ich danke dir herzlich für die geburts- tagskarte, über die ich gelacht habe: mein offizielles...

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„Ich danke Dir herzlich für die Geburts-tagskarte, über die ich gelacht habe: Mein ‚offizielles‘ Geburtsdatum ist nämlich falsch (ganz so alt bin ich nicht) ich habe doch, als anständiger Mensch, keinen echten Geburtsschein, sondern einen ‚angeeigneten‘ und ‚korrigierten‘.“ (Brief an Henriette Roland-Holst) In ihrem an der Universität Zürich einge-reichten Lebenslauf gab Rosa Luxemburg den 5. März 1871 als ihren Geburtstag an.

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Page 1: Ich danke Dir herzlich für die Geburts- tagskarte, über die ich gelacht habe: Mein offizielles Geburtsdatum ist nämlich falsch (ganz so alt bin ich nicht)

„Ich danke Dir herzlich für die Geburts-tagskarte, über die ich gelacht habe: Mein ‚offizielles‘ Geburtsdatum ist nämlich falsch (ganz so alt bin ich nicht) ich habe doch, als anständiger Mensch, keinen echten Geburtsschein, sondern einen ‚angeeigneten‘ und ‚korrigierten‘.“ (Brief an Henriette Roland-Holst)

In ihrem an der Universität Zürich einge-reichten Lebenslauf gab Rosa Luxemburg den 5. März 1871 als ihren Geburtstag an.

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Die Mutter Lina, geb. Löwenstein

Der Vater Eliasch Luksenburg (Eduard Luxemburg), ein angesehener jüdischer Kaufmann. Die Eltern waren sehr gebildet, mit der jüdischen Aufklärung verbunden und interessierten sich vor allem für deutsche und polnische Literatur.

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In diesem Haus in Zamosc, Gouvernement Lublin, wurde Rosa geboren; hier wuchs sie bis zum dritten Lebensjahr auf.

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1873 zog die Familie Luksenburg nach Warschau, eine anonyme Großstadt mit den Vorzügen einer multinationalen Gesellschaft.

Mit fünf Jahren erkrankte Rosa plötzlich an einem Hüftleiden. Fast ein Jahr musste sie im Bett oder im Zimmer verbringen. Zeitlebens behielt sie einen schleppenden Gang.Warschau um 1900

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Lothar Bisky über Sahra Wagenknecht: „Sie kleidet sich wie Rosa, eines Tages wird sie auch wie Rosa hinken!“

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Bis zum neunten Lebensjahr wurde Rosa zu Hause unterrichtet. 1880 trat sie in die 1. Klasse des II. Mädchengymna-siums ein. Nur ihre ausgezeichneten Leistungen berechtigten sie dazu.

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„Endlich werden wir Dich sehen, Mächtiger des Westens, das heißt solltest Du in des Sachsen Garten kommen, denn ich besuche Eure Höfe nicht. Es liegt mir nämlich an Euren Ehrenbezeigungen gar nichts. Doch wissen möchte ich, was Ihr dort schwatzt. Mit dem ‚Unsrigen‘ sollst Du ja ‚per Du‘ sein. Im Bezug auf Politik bin ich noch ein dummes Schaf, drum will ich überhaupt mit dir nicht viel reden. Nur eines möchte ich Dir, lieber Wilhelm, sagen: ‚Sage Deinem listigen Lumpen Bismarck, tue es für Europa, Kaiser des Westens, befiehl ihm, dass er die Friedens-hose nicht zuschanden macht.“

(Spottgedicht der zwölfjährigen Rosa in polnischer Sprache)

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„Mein Ideal ist eine solche Gesellschafts-ordnung, in der es mir vergönnt sein wird, alle zu lieben.“

Der östliche Teil Polens, in dem Rosa Luxemburg aufwuchs, war vom russischen Zarenreich okkupiert.

Das Bildungswesen beherrschten anti-semitische und antipolnische Reglements. Die Unterrichtssprache war Russisch. Auch untereinander durften die Schülerinnen nicht polnisch sprechen.

Mit zehn Jahren erlitt Rosa Luxemburg in Warschau ihr erstes antijüdisches Pogrom.

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Rosa Luxemburg verstand: „Die Welt muss verändert werden!“ Sie schloss sich, wie auch ihre Freunde Adolf Warski und Julian March-lewski, einem revolutionären Zirkel unter Führung des Dachdeckers Marcin Kasprzak an, der zu sozialistischen Kreisen in Polen und Russland Kontakte unterhielt. Individuellen Terror lehnten sie ab. Als Vorbild diente ihnen eine Massenorganisation wie die deutsche Sozialdemokratie. Nach etwa zwei Jahren Agitation unter den Warschauer Schülern und Studenten drohte Rosa die Verhaftung. Es war vermutlich Marcin Kasprzak, der ihr Anfang 1889 half, unter dem Stroh eines Bauern-wagens verborgen, über die deutsch-polnische Grenze zu fliehen.

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Die Züricher Universität hielt als einzige europäische Alma Mater ihre Tore auch für weibliche Studierwillige geöffnet. Außerdem hatte Zürich eine interessante und umfangreich ausgestattete Bibliothek zu bieten. Die Hälfte der studierenden Frauen waren Russinnen.

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Leo Jogiches Wera I. Sassulitsch G. W. Plechanow Paul B. Axelrod

Zürich war der bedeutendste Sammelpunkt der pol-nischen und russischen Emigranten. In den von Russen bevorzugten Lokalen und ‚Slawenpensionen‘ wurde heiß debattiert und fast immer war das Thema ‚die Grundsatztheorien der Sozialdemokratie‘ und die ‚Revolution‘.

Von 1890 an belegte Rosa Staats- und Wirtschafts-wissenschaften und studierte Geschichte.

Am 20. Juli 1898 erhielt Rosa ihr Doktordiplom. Es attestierte ihr „magna cum laude“ und entließ sie als „Doktor des öffentlichen Rechts und der Staatswis-senschaften“.

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Beim II. Internationalen Sozialistenkongress 1893 in Zürich versuchte Rosa ver-geblich, sich ein Mandat zu erkämpfen. Mit der von ihr, Leo Jogiches, Julian Marchlewski und Adolf Warszawski gegründeten SDKPiL (Sozialdemokratische Partei Polens und Litauens) trat sie in scharfen Gegensatz zur PPS (Sozialdemo-kratische Partei Polens), die den nationalen Kampf an die Spitze ihres Programms gestellt hatte: „Unser Vaterland, das ist die ganze Welt!“

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Die deutsche Sozialdemokratie war die international führende linke Partei. Rosa schrieb schon als Studentin in der von Karl Kautsky herausgegebenen „Neuen Zeit“, einem sozialdemokratischen Wochenblatt, und beschloss mit ihrem Doktorexamen in der Tasche, nach Berlin überzusiedeln.

Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, ging sie mit Gustav Lübeck, dem Sohn ihrer aus Deutschland immigrierten Wirtsleute, eine Scheinehe ein.

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Im Mai 1898 übersiedelte Rosa Luxemburg nach Deutschland. „Berlin macht auf mich allgemein den widrigsten Eindruck: kalt, geschmacklos, massiv – die richtige Kaserne; und die lieben Preußen mit ihrer Arroganz, als hätte jeder von ihnen den Stock verschluckt, mit dem man ihn einst geprügelt…“

(an Mathilde und Robert Seidel in Zürich am 30. Mai 1898)

Berlin um 1900

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Sozialreform oder Revolution? – dies war die Streitfrage, als Rosa ihre „Karriere“ in der deutschen Sozialdemokratie begann.

„… In unserer Partei hat sich ein äußerst wichtiger Punkt verdunkelt, nämlich das Ver-ständnis von der Beziehung zwischen unse-rem Endziel und dem alltäglichen Kampfe … für uns darf nie ein Zweifel sein, dass wir nach der Eroberung der politischen Macht streben müssen. Eine sozialistische Partei muss sich immer der Lage gewachsen zeigen, die darf nie vor ihren eigenen Aufgaben zu-rückschrecken. Dann müssen unsere Ansich-ten über das, was unser Endziel ist, vollstän-dig geklärt sein, wir werden es verwirk-lichen, trotz Sturm und Wind und Wetter.“ (Rede auf dem SPD-Parteitag von 1898)

Eduard Bernstein

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„… Vollmar hat es mir zum bitteren Vorwurf gemacht, dass ich als junger Rekrut in der Bewegung die alten Veteranen belehren will. Das ist nicht der Fall… Dass ich mir meine Epauletten in der deutschen Bewegung erst holen muss, weiß ich; ich will es aber auf dem linken Flügel tun, wo man mit dem Feinde kämpfen und nicht auf dem rechten, wo man mit dem Feind kompromisseln will…“

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Rosa Luxemburg als politische Gefangene in Warschau.

Im Jahre 1905 brach in Russland und auch in ihrer polnischen Heimat die Revolution aus. Mit ihrem aus Litauen stammenden Lebensgefährten Leo Jogiches wurde sie nach zweimonatigem Wirken im Untergrund verhaftet.

Aus einer Postkarte an Karl und Luise Kautsky: „Hoffentlich wer-det Ihr Euch nicht zu sehr die Sache zu Herzen nehmen. Es lebe die Re…/… meine Freunde verlangen durchaus, ich sollte an Witte (den russischen Ministerpräsidenten) telegraphieren und an den Deut-schen Konsul schreiben. Fällt mir nicht ein! Die Herren können lange warten, bis eine Sozialdemokratin sie um Schutz bittet…“

Entgegen ihrem Willen wird Rosa vom SPD-Vorstand „freigekauft“; Leo dagegen gelingt die Flucht.

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Rosa stand der Friedensbewegung kritisch gegenüber, weil diese ihrer Meinung nach die wirtschaftlichen Ursachen von Kriegen eher verdeckte als offen legte. In dieser Frage stand sie auf dem Standpunkt von Karl Marx, der schon in den 1870er Jahren eine Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung, die damals vor allen in Großbritannien und Frankreich stark war, konsequent abgelehnt hatte.

Für Rosa gab es nur eine Kraft, die Kriege verhindern konnte: die sozialdemo-kratische Arbeiterbewegung und eine sich immer weiter politisierende Arbeiter-schaft. Der Friedensbewegung warf sie vor, die Arbeiterschaft in Illusionen über die in der Ökonomie angesiedelten Ursachen des Krieges zu wiegen und so den Widerstand der Arbeiterschaft gegen den Krieg zu schwächen.

Rosa Luxemburg und die Friedensbewegung

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Rosa Luxemburg und die gewerkschaftliche Orientierung

„Der Sozialismus muss durch die Massen, durch jeden Proletarier ge-macht werden. Dort, wo sie an die Kette des Kapitals geschmiedet sind, dort muss die Kette zerbrochen werden“ (PS II: 190; GW 4: 504).

Sozialistisches Bewusstsein kann nicht entstehen, indem es an der Oberfläche der Gesellschaft, etwa im Ringen um die bessere Verwert-barkeit der Ware Arbeitskraft, verharrt. Siehe hierzu auch Peter Weiss, die Lehren aus Rosas Wirken ziehend: „Wir können uns nicht befreien, wenn wir nicht das System, das uns unterdrückt, und die Bedingungen, aus denen das System erwächst, beseitigen. Wie aber soll die Befreiung von uns ausgehen, wie sollen die Umwälzungen vollzogen werden, wenn wir immer nur gelernt haben, uns zu fügen, uns unterzuordnen und auf Anweisungen zu warten“ (P. Weiss: „Die Ästhetik des Widerstands“, Erster Band, S. 226).

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„… Die Gewerkschaftsbewegung ist nicht das, was sich in den vollkommen erklärlichen, aber irrtümlichen Illusionen der paar Dutzend Gewerkschaftsführer spiegelt, sondern das, was im Bewusstsein der großen Masse der für den Klassenkampf gewonnenen Proletarier lebt. In diesem Bewusstsein ist die Gewerk-schaftsbewegung ein Stück der Sozialdemo-kratie. Und was sie ist, das wage sie zu scheinen…“

Auf dem Mannheimer Parteitag im Herbst 1906 lehnten die Gewerkschaftsführer Rosas Schrift als zu radikal ab. Diesmal gab die Führung der Partei nach: Der Massenstreik wurde mehrheitlich verurteilt.

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„Mitgliedschaft in der Partei – dass es eine kleine Partei war, unwichtig. Mitgliedschaft Prinziperklärung – ideologische Zugehörigkeit -Abwesen-heit von Zwang und Dogmatismus – Linie Luxemburg-Gramsci – Voraussetzung: Aufklärung der histor. Fehler – die lebendige kritische Wissenschaft, Ablehnung jeglicher Illusionsbildungen, Idealismen, Mystifikationen“ (P. Weiss, Notizbücher 1971-1980, S. 608)

Gramscis Linie: Überwindung der strategischen Isolation der Praxen in den verschiedenen politischen Arenen (Betriebe, Tarifdemokratie, nationalstaatliche Regulierungen, internationale Agreements; sonst: Verharren in der Subalternität (auf allen Ebenen).

Exkurs: Über die „Linie Luxemburg-Gramsci“

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Rosa Luxemburg über den Parlamentarismus:

„Die Wahlen stellen ein neues Instrument des revolutionären Kampfes dar… Für die existiert nur das Parlament des deutschen Reichstages. Sie können sich nicht vorstellen, dieses Mittel zu gebrauchen im revo-lutionären Sinn. Sie verstehen: entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus… Das ist eine Vereinfachung, die nicht der Schulung und Erziehung der Massen dient“ (GW 4, S. 481).

„Steht hinter unserer gesetzlichen, parlamentarischen Tätigkeit nicht die Gewalt der Arbeiterklasse, jederzeit bereit, im Notfall in Aktion zu treten, dann verwandelt sich die parlamentarische Aktion der Sozial-demokratie in einen ebenso geistreichen Zeitvertreib wie zum Beispiel das Wasserschöpfen mit einem Siebe“ (GW ½: S. 243).

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Rosa Luxemburg über den Klassenkampf:

„Die moderne proletarische Klasse führt ihren Kampf nicht nach irgendeinem fertigen, in einem Buch, in einer Theorie niedergelegten Schema; der moderne Arbeiterkampf ist ein Stück in der Geschichte, ein Stück der Sozialentwicklung, und mitten in der Geschichte, mitten in der Entwicklung, mitten im Kampf lernen wir, wie wir kämpfen müssen… Das ist ja gerade das Bewundernswerte, das ist ja gerade das Epochenmachende dieses kolossalen Kulturwerks, das in der moder-nen Arbeiterbewegung liegt: dass zuerst die gewaltige Masse des arbeitenden Volkes selbst aus eigenem Bewusstsein, aus eigenem Verständnis sich die Waffen zu ihrer eigenen Befreiung schmiedet“ (GW 2: S. 465).

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„Sie war ebenso beliebt wie gefürchtet, da sie als glänzend Vortragende und Lehrerin mit unerbittlicher Strenge auf gründliche Durcharbeitung der einzelnen Probleme bestand. Einige oberflächliche Hörer hatten bei ihr nichts zu lachen. Sie ließ ihnen keinen Schlupfwinkel offen. Sie arbeitete mit klaren Formulierungen und verlangte klare Antworten“ (Rosas Schüler Wilhelm Koenen).

„… Die Roserei ist nicht so schlimm wie Du denkst. Trotz aller Giftmischerei möchte ich das Frauenzimmer in der Partei nicht missen. In der Parteischule wird sie als beste Lehrerin von Radikalen, Revisionisten und Gewerkschaftern verehrt. Dort ist sie die Objektivität in höchster Potenz…“ (August Bebel an Victor Adler)

Schule der deutschen Sozial-demokratie, Berlin 1910.

1 = Emanuel Wurm 2 = Arthur Stadthagen 3 = Franz Mehring 4 = Kurt Rosenfeld 5 = Heinrich Cunow 6 = Dr. Eckstein 7 = Rosa Luxemburg 8 = Heinrich Schulz, 9 = Friedrich Ebert

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Hebt die Zersplitterung auf!

„ Die eigentliche geistige Regeneration der Arbeiterschaft wird aber vor allem dadurch von den Koalitionen verwirklicht, dass sie die zersplitterten, in der Trübsal des Einzelloses verkümmernden, vielfach einander bekämpfenden Arbeiter vereinigt und zum Klassenbewusstsein emporhebt“ (GW 1/1: S. 603).

Diese wächst historisch aus dem elementaren Klassenkampf heraus“ (GW ½: S. 428). Sie „muss das Werk der Klasse, und nicht einer klei-nen führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d.h. sie muss auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen“ (GW 4: S. 363 f.).

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„Warum müssen wir die Nationalökonomie als be-sondere Wissenschaft studieren? Solange die wirt-schaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen sich ohne Schwierigkeiten regelten, bedurften diese Beziehungen keines wissenschaftlichen Studiums.

Mit dem Beginn der kapitalistischen Wirtschafts-weise ist das anders geworden. Als Begleiterschei-nung dieser Wirtschaftsweise treten Krisen auf. Auch die Arbeitslosigkeit ist eine ständige Erschei-nung in der heutigen Gesellschaft. Ebenso die täg-lichen, ja stündlichen Preisschwankungen, durch die der eine, ohne einen Finger zu rühren, in kurzer Zeit Millionär, der andere ein Bettler wird. Diese Erscheinungen sind nicht durch die Natur gegeben, sie sind nichts Unabänderliches. Durch mensch-liche Einrichtungen sind sie erzeugt, sie sind Men-schenwerk… Wir stehen hier vor den Folgen einer anarchischen Wirtschaftsweise, die der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen ist.“

Um 1910

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1913 entsteht Rosas Hauptwerk: „Die Akkumulation des Kapitals“.

„Trotz der glänzenden literarischen Form stellen die rein theoretischen Kapitel des Buches sehr hohe Ansprü-che an den Leser, verlangen von ihm die Beherrschung der Nationalökono-mie im allgemeinen und der Marxschen im besonderen. Von den Kapazitäten der marxistischen Theorie erkannten nur Franz Mehring und Julian March-lewski, und beide mit hoher Begeiste-rung, das Werk an. Aber eine ganze Schar Berufener und Unberufener übten an der ‚Akkumulation‘ eine herbe Kritik, die bei einigen zu plumper Herunterreißerei ausartete“ (Paul Frölich).

In ihrer Wohnung in Berlin-Friedenau

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Auf dem internationalen So-zialistenkongress 1907 in Stuttgart verfasste Rosa gemeinsam mit Lenin und Martow eine Resolution, die der SPD-Vorstand aus Furcht vor staatlichen Sanktionen abzuschwächen suchte. Hier ein Auszug:

„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflich-tet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen und politischen Situation naturgemäß ändern und steigern.

Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Be-endigung einzutreten und die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassen-herrschaft auszunutzen.“

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„Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffe gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, dann rufen wir: ‚Das tun wir nicht!‘“.

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Mit ihren Anwälten Paul Levi und Kurt Rosenfeld am 20. Februar 1914 vor der Frankfurter Strafkammer. Rosa wurde für folgende Rede zu einem Jahr Haft verurteilt:

„… Wir denken, dass über das Zustande-kommen und den Ausgang des Krieges nicht bloß die Armee, die Befehle von oben oder der blinde Gehorsam von unten entscheiden, sondern dass darüber die große Masse des werktätigen Volkes entscheidet und zu entscheiden hat. Wir sind der Auffassung, dass Kriege nur dann und nur solange geführt werden können, als die Arbeiterklasse sie entweder begeistert mitmacht, weil sie sie für eine gerechte und notwendige Sache hält, oder wenigstens sie duldend erträgt. Wenn hingegen die große Mehrheit des werktätigen Volkes zu der Überzeugung gelangt…, dass Kriege eine barbarische, tief unsittliche, reaktionäre und volks-feindliche Erscheinung sind, dann sind die Kriege unmöglich geworden…“

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„Ich bin unzufrieden mit der Art und Weise, wie man in der Partei meist die Artikel schreibt. Es ist alles so konventionell, so hölzern, so schablonenhaft… Ich weiß, die Welt ist ja eine andere und andere Zeiten wollen andere Lieder haben. Aber eben ‚Lieder‘, unser Geschreibsel ist ja meistens kein Lied, sondern ein farbloses und klang-loses Gesurr, wie der Ton eines Maschinen-rades. Ich glaube die Ursache liegt darin, dass die Leute beim Schreiben meistens vergessen, in sich tiefer zu greifen und die ganze Wichtigkeit und Wahrheit des Geschriebenen zu empfinden. Ich glaube, dass man jedesmal, jeden Tag, bei jedem Artikel die Sache wieder durchleben, durchfühlen muss, dann würden sich auch frische, vom Herzen zu Herzen gehende Worte für die alte bekannte Sache finden…“

Im Gespräch mit Dr. Helphand (Deck-name Parvus)

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„Ich habe, zu meiner Ehre sei es gesagt, nicht viel Nationa-lismus im Leib; aber der Vor-stellung, dass meine württem-bergische Abkunft, die Bezie-hung zu den historischen Bergen, zu den Orten, denen Schelling, Schiller, Hegel, Mörike, Hölderlin entsprossen sind, in irgendeiner Art ver-pflichtet, kann ich mich nicht ganz entziehen“

(Luise Kautsky, geb. 1864, zweite Frau Karl Kautskys, 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Foto nebenan: Rosa und Luise während ihres Auf-enthalts in der Schweiz)

„Ich habe, zu meiner Ehre sei es gesagt, nicht viel Nationa-lismus im Leib; aber der Vor-stellung, dass meine württem-bergische Abkunft, die Bezie-hung zu den historischen Bergen, zu den Orten, denen Schelling, Schiller, Hegel, Mörike, Hölderlin entsprossen sind, in irgendeiner Art ver-pflichtet, kann ich mich nicht ganz entziehen“

(Luise Kautsky, geb. 1864, zweite Frau Karl Kautskys, 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Foto nebenan: Rosa und Luise während ihres Auf-enthalts in der Schweiz)

Page 33: Ich danke Dir herzlich für die Geburts- tagskarte, über die ich gelacht habe: Mein offizielles Geburtsdatum ist nämlich falsch (ganz so alt bin ich nicht)

Dein Brief hat mich fuchsteufelswild ge-macht… Dieser heulmeierische Ton, dieses Ach und Weh über ‚Enttäuschungen‘ die Ihr erlebt habt – angeblich an anderen, statt nur selbst in den Spiegel zu blicken und der Menschheit ganzen Jammer in treffendem Konterfei zu erblicken! Nie war mir Euer griesgrämiges, sauertöpfisches, feiges und halbes Wesen so fremd, so verhasst wie jetzt…

Hast Du jetzt genug zum Neujahrsgruß?

Dann sieh zu, dass Du Mensch bleibst…Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem und alledem, denn das Heulen ist Geschäft der Schwäche… Komm, Du kriegst doch noch einen Kuss, weil Du doch ein ehrlicher kleiner Kerl bist.

Prosit Neujahr!

Mathilde Wurm geb. Adler, geb. 1874, Schriftstellerin und Sozialdemokratin, seit 1917 Mitglied der USPD, 1917-19 Bürgerdeputierte der Stadt Berlin, vorwiegend auf sozialem Gebiet tätig, Freitod im Londoner Exil

Nebenstehend Auszüge aus einem Brief Rosas an Mathilde Wurm:

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„… Die ganze revolutionäre Ehre und Aktionsfähigkeit, die der Sozialdemokratie im Westen gebrach, war in den Bol-schewiki vertreten. Ihr Oktoberaufstand war nicht nur eine tatsächliche Rettung der russischen Revolution, sondern auch eine Ehrenrettung des internationalen Sozialismus.“

„Aber mit dem Erdrücken des politischen Lebens im gan-zen Lande muss auch das Leben in den Sowjets immer mehr erlahmen. Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bureaukratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und re-gieren, … und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen ein-stimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirt-schaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne…“

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Beginnend mit dem Aufstand der Kieler Matrosen am 3.11.1918, erreichte die deutsche Revolution am 9. November ihren Höhepunkt. Im ganzen Reich organi-sierten sich Arbeiter- und Soldatenräte. Am späten Abend des 10.11. kam Rosa Luxemburg aus dem Gefängnis Breslau in Berlin an. Sie war krank und sehr gealtert. Trotzdem übernahm sie mit großem Eifer die Redaktion der „Roten Fahne“.

„Rücksichtsloseste revolutionäre Tatkraft und weitherzigste Menschlichkeit, dies allein ist der Odem des Sozialismus. Eine Welt muss umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, obwohl sie abgewischt werden konnte, ist eine Anklage; und ein zu wichtigem Tun eilender Mensch, der aus roher Unachtsamkeit einen Wurm zertritt, begeht ein Verbrechen“.

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„Revolutionen kennen keine Halbheiten, keine Kompromisse, kein Schleichen und kein sich Ducken. Revolutionen brauchen offene Visiere, klare Prinzipien, entschlossene Herzen“

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Clara Zetkin zu Bebels Lebzeiten vor dem SPD-Parteivorstand:

„Über Rosas und meinem Grab-stein wird dereinst stehen: ‚Hier liegen die beiden Männer der deutschen Sozialdemokratie!‘“

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1907 begann sich ein Liebesverhältnis zu Kostja Zetkin, dem 14 Jahre jüngeren Sohn ihrer Freundin Clara, anzubahnen. Rosa war ihm Freundin, Lehrerin und Geliebte.

„Süßer Geliebter, ich erhielt am 21. Dezember Deinen lieben langen Brief und heute den kurzen… Dass Ferdi-nand Lassalle Dich bezaubert hat, freut mich sehr; ich schwärme auch für ihn und lasse mir ihn durch keinen und durch nichts verleiden. Auf mich wirkt er noch auch stets anspornend zur Arbeit und zur Wissenschaft; sie hat bei ihm ein so lebendiges, geniales Wesen. Marx ist zwar gewaltiger und tiefgründiger, aber lange nicht so blitzend und farbenreich wie dieser“.

Mit Konstantin (Kostja) Zetkin, geboren 1885, gestorben 1980, Arzt.

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Paul Levi nach dem ersten Frankfurter Prozess im Februar 1914 in seiner Verteidigungsrede für Rosa: „Nein, Herr Staatsanwalt, so arm ist die Angeklagte nicht… Sie hat in Deutschland Hun-derttausende, die sie lieben und die sie wieder liebt, und die sie nicht im Stiche lassen wird, auch um eines Jahres Gefängnisses willen, das können Sie der Angeklagten glauben.“

Paul Levi, Rechtsanwalt, geb. 1883 in Hechingen/ Württ., gest. 1930 in Berlin, 1914 Rosas Verteidiger, Freund und Geliebter, von 1919 bis 1921 war er KPD-Vorsitzender

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Auf dem Zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau. Levi war es, der in einer Broschüre Rosas Kritik an der russischen Revolution veröffentlichte, nachdem er 1921 aus der KPD ausgeschlossen wurde; er schloss sich wieder dem linken Flügel der Sozialdemokratie an.

In einem Nachruf in der „Weltbühne“ schrieb Carl von Ossietzky am 18.2.1930: „Die Kommunisten taten ihm Unrecht, ihn einen Abtrünnigen, die Sozialdemo-kraten ihn einen Bekehrten zu nennen. Er war ein internationaler Sozialist aus Rosa Luxemburgs Schule, hat es nie verleugnet. Paul Levi war dem Sozialismus verschworen wie kaum ein anderer.“

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Gedenken an Rosa Luxemburg

Monate später wurde Rosas Leiche im Landwehrkanal gefunden. Den Trauerzug begleiteten im Juni 1919 Hunderttausende.

Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe enthüllte an der Begräbnisstätte in Berlin-Friedrichsfelde 1926 das nebenstehend abgebildete Denkmal.

Es wurde 1935 von den Nazis geschleift. 1951 weihte Wilhelm Pieck an dieser in Ostberlin gelegenen Stelle einen neuen Gedenkstein ein: „Die Toten mahnen uns“. Jedes Jahr um den 15. Januar gedenken Zehntausende der großen Revolutionärin und ihres Genossen Karl Liebknecht.

Page 43: Ich danke Dir herzlich für die Geburts- tagskarte, über die ich gelacht habe: Mein offizielles Geburtsdatum ist nämlich falsch (ganz so alt bin ich nicht)

Nach langen und harten Auseinandersetzun-gen gelang es 1988 auch in Westberlin, Rosa ein Denkmal zu setzen - in der Nähe jener Brücke, von der aus ihr Körper in den Land-wehrkanal geworfen wurde. Diese Brücke sollte fortan Rosa-Luxemburg-Brücke heißen. Doch schon nach dreißig Minuten entfernten Polizisten das Namensschild.

Auch der Vorstand der „Partei des demokrati-schen Sozialismus“ tat sich schwer mit einem Denkmal: Eine von Rolf Biebl und Ingeborg Hunzinger zum achtzigsten Todestag in den Eingang des Karl-Liebknecht-Hauses gestellte Skulptur wurde einige Monate später entfernt; sie steht heute in einem Gebüsch neben dem Eingang zur Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Schaffen wir es, in Schleswig-Holstein unserer Vorkämpferin für einen demokratischen Sozialismus ein würdiges Gedenkzeichen zu setzen?

Der Eingang zum Karl-Liebknecht-Haus, im Januar 1999: Rolf Biebl, Ingeborg Hunzinger, Dr. Klaus Höpcke

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EpilogDes Chilenen Pablo Neruda grandioses 1950 entstandenes Epos „El canto general“ und des Griechen Mikis Theodorakis ebenso tief berührende Musik verführen mich, auf den gewaltigen Schwingen des Condors über den lateinamerikanischen Subkontinent hinwegzugleiten, per Mouseclick im Hochtal der bolivianischen Millionenstadt Cochabamba einen Stopp einzulegen und des vor einigen Jahren von der indigenen Bevölkerung geführten und gegen US-Konzerne und Weltbank gewonnenen Antiprivati-sierungskampfes um die Wasserversorgung zu gedenken. Ich setze den Flug fort über Pampas hinweg in die südbrasilianische Metropole Porto Alegre, Geburtsstätte von Bürgerhaushalt und Weltsozialforum.

Und ich denke an Rosa Luxemburgs Worte aus ihrem letzten Artikel in der „Roten Fahne“, geschrieben am Vorabend ihrer Ermordung. Die Revolution hat für uns Gestalt angenommen – die Gestalt der kleinen, unscheinbaren Genossin mit dem schleppenden und trotz alledem aufrechten Gang:

„Ich war, ich bin, ich werde sein!“