im blickpunkt: ein hauch von nichts

3
W inzig kleine Objekte, die man weder mit dem bloßen Auge noch mit Hilfe eines Lichtmikroskops erkennen kann, sind von großer technischer Be- deutung. Denn immer deutlicher wird: Die Verkleinerung von Ob- jekten mit Abmessungen aus dem Meter-, Millimeter- oder auch Mikrometerbereich um einen wei- teren Faktor 1000 in den Nanome- terbereich herab stellt einen faszi- nierenden Ansatz zur Erzeugung neuer Materialeigenschaften und Funktionen dar. Es geht um den chemischen Aufbau von Nanosys- temen, die auch in der Biologie von Interesse sind. Denn Nanoobjekte haben die Größe von Viren oder Enzymen. Im Nanobereich gelten andere Gesetze als in der mit bloßem Auge sichtbaren Welt. Bei Halbleitern tre- ten etwa bei Einschränkung ihrer räumlichen Ausdehnung stark ver- änderte elektronische und optische Eigenschaften auf. Je nach Form der Einschränkung spricht man von Quantenfilmen, Quantendrähten oder Quantenpunkten. Sie sind in der optischen Informationstechno- logie von erheblicher Bedeutung. Die Folgen einer Herabsetzung von Abmessungen können auch weni- ger spektakulär und dennoch tech- nisch wichtig sein. So steigt zum Beispiel bei Fasern das Verhältnis von Oberfläche pro Masseneinheit sehr stark beim Übergang zu den Nanoabmessungen an. Typische Anwendungen liegen bei der Filte- rung oder Katalyse, das ist die che- mische Stoffumsetzung, gesteuert durch einen Katalysator. In der Nanowelt spielen röhren- förmige Objekte eine besondere Rolle. Kohlenstoff-Nanoröhrchen, aufgebaut aus graphitähnlichen Einheiten, beflügeln gegenwärtig weltweit die Phantasie von For- schern. Mit solchen länglichen Ob- jekten ergeben sich Anwendungen in der Sensorik, Katalyse, Nano- elektronik oder Photonik (Verwen- dung von Licht statt Elektronen). Ein wesentliches Ziel der Nano- technologie ist die Entwicklung von Präparationsmethoden für Nanoob- jekte. Sie müssen je nach ange- strebter Anwendung aus Kunst- stoffen, Metallen, Keramiken oder Gläsern aufgebaut sein, die Archi- tektur der Objekte kann einfach sein – kompakte Faser oder Hohl- faser – oder muß komplex sein – Multischichtaufbau aus unter- schiedlichen Materialien. Schließ- lich kann es für eine Integration in Bauelemente erforderlich sein, die Objekte in Hierarchien gezielt zueinander anzuordnen. Die Erzeugung von Nanoröhr- chen beruht häufig auf Templatver- fahren („template“ ist eine Schablo- ne), wobei unterschiedliche Wege beschritten wurden. Beim so ge- nannten TUFT-Verfahren (Tubes by Fiber Templates) werden End- los-Nanofasern zunächst sehr dünn mit einem oder verschiedenen Wandmaterialien beschichtet, dann wird die Templatfaser entfernt. Auf diese Weise entstehen Endlosröhr- chen. Templatfasern mit Abmessungen herab bis zu einigen Nanometern, bevorzugt aus Kunststoffen, lassen sich sehr effektiv und kontrolliert Naturwissenschaften 4 forschung 2 / 2003 Im Blickpunkt: Ein Hauch von Nichts In der Nanowelt spielen röhrenförmige Objekte eine besondere Rolle. Um Nanoröhrchen herzustellen, werden neue Präparationsverfahren entwickelt, die Grundlagen für eine Vielzahl technischer Anwendungen legen 1 μm

Upload: andreas-greiner

Post on 12-Jun-2016

220 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Im Blickpunkt: Ein Hauch von Nichts

Winzig kleine Objekte, die man weder mit dem bloßenAuge noch mit Hilfe eines

Lichtmikroskops erkennen kann,sind von großer technischer Be-deutung. Denn immer deutlicherwird: Die Verkleinerung von Ob-jekten mit Abmessungen aus demMeter-, Millimeter- oder auchMikrometerbereich um einen wei-teren Faktor 1000 in den Nanome-terbereich herab stellt einen faszi-nierenden Ansatz zur Erzeugungneuer Materialeigenschaften undFunktionen dar. Es geht um denchemischen Aufbau von Nanosys-temen, die auch in der Biologie vonInteresse sind. Denn Nanoobjektehaben die Größe von Viren oderEnzymen.

Im Nanobereich gelten andereGesetze als in der mit bloßem Augesichtbaren Welt. Bei Halbleitern tre-ten etwa bei Einschränkung ihrerräumlichen Ausdehnung stark ver-änderte elektronische und optischeEigenschaften auf. Je nach Formder Einschränkung spricht man vonQuantenfilmen, Quantendrähtenoder Quantenpunkten. Sie sind inder optischen Informationstechno-logie von erheblicher Bedeutung.Die Folgen einer Herabsetzung vonAbmessungen können auch weni-ger spektakulär und dennoch tech-nisch wichtig sein. So steigt zumBeispiel bei Fasern das Verhältnisvon Oberfläche pro Masseneinheitsehr stark beim Übergang zu denNanoabmessungen an. TypischeAnwendungen liegen bei der Filte-rung oder Katalyse, das ist die che-mische Stoffumsetzung, gesteuertdurch einen Katalysator.

In der Nanowelt spielen röhren-förmige Objekte eine besondereRolle. Kohlenstoff-Nanoröhrchen,aufgebaut aus graphitähnlichenEinheiten, beflügeln gegenwärtigweltweit die Phantasie von For-schern. Mit solchen länglichen Ob-jekten ergeben sich Anwendungenin der Sensorik, Katalyse, Nano-elektronik oder Photonik (Verwen-dung von Licht statt Elektronen).

Ein wesentliches Ziel der Nano-technologie ist die Entwicklung vonPräparationsmethoden für Nanoob-jekte. Sie müssen je nach ange-strebter Anwendung aus Kunst-stoffen, Metallen, Keramiken oderGläsern aufgebaut sein, die Archi-tektur der Objekte kann einfachsein – kompakte Faser oder Hohl-faser – oder muß komplex sein –Multischichtaufbau aus unter-

schiedlichen Materialien. Schließ-lich kann es für eine Integration in Bauelemente erforderlich sein,die Objekte in Hierarchien gezieltzueinander anzuordnen.

Die Erzeugung von Nanoröhr-chen beruht häufig auf Templatver-fahren („template“ ist eine Schablo-ne), wobei unterschiedliche Wegebeschritten wurden. Beim so ge-nannten TUFT-Verfahren (Tubesby Fiber Templates) werden End-los-Nanofasern zunächst sehr dünnmit einem oder verschiedenenWandmaterialien beschichtet, dannwird die Templatfaser entfernt. Aufdiese Weise entstehen Endlosröhr-chen.

Templatfasern mit Abmessungenherab bis zu einigen Nanometern,bevorzugt aus Kunststoffen, lassensich sehr effektiv und kontrolliert

Naturwissenschaften

4

forschung 2/2003

Im Blickpunkt:Ein Hauch von NichtsIn der Nanowelt spielen röhrenförmige Objekte eine besondere Rolle. Um Nanoröhrchen herzustellen, werden neue Präparationsverfahren entwickelt,die Grundlagen für eine Vielzahl technischer Anwendungen legen

1 µm

Page 2: Im Blickpunkt: Ein Hauch von Nichts

über das Elektrospinnverfahrenherstellen. Die Nanofaserbildungerfolgt hierbei mittels einer hohenelektrischen Spannung. Das zu ver-spinnende Material in Form einerSchmelze oder einer Lösung wirddurch eine Düse transportiert. Daselektrische Feld erzeugt Ladungen,und es bildet sich ein feiner Materi-alstrom, der in Richtung auf eineGegenelektrode beschleunigt wird.Der Materialstrom wird dabei deformiert, er verästelt sich – wiebei Blitzentladungen – und wirdschließlich über der Gegenelektro-de abgeschieden. Während desSpinnvorgangs verdunstet das Lö-sungsmittel beziehungsweise er-kaltet die Schmelze. Abgeschiedenwerden die Fasern mit einer Ge-schwindigkeit von mehreren Me-tern pro Sekunde, die Fasern selbstsind viele Meter lang. Mit dem Ver-fahren gelingt es auch, kleinsteTeilchen aus Metallen oder Kerami-ken direkt beim Spinnen in die Fa-sern einzubauen, so dass sie imnächsten Schritt in die Röhrcheneingeschleust werden können. DasEndergebnis ist ein sehr feines Fa-sergespinst mit Abmessungen bis inden Quadratmeter-Bereich herauf.Die Gespinste können so fein sein,dass sie weder mit dem Auge nocheinem Lichtmikroskop aufgelöstwerden können.

Der zweite Schritt des Verfahrensbesteht in der Aufbringung einesWandmaterials. Dies geschieht mittechnischen Verfahren wie Tauch-,Aufschleuderverfahren oder Sprüh-verfahren unter Verwendung vonKunststofflösungen oder über eineAufdampfung. Über eine Beschich-tung mit Metallen lassen sich aufdiese Weise Metallnanoröhrchenherstellen und nach mehreren Be-schichtungsprozessen auch Nano-röhrchen mit komplexem Aufbau.Wird eine Templatfaser, gefüllt mit

51 µm

200 nm

17 nm

Links: Eine winzig kleine Schablone zur Erzeugung von Nanoröhrchen mitregelmäßig angeordneten Poren und einer dünnen Polymerwand, dargestelltdurch die weiße Umrandung. Für dieNanoelektronik sind Nanokabel (oben)mit einer leitenden „Metallseele“ undeiner Kunststoffisolierung von großer Bedeutung. Rechts: eine Ansammlungvon Nanoröhrchen aus Kunststoff.

Page 3: Im Blickpunkt: Ein Hauch von Nichts

kleinsten Metallpartikeln, verwen-det, so lassen sich Nanokabel miteinem Durchmesser von einigenNanometern herstellen.

Im letzten Schritt des Verfahrenswird die Templatfaser entfernt. Diesgeschieht zum Beispiel durch eineTemperaturerhöhung, die zu einemAbbau des Kunststoffs zu leichtflüchtigen Grundbausteinen führt.Die Entfernung kann aber auchüber Lösungsmittel oder bei geeig-net gewählten Templatfasern übereinen biologischen Abbau gesche-hen.

Für eine ganze Reihe von An-wendungen ist es unabdingbar,wohl geordnete Ansammlungenvon Röhrchen –vielleicht auchmit genau defi-nierten Längen –zu bekommen.Dies ist nur sehrschwer mit dembisher beschrie-benen, wohl abermit Hilfe einesjüngst entwickel-ten Verfahrens zu erreichen. Es be-ruht auf einem theoretisch nochnicht vollständig verstandenen Phänomen: Kommt eine Polymer-schmelze – Polymere sind Verbin-dungen aus Riesenmolekülen – inKontakt mit Oberflächen hoherEnergie, wie etwa bei Metallen undanorganischen Halbleitern, dannbreitet sich sehr schnell ein äußerstdünner Film mit Dicken im Bereicheiniger 10 Nanometer aus. DieserFilm tritt selbst bei sehr zähen Poly-mersystemen auf. Die Ausbreitungkann nicht über einen gewöhn-lichen Fließprozess erfolgen, dafürist sie viel zu schnell. Das Konzeptwar, diesen spontanen Prozess fürdie Herstellung von Polymer-Nano-röhrchen auszunutzen. GeeigneteTemplate mit runden Poren werdendazu in Kontakt mit einer Polymer-schmelze gebracht. Die Wände derPoren überziehen sich spontan miteinem dünnen Polymerfilm, der beiTemperaturabsenkung fest wird.Nach Entfernung der Templatmate-rialien stehen Nanoröhrchen zurVerfügung. Nanoröhrchen aus kom-merziell erhältlichen Polymeren,aus Polymerlegierungen oder ausPolymeren mit speziellen Zusatz-

stoffen wie Metall-Keramik- oderHalbleiterteilchen können so her-gestellt werden, aber über Polymer-vorstufen auch Metallröhrchen oderKeramikröhrchen. Als Templatma-terialien eignen sich Feststoffe mithoher Oberflächenenergie; Siliziumund Aluminiumoxid zählen dazu.Ihr besonderer Vorzug ist, dass inihnen mit speziellen elektrochemi-schen Verfahren Poren mit ganzverschiedenen Durchmessern er-zeugt werden können. Porendurch-messer von 10 bis 1000 Nanometerbei konstantem Porenquerschnittund Längen-zu-Breiten-Verhältnis-sen bis zu 10 000 Nanometer sinderreichbar, ebenso eine hohe Regel-

mäßigkeit in derAnordnung. Umdie Poren zu fül-len, wurden zweiVerfahren ent-wickelt: die Be-schichtung desporösen Tem-plats mit einerPolymerschmel-ze und die Be-

schichtung mit einer Polymer-lösung. Selbst im Fall zäher Poly-merschmelzen wird die Porenwandin wenigen Minuten mit einem eini-ge 10 Nanometer dicken Film be-deckt. Sehr überraschend ist, dassselbst Poren, die 10 00 mal tiefer alsihr Durchmesser sind, vollständigund bis zum Boden einheitlich be-netzt werden.

Wohlgeordnete Ansammlungenvon Röhrchen aus Silizium oderAluminiumoxid mit Wänden ausPolymeren, wie zum Beispiel bio-verträglichen Polymeren, sind inter-essant für eine ganze Reihe von Anwendungen im Bereich der Bio-sensorik und Bioanalytik.

Um die Polymerhohlfasern iso-liert zu erhalten, werden die Tem-plate ohne Schädigung der Polyme-re entfernt. Dies geschieht mittelseiner Säure oder Base. Diese Me-thode erwies sich für ein großesSpektrum von Polymeren als sehrgeeignet zur Präparation von Hohl-fasern mit definierten Außendurch-messern und Längen-zu-Breiten-Verhältnissen und mit einer regel-mäßigen Anordnung der Röhrchen.Ein Extremfall ist sicher Polytetra-fluorethylen (Teflon), das technisch

überaus schwer zu verarbeiten ist.Auch in diesem Fall lassen sich pro-blemlos Teflonröhrchen erzeugen.Das Verfahren hat sich inzwischenals sehr ausbaufähig erwiesen.Setzt man den Polymeren etwametallorganische Verbindungenzu, dann lassen sich über Zwischen-schritte Metallröhrchen aus Palla-dium-Nanopartikeln erzielen. Hierliegt die Anwendung bei der Kata-lyse und der Wasserstoffspeiche-rung für Brennstoffzellen nahe.

Solche Nanoobjekte öffnen denWeg zu einer Fülle unterschiedlich-ster Anwendungen. Intensiv unter-sucht werden gegenwärtig solcheim Bereich der Photonik (unterPhotonen versteht man die klein-sten Energieteilchen einer elektro-magnetischen Strahlung). So wer-den Gemische aus Halbleiter-Quantenpunkt-Strukturen und Poly-meren, aber auch reine Polymere,die zum Leuchten angeregt werdenkönnen, in die porösen Templateeingeschleust. Die Regelmäßigkeitder Porenanordnung und –abmes-sungen führt zu einer gezielten Be-einflussung der Abstrahleigen-schaften der leuchtenden Nano-röhrchen – man spricht wegen derdamit verbundenen besonderen Ef-fekte von so genannten photoni-schen Kristallen. Im Blickpunkt ste-hen auch Anwendungen als Trenn-medien für Gase, Flüssigkeitenoder Partikelsuspensionen, als ab-gegrenzte Systeme mit definierterGestalt, Größe und Funktion. Sol-ches kann für die gezielte Einkap-selung oder auch Freisetzung vonMedikamenten durch künstlicheViren oder für Mikroreaktoren hilf-reich sein. Schließlich kommen Nanoröhrchen in Betracht für eineextreme Wärmeisolation, zum Bei-spiel bei Kleidungsstücken oder imBereich der Superleichtbauweise,wo an mechanische Verstärkungüber Nanoröhrchen zu denken ist.

Prof. Dr. Andreas Greiner,Dipl.-Chem. Martin SteinhartProf. Dr. Joachim H. WendorffUniversität MarburgDr. Ralf WehrspohnUniversität Paderborn

Die Projekte wurden von der DFG im Normal-verfahren gefördert.6

forschung 2/2003

Nanoröhrchen beflügelndie Phantasie derForscher – sie öffnenden Weg zu einer Füllevon neuen Anwendungen