im karosseriebau zÄhlt jedes kilogramm

2
BILD Audi Konstruktiver und werkstofflicher Leichtbau erhalten durch die steigenden Kraftstoffpreise und die anhaltende Klimadiskussion einen neuen Schub. Da sich das Konstruktionsprinzip eines „intelligenten Werkstoffmixes“ durchgesetzt hat, buhlen zahlreiche Lösungen um ihren Einsatz. IM KAROSSERIEBAU ZÄHLT JEDES KILOGRAMM Leichtbau zählt seit vielen Jahren zu den Kardinalstugenden bei der Konzeption neuer Fahrzeuge. Dabei sind Automobil- hersteller und ihre Zulieferer gleicherma- ßen gefordert. Gilt es doch, durch mög- lichst leichte Einzelkomponenten das Gesamtgewicht des Fahrzeugs zu redu- zieren und so zu einer Senkung von Kraftstoffverbrauch und Emissionen bei- zutragen. Nicht zuletzt die öffentliche Diskussion um die CO 2 -Emissionen der individuellen Mobilität gilt als wichtiger Treiber für den Fahrzeugleichtbau. Dieser ist regelmäßig mit einer Qual der Materialwahl verbunden. Jeder Werkstoff hat seine spezifischen Potenzi- ale, die für einen „intelligenten Material- mix“ genutzt werden können. Je nach Kombinationsform unterscheidet die Branche zwischen Materialarten-, Mate- rialgüten- sowie Halbzeug- und Geomet- riemischbau. Die vielfach unbeantwor- tete Frage ist jedoch, in welchen Anwen- dungen die einzelnen Werkstoffe ihre Potenziale am besten entfalten können. Im Werkstoffmix moderner Fahrzeug- konzepte kommt Stahl eine tragende Rolle zu. In sicherheitskritischen Berei- chen der Karosserie ebenso, wie bei Strukturbauteilen. Dabei kommen vor allem hoch- und höchstfeste Stähle zum Einsatz. Rund die Hälfte aller Kompo- nenten der Rohbaukarosserie in der Mer- cedes-Benz S-Klasse besteht aus solchen Stahllegierungen, die bei einem Mini- mum an Gewicht ein Maximum an Fes- tigkeit erreichen. Nach Unternehmens- angaben konnte so die Torsionssteifig- keit der Rohbaustruktur gegenüber der bisherigen S-Klasse um rund 12 % ver- bessert werden. Aber auch der Einsatz von Aluminium im Automobilbau hat sich in Europa weitgehend etabliert. Nach durchschnitt- lich 43 kg 1980 werden heute im Schnitt 132 kg Aluminium pro Fahrzeug verbaut. Für die kommenden Jahre rechnet die Branche mit einem weiteren Zuwachs von 5 % pro Jahr. Aluminium-Walzspe- zialist Novelis reagierte auf die steigende Nachfrage nach Aluminiumblechen bereits mit Kapazitätserweiterungen. Im Kern der Investitionen standen eine Erhö- hung von Leistung und Flexibilität der im Werk Nachterstedt installierten Durch- laufglüh- und Lackieranlage zur integrier- ten Oberflächenbehandlung von Automo- bilblechen aus Aluminium sowie Erweite- rungen im Walzwerk Sierre. Ein weiterer Schub für Aluminium im Fahrzeugbau soll nun von „Fusion“ generiert werden. Dabei handelt es sich um eine von Novelis patentierte Techno- logie, bei der Aluminiumbleche bereits beim Guss der Barren für den späteren Walzprozess aus zwei oder drei Lagen unterschiedlicher Aluminiumlegierungen hergestellt werden. Durch den Einsatz dieses neuen Materials ist Erstanwender BMW in der Lage, die Türinnenstruktur mit integriertem Fensterrahmen in einem Stück zu fertigen. 4 KAROSSERIE EINLEITUNG DOI: 10.1365/s35778-010-0447-4

Upload: ngodiep

Post on 16-Mar-2017

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: IM KAROSSERIEBAU ZÄHLT JEDES KILOGRAMM

BILD Audi

Konstruktiver und werkstofflicher Leichtbau erhalten durch die steigenden Kraftstoffpreise und

die anhaltende Klimadiskussion einen neuen Schub. Da sich das Konstruktionsprinzip eines

„intelligenten Werkstoffmixes“ durchgesetzt hat, buhlen zahlreiche Lösungen um ihren Einsatz.

IM KAROSSERIEBAU ZÄHLT JEDES KILOGRAMM

Leichtbau zählt seit vielen Jahren zu den Kardinalstugenden bei der Konzeption neuer Fahrzeuge. Dabei sind Automobil-hersteller und ihre Zulieferer gleicherma-ßen gefordert. Gilt es doch, durch mög-lichst leichte Einzelkomponenten das Gesamtgewicht des Fahrzeugs zu redu-zieren und so zu einer Senkung von Kraftstoffverbrauch und Emissionen bei-zutragen. Nicht zuletzt die öffentliche Diskussion um die CO2-Emissionen der individuellen Mobilität gilt als wichtiger Treiber für den Fahrzeugleichtbau.

Dieser ist regelmäßig mit einer Qual der Materialwahl verbunden. Jeder Werk stoff hat seine spezifischen Potenzi-ale, die für einen „intelligenten Material-mix“ genutzt werden können. Je nach Kombinationsform unterscheidet die Branche zwischen Materialarten-, Mate-rialgüten- sowie Halbzeug- und Geomet-riemischbau. Die vielfach unbeantwor-tete Frage ist jedoch, in welchen Anwen-dungen die einzelnen Werkstoffe ihre Potenziale am besten entfalten können.

Im Werkstoffmix moderner Fahrzeug-konzepte kommt Stahl eine tragende Rolle zu. In sicherheitskritischen Berei-chen der Karosserie ebenso, wie bei Strukturbauteilen. Dabei kommen vor allem hoch- und höchstfeste Stähle zum Einsatz. Rund die Hälfte aller Kompo-nenten der Rohbaukarosserie in der Mer-cedes-Benz S-Klasse besteht aus solchen Stahllegierungen, die bei einem Mini-mum an Gewicht ein Maximum an Fes-

tigkeit erreichen. Nach Unternehmens-angaben konnte so die Torsionssteifig-keit der Rohbaustruktur gegenüber der bisherigen S-Klasse um rund 12 % ver-bessert werden.

Aber auch der Einsatz von Aluminium im Automobilbau hat sich in Europa weitgehend etabliert. Nach durchschnitt-lich 43 kg 1980 werden heute im Schnitt 132 kg Aluminium pro Fahrzeug verbaut. Für die kommenden Jahre rechnet die Branche mit einem weiteren Zuwachs von 5 % pro Jahr. Aluminium-Walzspe-zialist Novelis reagierte auf die steigende Nachfrage nach Aluminiumblechen bereits mit Kapazitätserweiterungen. Im Kern der Investitionen standen eine Erhö-hung von Leistung und Flexibilität der im Werk Nachterstedt installierten Durch-laufglüh- und Lackieranlage zur integrier-ten Oberflächenbehandlung von Automo-bilblechen aus Aluminium sowie Erweite-rungen im Walzwerk Sierre.

Ein weiterer Schub für Aluminium im Fahrzeugbau soll nun von „Fusion“ generiert werden. Dabei handelt es sich um eine von Novelis patentierte Techno-logie, bei der Aluminiumbleche bereits beim Guss der Barren für den späteren Walzprozess aus zwei oder drei Lagen unterschiedlicher Aluminiumlegierungen hergestellt werden. Durch den Einsatz dieses neuen Materials ist Erstanwender BMW in der Lage, die Türinnenstruktur mit integriertem Fensterrahmen in einem Stück zu fertigen.

4

KAROSSERIE EINLEITUNGD

OI:

10.1

365/

s357

78-0

10-0

447-

4

Page 2: IM KAROSSERIEBAU ZÄHLT JEDES KILOGRAMM

Oktober 2010 Special I Karosserie und Bleche 5