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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1 anschauen. 2 1

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Page 1: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

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Page 14: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

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Page 15: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 17: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

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Page 18: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 19: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

19

Page 20: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

20

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Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 23: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

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Page 24: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 25: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

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Page 26: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 27: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

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Page 28: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 29: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

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Page 30: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 31: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

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Page 32: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

32

Page 33: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 35: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

Es heißt, Hugo Sowieso, der in einer entscheidenden Zeit sein Leben für eine 34

neue Sprache ließ, werde auftauchen, sobald die nächste Sprache fällig sei. 35

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 37: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

Es heißt, Hugo Sowieso, der in einer entscheidenden Zeit sein Leben für eine 34

neue Sprache ließ, werde auftauchen, sobald die nächste Sprache fällig sei. 35

Darüber, wann die nächste Sprache fällig sei, sind die Meinungen verschie- 36

den. Manche meinen, wie jetzt gesprochen werde, müsse immer gesprochen 37

werden. Andere sagen, alles müsse sich ändern. 38

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Page 38: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 39: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

Es heißt, Hugo Sowieso, der in einer entscheidenden Zeit sein Leben für eine 34

neue Sprache ließ, werde auftauchen, sobald die nächste Sprache fällig sei. 35

Darüber, wann die nächste Sprache fällig sei, sind die Meinungen verschie- 36

den. Manche meinen, wie jetzt gesprochen werde, müsse immer gesprochen 37

werden. Andere sagen, alles müsse sich ändern. 38

Ich halte unseren heiligen Hugo Sowieso für einen Veränderer. Was verdankt 39

ihm allein die Alpwirtschaft in Lagen über 1000 Meter! Sobald er wieder 40

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Page 40: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

auftauchen wird, kann es über sein Wesen keinen Zweifel mehr geben. Ma- 1

chen wir uns auf das Schönste gefaßt! 2

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Page 41: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 42: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

Es heißt, Hugo Sowieso, der in einer entscheidenden Zeit sein Leben für eine 34

neue Sprache ließ, werde auftauchen, sobald die nächste Sprache fällig sei. 35

Darüber, wann die nächste Sprache fällig sei, sind die Meinungen verschie- 36

den. Manche meinen, wie jetzt gesprochen werde, müsse immer gesprochen 37

werden. Andere sagen, alles müsse sich ändern. 38

Ich halte unseren heiligen Hugo Sowieso für einen Veränderer. Was verdankt 39

ihm allein die Alpwirtschaft in Lagen über 1000 Meter! Sobald er wieder 40

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auftauchen wird, kann es über sein Wesen keinen Zweifel mehr geben. Ma- 1

chen wir uns auf das Schönste gefaßt! 2

Martin Walser, S.14–21 in: M. Walser, A. Ficus. Heimatlob. Ein 3

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Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso endlich genauer 1

anschauen. 2

Geboren um 765 ganz am Rande Brigantiums (Bregenz), das damals nach 3

seiner großen keltischen und römischen Zeit wirklich nicht aussah, als könne 4

es auch noch österreichisch werden. 5

Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6

auch im Winter droben bleibt. Schlangen flüchten sich zu ihm. Er lernt ihre, 7

sie lernen seine Sprache. 8

Schlangenbisse hören auf, die Alphütte wird wohnlich, die Alpwirtschaft ge- 9

deiht, der Einsame wird ein Beispiel. 10

Aber einmal kommt im Herbst über die höchsten Tritte eine Familie mit einer 11

zartgliedrigen und schwarzhaarigen Tochter. Mit der zieht er dann doch wie- 12

der zu Tal. 13

Die Schlangen schreien ihm nach, er solle bei ihnen droben bleiben. Die 14

Schwarzhaarige zieht ihn hinab. Er heiratet sie noch im selben Winter. 15

Sie ist Christin, er wird’s auch. 16

Als er sie im Frühjahr mit heraufbringt, töten ihn die Schlangen. Der Leich- 17

nam des unfreiwilligen Märtyrers wird von der Aach bis in den See getragen. 18

Aber Sand und Kalk haben sich unterwegs so eingeschwemmt und angesetzt, 19

daß er praktisch eine Sandsteinstatue ist. 20

Er wäre kein Heiliger, wenn ihn das am Schwimmen hinderte. 21

Er wird des öfteren in der Bregenzer Ufergegend gesichtet. Da niemand weiß, 22

wer diese wieder und wieder auftauchende Heiligenstatue ist, wird er der 23

heilige Sowieso genannt. 24

Daß es sich um einen Heiligen handelt, sieht man, abgesehen vom schwim- 25

menden Stein, an der Predigerhaltung der Hände und am Heiligenschein, der 26

ihm eng um den Kopf liegt. Erst allmählich sickert seine Lebensgeschichte 27

zusammen. Manche sagen, der Heiligenschein sei gar keiner, das sei eine 28

versteinerte Schlange. 29

Nun hat man die Legende, hat die Wirkungen, aber keinen Namen. Von ihrer 30

Verlegenheit durchdrungen und im Gestehen geschickter als im Lügen, nen- 31

nen unsere Leute ihren Heiligen einfach Sowieso. Rom weigert sich, die 32

durch die Bevölkerung bereits vollzogene Heiligsprechung abzusegnen. 33

Das hat den Vorteil, daß der heilige Sowieso nicht auf Rom angewiesen ist. 34

Schöpferisch wie nur das Volk selbst ist, hat es seinem von Rom abgelehnten 35

Heiligen in einer Art Verlegenheitskrönung den 1.April als Namenstag zuge- 36

wiesen. 37

Weil das schon der Tag des heiligen Hugo (von Grenoble) war, ist dessen 38

Tradition mit der unseres Sowieso so verwachsen, daß man in manchen Dör- 39

fern von »unserem heiligen Sowieso« spricht. 40

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Page 45: Ich meine, man müsse die Legende des heiligen Sowieso ... · Dann Hirte auf mehreren Alpen Vorarlbergs. Fällt auf, weil er samt Tieren 6 auch im Winter droben bleibt. Schlangen

Da unser heiliger Sowieso als Sandsteinstatue im See unterwegs ist, hat die 1

genaue Empfindung des Volkes ihm, dem notorisch Einsamen, den Schwan 2

ins Heiligenbild gesetzt. Von unserem Sowieso hat dann auch noch der Gre- 3

noble-Hugo einen Schwan ins Bild gekriegt. 4

Auch teilen sie die Anrufbarkeit bei Schlangenbissen und Kopfschmerzen 5

miteinander konfliktloser als je zwei Ärzte eine Praxis. 6

Neuerdings haben ethnologisch vorgebildete Theologen behauptet, die oft als 7

Heiligenschein mißverstandene Schlange, die sich um Hugo Sowiesos Haupt 8

winde, bedeute, daß dieser Heilige für Sprachen zuständig sei. 9

Daß Schlangen, die ihre Körperwärme nach der Umgebung verändern, die 10

eine gespaltene Zunge haben und auch als Symbole der Falschheit gelten, daß 11

das Sprachtiere schlechthin sind, leuchtet jedem ein. Hugo Sowieso wäre also 12

ein Sprachheiliger. 13

Der gedankenreiche Schwan und die Anrufbarkeit bei Kopfweh und der Lü- 14

genlizenztag des 1. April als Namenstag, also bitte, wenn das nicht der Hei- 15

lige der Advokaten, Richter, Prediger, Politiker, Journalisten und Schriftstel- 16

ler ist, dann können wir unsere ganze Tradition begraben. 17

Ich bin froh, daß wir in jener entscheidenden Zeit, als unsere Sprache eine 18

Wiege brauchte und nicht nur eine Wiege, sondern auch eine Häutung und 19

nicht nur eine Häutung, sondern auch neue Glieder und Wendungen, als sie 20

sich also angesichts der historischen Aufgabe gewaltig ändern mußte, daß wir 21

ihr da mit Hilfe eines einheimischen Hirtenbuben einen Sprachheiligen liefern 22

konnten. 23

Und natürlich kam er aus Bregenz, das man nennt die goldene Schale mit den 24

giftigen Schlangen. 25

Daß die Vorarlberger Schlangen ihn umbrachten, weil er sie an eine zugereiste 26

Christin verraten hatte, ist verständlich, aber für seine Geschichtsfähigkeit hat 27

es ihm genützt. So schön diese Vorarlberger Schlangen auch mit ihm ge- 28

sprochen haben – schöner spricht niemand – lesen und schreiben hat er sicher 29

von der schwarzhaarigen Zugereisten gelernt. 30

Jetzt zieht ihn, den versteinerten Linguisten-Heiligen und polyglotten Hüte- 31

buben, ein Stummheits-Schwan durch das durchsichtige Wasser des Boden- 32

sees. 33

Es heißt, Hugo Sowieso, der in einer entscheidenden Zeit sein Leben für eine 34

neue Sprache ließ, werde auftauchen, sobald die nächste Sprache fällig sei. 35

Darüber, wann die nächste Sprache fällig sei, sind die Meinungen verschie- 36

den. Manche meinen, wie jetzt gesprochen werde, müsse immer gesprochen 37

werden. Andere sagen, alles müsse sich ändern. 38

Ich halte unseren heiligen Hugo Sowieso für einen Veränderer. Was verdankt 39

ihm allein die Alpwirtschaft in Lagen über 1000 Meter! Sobald er wieder 40

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auftauchen wird, kann es über sein Wesen keinen Zweifel mehr geben. Ma- 1

chen wir uns auf das Schönste gefaßt! 2

Martin Walser, S.14–21 in: M. Walser, A. Ficus. Heimatlob. Ein 3

Bodenseebuch. 1982. 4

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