ich heiße bob dylan. ich bin gerade aus dem westen...
TRANSCRIPT
3. Streben nach Glückseligkeit
Ich heiße Bob Dylan. Ich bin gerade aus dem Westen gekommen. Ich würde gerne ein paar Songs singen. Darf ich?
Theater und Philharmonisches Orchesterder Stadt Heidelberg
Ein Abend über Bob Dylan von Heiner Kondschak
Uraufführung
The Times
They Are A-Changin,
* 01.03.08
Aufführungsrechte: Harlekin Theaterverlag, Tübingen
ca. 2 ½ Stunden, eine Pause
The Times They Are A-Changin
,
Ein Abend über Bob Dylan von Heiner KondschakUraufführung
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Krankenschwester, Suze Rotolo,
Marylin Monroe, Jackie Kennedy, Sara
Lowndes, Reporterin, Hillary Clinton,
Janis Joplin u. a.
Monika Wiedemer
Krankenschwester, Reporterin,
Marlene Dietrich, Joan Baez,
Polizistin, Liz Taylor, Jackie Onassis,
Neil Armstrong, Sally Kirkland, Faridi
McFree, Carolyn Dennis, Monica
Lewinsky u. a.
Maria Prüstel
Besetzung
Bob Dylan
Florian Hertweck
Shakespeare, Chruschtschow
Hagen von der Lieth
Woody Guthrie, John Hammond, Re-
porter, John F. Kennedy, Floyd Petter-
son, Martin Luther King, Muhammad
Ali, Richard Burton, Timothy Leary,
Arzt, Aristoteles Onassis, Neil Arm-
strong, Elvis, Mark David Chapman,
E.T., Bill Clinton, Frank Sinatra u. a.
Jens Koch
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Bassgitarre, Bässe
Hagen von der Lieth
Klavier, Melodika
Maria Prüstel
Schlagzeug, Percussion
Ralf Schmith
Melodika
Jens Koch
Band
Saxophone, Flöte, Klarinette
Cordula Hamacher
Geige
Monika Wiedemer
Gitarre, Flöte, Klavier, Bouzouki u. a.
Heiner Kondschak
Gitarren
Hans Reffert
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Kostümassistenz
Miriam Kranz
Regiehospitanz
Madlen Wittenstein & Ann Kristina Buddrus
Dramaturgiehospitanz
Inga Kunz
Inspizienz
Silvia Edvesi
Souffl age
Miguel Wegerich
Inszenierungsteam
Regie & Musikalische Leitung
Heiner Kondschak
Bühne & Kostüme
Ilona Lenk
Dramaturgie
Miriam Teßmar
Regieassistenz
Martin Süß
Bühnenbildassistenz
Anja Koch
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Lichtgestaltung
Ralf Kabrehl
Ton
Sarah Degenhardt, Wolfgang
Freymüller, Andreas Legnar,
Magali Deschamps, Thomas Mandl
Leitung Kostümabteilung
Viola Schütze
Maria Schneider (Stv.)
Technik und Werkstätten
Technische Direktion
Ivica Fulir
Technische Leitung
Raphael Weber
Technische Einrichtung
Jens Weise
Leiter der Abteilung Beleuchtung
Steff Flächsenhaar
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Gewandmeisterinnen
Dagmar Gröver
Alexandra Partzsch
Leiterin der Abteilung Maske
Kerstin Geiger
Anja Dehn (Stv.)
Leiterin der Abteilung Requisite
Esther Hilkert
Leiter Malsaal
Dietmar Lechner
Dekorationswerkstatt
Markus Rothmund
Leiter Schlosserei
Karl-Heinz Weis
Leiter Schreinerei
Klaus Volpp
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1 Prolog: A Song For Woody
Besuch bei Woody Guthrie
2 There Was Really Nothing There
Hibbing
3 New York, New York
„Wha?” / John Hammond / Suze Rotolo
4 The True Fortuneteller Of My Soul
Suze / Pressekonferenz I
5 Protesting Sixties
M. Luther King / Joan Baez / Suzes Ende
6 King & Queen Of Folk Music
Heiratspläne / Joans Ende / Sara
7 The Free Electric Band
Judas!
8 This Wheel,s On Fire
Motorradunfall
Pause
9 A Private Man
Jam Sessions / Woodys Ende
10 On The Road Again
Saras Ende / Pressekonferenz II
11 The Times They Are A-Changin,
Elvis´ Ende / Der Heiland / Carolyn / Alkohol
12 Never Ending Tour
Phönix aus der Asche
13 Modern Times
Warum? / Warum nicht?
Szenenübersicht
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Bob Dylan & Suze Rotolo 1962
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erste Platte. Joan Baez, die Königin der
Folkbewegung, verliebt sich in ihn und ver-
schafft ihm Auftritte bei ihren Konzerten.
Und nun singt er auch seine eigenen
Lieder. Mit Anfang zwanzig wird Bob Dylan
ein Star. Er ist es bis heute geblieben.
Mit weit mehr als 1000 Songs, an die 50
Alben und jährlich etwa 250 Konzerten auf
Anfang der sechziger Jahre taucht in
den New Yorker Clubs ein junger Mann
aus Minnesota auf. Mit einer Gitarre,
einer Mundharmonika und einer seltsam
bellenden Stimme gibt er Woody-Guthrie-
Lieder und andere Folksongs zum Besten.
John Hammond von Columbia Records
nimmt sich seiner an und produziert eine
It,s Halloween and I got my Bob-Dylan-Mask on
von Miriam Teßmar
Zum Stück
L
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der „Never Ending Tour”, mit Lyrikbän-
den, Filmen, einem Roman, unzähligen
Zeichnungen und einer eigenen Radio-
sendung hat er sich so viel und so stetig
künstlerisch geäußert wie kaum ein an-
derer. Und doch ist er bis heute ein Rätsel
geblieben. Im Laufe seiner nun fast fünf-
zig Jahre währenden Karriere hat er jede
Art der Festlegung unverzüglich zunichte
gemacht. In unablässigen Variationen
hat er nicht nur seinen Songs, sondern
auch sich selber immer neue Gesichter
gegeben und sein Publikum mit radikalen
Verwandlungen und Stilbrüchen konfron-
tiert. Die Angst vor der Wiederholung, vor
dem Stillstand im ewig Gleichen, scheint
der Antrieb für Dylans unermüdliche
Produktivität. Seine unentwegte Distanz-
nahme gegenüber sich selbst ist Aus-
druck eines dauerhaften Strebens nach
Veränderung – und vielleicht auch nach
Glückseligkeit.
„Every Freak does his own Freak-
show“ – Dylan und seine Vorbilder
In der Wahl seiner Vorbilder zeigt Bob
Dylan eine ähnliche Vielfalt wie in seinen
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künstlerischen Ausdrucksformen. Sie
reichen von den klassischen Größen der
Folkbewegung wie Woody Guthrie und
Pete Seeger über Allen Ginsberg und
William S. Burrouhgs, Artur Rimbaud
und Walt Whitman bis zurück zu William
Shakespeare. Sie alle sind in seinen Tex-
ten präsent. Überhaupt ist das Zitieren,
Umschreiben und Neuarrangieren als
Methode aus Dylans Werk nicht wegzu-
denken. Als lebende „Woody-Guthrie-
Jukebox“ hat er schon in seiner Jugend
gelernt, über die Auseinandersetzung mit
fremden Melodien und Texten dem eige-
nen Ausdruck auf die Spur zu kommen.
Auf seinem Album mit dem program-
matischen Titel Love and Theft (2001)
fi ndet sich kein einziges von Dylan selbst
verfasstes Wort. Vielmehr handelt es sich
um Bruchstücke aus allen möglichen
bekannten und unbekannten Werken der
Weltliteratur, die sich unter der Hand
Dylans zu einem neuen Inhalt verdichten.
Dass das gleiche Schicksal auch seine
eigenen Songs ereilen würde, überrascht
nicht. Viele seiner Lieder, angefangen von
Like a Rolling Stone bis hin zu Blowing
in the Wind, kennen wir heute eher in
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Bob Dylan
1963
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der Cover-Version, denn als Dylansches
Original. Allerdings hat Dylan selbst seine
eigenen Songs so oft variiert, dass sich
wohl nur schwerlich überhaupt ein Origi-
nal dingfest machen lässt.
„Play fucking loud“
– Dylan und sein Publikum
Obwohl Dylan von seinen Songs sagt,
sie entstünden erst auf der Bühne und
vor Publikum, und obwohl er seit bald
zwanzig Jahren fast ununterbrochen auf
Tour ist, macht er es seinem Publikum
nicht einfach. Es gibt keine Videoleinwän-
de links und rechts der Bühne. Er spricht
nie zu seinen Musikern und kaum je zu
seinen Fans. Seine Stimme ist an manchen
Abenden komplett hinüber. Die Qualität
seiner Konzerte hängt immer von seiner
Stimmung ab. Dylan läuft besonders dann
zu Höchstformen auf, wenn das Publikum
ihm mit Unverständnis begegnet. So wie
1965/66, als er das akustisch verwöhnte
Folkpublikum bei seinen Konzerten mit
kreischenden elektrischen Gitarrensounds
und unverständlich herausgebrüllten
Wortkaskaden gegen sich aufbringt, oder
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Bob Dylan & Joan Baez 1964
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bei seiner Tour 1979/80, als er unvermit-
telt als religiöser Prediger auftritt und
seinem Publikum Gott näher bringen
will. Bei Pressekonferenzen provoziert
er gerne die Journalisten mit abwegigen,
widersprüchlichen oder schlichtweg gar
keinen Antworten. Und als er bei dem le-
gendären Konzert in der Manchester Free
Trade Hall 1966 das Publikum so gegen
sich aufbringt, dass sie versuchen, ihn mit
rhythmischem Klatschen am Spielen zu
hindern, lautet seine Kampfansage an die
Band: „Play fucking loud.“ Ablehnung und
Hass inspirieren Dylan offenbar mehr als
blinde Bewunderung. Trotz oder vielleicht
gerade wegen dieser Totalverweigerung,
sei sie Maskerade, Selbststilisierung oder
Selbstberauschung, betreiben seine Fans
einen regelrecht religiösen Furor um ihn,
einen Furor, der letztlich zu dem führt, was
Dylan selbst immer zu verhindern versucht
hat: Stillstand durch Heiligsprechung.
„I Believe in You“
– Dylan und die Religion
Am 17. November 1978 wirft ein Fan bei
einem Konzert in San Diego ein kleines
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Silberkreuz auf die Bühne. Der kranke
und erschöpfte Dylan steckt es ein, trägt
es bald unauffällig auf der Bühne und
verspürt wenige Tage später in einem
Hotelzimmer in Arizona die physische
Anwesenheit des Gekreuzigten. Diesen
Moment stilisiert Dylan später zu einem
Erweckungserlebnis. Der Sohn jüdischer
Eltern bekennt sich zum Christentum,
schließt sich der evangelikalen Vineyard
Fellowship an, wo er einen dreimonati-
gen intensiven Bibelkurs besucht, und
konzertiert in Rom vor Pabst Johannes
Paul II. Die Folgen dieser Wandlung sind
auch bei den darauffolgenden Konzerten
zu spüren. Dylan entwickelt sich zu einem
religiösen Prediger, der sein Publikum von
der Bühne herunter zum rechten Glauben
bekehren will. Mit wütender Aggressivität
schleudert er sein Liebes-Evangelium den
Ungläubigen entgegen.
Schon vor seiner Phase als wiedergebore-
ner Christ sind Dylans Songs voll von bib-
lischen Figuren, Geschichten und Zitaten
und speisen sich zum Teil aus religiösen
Songtraditionen wie dem Gospel. Jedes
beliebige Thema kann bei Dylan in den
Kontext religiöser Bilder geraten, egal ob
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es politische Sujets sind oder Liebeslieder.
Die wesentlichen Koordinaten in Dylans
Songwelt sind Sünde und Erlösung,
Gericht und Gnade. Geschichte ist bei ihm
im Wesentlichen identisch mit Heils- und
Unheilsgeschichte. So lässt sich ein stark
religiös konnotierter Begriff wie Sünde,
der bei genauerer Betrachtung tatsächlich
einen Schlüsselbegriff in Dyans Werk
darstellt, bei ihm auch immer als Sammel-
begriff für Macht, Korruption, Eitelkeit,
Selbstgerechtigkeit und Verblendung
sehen, für eine Welt, die verheert ist von
fauler Propaganda.
„It Ain’t Me, Babe“
– Dylan und seine Masken
Bis heute hat Bob Dylan mit allen Mitteln
versucht, einer genauen Zuschreibung zu
entgehen. Er verschwindet hinter seinen
diversen Masken, seien es seine akusti-
schen, seine optischen, seine religiösen
oder seine Masken der Tradition. Selbst
das ureigenste Instrument eines jeden
Menschen, die Stimme, lässt sich bei
Dylan kaum auf ein Charakteristikum
festlegen. Sie klingt selten so, dass man
sagen kann: Das ist Dylan. Die Tücke
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steckt im Detail. Der Sound der Stimme
besteht darin, dass es ihn nicht gibt. Es
gibt ihn nur, wie es Masken gibt, die man
überstreift, um das Charakteristische
eines Gesichts noch besser hervorzuhe-
ben. Bei dem Konzert in der New Yorker
Philharmonic Hall am 31. Oktober 1964
ließ sich Bob Dylan zu folgender Bemer-
kung hinreißen: „It’s Halloween, and I
got my Bob-Dylan-mask on.“ Mehr als ein
Jahrzehnt später, während der Rolling
Thunder Revue, machte er diese Drohung
wahr. Er trat tatsächlich mit einer Dylan-
Maske vor dem Gesicht auf.
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„Life is a carnival“
Ein Gespräch mit Heiner Kondschak
K
Zum Autor / Zur Inszenierung
Heiner Kondschak hat eine ganze Reihe
von Theatertexten verfasst, darunter
so viel gespielte Kinderstücke wie Die
Kanincheninsel oder Das Schätzchen
der Piratin. Häufi g setzt er sich mit
biografi schem Material auseinander wie
in seinen Stücken König von Deutsch-
land über den Liedermacher Rio Reiser
und Woody!!! Ain’t Nobody That Can
Sing Like Me über Woody Guthrie. Nun
hat Heiner Kondschak im Auftrag des
Heidelberger Theaters einen Abend über
Bob Dylan verfasst, den er selbst auf die
Bühne bringt.
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Woody Guthrie. Was interessiert dich
daran, Künstlerbiografi en auf die
Bühne zu bringen?
Die drei sind viel zu früh tragisch ums
Leben gekommen und haben trotzdem
eine Menge hinterlassen. Bob Dylan
hatte Gottseidank diesen Motorradunfall.
Daraufhin hat er eine Entziehungskur
gemacht, sonst wäre er jetzt nicht mehr
am Leben. Mich interessiert der Zusam-
menhang zwischen den Fragen „Wie lebe
ich?“ und „Wie singe ich?“. Bei Bob Dylan
beschäftigen mich seine Zerrissenheit,
das Sich-Verausgaben, die völlige
Heiner, bist du ein Bob Dylan Fan?
Ich mochte Dylan nie richtig gerne.
Ich fand seine Lieder gut, aber
immer nur dann, wenn sie andere
Leute gesungen haben. Seit ich mich
im Sommer intensiver mit ihm beschäf-
tigt habe, fi nde ich ihn als Typ und seine
Musik sehr spannend. Ich höre ihn jetzt
freiwillig.
Du hast vor dem Bob-Dylan-Abend
drei andere Produktionen über
Sänger bzw. Liedermacher gemacht:
Gerhard Gundermann, Rio Reiser und
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Hingabe. Und sein Hang zum Theatra-
lischen, der in allen seinen Auftritten
steckt. „Life is a carnival“, hat Woody
Guthrie gesagt, und Dylan hat sich diesen
Satz zu eigen gemacht. Er tritt bei jedem
Konzert als ein anderer auf, singt mit fünf
Stimmen, hat fünfzehn oder mehr Namen
und Identitäten. Und trotzdem hat er
sich nie verbiegen lassen. Übrigens endet
das Theaterstück, das ich über Woody
Guthrie geschrieben habe, mit Dylans
Besuch am Krankenbett seines großen
Vorbildes. Da schließe ich mit dem Bob-
Dylan-Abend nahtlos an.
Du bist selbst Musiker. Wie hast Du
Dich dem Versuch genähert, so ein
komplexes Leben auf die Bühne zu
bringen?
Ich habe das Stück wie eine große Bob-
Dylan-Show konzipiert. Es gibt einen
Moderator auf der Bühne, der durch
den Abend führt, und eine Band, in der
auch die Schauspieler mitspielen. Wir
zeigen an diesem Abend, dass Dylan
eine gespaltene Persönlichkeit ist. Es ist
zum Beispiel nur ein Lied dabei, das wie
der jungen Bob Dylan klingt. Ich habe
zum Teil auch dazukomponiert, um die
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Lieder noch interessanter zu machen. Wir
sind halt eine Band und nicht „ein Bob
Dylan“. Man kann sich darüber Gedanken
machen: Was wäre passiert, wenn man
selbst an seiner Stelle gewesen wäre.
Da ist soviel Glück, Zufall oder auch gar
nichts von beidem im Spiel. Und was ist
das überhaupt, ein Leben?
Bob Dylan hat längst mehr als 1000
Lieder geschrieben. Wie bist Du bei
der Auswahl vorgegangen?
Zunächst gehe ich von mir selbst aus –
was sind meine Lieblingslieder? Dann gibt
es ein paar Lieder, die müssen rein, zum
Beispiel Blowing in the Wind oder Like a
Rolling Stone. Darüber wurden ganze Bü-
cher geschrieben. Und dann überlege ich,
mit welchen Liedern ich etwas erzählen
kann. Zum Beispiel Romance in Durango,
das Lied wollte ich unbedingt einmal spie-
len. Wir haben es gegen Ende des Stückes
eingebaut, um den verletzlichen, den
gescheiterten Dylan zu zeigen. Kürzlich
hat mir jemand von einem Konzert erzählt,
bei dem Dylan so betrunken war, dass
er es nicht mehr alleine auf die Bühne
schaffte. Zwei Männer mussten ihn nach
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vorne bringen, Arm in Arm wie drei gute
Kumpels. Er hielt sich am Mikrofon fest
und hat gesungen, und zwar gut. Diese
Tragik wollte ich ebenfalls erzählen. Wenn
man so viele Lieder schreibt, hat das ja
auch etwas sehr einsames.
Du hast vorhin Woody Guthries Satz
„Life is a carvival“ zitiert. War das
auch ein Antrieb für deine Arbeit an
diesem Abend?
Das Stück spielt auf einem Jahrmarkt,
es könnte aber auch ein Varieté sein, ein
Theater oder eben Karneval: Die Welt ist
bunt und wir schlingern uns da durch, jeder
auf seine Art. Unterstützt wird das durch
die unglaublichsten Requisiten. Es gibt
keinen vernünftigen Grund, warum Elvis
Presley die letzten Stunden seines Lebens
mit einem Flamingo verbringt. Das ist
historisch weder belegt noch ist es logisch.
Es ist eben Karneval. Und es gibt einen
Geschichtenerzähler, eine Art Reporter ...
... den du Shakespeare nennst.
Ja. Es ist nicht Shakespeare persönlich,
sondern jemand, der sich Shakespeare
nennt. „Was ihr wollt“, „Wie es euch gefällt“,
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Bob Dylan & Sara Lowndes1965
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„To be or not to be“, „All the world is a
stage“ – diese Gedanken tauchen ja auch
bei Dylan auf. Die Möglichkeit, sich in je-
der Sekunde neu zu erfi nden, in eine neue
Geschichte einzutauchen, eine andere
Figur zu sein. Shakespeares Bretterbühne
ist ja auch nichts anderes als ein großer
Karneval.
Das Gespräch führte Miriam Teßmar.
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Bob Dylan 1966
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Regie &
Musikalische Leitung
Heiner Kondschak
Der Musiker, Schauspieler, Regisseur und Autor verfasste zahlreiche Bühnenmusiken
und Theaterstücke, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Er war Musikalischer
Leiter am Jungen Theater Göttingen und am Landestheater Württemberg-Hohenzol-
lern, wo er auch als Künstlerischer Leiter des Kinder- und Jugendtheaters tätig war.
Hier brachte er u. a. den Rio-Reiser-Abend König von Deutschland als Autor, Regis-
seur und Musikalischer Leiter auf die Bühne. In Heidelberg ist er als Bandleader und
Musikalischer Leiter von The Rocky Horror Show bekannt, sowie als Regisseur und
Komponist von Des Knaben Wunderhorn bei den Heidelberger Schlossfestspielen.
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Ilona Lenk studierte Politik- und Literaturwissenschaften in Freiburg, bevor sie an
die Freiburger Schauspielschule wechselte, wo sie an Bühnenbildern des KIEW sowie
an regionalen Ausstellungen mitarbeitete. Sie war Assistentin für Bühnenbild an den
Städtischen Bühnen Freiburg und machte während dieser Zeit Ausstattungen für
diverse Theater sowie verschiedene Raum- und Außeninstallationen.
Seit 1994 arbeitet sie als Malerin, sowie als freischaffende Bühnen- und Kostümbild-
nerin u. a. für die Staatsoper Stuttgart, das Badische Staatstheater Karlsruhe und das
Theater Lindenhof in Melchingen.
Bühne & Kostüme
Ilona Lenk
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Florian Hertweck (*1979) studierte Medieninformatik in
Berlin und Schauspiel an der Hochschule für Film und Fern-
sehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Seit 06_07 ist er im Heidel-
berger Ensemble und spielt u. a. Karl Moor in Die Räuber, und
Wenzel von Tronka in Michael Kohlhaas.
Jens Koch (*1978) absolvierte sein Schauspielstudium am
theater der keller in Köln. Es folgten Engagements in Neuss, Köln,
Singen, Trier und Aachen. Seit der Spielzeit 05_06 ist er fest am
Theater und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg en-
gagiert. Zur Zeit ist er u. a. als Dr. Chasuble in Bunbury zu sehen.
Schauspieler
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Hagen von der Lieth (*1975) studierte in Dresden Jazz/Rock/
Pop und absolvierte ein Schauspielstudium in Leipzig. Nach einem
Engagement am Landestheater Württemberg-Hohenzollern gehört
er seit der Spielzeit 05_06 zum Heidelberger Ensemble. Er steht
u. a. als Ben in Neil LaButes Tag der Gnade auf der Bühne.
Maria Prüstel (*1983) machte eine Ballettausbildung in Berlin
und studierte Schauspiel in Rostock. 2006 erhielt sie den Solopreis
des Schauspielschultreffens und war als Gast am Schauspielhaus
Zürich engagiert. Seit 07_08 steht sie in Heidelberg u. a. als Amalia
in Die Räuber, sowie in Die Mountainbiker auf der Bühne.
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Monika Wiedemer (*1980) studierte Schauspiel am Max-Rein-
hardt-Seminar in Wien. 2006 war sie bei den Festspielen Reichenau
zu sehen. Seit der Spielzeit 06_07 ist sie Ensemblemitglied des The-
aters und Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg und
spielt u. a. die Titelrolle in Antigone, sowie Gwendolyn in Bunbury.
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Bob Dylan 1966
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Cordula Hamacher ist ausgebildete Jazzsaxophonistin. Sie
tritt regelmäßig mit ihrer eigenen Formation Cordclub auf und
wirkt in zahlreichen Bandprojekten mit. Sie spielte in verschie-
denen Musical-Produktionen, u. a. in der Heidelberger Rocky
Horror Show. Seit Oktober 2007 studiert sie Komposition in Linz.
Hans Reffert studierte Gitarre, Querfl öte und Komposition, sowie
Malerei und besuchte die Comic School New Jersey/USA. Er macht
Kunstausstellungen, arbeitet für zahlreiche Rundfunk-, Film- und
Fernsehproduktionen und verfügt über eine umfangreiche Disco-
grafi e. In Heidelberg war er in The Rocky Horror Show zu erleben.
Musiker
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Ralf Schmith studierte einige Semester Jazz- und Popularmusik
in der Frankfurter Musik Werkstatt. Er tourt mit verschiedenen
Künstlern und Bands durch Europa, Kanada und die USA, u. a. mit
The Busters, The Toasters, RED, Larry Thomas und Chuck Drum.
In Heidelberg spielte er in The Rocky Horror Show.
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„Columbia Recording Artist“
„Ladies and Gentlemen, would you please
welcome: Columbia recording artist Bob
Dylan!” – mit dieser Formel wird der
Sänger seit vielen Jahren allabendlich auf
seiner Never Ending Tour angekündigt.
Eine altmodisch-konventionelle Formel
I dreamt a monstrous dreamUtopie und Antiutopie in den Songs von Bob Dylan
von Martin Schäfer
c
scheinbar, sie erinnert an die Zeit, als die
ersten Blues- und Country-Sänger stolz
darauf waren, überhaupt recording artists
zu sein – und auch an die Zeit, als der
junge Folksänger Bob Dylan stolz darauf
war, dass er vom berühmten Produzenten
John Hammond beim renommierten
39
Columbia-Label unter Vertrag genommen
wurde. Denn Columbia ist zugleich das
Land, das – nach unserem eurozent-
rischen Verständnis – von Kolumbus
entdeckt wurde, Amerika also, das von
allem Anfang an auch als promised land
galt, das gelobte Land, das neue Land der
Verheißung. 1492 kam Kolumbus nach
Amerika, 1516 schrieb Thomas Morus
seine Utopia – nur vordergründig ist da
kein Zusammenhang. In diesem Sinn also:
„Ladies and Gentlemen, would you please
welcome: Utopian recording artist Bob
Dylan!“
„Series of Dreams”: Die sieben
Utopien des Mr. Dylan
Was war Bob Dylans erster Traum? Nach
gängiger Leseart gewiss der Traum vom
Rock’n’Roll, der ihn und seine Generation
aus der Enge der fünfziger Jahre befrei-
en sollte. Und auch dieser Traum hatte
schon seine dunkle Unterseite, nämlich
den Konformismus der McCarthy-Ära.
Eine erste, scheinbar (aber eben nur
scheinbar) noch unpolitische Utopie
– samt zugehöriger Anti-Utopie also.
Aber halt, da haben wir – chronologisch-
biographisch – einen älteren Traum
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schon vergessen, der Dylan bereits als
Kind in Hibbing prägte: Das ist der Natur-
Traum des North Country, den er in Songs
wie Last Thoughts on Woody Guthrie for-
mulieren sollte. Arkadische Visionen oder
persönliche Utopie?
Der dritte Traum dann, der auf die Ent-
täuschung durch den kommerzialisierten
Rock’n’Roll folgte, das war der Traum
von der folk music und ihrer community,
wie sie Dylan ein paar Monate lang als
Student in Minneapolis erlebte. Direkt
aus dieser Utopie der folk community
entstand der Traum, mit dem Bob Dylan
in der Folge – und zu seiner lange an-
dauernden Wut – am stärksten assoziiert
wurde; der „Traum der ‚wahren‘ und
gerechten Lebensordnung“.
Schwieriger will es zunächst erscheinen,
den utopischen Traum in Dylans anti-po-
litischer Wende von 1964 und seine Songs
aus den Jahren 1965/66 zu benennen. In
der Tat: „Something is happening here /
But you don’t know what it is“ – die
Radikalität dieser Songs beweist sich
gerade in dem, was sie nicht sagen, in der
Verweigerung jeder expliziten Botschaft.
Noch schwieriger mag es auf den ersten
41
Bob Dylan 1974
42
Blick erscheinen, Dylans zweite große
Wende – die hin zur Country-Musik und
zum ländlichen Familienleben nach dem
Motorradunfall im Juli 1966 – anders
denn als reaktionäre, anti-utopische
Abkehr von den damals gerade modisch
gewordenen Hippie-Träumen zu verste-
hen. Aber aufgepasst: Die Country-Wende
wurde eingeleitet durch die erneute und
vertiefte Beschäftigung mit traditioneller
amerikanischer Musik. Noch Dylans
angeblich so reaktionäre Hinwendung
zum Ideal des country gentleman und
der glücklichen Familie beruht auf einer
(rückwärtsgewandten) Utopie, die einst
durchaus fortschrittliche Züge trug. Denn
die „unsichtbare Republik“ des „alten
freien Amerika“ rekurriert, auch in der
noch abgründigeren Version des „the old,
weird America“, sehr wohl auf die uto-
pischen Werte, die Amerikas Demokratie
in ihren besten Momenten inspiriert
haben, so wie ja auch die Civil Rights-Be-
wegung neben der Bibel die Verfassung
der USA für sich in Anspruch nahm.
Aber auch nach der Rückkehr des coun-
try gentleman in die Großstadt New York
erwachen bei Dylan – allen gegenteiligen
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Beteuerungen zum Trotz – unverkennbar
die utopischen Neigungen wieder. Neue
Protestsongs wie Hurricane zeugen
davon, erst recht aber das kommuni-
täre Großprojekt der Rolling Thunder
Revue, ursprünglich ein von der alten
folk community inspiriertes Gegenmodell
zum größenwahnsinnigen Businessbe-
trieb der ersten Comeback-Tournee mit
The Band 1974. Als solches ist die Revue
wohl an den sogenannten Realitäten des
Marktes gescheitert, und es gibt gute
Argumente für die Behauptung, dass erst
dieses Scheitern – und die so erzwungene
Rückkehr zu einem konventionelleren
Businessplan in Form der 78er Tournee
– Dylan in der Folge zu seiner gewagtes-
ten Volte herausgefordert hat.
Womit wir zur bis heute umstrittensten
und darum oft in ihrer wahren, übrigens
auch musikalischen Bedeutung unter-
schätzten Dylan-Phase kommen: zur
evangelikalen Gospel-Ära von 1979-81.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass
sich darin zugleich eine Utopie par ex-
cellence manifestiert: nämlich der Traum
vom Gottesstaat, dem himmlischen
Jerusalem. Zum ersten Mal seit 1963
44
(aber weit stärker als damals) fühlte sich
Dylan regelrecht zum Predigen motiviert
– erstaunlicherweise erneut „fearing not
I’d become the enemy in the instant that
I preach“. Wiederum ein Unterfangen,
das aus verschiedensten Gründen zum
Scheitern verurteilt war; trotzdem kann
gar nicht genug betont werden, wie sehr
in diesen drei Jahren entscheidende
utopische Motive und Impulse aus Dylans
Vergangenheit und Zukunft zusammen-
laufen. Nicht zuletzt übrigens jene der
schwarzen Gospel-Kirchen, die zu den
wichtigsten Inspirationsquellen der Civil
Rights- und Protestbewegung gehörten.
Aus der Ratlosigkeit, die der erneute Ver-
zicht auf das Predigen dann hinterlässt,
rettet sich Dylan ab 1988 gewissermaßen
in seine letzte Utopie: die der Never En-
ding Tour. Wie schon die Rolling Thunder
Revue stellt sie eine Art alternatives
Modell dar, die low budget-Variante sozu-
sagen, die den inzwischen aufgeblasenen
Rockzirkus zum bescheideneren und
bewusst unvollkommenen Wanderzirkus
degradiert – oder vielmehr aufwertet.
So gelang es Dylan, die Rahmenbedin-
gungen zu schaffen, um seiner
45
Bob Dylan 1974
46
eigentlichen musikalischen Utopie Abend
für Abend näherzukommen: der „Utopie,
die Zeit anzuhalten“.
„The perfect teardrop“ als
imaginäres Eden
Von einem seiner frühen Vorbilder, dem
Popsänger Johnnie Ray, hat Dylan einmal
gesagt, dass er in seinen Songs etwas
nahegekommen sei, was Dylan als „the
perfect teardrop“ bezeichnete. Genau
dies sei auch ein Ziel: „That’s something
to reach for – the perfect teardrop.“ In
einem anderen Interview hat er gesagt,
die Songs seien sein Lexikon und sein
Gebetbuch, er fi nde in ihnen etwas, was
er in keiner Kirche fi nde. Und so landen
wir wieder dort, wo wir Dylans utopi-
schen Visionen zuerst begegnet sind:
in den Ahnungen und Empfi ndungen
eines Jungen im metallischen und ma-
gischen North Country rund um Hibbing
(Minnesota), der am Langwellenradio
sitzt und die Musik der Südstaaten ent-
deckt, die ihm buchstäblich den Weg in
eine neue, bessere Welt eröffnet.
Nun ließe sich wohl einwenden, dass
solche Gefühle, ausgelöst durch
47
Bob Dylan 1986
48
Naturerlebnisse oder im Radio gehörte
Songs, mit Utopien im politisch-philo-
sophischen Sinn wenig bis gar nichts zu
tun hätten. Aber dieses enge Verständnis
des Politischen würde wieder weit hinter
die „Politics of Experience“ zurückfallen,
die Dylan 1964/65 in poetischer Form
(mit)begründet hat. Auf jeden Fall liegen
auch diesen Gefühlen Erfahrungen von
Bedrückung und die Hoffnung auf Erlö-
sung zugrunde. Diese Hoffnung mag vage
sein, und sie muss im Sinn des biblischen
Bilderverbots sogar vage bleiben – aber
sie ist deswegen nicht weniger groß. In
der Geschichte der Utopien gab es immer
beides: öffentliche, politische und private
Utopien, welche Bloch „Wunschbilder
des erfüllten Augenblicks“ genannt hat,
die im Hier und Jetzt eine Fluchtmög-
lichkeit darstellen, sei es die Kunst, die
Ekstase oder die nostalgische Rückbe-
sinnung auf ein Goldenes Zeitalter. Dass
dieses Thema gerade zu Beginn des 21.
Jahrhunderts, das erneut durch been-
gende Verhältnisse geprägt ist, wieder
an Relevanz gewonnen hat und verstärkt
Resonanz auslöst, belegt Paul Austers
Roman The Brooklyn Follies, in dem der
49
junge Tom Wood eine Doktorarbeit über
Imaginary Edens in der amerikanischen
Literatur des 19. Jahrhunderts plant, also
bei Edgar Allan Poe und Henry Thoreau.
Dylans musikalische Utopie des „perfect
teardrop“, also der angehaltenen Zeit, ist
ein solches „imaginäres Eden“, genau wie
das perfekte Zimmer aus Poes The Philo-
sophy of Furniture oder Thoreaus Rück-
zug an den Walden Pond. Die Utopie, die
imaginäre bessere Welt als Gegenentwurf
zur Anti-Utopie, als die wir die Gegenwart
erleben – wir sind, wie gesagt, wieder
beim jungen Dylan der bedrückenden
fünfziger Jahre, wie er sie 1984 in dem
unveröffentlichen Song Julius and Ethel
skizziert hat und denen er die verschie-
denen Formen seiner persönlichen Utopie
entgegensetzte: Johnnie Rays „perfect
teardrop“, später Chuck Berrys Traum
vom Rock’n’Roll, schließlich den Traum
von der Folk-Musik als Ausdruck eines
besseren Amerika. Gleichzeitig sind wir
damit aber auch beim aktuellen, das heißt
alten Dylan von Masked and Anonymous:
Auch er erlebt die Gegenwart zunehmend
als Alptraum, in dem sich die Träume von
damals in ihr Gegenteil verkehrt haben.
50
Die Welt von Masked and Anonymous ist
– genau wie die klassischen Anti-Utopien
à la Nineteen Eighty-Four – weniger
Zukunftsvision als Zerrbild des Hier und
Jetzt; Orwell projizierte das England der
Kriegsjahre in die Zukunft, bei Dylan geht
es um das zerfallende Amerika des 21.
Jahrhunderts, das er auf dem Weg zu Dik-
tatur und Bürgerkrieg wähnt: Amerika als
multikultureller failed state. Das Zerrbild
der Gegenwart wird aber zugleich zum
Spiegel jener Vergangenheit, der Dylan
einst entfl iehen wollte, dem Zeitalter
der Angst, den fünfziger Jahren, als, wie
es in Julius and Ethel heißt, „Eisen-
hower was president and Senator Joe
was king“. Polemisch zugespitzt: Masked
and Anonymous ist die musikalische,
die Rock’n’Roll-Variante von Nineteen
Eighty-Four – wobei die Frage offen
bleibt, ob die negative Utopie nicht begin-
nt, zur Alltagsrealität zu werden. Genau
wie in den konformistischen Fünfzigern
leben wir wieder in einer Welt, in der es
keine Alternative zu geben scheint, in
der sozialer Rückschritt als notwendige
Voraussetzung des Fortschritts verkauft
wird und die Angst allgegenwärtig ist.
51
„Ain’t a damned thing changed“, wie die
Hip-Hopper sagen, nur der Soundtrack ist
neu und nicht unbedingt besser.
Es ist sein Geschichtsverständnis, das
Bob Dylan von den meisten anderen
Rockstars unterscheidet, aber verbindet
mit Literaten wie Paul Auster und dem
Zeitgenossen des Bürgerkriegs, den
Auster in seinem Roman mit den Worten
zitiert: „For the fact was, America had
indeed gone to hell. The country was split
in two, and we all know what happened
just a decade later. Four years of death
and destruction. A human bloodbath
generated by the very machines that
were supposed to make us all happy and
rich.“
Klingt das nicht wie ein Zitat aus Dylans
Chronicles ? Everything Is Broken:
Dieses Grundgefühl prägt Dylans Werk
nicht erst seit dem Lied von 1989. Entge-
genzusetzen hat er ihm nur noch die Mu-
sik – doch hat er jemals wirklich an etwas
anderes geglaubt? Der ganze Reichtum
der amerikanischen Songtradition, den er
bereits als Jugendlicher entdeckt hat und
heute als Radio-DJ zelebriert: Das ist, mit
Auster gesprochen, Dylans Private Eden.
52
Gleichzeitig wird aber auch klar, dass
Dylan die Träume und Utopien seiner
Jugend nie verleugnet hat. Er hat viel-
leicht den naiven Hoffnungen abge-
schworen, die er in einigen Momenten
hegte, aber seine fundamentalen Werte
sind dieselben geblieben.
Die Erscheinungsweisen des Utopischen
in Dylans Werk sind zu vielfältig, als dass
sie auf einen einfachen Nenner gebracht
werden könnten. Sie sind aber auch zu
offensichtlich, als dass sie unterschlagen
werden dürften. Noch in der Anti-Utopie
von Masked and Anonymous ist die
Utopie implizit. In einer zentralen Szene
des Films verschmilzt sie mit der Utopie
der angehaltenen Zeit, wenn nämlich
das kleine schwarze Mädchen für Jack
Fate alias Dylan einen seiner alten Songs
vorträgt. Der alte Star selbst bleibt völlig
unbeteiligt, doch der Film spricht eine
andere Sprache: Die Sequenz wirkt wie
entrückt, die Performance des Mädchens
scheint außerhalb der historischen Zeit
stattzufi nden. Der Song heißt, wie könnte
es anders sein, The Times They Are A-
Changin’, und Dylan singt ihn bis heute
immer wieder neu.
53
Bob Dylan 1997
54
Am 24. Mai 1941 wird Bob Dylan als
Robert Allen Zimmermann in Hibbing,
Minnesota, geboren. In der Highschool
spielt er in einer a-capella-Band und tritt
u. a. mit Cover-Versionen von Little-
Richard-Stücken auf. 1961 wird der
legendäre Impresario John Hammond
auf ihn aufmerksam und nimmt ihn für
Columbia Records unter Vertrag. Am
3. August 1963 startet seine erste große
Tournee durch die USA – als Gastsänger
von Joan Baez. 1965 tauscht Dylan seine
akustische Gitarre gegen eine elektrische
und tritt mit einer Band auf, was bei den
puristischen Freunden der Folkmusik
heftige Kritik auslöst. Nach einem Motor-
radunfall im Juli 1966 wird Dylan acht
Jahre lang nicht mehr auf Tournee gehen.
1975/76 startet er die „Rolling Thunder
Revue“, eine Art musikalischer fahrender
Zirkus mit zahlreichen Musikern, die oft
nur kurzfristig angekündigt an verschie-
denen Orten der USA Station macht.
1978 wendet er sich dem Christentum zu
und predigt bei Auftritten von der Bühne
herab. 1988 startet er die „Never Ending
Bob Dylan
55
Tour“. Dabei gibt er im Schnitt über 100
Konzerte pro Jahr. 1991 wird Dylan ein
Grammy für sein Lebenswerk verliehen.
2001 gewinnt er für die Musik zu dem
Film The Wonder Boys den Golden Globe
und den Oscar. Im gleichen Jahr erhält
er den Polar Music Prize. 2003 erscheint
der Spielfi lm Masked and Anonymous,
für den Dylan zusammen mit Larry
Charles das Drehbuch geschrieben hat
und in dem er die Hauptrolle spielt.
2005 produzierte Martin Scorsese das
fi lmische Dylan-Porträt No Direction
Home. Seit Mai 2006 moderiert Dylan
bei einem amerikanischen Radiosender
die wöchentlich gesendete, einstündige
Theme Time Radio Hour. 2007 zeigen
die Kunstsammlungen Chemnitz Zeich-
nungen und Aquarelle von Dylan. 2008
kommt ein neuer Hollywood-Spielfi lm
mit dem Titel I’m not there in die Kinos,
in dem gleich mehrere Schauspieler Bob
Dylan, den Mann mit den vielen Ge-
sichtern, spielen.
56
Nachweise
Bildnachweise: Bob Dylan. Musik. Visionen.
Hintergründe. Herausgegeben vom Mojo Maga-
zin, Starnberg 2006 (S. 4,11,15,17,27,29,37,41,45)
Paul Williams: Mind Out Of Time. Heidelberg
2006 (S. 47,53)
Textnachweise: Martin Schäfer: I dreamt a
mountrous dream. In: Bob Dylan. Ein Kon-
gress. Herausgegeben von Axel Honneth, Peter
Kemper und Richard Klein. Frankfurt am Main
2007. (Auszüge)
Die übrigen Texte sind Originalbeiträge
von Miriam Teßmar.
Wenn wir trotz unserer Bemühungen Rechte-
inhaber übersehen haben sollten, bitten wir um
Nachricht.
Internet: www.theaterheidelberg.de
Theater und Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
2007_08, Programmheft Nr. 17
Impressum
Herausgeber: Theater und Philharmonisches
Orchester der Stadt Heidelberg
Intendant: Peter Spuhler
Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp
Redaktion: Miriam Teßmar & Inga Kunz
Gestaltung: Danica Schlosser
Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg
Anzeigen: Greilich / Neutard
Ein herzlicher Dank an den
für die Blumen zur Premiere. 54
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