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Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger im Süden Mexikos Unterdrückte Stimmen Peace Brigades International Mexikoprojekt Informationsbulletin vom pbi-Mexikoprojekt Sonderpublikation über Ayutla – Juni 2009 Unterdrückte Stimmen

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Page 1: Gewalt gegen Unterdrückteim Süden Mexikos Stimmen...Organisationen fest. Die Verbrechen gegen die Menschenrechtsverteidi-gerInnen haben das Ziel, die Arbeit die-ser Organisationen

Gewalt gegenMenschenrechtsverteidiger im Süden Mexikos

UnterdrückteStimmen

Peace Brigades InternationalMexikoprojekt

Informationsbulletin vom pbi-Mexikoprojekt Sonderpublikation über Ayutla – Juni 2009

UnterdrückteStimmen

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Peace Brigades International (pbi)arbeitet seit 2003 in der GemeindeAyutla de los Libres im BundesstaatGuerrero und bietet dort internationa-le Begleitung für Mitglieder von Orga-nisationen der indigenen Bevölkerungsowie für die Anwälte einer lokalenMenschenrechtsorganisation, die auf-grund ihrer Arbeit starken Drohungenund Verfolgung ausgesetzt sind.

Im Laufe der Jahre konnte pbi denEinsatz und die Erfolge der Organisa-tionen für die Umsetzung der Allge-meinen Erklärung der Menschenrechtein der Region Ayutla beobachten.Gleichzeitig stellte pbi mit BedauernMorde, „Verschwindenlassen“ undTodesdrohungen an Mitglieder dieserOrganisationen fest. Die Verbrechengegen die Menschenrechtsverteidi-gerInnen haben das Ziel, die Arbeit die-ser Organisationen zu unterbinden.

Mit dieser speziellen Veröffentl-ichung möchte pbi über die schwierigeSituation informieren, in der sich dieMenschenrechtsverteidigerInnen inder Region Ayutla befinden. Das Men-schenrechtszentrum Tlachinollan unddie Organisation des Volkes derMe’phaa (OPIM), die beide von pbibegleitet werden, wurden in diesemJahr erneut Opfer von massivenDrohungen. Die Übergriffe auf dieOrganisationen wurden zu einemZeitpunkt ausgeführt, als den Orga-nisationen wichtige Fortschritte beiihrem Engagement für Gerechtigkeitgelangen, indem sie sich das interame-

rikanische System zum Schutz derMenschenrechte zu Nutze machten.Die OPIM und Tlachinollan wandtensich aufgrund der Straflosigkeit beischweren Menschenrechtsverletzun-gen gegen die indigene Bevölkerung inMexiko an die interamerikanischenInstanzen.

Die Veröffentlichung wird zudemauf die Kriminalisierung der Mitgliederder OPIM sowie auf die jüngsten Vor-fälle hinweisen, die in das „Verschwin-den lassen“ und die Ermordung derVorsitzenden der Organisation für dieZukunft der Mixtecos (OFPM) münde-ten. Die Ereignisse sind von den loka-len Organisationen als Teil einerStrategie zur Behinderung der Arbeitder MenschenrechtsverteidigerInnenin Ayutla angeprangert worden.

Am 10. Februar 2009 sagte dermexikanische Staat vor dem UN-Menschenrechtsrat zu, die mexikanis-chen MenschenrechtsverteidigerInnenzu beschützen, anzuerkennen und zuunterstützen, indem er die notwendi-gen Sicherheitsmaßnahmen für ihreArbeit schafft und ihre Arbeit öffen-tlich anerkennt. Damit sagte Mexikoein weiteres Mal zu, die Erklärung derVereinten Nationen zum Schutz derMenschenrechtler, die seit mehr als 10Jahren besteht, umzusetzen. Trotzdemwerden die Verbrechen gegen dieMenschenrechtsverteidigerInnen inAyutla in völliger Straflosigkeit began-gen. Die internationale Gemeinschafthat die Verantwortung, die Einhaltungder von Mexiko übernommenen inter-nationalen Verpflichtungen zu überwa-chen und zu fordern. n

Unterdrückte Stimmen Peace Brigades International

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Inhalt3 Merkmale und

Problemstellungen in derGemeinde Ayutla

4 Die Verteidigung derMenschenrechte in Ayutla

5 Die Fälle von Vergewaltigungenvon Frauen aus den indigenenGemeinden vor dem inter-amerikanischen System fürMenschenrechte

6 Die Kriminalisierung vonOrganisationsprozessen in denindigenen Gemeinden

8 Drohungen und Übergriffegegen Menschenrechtsverteidi-gerInnen

10 Die Arbeit der internationalenMenschenrechtsorganisationenin Ayutla

11 Empfehlungen

TitelfotoBeerdigung des ermordetenVorsitzenden der Organization fuer dieZukunft des Volkes der Mixtecos(OFPM) im Februar 2009. Photo pbi

Editorial

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Der Bundesstaat Guerrero liegt imSüdosten Mexikos und hat 3.115.202Bewohner, von denen um die 390.000zu einer der indigenen Volksgruppenzugeordnet werden können. Die star-ke Armut und Marginalisierung die indiesem Bundesstaat herrscht, trifft dieindigenen Gemeinden im besonderenMaße. So lag 2005 die Analphabeten-quote in der indigenen Gemeinde bei39,7 Prozent.1

Die Gemeinde Ayutla gehört zurRegion Costa Chica, einer der siebenRegionen, in die dieser Bundesstaataufgeteilt ist. Historisch ist die Ge-meinde als Ort bekannt, in welcher1854 der Plan Ayutla erarbeitet wur-de. Der Plan Ayutla war die politischeVerkündung, welche die Abschaffungder Diktatur des damaligen Präsiden-ten Mexikos, Santa Ana, und dieErarbeitung einer neuen Verfassungsowie die Beendigung der zentralistis-chen Regierungsform des Landes vor-sah.

Derzeitig zeichnet sich Ayutla durchhohe Armutsraten und starke Margi-nalisierung aus. Es leben 55.350 Be-wohner in Ayutla, von denen 15.760zu den indigenen Völkern Na Saviund Me’phaa (Mixtecos und Tlapa-necos) gehören. Fast ein Drittel dieserindigenen Bevölkerung (4.546 Perso-nen) beherrscht nur ihre indigeneSprache und spricht kein Spanisch.Die „Nationale Kommission zur Ent-wicklung der Regionen mit indigenerBevölkerung in Mexiko“ attestiert der

Region einen sehr hohen Grad anMarginalisierung. In jüngster Ver-gangenheit geriet die Region immerwieder in die Schlagzeilen der mexi-kanischen Medien. Auch in der inter-nationalen Gemeinschaft ist die Re-gion unter den Institutionen, die sichmit dem Thema Menschenrechte bes-chäftigen, aufgrund der Schwere derMenschenrechtsverletzungen gegendie lokalen Menschenrechtsverteidige-rInnen bekannt.

Ayutla gehört zu den Gemeinden derRegion, denen am meisten öffentlicheGelder zugesprochen werden, auf-grund der hohen Armutsraten insbe-sondere der indigenen Bevölkerungund aufgrund des Interesses des mexi-kanische Staates, der Gemeinde, inder das Massaker „El Charco“ statt-fand, mehr öffentliche Gelder zukom-men zu lassen.2 Die Veruntreuung deröffentlichen Gelder der Bundesre-gierung zur persönlichen Bereicherunglokaler Amtsträger wurde immer wie-der durch die lokalen Organisationenangezeigt. Sowohl bei öffentlichen

Veranstaltungen und in der lokalenPresse als auch durch eine strafrechtli-chen Anzeige wegen Veruntreuunggegen die lokalen Behörden.

Nach dem Massaker von „El Charco“1998 registrierten die indigenen Dör-fer der Gemeinde Ayutla und der an-grenzenden Gemeinden ein Erhöhungder Militärpräsenz. Seitdem kam esimmer wieder zu Protesten gegen dasVerhalten der Militärs, die in die Dör-fer eindringen, vergewaltigen, Geldoder Lebensmittel stehlen und die Be-völkerung verhören, um Informatio-nen über die mutmaßliche Präsenzvon bewaffneten Gruppen oder denAnbau von Drogen zu erlangen. DasVerteidigungsministerium rechtfertigtdie Präsenz des Militärs in der Regionmit dem Krieg gegen die Drogen. Dieindigenen Gemeinden berichten zu-dem über die gezielte Spaltung derGemeinden und gewaltsamen Aus-einandersetzungen innerhalb der Ge-meinden, die auf die Militarisierungder Region zurückzuführen ist.3 In derganzen Region gibt es Anzeigen undBerichte von bewaffneten zivilenGruppen, die man mit dem Militärund den polizeilichen Institutionen inVerbindung bringt.4 n

Peace Brigades International Unterdrückte Stimmen

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Im Dorf „El Charco“, welches zurGemeinde Ayutla de los Libres gehörtumstellte die mexikanische Armee imMorgengrauen des 7. Juni 1998 dieGrundschule „Catarino Maldonado“,in der eine Gruppe von Menschenschlief. Laut Aussagen von Überleben-den tötete die Armee 11 Personen, ver-letzte weitere 5 und verhaftete 22Personen, unter ihnen 5 Minderjäh-rige. Die Verhafteten wurden zueinem Militärstützpunkt der Armeegebracht, in dem man sie 2 Tage langfesthielt. Die Verhafteten berichtetenüber Folter; NGOs und die Medienwurden für zwei Tage darin gehindertsich zum Tatort zu begeben. Unterden Toten war ein Student der UNAM,und laut der Guerillaorganisation ERPI

vier ihrer Mitglieder. Die Regierungpräsentierte die Ereignisse als eineAuseinandersetzung zwischen derArmee und der Guerilla. VerschiedenePersonen, die während dem MassakerEl Charco verhaftet wurden, wurdenspäter von paramilitärischen Gruppenermordet. Galindo Sierra Francisco imJanuar 2001, Andreas MarcelinoPetrona im August 2001. Der Leich-nam von Raúl Lucas, Vorsitzende derMixtecos, wurde am 20. Februar 2009aufgefunden.

Limeddh, La matanza del Charco, 7.Juni 1999, [www.derechos.org/limeddh/doc/charco.html] y LaJornada, 24. Februar 2009.

Merkmale und Problemstellungen inder Gemeinde Ayutla

1 Daten aus Erhebung zur Situation der indi-genen Bevölkerung aus den Jahren 2000und 2005

2 siehe Kasten3 La Jornada Guerrero, 30. Januar 20084 El Sur, 19. September 2007

Vom Militär beschädigtes Mais vonFortunato Prisiliano und Inés Fernández

Ortega

Die indigene Bevölkerung der Me’phaa wehrt sich gegen die Militärpräsenz.pbi dokumentiert die Situation vor Ort.

Vom Militär beschädigtes Mais vonFortunato Prisiliano und Inés Fernández

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Die Organisationen der indigenenBevölkerung in AyutlaAuf der Suche nach Lösungen bezüg-lich der Armut und Marginalisierung,welche in den indigenen Gemeindenalltäglich sind, ist die „UnabhängigeOrganisation der Völker der Mixte-cos und Tlapanecos“ (OIPMT) miteiner starken Präsenz in den Gemein-den Ayutla und Acatepec gegründetworden. 2004 entstanden aus dieserOrganisation die beiden Organisatio-nen „Organisation für die Zukunftder Mixtecos“ (OFPM) und „Organi-sation des Volkes der Me´phaa“(OPIM), um getrennt jeweils die Inte-ressen der eigenen Volksgruppe zuvertreten, die unterschiedliche Spra-chen sprechen. Die beiden Organisa-tionen führten die Arbeit der OIPMTfort und setzten sich für die Grund-rechte der beiden Volksgruppen ein.Wichtige Forderungen der beidenOrganisationen sind die Beendigungder Straflosigkeit sowie die Herstel-lung von Gerechtigkeit in den doku-mentierten Fällen von Menschen-rechtsverletzungen gegen die indigeneBevölkerung. Viele der Menschen-rechtsverletzungen werden von staa-tlichen Amtsträgern begangen, unteranderem von den Sicherheitskräftendes Staates. Die OPIM widmet sichunter anderem der Unterstützung derindigenen Frauen, die Opfer vonsexueller Gewalt in Verhören desMilitärs wurden. Die Verhöre desMilitärs sollten der Informationsbe-schaffung über die mutmaßlichePräsenz von Guerillagruppen in derRegion dienen. Opfer der Vergewalti-gungen haben mit der Unterstützungder OPIM Anzeige gegen Soldaten der

mexikanischen Armee erstattet undErmittlungen sowohl der mexikanis-chen Justizbehörden als auch derInteramerikanischen Kommission fürMenschenrechte (CIDH) gefordert.1

Die OPIM und die OFPM fordern dieVerbesserung der Infrastruktur undeine sinnvolle Verwendung der öffen-tlichen Ausgaben in den Gemeinden.Hierzu erarbeiten sie konkrete Vor-schläge und Forderungen, insbesonde-re in den Bereichen der medizinischenVersorgung, Bildung und Kommuni-kation. Die Organisationen fordernvon den Vertretern des Staates, vorallem auf der Gemeindeebene, einegerechte Verteilung der öffentlichenGelder, die für Infrastrukturprojektevorgesehen sind. Damit wollen sieerreichen, dass alle Dörfer und alleBevölkerungsschichten der GemeindeZugang zur Grundversorgung haben.Zeitgleich setzen sich die Organisatio-nen für die wirtschaftlicheEntwicklung ein, indem sie landwirts-chaftliche Projekte anstoßen und dieillegale Rodung der Wälder anzeigen.

Das Menschenrechtszentrum Tlachi-nollan und ihr rechtlicher Beistand: DieArbeit der Anwälte Tlachinollans mitden Organisationen aus AyutlaNach dem Massaker in „El Charco“1998 begannen nationale und inter-nationale Menschenrechtsorganisatio-nen, die Situation in Ayutla zu verfol-gen. Die lokalen indigenen Organisa-tionen vernetzten sich mit den Men-schenrechtsorganisationen, um ihrenForderungen nach GerechtigkeitNachdruck zu verleihen. Eine engeZusammenarbeit entwickelte sich vorallem mit dem Menschenrechtszen-trum Tlachinollan, welches 1994 inTlapa mit dem Ziel gegründet wurde,die Einhaltung der Menschenrechte inder Region La Montaña zu fördern.Seit 2003 verfügt Tlachinollan über

ein Büro in Ayutla, um bei Fällen vonMenschenrechtsverletzungen in derRegion Costa Chica Unterstützung zuleisten.

Die Anwälte Tlachinollans übernah-men verschiedene Fälle, in denen dieOPIM oder die OFPM Anzeige erstat-teten, und sorgten für Öffentlichkeitauf nationaler und internationalerEbene, indem sie die Fälle vor dieJustiz und auf die Agenda der Medienbrachten. Tlachinollan vertritt juris-tisch die beiden vergewaltigten indige-nen Frauen, Inés Fernández Ortegaund Valentina Rosendo Cantú, sowiedie Führung der OPIM, die aufgrundder öffentlichen Anklagen, die sie indiesen Fällen machten, Todesdrohun-gen erhielten. Die Anwälte übernah-men auch die juristische Vertretungder Männer aus dem Dorf „El Cama-lote“, die 1998 durch Druck und fals-che Versprechen des Gesundheits-ministeriums zu einer Sterilisationgezwungen wurden. In den letztenMonaten stand auf der Agenda derAnwälte die juristische Vertretung derMitglieder der OPIM, gegen die einHaftbefehl ausgestellt wurde, und vondenen fünf inhaftiert wurden. Nachden Morden am Präsidenten und amSekretär der OFPM im Februar 2009vertreten die Anwälte auch dieFamilienangehörigen der Opfer, dieGerechtigkeit fordern. n

Peace Brigades International

Die Verteidigung derMenschenrechte in Ayutla

1 Interviews von pbi mit Obtilia EugenioManuel und Andrea Eugenio Manuel inden Jahren 2006 und 2007 und der achteund neunte Jahresbericht von Tlachinollanaus den Jahren 2001 bis 2003.

Für unsere Arbeit wählen wir reprä-sentative Fälle aus. Fälle, welche dieschwierige Menschenrechtssituationin Mexiko verdeutlichen und welchedie strukturellen Gründe für die Men-schenrechtsverletzungen aufzeigen.Bei unserer Verteidigungsstrategiebedienen wir uns eines Ansatzes, derverschiedenen Elemente verbindet,um die Fälle zu gewinnen und dieEinhaltung der Rechte zu fordern. Diejuristische Arbeit alleine reicht nichtaus, um Gerechtigkeit zu erlangen, dawir uns an die selben staatlichenInstitutionen und Behörden wendenmüssen, welche die Menschenrechteverletzen. Deswegen verbinden wirdie juristische Arbeit mit politischerLobbyarbeit, mit Druck, den wir durchdie Medien herstellen können, mit derVernetzung mit nationalen und inter-nationalen Organisationen sowie mitdem Organisationspotential der Be-völkerung. Ohne die Verbindung die-ser verschiedenen Elemente unsererArbeit ist es schwierig Gerechtigkeitzu erlangen.

Mario Patrón – Anwalt desMenschenrechtszentrumsTlachinollan

Vertreter der deutschen und der französichenBotschaft in einem Treffen mit Mitgliedern derOPIM und Mitarbeitern von Tlachinollan in Ayutlaam 17. April 2009.

Vertreter der deutschen und der französichenBotschaft in einem Treffen mit Mitgliedern derOPIM und Mitarbeitern von Tlachinollan in Ayutlaam 17. April 2009.

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Von den Menschenrechtsverletzungen,die in der Region Ayutla zur Anzeigegebracht wurden, sind die Fälle vonVergewaltigungen indigener Frauenbesonders gravierend.1 Tlachinollan

und die OPIM weisen darauf hin,dass viele der betroffenen Frauen dieVergewaltigung aus Angst vorVergeltungsmaßnahmen der Täterund aus Angst vor der Ausgrenzungin ihren Gemeinden nicht anzeigenwollen. Die Übergriffe, die schwer-wiegende Folgen innerhalb der indige-nen Gemeinden haben, führen zuBrüchen in den Familien und in derSozialstruktur. Häufig sind es dieFrauen, die sich den Militärs entge-genstellen, um die Soldaten von ihremLand zu vertreiben und damit versu-chen, ihre Gemeinde und sich selbstvor Übergriffen zu beschützen.2

Inés Fernández Ortega erstattete eineAnzeige wegen Vergewaltigung, diesie am 22. März 2002 im Alter von24 Jahren in ihrem eigenen Haus imDorf „Barranca Tecuani“ erlitt. Ihr Fall sowie der Fall von ValentinaRosendo Cantú, die mit 17 Jahren in„Barranca Bejuco“ vergewaltigtwurde, sind im Juni 2004 bei derInteramerikanischen Menschenrechts-kommission eingereicht worden. Am12. Oktober 2007 fand die öffentlicheAnhörung der InteramerikanischenMenschenrechtskommission inWashington statt. Vier Monate späterwurde das OPIM-Mitglied LorenzoFernández Ortega, ein Bruder vonInés Fernández Ortega, entführt.Seine Leiche wurde am 9. Februar

2008 mit schweren Folterspurengefunden. Die Untersuchungen in die-sem Mordfall haben keinen Hinweisauf mögliche Täter ergeben. Ende2008 gab die InteramerikanischeMenschenrechtskommission ihrenBericht im Fall Inés Fernándezbekannt und wartet nun auf eineReaktion des mexikanischen Staates.

Die Anzeigen wegen Vergewaltigungvon Inés Fernández Ortega undValentina Rosendo Cantú gegenAngehörige der mexikanischenArmee, wurden von der mexikanis-chen Militärjustiz, die sich für dieAufklärung der Fälle zuständigerklärte, untersucht. Der Einspruchder Opfer wegen Verletzung ihresRechts auf einen fairen Prozess sowieihre Forderung, den Fall vor den zivi-len Gerichtsbehörden zu verhandeln,wurden abgewiesen. Die Militärjustizbeendete die Untersuchung und legteden Fall mit der Begründung einesMangels an Beweisen zu den Akten.Im Dezember 2006 nahm dieInteramerikanische Menschenrechts-kommission die Fälle Inés Fernández(Fall 12.580) und Valentina RosendoCantú (Fall 12.579) an. DieKommission veröffentlichte bereits imNovember 2008 einen ausführlichenBericht zum Fall Inés und wartet aufeine Reaktion des mexikanischenStaates auf die im Bericht formulier-ten Forderungen.

Im Februar 2009 haben wiederEinheiten der Armee ihr Lager indirekter Nähe zu Inés Dorf aufges-chlagen. Inés Fernández und ihreFamilie brachten ihre Sorge und ihrGefühl von Wehrlosigkeit zum Aus-druck. Sie brachten zudem das Ein-dringen mehrerer Soldaten auf ihrLand sowie den Raub und die Ver-nichtung ihrer Ernte zur Anzeige.3 n

Peace Brigades International Unterdrückte Stimmen

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Die Fälle von Vergewaltigungen von Frauen aus den indigenenGemeinden vor dem interamerika-nischen System für Menschenrechte

1 México: mujeres indígenas e injusticia mili-tar, Bericht von Amnesty International,veröffentlicht im November 2004

2 Interviews von pbi mit Obtilia EugenioManuel und Andrea Eugenio Manuel ausden Jahren 2006 und 2007 sowie der achteund neunte Jahresbericht von Tlachinollanaus den Jahren 2001-2003.

3 Von pbi überprüfte Informationen,Interviews von Inés Fernández Ortega fürCinemac Noticias, 24. März 2009

4 Interview Inés Fernández Ortega mitSandra Torres Pastrano für CinemacNoticias, 24. März 2009[http://www.cimacnoticias.com/site/s09032403-ENTREVISTA-No-se-q.37064.0.html ].

Mario Patrón, Obtilia Eugenio, Inés Frenández und ValentinaRosendo vor der Interamerikanischen Kommission fürMenschenrechte.

„Mich haben Soldaten vergewaltigt,vergangenes Jahr haben sie meinenBruder Lorenzo umgebracht, der Mit-glied der Organisation des indigenenVolkes Me'phaa (OPIM) war und dermich immer bei der Anzeige unter-stützt hat. Zudem erhielt mein mirverbleibender Bruders Ocotlán undmein Mann Todesdrohungen; zweimeiner Neffen, beide Mitglieder derOPIM, waren zu Unrecht im Gefängnis.Ich lebe in Angst um meine Kinder undum mich, ich weiß nicht, was die Regie-rung noch will, das Einzige, worum wirgebeten haben, ist Gerechtigkeit. Ichhabe die Vergewaltigung dank derUnterstützung durch meine Familie,vor allem meines Bruders Lorenzo, an-gezeigt. Ich weiß, dass viele der verge-waltigten Frauen die Vergewaltigun-gen aus Angst nicht anzeigen, denn siesagen „die haben Waffen“,„die hat dieRegierung geschickt“,„die bringen dichschnell um“. So denken die Männerund Frauen in der Gemeinden und ichwill, dass sich das ändert, dass sieAnzeige erstatten, wenn ihre Rechteverletzt werden.“4

Inés Fernández Ortega, Mitglied derOPIM und Vergewaltigungsopfer

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Laut verschiedener mexikanischerBürgerrechtsorganisationen sindBedrohung und Kriminalisierung vonMitgliedern der indigenen Organisa-tionen und Menschenrechtsverteidige-rInnen im Bundesstaat Guerrero einegängige Praxis. Die Menschenrechts-verteidigerInnen und deren Familiensind Opfer von Mordversuchen, Ein-schüchterungen, Verleumdungen oderfalschen Beschuldigungen. Untersu-chungen gegen die Personen, welchedie haltlosen Anschuldigungen erhe-ben, gibt es nicht. Die Personen, diesich in den Organisationen der Zivil-gesellschaft engagieren, stehen vordem Dilemma, ihre Aktivitäten auf-grund der Furcht vor Repressalien zuunterlassen oder ihre Arbeit unterRisiko und ständigem Druck fortzu-setzen. Mit dieser Vorgehensweise ne-giert der Staat das Recht, Menschen-rechtsverletzungen anzuzeigen; gleich-zeitig stellt er die moralische Integri-tät derjenigen in Frage, die Anklageerheben. Erschwerend kommt dieStraffreiheit der Täter dazu, die insbe-sondere die Angestellten des Staatesvor strafrechtlichen Folgen schützt.1

Es wird vermutet, dass Guerilla-gruppen während der Jahre 1996 und1997 in der Region Ayutla versuch-ten, Mitglieder zu rekrutieren. LautTlachinollan führte dies bei der

Regierung dazu, alle Organisations-prozesse in der Region als subversiveinzustufen, insbesondere wenn dieseeinen indigenen Hintergrund haben.2

Seit dieser Zeit hat Tlachinollan wie-derholt dokumentiert, wie Führungs-personen der OIPMT ungerechterwei-se angeklagt wurden, bewaffnetenGruppen oder dem organisiertenVerbrechen anzugehören, Mordebegangen zu haben oder im Drogen-handel involviert zu sein. Das Ergeb-nis dieses Vorgehens war die Läh-mung des Engagements vieler Per-sonen, die aus Furcht vor Strafen fürVerbrechen, die sie nicht begangenhatten, ihre Tätigkeiten einstelltenoder reduzierten. Die OIPMT klagtevor laufenden Kameras sowohl dieÜbergriffe auf ihre Mitglieder, wieauch die Präsenz von Militärs oderzivilen bewaffneten Gruppen an, diemit Namenslisten durch die Dörferpatrouillierten und nach Mitgliedernder Organisation fragten.3 Obtilia Eu-genio Manuel, Präsidentin der OPIM,beklagt, dass es immer noch zuPatrouillen durch Bewaffnete kommt,welche die Bewohner einschüchtern.

Vernehmungen und Haftbefehle gegenMitglieder der OPIM 15 Mitglieder der OPIM wurden seitdem 15. April 2008 angeklagt, fürden Mord an Alejandro Feliciano

García am 1. Januar 2008 verant-wortlich zu sein. Unter den Angeklag-ten befindet sich Cuauhtémoc Ramí-rez, der frühere Präsident der Orga-nisation, der von pbi begleitet wird,Familienmitglieder von Inés Fernán-dez Ortega, deren Anklage wegenVergewaltigung von der Interameri-kanische Kommission für Menschen-rechte (CIDH) bearbeitet wird undOrlando Manzanares Lorenzo,Anführer der 14 Männer aus „ElCamalote“, die sterilisierten wurden.

Fünf der Angeklagten wurden am 17.April 2008 verhaftet. Die Rechtsan-wälte von Tlachinollan legten eineVerfassungsbeschwerde vor, die am20.Oktober von einem Bundesrichterzu Gunsten von vier der Verhaftetengenehmigt wurde, da es keine halt-baren Beweise gegen die Beschul-

Die Anwälte VidulfoRosales und Rogelio Téliz

von Tlachinollan verlassendas Gefängnis in Ayutlanach einem Besuch der

politischen Gefangenen derOPIM im März 2009.

Die Kriminalisierung vonOrganisationsprozessen in den indigenen Gemeinden

Ritual bei der Beerdigung der ermordeten Vorsitzenden der OFPM

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digten gab. Ihre Freilassung verzöger-te sich um fünf Monate, weil dieBundesstaatsanwaltschaft gegen dasUrteil der Bundesrichterin in Berufunggegangen war. Schließlich wurde am18. März 2009 die Ordnungsmäßig-keit des Urteils der Bundesrichterinbestätigt und vier Mitglieder derOPIM freigelassen. Im Falle von RaúlHernández, der nach wie vor imGefängnis sitzt, wurde die Beschwer-de abgelehnt, weil zwei Augenzeugen,die als Militärspitzel bekannt sind,bezeugten, ihn am Tatort gesehen zuhaben. Die anderen 10 Beschuldigtenkönnen jederzeit verhaftet werden.Um dies zu verhindern, hat Tlachinol-lan eine Verfassungsbeschwerde zuihren Gunsten eingereicht, derenBewertung allerdings noch aussteht.

Amnesty International kam nacheiner sorgfältigen Überprüfung desFalls zu dem Schluss, dass die Bewei-se, die gegen die Mitglieder der OPIMvorliegen, erfunden und gefälschtwurden. Die renommierte Menschen-rechtsorganisation bringt den Prozessgegen die Angeklagten in direktenZusammenhang mit ihrer Arbeit zurFörderung der Menschenrechte inihrer Region. Sie erklärte die fünfHäftlinge am 11. November 2008 zupolitischen Gefangenen.4

Die OPIM und Tlachinollan sehen dieGeschehnisse als Teil einer gezieltenKriminalisierung der Mitglieder der

OPIM, zu deren Zweck jede Gelegen-heit genutzt wird. Auslöser, so Tla-chinollan, waren Vorkommnisse des31. März 2008. An diesem Tag wur-den vier Polizisten und ein Zivilistermordet, als sie öffentliche Gelderauf dem Weg zwischen Ayutla undder Gemeinde „El Camalote“ trans-portierten. Am folgenden Tag durch-suchten Beamte der Landesstaatsan-waltschaft das Haus eines angebli-chen Zeugen und folterte dabei einFamilienmitglied. Während der Folterfragten die Beamten das Opfer nachCuauhtémoc Ramírez und ObtiliaEugenio Manuel, Vorsitzende derOPIM. Auch hier wurde versucht,

eine Verbindung zwischen dem Ver-brechen und Mitgliedern der OPIMherzustellen.5 Als keine Verbindungzwischen dem Verbrechen und derOPIM herstellt werden konnte, wurdein den darauffolgenden Tagen dieErmittlung zum Mord an AlejandroFeliciano García aufgenommen. VierMonate nach dem Mord wurde eineAutopsie veranlasst, in deren FolgeHaftbefehle gegen 15 Anführer undMitglieder der OPIM erlassen wur-den. n

Peace Brigades International Unterdrückte Stimmen

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1 Menschenrechtszentrum Tlachinollan,Tejedores de Esperanza. Bericht XI , Tlapa,Juni 2005 bis Mai 2006, Seite 74 und 79

2 pbi México, Menschenrechtsverteidiger imBundesstaat Guerrero, Dezember 2007,Seite 35 [http://www.pbi-mexico.org].

3 Menschenrechtszentrum Tlachinollan,Achter Jahresbericht: El quiebre de laJusticia, Juni 2001 bis Mai 2002[http://www.tlachinollan.org/dhginf/dhginf_08.pdf].

4 Amnesty International, Pressebericht,CPAIMX/31/2008, 11 November 2008.

5 Gemäß Dokumenten desMenschenrechtszentrums Tlachinollanmachte Yesenia Tórnez eine Anzeige wegenFolter und reichte Beschwerde wegenFolter, Amtsmissbrauch und illegalemFreiheitsentzug bei der LandesstaatlichenKommission für Menschenrechte (CODDE-HUM) gegen Ermittlungsbeamten lokalerPolizeieinheiten ein, die für dieStaatsanwaltschaft ermitteln. DieKommission (CODDHUM) beantragte prä-ventive Sicherheitsmaßnahmen für YessinaTórnez und ihre Familie.

6 Interview Orlando Manzanares Lorenzosmit Zacarías Cervantes für „El Sur“ vonAcapulco, 24. April 2008

Orlando Manzanares Lorenzo, einehemaliger politischer GefangenerOrlando Manzanares Lorenzo, einerder befreiten Gefangenen, sieht inden Anschuldigungen gegen dieMitglieder der OPIM den Versuch, dieOrganisation zu zerschlagen. Ererklärte, dass sie am 17. April 2008 ineiner Straßensperre von Militär undPolizei festgehalten wurden, als siegerade auf dem Weg in ihr Dorf „ElCamalote“ waren: „Sie sprachen eineVielzahl von Anschuldigungen gegenuns aus; sie sagten wir wären Delin-quenten und schlechte Menschen“. DiePolizisten verboten den Verhafteten,Me'phaa zu sprechen. “Sie sagten uns,wir sollen kein Me'phaa sprechen undich sagte ihnen, dass einige Kameraden

kein Spanisch können“. Nach einerTagesreise in die Polizeikommandan-tur nach Ayutla wurden sie befragt:„Ich war der Letzte, der befragt wurde,und sie sagten mir, dass meine Kame-raden gesagt hätten, dass ich Alejan-dro Feliciano García getötet hätte. Ichsagte ihnen, dass das nicht stimme,dass ich an jenem Tag in Barranca deGuadalupe gearbeitet hätte und dassich Schreiner sei.“ Da Orlando sichnicht schuldig bekannte, forderten sieihn auf, ein Dokument zu unterzeich-nen, in dem er seine Kameraden bes-chuldigte, und stellten ihm in Aus-sicht, ihn im Falle der Unterzeichnungfreizulassen. Er weigerte sich aller-dings, das Dokument zu unterzeich-nen.6

Orlando Manzanares, Mitglied derOPIM und ehemaliger politischerGefangener.

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Unterdrückte Stimmen Peace Brigades International

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Es gibt viele Berichte über Angriffeund Aggressionen gegen Mitgliederder OPIM und der OFPM, wie zuvorschon gegen die OIPMT. Am 18.April 2008 drangen mehr als 100Mitarbeiter der mexikanischen Ar-mee, der Bundespolizei und verschie-dener Einheiten der Staatsanwalt-schaft in das Dorf „El Camalote“ einund schüchterten die Bevölkerung ein.Eine Gruppe von Informanten derArmee verbreitete zuvor das Gerücht,dass die Militärs alle Mitglieder derOPIM verhaften und töten würden.1

Die Drohungen und Angriffe auf dieMitglieder der OPIM wurden bei denmexikanischen Justizbehörden wie-derholt zur Anzeige gebracht, ohnedass die Opfer der Angriffe überirgendwelche Fortschritte bei denUntersuchungen informiert wurden.Aufgrund der vielen Drohungen, diesie wegen ihrer Arbeit bei der OPIMerhalten haben, ordnete die CIDH imJanuar 2005 Sicherheitsmaßnahmenfür Obtilia Eugenio Manuel, ihreSchwester Andrea Eugenio Manuel,ihren Ehemann Cuauhtémoc Ramirezund ihre Kinder an. Weitere Sicher-heitsmaßnahmen wurden am 4. Sep-tember 2007 für Inés FernándezOrtega, ihren Ehemann FortunatoPrisciliano Sierra und ihre Kinderangeordnet. Sie waren bedroht wor-den, weil sie vor mexikanischen Ge-richten und vor dem CIDH Anklageerhoben hatten. Nach dem Mord anLorenzo Fernández Ortega im Januar2008 und den Verhaftungen im April

ordnete die CIDH am 27. Juni 2008weitere Sicherheitsmaßnahmen für 41Mitglieder der OPIM an, um diesevor Übergriffen zu schützen. Unterden 41 Personen befanden sich diefünf inhaftierten Mitglieder derOPIM. Die Maßnahmen für die seit2005 und 2007 geschützten Personenwurden zudem erweitert.

Wenn die CIDH die Sicherheitsmaß-nahmen anordnet, verhandelt sie mitdem mexikanischen Staat, dessen Be-hörden für die Umsetzung der Sicher-heitsmaßnahmen verantwortlich sind.Obtilia Eugenio Manuel beklagte sichwiederholt über die Wirkungslosigkeitder gewährten Maßnahmen. Ange-sichts der anhaltenden Drohungen,unter denen sie leidet, erweisen sichdie gewährleisteten Maßnahmen der-zeit als wirkungslos.2

Drohungen gegen Obtilia Eugenio ManuelObtilia Eugenio Manuel erhält Mord-drohungen, seit sie am Gedenktag andas Massaker von „El Charco“ imJahre 2002 teilnahm. Die Drohungenfingen an, sich zu häufen, nachdemsie als Übersetzerin für Inés Fernán-dez Ortega, einer vom Militär verge-waltigte Me’phaa, tätig wurde. In denersten sechs Monaten des Jahres 2002wurde sie viermal bedroht. Im De-zember 2004 erhielt sie ein anonymesSchreiben mit einer Morddrohung, indem man sich auf ihre Aussagen ineinem öffentlich Forum bezog, in demsie den Fall von Inés Fernández und

Valentina Rosendo vortrug. Seitdemkam es wiederholt zu Drohungen,Verfolgung, bedrohlichen Telefonan-rufen und zur Überwachung ihresHauses.

Nach ihrer Wahl zur Präsidentin derOPIM am 24. Januar 2009 verstärktesich die Intensität dieser Aggressionenund Einschüchterungsversuche. pbihat seit dem 24. Januar 2009 siebenernst zu nehmende Drohungen doku-mentiert. Exemplarisch sind die Er-eignisse vom 24. Januar, als Obtiliazu einer Versammlung der OPIMging. Auf dem Weg dorthin folgtenihr drei Autos; einer der Insassensprach eine direkte Morddrohungenaus. Amnesty International zitierte ineiner Eilaktion am 12. Februar: „Dukommst dir wohl sehr mutig vor, wieeine echte Frau. Hoffentlich kommstdu auch ins Gefängnis […] Wenn ihrnicht ins Gefängnis kommt, werdenwir euch töten“.3

Nach den Morden an den Vorsitzen-den der Mixtecos wurden die Dro-hungen, die mittels Telefonanrufen,Briefen und Personen, die einschüch-ternde Botschaften übermittelten,immer intensiver. Am 17. und 20.März erhielt sie auf ihrem Handymehrere SMS, in denen man ihr mit-teilte, dass sie die Nächste sein könn-

Als ich Inés als Übersetzerin half,begannen die Drohungen. Ich trafeinen Mann auf der Straße […], derebenfalls der indigenen Bevölkerungangehört, von dem wir aber wissen,dass er zum Militär gehört; er sagtezu mir: „Ich sage es dir im Guten, passauf, hör auf anzuklagen, weil das, wasdiese Frauen sagen falsch ist; duerzählst nur Lügen und die, die duanklagst sind sehr wütend, sie wollensich rächen; ich sage es dir im Gutenund weil ich dich kenne, pass auf“. Ichantwortete ihm nicht und dannbegannen die anonymen Drohungen.Daher gewährte man mir dieSicherheitsmaßnahmen (…). Siewollen mir Angst machen, damit ichnicht noch mehr Leute organisiere;deshalb verbreiten sie Angst. Wir wis-sen, dass die Regierung ihre Leute hat,paramilitärische Gruppen, und wirwissen, wer die sind, da sie ebenfallsder indigenen Bevölkerung angehö-ren. Dies ist gut geplant, damit dieRegierung sagen kann, es handle sichum Streitigkeiten zwischen der indige-nen Bevölkerung, wenn es Tote gibt. 5

Obtilia Eugenio Manuel,Präsidentin der OPIM

Drohungen und Übergriffe gegenMenschenrechtsverteidigerInnen

Obtilia Eugenio Manuel und Cuauhtémoc Ramírez,OPIM

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te, die verschwindet, gefoltert underschossen wird, genauso, wie dieVorsitzende der OFPM. Die Dro-hungen beinhalteten den Hinweis,dass die Unterstützung von Organi-sationen wie dem Menschenrechts-zentrum Tlachinollan sie nicht davorretten würde, dass „die Kugeln siedurchlöcherten“. Angesichts der an-gespannten Situation musste ObtiliaEugenio Manuel die Regionverlassen.4

Der Mord an Raúl Lucas Lucien yManuel Ponce Rosas, leitendeMitglieder der OFPMRaúl Lucas Lucien war einer derÜberlebenden des Massakers von „ElCharco“. Seit 2007 war er Präsidentder Organisation für die Zukunft desVolkes der Mixtecos (OFPM). Seit1998 wurde er mindestens viermalbedroht und angegriffen. 1999 folter-ten und bedrohten ihn Angehörigeder mexikanischen Armee. Im Sep-tember 2001 wurde er zusammen mitseinen Brüdern und seinem Schwagererneut von Militärangehörigen in sei-nem Dorf gefoltert. Am 18. Oktober2006, nachdem die „Andere Kam-pagne“ (la otra campaña) das Dorfvon „El Charco“ besucht hatte,erhielt er von Soldaten Drohungen.Schließlich wurde er am 15. Februar2007 aus einem Hinterhalt von einerKugel am Hals verletzt, was ihn fastdas Leben kostete. Obwohl all dieseVorgänge zur Anzeige gebracht wur-den, gingen die Täter straffrei aus.Am 13. Februar 2009 wurden RaúlLucas Lucien und Manuel PonceRosas, Sekretär der Organisation, vondrei bewaffneten Personen gegen13.15 Uhr entführt. Die Entführunggeschah während einer öffentlichenVeranstaltung, an der auch Mitar-beiter der Gemeindebehörde vonAyutla de los Libres teilnahmen. AmSonntag, den 22. März, identifiziertenFamilienangehörige der Opfer die Lei-chen der beiden Vorsitzenden, nach-dem sie am Freitag, den 20. März,mit deutliche Folterspuren und imfortgeschrittenen Stadium der Ver-wesung aufgefunden worden waren.6

Zwei Monate später berichteten dieAnwälte von Tlachinollan, welche dieFamilien der Opfer vertreten, über diefehlenden Ergebnisse und die schlep-pende Untersuchung der zuständigenJustizbehörden des Bundesstaates vonGuerrero. Sie beklagen, dass es nachwie vor keine Verdächtigen gibt.Besonders kritisieren sie, dass dieOberstaatsanwaltschaft von Guerrero

(PGJE) es in ihren Ermittlungen nichtin Betracht zieht, einen Zusammen-hang zwischen der Arbeit der Opferals MenschenrechtsverteidigerInnenund den Morden als wichtigsteErmittlungsrichtung zu untersuchen.7

Sie verlangten deswegen die Übernah-me der Ermittlungen durch Bundes-behörden, von denen sie sich einewirksamere Arbeit in der Aufklärungder Taten erhoffen.

Guadalupe Castro Morales undCarmen Lucas Lucía, Witwe undSchwester von Raúl Lucas, wurdenebenfalls bedroht; man verlangte vonihnen, ihre Forderungen nach Auf-klärung der Straftaten einzustellen.Sie teilten pbi mit, dass der mexika-nische Staat ihnen Polizeischutz ange-boten hat, den sie aber zurückgewie-sen haben. Sie erklärten, der Polizei-schutz wäre ohne Rücksprache mitihnen und ohne Rücksicht auf ihreBedürfnisse angeordnet worden. DiePolizisten, die sie schützen sollten,traten in ihr Haus ein, als sie geradedie Riten zur Beerdigung für ihreFamilienangehörigen ausführten. DieMaßnahme berücksichtige nicht ihrekulturelle und soziale Realität alsindigene Frauen, erklärten die beidenFrauen.

Die Drohungen gegen dasMenschenrechtszentrum TlachinollanEiner der wichtigsten Tätigkeitsbe-reiche des MenschenrechtszentrumTlachinollan ist die Arbeit derAnwälte, welche die juristischeBearbeitung von Menschenrechts-verletzungen übernehmen. So habensie unter anderem die Verteidigung inden Fällen der OPIM und der OFPMübernommen, die Klage bei mexika-nischen Gerichten und vor der Inter-amerikanischen Kommission fürMenschenrechte eingereicht haben.Zudem bietet Tlachinollan den

Opfern und Familien auch psycholo-gische Unterstützung an. Aufgrundihrer Arbeit wurden die Mitarbeitervon Tlachinollan sowie ihre Familien-angehörige Opfer einer Serie vonÜbergriffen und Drohungen, vorallem in den Monaten Februar undMärz 2009. Am 18. März 2009besuchte eine Delegation von achtMitarbeitern Tlachinollans Ayutla.Auf dem Rückweg wurden sie voneinem anderen Auto verfolgt, vondem aus mehrere Schüsse in die Luftabgegeben wurden. Angesichts derangespannten Sicherheitslage gabTlachinollan in den folgenden Tagendie zeitweilige Schließung seinesBüros in Ayutla bekannt, da unterden derzeitigen Bedingungen eineArbeit für die Verteidigung derMenschenrechte in der Region nichtmöglich ist. n

Peace Brigades International Unterdrückte Stimmen

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1 La Jornada Guerrero, 18. März 2008.2 Peace Brigades International:

Informationen, die von begleitendenPersonen übermittelt wurden

3 Amnesty International, Eilaktion, AMR41/006/2009, 12. Februar 2009

4 FIDH, Eilaktion-MEX 004/0309/OBS O55,30. März 2009

5 pbi Mexiko, Verteidigerinnen undVerteidiger für Menschenrechte imBundesstaat Guerrero, Dezember 2007,[http://www.pbi-mexico.org]

6 La Jornada, Opinión, 24. Februar 20097 Menschenrechtszentrum Tlachinollan und

mehr als 111 Organisationen, DieAggressionen gegen die Menschenrechts-verteidiger in Guerrero verstärken sich,25. März 2009

8 Auszüge dieses Interviews können nachge-lesen werden in der Veröffentlichung derpbi Mexiko „Menschenrechtsverteidi-gerinnen und -verteidiger im BundesstaatGuerrero“, verfügbar unter[http://www.pbi-mexico.org]

Raúl Lucas Lucién, Präsident derOFPM, ermordet im Februar 2009Im Juli 2007 fasste Raúl Lucas ineinem Interview von pbi einige derAngriffe zusammen, die er und seineFamilie seit dem Massaker von „ElCharco“ im Jahr 1998 erleiden muss-ten. „Nach dem Massaker von ElCharco begann die Armee, mich zubedrohen […], ich sei ein Anführer, derdie Kameraden anstachele, und siewürden mich töten. Sie kamen viermalin mein Haus und seitdem erhieltenwir ihre Morddrohungen […]. Dann ers-chossen sie meine Frau und uns wurde

keinerlei Gerechtigkeit zuteil. In diesemJahr, am 15. Februar 2007, verübten sieein Attentat auf mich […], sie schossenmir in den Hals. Und auch hier erhiel-ten wir weder Unterstützung von derPolizei noch von der Justiz. Bevor sieschossen (am 18. Oktober 2006), griffensie mich verbal an: „Du kennst deineRegion und weißt, wo Drogen gesätwerden und wo sich die Guerillerosaufhalten […]. Du solltest es wissen -und wenn nicht, werden wir die Ge-gend durchsuchen. Wenn wir dannetwas finden, kommen wir direkt zudir.“8

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Unterdrückte Stimmen Peace Brigades International

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Unterdrückte Stimmen Peace Brigades International

InternationaleMenschenrechtsorganisationenDie Organisationen der indigenen Be-völkerung knüpften auch Kontakt zuinternationalen Menschenrechtsorga-nisationen. Amnesty Internationalund Peace Brigades International rea-gierten auf die Übergriffe gegen dieOrganisationen und begleiteten diesezum Teil im Verlauf des Anzeigepro-zesses.

pbi hat seine internationalen Begleit-ungen in Mexiko 1999 begonnen;Ende 2003 begann die Begleitung derMitglieder von Tlachinollan, die imBüro von Ayutla arbeiten. Ende 2004berichtete Tlachinollan und die OPIMden MitarbeiterInnen von pbi von derGefahr, in der sich die Führung derOPIM aufgrund ihrer gewaltfreienMenschenrechtsarbeit und ihrer For-derungen nach Verbesserung dersozialen Situation in den Gemeindenbefindet. Besonders Obtilia EugenioManuel und Andrea Eugenio Manuelwurden stark bedroht, da sie sich alsÜbersetzerinnen und Unterstützerin-nen von Inés Fernández Ortega undValentina Rosendo Cantú einsetzten.pbi begann, die Vorsitzenden derOPIM, Obtilia Eugenio Manuel, An-drea Eugenio Manuel sowie Cuauh-témoc Ramírez Rodríguez zu beglei-ten. Die Begleitung von Tlachinollanwurde ebenfalls weiter fortgeführtund pbi hält einen engen Kontakt zuden Mitgliedern der OPIM und derOFPM, von denen zwei leitende Mit-glieder vor kurzem ermordet wurden.

pbi verfügt mittlerweile über eineregelmäßige Präsenz in der GemeindeAyutla und erstellte Veröffentlichun-gen in verschiedene Sprachen, indenen die Arbeit sowie die Forderun-

gen der begleiteten Organisationendargelegt werden. Diese Arbeit wirdvon einem internationalen Unterstüt-zungsnetzwerk in 16 Ländern inEuropa, Nordamerika und dem pazi-fischen Raum mit getragen. pbi hatinnerhalb und außerhalb Mexikosintensiv daran gearbeitet, Gesellschaftund Politik für die schwierige Situa-tion der Menschenrechtsverteidige-rInnen zu sensibilisieren. Bei Gesprä-chen mit zivilen und militärischenStellen in Mexiko, den Diplomati-schen Vertretungen, den Menschen-rechtsinstitutionen der VereintenNationen, der Europäischen Unionund dem InteramerikanischenMenschenrechtssystem wurde auf dieSicherheitsprobleme der Menschen-rechtsverteidigerInnen hingewiesen.

Amnesty International (AI) hat dieArbeit der OPIM und der OFPM ver-folgt und durch ihre Eilaktionenunterstützt. Seit 2005 hat AI seineSorge um die Sicherheit der Mit-glieder der OPIM Ausdruck verliehen;2009 wurden Eilaktionen für Mitglie-der der OFPM versandt. Am 11. No-vember 2008 hat Amnesty Internatio-nal fünf Mitglieder der OPIM, diesich seit dem 18. April 2008 in Haftbefanden, zu politischen Häftlingenerklärt und führt seitdem eine Kam-pagne zu deren Befreiung durch. Ver-treterInnen von Amnesty Internatio-nal haben am 5. und 6. Februar 2009die OPIM sowie die Menschenrechts-organisationen in Ayutla besucht.

Verschiedene internationale Men-schenrechtsorganisationen wie dieDeutsche Menschenrechtskoordina-tion Mexiko, der Zivile Dienst fürden Frieden (SIPAZ), Frontline, das„Washington Office on Latin Ame-

rica“ (WOLA), die „Latin AmericanWorking Group“ sowie „Agir En-semble pour les Droits de L’Homme“haben den mexikanischen Behördenihre Besorgnis bezüglich der Übergrif-fe auf die Mitglieder der OPIM undder OFPM ausgedrückt und wiesenauf die Pflicht der Behörden hin,MenschenrechtsverteidigerInnen zuschützen.

Nach der Ermordung der Vorsitzen-den der OFPM, Raúl Lucas Lucíaund Manuel Ponce Rosas, habenNichtregierungsorganisationen wieHuman Rights Watch (HRW), Fun-dación para el Debido Proceso Legal,Latin American Working Group undWashington Office on Latin America(WOLA) eine Mitteilung an die mexi-kanischen Behörden geschickt, in demsie ihre Sorge ausdrückten und eineschnelle Untersuchung der Ereignissesowie die Bestrafung der Verantwort-lichen forderten. Weitere 140 mexika-nische und internationale Organisa-tionen haben ebenfalls eine Erklärungaufgesetzt, in der sie den Schutz derFamilien der Opfer fordern und ihrerSorge über die Sicherheit der Mitglie-der der OFPM und der OPIMAusdruck verliehen.

Aktivitäten internationalerInstitutionenSeit mehreren Jahren ordnete die Inter-amerikanische Menschenrechtskom-mission (CIDH) Sicherheitsmaßnah-men zum Schutz der OPIM-Mitgliederan. Die CIDH untersucht auch dieFälle von Inés Fernández Ortega undValentina Rosendo Cantú. Die Ermor-dungen der beiden OFPM-Mitgliedersowie deren Begleitumstände sind in-ternational von zahlreichen Menschen-rechtsorganisationen auf breite Ableh-nung gestoßen: Das Büro des Hoch-kommissars für Menschenrechte derVereinten Nationen in Mexiko(UNHCR), die InteramerikanischeMenschenrechtskommission sowie dieEU-Präsidentschaft haben die Mordeverurteilt und eine zügige und umfas-sende Aufklärung der Vorfälle gefor-dert. Diplomatische Vertreter und Mit-glieder der Europäischen Union be-suchten auf Bitten von pbi am 16. und17. April 2009 den Bundesstaat Guer-rero. Sie trafen sich mit Menschen-rechtlern sowie mit Vertretern derstaatlichen Behörden, um Informatio-nen zur aktuellen Situation zu erlan-gen. Im März 2009 besuchten auchVertreter des Büros des UN-Hoch-kommissionars für Menschenrechte inMexiko die Region Ayutla. n

Die Arbeit der internationalenMenschenrechtsinstitutionen in Ayutla

Vertreter der deutschen und der französischen Botschaft ineinem Treffen mit Mitgliedern der OPIM und Mitarbeiternvon Tlachinollan in Ayutla am 17. April 2009.

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Peace Brigades International Unterdrückte Stimmen

UNHCR hat 2003 im Rahmen ihrerBeurteilung der Situation der Men-schenrechte in Mexiko1 mit der mexi-kanischen Regierung beschlossen, ein„ganzheitliches Aktionsprogrammzum Schutz der Funktion derMenschenrechtsverteidigerInnen undzur Anerkennung ihrer Arbeit“ zuerstellen und umzusetzen“.

Mexiko hat seinerseits ein NationalesMenschenrechtsprogramm erarbeitet,das offiziell am 29. August 2008bekannt gegeben wurde. Das Pro-gramm sieht vor „die Art und Weisezu definieren, wie man den Men-schenrechtsverteidigerInnen einenbesonderen Schutz zukommen lassenkann“. Die Bundesstaatsanwaltschaftist demnach zuständig „ein Sonder-protokoll zu erarbeiten, welchesErmittlungen von Straftaten gegenMenschenrechtsverteidigerInnen er-möglicht“, zudem soll sie „Gesetz-liche Rahmenbedingungen zumSchutz der Menschenrechtsverteidi-gerInnen voranbringen“.2 Im Rahmendes Revisionsprozesses vor demMenschenrechtsrat der VereintenNationen hat Mexiko sich zudem am13. Februar 2009 zum Schutz und zurUnterstützung der Arbeit der Men-schenrechtsverteidigerInnen bereiterklärt.

pbi hält die sofortige Umsetzung die-ser Zusagen des MexikanischenStaates in der Region Ayutla fürunaufschiebbar; die Gewalt gegenMenschenrechtsverteidigerInnenschränkt dort die Arbeit von derOPIM, Tlachiollan und der OFPMmassiv ein.

Darum bitten wir die internationaleGemeinschaft:

Gegenüber dem mexikanischen Staatihre Besorgnis über die Straflosigkeitder Morde im Falle der Mitglieder derOFPM und der OPIM, Raúl Lucas,Manuel Ponce und Lorenzo FernándezAusdruck zu verleihen und eine umfas-sende Untersuchung sowie dieBestrafung der Verantwortlichen zufordern.

Im Falle der Anklagen gegen RaúlHernandez und 10 weiterer Mitgliederder OPIM ein zügiges und fairesVerfahren zu fordern. Raúl Hernandezwurde von Amnesty Internationalzum politischen Häftling erklärt.

Zudem sollte eine zügige Entscheidungzu den Verfassungsklagen gegen dieHaftbefehle der OPIM Mitgliedergefordert werden.

Bezüglich der Drohungen gegen dieMitglieder der OPIM und der OFPMsowie der akuten Gefahrensituationder MenschenrechtsverteidigerInnen,soll Folgendes gefordert werden:Die Untersuchung und Verurteilungder Verantwortlichen für dieDrohungen gegen Obtilia EugenioManuel und die anderen Mitgliederder OPIM, gegen Mitarbeiter vonTlachinollan sowie gegen GuadalupeCastro Morales und Carmen LucasLucía, Witwe und Schwester von RaúlLucas der OFPM.Außerdem einen effizienten Schutz fürdie Mitglieder OPIM, im Speziellen fürObtilia Eugenio Manuel, AndreaEugenio Manuel und deren Familiensowie für Inés Fernández Ortega undihrer Familienangehörigen. Die mexi-kanischen Behörden sollten Gesprächemit den bedrohten Personen führen,um effiziente Maßnahmen zu derenSchutz festzulegen, welche dieBedürfnisse der Opfer mit einbezieht.

Unbegründete Anklagen und Prozesse,welche die Menschenrechtsvertei-digerInnen verleumden und die vonder Justiz als unhaltbar einstuft wer-den, sollten zu Ermittlung und Bestra-fung der Verantwortlichen führen.

Des weiteren soll die Überwachungder Umsetzung des NationalenMenschenrechtsprogramms vomAugust 2008 zum Schutz der Men-schenrechtsverteidigerInnen eingefor-dert werden. Ebenso sollte die Um-setzung der Empfehlungen, die Mexikowährend des Revisionsverfahrens vordem UN-Menschenrechtsrat angenom-men hat, eingefordert werden. Dazugehört die öffentliche Anerkennungder von MenschenrechtsverteidigerIn-nen geleisteten Arbeit durch den mexi-kanischen Staat.

Wenn Sie die Menschenrechtsvertei-digerInnen in Ayutla sowie die Arbeitvon pbi unterstützen wollen, nehmenSie bitte über unsere HomepageKontakt zu uns auf:www.pbi-mexico.org.

Besonders JuristInnen und AnwältIn-nen, die an den Fällen interessiertsind, bittet pbi, die riskante Situationder Anwälte von Tlachinollan zubeobachten. n

Empfehlungen

Die Sonderpublikation über Ayutlawurde vom pbi-Mexikoprojekt erar-beitet und veröffentlicht. pbi Mexikozeichnet sich nicht für die AussagenDritter in dieser Veröffentlichungverantwortlich.

Layout:Wolfgang Ecker und Tess TreiberDruck: Gráficas Luna Fotos: pbi und Centro de DerechosHumanos Tlachinollan

Mexiko, Mai 2009.

Foto Rückseite:Protest gegen die Ermordung derVorsitzenden der Organisation fürdie Zukunft des Volkes der Mixtecos(OFPM) im Februar 2009. Foto pbi.

Internationales Büro von pbiDevelopment House56-64 Leonard St.,London EC2A 4JX, UKTel.: +44 20 4065 [email protected]

Mexikoprojekt von pbiP.O. Box 40007 San Francisco CA 94140 USATel. / Fax: + 1 415 287 [email protected]

Büro des Mexikoprojekts in Mexiko-StadtCalle Medellín 33Colonia Roma06700 México D.F.Tel. / Fax: +52 1 55 55 14 28 [email protected]

1 Büro des Hohen Kommissars fürMenschenrechte der UNO in Mexiko.Diagnose der Situation der Menschenrechtein Mexiko. Mexiko, oacnudh, 2003,Empfehlung Nr. 7, S. 7 ff.

2 Nationales Menschenrechtsprogramm2008-2012, Bundesgesetzblatt, Freitag,29. August 2008

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Peace Brigades International (pbi) ist eine Nichtregierungsorganisa-tion, die seit 1999 Teams zur Durchführung internationaler Beglei-tung in Mexiko hat. Auf Anfrage lokaler Organisationen begleitetpbi Organisationen oder Personen, die aufgrund ihrer gewaltlosenArbeit für die Menschenrechte unter Drohungen und Verfolgung lei-den. Ziel der Begleitung ist es, den Organisationen die Weiterfüh-rung ihrer Arbeit zu ermöglichen und den politischen Handlungs-spielraum zu vergrößern. Die internationale Begleitung versuchtdurch das Eingreifen Dritter, die notwendigen Bedingungen zuschaffen, um zu einer friedlichen Transformation der bestehendenKonflikte beizutragen. pbi beabsichtigt zu keinem Zeitpunkt diemexikanischen Initiativen zu ersetzen, sondern beschränkt sich da-rauf, diese durch die Präsenz von internationalen Freiwilligen, wel-che die bedrohten AktivistInnen begleiten, zu unterstützen. Durchdie Anwesenheit in den Konfliktgebieten, Öffentlichkeits- und Infor-mationsarbeit sowie den Gespächen mit den zivilen und militäris-chen Behörden bekommen die lokalen Organisation internationaleUnterstützung.

Weitere Informationen finden Sie auf unseren Internetseiten:www.pbi-mexico.org / www.pbi-deutschland.de

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