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Die Uhr – ein bahnbrechendes Industrieprodukt oder: Der Pfad von der Uhrmacherei zur System-Technik Szene des späten 19. Jahrhunderts: plötzlich hatten alle Menschen dank der industriellen Produktion genügend viele Uhren. Der Markt war gesättigt. Aber was wurde nun aus den Produktionseinrichtungen für Uhren? Wurde die Kapazität dieses wichtigen Industriezweiges sinnvoll genutzt? Insolvenz oder Konversion? Ein gutes Beispiel zur Darstellung des Prozesses im Titel sind die unternehmerischen Tätigkeiten in den Betrieben der Familie Ketterer Furtwangen und Gütenbach, weil dafür der Zugang zu Daten besonders aufschlussreich war und die Vorgänge stellvertretend für eine weitsichtige und kluge sowie schließlich erfolgreiche Unternehmensplanung über nun 180 Jahre hinweg sind. Verfolgt man die Tätigkeiten der Ketterer-Unternehmen im Zeitbereich des späten 19. Jahrhunderts bis hinein ins 21. Jahrhundert, so führt ein klar erkennbarer Pfad von der Feinmechanik (Uhren, Zählwerke für Verbrauchsabrechnungen) über die Radiotechnik (Bauteile, Komplettgeräte), über elektrische Messtechnik (Messgeräte für Spannung, Strom, Widerstand, Energie) hin zu höhenverstellbaren Arbeitsplätzen (Getriebe, Sensorik, Aktorik). Oberbegriff der zuletzt genannten Tätigkeit ist die System-Technik, auch als Systems Engineering bezeichnet. Andere Unternehmen wären zu ergänzen. Praktisch alle, die den erfolgreichen Absprung aus der Uhrentechnik nicht bewältigt haben, sind der Marktwirtschaft zum Opfer gefallen. Ebenfalls getroffen hat es Unternehmen, die nicht mehr rechtzeitig der Spezialisierung der Radiotechnik entkommen sind. Positivbeispiele sind Reiner, Siedle, Dold; Negativbeispiele sind Furtwängler, Saba, Grundig, Kienzle. Im Rückblick stellt sich insbesondere die Frage, wie man

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Page 1: Hochschule Furtwangen | Baden-Württembergwebuser.hs-furtwangen.de/~hoenig/2012/System.docx · Web viewAus heutiger Sicht betrachtet, ist das der Weg hin zum persönlich eingesetzten

Die Uhr – ein bahnbrechendes Industrieprodukt

oder: Der Pfad von der Uhrmacherei zur System-TechnikSzene des späten 19. Jahrhunderts: plötzlich hatten alle Menschen dank der industriellen Produktion genügend viele Uhren. Der Markt war gesättigt. Aber was wurde nun aus den Produktionseinrichtungen für Uhren? Wurde die Kapazität dieses wichtigen Industriezweiges sinnvoll genutzt? Insolvenz oder Konversion?

Ein gutes Beispiel zur Darstellung des Prozesses im Titel sind die unternehmerischen Tätigkeiten in den Betrieben der Familie Ketterer Furtwangen und Gütenbach, weil dafür der Zugang zu Daten besonders aufschlussreich war und die Vorgänge stellvertretend für eine weitsichtige und kluge sowie schließlich erfolgreiche Unternehmensplanung über nun 180 Jahre hinweg sind.

Verfolgt man die Tätigkeiten der Ketterer-Unternehmen im Zeitbereich des späten 19. Jahrhunderts bis hinein ins 21. Jahrhundert, so führt ein klar erkennbarer Pfad von der Feinmechanik (Uhren, Zählwerke für Verbrauchsabrechnungen) über die Radiotechnik (Bauteile, Komplettgeräte), über elektrische Messtechnik (Messgeräte für Spannung, Strom, Widerstand, Energie) hin zu höhenverstellbaren Arbeitsplätzen (Getriebe, Sensorik, Aktorik). Oberbegriff der zuletzt genannten Tätigkeit ist die System-Technik, auch als Systems Engineering bezeichnet.

Andere Unternehmen wären zu ergänzen. Praktisch alle, die den erfolgreichen Absprung aus der Uhrentechnik nicht bewältigt haben, sind der Marktwirtschaft zum Opfer gefallen. Ebenfalls getroffen hat es Unternehmen, die nicht mehr rechtzeitig der Spezialisierung der Radiotechnik entkommen sind. Positivbeispiele sind Reiner, Siedle, Dold; Negativbeispiele sind Furtwängler, Saba, Grundig, Kienzle.

Im Rückblick stellt sich insbesondere die Frage, wie man etwa im Jahr 1925 von der Feinmechanik in die Elektronik, speziell in die Radiotechnik verzweigte. Einige Bilder können denkbare Impulse veranschaulichen.

Bild 1a: AnkerseiteBild 1b: Unruhseite

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Bilder 1a und 1b zeigen typische Bestandteile eines Uhrwerkes und eines Zählwerkes (gestanzte und gebohrte Platine, mehr oder weniger spezielle Räder, Achsen, die Unruhfeder). In Bild 2 wird ein Radio-Bestandteil des Ketterer-Radios EV7 von 1925 gezeigt.

Bild 2: Drehkondensator

Es handelt sich dabei um den zur Abstimmung auf einen bestimmten Sender erforderlichen Drehkondensator. Wir sehen: die Unruhfeder hat hier eine zweite Anwendung gefunden. Sie dient nun zur Stromversorgung des Rotors, um Schleifkontakte zu vermeiden. Und sie ist zwei Mal eingesetzt, um die Stromzufuhr zu dem Hauptplattenpaar und zur in Bild 2 nicht sichtbaren Feinjustage des Drehkondensators zu ermöglichen.

Die Betätigung der Hauptabstimmung und Feineinstellung erfolgt konzentrisch. Das ist die gleiche Konstruktion wie bei dem Antrieb von Stundenrohr und Minutenachse bei der Uhr (Bild 4).

Bild 4: Konzentrischer Antrieb

Die Platinenteile und Befestigungswinkel konnte im Prinzip jeder feinmechanische Betrieb herstellen. Für die Fertigung von Spiralfedern und Antriebsteilen war ein auf Uhrenmacherei eingestelltes Unternehmen klar im Vorteil. Das gleiche gilt für die präzise Montage der Kondensatorplatten und des gelegentlich ausgefeilten Antriebsmechanismus, wie es in vorbildlicher Weise bei dem Orthometer von SABA zu sehen ist.

Bild 3: Gerät EV7, zwei Drehkondensatoren des Typs aus Bild 2

Minutenachse

Stundenrohrrohr

Platine zur Lagerung

Zahnräder zum Antrieb

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Ketterer in Furtwangen ist langjährig dafür bekannt, Mehrfachnutzen seiner unternehmerischen Möglichkeiten zu suchen und zu finden. Platinen und Zahnräder führten zu den Zählgeräten für Verbrauch und Abrechnung von Gas, Wasser, Elektrizität. Die Idee, Drehkondensatoren über Spiralfedern mit Strom zu versorgen, führt zu einem Mehrfachnutzen der Wickeltechnik. Das bleibt jedoch nicht bei dieser Spiralfeder stehen: wir haben im Radio durch Drahtwicklung auf einem Tragkörper realisierte Widerstände, Wickelkondensatoren, Wicklungen auf Potentiometern und Abstimmspulen, Wicklungen auf Transformatoren und Lautsprechern (Zusammenstellung Bild 5).

Bild 5: Produkte der Wickeltechnik

Gab diese Wickeltechnik den Impuls für Ketterer, Mitte der 1920er Jahre in die Radio-Elektronik einzusteigen, um im explosionsartig wachsenden Markt früher Medieninformatik Fuß zu fassen, um wirtschaftlich noch unabhängiger von seinen bisherigen Produkten zu werden? Aus heutiger Sicht

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betrachtet, ist das der Weg hin zum persönlich eingesetzten Kommunikationsgerät, dem heutigen iPhone oder iPad, hin zu den Cloud-Anwendungen und Nutzung der Near Field Communication (zu Deutsch „Nahbereichskommunikation“, Abkürzung NFC); das ist ein internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten über kurze Strecken von bis zu 4 cm. Bisher kommt diese Technik vor allem in Lösungen für Micropayment – bargeldlose Zahlungen kleiner Beträge – zum Einsatz. In Deutschland wird die Technik beispielsweise von den Sparkassen, unter dem Namen girogo, zur Zahlung von Summen bis zu 20 Euro angeboten und von der Deutschen Bahn in ihrem Touch & Travel-System eingesetzt. Auch Ketterer kassierte bereits um 1900 herum verbrauchsabhängig Geld mit seinen selbstkassierenden Gasmessern!

Doch langsam…

Im Deutschland des Jahres 1923 steigt die Zahl der registrierten Radiohörer von 500 Personen auf eine Million gegen Ende des Jahres 1925. Diese und kommende Millionen von Radiohörern brauchen ihr persönliches Kommunikationsgerät.

Und der Reihe nach:

In Fulda lebte und arbeitete Ferdinand Schneider. Der gelernte Uhrmacher demonstrierte noch vor Gugliemo Marconi 1895 die Verwendbarkeit der Hertzschen Wellen zur Nachrichtenübermittlung. Er entwickelte ferner Entfernungsmesser, Mikrofone, Projektoren, Motoren, Sprechmaschinen, Sicherheitsmanometer, Blitzableiter, Signalanlagen und Windkraftanlagen. In der Fuldaer Zeitung war über Schneider zu lesen: Der „Fuldaer Edison“ Ferdinand Schneider entwickelte im Jahr 1895 die drahtlose Funktelegrafie. Zentrum seiner frühen Arbeit war ein Funkuhrensystem.

Von Triberg aus wechselte Herrmann Schwer (SABA) mit seiner Fertigung feinmechanischer Geräte nach Villingen. Über die Fertigung radiotechnischer Bauteile wandte sich SABA der Produktion von Bausätzen für Radiogeräte und Fertiggeräten zu.

Man sieht, über das Geschäft mit den Radio-Bestandteilen – die auf der Uhrenkompetenz beruhen - führt offenbar ein Weg hin zur Fertigung von Radios. Was im gegenseitigen Wettbewerb noch fehlt, sind in der Physik der Elektrotechnik bewanderte Mitarbeiter und für eine erfolgreiche Vermarktung beim Publikum ansprechende Gehäuse für diese 1925 neuartigen Geräte sowie eine funktionierende Organisation für Verkauf und Service. Unterstützend kam hinzu, dass die älteste Industrieausstellung Deutschlands, die Große Deutsche Funkausstellung in Berlin, seit 1924 jährlich veranstaltet wurde. In Deutschland war das bedeutsam, eigentlich in globalem Maßstab spät. Möglicherweise waren die transatlantischen Beziehungen zwischen USA und England verantwortlich, dass dort die Nachrichtenübermittlung mit dem Radio eine um Jahre frühere Verbreitung fand.

Beispielhafte Lizenz- und Produktionsunterlagen folgen in Bild 6 und 7.

Bild 6: Telefunken (!) Bauerlaubnis

Bild 7: Schaltplan aus dem Archiv Ketterer

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Die Publikumsfrage nach den Gehäusen lässt sich einfach beantworten, hatte man doch bereits eine Gehäusefabrikation für Uhrengehäuse (Bilder 8 und 9). Es ist festzustellen, dass zur Bedienung und zur Verbindung zur Stromversorgung ein detailliertes Handbuch erforderlich war.

Bild 8: Ketterer EV7, Bedienung der Sendereinstellung und Arbeitspunkt des Audion

Bild 9: Ketterer EV7, Bedienung der Röhrenheizung, Anschlüsse zur Stromversorgung

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Entsprechendes galt für die Verkaufsorganisation: grundsätzlich existierte diese für den Uhrensektor, bei Ketterer ergänzt durch den Bereich Gas- Wasser- und Elektrizitätszähler. Was fehlte war der Service-Bereich sowie der Physiker oder Ingenieur.

Letzteren kaufte Ketterer in Person von Dr. Weiss aus Freiburg ein, SABA stellte Dipl.-Ing. Leuthold aus Gösgen ein.

Bernhard Ketterer Söhne wirbt in Bild 10 mit Dr. Weiss um seine Baupläne, Radio-Bestandteile und Radio-Apparate,

Bild 10: Werbung 1925

Das Gerät der Werbung ist nackt, für die Wohnzimmeranwendung steht Bild 11:

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Bild 11: Das Gerät aus Bild 8/9 im Wohnzimmer

Man beachte die Rollenverteilung; es wird auch Klage darüber geführt, dass Wirtshausumsätze ca. 1925 einen drastischen Einbruch verzeichnen: der Mann bleibt abends bei der Familie. So gesehen hat dieses neue Produkt auch einen gesellschaftlichen Einfluss wie er bisher noch nie zu beobachten war: Feierabendunterhaltung findet ab sofort im eigenen Wohnzimmer statt. Das ist eine nicht zu unterschätzende Stütze für den Zusammenhalt der Gesellschaft im Kleinen, denn in Folge der damaligen Wirtschaftsverhältnisse verlor erarbeiteter Verdienst in Form von Geld seinen Wert schneller als dass man das Geld ausgeben konnte. Das ist letzten Endes der Preis der Bevölkerung für einen ohne Not angezettelten Weltkrieg. Entsprechendes wiederholte sich nach dem zweiten Weltkrieg – und wir dürfen gespannt sein, wer die wahren Kosten der Kriege unserer Tage zu zahlen hat.

Wie fruchtbar bereits in diesen Jahren die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung ist, belegt der zum 75jährigen Jubiläum der Großherzoglich Badischen Uhrmacherschule dort entwickelte Telefoniesender für Kurzwellen. Es wurden Radiobestandteile von B. K. S. (Bild 10) eingesetzt, Projektleiter war Emil Jäger, Direktor dieser Vorgängerinstitution der Hochschule Furtwangen (heute Universität der angewandten Wissenschaften genannt). Bereits im Jahr 1926 wird Radiotechnik als ordentliches Lehrfach aufgenommen. In späteren Jahren ist Emil Jäger (verheiratet mit Olga geb. Ketterer) Geschäftsführer von B. K. S.

Das Radiogeschäft bei Ketterer dauerte bis in die Anfänge der 1930er Jahre (ausgelagert in BADUF). Dr. Weiss verließ Ketterer mit dem Ziel SABA. SABA war insbesondere mit seinem Chefkonstrukteur Dipl.-Ing. Leuthold extrem erfolgreich. 1930 brachte SABA das Radiogerät S35 (Bild 12) auf den Markt. Schaltung und Qualität dieses von Leuthold entwickelten Gerätes war zukunftsweisend – und ein Problem für Ketterer im Wettbewerb. Ferner erkannte SABA auch, wie wichtig die Nähe zum Endkunden ist, verfasste Service-Handbücher und baute damit arbeitend eine deutschlandweit mobil agierende Service-Abteilung auf – das waren Komponenten der Unternehmensgestaltung, die Ketterers Radio-Aktivitäten auf Dauer den Erfolg verwehrten.

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Bild 12: SABA S35 „Der Sieger“ von 1930

Neben dem etablierten Unternehmenspfad der Elektrizitätszähler entwickelte Oskar Ketterer die Fabrikation elektrischer Messinstrumente zur Anzeige von Spannung, Strom und Widerstand (OK FAMI). Das Prinzipbild eines solchen Messgerätes zeigt Rückbesinnung auf bereits bekannte Bauelemente: die Federn zur Stromversorgung des eigentlichen Messwerkes (Bild 13). Als eines der Produkte schaut die Verwandtschaft zum Uhrengehäuse heraus (Bild 14).

Bild 13: Messgerät, Prinzip der Drehspule Bild 14: Fertiges Produkt (Dreheisenprinzip)

Allerdings war auch hier die Konkurrenz stark: Messgeräte-Hersteller wie Hartmann und Braun in Frankfurt/Main brachten Messgeräte in Vielfalt und Präzision auf den Markt, so dass auch diese Nische im Produktspektrum Ketterers Mitte der 1950er Jahre aufgegeben wurde.

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Ketterer mit seinen Ideen für Neues gab jedoch nicht auf: Schaltwerke, wie sie für die frühe Automatisierungstechnik benötigt wurden, elektrische Schaltuhren zum zeitbedingten Auslösen technischer Funktionen, z. B. auch in der Automatisierungstechnik, führten schließlich zur Auseinandersetzung mit der Mechatronik, umfassender als System-Technik bezeichnet.

Ein Werkzeug aus der Uhrentechnik steht an der Schwelle zur Elektronik: es handelt sich um ein Gerät zur automatischen Bestimmung der Charakteristik von Unruh-Federn sowie zum automatischen Abgleich dieser Unruh-Federn auf ihre Eigenschaft, insbesondere die Schwingungsdauer in Zusammenwirken mit dem Unruhereif. Die zur Diskussion stehende Unruh wird eingespannt, sie wird über einen periodisch ausgelösten Blasebalg zu Eigenschwingungen angeregt. Es wird die Schwingungscharakteristik rückwirkungsfrei als Änderung ihrer elektrischen Kapazität gegenüber ihrem Aufbau-Umfeld ausgewertet, indem die Formänderung der Feder das Messsignal erzeugt. Die Kapazität ist klein, sie liegt bei wenigen Picofarad, die Änderung bei Schwingungsdauer der Unruh ist noch einmal kleiner. Doch wie wertet man solche kleinen Werteänderungen in brauchbarer Form aus? Ein Lösungsvorschlag von Herrn Urban aus der Uhren- und Goldschmiedestadt Pforzheim funktioniert exakt wie ein Kurzwellen-Radio. Die Kapazität der Unruh-Feder ist Teil eines Schwingungskreises für den Kurzwellenbereich des umfunktionierten Radios. Beim Schwingen der Unruh ändert sich die Resonanzfrequenz des Eingangs-Schwingungskreises, dieses wird im Radio ausgewertet, und es wird im richtigen Rhythmus der Blasebalg zum berührungslosen Antrieb der Unruh ausgelöst. Hahnhart in Gütenbach setzte dieses Gerät bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts ein, obwohl das Gerät ganz konventionell – fast wie das Ketterer Radio von 1925 – mit Elektronenröhren arbeitete. Das Nachfolgegerät Spiromatic der Firma Greiner aus der Schweiz arbeitet noch heute nach dem gleichen Prinzip.

Das bereits oben benutzte Kunstwort Mechatronik veranschaulicht die gegenseitige Integration von Mechanik, Elektronik und Informatik. Die Bezeichnung Mechatronik lebt seit etwa 1970, sie beschreibt präzise den gerade etwas näher beleuchteten Pfad der hiesigen Unternehmenstätigkeiten, außer dass die Informatik erst seit etwa den 1975er Jahren bedeutsamen Einfluss auf technische Produkte hat. Der erste als „vollwertig“ bezeichnete Mikroprozessor war Intels Typ 8080 (Bild 15). Mit einigen Peripherieschaltkreisen war man damit in der Lage, Daten eines physikalischen Systems zu beobachten und zu beeinflussen, deshalb der Oberbegriff der System-Technik.

Bild 15: Intels 8080, hier der Typ C8080A

Damit konnte man Ideen aufgreifen, bei Geräten, die Mechanik (z. B. Getriebe), und Elektromotoren beinhalten, Bewegungsabläufe wie sie der Anwender haben möchte, programmdefiniert zu

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realisieren. Das kann beispielsweise ein Nadeldrucker sein, das kann eine speicherprogrammierbare Steuerung sein, es kann sich aber auch um flexibel anpassbare Arbeitsplätze handeln, wie sie bei Ketterer Getriebetechnik einen Großteil der Unternehmensaktivität ausmachen. Bild 16 zeigt ein aktuelles Beispiel.

Bild 16: Produkt der System-Technik, unübersehbar:

„In Verbindung mit LogicData Steuerung Compact-3“