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GLAUBE UND BEWUSSTSEIN Halbfas 17 - 40

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GLAUBE UND BEWUSSTSEINHalbfas 17 - 40

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Woher kommt der Glaube (an einen Gott)? Warum glauben Menschen etwas und nicht nichts?

• „Ich bin, weiss nit wer, ich komm, weiss nit, woher, ich geh, weiss nit wohin, mich wundert, dass ich fröhlich bin“

• Menschliche Sinnfrage als Ursprung von Glauben?• Sterblichkeit als Tor des Glaubens?• Psychoanalyse: Todesverleugnung des Menschen. „Jedes Individuum

wehrt sich gegen das Todesbewusstsein durch die Hinzuziehung von Weltanschauungen, die ihm individuelle oder symbolische Unsterblichkeit versprechen“.

• Von Heldensagen, Mythen, religiösen Offenbarungserzählungen bis zur modernen Literatur: alle geben sie mehr oder weniger Antworten auf diese Fragen

• fascinosum et tremendum• Lektüre: Gerd Theissen „Was ist Glaube an Gott?“

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Glaube in Abhängigkeit von Bewusstsein

• Wörter „Glaube“ und „Religion“ sind abstrakte Begriffe.• In der Sprache der frühen Menschheit existierten diese

Wörter noch nicht.• Glaube entwickelt sich in Abhängigkeit vom Bewusstsein.• Wir wissen nichts über die Anfänge des menschlichen

Bewusstseins; die Knochen geben keine Auskunft.• Älteste Funde menschlicher Kultur: Steinwerkzeuge (ca. 2

Mio. Jahre alt, Tansania)• Auch erste bewusst angelegte Gräber erlauben keine

Schlussfolgerungen.• Spätere Bestattungen mit Grabbeigaben: weist auf Denken

jenseits des Todes hin; wir deuten das als „Glaube“ und „Religion“.

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Quelle: Karl-Heinz Ohlig. Religion in der Geschichte der Menschheit. Die Entwicklung des religiösen Bewusstseins. Darmstadt 2002.

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Der homo sapiens• Alle heute lebenden Menschen miteinander verwandt• Fossilien ca. seit 160‘000 Jahren• Afrika: Ursprungsland der Menschheit; Bild Halbfas S. 17• Auswanderung (vor Kontinentalverschiebung) – Teilung vor etwa

55‘000 Jahren in südliche (Australier, Negritos, Südasiaten) und nördliche („Weisse“, Nordasiaten) Gruppe

• Geistige Fähigkeiten des frühen homo sapiens heute nicht mehr geringschätzt; Text Halbfas S. 18

• Grosswildjagd, Feuer, Auswanderung über Meer nur als kooperative Leistungen, welche Sprache, Koordination etc. voraussetzen

• Das Gehirn des homo sapiens beinahe gleich geblieben• Veränderung nicht biologisch, sondern Veränderung des

Bewusstseins: vom archaischen zum mentalen Bewusstsein.

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Jean Gebser und die Bewusstseinsentwicklung des Menschen• Kulturphilosoph (1905 -1973); beobachtet die Kulturentwicklung (und damit die

Bewusstseinsgeschichte)• Dreibändiges Hauptwerk: „Ursprung und Gegenwart“ (1949/53)• Bewusstsein bedeutet im Sinne Jean Gebsers die Art und Weise, wie die Welt

wahrgenommen, vergegenwärtigt oder realisiert wird. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie der Mensch sich selber wahrnimmt und realisiert und sich in der Welt wiederfindet.

• Strukturmodell der Bewusstseinsgeschichte des Menschen• Bewusstseinsmutationen: nicht kontinuierliche Entwicklung, sondern sprunghafte

Wandlungen, sobald eine Bewusstseinsstruktur nicht mehr „funktioniert“• Paradigmenwechsel; Bsp. Wechsel von einem theistischen zu einem mystischen

Gottesbild in unserer Zeit• Bewusstseinsstufen sind jedoch nicht wie Perlen auf der Perlenkette aufgereiht,

sondern überlagern sich wie geologische Schichten, deren oberste die jüngste und aktuellste ist und das jeweilige Bild der Landschaft prägt. Die oberste Bewusstseinsschicht dominiert zwar, die darunter liegenden sind aber nach wie vor tragend und im Leben immer wirksam.

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Mutation des Bewusstseins (Willy Obrist)Willy Obrist (*1918) studierte Philosophie, Geschichte und Medizin. Ausbildung am C. G. Jung-Institut Zürich; Evolutionsforscher und Humanwissenschaftler. Hauptforschungsgebiet: Evolution des Bewusstseins. Er unterscheidet drei Phasen:

1. Die archaisch-mythische Phase (These)

2. Die aufgeklärt-positivistische Phase (Antithese)

3. Die integrale Phase (Synthese)

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Alte und neue Religiosität – ABC einer Metamorphose

Rolf Kaufmann (*1940), Kulutranthropologe, arbeitete als reformierter Pfarrer, Psychotherapeut, Erwachsenenbildner und Meditationslehrer.

Nach Kaufmann entsprechen die Phasen der individuellen religiösen Entwicklung den kollektiven Phasen.

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Alte und neue Religiosität – ABC einer Metamorphose

Beispiel: Dämonen

Phase 1

Dämonen sind die Antipoden der Engel. Man wird von D., bösen geistern und Teufeln bedroht, die im Jenseits hausen und deren Zahl Legion ist. Sie bewirken Unheil, auch Krankheiten. Wenn der D. aus dem Kranken ausfährt, wird dieser geheilt. Der Ritus, der den D. austreibt, heisst Exorzismus. (Bsp. „Antoniusfeuer“ im Mittelalter)

Phase 2

Für die liberale Theologie ist der Glaube an D. Aberglaube. Übel kommt nicht von D., sondern haben natürliche Ursachen, die wissenschaftlich erkannt und bekämpft werden.

Phase 3

Im integralen Verständnis sind D. Personifikationen des Schattens, die erkannt und integriert werden sollten.

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GruppenpuzzleGruppe 1: Der archaische Ursprung/ Das magische Bewusstsein; Halbfas 18-24 (5 P.)

Gruppe 2: Das mythische Bewusstsein; Halbfas 25-29 (4 P.)

Gruppe 3: Das mentale Bewusstsein; Halbfas 29-34 (5 P.)

Gruppe 4: Das integrale Bewusstsein; Halbfas 37-40 (4 P.)

Ziel: Alle kennen alle Bewusstseinsstufen

1. Phase: AAAA/BBBB/CCCC/DDDD-Gruppen erschliessen das jeweilige Kapitel und fassen zusammen auf Flipchart (45‘)

2. Phase: ExpertInnen-Gruppen ABCD stellen Ergebnisse vor (30‘)

3. Phase: Klärung von Fragen im Plenum und Erweiterung (Die Religionen in der Religion (30‘)

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Der archaische Ursprung• Mensch muss sich aus der Umklammerung des Unbewussten

befreien• Der Mensch lebt primär unbewusst – als teil der umfassenden

Umwelt/Natur• Schrittweise Befreiung aus der Unbewusstheit mittels

symbolischen Formen• Kreisgestalt: das Runde, Kugel, Ei• Uterus als Weltsymbol für das eigene Daseinsgefühl: Tiefe,

Abgrund, Urgrund, Höhle, Untergrund, Brunnen, See, Teich• Das umfassende, das ein Kleines umfängt und nährt• Anfang und Ende des Lebens: Höhle, Erde, Grab; Bestattung

in Embryonalhaltung in den Hockergräbern der Steinzeit = Tod als Rückkehr ins Allumfassende

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Das magische Bewusstsein: Jagdmagie (Frühzeit)• Machen, Mechanik, Maschine, Macht = dieselbe Wortgruppe• Lat. Magus: Zauberer, Magier• Magisches BS: Der Mensch versucht unabhängig von der

Natur zu werden• Die Mächte der Natur bannen und beschwören• Verhältnis zum Tier: Höhlen der Jäger (Höhlenbilder): 35‘000

bis 10‘000 vor Chr.• Natur belebt von archaischen Geistern• Im Vordergrund steht die Beziehung zum Tier (Ernährung)• Stammesgesellschaft• Ichlosigkeit des Menschen; Gruppen-Identität

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Das mythische Bewusstsein: Vorzeit (prä-historisch)• Vor dem heutigen Zeitbewusstsein• Sprung vom magischen zum mythischen BS: Übergang zur Sesshaftigkeit

(bebauen, ernten = magisches Bewusstsein reicht nicht mehr aus)• Von der Stammeskultur zur arbeitsteiligen Gesellschaft• Erste Hochkulturen: Mesopotamien, Azteken, Inkas• Bewusstwerdung der Seele• Mythen = Kollektivträume der Völker• Übergang von den Jägern/Sammlern zu sesshaften Bauern• Abhängigkeit von Vegetation, Wetter; Himmel und Sonne• Neue Kulte an neuen Kultorten: nicht mehr naturgeschaffen (z.B. Höhle),

sondern menschengeschaffen (z.B. Steinsetzungen; megalithische Architektur; Stonehenge)

• Mythos von Tod und Wiedergeburt im Sonnentempel• 4000 v. Chr.: erste Städte, Staatsgebilde; menschengestaltige Götter (Jahwe

als Stadtgott)• Volksreligionen, zu denen man gehört

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Das mentale Bewusstsein: historisches Zeitalter

• Achsenzeit: Karl Jaspers• Individuum, das entscheidet• Zarathustra, Gauthama Buddha, Propheten, Philosophen als

Reformatoren der Volksreligion• Reflexion; Bewusstheit macht sich das Bewusstsein bewusst!

Nachdenken über sich selbst, über das Denken• Der Schritt ins Universale; Ansätze der Weltreligionen• Kampf gegen den Mythos von Seiten der Rationalität

(Entmythologisierung innerhalb der Bibel)• Logos gegen Mythos• Transzendenz; Mythos auf Ethos (Ethik) hin ausgelegt• Bsp. Geschichtlichkeit bei Kindheitsmythos von Jesus

(Lukas); geschichtlicher Buddha, Sokrates

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Das integrale Bewusstsein (Jean Gebser: Mitte 20. Jhdt.)• Möglicherweise Mystik als wichtigste Wurzel• Hugo Enomya Lassalle

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Die Religionen in der Religion

• Paradigmenwechsel: beginnt jeweils bei den geistig regen Menschen• Paradigmenwechsel in der christlichen Religion heute: Mythen als

Mythen erkennen (Dogmen; christliche Lehre); Integration bisher projizierter Inhalte

• Entstehung des Christentums: mentales Bewusstsein stark entfaltet; hellenistisches Denken

• Phänomen der Gleichzeitigkeit höchst ungleichzeitiger Bewusstseins- und Religionsstufen: Volksreligionen neben Universalreligionen

• In allen Universalreligionen ist ein Unterstrom alten Volksglaubens erhalten geblieben: Text Halbfas S. 34/Bild S. 36

• Heute meist als Folklore gelebt (Bsp. Fronleichnamsprozession)• Mischung unterschiedlicher Bewusstseinsstadien der

Religionsgeschichte: Synkretismus

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Biographische Skizze: Otto Kuss (1905-1991)HH 481 ff.

• Was lässt sich an der Biografie von O. Kuss für die Thematik der Entwicklung des religiösen Bewusstseins ablesen?

• Wohin hat sein wissenschaftlicher Erkenntnisweg O. Kuss geführt?

• Welche Auswirkungen hatte die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Neuen Testament auf seinen Glaubensweg?

• Zu welchen Verwerfungen/Widerständen kann es kommen, wenn sich ein Mensch vorurteilslos den neu auftauchenden Fragen stellt (sich sein Bewusstsein verändert)?

• Kennt ihr andere Beispiele in der Geschichte oder aus der heutigen Zeit?