zum Opfer, von denen die meisten erschossen oder mit Giftgas ermordet wur-den. Darunter waren auch mehr als 160 000 deutsche Juden. Sie wurden seit Oktober 1941 vor allem in die Vernichtungs-stätten in den deutsch besetzten Gebieten Polens und der Sow-jetunion deportiert und dort ermordet.

Etwa 10 000 bis 12 000 deutsche Juden versuchten sich die-ser tödlichen Bedrohung zu entziehen. Da Auswanderung ab 1941 verboten und auch auf illegale Weise nahezu unmög-lich war, blieb nur die Flucht in den Untergrund – mit höchst ungewissem Ausgang. Wer „untertauchte“, widersetzte sich der Diktatur. Verstecke mussten gefunden und häufig ge-wechselt werden. Dabei bestand ständig die Gefahr des Verrats und der Entdeckung. Vermutlich mehr als die Hälf-te derjenigen, die sich in Deutschland der Deportation ent-zogen, tat dies in Berlin. Viele tauchten erst 1943 unter, als die verbliebenen Juden, die überwiegend in der Rüstungs-industrie Zwangsarbeit leisteten, deportiert werden sollten. In Deutschland überlebten etwa 5000 „Untergetauchte“, da-von über 1900 in Berlin.

Gelingen konnte dies meist nur mit Hilfe von Menschen, die bereit waren, Verfolgte zu unterstützen. Unter Gefährdung der eigenen Person besorgten diese „stillen Helden“ Lebensmittel, beschafften falsche Papiere, leisteten Fluchthilfe, stellten Quar-tiere zur Verfügung oder versteckten die Verfolgten bei sich. Viele wurden zu Rettern, weil sie von Verfolgten oder anderen Helfern gezielt um Hilfe gebeten wurden. Andere wiederum ergriffen selbst die Initiative zur rettenden Unterstützung. Sie appellierten etwa an jüdische Freunde, sich nicht deportieren zu lassen, und sagten ihnen Hilfe für ein Leben im Untergrund zu. Weltanschauliche und politische Motive waren für die Hil-fe ebenso von Bedeutung wie spontanes Mitgefühl. Dadurch konnten sie die Angst um die eigene Person und die Familie so-wie die berechtigte Furcht vor der Gestapo überwinden.

Häufig entwickelten sich im Verlauf von Rettungsversu-chen Netzwerke von Helfenden. Für jeden „Untergetauchten“ waren bis zu zehn, bisweilen auch erheblich mehr nichtjüdi-sche Unterstützer aktiv. Viele Hilfsaktionen scheiterten jedoch. Schätzungen gehen heute von insgesamt mehreren zehntau-send Menschen aus, die in Deutschland jüdischen Verfolgten geholfen haben. Auch in den besetzten Ländern Europas gab es neben vielen Einheimischen einzelne Deutsche, die ihre Stellung als Soldaten oder in der Kriegswirtschaft nutzten, um tödlich bedrohte Juden zu unterstützen.

Die meisten Menschen, die sich dem NS-Völkermord durch Rettungsaktionen entgegenstellten, schwiegen nach 1945 über ihre Hilfeleistungen. Sie begriffen sie als selbstverständ-lich. Erst später wurde ihr Handeln gewürdigt. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 26 000 Frauen und Männer für diese Hilfsaktionen als „Ge-rechte unter den Völkern“ geehrt. In Deutschland widmet sich die Berliner Gedenkstätte Stille Helden der Erinnerung an jene Menschen, die sich der tödlichen Bedrohung entzogen, und an jene, die ihnen dabei geholfen haben.

Proteste in der Rosenstraße Am 27. und 28. Februar 1943 wurden in ganz Deutschland im Rahmen der „Fabrikaktion“ mehr als 11 000 Jüdinnen und Ju-den von der Gestapo festgenommen, die bisher Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie geleistet hatten, davon allein in Berlin mehr als 8000. Fast 7000 von ihnen wurden in den fol-genden Tagen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Unter den Festgenommenen in Berlin waren auch mehr als 1700 Juden, die entweder in „Mischehe“ lebten oder als „jüdi-sche Mischlinge“ galten. Sie wurden in das Sammellager in der Rosenstraße 2–4 in Berlin-Mitte gebracht. Nach NS-Definition waren „Mischehen“ Ehen zwischen jüdischen und nicht-jü-dischen Männern und Frauen; als „Mischlinge“ wurden Men-schen mit jüdischen und nicht-jüdischen Vorfahren definiert. Die Deportation der in der Rosenstraße Festgehaltenen war nicht beabsichtigt; aus ihnen sollten diejenigen ausgewählt werden, die die zur Deportation vorgesehenen Mitarbeiter der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ersetzen sollten.

Viele nicht-jüdische Verwandte erfuhren von dem Aufent-haltsort ihrer Angehörigen, befürchteten deren Deportation, und versammelten sich in der Rosenstraße. Insgesamt waren Anfang März 1943 mehrere hundert Menschen, zumeist Frauen, an den Demonstrationen beteiligt. Mehrfach wurden sie von der Polizei vertrieben. Da in der ersten Märzwoche die Männer aus den „Mischehen“ und die „Mischlinge“ aus dem Sammella-ger in der Rosenstraße entlassen wurden, wurde dies nach 1945 als Erfolg der Frauenproteste in der Rosenstraße gedeutet.

67 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

otto weidt

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Der 1883 geborene Otto Weidt wuchs in Rostock auf und erlernte wie sein Vater den Beruf des Tapezierers. Er engagierte sich in der deutschen anarchistischen Bewegung und schrieb in seiner Frei-zeit Gedichte. Während des Ersten Welt-kriegs gelang es dem überzeugten Pazi-fisten, sich aufgrund eines Ohrenleidens dem Dienst an der Waffe zu entziehen.

Nach seiner fast vollständigen Erblin-dung wurde Weidt Bürstenmacher und eröffnete 1939 in Berlin-Kreuzberg eine Bürstenwerkstatt. Otto Weidt war ent-schiedener Gegner des Nationalsozia-lismus und beschäftigte ab 1939 haupt-sächlich Juden. Er tat alles, um sie vor den judenfeindlichen Maßnahmen des Staates zu schützen.

1940 zog Otto Weidt mit seinem Be-trieb nach Berlin-Mitte in die Rosentha-ler Straße 39. Dort arbeiteten mehr als 30 blinde und taubstumme Juden für ihn. Mit den in der Werkstatt produzierten Besen und Bürsten belieferte er auch die Wehrmacht, weshalb die Blinden-werkstatt als „wehrwichtig“ galt. Durch diesen Status und weil Otto Weidt regel-mäßig Gestapo-Beamte bestach, blieben seine Arbeiterinnen und Arbeiter eine Zeit lang von der Deportation verschont. Gemeinsam mit weiteren Helfern be-sorgte er ihnen Lebensmittel, gefälschte Papiere und Verstecke. Nachdem die meisten von ihnen 1943 deportiert wor-den waren, versorgte er sie noch im Ghetto Theresienstadt mit mehr als 150 Lebensmittelpaketen und half seiner de-portierten Sekretärin Alice Licht bei den Fluchtvorbereitungen aus einem Kon-zentrationslager.

wilm hosenfeld

Der 1895 geborene Wilm Hosenfeld wur-de im Ersten Weltkrieg schwer verwun-det. Danach widmete er sich als Lehrer der Reformpädagogik. Ende August 1939 wurde Hosenfeld, inzwischen NSDAP- Mitglied, zur Wehrmacht eingezogen. Als Besatzungssoldat richtete er bei Łódz ein Gefangenenlager für polnische Soldaten und Offiziere ein. In Tagebüchern notier-te er sein Entsetzen über die Ermordung tausender Angehöriger der polnischen Führungsschicht durch Deutsche.

In Warschau wurde er 1941 leitender Sportoffizier und begann, Verfolgten zu helfen. So stellte er 1942 in seiner Sport-schule unter anderem Leon Warm unter einem Decknamen als Arbeiter ein, der als Jude zuvor aus einem Deportations-transport geflohen war. Im November 1944 entdeckte Hosenfeld in einem Haus im zerstörten Warschau den jüdischen Pianisten Władysław Szpilman, der sich seit Monaten in den Ruinen versteckte. Er versorgte ihn mit Essen und Kleidung. Mit Hosenfelds Hilfe hielt sich Szpilman zwei Monate auf dem Dachboden des Hauses verborgen, während im Stockwerk unter ihm der deutsche Kommandanturstab einzog.

Als die Rote Armee im Januar 1945 Warschau einnahm, wurde Hosenfeld von sowjetischen Soldaten gefangen genommen und 1950 wegen seiner Zu-gehörigkeit zur Abteilung „Truppenbe-treuung und Spionageabwehr“ zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Hosenfeld blieb trotz der Fürsprache Geretteter in Haft und starb 1952 in einem Lazarett in Stalingrad.

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Die 1892 in Berlin geborene Marie Bur-de lebte vom Verkauf von Zeitungen und als Lumpensammlerin. Sie wohnte in ärmlichsten Verhältnissen in einer unmöblierten Kellerwohnung in Ber-lin-Wedding. Um 1943 wurde sie von einer Bekannten um Hilfe für einen jungen Juden gebeten. Nach der Depor-tation ihrer Eltern waren die Brüder Rolf und Alfred Joseph untergetaucht. Spon-tan war Marie Burde bereit, den 23-jäh-rigen Rolf bei sich aufzunehmen. Als Rolf Joseph bei einer Wehrmachtskontrolle festgenommen wurde, weigerte er sich trotz Misshandlungen standhaft, den Namen seiner Quartiergeberin preiszu-geben. Beim Transport nach Auschwitz gelang ihm die Flucht aus dem Depor-tationszug, doch nach wenigen Tagen wurde er wieder aufgegriffen und an die Berliner Gestapo ausgeliefert. Noch ein-mal konnte er fliehen und rettete sich zu Marie Burde, die inzwischen auch seinen Bruder Alfred und dessen Freund Arthur Fordanski aufgenommen hatte. Zu viert teilte man sich die kargen Lebensmittel-rationen, die Marie Bude erhielt.

Im Frühjahr 1944 – ihre Kellerwoh-nung wurde Ende 1943 ausgebombt – schickte Marie Burde die Verfolgten in ihre Gartenlaube auf einem Grundstück in Schönow nördlich von Berlin. Dort blieb Rolf Joseph bis zum Einmarsch der Roten Armee Ende April 1945. Sein Bruder wurde im August 1944 in Berlin festgenommen und ins KZ Sachsenhau-sen verschleppt, doch auch er überlebte. Nach Kriegsende hielten Rolf und Alfred Joseph Kontakt zu ihrer Lebensretterin und unterstützen sie nun ihrerseits.

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68 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand von JudenDer Antisemitismus war das zentrale Element der natio-nalsozialistischen Ideologie. Deshalb hatten sich deutsche Juden schon vor 1933 gegen die NSDAP zur Wehr gesetzt. Grundsätzlich lassen sich drei Formen des Widerstandes von Juden in Deutschland unterscheiden: erstens Formen der Selbstbehauptung und der Solidarität, zweitens die Mitwirkung von Jüdinnen und Juden in unterschiedlichen Gruppen des Widerstandes sowie drittens der Aufbau eige-ner Widerstandsgruppen im Kampf gegen den Nationalso-zialismus.

Unter dem Eindruck von Verfolgung und antisemitischer Propaganda entwickelten viele der mehr als 500 000 deut-schen Juden ein neues Selbstverständnis. Die Jüdischen Ge-meinden, der Jüdische Kulturbund, jüdische Sportverbände und Bildungseinrichtungen wurden zu Orten der Selbstbe-hauptung und Solidarität. In den Organisationen und Ver-bänden konnten die deutschen Juden, die zunehmend aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden, das Gemein-schaftsgefühl und ihren Überlebenswillen stärken. So be-schäftigte der 1933 gegründete Kulturbund Deutscher Juden entlassene jüdische Künstler und bot jüdischen Menschen die Möglichkeit, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. In Not geratenen Menschen wurden Wirtschaftshilfe und Wohl-fahrtsleistungen gewährt. Juden, die Deutschland verlassen wollten, wurden durch Sprachkurse und berufliche Umschu-lungen und Ausbildungen bewusst auf die Emigration und das Leben im Ausland vorbereitet.

Es gab vielfältige jüdische Bemühungen, sich gegen die NS-Verbrechen aufzulehnen, so in Berlin die Gruppen um Her-bert Baum (siehe S. 30) oder die Gruppe Chug Chaluzi (Kreis der Pioniere). Letztere war eine religiös-zionistische Gruppe, die von Jizchak Schwersenz und seiner Freundin Edith Wolff gegründet wurde. Im Februar 1943, als mit der „Fabrikaktion“ die letzten noch in Berlin lebenden Juden, die noch in den Rüs-tungsbetrieben zwangsbeschäftigt waren, deportiert werden sollten, sammelte der bereits untergetauchte Lehrer Jizchak Schwersenz im Chug Chaluzi schließlich 40 Kinder und Ju-gendliche aus verschiedenen jüdischen Jugendbünden um sich. Ziel der Jugendgruppe war es, „durchzuhalten“, Flucht-wege ins Ausland zu suchen und das Leben in der Illegalität bis zur Befreiung durch die alliierten Armeen zu organisieren.

Nach der geglückten Flucht von Schwersenz in die Schweiz wurde die Gruppe von Gad Beck fortgeführt. Noch im Unter-grund vermittelte die Gruppe religiöse und zionistische In-halte an ihre jugendlichen Mitglieder. Tatsächlich konnte die überwiegende Mehrheit dieser Gruppe mit Hilfe von Nichtju-den überleben, einzelne Mitglieder wurden jedoch Opfer der Vernichtung. Der Chug Chaluzi war die einzige Widerstands-gruppe innerhalb Deutschlands, die aus jüdisch-religiösen Motiven heraus handelte.

In Ghettos und Lagern gab es Ausbruchsversuche und Auf-stände. Der größte Aufstand fand im April 1943 im Warschauer Ghetto statt. In den Vernichtungslagern Treblinka und Sobibor im Herbst 1943 und in Auschwitz-Birkenau im November 1944 kam es zu Aufständen, die von der SS blutig niedergeschlagen wurden.

Schawuot-Feier der zionistischen Untergrundgruppe Chug Chaluzi in Berlin, Juni 1943

Jizchak Schwersenz, (vorne l.), Gründer von Chug Chaluzi, kann im August 1942 mit Hilfe von Edith Wolff untertauchen. Bei einer Polizeirazzia rettet ihn das Vorzeigen eines gefälschten Ausweises vor der Verhaftung. 1944 gelingt Jizchak Schwersenz die Flucht in die Schweiz.

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69 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

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Die 1897 geborene Kindergärtnerin und Sozialarbeiterin Hannah Karminski wur-de 1924 in Frankfurt am Main von Bertha

Pappenheim für den Jüdischen Frauen-bund gewonnen. Bald gehörte sie dessen Vorstand an, wurde 1933 Geschäftsführe-rin des Bundes und übernahm nach dem Tod Bertha Pappenheims deren Funktion als Vorsitzende.

Ab 1933 engagierte sich Hannah Karmins-ki ehrenamtlich bei der Reichsvertretung der deutschen Juden für Auswanderungsfragen und für die Ausbildung und Berufstätigkeit heranwachsender jüdischer Frauen. Sie war Mitinitiatorin des 1934 eröffneten Jüdischen Seminars für Kindergärtnerinnen und Hort-nerinnen, dessen staatliche Abschlüsse so-wohl in Deutschland, mehr aber noch im Ausland anerkannt wurden, wohin viele der Absolventinnen emigrierten.

1939 übernahm sie bei der inzwischen unter Aufsicht der Gestapo stehenden

Reichsvereinigung der Juden in Deutsch-land die Abteilung Wohlfahrtspflege und 1942 die Leitung der Abteilung Fürsorge. Sie begleitete einige Kindertransporte nach England, und obwohl ihre Eltern und ihre Schwester bereits in die Schweiz geflüchtet waren, kam sie immer wieder nach Deutschland mit der Begründung zurück, dass sie hier am meisten ge-braucht werde.

Am 9. Dezember 1942 wurde Hannah Karminski nach Auschwitz deportiert und dort am 4. Juni 1943 ermordet.

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Die 1904 in Berlin geborene und evange-lisch erzogene Edith Wolff bekannte sich 1933 aus Protest gegen den Nationalso-

zialismus zum jüdischen Glauben und wurde zur überzeugten Pazifistin und Zionistin. Über die Lehrerin und Dichte-rin Recha Freier, eine deutsch-jüdische Widerstandskämpferin, kam sie zur jü-dischen Jugendhilfe, der Kinder- und Ju-gendalijah, die die Einwanderung nach Palästina organisierte. Bei dieser Tätig-keit lernte sie den Lehrer Jizchak Schwer-senz kennen. Als in Berlin 1941 die ersten Deportationen begannen, organisierte sie Lebensmittel und Ausweise, um Juden die Flucht oder ein Untertauchen zu er-möglichen.

Im Frühjahr 1943 bildete sich um Edith Wolff und Jizchak Schwersenz die zionis-tische Untergrund-Gruppe Chug Chaluzi (Kreis der Pioniere). Von den 40 Kindern der Alijah-Schule, die durch die Chug

Chaluzi versteckt wurden, konnten 33 ge-rettet werden.

Als Edith Wolff im Sommer 1943 zur Ge-stapo vorgeladen wurde, konnte sie ihre Verbindungen zu untergetauchten Juden verbergen, wurde aber wegen  „Judenbe-günstigung“ zu einer Gefängnisstrafe ver-urteilt. Edith Wolff überlebte die  Haft in 18 Konzentrationslagern und Zucht-häusern.

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Der 1900 in Berlin geborene Kaufmann Georg Hornstein (hier auf einem Foto der Gestapo) emigrierte nach der Machtüber-

nahme der Nationalsozialisten 1933 nach Amsterdam. 1936 meldete er sich freiwillig zu den Internationalen Brigaden im spa-nischen Bürgerkrieg und diente dort 1937 als Dolmetscher und Kompanieführer. Nach einer schweren Verwundung kehrte Hornstein 1938 nach Amsterdam zurück und wurde dort im Oktober 1940 von der Gestapo festgenommen. Georg Hornstein wurde am 3. September 1942 im KZ Bu-chenwald ermordet.

„Wenn ich gefragt werde, aus welchem Grunde ich als Offizier bei der Internatio-nalen Brigade an den Kämpfen in Spani-en teilgenommen habe, so habe ich hierzu folgendes zu sagen: Ich besitze zwar die deutsche Staatsangehörigkeit und gelte nach den Buchstaben des Gesetzes als

deutscher Staatsangehöriger. Als Jude habe ich jedoch praktisch alle Rechte in Deutschland verloren und war darum bemüht, mir eine neue Heimat zu su-chen. […] Als Jude habe ich hier für meine Überzeugung und meine Lebensrechte ge-kämpft. Ich betrachte mich unter den ge-gebenen Umständen nicht mehr als deut-schen Staatsangehörigen und würde jede mir gegebene Gelegenheit benutzen, eine neue Staatsangehörigkeit zu erwerben, wie ich auch als Jude jederzeit bereit wäre, für meine Lebensrechte zu kämpfen.“

Aussage von Georg Hornstein vor der Geheimen Staatspo-lizei 1942, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen/Abteilung Rheinland, RW 58 Nr. 41305

70 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Widerstand von Sinti und Roma1933 lebten rund 30 000 Sinti und Roma in Deutschland. Die meisten besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Für sie be-gann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Zeit der „rassisch“ begründeten Entrechtung und Verfolgung, gegen die sie sich zur Wehr setzten. Die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ in Berlin sollte ab 1936 die deutschen Sinti und Roma vollständig erfassen. Dies war die Voraussetzung für ihre spätere Deportation in Konzentrations- und Vernich-tungslager.

Doch zunächst veränderten die Nürnberger Rassengesetze vom September 1935 auch das Schicksal der Sinti und Roma in Deutschland entscheidend. Sie verloren ihre Bürgerrechte; ebenso wie den Juden wurden ihnen die Heirat mit „Deutsch-blütigen“ und die Ausübung vieler Berufe verboten. In einigen deutschen Städten entstanden KZ-ähnliche Sammellager für Sinti und Roma, so etwa in Berlin-Marzahn oder in der Diesel-straße in Frankfurt am Main. In diesen Lagern wurden pseu-dowissenschaftliche „Rasseuntersuchungen“ vorgenommen, die Inhaftierten waren der Willkür und den Misshandlungen ihrer Bewacher ausgesetzt. Ab 1940 wurden Sinti und Roma in das deutsch besetzte Polen zur Zwangsarbeit verschleppt.

Immer wieder versuchten Sinti und Roma, sich gegenüber der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu behaupten. Sie unternahmen Fluchtversuche und leisteten Fluchthilfe. Ihr eigenes Überleben war die Voraussetzung dafür, anderen zu helfen und Widerstand zu leisten. Sinti und Roma gingen in die Illegalität, um der drohenden Haft oder Deportation zu entgehen. Dabei wurden sie nicht selten von Nachbarn oder Freunden unterstützt. Die Fluchthelfer wussten, in welche Ge-fahr sie sich durch die Hilfe für die Verfolgten begaben. Aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sind 42 Flucht-versuche von Sinti und Roma belegt, nur zwei davon waren erfolgreich.

Es kam auch zu verzweifelten Versuchen, sich in den besetz-ten Gebieten gegen die Massenerschießungen zu wehren. Im

Kampf gegen die deutsche Besatzungsmacht schlossen sich Gruppen von Sinti und Roma vor allem in Osteuropa den Par-tisanenverbänden an. Zentrum des bewaffneten Kampfes war Jugoslawien. Auch in Frankreich leisteten Sinti und Roma in der Résistance Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Verfolgung ihrer Minderheit. Dennoch fielen dem Völ-kermord nach Schätzungen bis zu 500 000 Sinti und Roma in Europa zum Opfer.

Baracken im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau um 1945

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Der Aufstand im „Zigeunerlager“ in Auschwitz- BirkenauIm Mai 1944 lebten im „Zigeunerlager“ B II e von Auschwitz- Birkenau nur noch rund 6000 der insgesamt über 22 000 hier-her verschleppten Sinti und Roma. Am 15. Mai 1944 fiel der Ent-schluss, diese Häftlinge in den Gaskammern zu ermorden. Als die Betroffenen davon erfuhren, bewaffneten sie sich so gut es ging und mit allem, was ihnen zur Verfügung stand – Messer, Knüppel, Spaten, Brecheisen und Steine. Am nächsten Tag ver-weigerten sie den Befehl, ihre Häftlingsbaracken zu verlassen. Als den SS-Männern klar wurde, dass die Häftlinge zum Wi-derstand entschlossen waren, gaben sie die ursprünglich ge-plante Mordaktion auf.

Ende Juli 1944 wurden die früheren Wehrmachtsangehöri-gen unter den Sinti und Roma, deren Familienangehörige so-wie weitere als „arbeitsfähig“ eingestufte Sinti und Roma aus dem „Zigeunerlager“ in das Stammlager Auschwitz gebracht. Die SS wollte so bei den verbleibenden Häftlingen in Ausch-witz-Birkenau den Eindruck erwecken, sie sollten zur Arbeit in andere Lager transportiert werden. Ein Zug mit 490 Frauen und über 1100 Männern und Jungen fuhr am Nachmittag des 31. Juli 1944 von der Rampe in Auschwitz-Birkenau ab. Über den Zaun hinweg konnten sie sich mit Winken und Rufen von den Zurückbleibenden im „Zigeunerlager“ verabschieden. Diese wurden am Abend des 2. August 1944 auf Lastkraftwa-gen zu den Gaskammern gebracht. Viele der insgesamt 2897 Opfer wehrten sich bis zuletzt noch mit bloßen Händen ge-gen ihre Mörder.

71 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

johann „rukeli“ trollmann

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Der 1907 geborene Sinto Johann Wilhelm Trollmann wuchs mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in Hannover auf. Als Boxer gewann er viermal die Re-gionalmeisterschaft und nahm an der deutschen Meisterschaft im Amateurbo-xen teil. Als er 1928 nicht für die Olym-pischen Spiele in Amsterdam nominiert wurde, entschloss er sich, Profiboxer zu werden. Nach der nationalsozialis-tischen Machtübernahme wurden die Boxclubs „gleichgeschaltet“ und „nicht- arische“ Mitglieder ausgeschlossen. Im

Juni 1933, acht Tage nachdem er deut-scher Meister im Halbschwergewicht geworden war, wurde Rukeli Trollmann der Titel als deutscher Meister im Halb-schwergewicht aus „rassischen Gründen“ aberkannt. Im Juli 1933 erschien er zu einem Boxkampf mit blond gefärbten Haaren und weiß gepuderter Haut, um so gegen den Rassenwahn des NS-Regim- es zu demonstrieren. Der Kampf war der letzte seiner Profikarriere.

1938 war er für mehrere Monate in einem Arbeitslager in Hannover, wur-de 1939 zur Wehrmacht eingezogen und 1941 an der Ostfront verwundet. Wie vie-le andere Sinti und Roma wurde auch er infolge der Anordnungen vom 11. Febru-ar und 10. Juli 1942 aus der Wehrmacht ausgeschlossen.

Im Juni 1942 wurde Trollmann in Han-nover festgenommen und schwer miss-handelt. Nach seiner Überstellung ins KZ Neuengamme musste er vielfach gegen SS-Männer zum Boxtraining antreten. 1944, nach Trollmanns Sieg über einen kriminellen Funktionshäftling (Kapo) im KZ-Außenlager Wittenberge, ließ ihn die-ser während eines Arbeitseinsatzes er-schlagen und tarnte den Mord als Unfall.

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Der 1919 geborene Walter Stanoski Winter wurde 1938 zum Arbeitsdienst und An-fang 1940 gemeinsam mit seinem Bruder Erich zur Wehrmacht eingezogen. Er dien-te in Wilhelmshaven als Bootsmann in der Marine. Im März 1943 wurden Stanoski Winter, seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester nach Auschwitz deportiert, wo die beiden Brüder im Stammlager Ausch-witz I der Zwangssterilisation zum Opfer

fielen. Stanoski Winter wurde mit dem Transport vom 31. Juli 1944 zuerst in das KZ Ravensbrück verschleppt, wo die Frau-en und Kinder von den Männern getrennt wurden. Kurz vor Kriegsende kamen er und sein Bruder in das KZ Sachsenhausen und von dort als ehemalige Soldaten er-neut an die Front. Beide überlebten Krieg und sowjetische Gefangenschaft.

„Im Mai 1944 drang zu uns durch, dass wir alle vergast werden sollen. Wir setzten uns zusammen und beschlossen, uns so gut es ging zu wehren. Wir kannten ja die Metho-den der SS bei der Räumung der Blocks: Sie kamen einzeln herein und schrien: ‚raus‘. Wir hatten vor, ihnen die Maschinenge-wehre, die sie in der Hand hielten, zu ent-reißen und so viele wie möglich zu über-wältigen. Außerdem hatten wir uns mit Knüppeln, Steinen etc. bewaffnet. Doch während der Blocksperre kam der SS-Ober-scharführer Palitzsch mit dem Motorrad, und die geplante Vergasungsaktion wurde abgebrochen.“Stanoski Winter in einem Zeitzeugenbericht nach 1945

anton reinhardt

Anton Reinhardt wurde 1927 in einem kleinen Dorf am Rande des Schwarz-walds geboren. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er in einer Maschi-nenfabrik.

Als Anton Reinhardt im August 1944 im Städtischen Krankenhaus Waldshut zwangsweise sterilisiert werden sollte, floh er mehr als 100 Kilometer zu Fuß zur Schweizer Grenze. Bei Anbruch der Dunkelheit durchquerte Reinhardt nahe Koblenz (Kanton Aargau) schwimmend den Rhein und erreichte so das Gebiet der Schweiz. Dort wurde er von Schweizer Polizisten aufgegriffen und ins Bezirksge-fängnis gebracht.

Obwohl Reinhardt geltend machte, dass viele seiner Verwandten nach Ausch-witz deportiert worden waren, ihm das gleiche Schicksal drohe und er in Deutschland wegen seiner Flucht eine harte Strafe fürchten müsse, gewährten ihm die Schweizer Behörden kein Asyl und zwangen ihn zur Rückkehrt nach Deutschland. Dort wurde Anton Rein-hardt verhaftet und ins Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck eingeliefert.

Im Zuge der Auflösung des Lagers kam er mit anderen Häftlingen nach Gagge-nau. Kurz vor Kriegsende gelang ihm ein weiteres Mal die Flucht. Doch am Kar-freitag 1945 nahm ihn in der Nähe von Bad Rippoldsau im Nordschwarzwald eine Einheit des „Volkssturms” fest. Er wurde durch ein improvisiertes „Stand-gericht” zum Tode verurteilt und am folgenden Tag in ein abgelegenes Wald-stück getrieben. Die Täter zwangen ihn, sein eigenes Grab zu schaufeln, bevor sie Anton Reinhardt mit einem Genick-schuss ermordeten.

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Widerstand von Häftlingen

Häftlingsappell im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin nach 1939

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Schon wenige Wochen nach Hitlers Regierungsübernahme begannen die Nationalsozialisten in vielen Teilen des Reiches Konzentrationslager zu errichten, in denen sie ihre Gegner in-haftierten und misshandelten. Eines von ihnen entstand im März 1933 bei Dachau. Es wurde zum Modell für andere La-ger im Emsland, später für die Konzentrationslager Sachsen-hausen, Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück und Neuengamme. Sie sollten die Inhaftierten einschüch-tern, aber auch die Bevölkerung gefügig machen, der so der Schrecken der nationalsozialistischen Verfolgung vor Augen geführt wurde.

In den Lagern wurden zunächst fast nur politische Gefan-gene festgehalten, vor allem Kommunisten, Sozialdemokra-ten und Gewerkschafter. Nach kurzer Zeit fanden sich hier jedoch all jene Bevölkerungsgruppen wieder, die gemäß der rassistisch definierten NS-Ideologie aus der NS-„Volksge-meinschaft“ ausgestoßen werden sollten: Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, sogenannte Asoziale und angebliche Berufsverbrecher. 1938 wurden Menschen aus Österreich und dem Sudetenland in die Konzentrations-lager verschleppt, ein Jahr darauf Tschechen und Polen, spä-ter Gefangene aus allen deutsch besetzten Ländern. Ab 1943 mussten die Häftlinge vor allem Zwangsarbeit für die deut-sche Rüstungsindustrie leisten. Sie waren der Willkür, kör-perlichen Gewalt und dem psychischen Terror ihrer Peiniger aus der SS ausgeliefert.

Nicht nur unter den politischen Gefangenen gab es Solida-rität und geistig-kulturelle Selbstbehauptung in vielfacher Form. Immer wieder versuchten Häftlinge, sich gegen ihre Unterdrücker zur Wehr zu setzen und sich im Lageralltag zu behaupten. Sie nahmen Verbindungen zu anderen Gefange-nen auf, halfen Gefährdeten und nutzten vielfach die kleinen

Spielräume, die sie sich durch Tätigkeiten für die SS oder die KZ-Verwaltung verschaffen konnten. Unter den unmenschli-chen Haftbedingungen des Lageralltags zu überleben und sich innerlich nicht dem Druck der SS zu beugen, waren die Grund-voraussetzungen für alle Bemühungen von Häftlingen, im KZ die eigene Identität und Menschenwürde zu bewahren sowie anderen Häftlingen zu helfen.

Kontakte zu ihren Angehörigen und Freunden in der Freiheit waren für die Häftlinge lebensnotwendig. Erlaubt war ein Brief im Monat, dessen Inhalte allerdings einer strengen Postzen-sur unterlagen. Oft verbot die KZ-Kommandantur jedoch auch diesen Weg. Entsprechend versuchten Häftlinge, mit Hilfe ver-schlüsselter Mitteilungen in zensierten Briefen oder durch ge-heime Nachrichten, sogenannte Kassiber, Verbindungen nach außen aufzunehmen. In einigen Lagern gelang es sogar, einzel-ne einfache Rundfunkgeräte vor den Bewachern zu verstecken. Sie waren wichtige Informationsquellen über den Kriegsverlauf und die Situation außerhalb der Konzentrationslager.

Mit dem Krieg entstanden ab 1939 neue Konzentrations-lager, darunter Auschwitz, Groß-Rosen, Stutthof, Majdanek, Natzweiler und Riga. Hier mussten die Häftlinge unter un-menschlichsten Bedingungen Zwangsarbeit verrichten. Ver-nichtungsstätten in den besetzten Gebieten hatten ab Herbst 1941 nur einen Zweck: Menschen fabrikmäßig zu ermorden und ihre Leichname zu beseitigen. Bis heute stehen die Na-men Chełmno, Belzec, Sobibór, Treblinka und Auschwitz-Bir-kenau für den nationalsozialistischen Massenmord.

Inhaftierte versuchten auch, sich dem drohenden Tod durch Flucht zu entziehen. In einigen Lagern fanden sogar gemeinsa-me Ausbruchsversuche und Aufstände statt. Diese deutlichs-ten Zeichen eines organisierten Häftlingswiderstands gingen zumeist auf Gefangene aus den besetzten bzw. eroberten Ländern zurück, die seit 1942 die überwiegende Mehrheit der Häftlinge in den Konzentrationslagern stellten.

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

73 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

gerhart seger

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Der 1896 in Leipzig geborene Gerhart Seger war in der Weimarer Republik Ge-schäftsführer der Deutschen Friedensge-sellschaft und Redakteur verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen sowie seit 1930 SPD-Reichstagsabgeordneter.

Am 12. März 1933 wurde Seger festge-nommen und in das Gerichtsgefängnis Dessau gebracht, am 14. Juni 1933 in das KZ Oranienburg überstellt. Angesichts der unerträglichen Haftbedingungen entschloss er sich im Dezember 1933 zur Flucht.

Es gelang ihm, in die Tschechoslowa-kei zu entkommen, wo er seine Erfah-rungen niederschrieb. 1934 erschien sein Buch „Oranienburg“ in hohen Auflagen in vielen europäischen Ländern und Nordamerika. Seger unternahm ausge-dehnte Vortragsreisen, um die Weltöf-fentlichkeit über die deutschen Konzen-trationslager aufzuklären.

Nach seiner Flucht nahmen die Natio-nalsozialisten im Januar 1934 seine Frau Elisabeth und seine zweijährige Tochter Renate in Haft. Erst nach heftigen öffent-lichen Protesten kamen sie im Mai 1934 aus dem KZ Roßlau frei und konnten schließlich aus Deutschland ausreisen.

Im Oktober 1934 emigrierte die Fami-lie über Frankreich in die USA, wo sich Seger als Chefredakteur der „Neuen Volkszeitung“ und Berater der amerika-nischen Regierung weiterhin für ein de-mokratisches Deutschland einsetzte.

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Der 1897 bei Groß-Gerau geborene Leh-rer Wilhelm Hammann gehörte seit 1927 als KPD-Abgeordneter dem Hessi-schen Landtag an. 1935 wurde er zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und nach seiner Haft 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt. Er war dort in der illegalen KPD-Gruppe aktiv und entwickelte mit anderen Häftlingen 1944 Pläne für den Neuaufbau eines demokratischen Schul-wesens.

Ab Januar 1945 kümmerte er sich als Blockältester im Kinderblock 8 um meh-rere hundert Kinder und organisierte deren geheimen Unterricht. Hammann besorgte Verpflegung und Kleidung, schützte die Kinder vor Übergriffen der SS und vermittelte Kontakte zu Angehö-rigen im Lager.

Als Anfang April 1945 die Evakuierung der jüdischen Häftlinge begann, rettete Hammann gemeinsam mit Häftlingen der Schreibstube alle 159 jüdischen Kinder in seinem Block vor dem Todesmarsch. Er ließ ihre Erkennungszeichen, auf die Häft-lingskleidung angebrachte gelbe Winkel, entfernen, organisierte die Änderung ihrer Eintragungen in der Häftlingskar-tei und versicherte den misstrauischen SS-Männern, die jüdischen Kinder seien bereits abtransportiert. In der allgemei-nen Verwirrung der letzten Tage gelang die Täuschung. Alle Kinder in Block 8 erlebten am 11. April 1945 die Befreiung im Lager.

Nach 1945 engagierte Wilhelm Ham-mann sich erneut für die KPD. 1984 wurde der 1955 Verstorbene von der is-raelischen Gedenkstätte Yad Vashem als

„Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

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Die 1913 in Plauen geborene Ilse Unterdör-fer schloss sich Anfang der 1930er-Jahre der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Nach deren Verbot in Sachsen im April 1933 war sie als Kurierin tätig und verbreitete Schriften ihrer Glaubens-gemeinschaft. 1936 reiste sie gemeinsam mit Erich Frost, dem Bezirksdienstleiter für Sachsen, zum Kongress der Zeugen Je-hovas nach Luzern. Als Frost den Auftrag bekam, reichsweit die Untergrundtätig-keit der Zeugen Jehovas in Deutschland zu leiten, übernahm Unterdörfer die Be-treuung der Bezirksarbeit in Sachsen. Bei-de wurden im März 1937 festgenommen, Ilse Unterdörfer wurde im Oktober 1937 zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt.

Nach Verbüßung ihrer Strafe wurde sie in das KZ Lichtenburg verschleppt und im Mai 1939 in das neu errichtete Frauen-KZ Ravensbrück überstellt. Auch hier lehnte sie wie die Mehrheit ihrer Glaubensschwestern jegliche kriegsun-terstützende Arbeiten, etwa das Nähen von Uniformen, ab. Im Dezember 1939 verweigerten mehr als 400 Zeuginnen Jehovas in Ravensbrück die Produktion von Patronentaschen und wurden da-für mit Bunkerhaft bestraft. Täglich mussten sie mehrere Stunden in dünner Kleidung bei extremen Minusgraden auf dem Gefängnishof stehen und erhielten nur minimale Essensrationen. Trotzdem rückten sie nicht von ihrer Verweige-rungshaltung ab.

Ilse Unterdörfer überlebte das Kriegs-ende und war später als Predigerin der Zeugen Jehovas in Österreich und Deutschland tätig.

74 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Hilfen für VerfolgteMit Beginn des Krieges wurde es für die Regimegegner und

-kritiker stetig schwieriger, denen zu helfen, die von den Na-tionalsozialisten verfolgt und menschenunwürdig behandelt wurden.

Im Mai 1940 untersagte eine Verordnung jeden Umgang mit Kriegsgefangenen, der sich nicht aus beruflicher Zusam-menarbeit oder infolge dienstlicher Belange ergab. Sie zu un-terstützen, bedeutete zunehmend, sich der Verfolgung durch Polizei und Justiz auszusetzen.

Doch einzelne Deutsche bewahrten Mitgefühl und Solida-rität. Sie versorgten Zwangsarbeiter mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser, steckten ihnen Zigaretten zu, besorgten il-legale Papiere für Untergetauchte, versteckten Verfolgte oder ermöglichten ihnen die Flucht vor einer drohenden Haft oder Deportation.

Im Schloßpark Friedrichsfelde, Berlin, heben 1945 Angehörige des „Volkssturms“ und Zwangsarbeiter Schützengräben zur Verteidigung der Stadt aus.

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Die 1916 geborene Ilse Piepenhagen begann mit 14 Jahren eine Ausbildung als Schnei-derin und schloss sich 1931 dem Kommu-

nistischen Jugendverband (KJVD) an. Auch nach dessen Auflösung 1933 setzte sie ihre politische Arbeit fort und war an Flugblatt-aktionen kommunistischer Jugendlicher beteiligt. 1939 heiratete sie den 1914 gebo-renen Richard Grubitz, den sie aus der ge-meinsamen Tätigkeit im KJVD kannte.

Das Ehepaar hielt auch nach Kriegsbe-ginn den Kontakt zu politischen Gegnern des NS-Regimes aufrecht. Sie leisteten in vielfältiger Weise Hilfe für Verfolgte. Richard Grubitz wurde 1943 bei der Firma Gaubschat in Berlin-Neukölln dienstver-pflichtet, wo er Verbindung zu ukraini-schen Zwangsarbeiterinnen aufnahm. Ilse und Richard Grubitz unterstützten die Frau-en mit Kleidung und Essen, in ihrer Woh-nung hörten sie mit ihnen gemeinsam den Moskauer Rundfunk. Als der Sohn eines be-

freundeten Genossen desertierte, versteck-te ihn Ilse Grubitz im Herbst 1944 zeitwei-se in ihrer Wohnung. Zusammen mit ihrer Mutter Martha Piepenhagen organisierte sie geheime Quartiere für Juden, die sich der drohenden Deportation durch Flucht in die Illegalität entzogen hatten.

Mehrfach wurden Ilse und Richard Gru-bitz verhört, ihre Aktivitäten blieben jedoch bis Kriegsende unentdeckt.

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Der 1910 geborene Paul Kreber arbeitete ab 1941 als Kriminalassistent im Polizei-präsidium Wuppertal. Ende 1942 wurden

die noch in Deutschland lebenden Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Auch in Wuppertal nahm die Kriminalpolizei im Frühjahr 1943 Sinti und Roma fest.

Als Kreber die Transportliste erhielt, konnte er die Namen der Eheleute Hugo und Antonie Weiss und ihrer fünf Kinder, mit denen er befreundet war, von der Lis-te entfernen. Die Familie Kreuz warnte er vor der bevorstehenden Deportation und ermöglichte ihr damit die Flucht. Den Sin-ti-Familien Reinhard und Meinhard ver-schaffte er gefälschte Ausländerpässe für das besetzte Frankreich und begleitete sie auf der Fahrt nach Paris.

Kreber ließ Anweisungen seiner Dienst-stelle unbearbeitet oder verschleppte de-ren Bearbeitung. Unter Kollegen bekam

er den Spitznamen „Zigeuner-Paul“. Als anderen Kripo-Beamten auffiel, dass die Familie Weiss nicht deportiert worden war, wurde deren Zwangssterilisation an-geordnet. Paul Kreber, inzwischen in das von den Deutschen besetzte Metz versetzt, holte Familie Weiss nach und brachte sie zunächst bei sich unter.

Nach der Entdeckung der Familie wur-den Hugo und Antonie Weiss in einer Straß-burger Klinik zwangssterilisiert. Durch eine erneute Flucht der Familie blieb ih-rem Sohn Paul dieses Schicksal erspart. Paul Kreber gelang es schließlich, die Fa-milie in einem Wanderzirkus zu verste-cken. Seine Hilfsaktionen blieben unent-deckt.

75 Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

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Widerstand der letzten StundeIm Frühjahr 1945 rief die NS-Führung dazu auf, den Krieg bis

„zum letzten Blutstropfen“ fortzusetzen. Hitler befahl, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung jeden Ort zu verteidigen, Brücken zu zerstören und Versorgungseinrichtungen sowie Industrieanlagen unbrauchbar zu machen. Jeder, der sich die-sen Befehlen widersetzte oder Zweifel am Sinn von Durchhal-teparolen äußerte, riskierte sein Leben.

Mehrfach versuchten Deutsche, Kämpfe in ihrer Umgebung zu verhindern. Sie nahmen Kontakt zu den alliierten Truppen-verbänden auf, entwaffneten Mitglieder des „Volkssturms“, in dem gegen Kriegsende Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren zur Heimatverteidigung zusammengefasst worden waren, oder forderten NS-Führer auf, Dörfer und Städte kampflos zu übergeben. Viele bezahlten ihren Kampf gegen den „Krieg bis zur letzten Patrone“ mit dem Tod. Sie wurden standrechtlich verurteilt, öffentlich gehängt oder verschleppt – nicht selten nur Stunden, bevor alliierte Truppen eintrafen.

Robert Limpert hatte bereits als Jugendlicher den Natio-nalsozialismus entschieden abgelehnt. Anfang März 1945 zum Kriegsdienst eingezogen, wurde der seit seiner Kindheit schwer Herzkranke acht Tage später als wehruntauglich ent-lassen. Er kehrte in seine Heimatstadt Ansbach in Franken zurück, deren Kampfkommandant Ernst Meyer entschlossen war, die Stadt „bis zum letzten Mann“ zu verteidigen. Limpert verfasste und vervielfältigte mehrere Flugblätter, in denen er die Bürger aufrief, als Zeichen der Kapitulation weiße Fahnen zu hissen und die Stadt kampflos zu übergeben. Er plakatierte sie nachts an Hauswände und Türen.

Am 18. April beobachteten Hitlerjungen Limpert, als er ein Telefonkabel zwischen dem kurz zuvor aufgegebenen Ge-fechtsstand des Kommandanten im Ansbacher Schloss und den vor der Stadt postierten Truppeneinheiten zerschnitt. Limpert wurde denunziert, festgenommen und vor ein Stand-gericht gestellt, bei dem der Kampfkommandant selbst das Todesurteil sprach und es schließlich eigenhändig vollstreckte. Wenige Stunden vor dem Eintreffen amerikanischer Truppen am 18. April 1945 erhängte er den erst 19-Jährigen am Ansba-cher Rathaustor.

Am 22. April 1945 hatte der NSDAP-Gauleiter Ludwig Ruck-deschel in einer fanatischen Rede die Verteidigung der Stadt Regensburg bis zum Letzten gefordert. Doch am Morgen des 23. April 1945 verbreitete sich das Gerücht, dass eine Kundge-bung zur kampflosen Übergabe der Stadt an die amerikani-schen Truppen geplant war. Am Nachmittag versammelten sich tatsächlich mehrere hundert Menschen vor dem Neuen Rathaus der Stadt, unter ihnen der Domprediger von Regens-burg Johann Maier.

Als im Laufe des Abends immer mehr Menschen auf den Platz strömten und die Situation zu eskalieren drohte, rief Mai-er die Menge zur Besonnenheit auf. Dennoch wurde er fest-genommen, noch am selben Abend vor ein Standgericht ge-stellt und kurz nach Mitternacht mit dem 70-jährigen Rentner Josef Zirkl zum Tode verurteilt. Beide Männer wurden in den frühen Morgenstunden des 24. April öffentlich erhängt. Dabei trug Johann Maier ein Schild um den Hals mit der Aufschrift:

„Hier starb ein Saboteur.“ Am 27. April 1945 wurde Regensburg kampflos an die 3. US-Armee übergeben.

Einige Einwohner des bei Rothenburg gelegenen Dorfes Brettheim entwaffneten im April 1945 eine Gruppe Hitlerjun-gen und nahmen ihnen ihre Panzerfäuste weg. Sie wollten damit den sinnlosen Kampf mit den heranrückenden ame-

rikanischen Truppen und die Zerstörung Brettheims verhin-dern. SS-Gruppenführer Max Simon, früher Kommandant des Konzentrationslagers Sachsenburg und jetzt General der Waf-fen-SS, befahl einem Offizier seines Stabes, diese „Schweinerei“ zu ahnden. Das Dorf wurde umstellt, die meisten Einwohner des Ortes wurden verhört. Schließlich meldete sich der Bau-er Friedrich Hanselmann freiwillig als einer der „Täter“ und nannte unter Schlägen die Namen von zwei weiteren Betei-ligten. Als sich der Bürgermeister und der Ortsgruppenführer weigerten, das rasch gefällte Todesurteil des Standgerichts gegen Hanselmann zu unterzeichnen, wurden auch sie am 9. April 1945 angeklagt und zum Tode verurteilt. Einen Tag später wurden sie zusammen mit Friedrich Hanselmann er-mordet.

Domprediger Johann Maier, hier zu Besuch in Marklkofen 1938

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JOHANNES TUCHEL / JULIA ALBERT

Die Wahrnehmung des Widerstands nach 1945

Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer während der Gedenkfeier der Bundesregierung zum 10. Jahrestag des 20. Juli 1944 im Ehrenhof des Bendlerblocks in der Berliner Bendlerstraße am 20. Juli 1954. Ein Jahr später wurde die Bendlerstraße in Stauffenbergstraße umbenannt.

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Die Breite und Vielfalt des Widerstands gegen den National-sozialismus in der Erinnerungskultur zu verankern, war ein mühsames Unterfangen. Vieles wurde dabei ignoriert, ver-drängt, vergessen. Mit der Erinnerung an den Widerstand soll-ten in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften auch politische Ziele begründet werden. Die Erinnerungskultur ist daher nicht zu trennen von der Geschichte der beiden deut-schen Staaten zwischen 1949 und 1989 und dem damit ver-bundenen Systemgegensatz zwischen Ost und West. Erst seit 1989/1990 hat sich ein vielfältiges, Entwicklungslinien, Brü-che und Widersprüche akzeptierendes Bild vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus durchsetzen können.

Öffentlichkeit und politische Würdigungen

Die Wege zur Anerkennung des Widerstandes gegen den Natio-nalsozialismus in Nachkriegsdeutschland waren lang; längst nicht alle Formen und Aktionen des Widerstandes wurden akzeptiert, viele von ihnen waren lange Zeit heftig umstritten oder blieben gar vollkommen unbekannt.

Grundsätzlich wurde der Widerstand gegen den National-sozialismus in den westlichen Besatzungszonen in der unmit-telbaren Nachkriegszeit in einer noch direkt vom NS-Regime

geprägten Gesellschaft mit nur wenigen Ausnahmen nega-tiv bewertet. Es war der üble Beigeschmack des Verrats, der den Handlungen der Widerstandskämpferinnen und Wider-standskämpfer lange Zeit anhaftete. Hierunter hatten nicht nur die unmittelbar Beteiligten selbst zu leiden, sondern auch die Familienangehörigen der Menschen, die von der national-sozialistischen Unrechtsjustiz ermordet worden waren.

In den ersten Jahren nach 1945 fanden kaum öffentliche Gedenkfeiern statt, und in den Medien gab es nur wenige zaghafte Schilderungen. Lediglich die Widerstandskämpferin-nen und Widerstandskämpfer selbst oder ihre Angehörigen versuchten, die Erinnerung an die Toten aufrechtzuerhalten. Viele von ihnen wurden auch nach der Befreiung vom Natio-nalsozialismus als „Verräter“ angesehen und offen als solche bezeichnet. Daran änderte auch eine „Ehrenerklärung“ der Bundesregierung nichts, die Jakob Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, im Oktober 1951 abgab, und die sich explizit gegen derartige Verratsvorwürfe richtete.

1952 legte Luise Olbricht, Witwe des am 20. Juli 1944 erschos-senen Generals Friedrich Olbricht, den Grundstein für das Eh-renmal zur Erinnerung an die Opfer des Umsturzversuches im Berliner Bendlerblock. Es ist bezeichnend, dass die Anregung dafür von den Hinterbliebenen und nicht von staatlicher Sei-te kam. Seither finden jährlich am 20. Juli dort Gedenkfeiern statt; erst in den 1980er-Jahren jedoch sollte der 20. Juli zu einem Gedenktag für die gesamte Breite und Vielfalt der Re-gimegegnerschaft werden.

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

77 Die Wahrnehmung des Widerstands nach 1945

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Die Würdigung und nachträgliche Legitimierung des Um-sturzversuches vom 20. Juli 1944 durch Angehörige der politi-schen Eliten der Bundesrepublik Deutschland ist ohne die Ein-beziehung des Volksaufstands in der DDR am 17. Juni 1953 nicht denkbar. Typisch ist dafür die Rede des Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter vom 19. Juli 1953: „Der Bogen vom 20. Juli 1944 spannt sich heute, ob wir wollen oder nicht, zu dem großen Tage des 17. Juni 1953, zu jenem Tag, an dem sich ein gepeinigtes und gemartertes Volk in Aufruhr gegen seine Unterdrücker und gegen seine Bedränger erhob und der Welt den festen Willen zeigte, dass wir Deutschen frei sein und als ein freies Volk unser Haupt zum Himmel erheben wollen. Wir wissen, dass dieser 17. Juni wie einst der 20. Juli nur ein Anfang war. Aber ich glaube, es ist gut, es ist richtig, wenn wir auch an diesem Tage den Bogen vom 20. Juli zu den Ereignissen schla-gen, die uns heute innerlich bewegen.“

Bundespräsident Theodor Heuss, der sich noch 1950 der Bit-te versagt hatte, im Rundfunk Worte der Würdigung und des Gedenkens an den 20. Juli 1944 zu sprechen, wies in einem 1952 veröffentlichten Schreiben an Annedore Leber, die Frau des er-mordeten Widerstandskämpfers Julius Leber, alle Verratsvor-würfe deutlich zurück und äußerte sich 1954 klar und eindeutig zum Erbe des Widerstands: „Die Scham, in die Hitler uns Deut-sche gezwungen hatte, wurde durch ihr Blut vom besudelten deutschen Namen wieder weggewischt. Das Vermächtnis ist noch in Wirksamkeit, die Verpflichtung ist noch nicht eingelöst.“

In der westdeutschen Bevölkerung allerdings war der Wider-stand gegen den Nationalsozialismus überwiegend noch nicht akzeptiert. So beurteilten 1951 nur 43 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen die „Männer vom 20. Juli“ positiv. Im Sommer 1956 lehnte es eine überwiegende Mehrheit der  Bevölkerung (54 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen) ab, eine Schu-le nach dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffen-berg oder nach dem zivilen Kopf des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944, Carl Friedrich Goerdeler, zu benennen. Nur 18 Pro-zent der Befragten sprachen sich dafür aus.

Der Anteil der positiven Beurteilung des 20. Juli 1944 sollte sich auch in den folgenden Jahrzehnten nur unwesentlich än-dern. Eine Umfrage vom Frühjahr 1970 machte deutlich, dass 39 Prozent die „Männer vom 20. Juli“ positiv beurteilten (gegen-über 40 Prozent im Jahr 1951) und nur noch 7 Prozent sie ablehn-ten (gegenüber 30 Prozent im Jahr 1951). Stark angestiegen war der Kreis derer, die nichts über die Ereignisse des 20. Juli 1944 wussten (37 Prozent gegenüber 11 Prozent im Jahr 1951). 1985 ver-änderte das Institut für Demoskopie Allensbach zwar seine Be-wertungsmethode, bezog aber in seine Ergebnisse nur noch die-jenigen ein, die über die Ereignisse des 20. Juli 1944 „richtige oder ungefähr richtige Angaben“ machen konnten. Gegenüber 1971 war die Bewertung fast unverändert, lediglich die negativen Be-wertungen gingen geringfügig zurück. Erst im Jahr 2004 gab es in einer repräsentativen Befragung der deutschen Bevölkerung erstmals eine überwiegend positive Beurteilung des 20. Juli 1944.

1958 resümierte der Publizist und NS-Widerstandskämpfer Rudolf Pechel: „Der Einfluss der Überlebenden des Widerstan-des ist heute in Deutschland gering. [...] Intellektuelle Rollkom-mandos mit notorischen Denunzianten und Rufmördern an der Spitze können sich heute in Verunglimpfungen der Wider-standskämpfer versuchen, ohne dass ihnen etwas geschieht.“

Immer wieder kam es auch in den 1960er- und 1970er-Jah-ren zu politischen Auseinandersetzungen um den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Bundespräsident Heinrich Lübke sprach sich bereits 1964 dafür aus, kommunistischen Regimegegnern eigenständige idealistische Handlungsmotive

zuzugestehen und sie nicht als Handlanger Moskaus zu verstehen. Der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Willy Brandt, der in der NS-Zeit ins Ausland geflüchtet war, wurde lange Zeit systematisch als „Emigrant“ diffamiert. Bundes-präsident Gustav Heinemann würdigte 1969 den Hamburger Kommunisten Fiete Schulze und stieß dabei auf scharfe Kritik. Eine rechtsradikale Zeitung titelte: „Heinemanns verbrecheri-sche Vorbilder – Von Graf Stauffenberg zu Fiete Schulze gibt es keine Brücke“. 1974 kam es zu einem Eklat, als ausgerech-net der ehemalige Marinestabsrichter Hans Karl Filbinger bei der Gedenkfeier im Reichstag sprach. Angehörige von Wider-standskämpfern verließen demonstrativ diese Feier. Filbinger war seit 1943 an mehreren kriegsgerichtlichen Todesurteilen beteiligt gewesen und rechtfertigte dies mit den Worten: „Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!“ 1976 schließlich kam es zu heftigen Debatten, als Herbert Weh-ner, SPD-Fraktionschef und ehemaliger KPD-Funktionär, als Redner der jährlichen Gedenkfeier vorgesehen war. Wehner verzichtete schließlich; an seiner Stelle sprach der Berliner Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe. Diese Beispiele zei-gen, dass von einem breiten Konsens über den Widerstand zu dieser Zeit auf keinen Fall gesprochen werden kann.

In Berlin gab es seit 1953 am Ort des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 eine Gedenktafel und ein Mahnmal, seit 1968 eine kleine Ausstellung. 1983 erteilte der damalige Regierende Bür-germeister von Berlin den Auftrag, hier die gesamte weltan-schauliche Breite und soziale Vielfalt des Widerstands gegen den Nationalsozialismus aufzuzeigen. Erneut kam es zu hefti-gen Diskussionen, etwa über die Darstellung des kommunisti-schen Widerstands, des Exils, der Roten Kapelle und des Nati-onalkomitees „Freies Deutschland“. Kommunisten hätten – so die Kritik – lediglich versucht, eine Diktatur durch eine andere zu ersetzen. Erneut wurde ihnen eine eigenständige Hand-lungsmotivation abgesprochen. Diese Diskussionen flammten 1994 und 1997 erneut auf, bevor deutlich wurde, dass ein re-alistisches Bild vom NS-Widerstand, von seinem politischen Scheitern und seiner moralisch-ethischen Bedeutung nicht gewonnen werden kann, ohne alle Strömungen einzubezie-hen, die sich der totalitären Bedrohung durch den Nationalso-zialismus entgegengesetzt hatten.

Die DDR verstand sich als der aus dem antifaschistischen Widerstand geborene deutsche Staat, in dem das Vermächt-nis der Widerstandskämpfer verwirklicht werden würde und berief sich vor allem auf den Widerstand aus der Arbeiterbe-wegung und aus der Kommunistischen Partei. Tatsächlich wurde in der DDR nur ein sehr eingeschränktes Bild vermittelt. Gab es etwa noch 1945/46 in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) positive Bewertungen des 20. Juli 1944, wurde dieser später diffamierend oft als „Generalsputsch" bezeichnet. Dies änderte sich erst Mitte der 1980er-Jahre, als im Zuge der De-batte über die Nachrüstung die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die in der DDR die Führungsrolle inne hat-te, eine „Koalition der Vernunft“ anstrebte und sich dabei auch auf die Gemeinsamkeit der Widerstandskämpfer gegen  den Nationalsozialismus berief. Im Juli 1984 brachte das SED-Zen-tralorgan „Neues Deutschland“ einen ganzseitigen Artikel über den 20. Juli 1944 mit einem ehrenden Foto von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Damit war eine Neubewertung eingeleitet. Trotzdem stand in der DDR weiterhin die These im Vordergrund, dass der Widerstand in Deutschland nur unter Führung der Moskauer Exil-KPD möglich gewesen sei. Mit der historischen Realität des Widerstands gegen den Nationalso-zialismus hatte dies allerdings nichts zu tun.

78 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Der Remer-Prozess – ein WendepunktEiner der Männer, die am 20. Juli 1944 von Reichspropaganda-minister Joseph Goebbels mit der Niederschlagung des Um-sturzversuchs beauftragt worden waren, Oberst Otto Ernst Re-mer, hatte schon im Mai 1951 erklärt: „Es wird die Zeit kommen, in der ‚man‘ oder ‚mancher‘ […] schamhaft verschweigt, dass man zum 20. Juli 1944 gehört hat. Ich bin für meine Person weitaus bescheidener und nehme nur das kleine geschicht-liche Verdienst in Anspruch, den an sich schon missglückten Putsch für Berlin vereitelt zu haben. Sie können überzeugt sein, es gibt eine Reihe von sogenannten Widerstandskämp-fern, die, als die Dinge schief gingen, sich gegenseitig verrie-ten. Diese nehmen heute große Staatspensionen in Empfang. […] Diese Verschwörer sind zum Teil in starkem Maße Landes-verräter, die vom Auslande bezahlt wurden. Sie können Gift darauf nehmen, diese Landesverräter werden eines Tages vor einem deutschen Gericht sich zu verantworten haben.“

Für diese Diffamierungen wurde Remer im März 1952 dann allerdings selbst wegen übler Nachrede in Tateinheit mit Ver-unglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Haftstrafe von drei Monaten, der ersten seiner vielen Strafen, verurteilt. Es wäre jedoch nicht zu dem Verfahren gegen ihn gekom-men, wenn sich nicht Fritz Bauer, zu dieser Zeit noch als Ge-neralstaatsanwalt in Braunschweig tätig, besonders engagiert hätte. Im Zentrum der Bemühungen Bauers stand die höhere Akzeptanz in der Gesellschaft für den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944, nicht jedoch für die gesamte Breite der gegen den Nationalsozialismus gerichteten Aktivitäten. Dieses Vorhaben gelang, im Urteil erkannte das Gericht das Handeln der am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 Beteiligten als rechtmäßigen Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime an.

Um die nachträgliche Legitimierung des Widerstandsrechts zu erreichen, hatte Bauer ausdrücklich darauf verzichtet, ande-re Widerstandsgruppen in das Verfahren einzubeziehen, ja so-gar Familienangehörige der Widerstandsgruppe Rote Kapelle aufgefordert, eigene Strafanträge gegen Remer zurückzuzie-hen. Die Rote Kapelle, bis weit in die 1980er-Jahre vollkommen zu Unrecht als „kommunistische Spionagegruppe“ diffamiert, wurde weder im Remer-Prozess noch in der öffentlichen Mei-nung in der Bundesrepublik als Teil des Widerstands gegen den Nationalsozialismus akzeptiert.

Fritz Bauer (l.) mit Staatsanwalt Rolf Herzog während des Prozesses gegen Otto Ernst Remer 1952

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Ringen um Entschädigung Auch in Entschädigungsverfahren war immer wieder ein sehr eng gefasster Begriff des Widerstands gegen den National-sozialismus zu erkennen. Ausgrenzungsmechanismen, die zum Teil weit vor 1933 zurückgreifen, wurden in der jungen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland weitergegeben und blieben wirksam. Im Osten wie im Westen wurde die Anerkennung als politisch Verfolgter vielfach nicht mit dem Verhalten vor, sondern nach 1945 verbunden. Kommunisten erhielten im Westen weder Anerkennung noch materielle Ent-schädigungen, ähnlich ging es im Osten Deutschlands bürger-lichen Widerstandskämpfern oder Sozialdemokraten, die sich der Vereinigung von SPD und KPD widersetzt hatten.

Jenen Menschen etwa, die wir heute wegen ihrer Hilfe für von der Deportation bedrohte Juden als „Stille Helden“ ehren, wurde in der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren die Aner-kennung versagt: „Deshalb ist auch der Verkehr mit jüdischen Menschen, der Abschluss von Geschäften mit ihnen oder in ihrem Interesse wie auch die ihnen gewährte persönliche Hil-feleistung und Beratung, sei es im Rahmen des Berufs, sei es auf Grund persönlicher Freundschaft, kein Widerstand gegen den Nationalsozialismus, da solche Taten nicht geeignet sind, ein Regime zu unterhöhlen.“ Mit anderen Worten: Menschen, die verfolgten Juden geholfen hatten, standen weder eine Ent-schädigungszahlung noch eine laufende Renten- oder Beihil-fenzahlung zu.

Wie die Realität der Angehörigen der Widerstandskämp-fer aussah, zeigte eine kleine Zeitungsmeldung vom 21. Juli 1951: Die Oberfinanzdirektion München verfügte, dass ein Unterhaltsgeld in Höhe von 160 Deutsche Mark im Monat an die Witwe des nach dem 20. Juli 1944 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilten und hingerichteten Obersten Rudolf Graf von Marogna-Redwitz nicht mehr weitergezahlt werde, da „wegen Hoch- und Landesverrat verurteilte frühere Wehr-machtangehörige“ keinerlei Anrecht auf irgendwelche Pensi-onen oder Renten hätten.

Einer anderen Witwe eines am 20. Juli 1944 Beteiligten, der danach den Freitod gewählt hatte, wurde eine Rentenzahlung mit folgender Begründung verweigert: „Ihr Mann hat über-haupt kein nationalsozialistisches Unrecht erlitten, er hat sich vielmehr selbst erschossen und ein erledigendes nationalsozia-listisches Unrecht nicht abgewartet.“

Renten- und Pensionszahlungen sowie Wiedergutmachungs-leistungen setzten vielfach erst spät in den 1950er-Jahren ein. Ohne die – seit 1951 mit Bundesmitteln unterstützte  –

„Stiftung Hilfswerk 20. Juli 1944“ hätten viele Familienange-hörige von Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944 in großer materieller Not gelebt. Zu einer gesetzlichen Regelung für die Ansprüche der Hinterbliebenen, deren Männer im Zusam-menhang mit dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 hinge-richtet worden waren, konnte sich die Bundesregierung aber nie entschließen. Auch das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung von 1956 führte bei weitem nicht dazu, dass alle Widerstandsaktivitä-ten und Opfergruppen berücksichtigt wurden.

79 Die Wahrnehmung des Widerstands nach 1945

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Fehlende juristische AufarbeitungWie sah es in den ersten Jahren der Bundesrepublik mit der Strafverfolgung gegen jene Gestapo-Beamte und Richter aus, die Widerstandskämpfer nach dem 20. Juli 1944 gefoltert hat-ten oder an den justizförmigen Verurteilungen und Tötungen des „Volksgerichtshofs“ teilgenommen hatten?

Der frühere SS-Standartenführer und Jurist Walther Hup-penkothen hatte als „Anklagevertreter“ im April 1945 an den

„Standgerichtsverfahren“ im KZ Sachsenhausen gegen Hans von Dohnanyi und im KZ Flossenbürg gegen Wilhelm Canaris, Dietrich Bonhoeffer, Hans Oster und andere teilgenommen. Das Verfahren gegen Huppenkothen, der bei den „Standge-richtsverfahren“ mehrere Todesurteile empfohlen hatte, ging über mehrere Instanzen. Letztinstanzlich urteilte der Bundes-gerichtshof 1956 zugunsten der Juristen des NS-Regimes.

Günter Hirsch, Präsident des Bundesgerichtshofs, analysier-te dies 2003 kritisch: „Der Bundesgerichtshof […] hob 1956 die-se Verurteilungen auf und sprach die Angeklagten von dem Vorwurf frei, durch die Standgerichtsverfahren Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. In der Begründung behandelte der Bundesgerichtshof das SS-Standgericht als ordnungsgemä-ßes Gericht, das offenkundige Scheinverfahren als ordnungs-gemäßes Gerichtsverfahren und das Urteil als dem damali-gen Recht entsprechend. Die Begründung ist ein Schlag ins Gesicht. Den Widerstandskämpfern wird attestiert, sie hätten ‚nach den damals geltenden und in ihrer rechtlichen Wirk-samkeit an sich nicht bestreitbaren Gesetzen‘ Landes- und Hochverrat begangen. Den SS-Richtern könne nicht zum Vor-wurf gemacht werden, dass sie die Frage der Rechtfertigung des Verhaltens der Angeklagten nicht geprüft hätten.“

Zu Recht stellte Hirsch fest, dass die Folgen dieses Urteils und der „ungesühnt gelassenen Justizmorde“ verheerend gewesen seien. Fast alle Ermittlungsverfahren gegen Richter und Staatsanwälte wurden eingestellt, erst Jahrzehnte später begann ein neues – ebenfalls erfolgloses – Ermittlungsverfah-ren gegen Richter und Staatsanwälte des „Volksgerichtshofs“.

Nur als Versagen von Politik und Justiz kann die Tatsache verstanden werden, dass alle Unrechtsurteile des „Volksge-richtshofs“, der Sondergerichte und der Militärjustiz weiter gültig blieben. Teilweise standen sie noch bis in die 1980er- Jahre im Bundeszentralregister, einem zentralen amtlichen Register, in das u. a. strafrechtlich rechtskräftige Entscheidun-gen deutscher Gerichte eingetragen werden. Eine Aufhebung eines Urteils konnte zwar im Einzelfall beantragt werden, die Staatsanwaltschaft musste dann prüfen und gegenüber dem zuständigen Gericht ausführlich die Empfehlung zur Aufhe-bung des Urteils begründen.

Dies blieb bis in die 1990er-Jahre so. Erst mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege von 1998 wurden die Urteile des „Volksge-richtshofs“ grundsätzlich aufgehoben, und erst 2009 erfolgte die grundsätzliche Aufhebung von Urteilen, die wegen soge-nannten Kriegsverrats gesprochen worden waren. Konkret hieß dies, dass die meisten der Todesurteile, die der „Volksge-richtshof“ gegen die Beteiligten am Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 gesprochen hatte, bis zum 1. September 1998 noch Rechtskraft besaßen.

Historische und mediale Aufarbeitung Erste Bücher über den Widerstand erschienen ab 1946 nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Die alliierten Besat-zungsmächte hatten ebenso wie die deutsche Bevölkerung kein sonderliches Interesse am Thema. Die wissenschaftliche Aufarbeitung setzte dann vor allem mit biografischen Studien in den 1950er-Jahren ein. Lebensgeschichten sollten die histo-rischen Persönlichkeiten vom Vorwurf des Verrats befreien. In den 1960er-Jahren kam es zur Aufarbeitung des 20. Juli 1944; Studien zum Arbeiterwiderstand folgten in den 1970er-Jahren. Im Zentrum des späteren wissenschaftlichen Interesses stan-den der Widerstand im Alltag, die Hilfen für Verfolgte, die Rote Kapelle, der Widerstand von Jugendlichen und die Formen des Widerstands gegen den nationalsozialistischen Rassen- und Weltanschauungskrieg, die Desertion und die Beteiligung von Widerstandskämpfern an nationalsozialistischen Gewaltver-brechen. Diese Debatten trugen ebenso wie neuere Detailstu-dien dazu bei, dass wir heute ein differenziertes Bild vom Wi-derstand gegen den Nationalsozialismus haben.

In den Medien erfuhr und erfährt der Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu den Jahrestagen des 20. Juli grö-ßere Aufmerksamkeit. Immer wieder bewegten auch Filme wie Falk Harnacks „Der 20. Juli“ von 1955 ebenso wie der zeit-gleich entstandene „Es geschah am 20. Juli“ von Georg Wil-helm Pabst die Öffentlichkeit. Erst 1971 entstand das mehrfach ausgezeichnete zweiteilige Doku-Drama „Operation Walküre“ von Franz Peter Wirth. 1982 war „Die Weiße Rose“ von Michael Verhoeven der erfolgreichste deutsche Kinofilm. Zu heftigen Diskussionen führte der Abspann des Filmes, in dem auf die damals immer noch rechtsgültigen Todesurteile des „Volksge-richtshofs“ hingewiesen wurde.

Internationale Aufmerksamkeit erlangte 1993 der Spiel-film „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg, der erstmals um-fassend die Hilfe für verfolgte Juden thematisierte. Roman Polanski griff dieses Thema 2002 in „Der Pianist“ erneut auf. 2004 legte dann Jo Baier den Fernsehfilm „Stauffenberg“ vor. Heftig wurde das Spannungsverhältnis zwischen historischen Fakten und der Filmhandlung diskutiert. Bereits im Vorfeld war der 2008 veröffentlichte Film „Operation Walküre“ des US-amerikanischen Regisseurs Bryan Singer umstritten. Kritik richtete sich vor allem gegen den Hauptdarsteller Tom Cruise, der ein ranghoher Angehöriger der Scientologen ist, und die Darstellung der Angehörigen des zivilen Widerstands im Film. Neuere Filmproduktionen befassen sich auch mit den letzten Tagen der Sophie Scholl und dem Schicksal von Georg Elser. Dies sind nur einige Beispiele, aus denen deutlich wird, wie sehr das Thema des Widerstands gegen den Nationalsozialis-mus auch heute noch Medien und Öffentlichkeit beschäftigt.

Wir haben uns heute endgültig von der Perspektive gelöst, dass es irgendeine gesellschaftliche Großgruppe gegeben hat, die in ihrer Gesamtheit gegen den Nationalsozialismus ge-standen hat. Widerstand war immer die Haltung einer kleinen Minderheit, von einzelnen und oft sehr einsamen Menschen. Doch je mehr wir von ihnen wissen, desto genauer können wir immer wieder die stets aktuelle Frage nach den Handlungs-spielräumen und -möglichkeiten des einzelnen Menschen in der heutigen demokratischen Gesellschaft stellen.

80 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

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Sandvoß, Hans-Rainer: „Es wird gebeten, die Gottesdienste zu über-wachen …“ Religionsgemeinschaften in Berlin zwischen Anpassung, Selbstbehauptung und Widerstand von 1933 bis 1945, Berlin 2014, 564 S.

Widerstand und Exil

Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch, Schriftenreihe hg. von der Gesellschaft für Exilforschung, München 1983 ff., 33 Bände.

Stiftung Jüdisches Museum Berlin (Hg.): Heimat und Exil. Emigration der deutschen Juden nach 1933, Frankfurt/Main 2006, 255 S.

Formierung der militärisch-zivilen Opposition

Gillmann, Sabine / Mommsen, Hans (Hg.): Politische Schriften und Briefe Carl Friedrich Goerdelers, München 2003, 2 Bände.

Hartmann, Christian: Halder. Generalstabschef Hitlers 1938–1942, 2. Auflage, Paderborn 2010, 439 S.

Hoffmann, Peter: Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, 4., neu überarbeitete und ergänzte Auflage, München/Zürich 1985, 1003 S.

Klemperer, Klemens von: Die verlassenen Verschwörer. Der deutsche Widerstand auf der Suche nach Verbündeten 1938–1945, Berlin 1994, 603 S.

Müller, Klaus-Jürgen: Das Heer und Hitler. Armee und nationalsozia-listisches Regime 1933–1940, 2. Auflage, Stuttgart 1988, 726 S.Ders.: Generaloberst Ludwig Beck. Eine Biographie, Paderborn 2008, 835 S.

Young, Arthur P.: Die „X“-Dokumente. Die geheimen Kontakte Carl Goerdelers mit der britischen Regierung 1938/39, München 1989, 331 S.

Georg Elser und das Attentat vom 8. November 1939

Haasis, Hellmut G.: Den Hitler jag' ich in die Luft. Der Attentäter Ge-org Elser, vollständig neu vom Autor überarbeitete Ausgabe auf der Grundlage der Buchausgabe von 1999, Hamburg 2009, 383 S.

Hoch, Anton / Gruchmann, Lothar: Georg Elser: Der Attentäter aus dem Volke. Der Anschlag auf Hitler im Münchner Bürgerbräu 1939, 1. unver-änderter Nachdruck, Frankfurt/Main 2016, 174 S.

Ortner, Helmut: Der einsame Attentäter. Georg Elser – der Mann, der Hitler töten wollte, Darmstadt 2013, 246 S.

Renz, Ulrich: Georg Elser. Allein gegen Hitler, Stuttgart 2014, 114 S.

Steinbach, Peter / Tuchel, Johannes: Georg Elser. Der Hitler-Attentäter, Berlin 2010, 368 S.

Regimekritik und Versuche der Gegenöffentlichkeit

Diewald-Kerkmann, Gisela: Politische Denunziation im NS-Regime oder Die kleine Macht der „Volksgenossen“, Bonn 1995, 256 S.

Hensle, Michael P.: Rundfunkverbrechen. Das Hören von „Feindsen-dern“ im Nationalsozialismus, Berlin 2003, 383 S.

Kuhnke, Manfred: Falladas letzter Roman. Die wahre Geschichte, Friedland 2011, 173 S.

Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, Bewährungseinheiten 999er

Ausländer, Fietje / Haase, Norbert (Hg.): Die anderen Soldaten. Wehr-kraftzersetzung, Gehorsamsverweigerung und Fahnenflucht im Zwei-ten Weltkrieg, Frankfurt/Main 1995, 240 S.

Koch, Magnus: Fahnenfluchten. Deserteure der Wehrmacht im Zwei-ten Weltkrieg. Lebenswege und Entscheidungen (= Krieg in der Ge-schichte Bd. 42), Paderborn 2008, 426 S.

Paul, Gerhard: Ungehorsame Soldaten. Dissens, Verweigerung und Wi-derstand deutscher Soldaten (1939-1945), St. Ingbert 1994, 233 S.

Wette, Wolfram (Hg.): Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und „Kriegsver-rat“, Berlin 2007, 507 S.

Rote Kapelle

Coppi, Hans / Danyel, Jürgen / Tuchel, Johannes (Hg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994, 307 S.

Nelson, Anne: Die Rote Kapelle. Die Geschichte der legendären Wider-standsgruppe, München 2010, 507 S.

Roloff, Stefan: Die Rote Kapelle. Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs, Berlin 2004, 375 S.

Weiße Rose

Bald, Detlef: Die „Weiße Rose“. Von der Front in den Widerstand, 2. Auf-lage, Berlin 2009, 256 S.

Bassler, Sibylle: Die Weiße Rose. Zeitzeugen erinnern sich, Reinbek bei Hamburg 2006, 255 S.

Chaussy, Ulrich / Ueberschär, Gerd R.: „Es lebe die Freiheit!“ Die Ge-schichte der Weißen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2013, 533 S.

Moll, Christiane (Hg.): Gesammelte Briefe. Alexander Schmorell, Chris-toph Probst, Berlin 2011, 944 S.

Zankel, Sönke: Mit Flugblättern gegen Hitler. Der Widerstandskreis um Hans Scholl und Alexander Schmorell, Köln 2008, 594 S.

Widerstand von Jugendlichen

Klönne, Arno: Jugendliche Opposition im „Dritten Reich“, 2. Auflage, Erfurt 2013, 90 S. (als Download auf der Seite der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen: www.lzt-thueringen.de)

Lange, Sascha: Meuten, Swings & Edelweißpiraten. Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus, Bonn 2015, 223 S. (bpb-Schriften-reihe Band 1474)

Schilde, Kurt: Jugendopposition 1933–1945. Ausgewählte Beiträge, Ber-lin 2007, 185 S.

Kreisauer Kreis

Brakelmann, Günter: Der Kreisauer Kreis. Chronologie, Kurzbiographi-en und Texte aus dem Widerstand (= Schriftenreihe der Forschungs-gemeinschaft 20. Juli 1944 e.V. Bd. 3), 2. korrigierte Auflage, Münster 2004, 372 S.

Roon, Ger van: Neuordnung im Widerstand. Der Kreisauer Kreis inner-halb der deutschen Widerstandsbewegung, München 1967, 652 S.Ders.: Der Kreisauer Kreis zwischen Widerstand und Umbruch, Berlin 1985, 24 S.

Ullrich, Volker: Der Kreisauer Kreis, Reinbek bei Hamburg 2008, 159 S.

Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944

Becker, Manuel / Löttel, Holger / Studt, Christoph (Hg): Der militärische Widerstand gegen Hitler im Lichte neuer Kontroversen (= Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 e.V., Bd. 12), Berlin 2010, 251 S.

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

82 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS

Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

Hoffmann, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brü-der, Sonderausgabe, Stuttgart 2004, 672 S.

Kroener, Bernhard R.: „Der starke Mann im Heimatkriegsgebiet“. Ge-neraloberst Friedrich Fromm. Eine Biographie, Paderborn/München/Wien/Zürich 2005, 1060 S.

Schwerin, Detlef Graf von: „Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt“. Die junge Generation im deutschen Widerstand, 2. Auflage, München/Zürich 1994, 571 S.

Ueberschär, Gerd R.: Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944. Darstellung, Biographien, Dokumente, Frankfurt/Main 2006, 270 S.

Vollmer, Antje / Keil, Lars-Broder: Stauffenbergs Gefährten. Das Schick-sal der unbekannten Verschwörer, Bonn 2013, 254 S. (bpb-Schriftenrei-he Band 1347)

Widerstand gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung

Benz, Wolfgang (Hg.): Überleben im Dritten Reich. Juden im Unter-grund und ihre Helfer, München 2006, 349 S.

Hosenfeld, Wilm: „Ich versuche jeden zu retten“. Das Leben eines deut-schen Offiziers in Briefen und Tagebüchern, München 2004, 1194 S.

Kißener, Michael (Hg.): Widerstand gegen die Judenverfolgung, Kon-stanz 1996, 342 S.

Kosmala, Beate / Schoppmann, Claudia (Hg.): Überleben im Unter-grund. Hilfe für Juden in Deutschland 1941–1945 (= Reihe Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit, Bd. 5, hg. von Wolfgang Benz), Berlin 2002, 408 S.

Wette, Wolfram (Hg.): Retter in Uniform. Handlungsspielräume im Ver-nichtungskrieg der Wehrmacht, 3. Auflage, Frankfurt/Main 2003, 247 S.Ders. (Hg.): Stille Helden. Judenretter im Dreiländereck während des Zweiten Weltkriegs, 2. Auflage, Freiburg im Breisgau 2014, 287 S.

Widerstand von Juden

Bruder, Franziska: Hunderte solcher Helden. Der Aufstand jüdischer Gefangener im NS-Vernichtungslager Sobibór. Berichte, Recherchen und Analysen, Hamburg 2013, 183 S.

Kwiet, Konrad / Eschwege, Helmut: Selbstbehauptung und Wider-stand. Deutsche Juden im Kampf um Existenz und Menschenwürde 1933–1945, 2. Auflage, Hamburg 1986, 384 S.

Löhken, Wilfried / Vathke, Werner (Hg.): Juden im Widerstand. Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion, Berlin 1939-1945, Berlin 1993, 208 S.

Lustiger, Arno: Zum Kampf auf Leben und Tod! Vom Widerstand der Juden in Europa 1933–1945, Erftstadt 2004, 624 S.

Paucker, Arnold: Deutsche Juden im Widerstand 1933–1945. Tatsachen und Probleme (= Beiträge zum Widerstand 1933–1945, hg. von der Ge-denkstätte Deutscher Widerstand), Berlin 2014, 67 S. (www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publ/beitraege/2003_Paucker.pdf)

Widerstand von Sinti und Roma

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma (Hg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma. Katalog zur ständigen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz, Heidel-berg 2003, 323 S.

König, Ulrich: Sinti und Roma unter dem Nationalsozialismus. Verfol-gung und Widerstand, 2. Auflage, Bochum 1989, 210 S.

Widerstand von Häftlingen

Langbein, Hermann: … nicht wie die Schafe zur Schlachtbank. Wider-stand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern 1938–1945, 1. unveränderter Nachdruck, Frankfurt/Main 2016, 496 S.

Streibel, Robert / Schafranek, Hans (Hg.): Strategie des Überlebens. Häftlingsgesellschaften in KZ und GULAG, Wien 1996, 238 S.

Hilfen für Verfolgte

KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.): Hilfe oder Handel – Rettungsbe-mühungen für NS-Verfolgte (= Beiträge zur Geschichte der nationalso-zialistischen Verfolgung in Norddeutschland H. 10), Bremen 2007, 250 S.

Wette, Wolfram (Hg.): Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS, Frankfurt/Main 2003, 361 S.

Widerstand der letzten Stunde

Arendes, Cord / Wolfrum, Edgar / Zedler, Jörg (Hg.): Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte Bd. 6), Göttingen 2006, 262 S.

Bertram, Jürgen: Das Drama von Brettheim. Eine Dorfgeschichte am Ende des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/Main 2005, 181 S.

Diem, Veronika: Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand in der End-phase des NS-Regimes (= Münchener Historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte Bd. 19), Kallmütz/Operpfalz 2013, 520 S.

Hausberger, Karl: Sterben, damit andere leben können. Der Regensbur-ger Domprediger Dr. Johann Maier (1906–1945), Regensburg 2005, 56 S.

Müller, Rolf-Dieter / Ueberschär, Gerd R. / Wette, Wolfram: Wer zurück-weicht, wird erschossen! Kriegsalltag und Kriegsende in Südwest-deutschland 1944/45, Freiburg im Breisgau 1985, 110 S.

Rezeption des Widerstands nach 1945

Aretin, Felicitas von: Die Enkel des 20. Juli 1944, Leipzig 2004, 349 S.

Kershaw, Ian: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontro-versen im Überblick, 5. Auflage, Reinbek bei Hamburg 2015, 414 S.

Reichel, Peter / Schmid, Harald / Steinbach, Peter (Hg.): Der Nationalso-zialismus. Die zweite Geschichte. Überwindung, Deutung, Erinnerung, Bonn 2009, 496 S. (bpb-Schriftenreihe Band 766)

Scholtyseck, Joachim / Schröder, Stephen (Hg.): Die Überlebenden des deutschen Widerstandes und ihre Bedeutung für Nachkriegsdeutsch-land (= Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 e. V. Bd. 6), Münster 2005, 153 S.

Ueberschär, Gerd R. (Hg.): Der 20. Juli 1944. Bewertung und Rezeption des deutschen Widerstandes gegen das NS-Regime, Köln 1994, 348 S.Ders. (Hg.): Der deutsche Widerstand gegen Hitler. Wahrnehmung und Wertung in Europa und den USA, Darmstadt 2002, 301 S.

Internetadressenwww.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozia-lismus/39555/verfolgung-und-widerstand

www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/widerstand.html

www.evangelischer-widerstand.de

www.gdw-berlin.de

www.gedenkstaette-stille-helden.de

www.gedenkstaette-ploetzensee.de

www.georg-elser.de

www.georg-elser-arbeitskreis.de

www.jugend1918-1945.de

www.kreisau.de

www.weisse-rose-stiftung.de

www.widerstand-1933-1945.de

Der Autor und die AutorinProf. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Wider-stand in Berlin, apl. Prof. am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, z. Zt. Gastprofessor am Touro-College Ber-lin, Studiengang Master of Arts in Holocaust Communication and To-lerance.

Julia Albert, M. A., Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ge-denkstätte Deutscher Widerstand.

Die Verfasser danken ihren Kolleginnen und Kollegen der Gedenkstät-te Deutscher Widerstand für ihre umfangreiche Unterstützung bei der Erarbeitung des Textes.

Weiteres zum Thema Nationalsozialismus in den „schwarzen Heften“:

ImpressumHerausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Fax-Nr.: 02 28/99 515-309, Internetadresse: www.bpb.de/izpb,E-Mail: [email protected]

Redaktion: Christine Hesse (verantwortlich/bpb), Jutta Klaeren, Peter Schuller (Volontär)

Redaktionelle Mitarbeit: Imke Marie Dralle, Göttingen; Alina Finke, Köln

Titelbild: Fotos der Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg (l.) und Georg Elser in der neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand am 26. Juni 2014 in Berlin. Diese Ausstellung wurde nach einer grundlegenden Neugestaltung am 1. Juli 2014 feier-lich wiedereröffnet. Foto: Jörg Carstensen / dpa

Umschlag-Rückseite: Leitwerk, Köln

Gesamtgestaltung: KonzeptQuartier® GmbH, Art Direktion: Linda Spokojny, Schwabacher Straße 261, 90763 Fürth

Druck: apm alpha print medien AG, 64295 Darmstadt

Vertrieb: IBRo, Verbindungsstraße 1, 18184 Roggentin

Erscheinungsweise:vierteljährlichISSN 0046-9408. Auflage dieser Ausgabe: 500 000

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: Juli 2016

Text und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Der Text kann in Schu-len zu Unterrichtszwecken vergütungsfrei vervielfältigt werden.

Der Umwelt zuliebe werden die Informationen zur politischen Bil-dung auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

Anforderungenbitte schriftlich an Publikationsversand der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Postfach 501055, 18155 Rostock Fax: 03 82 04/66-273 oder direkt bestellen unter www.bpb.de/informa-tionen-zur-politischen-bildung

Absenderanschrift bitte in Druckschrift.

Abonnement-Anmeldungen oder Änderungen der Abonnement-modalitäten bitte melden an [email protected]

Informationen über das weitere Angebot der Bundeszentrale für poli

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016

-tische Bildung/bpb erhalten Sie unter der o. g. bpb-Adresse.

Für telefonische Auskünfte (bitte keine Bestellungen) steht das Info-telefon der bpb unter Tel.: 02 28/99 515-0 Montag bis Freitag zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr zur Verfügung.

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Der Timer ist der informative Notizkalender der bpb. 160 Seiten stark. Hol dir die tägliche Dosis politische Bildung.

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