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Handels- beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika

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Handels-beziehungen zwischen der

EU und Lateinamerika

In dieser Veröffentlichung soll ein Überblick über die Handelsbeziehungen zwischen der EU und ausgewählten Ländern Lateinamerikas gegeben werden. Die EU hat mit zwei lateinamerikanischen Staatengruppen (Cariforum und Zentralamerikagruppe) und vier anderen lateinamerikanischen Ländern (Mexiko, Chile, Peru und Kolumbien) Abkommen geschlossen. Auf den folgenden Seiten werden die abgeschlossenen Freihandelsabkommen (FHA) miteinander verglichen und die Motive für die Modernisierung der bestehenden Freihandelsabkommen EU-Mexiko und EU-Chile untersucht.

PE 579.086 ISBN 978-92-823-8910-2 doi:10.2861/95151 QA-01-16-261-DE-N

Das Originalmanuskript in englischer Sprache wurde im März 2016 fertiggestellt. Übersetzung abgeschlossen im Mai 2016.

Die Autoren danken Odile Maisse für ihre Unterstützung und ihren Beitrag zu einigen Grafiken. Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Daten in dieser Veröffentlichung von Eurostat.

HAFTUNGSAUSSCHLUSS UND URHEBERRECHT

Die Verantwortung für den Inhalt liegt ausschließlich beim Verfasser dieses Dokuments; eventuelle Meinungsäußerungen entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Das Dokument richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments und ist für deren parlamentarische Arbeit bestimmt. Nachdruck und Übersetzung zu nicht kommerziellen Zwecken mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

© Europäische Union, 2016

Fotonachweise: © Itan1409/Fotolia

[email protected] http://www.eprs.ep.parl.union.eu (intranet) http://www.europarl.europa.eu/thinktank (internet) http://epthinktank.eu (blog)

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ZUSAMMENFASSUNG

Aufgrund ihrer historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zu Lateinamerika und der Karibik (LAC) pflegt die Europäische Union eine enge Zusam-menarbeit und den politischen Dialog mit der Region. Die Länder, die die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) bilden, sind der fünftgrößte Handelspartner der EU. Die meisten lateinamerikanischen Länder sind stark von den USA abhängig. Neuere Entwicklungen sind das Erstarken der asiatischen Länder (insbesondere Chinas) im Handel mit Lateinamerika und ein gewisser Anstieg des inter-regionalen Handels (insbesondere die wachsende Bedeutung Brasiliens und Mexikos als regionale Partner).

Die EU hat mit zwei lateinamerikanischen Staatengruppen (Cariforum und Zentral-amerikagruppe) und vier anderen lateinamerikanischen Ländern (Mexiko, Chile, Peru und Kolumbien) Abkommen geschlossen. Ecuador, das 2009 die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der EU und der Andengemeinschaft verlas-sen hatte, hat sich entschlossen, dem FHA der EU mit Kolumbien und Peru beizutreten; die Verhandlungen über den Beitritt Ecuadors wurden im Jahr 2014 abgeschlossen. Seit 1999 verhandeln die EU und der Mercosur (unter Ausschluss Venezuelas) im Rahmen der Gesamtverhandlungen für ein biregionales Assoziierungsabkommen, das auch die Säulen politischer Dialog und Zusammenarbeit umfassen soll, über ein Handels-abkommen. 2004 wurden die Gespräche wegen Differenzen in Bezug auf den Handel mit Agrarerzeugnissen und Dienstleistungen und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte unterbrochen. 2010 nahm die EU die Verhandlungen mit dem Mercosur über ein umfassendes Handelsabkommen wieder auf, doch stagnieren die Gespräche derzeit aufgrund des Streits um die Liberalisierung des Agrarsektors. Die Mercosur-Länder bleiben die wichtigsten Handelspartner der EU in der Region.

Die zwischen der EU und lateinamerikanischen Ländern geschlossenen FHA weisen in Bezug auf Anwendungsbereich und Methodik deutliche Unterschiede auf je nach Zeitpunkt, zu dem sie geschlossen wurden, und Kontext der Verhandlungen. Außerdem ist die EU auf die unterschiedlichen Forderungen der Handelspartner flexibel einge-gangen und hat differenzierte Zeitpläne angeboten, um den unterschiedlichen Entwick-lungserfordernissen Rechnung zu tragen. Die Kommission hat die Modernisierung der im Jahr 2000 bzw. 2002 abgeschlossenen Freihandelsabkommen EU-Mexiko und EU-Chile vorgeschlagen. Diese Handelsabkommen – sie waren die ersten, die zwischen der EU und lateinamerikanischen Ländern geschlossen wurden – gehen in Bezug auf Libera-lisierung und Anwendungsbereich weniger weit als die in jüngerer Zeit von der EU ausgehandelten Abkommen oder die Transpazifische Partnerschaft, die Chile und Mexi-ko im vergangenen Jahr mit zehn anderen Partnern (einschließlich der USA) geschlossen haben. Die genannten EU-Freihandelsabkommen enthalten unter anderem keine spezifischen Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung (diese werden in weniger strengen Rahmenabkommen über politischen Dialog abgedeckt) und nur eingeschränkte WTO+-Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums, Dienstleistungen, Investitionen und Regulierung.

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INHALT

1. Überblick über die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der EU mit ausgewählten regionalen Gruppen und Ländern ..................................................................................... 3

1.1. EU-Andengemeinschaft .......................................................................................... 4

1.2. EU-Zentralamerika .................................................................................................. 8

1.3. EU-Cariforum .......................................................................................................... 9

1.4. EU-Mercosur ......................................................................................................... 11

1.5. EU-Mexiko ............................................................................................................ 16

1.6. EU-Chile ................................................................................................................ 19

2. Vergleichender Überblick über die bestehenden Abkommen zwischen der EU und lateinamerikanischen Ländern ........................................................................................ 22

2.1. Unterschiedliche Verhandlungsmethodiken ........................................................ 22

2.2. Inhaltliche Unterschiede zwischen den Abkommen „älterer“ und denjenigen „neuerer“ Generation .................................................................................................. 23

2.3. Vertiefung und Erweiterung der Handelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika .............................................................................................................. 25

3. Wichtige Quellen ......................................................................................................... 26

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Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen

APEC: Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation

CAN: Andengemeinschaft

Caricom: Karibische Gemeinschaft

Cariforum: Karibisches Forum afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten

CELAC: Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten

GA: Geografische Angaben

LAC: Lateinamerikanische Länder

Mercosur: Südlicher Gemeinsamer Markt

NAFTA: Nordamerikanische Freihandelszone

OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

SPS: Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen

TBT: Technische Handelshemmnisse

TPP: Transpazifische Partnerschaft

TTIP: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft

1. Überblick über die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der EU mit ausgewählten regionalen Gruppen und Ländern

Aufgrund ihrer historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zu Lateinamerika und der Karibik (LAC) pflegt die Europäische Union eine enge Zusam-menarbeit und den politischen Dialog mit der Region. Biregionale EU-LAC-Gipfel gibt es bereits seit 1999, und seit 2013 finden im zweijährigen Turnus Gipfeltreffen mit der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) als Gesprächspartner der EU statt.

Die CELAC-Länder sind zusammengenommen der fünftgrößte Handelspartner der EU (über 200 Mrd. EUR Gesamthandelsvolumen), und die EU ist der zweitgrößte Handels-partner Lateinamerikas (drittgrößter im Warenhandel nach den USA und China). Die EU exportiert hauptsächlich Industrieerzeugnisse und importiert Primärerzeugnisse. Die wichtigsten EU-Handelspartner der LAC-Länder sind Deutschland, Spanien und Frankreich, während Brasilien und Mexiko mehr als die Hälfte des gesamten EU-Handels mit der Region auf sich vereinigen. Die EU bleibt mit 35 % der ausländischen Direktinvestitionen (DI) der Hauptinvestor und ist auch der wichtigste Partner in der Entwicklungszusammenarbeit.

Wie die Daten auf den folgenden Seiten zeigen, sind die meisten regionalen Gruppen und Länder in Lateinamerika stark vom US-Markt abhängig (dies gilt im Besonderen für Mexiko). Neuere Entwicklungen sind das Erstarken der asiatischen Länder (insbesondere Chinas) im Handel mit Lateinamerika und ein gewisser Anstieg des interregionalen Handels (insbesondere die wachsende Bedeutung Brasiliens und Mexikos als regionale Partner). Aufgrund des Erstarkens der asiatischen Partner und der anhaltenden Übermacht der USA ist der Marktanteil der EU im lateinamerika-nischen Handel seit Mitte der 1990er Jahre zurückgegangen; durch diese Entwicklun-gen wurde es notwendig, einen Rahmen von Handelsabkommen zu schaffen, um den

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EU-LAC-Handel zu stärken. Die EU hat mit zwei lateinamerikanischen Staatengruppen (Cariforum und Zentralamerikagruppe) und vier anderen lateinamerikanischen Ländern (Mexiko, Chile, Peru und Kolumbien) Abkommen geschlossen.

1.1. EU-Andengemeinschaft

Der politische Dialog mit der Andengemeinschaft (CAN) begann 1996 mit der Erklärung von Rom, die als Rahmen für die gegenseitigen Beziehungen durch das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit von 2003 ersetzt wird, sobald dieses ratifiziert ist. Nach dem Abbruch der Verhandlungen zur Erzielung eines vollwertigen Assoziie-rungsabkommens im Jahr 2008 wurde ein neues Verhand-lungsformat eingeführt: fortgesetzte regionale Verhandlun-gen mit der Andengemeinschaft insgesamt über politischen Dialog und Zusammenarbeit und „mehrseitige“ Verhandlun-gen mit den Staaten der Andengemeinschaft, die bereit

waren, Gespräche aufzunehmen. Als Erstes wurde im Jahr 2012 ein Abkommen mit Kolumbien und Peru geschlossen. Ecuador und Bolivien zogen sich zunächst aus den Verhandlungen zurück, doch nahm Ecuador später die Verhandlungen über einen Beitritt zum Abkommen EU-Kolumbien und Peru wieder auf; im Juli 2014 wurde eine Einigung erzielt. Die Ratifizierung durch die Parteien steht jedoch noch aus.

Die EU ist der zweit- bzw. drittgrößte bilaterale Handelspartner und einer der wichtig-sten Investoren in den Ländern der Andengemeinschaft. Im Jahr 2014 belief sich das Gesamthandelsvolumen der EU mit den Ländern der Andengemeinschaft auf 28,8 Mrd. EUR. Die Länder der Andengemeinschaft exportieren hauptsächlich Primär-erzeugnisse (landwirtschaftliche Produkte, Brennstoffe und Bergbauerzeugnisse) in die EU, während die EU-Exporte über-wiegend aus Industrieerzeug-nissen (insbesondere Maschi-nen und Fahrzeuge und chemische Erzeugnisse) bestehen. Die fehlende Diversifizierung des Handels trifft auch auf Kolumbien und Peru zu, die bereits ein Freihandelsabkommen (FHA) mit der EU geschlossen haben. Entsprechend haben diese beiden Länder den größten Anteil am Handel aus der Andengemeinschaft in die EU (siehe Daten zum Handel Kolumbiens und Perus). Im Jahr 2014 waren die USA der wichtigste Exportmarkt der Region, gefolgt von der EU, China und dem Mercosur. Die Importe kamen überwiegend aus den USA, China, der EU und dem Mercosur. Kolumbien und Peru gehören auch der Pazifischen Allianz an, einer regionalen Integrationsinitiative der Länder Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru.

Der Kampf gegen Drogen stand immer weit oben auf der Agenda der politischen Gespräche zwischen der EU und der Andengemeinschaft, und Mitte der 1990er Jahre wurde ein Dialog auf hoher Ebene über Drogen eingerichtet. Im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) wurde den im Kampf gegen Drogen aktiven Ländern der Andengemeinschaft ein besserer Marktzugang angeboten, was zu einem wichtigen Element der APS-Auflagen wurde und ein Streitverfahren vor der

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Welthandelsorganisation (WTO) zu EG-Zollpräferenzen zur Folge hatte. In ihrem Regionalen Strategiepapier 2007-2013 hat die EU Mittel im Umfang von 50 Mio. EUR für diese Subregion vorgesehen mit Schwerpunkt auf drei Bereichen: sozialer Zusammenhalt, regionale wirtschaftliche Integration und Bekämpfung illegaler Drogen. Eine Priorität der Ersten Mehrjährigen Indikativen Programme für die laufende Periode (2014-2017) für Kolumbien, Peru und Ecuador ist nachhaltiger Handel/Investitionen mit vorläufigen Beträgen von 10 Mio. EUR für Kolumbien und Ecuador und 9,9 Mio. EUR für Peru, was 15 % des Gesamtbetrages für jedes Land entspricht. Weitere Schwerpunkte sind Reformen des Justizsektors, Kampf gegen illegale Drogen und integrierte Wasserressourcenbewirtschaftung für Bolivien, integrative Entwicklung auf lokaler Ebene für Peru, lokale Entwicklung und Aufbau von Institutionen für Kolumbien und Unterstützung für nachhaltiges und integratives Wachstum auf lokaler Ebene für Ecuador.

Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

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EU-Warenverkehr mit Peru

EU-Warenverkehr mit Peru nach Produkten (2014)

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EU-Warenverkehr mit Kolumbien

EU-Warenverkehr mit Kolumbien nach Produkten (2014)

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1.2. EU-Zentralamerika

Die Beziehungen der EU zu Zentralamerika gehen zurück auf die 1980er Jahre, als die EU den erfolgreichen Friedensprozess in der Region (San-José-Dialog) unterstützte. Das am 29. Juni 2012 unterzeichnete neue Assoziierungsabkommen ruht auf drei ergänzenden Säulen: politischer Dialog, Zusammenarbeit und Handel als Mittel zur Unterstützung von wirtschaftlichem Wachstum, Demokratie und politischer Stabilität. Seine Ziele sind auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Vertiefung der regionalen Integration gerichtet.

In der Vergangenheit waren die Vereinigten Staaten von Amerika der wichtigste Handels-partner (rund 32 % der Ausfuh-ren) und die EU der drittgrößte Markt Zentralamerikas (rund 9 % der Ausfuhren). Der Zentralameri-kanische Gemeinsame Markt ist für die meisten Länder in der Region der zweitgrößte Handels-partner (26,2 % aller Ausfuhren). Laut Eurostat beliefen sich die Handelsströme zwischen der EU und Zentralamerika auf 11,6 Mrd. EUR im Jahr 2014. Die wichtigsten Einfuhren in die EU aus Zentralamerika sind elektronische Bauteile für Datenverarbeitungsmaschinen, Kaffee, Bananen und Grapefruits; die wichtigsten Ausfuhren aus der EU nach Zentralamerika sind Maschinen, Apparate und mechanische Geräte, elektrische Geräte, Pharmazeutika, Kraftfahrzeuge und Waren aus Stahl.

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Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

1.3. EU-Cariforum

Die Beziehungen der EU zu den karibischen Staaten entwickelten sich anfangs innerhalb der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (ACP). Der erste regio-nale Gesprächspartner der EU war die Karibische Gemeinschaft (Caricom), jedoch unter Einschluss Haitis und der Dominikanischen Republik, wobei das Karibische Forum afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (Cariforum, 1992) mit der Verwaltung und Koordinierung der Planung der karibischen regionalen Ressourcen beauftragt

wurde. Außer auf das Abkommen von Cotonou stützen sich die Beziehungen auf das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EU-Cariforum und die gemeinsame Partnerschaftsstrategie EU-Karibik. Ein Binnenmarkt für Waren besteht bereits in den Caricom-Staaten.

Die EU ist nach den USA der zweit-größte Handelspartner der Cariforum-Staaten. Im Jahr 2011 belief sich der Handel zwischen den zwei Regionen auf mehr als 8 Mrd. EUR. Die Haupt-ausfuhrgüter aus der Karibik in die EU sind Brennstoffe und Bergbauerzeug-nisse, Bananen, Zucker und Rum, Mineralien und Düngemittel. Die Haupteinfuhrgüter aus der EU sind Boote und Schiffe, Autos, Baufahr-zeuge und Maschinenteile, Telefonapparate, Milch und Rahm und alkoholische Geträn-ke. Dienstleistungen sind für die Cariforum-Handelsbeziehungen von großer Bedeutung, insbesondere im Bereich Tourismus, Finanzdienstleistungen und Baudienstleistungen. Die wichtigsten Ziele des Karibischen Regionalprogramms (11. EEF, 2014-2020) sind regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration, Klimawandel, Umwelt, Katastrophenmanagement und nachhaltige Energie sowie Kriminalitätsbekämpfung und Sicherheit.

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Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

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1.4. EU-Mercosur

Mercosur, der „Gemeinsame Markt des Südens“, ist ein im Jahr 1991 gegründeter regionaler südamerikanischer Handels-block. Seine Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela; Bolivien als eines der derzeit fünf assoziierten Mitglieder hat im Dezember 2012 ein Beitritts-protokoll unterzeichnet (die Ratifizierung durch alle Mercosur-Parlamente steht noch aus). Der Mercosur ist der viertgrößte Handelsblock der Welt mit einem gemeinsamen BIP von 3,2 Billionen USD (2014). Die Bevölkerungszahl des Mercosur liegt bei fast 286 Millionen mit einem Pro-Kopf-BIP von 10 348 USD. Ziel des Mercosur ist es, einen gemeinsamen

Markt unter seinen Mitgliedstaaten zu errichten. Gemäß Artikel 1 des Mercosur-Gründungsvertrages (Vertrag von Asunción) ist das Ziel die Schaffung eines gemein-samen Markts, doch ist der Block noch immer weit von diesem Ziel entfernt. Aus mehreren Studien geht hervor, dass es dem Mercosur nicht gelungen ist, seine Harmo-nisierungsagenda (einschließlich wettbewerbspolitischer und technischer Vorschriften) erfolgreich umzusetzen, was teilweise auf die Unzulänglichkeit der nationalen Institu-tionen in den Mitgliedsländern zurückzuführen ist (die regulatorische Zusammenarbeit innerhalb des Mercosur ist ein Mandatsauftrag).1 Zwar ist der Mercosur-Binnenhandel seit der Gründung deutlich gestiegen, er macht jedoch noch im-mer einen nur kleinen Prozentsatz des Gesamt-handels der Mitglieder aus. Laut der Charta des Mercosur dürfen seine Mitgliedstaaten keine FHA mit Nichtmitglied-staaten schließen, doch sind seine Mitglieder über den Mercosur an einigen – bereits abgeschlossenen oder derzeit verhandelten – Präferenzhandelsabkommen beteiligt, darunter den FHA mit dem Nachbar Peru sowie mit Ägypten, der Palästinensischen Behörde und Israel.

1 Mariana Mota Prado und Vladimir Bertrand, Regulatory Cooperation in Latin America: The Case of

Mercosur, 78 Law and Contemporary Problems 205, 2015.

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Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

Seit 1999 verhandeln die EU und der Mercosur (unter Ausschluss Venezuelas) im Rahmen der Gesamtverhandlungen für ein biregionales Assoziierungsabkommen, das auch die Säulen Politik und Zusammenarbeit umfasst, über ein Handelsabkommen. 2004 wurden die Gespräche wegen Differenzen in Bezug auf den Handel mit Agrarerzeugnissen und Dienstleistungen und die Öffnung der öffentlichen Beschaf-fungsmärkte unterbrochen. Die letzte Verhandlungsrunde begann im Jahr 2010, doch konnten bislang keine signifikanten Fortschritte im Bereich Handel erzielt werden. Während des EU-Mercosur-Ministertreffens in Brüssel im Juni 2015 vereinbarten die zwei Blöcke, auf einen Austausch von Angeboten zum Marktzugang im letzten Quartal des Jahres 2015 hinzuarbeiten, doch steht dieser Austausch bislang noch aus.

Es ist ein Besuch der technischen Verhandlungsführer in Montevideo geplant, um bei der Ausarbeitung der Vorschläge voranzukommen, die dann im Laufe des Jahres 2016 ausgetauscht werden sollen. Die Vorschläge beziehen sich auf Zolltarifsenkungen in den verschiedenen Bereichen und einen Zeitplan, der für beide Seiten annahmefähig wäre. Die größten Hindernisse, die bisher der Erzielung eines Abkommens im Wege standen, waren Fragen des Agrarsektors, speziell der Konflikt zwischen dem auf die Liberalisie-rung des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten gerichteten Druck des Mercosur und dem Wunsch der EU nach Protektionismus in der Landwirtschaft. Auch der Umfang des zu liberalisierenden Handels sowie der Zeitplan für den Zollsenkungsprozess waren schwierige Themen, wobei die Vorgängerregierung in Argentinien auf weniger Libera-lisierung des Handels und einen längeren Zeitplan für den Zollsenkungsprozess bestand.

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Mit dem Führungswechsel in Argentinien und dem Amtsantritt des wirtschafts-freundlichen, auf Marktöffnung setzenden Präsidenten Mauricio Macri scheint sich nun die Chance zu eröffnen, zu einer endgültigen Einigung zu kommen. Präsident Macri äußerte sich optimistisch hinsichtlich eines möglichen Austauschs von Zollangeboten im ersten Quartal des Jahres 2016. Aus neueren Berichten geht hervor, dass dies noch vor Ende April 2016 für mindestens 90 % der Handelserzeugnisse geschehen könnte. Die wichtigsten Ausfuhrgüter aus dem Mercosur in die EU sind landwirtschaftliche Erzeug-nisse und Rohstoffe, während die EU überwiegend Industrieerzeugnisse in den Mercosur exportiert.

Ökonomisch gesehen steigen die Kosten der Nichteinigung für den Mercosur, da alle seine Mitglieder mit Ausnahme Paraguays nicht mehr zu den im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems der EU (ASP) begünstigten Ländern zählen und somit einem härteren Wettbewerb der noch durch das APS begünstigten Länder ausgesetzt sind. Laut einer Studie von Copenhagen Economics aus dem Jahr 2011 könnte das Abkommen das BIP in der EU um 15-21 Mrd. EUR und für die Länder des Mercosur um 2-3 Mrd. EUR steigern. Brasilien – das in Bezug auf BIP, Einwohnerzahl und Staatsgebiet größte Mitglied des Mercosur – ist der wichtigste Handelspartner der EU im Mercosur; das gesamte Handelsvolumen Brasiliens mit der EU belief sich im Jahr 2014 auf 67,8 Mrd. EUR, was etwa 71,4 % des gesamten Handels des Mercosur mit der EU entspricht. Brasilien pflegt seit 2007 auch eine Strategische Partnerschaft mit der EU. Im Rahmen des Gemeinsamen Aktionsplans für die Strategische Partnerschaft verein-barten die Partner, auf den Abschluss eines ausgewogenen und umfassenden Abkom-mens EU-Mercosur hinzuarbeiten und den Regulierungs- und Industriedialog zwischen den zwei Regionen zu stärken. Das Gesamthandelsvolumen Argentiniens mit der EU belief sich auf 15,9 Mrd. EUR, was etwa 16,7 % des gesamten Handels des Mercosur mit der EU entspricht.

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EU-Warenverkehr mit Brasilien

EU-Warenverkehr mit Brasilien nach Produkten (2014)

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EU-Warenverkehr mit Argentinien

EU-Warenverkehr mit Argentinien nach Produkten (2014)

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1.5. EU-Mexiko

Mexiko war das erste lateinamerikanische Land, das ein Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit („Globales Abkommen“) mit der EU unterzeichnet hat (1997, seit dem Jahr 2000 in Kraft, wird voraussichtlich bald modernisiert), welches die Bereiche politischer Dialog, Handel und Zusammenarbeit einschließlich einer Freihandelszone umfasst. Der bilaterale Handel zwischen der EU und Mexiko stieg in den darauf folgenden Jahren um mehr als 140 %. Mexiko pflegt auch eine Strategische Partnerschaft mit der EU, die einen weitreichenderen Dialog und eine engere Zusammenarbeit

zwischen beiden Parteien anstrebt. Mexiko gehört zu den G-20-Staaten, der OECD, der Pazifischen Allianz und der APEC.

Die EU ist Mexikos drittgrößter Handelspartner, während Mexiko an 15. Stelle der Handelspartner der EU steht. Die EU ist nach den USA auch Mexikos zweitgrößter Exportmarkt und Mexikos drittgrößte Einfuhrquelle nach den Vereinigten Staaten von Amerika und China. Im Jahr 2014 beliefen sich die Ausfuhren der EU nach Mexiko auf 44,6 Mrd. USD, die Einfuhren aus Mexiko in die EU hatten ein Volumen von 20,4 Mrd. USD. Der bilaterale Handel hat sich seit Inkrafttreten der Handelssäule des Globalen Abkommens nahezu verdreifacht und entspricht 8 % des mexikanischen Außenhandels (64 % des Gesamthandels Mexikos entfallen auf die USA). Die Hauptausfuhrgüter der EU nach Mexiko sind Maschinen und elektrische Geräte, Beförderungsmittel, chemische Erzeugnisse und Mineralerzeugnisse; die Haupt-ausfuhrgüter Mexikos in die EU sind Mineralerzeugnisse (hauptsächlich Rohöl), Maschinen und elektrische Geräte, Beförderungsmittel und optisch-fotografische Präzisionsinstrumente. Im Unterschied zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern, die im Wesentlichen Rohstoffanbieter sind, liefert Mexiko hauptsächlich Industrieerzeugnisse. Mexiko ist Nettoimporteur von Dienstleistungen aus der EU, hauptsächlich in den Bereichen Transport und Reisen.

Die EU ist ein wichtiger Anbieter von Investitions- und Vorleistungsgütern für die Produktionsprozesse der mexikanischen Montageunternehmen, die in die USA expor-tieren. Die Vereinigten Staaten von Amerika, die in den vergangenen 15 Jahren einen Anteil von 49 % der gesamten ausländischen Direktinvestitionen verzeichneten, haben die EU (mit 39 %) als Mexikos wichtigsten Investor abgelöst. Mexiko hat sich auf ein ehrgeiziges Programm nationaler Strukturreformen im „Pakt für Mexiko“ geeinigt (einschließlich Reformen im Bereich Steuern, Energie/Telekommunikation und Bildung) und die Einführung von Mechanismen zur Steigerung der Investitionen in die Infra-struktur vorangetrieben, was der OECD zufolge zu mehr Vertrauen in das Land führt und gute Ergebnisse verspricht.

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Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

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EU-Warenverkehr mit Mexiko

EU-Warenverkehr mit Mexiko nach Produkten (2014)

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1.6. EU-Chile

Die Beziehungen zwischen der EU und Chile stützten sich anfangs auf das Rahmenabkommen über Zusammenarbeit aus dem Jahr 1996 und wurden später im Assoziierungs-abkommen EU-Chile von 2002 (seit 2005 in Kraft) weiter ausgebaut, das noch immer einen umfassenden Rahmen für die bilateralen Beziehungen in Bezug auf Politik, Handel und Zusammenarbeit bildet und auch einen politischen Dialog auf verschiedenen Ebenen vorsieht. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Chile (in Kraft seit 2003) führte zu einem deutlichen Handelszuwachs (2011 erreichte der bilaterale Handel ein Volumen von 18,6 Mrd. EUR, 2003 waren es noch

7,7 Mrd. EUR). Seit 2005 ist eine Freihandelszone voll in Kraft, und derzeit werden Anstrengungen zur Modernisierung des Abkommens unternommen. Die EU ist Chiles drittwichtigster Handelspartner, seine drittgrößte Importquelle und sein zweitgrößter Exportmarkt. Fast ein Drittel der Kupferausfuhren Chiles gehen an die EU-28. Die Haupteinfuhrgüter in die EU aus Chile sind Bergbauerzeugnisse wie z. B. Erze und Nichteisenmetalle, vor allem Kupfer. Der Agrarsektor macht nahezu ein Viertel der Gesamteinfuhren aus Chile in die EU aus und umfasst hauptsächlich Wein, Obst und Gemüse, Fisch und Holzprodukte (z. B. Zellulose). Die wichtigsten EU-Ausfuhrgüter nach Chile sind Maschinen und elektrische Geräte, Beförderungsmittel, chemische Erzeug-nisse und Brennstoffe. Chile ist der drittgrößte Empfänger (nach Brasilien und Mexiko) von DI-Zuflüssen nach Lateinamerika und verzeichnet gemessen an seiner Wirtschafts-größe die höchsten DI-Bestände (77 % des BIP, während der regionale Durchschnitt bei 35 % liegt). Chile gehört zur OECD und zur Pazifischen Allianz. Die EU hat noch weitere Abkommen mit Chile unterzeichnet, zum Beispiel im Bereich Wissenschaft und Technologie und Regionalpolitik.

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Quelle: Europäische Kommission, Eurostat und GD Handel.

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EU-Warenverkehr mit Chile

EU-Warenverkehr mit Chile nach Produkten (2014)

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2. Vergleichender Überblick über die bestehenden Abkommen zwischen der EU und lateinamerikanischen Ländern

Die EU hat mit zwei lateinamerikanischen Staatengruppen (Cariforum und Zentral-amerikagruppe) und vier anderen lateinamerikanischen Ländern (Mexiko, Chile, Peru und Kolumbien) Abkommen geschlossen. Diese Abkommen weisen in Bezug auf Anwendungsbereich und Methodik deutliche Unterschiede auf je nach Zeitpunkt, zu dem sie geschlossen wurden, und Kontext der Verhandlungen.

Tabelle 1: Handelsabkommen zwischen der EU und den Ländern Lateinamerikas

Handelspartner Name des Handelsabkommens Tag der Unterzeichnung

Zugehöriges politisches Abkommen

Mexiko Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit

2000 Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit

Chile Assoziierungsabkommen 2002 Assoziierungsabkommen (ersetzt das frühere Rahmenabkommen über Zusammenarbeit)

Cariforum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen 2008 (Haiti 2009)

Abkommen von Cotonou

Zentralamerika Assoziierungsabkommen 2012 Assoziierungsabkommen (ersetzt das frühere Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit)

Peru – Kolumbien

Handelsabkommen 2012 Erklärung zum politischen Dialog von 1996 (soll ersetzt werden durch das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit von 2003, das noch nicht in Kraft ist)

2.1. Unterschiedliche Verhandlungsmethodiken

Das Verfahren für den Abschluss der Verhandlungen über ein FHA zwischen der EU und Mexiko war – vorsichtig ausgedrückt – ein Verfahren sui generis; denn das FHA EU-Mexiko wurde nicht wie andere Handelsabkommen zu einem einzigen Zeitpunkt abgeschlossen, sondern als „lebendiges“ Abkommen in Form eines im Dezember 1997 unterzeichneten allgemeinen Rahmenvertrages vereinbart, bezeichnet als „Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit“ (das sogenannte „Globale Abkommen“). In diesem Globalen Abkommen wurden die drei Säulen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und Mexiko festgelegt und die Grund-lage für die weiteren Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen geschaffen. Mit dem gleichzeitig mit dem Globalen Abkommen abgeschlossenen Interimsabkommen

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wurde ein Gemeinsamer Rat als Beschlussgremium für die Umsetzung der Abkommen eingesetzt; dieser Gemeinsame Rat setzte sich zusammen aus den Mitgliedern des Rates der Europäischen Union und Mitgliedern der Europäischen Kommission auf der einen Seite und Mitgliedern der Regierung Mexikos auf der anderen Seite und wurde von einem Gemeinsamen Ausschuss unterstützt, der die Verhandlungen zur Umsetzung der Regeln effektiv weiterführen sollte. Von November 1998 an fanden mehrere Verhandlungsrunden statt. Am 24. November 1999 wurden die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-Mexiko abgeschlossen. Kraft der Beschlüsse des Gemeinsamen Rates EU-Mexiko wurde eine Freihandelszone für Waren (Beschluss 2/2000) und eine Freihandelszone für Dienstleistungen (Beschluss 2/2001) errichtet. Der Grund, weshalb man für die Gespräche zwischen der EU und Mexiko diesen Weg wählte, war das Inkrafttreten der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) im Jahr 1994, wodurch es für die EU notwendig wurde, schnell ein Abkommen mit Mexiko zu schließen, um auf dem aufstrebenden mexikanischen Markt nicht an Boden zu verlieren. Aus mexikanischer Sicht war es aufgrund der starken Abhängigkeit vom US-amerikanischen Markt notwendig, nach weiteren Partnern zu suchen und einen Diversifizierungsprozess in Gang zu setzen (außer mit der EU schloss Mexiko in jenen Jahren auch FHA mit Chile, EFTA-Ländern, Israel, Uruguay und Japan).

Auch die Struktur des Abkommens zwischen der EU und Peru und Kolumbien resultiert aus den besonderen Umständen der betreffenden Verhandlungen. Die Verhandlungen wurden zunächst als regionales Abkommen zwischen der EU und der Anden-gemeinschaft begonnen. Ecuador und Bolivien zogen sich jedoch aus den Verhand-lungen zurück, weshalb die Gespräche bilateral mit Peru und Kolumbien weitergeführt wurden; das Ergebnis war der Abschluss eines Rahmenhandelsabkommens mit unter-schiedlichen Zeitplänen für Peru und Kolumbien. Aufgrund des Risikos, seinen Status als im Rahmen des APS begünstigtes Land zu verlieren, nahm Ecuador Verhandlungen über den Beitritt zu diesem Abkommen auf.

Auch im Abkommen mit den Cariforum-Staaten wurden differenzierte Zeitpläne verwendet, um den unterschiedlichen Entwicklungserfordernissen Rechnung zu tragen.

Eine zum Teil unterschiedliche Behandlung ist auch im Abkommen mit Zentralamerika vorgesehen. Die flexible Anpassung an die Erfordernisse der verschiedenen Partner war ein besonderes Merkmal der Verhandlungen der EU mit den Ländern Lateinamerikas im Gegensatz zu den USA, die sich stärker auf das NAFTA-Modell stützten.

2.2. Inhaltliche Unterschiede zwischen den Abkommen „älterer“ und denjenigen „neuerer“ Generation

Die Freihandelsabkommen EU-Mexiko und EU-Chile spiegeln aus inhaltlicher Sicht den Zeitpunkt ihres Abschlusses wider und unterscheiden sich stark von späteren Abkom-men.

Themenbereiche wie regulatorische Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung sind hier weit weniger entwickelt als in den späteren Abkommen.

Die Abkommen EU-Mexiko und EU-Chile umfassen bereits WTO+-Bestimmungen über technische Handelshemmnisse (TBT) und gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutz-rechtliche Maßnahmen (SPS), einschließlich Rahmenvereinbarungen zur regulato-rischen Zusammenarbeit (sowie Bestimmungen zur Zusammenarbeit mit dem Ziel gegenseitiger Anerkennungen). Diese Regeln werden in späteren Abkommen weiter

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ausgebaut. Zum Beispiel enthält das TBT-Kapitel im Abkommen mit Kolumbien und Peru eine Verpflichtung zur Verwendung internationaler Standards2 – sofern diese nicht zur Erreichung der legitimen Ziele ungeeignet oder unzureichend sind – und eine Reihe von Auflagen, unter anderem in Bezug auf den Austausch von Informationen zu Standards, zu Kennzeichnung und Etikettierung, Transparenzanforderungen und Konformitätsbewertungen.

Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung sind wichtige Bestandteile der neueren Abkommen. Die Ausrichtung auf die Entwicklungsziele zeigt sich insbesondere im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit dem Cariforum, das mit einer Partnerschaft zur nachhaltigen Entwicklung und einem klaren Bekenntnis beginnt, das Abkommen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung anzuwenden.3 Sowohl im EU-Abkommen mit Kolumbien und Peru als auch im Abkommen mit Zentralamerika sind spezifische Titel für Fragen des Handels und der nachhaltigen Entwicklung vorgesehen. In den Abkommen EU-Chile und EU-Mexiko gibt es kein spezielles Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung, obwohl dieses Thema in den politischen Dialogen teilweise angesprochen wurde.

In den FHA EU-Chile und EU-Mexiko sind die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums weniger entwickelt als die TRIPS+-Bestimmungen, die Bestandteil der neueren Abkommen sind. Zwar wurden in die Abkommen EU-Chile und EU-Mexiko geografische Angaben (GA) aufgenommen, doch konzentrierten sich diese im Wesentlichen auf Weine und Spirituosen, im Unterschied zu den GA-Bestimmungen in anderen Abkommen, die auch Lebensmittel mit einschließen (zum Beispiel im FHA EU-Zentralamerika und im FHA EU-Kolumbien und Peru). Im Cariforum-Abkommen wurde eine „Rendezvous-Klausel“4 eingefügt, mit der es den Ländern ermöglicht werden soll, vor dem Abschluss eines GA-Abkommens einen nationalen regulatorischen Rahmen für geografische Angaben zu erstellen.

Im Unterschied zu den Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommen, die sich auf die Bestätigung der GATS-Verpflichtungen in Bezug auf Dienstleistungen beschränkten, enthalten die Abkommen EU-Mexiko und EU-Chile einige GATS+-Aspekte. Außerdem gehen die in jüngerer Zeit ausgehandelten Abkommen einen Schritt weiter bei der Sicherstellung der GATS+-Verpflichtungen und erweitern die Bereiche regulatorischer Fragen, die in den Dienstleistungsbestimmungen zu regeln sind (einschließlich Datenschutzbestimmungen). Aus einer Studie zur Evaluierung des Freihandels-abkommens EU-Mexiko geht hervor, dass beide Parteien von einer weiteren Libera-lisierung der Agrarmärkte und der Agrarindustrie profitieren würden, da das derzeitige FHA diese Bereiche nur begrenzt abdeckt. Abschließend sei erwähnt, dass keines der Abkommen der EU mit Ländern Lateinamerikas Bestimmungen zum Investitionsschutz enthält; solche Bestimmungen finden sich in bilateralen Investitionsabkommen mit einigen EU-Mitgliedstaaten.

2 Artikel 76 des Handelsabkommens EU-Kolumbien und Peru. 3 Siehe Teil 1 und insbesondere Artikel 3 des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens EU-Cariforum. 4 Artikel 145 des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens EU-Cariforum.

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2.3. Vertiefung und Erweiterung der Handelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika

Die obige vergleichende Analyse zeigt, wie wichtig die Aufforderung der Kommission zur Modernisierung der Freihandelsabkommen EU-Mexiko und EU-Chile ist, um diese Abkommen der neuen Handelsagenda anzupassen.

Schon das Freihandelsabkommen EU-Mexiko war weniger ambitioniert als NAFTA; der vor Kurzem erfolgte Abschluss der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), der sowohl Chile als auch Mexiko angehören, vertieft diese Kluft noch. Außerdem wäre es wichtig, das Abkommen EU-Mexiko an das neue, umfassendere Abkommen mit Kanada (CETA) und das geplante Abkommen mit den USA (TTIP) anzupassen, um in der Zukunft abkommenübergreifende Interaktionen zu ermöglichen.

Fortschritte bei der Erzielung eines FHA mit dem Mercosur sowie der Beitritt Ecuadors zum Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru würden außerdem bewirken, dass die EU umfassende Handelsabkommen mit fast allen latein-amerikanischen Ländern unterhält. Die EU hat in den letzten Jahren in Lateinamerika Marktanteile verloren, was vor allem auf das Erstarken Chinas (und Asiens generell) zurückzuführen ist. Viele lateinamerikanische Länder sind noch immer stark vom US-Markt abhängig und ihnen ist nicht gelungen, ihre Exporte zu diversifizieren (siehe Infografiken oben). Die gegenwärtige globale Konjunkturabschwächung hat Lateinamerika besonders schwer getroffen. Darüber hinaus haben sich die latein-amerikanischen Länder (und insbesondere die Mercosur-Mitglieder) dem Handel weniger stark geöffnet im Vergleich zu anderen aufstrebenden Marktregionen, weshalb eine tiefergehende Handelsintegration als Strategie zur Verbesserung der Wirtschafts-leistung der Region vorgeschlagen wurde.

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3. Wichtige Quellen

EU trade relations with Latin America: Results and challenges in implementing the EU-Colombia/Peru Trade Agreement, Maria J. Garcia, Europäisches Parlament, Generaldirektion Externe Politikbereiche, 2016.

The US and EU Free Trade Agreement with Peru and Colombia: a Comparison, Pasquale de Micco, Europäisches Parlament, Generaldirektion Externe Politikbereiche, 2014.

Latin American Trade Trend Estimates 2016, IDB, 2015 (1Q).

Regional Economic Outlook – Western Hemisphere adjusting under pressure, IMF, Oktober 2015.

Brazil: Impacts of a Preferential Trade Agreement with the European Union (first draft), Vera Thorstensen, Lucas Ferraz, EUROCHAMBERS, November 2015.

Evaluation of the effects of the Free Trade Agreement between the European Union and Mexico on bilateral trade and investment, BBVA Research Working Paper, Nr. 15/14, Mai 2015.

Evaluation of the implementation of the EU-Mexico FTA and an assessment of the possible modernisation of this Agreement, Report of the Stakeholder Consultation Workshop, 9. Juli 2015, ECORYS.

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den Ländern Lateinamerikas sind in den letzten Jahren wie-der in das Rampenlicht gerückt. Zusammengenommen sind die Länder der Gemeinschaft der Lateinameri-kanischen und Karibischen Staaten (CELAC) der fünft-größte Handelspartner der EU. Die EU hat mit zwei lateinamerikanischen Staatengruppen (Cariforum und Zentralamerikagruppe) und vier anderen lateinameri-kanischen Ländern (Mexiko, Chile, Peru und Kolum-bien) Abkommen geschlossen. Die zwischen der EU und Ländern Lateinamerikas geschlossenen FHA weisen in Bezug auf Anwendungsbereich und Metho-dik deutliche Unterschiede auf je nach Zeitpunkt, zu dem sie geschlossen wurden, und Kontext der Ver-handlungen. Die EU verfolgt nun das Ziel, die ältesten FHA, die mit Mexiko und Chile geschlossen wurden, zu modernisieren, um sie den gegenwärtigen Standards der EU-Freihandelsabkommen anzupassen. Doch müs-sen die langjährigen Verhandlungen über ein umfas-sendes Handelsabkommen mit dem Mercosur – dessen Abschluss bedeuten würde, dass die EU mit nahezu allen Ländern Lateinamerikas Handelsabkommen unterhält – mehr Fahrt aufnehmen.