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?Ich kenne ihreLeiden. Darum bin ichherniedergestiegen??Das neue Paradigma derkontextuellen TheologieSigurd BergmannPublished online: 06 Nov 2010.

To cite this article: Sigurd Bergmann (2001) ?Ich kenne ihre Leiden.Darum bin ich herniedergestiegen?? Das neue Paradigma der kontextuellenTheologie , Studia Theologica - Nordic Journal of Theology, 55:1, 4-22,DOI: 10.1080/713800039

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Das neue Paradigma der kontextuellen Theologie

Sigurd Bergmann

Warum die Theologie vor der Herausforderung eines neuenParadigmas steht

Am Anfang ihres dritten Jahrtausends steht die christliche Theologie vorder Herausforderung eines neuen Paradigmas.

Die Frage nach der Notwendigkeit eines neuen Paradigmas fuÈ r dieTheologie, die Hans KuÈ ng und David Tracy schon 1983 aufgeworfenhaben,1 stellt sich aus fuÈ nf GruÈ nden.

Philosophisch stellen erstens postmoderne Denker, wie z. B. M.Foucault, E. Fox Keller, R. Rorty und R. J. Bernstein, in ihrer Kritik deruniversalistischen Erkenntnistheorien in Frage, ob man die ErkenntnisuÈ berhaupt als eine Ansammlung von akkuraten Darstellungen verste-hen kann, die in der Form von praÈ zisen Behauptungen mit dem Innerender Wirklichkeit uÈ bereinstimmen.2

FuÈ r die pastorale Theologie bedeutet dies, daû man die Glaubens-interpretation nicht mehr einfach als eine Auslegung von offenbartenobjektiven Wahrheiten betreiben kann, die wie harte Kerne in derSchrift, der Tradition und der SchoÈ pfung liegen. Seit den 70er und 80erJahren sind an vielen Orten der Welt lokale Theologien entstanden, diedie universalen GeltungsanspruÈ che eines objektiven Glaubenssystemsinfragestellen.

Soziologisch erklaÈ ren zweitens die Theoretiker der modernen Ge-sellschaft, z. B. Z. Bauman und D. Harvey,3 wie soziale Strukturen undFunktionen, sprachliche Diskurse und kulturelle Traditionen unsereDenk- und Verhaltensweisen in so hohem Ausmaû e bestimmen, daûsich auch die Theologie fragen muû , welche Bedeutung man beimStudium der christlichen Glaubensformen dem sozialen und kulturellenZusammenhang zumessen soll.

Im Zusammenhang der gegenwaÈ rtigen Globalisierung breitet sich die

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westliche Moderne auf den Rest der Welt aus. Dies fuÈ hrt einerseits zurHomogenisierung der Kulturformen, andererseits auch zum verstaÈ rktenPartikularismus und zur neuen Entdeckung der EthnizitaÈ t. Durch diemodernen Kommunikationstechnologien tritt zu diesem Prozeû nochdie Verdichtung von Raum und Zeit hinzu. Die Erfahrung derGleichzeitigkeit vieler Ereignisse wird wie nie zuvor moÈ glich. Hinzukommt die Erfahrung des Alterns und staÈ ndigen Vergehens desModernen.

Die kulturelle Logik der spaÈ ten Moderne macht einerseits deutlich,wie kein Ort der Welt laÈ nger ohne die Ein¯ uÈ sse von aussen existiert, wiesich aber auch die globale Moderne aus einer Vielfalt von lokalenKontexten und IdentitaÈ ten zusammensetzt, die der Homogenisierungwiderstehen. Offensichtlich treibt der Globalisierungsprozeû , wieRichard Robertson meint, ohne ein klares Ziel, ein telos, in dieZukunft.4 Die Theologie steht damit, wie R. Schreiter deutlich darge-stellt hat, vor der Aufgabe, eine voÈ llig neue Selbstauffassung imSchnittpunkt zwischen dem Globalen und Lokalen zu suchen.5 Eineganz besondere Bedeutung gewinnt die Theologie in der Herausforder-ung zum Aufbau der Gegenmacht einer neuen Verortung inmitten derdestruktiven KraÈ fte der

ªEntraÈ umlichungº in der Weltgesellschaft.6

Ein dritter Grund ® ndet sich in der interkulturellen OÈ kumene. Seit den70er Jahren be® ndet sich die Mehrheit der Christen nicht mehr inEuropa und Nordamerika sondern auf der suÈ dlichen Weltkugel. Imehemals christlichen Norden nimmt die normative Bedeutung deschristlichen Gottesglaubens stetig ab, waÈ hrend sie im fruÈ her sog.Missionsfeld eher zunimmt. Das Christentum ist heute weniger weiû ,und viele betrachten das goÈ tzenglaÈ ubige Europa als eine Missionsauf-gabe der Zukunft. Die Inkulturation des Glaubens in verschiedenefremde Lebenswelten und die daraus entstandenen Synthesen zwischendem Traditionellen, dem Modernen und dem Christlichen haben zurEntwicklung einer theologisch-kulturellen Vielfalt gefuÈ hrt, die heutepositiv zu bewerten ist.

FuÈ r das SelbstverstaÈ ndnis der Theologie des sog. zivilisierten Abend-lands bereitet diese Vielfalt jedoch eine schmerzhafte Erfahrung.Theologie kann im Kontext der interkulturellen Begegnung nicht mehrals Auslegung und VerkuÈ ndigung der Offenbarung zu den objektivis-tischen Bedingungen unser eigenen Kultur betrieben werden, sondernsie muû sich als Erzeuger von Interpretationsweisen, die immerhistorisch und kulturell verschieden vermittelt sind, um die Kommu-nikativitaÈ t sowohl mit den fremden Theologien als auch mit denanderen Religionen bemuÈ hen.

Einen vierten Grund bietet die ethische Herausforderung der Theolo-

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gie. Ein Glaube, der praktisch nicht zur Deutung und zum normativenUmgang der Einzelnen mit den Anderen in den soziokulturellen undoÈ kologischen Umwelten in der Lage ist, verliert an GlaubwuÈ rdigkeit.

Die Frage der PlausibilitaÈ t des christlichen Gottesglaubens kann mankeineswegs laÈ nger aus dem Wahrheitsanspruch des theologischenSystems selbst ableiten. Sozial- und kulturwissenschaftlich aufgeklaÈ rterscheint nur eine funktionale Theologie sinnvoll, die sich der Her-ausforderung der praktischen Anwendung im Kontext der spaÈ tmoder-nen Lebenserfahrung nicht entzieht. Ideologisch darf man diesenAnspruch nicht materialistisch oder konstruktivistisch miû verstehen.Worum es geht ist eigentlich nicht neu, sondern im Tradierungsprozeûdes Glaubens stets aktuell. Ein Gottesglaube, der sich in den Lebens-welten der GlaÈ ubigen nicht auch praktisch mit dem auseinandersetzt,

ªwas als Gott funktioniertº , erscheint wenig sinnvoll.7

FuÈ nftens steht die Theologie schlieû lich vor einer humanoÈ kologischenHerausforderung. Im Zuge der oÈ kologischen Zivilisationskritik desdestruktiven Umgangs der Moderne mit ihren natuÈ rlichen Mitweltenwurde, im Anschluû an den Antikforscher Lynn White, auch eine weitrezipierte Kritik am Christentum ausgefuÈ hrt. Diese besagt, daû dasinstrumentalistische Welt- und Menschenbild fuÈ r die ZerstoÈ rung dernatuÈ rlichen Umwelt verantwortlich sei, und daû die juÈ disch-christlicheAuslegungstradition des biblischen Auftrags, sich die Erde untertan zumachen, fuÈ r diese anthropozentrische Ideologie verantwortlich sei.

Obwohl diese geistesgeschichtliche These von White historisch nichtbelegbar ist und dazumal von der Eigenmacht der patriarchalen undwirtschaftlich-sozialen Strukturen im Kolonialsystem absieht, hat siedoch zu einer kraÈ ftigen Revision des SchoÈ pfungsglaubens der Religio-nen gefuÈ hrt.

HumanoÈ kologisch laÈ û t sich im Zuge der naturphilosophischen undumweltpolitischen Entwicklung dieses Jahrhunderts Theologie bewuû tals Teil des Naturprozesses betreiben. Wenn, wie Georg Picht behaup-tet,8 das menschliche Denken und seine kulturelle Gestaltung alsNaturprozeû zu verstehen ist, gilt dies auch fuÈ r die Theologie. Gottdenken ist dann ± was nur wenige Biologen re¯ ektieren ± Teil desumfassenden Naturprozesses der BiosphaÈ re und muû sich mit seinerIdentitaÈ t und Relevanz in Bezug auf die Organismen, Arten, Land-schaften, OÈ kosysteme und das Weltganze auseinandersetzen. DieTheologie sollte daher vor der diskursiven PruÈ fung ihres Gottesbegriffsim Dialog mit den anderen Weltanschauungen und Religionen nicht¯ iehen. OÈ kologisch plausibel wird sie erst, wenn sie das, woran sieglaubt, auch erfahrbar, darstellbar, vermittelbar und ethisch relevantmachen kann.9

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Im folgenden10 charakterisiere ich zuerst einige GrundzuÈ ge im neuenVerstaÈ ndnis des Wissens, das sich in der SpaÈ tmoderne herausbildet, undfrage nach seiner Bedeutung fuÈ r die Theologie. Dann argumentiere ichdafuÈ r, dieses kontextuelle WissensverstaÈ ndnis in das neue Paradigmader Theologie zu integrieren. Abschlieû end skizziere ich den besonde-ren Beitrag des christlichen Glaubens im Bezug auf den Titel dieserVorlesung. Weil Gott die Leiden seiner GeschoÈ pfe kennt und annimmt,laÈ û t sich Gott auch inmitten ihrer kon¯ iktvollen Lebenswelten alsBefreier erfahren. Die Kernfrage der kontextuellen Theologie imglobalen Spannungsfeld ergibt sich sich damit in der Frage: Wie handeltwelcher Gott an welchem Ort befreiend?

GrundzuÈ ge des Kontextualismus

Das VerstaÈ ndnis der Erkenntnis hat sich radikal veraÈ ndert. Erkennt-nistheorien, die seit der AufklaÈ rung universale WahhrheitsanspruÈ chebehaupten, werden kritisch revidiert. Das Projekt einer universalenTheorie uÈ ber das Wesen der Erkenntnis scheint wenig selbstverstaÈ ndlichund sinnvoll. Historisch kann man die Verwandlung im VerstaÈ ndnis derErkenntnis als Teil des sozialen Modernisierungsprozesses erklaÈ ren, derheute die ganze Welt mit all ihren Natur- und Kultursystemen betrifft.Dieser wiederum ist Teil einer laÈ ngeren Kolonialisierungsgeschichte mitihrem Zentrum in der mitteleuropaÈ ischen Geographie und Denk-weise.11

Trotz aller Beteuerungen vom Ende der Moderne dauert dieModernisierung der Gesellschaftsstruktur, des Naturumgangs und derDenkweise weiter an. In ihrer gegenwaÈ rtigen Phase werden die Kultur-und OÈ kosysteme des Planetens in einem globalen Prozeû in dieHegemonie eines wirtschaftlichen Weltsystems eingeordnet, dessen`Allmacht’ sich auf die Ideologie und Praxis des GeldumgangsgruÈ ndet.12 Die Eigenschaften dieses Weltsystems hat Immanuel Waller-stein analysiert und die theologische Bedeutung der Geldwirtschafthaben v.a. Ulrich Duchrow und John B. Cobb Jr. untersucht.13

Die kritische Revision der Erkenntnistheorie ± die freilich in denNaturwissenschaften kaum zur Kenntnis genommen wird ± deute ich indiesem Zusammenhang als hoffnungsvolles Zeichen. Die Betonung derVielfalt und Differenz im Wissensprozeû traÈ gt zur Korrektur der Einfaltam maÈ chtigen Wirtschaftsglauben bei. Die Kritik der objektivistischenWahrheitsanspruÈ che fuÈ hrt keineswegs zum kulturellen Relativismus,wie viele Kritiker meinen. Sie kann diesen durchaus vermeiden undeinen dritten Weg einschlagen. Der Kontextualismus laÈ û t sich in vierGrundzuÈ gen darstellen.

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Das Subjekt der Erkenntnis

Erstens tritt die Frage nach dem Subjekt der Erkenntnis und seinessozialen Zusammenhangs in den Vordergrund. WaÈ hrend die aÈ lterenAuffassungen seit Descartes von einem statischen und dualistischenMenschenbild ausgingen, interessieren sich die aktuellen AnsaÈ tze fuÈ rdas Wechselspiel zwischen dem Subjekt und dem sozialen undoÈ kologischen Kontext, der auf die Wissensproduktion einwirkt. Dabeigewinnt die Einsicht in das Einmalige dieser Konstellation und dieEinsicht in die Differenzen eine wichtige Bedeutung. Seit Nietzsche ist derperspektivische Charakter des Erkennens wichtig. Seit Heidegger wirddas isolierte Subjekt der Erkenntnistheorie als Dasein und Mitmenschentdeckt. Seit Husserl tritt die Lebenswelt ins Blickfeld und seitWittgenstein schiebt sich die tragende Bedeutung der Konstruktionsprachlicher ZusammenhaÈ nge in den Blick. Im neuen VerstaÈ ndnis desWissens tritt so die Erfahrung und Erkenntnis des Einmaligen, desKontrastierenden und des Perspektivischen in den Vordergrund.

Anwendungen dieser Sichtweise ® nden sich z. B. in der feminis-tischen Forschung, die das Besondere in der Erfahrungsweise derFrauen sowie die Einsicht in die Dialektik zwischen der soziokulturellenGeschlechtskonstruktion und der Selbstauffassung zum Grund neuerErkenntnisperspektiven macht. In den Regionen der Dritten Welt hebenTheologen die Bedeutung der `Dritte-Welt-Erfahrung’ hervor, die sichals Kontrast zur Situation der Menschen im reichen Teil der Welt als eineexistentielle Erfahrung im VerstaÈ ndnis der gesamten WirklichkeitausdruÈ ckt.14 In der Umweltbewegung fuÈ hlen sich Menschen zuRepraÈ sentanten der bedrohten Organismen und Umwelten berufen,die selbst im menschlichen Diskurs keine Stimme haben. In derhumanoÈ kologischen Anthropologie zeigt man die Bedeutung dernatuÈ rlichen Umgebung fuÈ r die Entwicklung symbolischer RepraÈ senta-tionen im Denken und Verhalten auf.

Der soziale Zusammenhang der Erkenntnis

Ein zweiter Grundzug liegt in einer veraÈ nderten Blickrichtung. Die fuÈ rdie AufklaÈ rungsphilosophie leitende Frage nach dem Wesen derErkenntnis hat sich auf die Frage nach dem sozialen Zusammenhangdes Erkennens verschoben. Im neuen VerstaÈ ndnis setzt man nicht mehreine universale menschliche Substanz voraus, deren Vernunft sich stetigin allen Zeiten und an allen Orten gleich bleibt. Vielmehr geht mandavon aus, daû sich die Subjekte des Erkennens aufgrund einer Vielzahlvon Faktoren ihres kulturellen Kontextes konstituieren. Dabei bestim-

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men mehrere Koordinaten wie Geschlecht, Reichtum, Klasse, Tradition,Ausbildungsniveau etc. die Lage im sozialen Wissensraum. Hinzukommt, wie der schwedische Ethnologe Ulf Hannerz gezeigt hat,15 daûdie Menschen im globalisierten Kontext ihre IdentitaÈ ten in Hybridisier-ungen, d. h. in ZugehoÈ rigkeiten zu verschiedenen Begegnungsweltenentfalten.16

Der anthropologische Essentialismus wird so durch eine relationaleSichtweise ersetzt, in der der Mensch sowohl physisch als auch geistigerst im Wechselspiel mit seiner biologischen und kulturellen Umgebungentsteht. Die IdentitaÈ t eines Menschens kann man in diesem Schnittfeld,mit Ina-Maria Greverus, sowohl als Erkennen, Erkanntwerden, Aner-kanntwerden und Mitgestalten verstehen.17

Das Menschenbild und die Erkenntnistheorie werden nun in dieGesellschaftstheorie eingefuÈ gt, und die Erkenntnis wird nicht mehr alseine im Menscheninneren wohnende Eigenschaft sondern als einekommunikative Funktion verstanden.

Die Wissenssoziologie umschreibt seit Peter Berger und ThomasLuckmann diese Funktion im Begriff der sozialen Konstruktion derWirklichkeit und analysiert, wie die sozialen Umfelder auf denInformationsumgang und das Wissen einwirken.18 Die kommunikativeSozialphilosophie verbindet bei JuÈ rgen Habermas die fruÈ her gegensaÈ tz-lichen empirischen und transzendentalen Positionen miteinander undersetzt die Frage nach der Natur der Erkenntnis durch die Frage nachdem sozialen Zusammenhang des Erkennens und nach der RationalitaÈ tder kommunikativen Handlungen.19

Die Methode des Erkennens

Ein dritter Grundzug liegt in der Bedeutung der Methode desErkennens. Paul Tillichs Einsicht, daû

ªmethodischer Imperialismus

ebenso gefaÈ hrlich sei wie politischer Imperialismusº 20 kommt nun vollzum Zuge. Weder die empirische noch die hermeneutische MethodefuÈ hren automatisch zu Einsichten von universaler GuÈ ltigkeit. Keine vonbeiden darf zur Weltanschauuung erhoben werden. Beide bleibenlediglich Instrumente eines sozialen Re¯ exionsprozesses. Die deduktiveund die induktive Methode stehen sich nicht mehr gegensaÈ tzlichgegenuÈ ber. Die Interpretationen von historischem Material unterschei-den sich qualitativ nicht mehr von denen eines aktuellen Materials;beide koÈ nnen mithilfe der Korrelationsmethode miteinander verbundenwerden.21

Eine weitere Einsicht in die Methodik des Erkennens tragen dieKunstwissenschaft und die AÈ sthetik bei, die die textorientierten

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Humanwissenschaften und die verhaltensorientierten Sozialwis-senschaften auf die Bedeutung der Intuition und des Bilddenkensaufmerksam machen.

Eine Theorie der Intuition, wie z. B. bei Sven SandstroÈ m oderFerdinand Fellmann,22 kann zeigen, wie sich das bildliche Denken alsSchaffen von Bedeutungen innerhalb eines Bedeutungsraums vollzieht.Das bildliche Denken steht dem diskursiven Denken nicht gleichwertiggegenuÈ ber, sondern unterscheidet sich qualitativ und strukturell vondiesem. Als Anschaulichkeit stellt das bildliche Denken eine raÈ umlicheKonstellation dar, waÈ hrend das diskursive Denken im linearen Prozeûder Zeit als digitale Konfrontation fortschreitet. Die raÈ umliche Sinnbil-dung und der intuitive GedaÈ chtnisstoff bilden so eine notwendigeVoraussetzung der Verbalsprache, da diese selbst ja nichts als ZeichenenthaÈ lt, die auf etwas anderes, raÈ umlich Konstituiertes hinweisen.

Das sprachliche Denken erscheint in diesem Zusammenhang eher alseine Vollendung des bildlichen Denkens und man darf beide keines-wegs gegen- oder nebeneinander stellen. FuÈ r den Wissensprozeûbedeutet dies, daû die in der modernen Philosophie so wichtigesprachliche Konstruktion fuÈ r unsere Erfahrung und Erkenntnis immerauch eine tiefere Schicht der bildhaften Erfahrungen, inneren raÈ umli-chen SchoÈ pfungen und Intuitionen voraussetzt. Ohne die Produktionder inneren Sinnbilder waÈ re die sprachliche Deutung und Kommunika-tion und damit unser Erkennen garnicht moÈ glich. FuÈ r die TheologiemuÈ sste diese Einsicht eigentlich zu einer Gleichwertigkeit der Bild- undWorttheologie fuÈ hren. Bilder, bildende und raumschaffende Gestaltun-gen sollten in diesem Zusammenhang als theologisches Quellenmaterialkonsequent und umfassend aufgewertet werden.23

Problemorientiertes Wissen

Ein vierter Grundzug betrifft die Auswahl der Probleme fuÈ r wis-senschaftliche Arbeit. Im kontextuellen VerstaÈ ndnis verzichtet dieForschungselite auf ihr Privilegium der Auswahl der Probleme. DasFormulieren der Frage, welches Problem geloÈ st werden soll, wirdstattdessen oÈ ffentlich. Das Problem einer wissenschaftlichen Arbeitmuû immer auch ein Problem fuÈ r andere sein. Mit einem Zitat desasiatischen Theologen Kosuke Koyama (MalmoÈ 1994): Viel zu vieleakademische Theologen antworten auf Fragen, die niemand gestellthat.24

Jeder Forschungsprozeû ± auch im Rahmen der akademischenAusbildung ± sollte daher mit einer Argumentation fuÈ r die soziale

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PlausibilitaÈ t des Problems beginnen; fuÈ r wen besteht das Problem? Waskann eine LoÈ sung fuÈ r die vom Problem Betroffenen bedeuten?

In der aktuellen Wissenschaftstheorie kann man diese Absicht in derneuen Unterscheidung zwischen Wissen und Weisheit ausdruÈ cken.Sozial- und naturwissenschaftlich kann man zielstrebig Probleme loÈ sen.Weisheitlich muû man sich jedoch um eine Beurteilung dessenbemuÈ hen, was in Bezug auf die Werte des Lebens auch sinnvoll ist.25

So wie Handeln und Wissen praktisch und theoretisch zusammenge-hoÈ ren26 sollte man auch Wissen und Weisheit als zwei untrennbareSeiten der Erkenntnis zusammendenken.

Dabei wird erstens deutlich, daû die Auswahl eines akademischenProblems im Bezug auf die Betroffenen argumentativ begruÈ ndet werdenmuû . Zweitens wird deutlich, daû die gegenwaÈ rtig herrschendeRationalitaÈ t, die eng an den Wissenschaftsglauben grenzt, notwendigund dringend dessen bedarf, was wir mit Begriffen wie Weisheit,Metaphysik, Werten, Lebensanschauungen, Religion umschreiben.27

Kontextuelle Theologie ± ein neues Paradigma?

Bietet der hier dargestellte Kontextualismus der Theologie ein neuesParadigma an? Sollte jede Theologie kontextuell sein?

Bei Thomas Kuhn bezeichnet das Wort `Paradigma’ zwei Bedeutun-gen:28

a) die soziologische Bedeutung der ganzenªKonstellation von Meinun-

gen, Werten, Methoden usw., die von den Mitgliedern einergegebenen Gemeinschaft geteilt werdenº , und

b) die philosophische Bedeutung, d. h. in der Bezeichnung derªkonk-

reten ProblemloÈ sungen, die als Vorbilder oder Beispiele gebraucht,explizite Regeln als Basis fuÈ r die LoÈ sung der uÈ brigen Probleme dernormalen Wissenschaft ersetzen koÈ nnen.º

Im soziologischen Sinn stellen z. B. die Befreiungstheologie und diefeministische Theologie durchaus ein neues Paradigma dar. Inwieweithingegen im philosophischen Sinn die konkreten ProblemloÈ sungeninnerhalb der Konstellation des Paradigmas die fruÈ her expliziten Regelnersetzen, steht noch zur Diskussion.

Den Begriff der kontextuellen Theologie de® niere ich nicht explizitbefreiungstheologisch, sondern wende ihn in zwei Bedeutungen an.Zum ersten bezeichnet `kontextuelle Theologie’ eine theologischeMethode. Diese Methode betont im Anschluû an den Kontextualismusdie Bedeutung der Situation und des sozialen Zusammenhangs fuÈ r die

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Entstehung und Deutung der Glaubenserfahrungen. Zum zweitenbezeichnet `kontextuelle Theologie’ eine Gruppe von theologischenAnsaÈ tzen, die sich dem Besonderen der Erfahrungen bestimmterGruppen widmen. In diesem Sinne bilden die Befreiungstheologie, dieoÈ kologische und die feministische Theologie und auch Teile deroÈ kumenischen Theologie Teilbereiche der kontextuellen Theologie.Gemeinsam fuÈ r alle ist das Kriterium des Bewuû tseins der Bedeutungdes Kontextes fuÈ r die christliche Lebensinterpretation.29

Welche GruÈ nde sprechen nun dafuÈ r, die kontextuelle Theologie alsein neues Paradigma der Theologie zu entwickeln?

Erstens fuÈ hrt die kontextuelle Erkenntnisweise die Theologie aus dempostmodernen Dilemma der WiderspruÈ chlichkeit zwischen der objekti-vistischen und relativistischen Perspektive heraus. Die kontextuelle

Theologie kann die dekonstruierende Methode benutzen, mithilfe dererman partikulare Sichtweisen kritisiert, die begrenzte Perspektivennormativ universalisieren. Durch ihre Betonung der lokalen besonderenEigenschaften des Kontextes entsteht eine notwendige Voraussetzungzum GespraÈ ch mit Vertretern anderer lokaler Sichtweisen, die imUniversalismus verschleiert werden.30

Damit kann sie sowohl den negativen Tendenzen der Ethni® zierungin geschlossene Stammgemeinschaften als auch dem sog. Primitivismusentgegenwirken, d. h. der Erhebung einer praÈ modernen Periode zumkulturellen Ideal, sei es das Matriarchat, die Urkirche oder derNaturzustand.

Zweitens kann eine kontextuelle Theologie eine enge Verbindung mitdem klassischen Paradigma der Theologie eingehen, in dem man dietheologische RationalitaÈ t, die Weisheit und die praktische Handlungs-

kraft eng zusammenhielt. Die kontextuelle Theologie ist damit, wie auchdie Befreiungstheologie, trotz ihrer Lehrverurteilungen in Rom, keines-wegs eine Verzerrung der Glaubenslehre ins Moderne, sondernvielmehr eine Erbin des klassischen Paradigmas der Theologie, mitder sie zusammen eine Klammer um das rationalistisch-ethnozentrischeParadigma der Neuzeit schlaÈ gt. Kontextuelle Theologie beschraÈ nkt sichdemzufolge keineswegs auf die Probleme der Gegenwart, sondernwidmet sich ebenso der Erforschung und Neuinterpretation derGeschichte der Theologie und ihrer vielfaÈ ltigen Ausdrucksweisen.

Drittens raÈ umt die kontextuelle Theologie den Produzenten derTheologie von unten eine wichtige Funktion ein. Damit erweitert undvertieft sie die Wirklichkeitsverankerung der Glaubenserfahrungen underhoÈ ht die re¯ exiven Voraussetzungen. Der akademischen Theologieentstehen damit neue differenzierte Relationen zu den verschiedenen

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SphaÈ ren, in denen sich SpiritualitaÈ ten und Lebensinterpretationenentfalten.

Welche GespraÈ chspartner waÈ hlen die Akteure der akademischensystematischen Theologie? MaÈ nner oder Frauen? Reiche oder Arme?Gelehrte oder VolksfroÈ mmige? Klassiker oder Kollegen? Kirche, Aka-demie oder Gesellschaft? Institutionen im Nationalstaat oder in derMarktwirtschaft, oder soziale Bewegungen?

Die Befreiungstheologie argumentiert dafuÈ r, den Armen auch imtheoretischen Diskurs einen Vorrang einzuraÈ umen. Die feministischeTheologie will den Frauen in den Situationen der geschlechtlichenUngerechtigkeit den Vorrang einraÈ umen. In der oÈ kologischen Theologieargumentiert man fuÈ r den Vorrang der unterdruÈ ckten Naturen. Mithilfeeines Begriffs, der aus Paulo Freies PaÈ dagogik stammt, fasse ich all dieseGruppen als

ªdie zum Schweigen Gebrachtenº zusammen.31

Was ist hier mit `Vorrang’ gemeint? Kritiker haben den Be-freiungstheologen vorgeworfen, sie machten die soziale Ungerechtigkeitund den Kon¯ ikt zur grundlegenden Bedingung des Glaubens, der docheher vom Guten und Ganzen der SchoÈ pfung und vom HeilswillenGottes fuÈ r alle ausgehen solle, und daher alle gleich als GottesEbenbilder behandeln muÈ sse. Andere haben behauptet, die Theologenseien der marxistischen Klassenkamp¯ ehre verfallen und wuÈ rden denGlauben zur politischen Ideologie reduzieren. Innerhalb des feminis-tischen und sozial engagierten Lagers hat man kritisiert, die Konzepteder Armen und der weiblichen Erfahrung seien an sich zu allgemeinund muÈ ssten sozial differenzierter und erkenntnistheoretisch selbstkri-tischer ausgefuÈ hrt werden.32 Der kroatisch-amerikanische TheologeMiroslav Volf kritisiert am theologischen Schema der UnterdruÈ ckungund Befreiung dessen einseitige und problematische Gesellschaftsuto-pie, die er durch eine umfassende Vision des Gottesreiches der Liebeund eine Theologie der VersoÈ hnung und Umarmung erweiternmoÈ chte.33

Mit `Vorrang’ ist zunaÈ chst einmal nicht gemeint, die Armen wuÈ rdengroÈ ssere Wahrheitseinsichten besitzen und daher den Vorrang verdie-nen. Dabei wird haÈ u® g die Erkenntnis- mit der Wahrheitstheorieverwechselt.34 Die These, daû jemand einen erkenntnistheoretischenVorrang hat, besagt noch nicht, daû damit auch ein Vorrang zurWahrheitseinsicht im Ganzen besteht. Vielmehr besagt die These, daûdie Armen aufgrund ihrer Situation uÈ ber eine qualitativ besonderePerspektive verfuÈ gen, die andere nicht teilen. Der theologische Diskursberaubt sich dieser Voraussetzungen, wenn er diese Perspektiven vonunten nicht miteinbezieht. `Vorrang’ bedeutet zunaÈ chst einmal `Zutritt’zu den Interpretationsprivilegien der Theologen uÈ berhaupt. Zum

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zweiten bedeutet er das Recht zu sprechen, angehoÈ rt, anerkannt undbeteiligt zu werden.

Das Ziel der These vom Vorrang der Armen besteht also in derAusweitung des theologischen Diskurses, so daû mehrere und v. a. diebesonders quali® zierten Erfahrungen zur Sprache kommen. Die Per-spektivenvielfalt eines solchen Diskurses fuÈ hrt keineswegs zum Rela-tivismus oder Nihilismus, auch wenn sie die universalisierendenAnspruÈ che korrigiert. Die alten Machtstrukturen der Privilegien-Theo-logie werden radikal infragegestellt. Die Grundannahme dieser Haltunglautet, daû die PluralitaÈ t eines gemeinsamen Diskurses seine Form undseinen Inhalt qualitativ erweitern, und damit seine VoraussetzungenstaÈ rken, einen Konsensus zu ® nden und diesen dann auch zuuniversalisieren.

Ein vierter Grund ist die MoÈ glichkeit der Anwendung des kontex-tuellen Paradigmas in allen Disziplinen der Theologie und Religions-wissenschaft. Im interdisziplinaÈ ren Bereich erhoÈ hen sich mit diesemParadigma auch die VerstaÈ ndigungsmoÈ glichkeiten mit anderen sozial-und kulturwissenschaftlichen GespraÈ chspartnern.

FuÈ nftens schlieû lich erweitert die Theologie, die den Armen in derGesellschaft und Natur einen Vorrang einraÈ umt, ihre Voraussetzungenzur Erkenntnis der Vielfalt der Wirklichkeit, und auch zur Vielseitigkeitder Kon¯ ikte und ihrer LoÈ sungen. In ihrer Kritik der Modernisierungs-prozesse und in ihrer Vision einer anderen von Gott befreiten SchoÈ pfungwird die Theologie damit selbst zur gesellschaftlichen und evangelisier-enden Kraft.

Gottes Liebe zu den Armen

Bislang habe ich vorrangig wissenssoziologisch und globalisier-ungstheoretisch fuÈ r das Paradigma der kontextuellen Theologie argu-mentiert. Abschlieû end moÈ chte ich die theologische BegruÈ ndungausfuÈ hren. Dabei gehe ich von den zwei grundlegenden Elementen imChristentum, dem Glauben an die Inkarnation und an die SchoÈ pfungaus, und praÈ zisiere die Vorstellung vom christlichen Gott mithilfe derbiblischen Darstellung des Gottes, der die Leiden seiner GeschoÈ pfekennt und das Leiden aus Liebe zu ihnen annimmt.

Theologisch liegt der tiefste Grund fuÈ r eine Kontextualisierung imMysterium der Inkarnation. Das Kennzeichen des Christentums unterden Religionen ist der Glaube an die Menschwerdung Gottes inChristus. Gott ist nicht nur ª das UnverfuÈ gbareº der Welt, wie esFriedrich Kambartel in seiner De® nition der Religion als

ªKultur des

Verhaltens zum UnverfuÈ gbarenº umschreibt,35 sondern der UnverfuÈ g-

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bare hat sich selbst in Christus zur VerfuÈ gung gestellt. Die OffenbarungGottes ist damit an einen besonderen Zeitraum, einen besonderen Ortund auch an ein Geschlecht und eine ± die juÈ dische ± Glaubensweisegebunden. Der universale SchoÈ pfergott ist selbst partikular geworden.

Der christliche Glaube, der seine Tradition bewahren will, muss auchdiese Besonderheit des Partikularen bewahren. Im spaÈ tantiken Kontextdiente die Zwei-Naturen-Lehre und spaÈ ter die Lehre der theandrischenCommunicatio idiomatum dieser Absicht. Nach der biblisch bezeugtengeschichtlichen und irdischen Offenbarung kann man den christlichenGott nicht laÈ nger ausschlieû lich als etwas UÈ bernatuÈ rliches, Ausserir-disches und UÈ berzeitliches deuten. Das christliche Gottesbild laÈ û t sichnicht zur Metaphysik reduzieren. Glaube kann nicht im UÈ berzeugtseinvon der Wahrheit eines metaphysischen Gegenstandes bestehen, der imGottesbegriff bezeichnet wird, sondern vielmehr als Erfahrung desGoÈ ttlichen im Weltlichen.36 Der kognitive Aspekt des Glaubens wirddem existentiellen Aspekt nicht uÈ ber- sondern beigeordnet.

Im Paradigma der kontextuellen Theologie bleibt das Mysterium derInkarnation des Sohnes und der Einwohnung des Geistes an verschie-denen Orten und in verschiedenen Erscheinungsformen des Irdischenim Zentrum der Theologie. Insofern be® ndet sich die kontextuelleTheologie durchaus im Einklang mit dem klassischen und biblischenParadigma der Deutung christlicher Lebenserfahrungen.

Der zweite theologische Grund fuÈ r die kontextuelle Sichtweise istschoÈ pfungstheologisch. Da man im Glauben die ganze Welt als von Gottgeschaffen und erhalten betrachtet, besteht eigentlich kein Gegensatzzwischen dem GoÈ ttlichen und dem Weltlichen. Dabei braucht man dieGottesvorstellung keineswegs pantheistisch in die NaturauffassungaufzuloÈ sen, wie dies etwa in einigen AnsaÈ tzen des OÈ kospiritualismusgeschieht. Die SchoÈ pfung ist im Einklang mit der christlichen Traditionals Mitarbeiterin Gottes in der ErloÈ sungsgeschichte zu verstehen. DieSchoÈ pfung hat man traditionell als theologisches Zeichensystem oder alskommunikativen Kosmos verstanden. Neben dem Buch der Bibel standseit Augustin gleichberechtigt das Buch der Natur.

Wenn GlaÈ ubige die Welt als SchoÈ pfung betrachten, wirft dies auchklares Licht auf das Inkarnationsmysterium. Der wahre Gott kommt alswahrer Mensch in seiner eigenen SchoÈ pfung zur Gestalt. Die Forderung,daû die Theologie nach vielfaÈ ltigen Ausdrucksweisen des handelndenGottes in der Welt der biologischen und kulturellen Vielfalt suchenmuÈ sse, erscheint in diesem Zusammenhang als aÈ usserst traditionell.

Als Grund des Inkarnationsmysteriums berichten die Texte sowohlder hebraÈ ischen als auch der christlichen Bibel haÈ u® g von der Erfahrungdes Gottes, der die Leiden seiner GeschoÈ pfe kennt.

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Leiden, darum bin ich herniedergestiegenº , sagt Gott von sich selbst imBuch Exodus (3,14). Bibelwissenschaftler haben dargelegt, wie der roteFaden der juÈ disch-christlichen Gottesvorstellung sich um die Erfahrungder Ungerechtigkeit in Bezug des Volkes auf die umgebenden Wel-treiche schlingt.37 Die Erfahrung der juÈ dischen Gemeinschaft, die vonder christlichen weiter tradiert wird, bezeichnen Norbert und GerhardLoh® nk als Erfahrung der

ªKontrastgesellschaftº .38

Im Kontrast zu den umgebenden Weltreichen der AÈ gypter, Assyrer,Babylonier, Perser, Griechen und RoÈ mer machen die GlaÈ ubigen in derGeschichte Israels die Erfahrungen, daû ihr Gott sich ihnen im Wissenum die ungerecht verschuldeten Leiden naÈ hert und sie als SchwacheschuÈ tzt und staÈ rkt. Erst nach der Politisierung des Christentums durchTheodosius wird diese Tradition am Ende des vierten Jahrhundertsgebrochen, tritt jedoch staÈ ndig weiter als kritischer Unter- undGegenstrom der Groû kirchen zutage. Im Zusammenhang der gegen-waÈ rtigen Herausforderung durch die Globalisierung entwickeln sich fuÈ rdie Theologie erhebliche Bedeutungspotentiale in der Erinnerung diesergeschichtlich tragenden KontinuitaÈ t der juÈ disch-christlichen Glaubens-gemeinschaft.

In seinem Rapport zur Globalisierung hebt der GeneralsekretaÈ r desWeltrats der Kirchen Konrad Raiser die Herausforderung an dieOÈ kumene hervor und erinnert an die fruÈ he christliche Geschichte der

ªGegenkultur, die auf inklusiven Gemeinschaften und der SolidaritaÈ t

mit den Armen und den Opfern der vom Kaiser verordnetenGlobalisierung beruhte.º 39

Der Gott der Juden und Christen bleibt in diesem Sinne nicht nur einuniversaler SchoÈ pfergott, dem man durch Rituale dient. Gott offenbartsich als Gott der Liebe zu seinen GeschoÈ pfen, und dies wird, mit denWorten Jon Sobrinos, deutlich als ª GoÈ ttlichkeit des Kampfes um dasLeben der Armenº .40

Im Neuen Testament macht Jesus das Wissen Gottes, das fuÈ r denbefreienden Auszug des juÈ dischen Volkes aus der Sklaverei grundle-gend war, zur notwendigen Bedingung der Erkenntnis Gottes und derTeilnahme an der Befreiung uÈ berhaupt. Im schwierigen Text zumdoppelten Ausgang beim Weltgericht am Ende der Zeiten, der in derSchrift und Tradition immer wieder durch die Lehre von der Wieder-herstellung alles Geschaffenen balanciert worden ist, wird die Erkennt-nis des in und mit seinen GeschoÈ pfen leidenden Gottes zur Bedingungdes ewigen Lebens uÈ berhaupt.

ª Herr, wann sahen wir dichº , ª hungrigº , ª durstigº , ª als Fremdenº ,

ªnacktº ,

ªkrankº oder

ªim GefaÈ ngnisº ? antworten die Verblendeten, die

Ihren Glauben nur an der Herrlichkeit nicht jedoch am Leiden Gottes

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orientierten. Diejenigen, die sich und ihren Gottesglauben am sichtbarenLeiden des Mitmenschen, und man darf hinzufuÈ gen, auch am sicht-baren Leiden der GeschoÈ pfe der Mitwelt orientieren, erfuÈ llen dasentscheidende Kriterium der Relevanz des christlichen Glaubens:

ªWiefern ihr es einem dieser meiner geringsten BruÈ der getan habt, habt

ihr es mir getan.º (Matth. 25, 40)41

Bezieht man diese beiden Texte aus dem MatthaÈ usevangelium unddem Buch Exodus aufeinander, laÈ û t sich eine gegenseitig umgekehrteVerhaÈ ltnismaÈ ssigkeit feststellen. Gott kannte das Leiden seines Volks,belieû es nicht beim Wahrnehmen, sondern stieg freiwillig herab. ImEvangelium fordert Gott in Jesus dann von allen VoÈ lkern umgekehrt,daû sie es in Bezug auf den Mitmenschen, in dessen Leid sich Gott selbstverbirgt, genauso tun sollen. Wer nicht das Leiden seiner MitgeschoÈ pfeteilt, erkennt weder den SchoÈ pfer noch den Weg der Befreiung.MatthaÈ us radikalisiert den Bericht des leidenden Gottes der hebraÈ ischenBibel zum ethischen und theologisch-erkenntnistheoretischen Gebot. Inder Heilslehre der Ostkirche heiû t es seit Athanasius, Gott sei Menschgeworden, damit der Mensch Gott werde. Im Zusammenhang unseresTexts bedeutet dies: Gott ist Mensch geworden und hat die Leiden derGeschoÈ pfe angenommen, damit diese ebenso Gott werden und damit sieebenso wie Christus die Leiden ihrer MitgeschoÈ pfe annehmen.

In der Theologie der Alten Kirche war das Wissen um dieseDimension der IdentitaÈ t des Glaubens so stark, daû man einenbesonderen Begriff erfand, ® loptwcia, die Liebe zu den Armen. Ander Liebe zu den Armen lieû sich messen, wie groû die Gottes- und dieSelbst- und NaÈ chstenliebe war.42 Die Liebe zu den Armen war, fuÈ r u. a.Gregor von Nazianz, der PruÈ fstein der Liebe zu Gott, weil der SchoÈ pferaus Liebe zu seinen GeschoÈ pfen selbst deren leidende Gestalt annahmund sie so befreite. Diese Vision der VersoÈ hnung betrifft nicht nur dieGlaÈ ubigen und Bekehrten, sondern alle Menschen und in der Traditiondes SchoÈ pfungsglaubens insgesamt den ganzen Kosmos.

In einer ziellosen Weltgesellschaft, die zwar die Globalisierungmethodisch souveraÈ n aber inhaltlich ohne Zukunftswerte vorantreibt,ist diese Vision der befreienden Bewegung Gottes auf eine Welt derVersoÈ hnung aller Lebenden hin ein wichtiges und unumgaÈ nglichesMoment der aktuellen Glaubensinterpretation.

Im Zusammenhang der neuen Sichtweise des Erkennens kann diekontextuelle Theologie von dieser Vision her eine wichtige Dimensionzu den Diskursen uÈ ber die aktuellen Herausforderungen der Weltge-sellschaft beitragen. Mithilfe des Kriteriums des dreieinigen Gottes, derdie Leiden seiner GeschoÈ pfe kennt, sie selbst im Sohn weiter koÈ rperlichwahrnimmt und im Geist mitleidet, und zu den verschiedenen Orten

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herabsteigt, an denen Menschen und andere Naturen um ihr Recht aufLeben kaÈ mpfen, entsteht der Theologie ein Instrument, mit dem esmoÈ glich wird, sowohl den Gottes- und SchoÈ pfungsbegriff ihrer Tradi-tion einheitlich weiter zu universalisieren als auch diesen in ganzverschiedenen kulturellen Situationen und RaÈ umen konkret undpartikular glaubwuÈ rdig zu machen. In den Situationen, in denen jemanddie NaÈ he eines anderen, der sein Leid solidarisch teilt, wahrnimmt,geschieht Gottesoffenbarung und -erfahrung.

Ganz protestantisch mit einem Lutherzitat gesagt: Die Aufgabe derTheologie ist es,

ªdas, was von Gottes Wesen sichtbar und der Welt

zugewandt ist, als in Leiden und Kreuz sichtbar gemachtº 43 zubegreifen. Damit werden die Orte, an denen sich Gott sichtbar in derWelt in Leiden und Kreuz zeigt, zum Sitz im Leben der akademischen,pastoralen und paÈ dagogischen Re¯ exion. An diesen Orten des Herab-steigens Gottes traÈ gt sie zur interkulturellen, interreligioÈ sen undoÈ kologischen Vision einer lebensbejahenden Weltgesellschaft mit derPerspektive der Liebe zu den Armen und der befreienden VersoÈ hnungvon Opfern und TaÈ tern bei.

Sigurd BergmannReligionsvitenskapelig instituttvid Norges teknisk-naturvitenskapeligeuniversitetN-7491 TrondheimNorway

Notes

1. RepraÈ sentativ und uÈ bersichtlich wurde diese Herausforderung von Hans KuÈ ng undDavid Tracy im TuÈ binger Symposium 1983 ª Ein neues Paradigma von Theologie?º

angenommen. Hans KuÈ ng/David Tracy (Hg.), Das neue Paradigma von Theologie,ZuÈ rich/GuÈ tersloh 1986.

2. Rorty, 16, dekonstruiert uÈ berzeugend die Vorstellung ª das Erkennen sei ein akkuratesDarstellenº und kritisiert, 182, die Konstruktion der ª Idee der Erkenntnistheorieº

uÈ berhaupt als problematisches Denken uÈ ber privilegierte Ansammlungen vonDarstellungen im Spiegel der Natur. Richard Rorty, Der Spiegel der Natur: Eine Kritik

der Philosophie, 2. Aufl. Frankfurt/M. 1992, (Philosophy and the Mirror of Nature, 1979).Evelyn Fox Keller, Liebe, Macht und Erkenntnis: MaÈ nnliche oder weibliche Wissenschaft?

MuÈ nchen/Wien 1986, (Reflections on Gender and Science, 1985). Vgl. auch FoucaultsKritik, 14f., am ª Wille zur Wahrheitº als diskursives Machtinstrument der

Ausgrenzung. Michel Foucault, Diskursens ordning: InstallationsfoÈ relaÈ sning vid ColleÁ gede France den 2. december 1970, Stockholm/Stehag 1993, (L’ordre du discours, 1971). Zu

Rorty s. Richard J. Bernstein, Bortom objektivism och relativism: Vetenskap, hermeneutik ochpraxis, GoÈ teborg 1987, (Beyond Objectivism and Relativism, 1983), 265± 277.

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3. Zygmunt Bauman, Postmodern Ethics, Oxford 1993; Auschwitz och det moderna samhaÈ llet,

GoÈ teborg 1994, (Modernity and the Holocaust, 1989). David Harvey, Justice, Nature & the

Geography of Difference, Oxford 1996.4. Richard Robertson, Globalization: Social Theory and Global Culture, London 1992. Zur

Globalisierungstheorie s. Mike Featherstone, Global Culture, London 1990; Jonathan

Friedman, Cultural Identity and Global Process, London 1994; Ulrich Beck (Hg.), Politik

der Globalisierung, Frankfurt/M. 1998. Vgl. Anthony Giddens, The Consequences of

Modernity, 3. Aufl. Cambridge 1992, (Stanford 1990); Ulrich Beck, Die Erfindung des

Politischen: Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, Frankfurt/M. 1993.5. AusfuÈ hrlich wird diese Aufgabe behandelt in: Robert J. Schreiter, Die neue KatholizitaÈ t:

Globalisierung und die Theologie, (Theologie Interkulturell 6), Frankfurt/M. 1997, (The

New Catholicity, Maryknoll 1997).

6. Zur gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Debatte um die Perspektiven der

ª Weltgesellschaftº s. Ulrich Beck (Hg.), Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt/M.

1998. Zur bedeutungsvollen These der ª EntraÈ umlichungº ± die an Giddens’

Entkontextualisierungsthese anschlieû t ± und die gleichzeitige Heranbildung neuer

ª Ethnoscapesº s. Arjun Appadurai (Globale ethnische RaÈ ume, in: Beck, op. cit., 11± 40.),

der freilich den GegenstroÈ men der Aufwertung der historischen und geographischenPlatzbindungen keinerlei Aufmerksamkeit schenkt, die sich im Prozeû einer neuen

Verortung vollziehen, die hingegen Andrew Kirby (Wider die Ortlosigkeit, in: Beck, op.

cit., 168± 175) in seinem PlaÈ doyerªWider die Ortlosigkeitº verdienstvoll hervorhebt.

7. Vgl. meinen Buchtitel ª Gott in Funktionº , op. cit. Fn. 10. Moltmann faû t dies in der

Forderung nach der ª IdentitaÈ t und Relevanzº der Theologie zusammen. JuÈ rgenMoltmann, Der gekreuzigte Gott: Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher

Theologie, MuÈ nchen 1972, Kapitel I.

8. Georg Picht, Der Begriff der Natur und seine Geschichte, Stuttgart 1989, 12.

9. Diese Ausgangspunkt ist grundlegend fuÈ r die von Boff und Bergmann seit 1995

profilierte oÈ kologische Befreiungstheologie. Leonardo Boff, Unser Haus, die Erde: Den

Schrei der UnterdruÈ ckten hoÈ ren, DuÈ sseldorf 1996 (1995). S. Bergmann, Geist, der Naturbefreit: Die trinitarische Kosmologie Gregors von Nazianz im Horizont einer oÈ kologischen

Theologie der Befreiung, Mainz 1995 (in russischer UÈ bersetzung: Archangelsk 1999). S.

Bergmann, Geist, der lebendig macht: Lavierungen zur oÈ kologischen Befreiungstheologie,

Frankfurt/M. 1997.10. Die UÈ berlegungen knuÈ pfen an Kap. IV. meines Buchs Gud i funktion: En orientering i den

kontextuella teologin, Stockholm 1997, an (erscheint auf englisch unter dem Titel God in

Context: A Survey of Contextual Theology, Aldershot 2001).

11. Die Globalisierungstheoretiker diskutieren, inwiefern man das PhaÈ nomen der

weltumfassenden kulturellen Beeinflussung schon in der Bronzezeit, wie Friedmanmeint, oder erst in der Renaissance oder erst seit dem Fall des bipolaren Weltsystems

ab 1989 beobachten kann.

12. In seiner kultursoziologischen Deutung des Geldes und der ª Eigengesetzlichkeitº des

Finanzsystems sprach Simmel, 483, schon 1900 von der ª Charakterlosigkeit des

Geldesº und der daraus folgenden Verdinglichung des Menschen. Georg Simmel,Philosophie des Geldes, Berlin 7. Aufl. 1977 (1900). Den Zusammenhang zwischen der

Kunst und dem Streben des kapitalistischen Unternehmens diskutiert Theodor W.

Adorno, 467f., in: AÈ sthetische Theorie, Frankfurt/M., 13. Aufl. 1995 (1970). Zur

geschichtlichen Entwicklung der Geldordnung in Bezug auf die Eigendynamik der

Geldakkumulation vom Merkantilismus zum aktuellen Weltkapitalismus s. UlrichDuchrow Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft: Biblische Erinnerung und

politische AnsaÈ tze zur UÈ berwindung einer lebensbedrohenden OÈ konomie, GuÈ tersloh 1994,

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13. Immanuel Wallerstein, Das moderne Weltsystem: Kapitalistische Landwirtschaft und die

Entstehung der europaÈ ischen Weltwirtschaft im 16. Jahrhundert, Frankfurt 1986. UlrichDuchrow, op. cit. Fn. 12. Herman E. Daly/John B. Cobb Jr., For the Common Good:

Redirecting the Economy toward Community, the Environment, and a Sustainable Future, 2.

erw. Aufl. Boston, 1994.

14. Zum theoretisch bedeutungsvollen Begriff der ª Kontrasterfahrungº und seiner

Ausarbeitung durch E. Schillebeeckx s. Bo Claesson.

15. Ulf Hannerz, Transnational Connections: Culture, People, Places, London/New York 1996.16. Zum PhaÈ nomen der Hybridisierung und ihrer Vorgeschichte in der modernen

kuÈ nstlerischen Bilderfindung der Collage und Montage bei Kurt Schwitters und Max

Ernst vgl. S. Bergmann, ª Ich bin hier mit ihnen, und dortº ± Eine Verflechtung der samischen

Bildwelt Ulrika Tapios mit der Reflexion der Ritualisierung, Hybridisierung und interkulture-llen Kunsttheologie, in: Thomas SchreijaÈ ck (Hg.), Menschwerden im Kulturwandel: Kontexte

kultureller IdentitaÈ t als Wegmarken interkultureller Kompetenz/Initiationen und ihre

Inkulturationsprozesse, Luzern 1999, 474± 512, 499± 502.

17. Ina-Maria Greverus, Die Anderen und Ich: Vom Sich Erkennen, Erkannt- und

Anerkanntwerden, Darmstadt 1995, 1. Auch die Bedeutung des Dialogs fuÈ r dieVerortung und kulturelle Beheimatung des Menschen und die QualitaÈ t der

InterkulturalitaÈ t, die Greverus, 46ff., betont, sind wichtig. Ina-Maria Greverus,

Menschsein ist kulturelle Kompetenz, in: SchreijaÈ ck (Hg.), op. cit. Fn. 16, 41± 60. Nach

der Kritik sowohl des simplen kulturellen Monismus als auch des reduktionistisch

gebauten Multikulturalismus, der einfach kulturelle UniformitaÈ t durch unvermitteltePluralitaÈ t ersetzen will, ist allerdings das Konzept der TranskulturalitaÈ t vorzuziehen.

Dazu mehr in: S. Bergmann, Transculturality and Tradition ± Renewing the Continuous in

Late Modernity, (Contribution at the Conference ª 2000 Years of Christian Culture and

Ethnoses of the Barents Regionº , Pomor State University 20.-24.9.2000 Arkhangelsk,

Russia, erscheint 2001).

18. Peter L. Berger/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit:Eine Theorie der Wissenssoziologie, 5. Aufl. Frankfurt/M. 1977, (The Social Construction of

Reality, 1966).

19. JuÈ rgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1: HandlungsrationalitaÈ t

und gesellschaftliche Rationalisierung, Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft,Frankfurt/M. 4. Aufl. 1988, (1981). Leider bleibt die kommunikative Gesellschaftsthe-

orie bei Habermas oÈ kologisch voÈ llig unaufgeklaÈ rt.

20. Paul Tillich, Systematische Theologie Band I, 2. Aufl. Stuttgart 1956, 73.

21. Zur Methode der Korrelation s. S. Bergmann, Geist, der Natur befreit, op. cit. Fn. 9,

Kapitel VI.1.22. Sven SandstroÈ m, Intuition och aÊ skaÊ dlighet, Stockholm 1995. Vgl. S. Bergmann, Geist, der

Natur befreit, op. cit. Fn. 9, 338. Ferdinand Fellmann, PhaÈ nomenologie als aÈ sthetische

Theorie, Freiburg, 1989.

23. Zur kontextuellen Bild- und Kunsttheologie und zur AÈ sthetik der Befreiung s.

ausfuÈ hrlicher meine BeitraÈ ge in: S. Bergmann (1997), op. cit. Fn. 10, Kapitel VI. ª Kunstund Kontextº ; Das Fremde wahrnehmen: Die oÈ ko- und ethnologische Herausforderung der

Bildkunst und Theologie, in: Wolfgang Erich MuÈ ller/JuÈ rgen Heumann (Hg.), Kunst-

Positionen: Kunst als gegenwaÈ rtiges Thema evangelischer und katholischer Theologie, Stuttgart

1998, 96± 120; ª Ich bin hier mit ihnen, und dortº ¼ , op. cit. Fn. 16; sowie die Monographie

I begynnelsen aÈ r bilden: en liten bild-konst-kultur-teologi, [Im Anfang ist das Bild: KleineBild-Kunst-Kultur-Theologie], erscheint Stockholm 2001.

24. ¼ und nach einer langen Pause setzte Koyama den Satz fort: ª ¼ und Gottes

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Gerichtsspruch uÈ ber sie wird hart sein.º (bei einem unveroÈ ffentlichten Vortrag in der

Missionskirche, Stadionkyrkan, in MalmoÈ im Herbst 1994).25. Vgl. Nicholas Maxwell, What Kind of Inquiry Can Best Help Us Create a Good World? in:

Science, Technology & Human Values, Vol. 17 No. 2, 1992, 205± 227.26. Vgl. Bengt Molander, Kunskap i handling, [Erkenntnis in Handlung], 2. Aufl. GoÈ teborg

1998.27. In den nordischen LaÈ ndern arbeiten viele, juÈ ngere und etablierte systematische

Theologen seit 1991 regelmaÈ ssig im akademischen ª Nordischen Forum fuÈ r kontex-tuelle Theologieº zusammen. Die BeitraÈ ge der thematischen Arbeitsphasen zum

Pluralismus, zur Alltagskultur und zum VerhaÈ ltnis zwischen Autonomie undRelationalitaÈ t liegen vor, und gegenwaÈ rtig befindet sich der Reflexionsprozess zum

Thema ª Machtº im Fluû . S. Bergmann/C. R. BraÊ kenhielm (Hg.), Kontextuelllivstolkning: Teologi i ett pluralistiskt Norden (Religio 43), Lund 1994. S. Bergmann/C.

R. BraÊ kenhielm (Hg.),VARDAGSKULTURENS TEOLOGI i nordisk tolkning, Nora 1998.S. Bergmann (Hg.), ª Man faÊ r inte tvinga naÊ gonº ± autonomi och relationalitet i nordisk

teologisk tolkning, Nora 2001.28. Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 3. Aufl. Frankfurt/M. 1978

(1962), 186.29. Zum VerstaÈ ndnis der Theologie als ª christliche Lebensinterpretationº (schwedisch:

livstolkning) s. Per Erik Persson, LivstolkningÐ naÊ got foÈ r teologi/religions-vetenskap?in: STK 75, 2-1999, 64± 70.

30. In der Analyse des Kontextes im theologischen Interpretationsprozeû unterscheidetPer Frostin (Liberation Theology in Tanzania and South Africa: A First World Interpretation,

(Studia Theologica Lundensia 42), Lund 1988, 22) zwischen drei Funktionen desKontextes:

a) er wird als heuristis ches Instrument benutzt, d. h. als ein Werkzeug zur Entdeckung

von verdeckten, schwerverstaÈ ndlichen ZusammenhaÈ ngen und Botschaften einertheologischen Ausdrucksweise,

b) der Kontext funktioniert als ein kritisches Prinzip und beugt in der Analyse sowohlder falschen Zentrierung auf die Person des Interpreten als auch einer missver-

staÈ ndlichen Idealisierung der Anderen vor.

c) der Kontext fordert zu einem neuen SelbstverstaÈ ndnis des Interpreten heraus.

Juan Carlos Scannone (zit. nach Vuola, op. cit. unten Fn. 32, 89) praÈ gt den Begriff der

ª situated universalityº , um einerseits das kontextuelle WissensverstaÈ ndnis zu ber-uÈ cksichtigen und andererseits den christlichen Universalismus beizubehalten. Horacio

Cerutti Goldberg (FilosofõÂ a de la liberacõÂ on latinoamericana, Mexiko 1992, 278± 284) kritisiertdaran zurecht die Tendenz, sich selbst mit normativem universalen Anspruch auf

einen transzendenten theologischen Ort jenseits aller Situationen zu begeben. Derchristliche Anspruch auf den Universalismus des SchoÈ pferglaubens sollte m. E. immer

kontextuell theologisch von der Inkarnation des Sohnes und der Inhabitation desGeistes her begruÈ ndet werden. Der SchoÈ pferglaube selbst kann als solcher jedoch nicht

als notwendige Bedingung des Inkarnationsmysteriums dienen, ohne in die patri-archalen und universalistischen Sichtweisen zuruÈ ckzugleitenn. Vgl. auch meine Kritik

an Boffs Sozialethik in op. cit. Fn. 9, 327f.31. Vgl. S. Bergmann (Hg.), De nedtystades Gud: diakoni foÈ r livets skull, [Der Gott der zum

Schweigen Gebrachten: Diakonie fuÈ r das Leben], Stockholm 1992. Befreiungstheo-logisch hat man die Behauptung eines Vorrangs der leidenden und zum Schweigen

gebrachten Gruppen als ª Epistemologica rupturaº bezeichnet. Frostin, op. cit. Fn. 30, 4.32. Vuola zeigt, wie sich die Option fuÈ r die Armen in der lateinamerikanischen

ªIch kenne ihre Leiden. Darum bin ich herniedergestiegen ¼ º 21

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Page 21: ?Ich kenne ihre Leiden. Darum bin ich herniedergestiegen??               Das neue Paradigma der kontextuellen Theologie

Befreiungstheologie analog zur Betonung der weiblichen Erfahrung in der feminis-

tischen Theologie entwickelt, und wie beide im methodischen Vorrang der Praxis vor

der Theorie wurzeln. Im Anschluû an die Kritik an beiden Konzepten fordert sie eine

vertiefte epistemologische Re¯ exion der Befreiungstheologie. Elina Vuola, Limits of

Liberation: Praxis as Method in Latin American Liberation Theology and Feminist Theology,

Helsinki 1997.

33. Miroslav Volf, Exclusion & Embrace: A Theological Exploration of Identity, Otherness, and

Reconciliation, Nashville 1996, 105.

34. So z. B. Anne-Louise Eriksson, The Meaning of Gender in Theology: Problems and

Possibilities, Stockholm 1995, 134.

35. Friedrich Kambartel, Philosophie der humanen Welt, Frankfurt/M. 1989.

36. Vgl. Kurte n, der, 194, eine rational-metaphysische und eine existentielle Weise

unterscheidet, Theologie im modernen sektorisierten Kontext zu betreiben. Tage

Kurte n, LivsfraÊ gornas utmaning till teologin, in: Sigurd Bergmann/GoÈ ran Eidevall (Hg.),

UpptaÈ ckter i kontexten: teologiska foÈ relaÈ sningar till Per Frostins minne, (Skrifter fraÊ n

Institutet foÈ r kontextuell teologi 3), Lund 1995, 188± 205. Zum Begriff der Erfahrung

in der Theologie vgl. JuÈ rgen Moltmann (Der Geist des Lebens: Eine ganzheitliche

Pneumatologie, MuÈ nchen 1991, 32± 41), der, 40f., ª die religioÈ se Dimension der

Lebenserfahrungº nicht als besondere Provinz des Lebens ausgrenzt, sondern sie als

ª tacit dimensionº (M. Polanyi) begreift, in der alle Erfahrungen ihre Resonanz ® nden.

37. Ulrich Duchrow, op. cit. Fn. 12, 127.

38. Norbert Loh® nk, Das JuÈ dische am Christentum: Die verlorene Dimension, Freiburg/Basel/

Wien 1987, 118. Gerhard Loh® nk, Wem gilt die Bergpredigt? Zur GlaubwuÈ rdigkeit des

Christlichen, Freiburg/Basel/Wien 1993 (1988), 55ff. Vgl. Duchrow, op. cit. Fn. 12, 134±

140.

39. Konrad Raiser, Die Herausforderung durch die Globalisierung, Bericht fuÈ r den

Zentralausschuû des OÈ kumenischen Rates der Kirchen in Genf 11.-19.9.1997, in: Junge

Kirche 10/1997, Dokumentation, 569± 572, 571.

40. Jon Sobrino, Geist, der befreit: Lateinamerikanische SpiritualitaÈ t, Freiburg im Breisgau 1989,

(Liberacio n con espõ ritu: Apuntes para una nueva espiritualidad, Santander 1985), 136.

41. Im wichtigen gesellschaftsanalytischen Werk des beruÈ hmten englischen Geographen

David Harvey ® ndet sich der einzige theologische Hinweis gerade auf diesen

MatthaÈ ustext, den Harvey, op. cit. Fn. 3, 4, als ª foundational values for a socialist

politicsº versteht. Zum Ansatz einer diskursethisch aufgeklaÈ rten oÈ kologischen Ethik in

Verbindung mit diesem Bibeltext s. S. Bergmann, Diskursive Bioethik ± FuÈ r die Opfer, in:

Geist, der lebendig macht, op. cit. Fn. 9.

42. Vieles was sich heute als christliche kontextuelle Ethik ausgibt, die im Anschluss an die

Rezeption von McIntyres ª After Virtueº lediglich die Ethik als Anwendung einer

unre¯ ektierten neokonfessionalistischen Dogmatik kommunitaristisch und sozialtu-

gendhaftig umkleidet, genuÈ gt dem Armenliebe-Kriterium der klassischen Theologie

und der kontextuellen Theologie ebensowenig wie dem wissenssoziologischen

Kriterium des Kontextualismus in der epistemologischen Selbstkritik im Bezug auf

die Praxis. Die Re¯ exivitaÈ t der kontextuellen Theologie hat sich bei weitem noch nicht

genuÈ gend auf die theologische Ethik uÈ bertragen, obwohl dies v. a. in der feministischen

und der oÈ kofeministischen Ethik geschieht.

43. Martin Luther, Heidelberger Disputation 1518, XIX.f., (WA 1, Weimar 1883, S. 361f.): ª Non

ille digne Theologus dicitur, qui invisibilia Dei per ea, quae facta sunt, intellecta

conspicit. ¼ Sed qui visibilia et posteriora Dei per passiones et crucem conspecta

intelligit.º

22 Sigurd BergmannD

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