gesetzmäßigkeiten von erzeugung und verbrauch im wandel der wirtschaftssysteme

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Gesetzm~iBigkeiten yon Erzeugung und Verbraueh im Wandel der Wirtschaftssysteme. Von Richard Kersehagl, Wien. L Vorbemerkungen. Die nachfolgende Untersuchung ist eine rein theoretisehe. In ihr sollen freie Wirtschaft und Planwirtschaft gewissermafien als Mo- delle betrachtet werden. Sie will die Wirkung der Anderung von Pro- duktionsregetn auf den Ablauf der V¢irtschaft betrachten. Hiebei soil insbesondere festgestellt werden, welche Wirkung gewisse unab~nder- liche und allgemein giiltige 5konomische Gesetze im System der freien Wirtschaft und im System der Planwirtschaft haben. Insb~sondere wird sio nStig sein, gewi~se alto und altgemein giiltige Gasetze so zu formulieren, daR sie in dieser abstrakten Formulierung auf ihre An- wendbarkeit in ebenso abstrakt formulierten Wirtschaftsmodellen be- trachtet werden kSnnen. ]~Iiebei werden sie sowohl im Bezug auf ihre Allgemeingiiltigkeit als auf ihre spezielle Gifltigkeit in konkreten F~llen zu prfifen sein. Unbeschadet der Feststellung ihrer Allgemein- giiltigkeit oder speziellen Giiltigkeit wird noch festzustellen sein, ob sie unter bestimmten wirtschaftlichen Verhaltnissen und bestimm- ten wirtschaftlichen Konstruktionen etwas Sinnvolles auszusagen ha- ben. Bei dieser Untersuebung soll von der einfa,ch,sien Darstellung aueh komplizierter Zusammenh~inge ausgegangen und zu 5konomisch immer komplizierteren Problemen fibergegangen werden. Als Aus- gangspunkt erseheint zun~ehst das Preis-Lohnproblem; yon ihm ge- langen wir zu den Fragen der Produktionsreehnung, yon dort zu spezifischen Erscheinungen der freien und der gelenkten Wirtschaft und 4amit schliel~lich zu dem viel!eieht am st~trksten spezifizi~rten Pro- blem, n~mlich dem de]: Pre~isdifferenzierung. Aus di~sen gewonne- nell Erkenntnissen ist es uns unschwer mSglich, die Einkommens- probleme und damit Geldprobleme im Zusammenhange mit den ers~- genannten Untersuchungen zu betrachten und schliel~lich daraus ge- wisse Schlul~folgerungen zu ziehen i). 1) Die vorIiegende Untersuchung ist das Ergebnis einer Reihe spezietler Untersuchungen zu dem Thema Preis -- Geld -- Einkommen. Sie stellt ~edoch hier bewufit die P~roduktionsprobleme im engeren Sinne in den Vordergrund.

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Gesetzm~iBigkeiten yon Erzeugung und Verbraueh im Wandel der Wirtschaftssysteme.

Von

Richard Kersehagl, Wien.

L Vorbemerkungen.

Die nachfolgende Untersuchung ist eine rein theoretisehe. In ihr sollen freie Wirtschaft und Planwirtschaft gewissermafien als Mo- delle betrachtet werden. Sie will die Wirkung der Anderung von Pro- duktionsregetn auf den Ablauf der V¢irtschaft betrachten. Hiebei soil insbesondere festgestellt werden, welche Wirkung gewisse unab~nder- liche und allgemein giiltige 5konomische Gesetze im System der freien Wirtschaft und im System der Planwirtschaft haben. Insb~sondere wird sio nStig sein, gewi~se alto und altgemein giiltige Gasetze so zu formulieren, daR sie in dieser abstrakten Formul ierung auf ihre An- wendbarkeit in ebenso abstrakt formulierten Wirtschaftsmodellen be- trachtet werden kSnnen. ]~Iiebei werden sie sowohl im Bezug auf ihre Allgemeingiiltigkeit als auf ihre spezielle Gifltigkeit in konkreten F~llen zu prfifen sein. Unbeschadet der Feststellung ihrer Allgemein- giiltigkeit oder speziellen Giiltigkeit wird noch festzustellen sein, ob sie unter bestimmten wirtschaftlichen Verhaltnissen und bestimm- ten wirtschaftlichen Konstruktionen etwas Sinnvolles auszusagen ha- ben. Bei dieser Untersuebung soll von der einfa,ch,sien Darstellung aueh komplizierter Zusammenh~inge ausgegangen und zu 5konomisch immer komplizierteren Problemen fibergegangen werden. Als Aus- gangspunkt erseheint zun~ehst das Preis-Lohnproblem; yon ihm ge- langen wir zu den Fragen der Produktionsreehnung, yon dort zu spezifischen Erscheinungen der freien und der gelenkten Wirtschaft und 4amit schliel~lich zu dem viel!eieht am st~trksten spezifizi~rten Pro- blem, n~mlich dem de]: Pre~isdifferenzierung. Aus di~sen gewonne- nell Erkenntnissen ist es uns unschwer mSglich, die Einkommens- probleme und damit Geldprobleme im Zusammenhange mit den ers~- genannten Untersuchungen zu betrachten und schliel~lich daraus ge- wisse Schlul~folgerungen zu ziehen i).

1) Die vorIiegende Untersuchung ist das Ergebnis einer Reihe spezietler Untersuchungen zu dem Thema Preis - - Geld - - Einkommen. Sie stellt ~edoch hier bewufit die P~roduktionsprobleme im engeren Sinne in den Vordergrund.

383) R. Kerschagh Erzeugung ~ d Verbraueh. 243

II. Lohn und Preis.

An der Spitze ~eder theoretischen Betrachtung des Verh~ltnisses yon LShnen und Preisen steht das sogenannte Lohn-Preisgesetz. A 11 e L S h n e s i n d a t s s o l c h e P r e i s b e s t a n d t e i l e , a l l e F r e i s e z u s a m m e n b e s t i m m e n d i e r e a l e L o h n h S h e . Hiebei kann ebenso gut a nsta~t ,,LShne" , ,Einkommen" stehen, wo- durch das Gesetz eine atlgemeinere Bedeutung erlangt. Dieses Gesetz gilt nicht nu r in normalen Zeiten, sondern seine Geltung wird noch deutlicher beispielsweise in Zeiten einer Inflation. Dor~ mul~ der sinn- lose und wirkungslose Wett lauf zwischen LShnen u.~d Preisen zur Schraube ohne Ende und zum totalen Zusammenbruch ~eder geord- neten Wir tschaf t fiihren. Die Konsequenzen, die sich aus dem ange- fiJhrten Gesetz ergeben, treten uns im t~gtichen Leben so deutlich ent- gegen, daI~ niemand die Giiltigkeit des GeseCzes ernstlich bezweifeln kann. Hiebei ist es nicht einmal efforderlich, die Bilanz und Kalk~la- tion yon Unternehmen zu betrachten oder die interne Bilanz des so- genannten , ,Haushattungsbudgets" zu ziehen. Es geniigt vielmehr voll- kommen der einfache Hinweis auf bestimmte, allgemein bekannte und von niemandem bestreitbare Tutsachen, von deren Richtigkeit sich ~eder- mann im Wege der sogenannten Introspektion, also der Selbsteinsicht und Selbstbefragung, zu fiberzeugen vermag. B e i z u h o h e n P r e i- s e n k a n n n i e m a n d k a u f e n , e b e n s o b e i z u n i e d r i g e n L S h n e n . B e i z u h o h e n L 5 h n e n ka. n n n i e m a n d e r z e u - g e n , e b e n s o b e i z u n i e d r i g e n P r e i s e n . Dies stellt in ein- fachen Wor ten ~enen Tatbestand dar, den die wissenschaftliche theo- retische Na[ionalSkonomie als die Unterkonsumtionskr ise einerseits, als die Uberprodukt ionskr ise andererseits, also als ,,GleichgewichtsstS- rungen der Wirtseha~t" bezeichnet.

Es ergibt sich aus dem Gesagten auch eine weitere interessante Abteitung, die nicht nu r theeretische, sondern sehr prakt ische Bedeu- tur~g besitzt: Nur bei Lohnstop sind Preisverschiebungen ech~ dan heifit, gehen sie unmittelbar auf Kosten oder z u Gunsten des Konsu- menten. Andererseits sind nu r bei Preisstop Lohnverschiebungen eeht, dal~ hell't, sie gehen auf Kosten oder zu Gunsten des Produzenten be- ziehungsweise seiner Unkostenrechnung vor sich.

Zu dem bereits Festgestellten kommt noch die Tatsache hinzu, da~ ein zweiter Doppelmechanismus besteht, den wi t als das ,,G r 5 1~ e n- g e s e t z v o n P r o d u k t i o n u n d K o n s u m " bezeichnen kSn- nen. VergrSl~erte Produkt ion bringt in der Regel verbilligte Produkt ion und damit erhShten Konsum mit sich. VergrSBer- ter Konsum wird andererseits in der Regel eine Verbil l igung und Auswei tang der Produktion, eben aus den angefiihrten Grtinden, zur Folge haben. Dies gilt votl in der Produkt ion industrieller Giiter und zwar solange, als sich die Industr ie in dem aufsteigenden Aste, mit anderen Wor ten bei der Auswer tung des Gesetzes vom zunehmen- den Indust r ieer t rag befindet und solange es sich urn prakt isch unbe-

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schr~tnkt reproduzible Giiter handelt. Bei tier Landwir tschaf t tritt die Wi rkung selbstverstiindlich iiberall dort nicht ein, wo man in dan Gesetz des abnehmenden Boden~rtrages gela.ngt. Dies wird aber in dor normalen Wi r t scha f t verhitltnism~itig selten der Fal l sein. Einerseits besteht n u t weltwirtschaft!iche Giiltigkeit des G~setzes bei einem nor- malen zwischenstaatlichen Wir¢schaftsverkehr, andererseits erfolgt eine Abschwachung des GeseCzes i iberhaupt in den Sparten der landwirt- schaftlichen Industrien, soweit eine Annaherung a~a die Produktions- bedingungen der Industr ie und ihrer Gesetze eintritt. Selbstverstand- lich mull sich hiebei ~eder bewulit sein, daI~ es letzten Endes nur ein einheitliches Gesetz des Produkt ionser t rages gibt, wobei vor Errei- chung des Optimums ein zunehmender Er t rag, nach Erre ichung des- selben ein abnehmender Er t r ag eintritt. Rein historisch gesehen und auf kontinental-europ~ische Verhaltnisse angewandt, werden aber die sogenannten Gesetze vom abnehmenden Bodenertrag und zunehmen- den Indust r ieer t rag nur zu Spezialfiillen des allgemeinen Optimum- gesetzes. Sie k5nnen ~e nach Nichterreichung oder Uberschrei tung der Optimumsgrenze die Bedeutung historisch bedingter, spezieller Fest- stellungen yon weitgehender Giiltigkeit fiir sich in Anspruch nehmen.

Ein weiteres ist schlieitlich fiir das Lohn-Preisverhi~ltnis festzu- stellen, was fast selbstverstiindlich ist, aber sehr hiiufig iibersehen wird: Die E r t r a g s v e r t e i 1 u n g i s t an sich unabh~ngig von der E r t r a g s e r z i e l u n g , dies mit t ier einzigen Einschr~nkung, dalt 6in nicht erzielter E r t r ag eben auch nicht verteilt werden kann. Die Er- zielung bestimmter Li/hne ist selbstverst~indlich yon der Erzielung eines bestimmten Gewinnes abh~ngig und eine bestimmte LohnhShe schliel~t in vielen Fi~llen eine Gewinnerzielung aus. Dies festzuhalten, ist wichtig fiir das a.n sieh schwierige Kapitel der ErfolgslShne. In einem gewissen Sinne ist selbstverstandlich ~eder Lohn ein Erfolgs- lohn; wenn das Unternehmen keinen Erfolg hiitte, wtirde es auf die Dauer nicht betrieben werden und keine LShne zahlen kiinnen. Es ist daher der Lohnempfi~nger an der Erzie lung einer bestimmten Preis- hShe durcha~s interessiert und zwar umso mehr, als diese PreishShe ihn als Konsumenten ~eweils nicht beriihrt. Es ist hier eines ~ener typi- schen Beispiele der verschieden gearteten Interessen, die am deutlichsten in zwei Ffi,llen zutage treten. Einerseits im Fal le der sogenannten A g r a r s c h e r e, wo die Industr ie an niedrigen Preisen der land- wirtschaftl ichen Produkte inteTessiort ist. Dadurch sollen die Lebens- kosten und damit die L5hne und damit wieder ihre eigenen Produk- t ionskosten nicht ein die Produkt ion stillegendes Nivea.u err~iehen. Andererseits wieder will die Landwir tschaf t Industr ieart ikel zu einem Preise erwerben, der in einem gesunden Verh~i.ltnis zu den Preisen ihrer eigenen Produkt ion steht. Der Interessenausgleich ist hier we- tier leicht noch einfach und eine sorgf~tltige und dauernde Beobachtung der Relationen in der Preisversehiebung yon essentietler Bedeutung.

Das Gegenstiick hiezu haben wir etwa in der Kapitalswirtschaft , wo das InCeresse an ausreichenden Zinss~tzen zu verst~rkter Kapitals-

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bildung ganz offenkundig dem ,,Schrei nach billigem Gelde" - - das aber dann eben nicht auf gesunder Kapitulbasis gebildet werden kann - - widerspricht.

Desgleichen a'ber - - und auf diese F rage soll noch in einem spa- teren Abschnitt zuri ickgekommen werden - - mul~ immer wieder be- tont werden, dal~ die Feststel lung richtiger Relationen und die Feststel- lung aller Er t rage fiberhaupt, besonders abet die Feststel lung soge- nannter ErfolgstShne, direkt abh~ngig ist v o n d e r MSglichkeit rich- tiger Erfolgsrechnung und dem Willen dazu. Hier grenzt allerdings das Lohn-Preisproblem unter anderem an das Geldproblem, an das Pro- duktionsproblem und insbesondere an das Kalkulat ionsproblem. Damit riihrt man aber auch an den Grundlagen sowohl der Prinzipien der Wir tschaf ls rechnung als denen der Wirtschaftsff ihrung.

III. Produktionskosten und Produktionsrechnung.

Am Anfang ~eder Produkt ionsrechnung stent das sogenannte ,;P r o d u k t i o n s k o s t e n g e s e t z". Niemand kann dauernd unter den Produktionskosten verkaufen. Auch das ,,R e p r o d u k t i o n s- k o s t e n g e s e t z", alas schon vor mehr als hundert J ah ren C a r e y formuliert hat, ist in Wirkl ichkeit nu r das Produktionskostengesetz unter Einschal tung des Zeitmomentes; denn die Reproduktionskosten sind nichts a, nderes als die kiinftigen Produktionskosten. Die sich da raus ergebenden Konsequenzen sind mannigfache. Beim Sinken der [~eproduktionskosten unter die Produkt ionskosten entsteht die Gefahr, eine Vorra tsen twer tung von Rohstoffen und Fer t igfabr ikaten herbei- zufiihren. Ein Steigen der Reproduktionskosten fiber die Produkt ions- kosten ffihrt zu der Schwierigkeit, dal~ man ohne Substanzverlust nicht mehr zu den Produkt ionskosten verkaufen kann. Beide Fal le sind auch enge mit dem P r o b l e m d e r S c h e i n g e w i n n e und zwar sowohl der rechnungsma]~igen a ls der tats~chlich erzielten ver- kntipft.

Liegt andererseits der erzielbare Pre is unter den Produkt ions- kosten, so ist es kiar, daft die Gefahr eines Substanzverlustes und letz- ten Endes der Produktionseinstel lung kaum vermeidbar wird. An sich wiirden selbstverstandlich alle Giiter durch die Abgabe unter den Produkt ionskosten quasiabundant und zwar umsomehr, ~e weiter sich die Preise zu Ungunsten der Produkt ionskosten von diesen entfernen. Das durch einen solchen Vorgang entstehende Defizit deckt sich ent- weder dutch Substanzverlust und Entkapi ta l is ierung solange als noch Substanz vorhanden ist. Oder aber es erfolgt tier Ersa tz des Substanz- verlustes durch Ausgleich in anderen Produkt ionszweigen des gleichen Produzenten, die dann zu entsprechend fiberhShten Preisen verkau- fen, ein Vorgang, der aus dem Schema des Dumpings her sehr be- kannt ist. Dri t tens kommt in F rage eine Erg~nzung aus anderen, ~ffentlichen, Mitteln, als durch Subventionierung. Allen diesen Fal len ist gemeinsam, dal~ Ent las tungen in einer Sparte durch Belastungen

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aus einer anderen Sparte gedeckt werden. W i r wotlen auf dieses P r o- b l e m d e r , , M i n u s v e r s c h i e b u n g e n " sp~ter noch zuriick- kommen.

Grunds~itzliche Bedeutung kommt in der Produkt ion den Proble- men des sogenannten Grenzbetriebes zu. Bekanntlich richten sich in der freien Wir tschaf t und bei einheitlichen und freien Preisen die er- zielbaren Preise nach den Produktionskosten des teuersten und ungiin- stigst arbeitenden Betriebes, der noch zur Bedarfsdeckung herangezo- gen werden mulk Es wird a l l e rd ings hiebei in der Regel iibersehen, dal~ dieses theoretisch durchaus ric.htige Gesetz prakt isch im Aus- matte seiner Wirksamkei t au~erordentlich eingeschra.nkt wird. Der Grund hiefiir ist darin zu suchen, dal~, soweit nicht zollpflichtige Hindernisse, a~so 9twa SchutzzSlle, dem entgegenstehen, de r Grenz- betrieb nicht ~ lkswirtschaftlich, sondern weltwirtschaftlich zu suchen sein wird. E s wird, zweitens, darauf hinzuweisen sein, daI~ es ~ich meist um beliebig vermehrbare Giiter handeln wird. Bei deren Pro- duktion unterliegt der mit giinstigen Kostenrelationen arbeitende Be- trieb nicht nur selbst so gut wie keinen Ausdehnungsbeschrankungen, sondern er kann sogar mit weiterer Steigerung der Produkt ion lange mit immer giinstigeren Produktionsbedingungen reehnen. Es besteht so- mit mit technischem Fortschri t t und Ausdehnung der Produkt ion norma- lerweise die Tendenz zur Ann~iherung an ~eweils optimale Produk- t ionsbedingungen versprechende Produktionsausmal~e. Es wird daher unter normalen Verh~iltnissen und soweit die SchutzzSlle dieses nicht international unterbrechen, die Distanz zwischen dem ~eweils optima- len und dem sehlechtesten Grenzbetrieb sich st~ndig verr ingern und immer kleiner werden. Damit wird allerdings auch die sich dadurch ergebende Differenzialrente in der Regel weiter sinken und eine st~in- dige natiirliehe Neigung zur Pre issenkung gegeben sein. Die Grenzen dieser Pre issenkungen werden dann am deuttichsten beim Monopol- betrieb, we das C o u r n o t 'sche Gesetz in Wirksamkei t tritt, das heifit, Maxima]umsatz beim bestmSglichen Preis angestrebt wird. All dies gilt aber selbstverst~lndlich nur unter der Vora~ssetzung, dab es sieh um prakt isch unbeschr~inkt vermehrbare Gtiter handelt.

Jeder Versuch einer K a r t e t 1 b i 1 d u n g wirkt sieh daher in d o p p e l t e r R i c h t u n g aus. Einerseits in der Richtung einer k t t n s t l i c h e n E r h a l t u n g y o n G r e n z b e t r i e b e n , anderer- seits in der Richtung einer k i i n s t l i e h e n E r h a l t u n g m S g - l i c h s t h o h e r D i f f e r e n z i a l r e n t e n , wobei beides unlSslich miteinander verkniipft ist. I )e r Staat mu{~ dahe~ solchen Kartellbildun- gen unter zwei einander sehr widerstrebenden Gesichtspunk~en entge- gentreten. Einerseits unter dem der Erha l tung der Grenzbetriebe aus den verschiedensten sozialen, arbeitspolitischen und produktionsmal~i- gen Griinden heraus. Andererseits geht es fiir ihn um die Verhin- derung yon ~bergewinnen, urn die Verhinderung der ttbermal~igen Steigerung der Lebenskosten und nieht zuletzt die Verhinderung un- erw[inschter Monopotstellungen. Der Staat hat allerdings unter ande-

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rem zwei Mittel in der Hand - - auch ohne eine sogenannte Antitrust- gesetzgeb~mg - - , um dagegen aufzutr~ten: Einers~i~s die Wegsteuerung der Differentialrente, was aber vor allem an der eing~tretenen ErhShung des Preisniveaus nichts ~ndert. Anderersei ts abe t hat er die MSgtich- keit einer Preisfestsetzung, die yon den ~eweiligen individuellen Ko- sten ausgeht. Dabei kann dann die Einheit eines ,,freien" Marktes nicht mehr aufrechterhalten werden und ein besonders wichtiges Sti- mulans zur Produkt ionsste igerung mul~ verlorengehen. Prakt i sch kommt die letztere LSsung, die insbesondere in Kriegszeiten, wo eine Maximalproduktion ohne Riicksieht auf Kosten in vielen Sparten an- gestrebt werden mult, darauf hinaus, dal~ den Produktionskosten ein- fach eine garantierte GeWinnstmarge zugesehlagen wird. Damit abet wird rein mental der Anreiz zur Senkung der Produkt ionskosten ein verh~tltnismaitig immer geringerer. Es tritt an Stell~ der ,Kalkula t ion auf bestimmte Preise zu" die , ,Kalkulation yon bestimmten Kosten weg", ein Vorgang, der gewil~ aus noch zu erSrternden Griinden sehr bedenklich sein mu~.

Die zunehmend bessere Versorgung einer Wir tschaf t h~ngt yon dem Kampf um die Preissenkung, um die Arbeitsintensivierung, kurz um die Erzie lung grSiterer Leistungsintensit~t ab. Hiebei spielen psy- chologische Momente auller den rein 5konomischen eine grol~e, ~a entscheidende Rolle. Diese Rolle ist sogar weitgehend unabh~ngig vom Wirtsehaftssystem. Der gewissermal~en sportliche Anreiz der Plan- erftillung im vollsozialisierten Wir tsehaf tssystem vermag ebenso gut als ein Stfick ~Virtschaftsethos gewertet werden, wie der Gedanke des ,,k6niglichen Kaufmannes" und dos warenschSpferischen Unterneh- mers in einem kapitalistisehen System. Wie welt solche psychologische Anreize einen tatsachlichen oder n u t imagin~ren Wef t besitzen, mag an sich zweifelhaft sein. Unzweifelhaft ist, dali auch ein solcher ima- g inarer Wer t sich in demselben Ausma~e realisiert, als er zu neuen Leis tungsgr55en zu fiihren vermag.

IV. F re i e Wi r t scha f t und ge lenkte Wi r t scha f t im Geld- mid E inkommenssek tor .

W i r haben in den vorhergehenden beiden Abschnitten die Gestal- tung des Lohn- und Preisprobtems sowie der Produkt ion n u t in einem System betrachtet, das nicht etwa eine freie Wir tsehaf t im Sinn~ eines restlosen Libera l ismus und eines ausschliel~lich in privaten H~nden befindlichen Kapitalbesitzes bedeutet. W i t betrachten eine ,,freie Wirt- schaft" im Sinne der Einheit des Marktes, der Einheit des Preises und der Befolgung des 5konomischen Pr inz ips in allen Produktionssparten. Nunmehr wollen wir in den wichtigsten Ztigen ~ene M o d i f i k a t i o- h e n beschr~iben, d i e s i c h in e i n e r im K o n s u m s e k t o r z e n t r a l - g e l e n k t e n u n d g e p l a n t e n W i r t s e h a f t unter Abgehen voa diesen Prinzipien ergeben mtissen. An der Spitze der sogenannten unSkono- mischen Ptanwir tschaf t steht der Leitsatz: G e l e n k t e W i r t s c h a f t i s t g e s c h e n k t e W i r t s c h a f t . Ein Zutei lungssystem in dor Kon-

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sumsph~ire, sei es auf Kar ten oder auf irgendeinem anderen techni- sehen Mittel aufgebaut, bedeutet zungchst, daI~ die Einheit des Geldes als Kaufrecht und Kaufkra f t durchbrochen und in zwei voneinander getrennte Teile zerlegt wird. Wahrend das Kaufrecht bei der Anwei- sung verbleibt, verbleibt die Kaufkra f t be im Geldzeichen; aber auch diese Kaufkra f t ist keine einheitliche. Sie differiert selbst bei einem normalen Kartensystem zwischen der Kaufkra f t auf dem Kar tenmarkt und der auf dem Grauen und Schwarzen Markt: I n d i e s e r W i r t- s c h a f t w e r d e n d i e E i n k o m m e n z u , , u n e c h t e n E i n k o m - m e n " u n d d i e P r e i s e z u , , u n e c h t e n P r e i s e n " .

Selbstverst~ndlich ist ein Abgehen veto Produktionskostengesetz in einer vollsozialisierten Wir tschaf t in einem ziemlich weiten Um- range mSglich. Technisch wird es vielfach i iberhaupt keine Schwierig- keiten geben, auf den Er fahrungen und Systemen der freien Wir t - schaft aufbauend, zu solchen Maltnahmen zu schreiten. Es wird das Mischen der Preise in verst~trktem Ausma~e mSglich sein, wie es zum Beispiet beim Getreidemonopol fast regelm~l~ig der Fal l ist. Es wird eine Staffelung der Preise und damit ein AbschSpfen des Marktes mSg- lich sein - - wir kennen solches beispielsweise in der Verlagsindustr ie schon bisher. Hiebei kann dieses AbsehSpfen zeittich getrennt eder auch gleichzei¢ig, wie etwa bei differenzierten Fahrpre i sen und differen- zierten The~terpreisen, erfolgen. Es wird schlieBlich sogar eine Differenzierung der P~eise, ~e nach Einkommen, m(iglich. Die Frage der Preisdifferenzierung in einer noch nicht sozialisierten, quasi , f reien" Wirtsehaft , sell erst im nachfolgenden Abschnitt behandelt werden. Es ist klar, dalt, wie gesagt, damit ~ede nominelle Einkom- mensgestal tung und Einkommensdifferenzierung den grSliten Teil ihrer Bedeutung verlieren muit und nur mehr ein optisches Problem wird, in hohem Grade zur Ta rnung einer vielfach yon der nominellen Ein- kommenshShe geradezu diametral abweichenden, anders gearteten Kaufkra f t der Einkommen. Daft eine solche Einkommensgestal tung noch durch eine bewultte Differenzierung verst~irkt werden kann, ist klar. Das Geld hat seinen Charakter als gemtinzte Freiheit, wie D o- s t e ~ e w s k i so schSn sagt, damit verloren und wird gemiinzte Will- kiir. D i e i n d i v i d u a l i s i e r t e K a u f k r a f t d e s G e l d e s is~ m i t d e m W e s e n d e r n o r m a l e n G e l d w i r t s c h a f t u n d G e l d r e c h - n u n g n i c h t m e h r v e r e i n b a r. Die Konsequenzen daraus blei- ben nicht auf die E i n k o m m e n s - u n d Preisgestal tung beschriinkt, son- dern dehnen sich auf die Prinzipien der Gesamtproduktion aus.

Aber es gibt eine Grenze der Preismanipulat ion aueh im voll- sozialisierten Staaie. Da alle Produktionsmittel in den t t~nden der Allgemeinheit und aite Einkommen eigentlich Staatseinkommen, oder richtiger vom Staate abgeleitete Einkommen sind, verliert das bisherige Steuersystem Sinn und Basis zugleicb. D e r v o 11 s o z i a 1 i s i e r t e S t a a t i s t n u r s i n n v o l l a l s d e r S t , a a t o h n e S t e u e r n . D a s P r e i s p r o b l e m d e r P r o d u k t ~ o n i n d e n v o l l s o z i a l i s i e r t e n P r o d u k t i o n s s t ~ t t e n t r i t t a n d i e S t e l l e d e s S t o u e r p r o b l e m s .

389) Erzeugung und Verbrauch im Wandel der Wirtschaftssysteme. 249

Das Ertragsproblem dieser Produktionsst~tten wird nicht weniger wichtig, sondern wichtiger. Wo ein Abgehen von dem Prinzip der Kostendeckung in einer Sparte eingetreten ist, mul~ ein Prinzip der t~berkompensation durch andere Sparten eintreten, wenn nicht der vollsozialisierte Staat zu einem Staat ohne geldlichen Machtapparat oder zu einem Staat der Inflation werden will. Nebenbei sei bemerkt, dal~ es nur logisch ist, wenn beispielsweise das Problem einer Ver- mSgensbesteuerung in sotchen Staaten bei Fehlen des Privateigentumes an allen entscheidenden Unternehmungen und Betrieben entweder zu einem im Grunde sinnlosen System der Verrechnung in sich werden kann, oder zu einem System periodischer GeldabschSpfungen, also einer Deflation aus fiskalischen Grfinden, zu fiskalischen Zwecken. Zu all den Vorgangen, die wir im Steuerstaate haben, finden wi r dann die Analoga im Preissektor. An die Ste]le der Steuerfiberwalzung tritt die Preisfiberw~ilzung, an die Stelle der Steuerprogression die Preispro- gression. Daft es dann besonders nahe liegt, das GeldabschSpfugnspro- blem unter ganz oder fiberwiegend fiskalischen Gesichtspunkten zu betrachten und praktisch zu handhaben, ist bereits gesagt und dgent- lich selbstverst~ndlich.

Interessant und schwierig sind aber auch die P r o b 1 e m e, die sich a u f S e i t e d e r M a r k t g e s t a t t u n g ergeben. Weder Ange- bot noch die Nachfrage regulieren mehr den Konsum. N i c h t d i e E i n k o m m e n r e g u l i e r e n m e h r d i e P r e i s g e s t a l t u n g , s o n d e r n d i e i n d i v i d u e l l e n P r e i s e b e s t i m m e n d i e t a t - s i i c h l i c h e E i n k o m m e n s g e s t a l t u n g . Ein staatliehes Zuteilungssys~em regelt mehr oder weniger willkfirlich eine Wirtschaft, die mit dem bisherigen Begriif der Geldwirtschaft angesicbts der nur mehr gegebenen Scheinbedeutung des Geldes und des Geldeinkommens n~tr mehr den Namen gemeinsam hat. D u t c h v o l l s t ~ i n d i g s u b ~ e k t i v i e r t e n C h a r a k t e r d e s G : e l d e s w i r d e i n e m e h r o d e r w e n i g e r w i l l - k i i r l i c h g e s t a l t e t e N a t u r a l w i r t s c h a f t n u r s c h l e c h t v e r h f i l l t .

Konsumgrenze und Produktionsgrenze werden gleichm~il~ig test- gelegt; diese Planung wird in Wahrhei t zentral diktiert. Das sagt an sich natiirlich noch nichts fiber die Gfite und Zweckm~fiigkeit der P lanung aus. Genau so, wie wir etwa im 18. Jahrhunder t einen De- spotismus der Aufkl~irung in den meisten europ~iischen Staaten gehabt haben, der tells gut, tells schlecht war, genau so, wie das Prinzip des Prinzipates nach AuflSsung der rSmischen Republik tells gute, tells schlechte Staatsffihrungen hervorgebracht hat, kann auch hier beides der Fall sein. Es bleibt auch die F rage v511ig often, ob wir uns, um mit F o u r i e r zu sprechen, im aufsteigenden oder im absteigenden Aste wirtschaftlicher Moral und 5konomischer Zweckm~ifiigkeit befin- den. Eines abet ist sicher: D e r S c h r i t t v o n d e r g e l e n k t e n W i r t s c h a f t z u m g e l e n k t e n M e n s c h e n i s t ~ e d e n f a l l s k e i n g r o l ~ e r .

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V. Probleme tier d i f ferenzierten Preise .

Wenden wir uns nochmals dem P r o b 1 e m e d e r d i f f e r e n- z i e r t e n P r e i s e in der normalen Wirtschaft zu. Das Problem der differenzierten Preise in der Volkswirtschaft gehtiI¢ schon rein theore- tisch zu den schwierigsten und die Frage der Zweckmaliigkeit dieser Differenzierung ist, setbst soweit es sieh um ein rein 5konom~sches Urteil handelt, a.ulterordentlich sehwer zu beaneworten. Die Differen- zierung der Preise ftihrt selbstverstandlich und automatisch innerhalb der Produkt ionssphare zu viner differenzierten Er t ragsrechnung, in- nerhaib der Konsumsphare aber zu e~ner differenzierten Kaufkra f t d(~r Einkommen. Er t rags- und EinkommensgrSi~en nehmen s tark fiktiven Charakter an. Der E r t r ag wird unter ungleichen Bedingungen erzielt, das Nominaleinkommen tritt unter ungleictlen Bedingungen auf den Markt und weist daher, selbst bei nomineller Gleiehheit, verschiedene Kaufkraf t auf. S o b a l d w i r d a s P r i n z i p d e r e i n h e i t l i c h e n P r e i s g e s t a l t u n g d u r e h b r e c h e n , d u r c h b r e c h e n w i r d a s P r i n z i p d e r g r u n d s a t z l i e h g l e i c h e n V o r a u s - s e t z u n g e n i m P r o d u k t i o n s - w i e i m K o n s u m s e k t o r . Es ist klar, 4af~ schon vine Differenzierung der Preise fiir Rohstoffe and Kraftstoffe prakt isch auf vine Subvention der begiinstigten Betriebv hinausl~iuft. Often bleibt nur die Frage, auf wessen Kosten vine solche Subvention vor sich geht. Sie kann, sowvit nicht direkte Subvent~ienie- rung eintritt, indirekt auf Kosten des Lieferanten in Form eines nicht erzielten Gewinnes oder vines tatsachlich eingetretenen Vertustes ge- geben sein. Auch Mischungen beider Formen mit versehiedenen Gra- den von Kompensation und ~berkompensa£ion von Verlust und Ge- winn sind denkbar.

Welters mug man sieh dariiber im klaren sein, dal~ eine solche Differenzierung einzelnvr Sparten dvr Produktionskosten zu einer V e r s c h i e b u n g d e r G r e n z b e t r i e b e fiihren muff. Mit ande- ten Worten: es kSnnen durch billigere Lieferungen dem schlechtesten Betrieb nahestehende Betriebe gfinstiger gestaltet oder gar bisher aus- geschlossene Betriebe aktiviert werden. Allerdings ware auch eine Verschiebung in einer anderen Riehtung denkbar, indem die olmedies zu vorteilhaften Produktionsbedingungen arbeitenden Betriebe bewugt noch durch Begiinstigungen favorisiert werden. Eine solehe Entwick- lung, welehe im Gegensatz zur erstgenannten zu einer VergrSfierung und nicht zu einer Yerklvinerung der Differenzialrente fiihren mtil~te, ware an sich durchaus nicht unbedingt unsinnig. Es wiirde zwar mSglicherweise dadurch vine Verst~irkung der Differenzialrenten ein- treten, ebenso aber, sei es mit oder ohne VergrSJ~erung der Differen- zialrente, vine giinstigere Preisgestaltung. Ganz abgesehen yon dem N i e t z s c h e'schen Grundsatz ,,Man store was da falle" wiirde in sehr vielen Fallen eine solche Preisdifferenzierung unter Umstanden eine weitere Yerbesserung der ohnedies schon in optimaler Entwick- lung befindlichen Produkt ionslage der aueh volkswirtschaftl ich lei- stungsf~higsten Betriebe bedeuten kSnnen.

391) Erzeugung und Verbrauch im Wandei der Wirtschaftssysteme. 251

Abor wie es auch sei, drei Dinge ergeben sich im Fallo solcher DiL ferenzi~rung mit Notwendigkeit: Zunt~chs~ das E n d e d e s ,,f a i r p 1 a y", also der Arbeit unter sonst gleichen Bedingungen. Waiters der W e g f a l l e i n e r e c h t e n V e r g l e i c h s m S g t i c h k e i t , weil eben eine gleiche Vergleichsbasis nicht mehr gegeben ist, und schlie[~lich ergibt sich wieder daraus tier notwendigerweise f i k t i v e C h a r a k t o r j e d e r E r f o l g s r e c h n u n g , d ienichtdaraufRi ick- sicht nimmt, daf~ es sich hiebei tun e~ne kiinstlich beeinflul~te Kosten- ges~altung handelt.

Diese Bedenken warden in tier Regal dutch H i n w e i s a u f v e r s e h i e d e n e F r u c h t b a r k e i t s g r a d e e i n z a l n e r P r o - d u k t i o n s z w e i g e , auf die Bedeutung gewisser S c h l i i s s e l - i n d u s t r i e n s0wie auf den Umstand, dab ~a auch in z a h t 1 o s e n a n d e r e n F ~ l l e n e i n e A r b e i t u n t e r u n g l e i c h e n P r o - d u k t i o n s b e d i n g u n g e n in der Wirtsehaft stattfindet, bekampft. Hiebei ist es gewii~ richtig, dab natfirliche Beeinfluss~ngen, wie zum Beispiel bei den Standortindustrien, oder kiinstliche Beeinflussungen, wie etwa bei Besitz von P a t e n t e n oder im Falle vertragsmt~iger Abreden, wie zum Beispiel bei K a r t e 11 e n, gegeben sind. Es ist sogar dam nicht zu widersprechen, dal~ schon ein kiinstlicher Z o 11- s c h u t z in Bezug auf den Preis t~hnliche Wirkungen haben kann, wo- bei allerclings die Differenzierung reels* mehr im erzielbaren Preise des Endproduktes, als in den aafgewendeten Kosten fiir die Herstetlung eines Produktes zu finden sein wird. Wenn wir abet diese angeftihrten Griinde auf ihren echten theoretischen Gebalt untersuchen, so handelt es sich im wesentlichen um d r e i F t~ 11 e:

Erstens kann es datum gehen, P r o d u k t i o n s z w e i g e zu fSrdern, d i e s i e h v o r f i b e r g e h e n d o d e r d a u e r n d i m A s t e d e s a b s t e i g e n d e n E r t r a g e s - - vgl. hiezu auch die Frage: Schutzzoll nnd Erziehungszoll - - befinden. Dies wird etwa der Fall sein, wenn zu einem kiinstlieh verbilligten Preis Stiekstoffe der Land- wirtschaft zugefiihrt warden, beziehungs~eise wenn der Stickstofferzeu- gang zu diesem Zweeke verbitligter Strom zur Verftigmlg gestellt wird.

Es wird sieh, zweitens, urn den Full handeln, dal~ bestimmte S c h l f i s s e l i n d u s t r i e n , welche R o h s t o f f e and H a l b f a k r i - k a t e erzeugen, zu ungunsten der Hersteller von F e r t i g f a b r i k a- t e n bevorzugt warden sollen.

Es wird sieh, drittens, um das soviel umstrittene and sehwer reehenbare Problem des sogenannten K u m u l a t i v n u ~ t z e n s handeln, also um die Kompensation der in bestimmten Zweigen ge- machten Konzessionen dureh Betriebseffolge in anderen. Selbst wenn wir abet annehmen, da[~ im lotztgenannten Falle eine einwandfreie Konstatierung sowohl des Ka~salzasammenhanges als solchen, als des rechnungsmtil~igen Umfanges der eingetretenen Erfolge iiberhattpt m5gIich ist, sowie dal~ die ersten beiden Ftille nicht von vornherein ein totales Verlustgescht~ft mit sich bringen, das letzten Endes aueh

252 R. Kerschagh (392

nichL im volkswirtschaftliehen Interesse lage, so gelangen w ir doch zu folgendem Ergebnis:

Es handelt sich hiebei um eine k il n s t 1 i c h e V e r s c h i e b u n g yon M i n u s p o s t e n a u s e i n z e l n e n Z w e i g e n d e r V o l k s - w i r t s c h a f t in andere. Die moralische Berechtigung selcher Marl- nahmen steht fiir den NationalSkonomen nicht zur Diskussion. Er ver- mag nur eine Pri l fung auf die tatsi~chliehe iikonomische Zweckmi~itig- keit vorzunehmen. Aueh dieser Standpunkt ist keineswegs so eng um- grenzt oder gar so kleinlich, wie man vielleicht annehmen mag. Denn selbs~ bei der Frage, ob es sich um politische oder 6konomische Zweck- ma~igkeit handelt, k6nnte, rein soziologisch gesehen, unter Umstfi,n- den mit Recht untersucht werden, ob es sich hiebei nicht gewisser- maven um eine , , V e r m i n d e r u n g v o n R e i b u n g s w i d e r - s t a n d e n " handelt, der letzten Endes auch 5konomische Bedeutung zukommt. Es ware auch im gegebenen Falle die Frage zu unter- suchen, ob nicht etwa eine Preisdifferenzierung yon Kraftstoffen zu- gunsten der Produktion und zu ungunsten des Konsums einfach ein wirtschaftspolitisehes Mittel zu einer notwendigen K o n s u m - r e s t r i k t i o n bei gleiehzeitiger Produktionsausdehnung darstellen kann, um einen anders schwerer erzielbaren Ausgleich herbeizufilh- ten. In vielen Fallen wird das Problem einer noch erlaubten FSrdo- rung yon Zweigen der Exportindustrie vortiegen. ~iebei wird auch zu untersuehen sein, ob direkte Subventionierung oder indirekte die tech- niseh gilnstigere und rechtlich zweckmaltigere Form darstellt. In ande- ren Fallen wird die Frage einer Entwicklungsstiitze filr schwache und erst a]lmahlich starker werdendo Produktionszweige zu erSrtern sein~ etwa vergleichbar dem Prinzip der ErziehungszSlle. In allen Fallen aber sind zwei Forderungen unter allen Umstanden unausweichlich:

Erstens das stete und unbedingte Bewul~tsein, dait es sich hiebei um eine A u f h e b u n g e c h t e r V e r g l e i c b b a r k e i t - - sei es bewui~t oder unbewufit - - handelt. Man wird alle solche Ertragsrech- nungen in ~edem Falle erst auf ihren wahren Gehalt reduzieren mils- sen, um nicht a u s d e m G e b i e t e i n e r s e h e i n b a r e n R e a l i - t ~ t i n d a s e i n e r b e w u t i t e n o d e r u n b e w u R t e n F i k t i o n z u g e l a n g e n .

Zweitens abet mull ein H a u p t f e h 1 e r unter allen Umst~ndeu vermieden werden, n~mlich die Z f i c h t u n g v o n T r e i b h a u s - p f 1 a n z e n, die letzten Endes grSitere Opfer yon der gesamten Wirt- schaft erfordern kann, als sich irgendwie rechtfertigen taint, sowie man nur ers~t eine ob~ekt4v richtige Vergleichsrechnung eins,tellt Ni c h t s i s t d e r W £ r t s c h a f t s c l ~ d l i c h e r als~ d e r ~ b e r t r i t t i n d a s R e i c h d e r F i k t i o n e n u n d n i c h t s i s t f i l r d i e W i r t - s c h a f t g e f ~ h r t i c h o r a l s d i e ~ b e r t r e t u n g d e s P o s t u - l a t s , d a s d u r c h d i e u n b e d i n g t e R e c h e n b a r k e i t a l s V o r a u s b e d i n g u n g f i i r ~ e g l i c h e A r t y o n e c h t e r E r - t r a g s f e s t s t e l t u n g g e g e b e n e r s c h e i n t .

393) Erzeugung und Verbranch im Wandel der Wirtsehaftssysteme. 253

VL Abschlieflende Feststellungen. Wir haben im Vorhergehenden die Auswirkung der wirtschaft-

lichen Gesetze in freier und gebundener Wirtschaft untersucht. Vc'ir sind hiebei zu dem Ergebnis gelangt, dal~ eine MiRachtung des Pro- duktionskostengesetzes zu einer Entgii terung und zur StSrung der Produktionsgrundlagen fiihren mull, wenn sie dauernd und allgemein fortgefiihrt wird. Verlagerungen yon Minusposten sind zwar zeitweilig milglich, aber nur in beschr~nktem Umfange und unter s tarker Verwi- schung echter und wirklicher Wirtschaftsrechnung. Jede Planwirtschaft zeigt, wie wir gesehen haben, die Neigung, die Preise und Einkommen als Konsumregulator aaszuschalten. Dies geschieht in der Regel nicht nur unter Aul~eracbtlassung des ProduktionskestengeseCzes, sondern unter Individualisierung und Sub~ektivierung der Preise, die zugleich den ob- ~ektiven Charakter des Geldes und die relative Bedeutung der verschie- denen HShe unterschiedlicher Nominaleinkommen aufhebt. Dies fiihrt wieder, da ~a der Geldwert letzten Endes nur ein Spiegelbild der Preise ist, zur Aufhebung des ob~ekt~ven Geldwertes und dam~t zur unvermeid- lichen Konsequenz, daft die Durchfi ihrung ~eder Wirtschaftsrechnung in immer verstarktem Ausmalie fiktiven Charakter anzunehmen droht. Jede Fiktion an irgendeinem Ende der Wirtschaft aber muff sich lawinenartig, wenn aueh nicht gleichmi~ilig stark, in den verschieden- sten Zweigen der Wirtschaft fortpflanzen. Jede Unrechenbarkeit der Wirtschaft abet und .~eder Wirtschaftsmythos mull letzten Endes nicht nur zur ZerstSrung der wirklichen Produktionsgrundlagen der Wirt- schaft, sondern auch zur schliefiliehen UnmSglichkeit a uch der rechen- vaiil~igen Erfassung dieses Vorganges fiihren.

Aber auch dort, we nicht in erster Linie mit fiktiven Preisen.. sondern mit fiktiven Kursen gearbeitet wird, treten analoge Konsequen- zen aufi Nut eehte Kurse ermSglichen echte Wirtschaftsrechnung. Nur echte und richtige Kurse ermSglichen verniinftige und zielbewullte Wirtschaftspolitik. Dies gilt nicht nur fiir innerwirtschaftliche V o r - g~nge, sondern auch fiir zwischenstaatliche Wirtsehaftsvorg~nge. Unechte Kurse ffihren zu unwirtschaftlichen Import- und Export- pr~mien, zu totalem Ausverkauf, zu immer versti~rkter Zwangswirt- schaft, zu immer st~irkerer Entkapitalisierung, um nur einige Konse- quenzen zu nennen. Die Fiktion wirkt also auch auf diesem Ge- biete als Sprengstoff der Wirtschaft.

Aber auch ~ede echte Planwirtseha~t - - und erst recht eine solche ist fiir Fikt ionen womSglich noeh empfindlicher als eine freie

Wirtschaf~. Sie reagiert in der Regel auf Entkapitalisierung und Sub- stanzverluste langsamer als die Wirtschaft des Einzelunternehmers, -~ielleieht so lange, bis es zu spi~t ist. In ihr ist die ?2berwi~lzung von Minusposten aus un(ikonomischer Produktion an sich te~chter als in Kartellen und Trusts, wenngleich diese letzteren gewisse teilweise Ana- logien zur staatlichen Planwirtschaft aufweisen. Eine grGlle Gefahr be- deutet der Ersatz des klaren und eindeufigen Ertragsprinzipes durch

254 R. Kerschagl: Erzeug~mg und Verbrs~uch. (394

ein unklares und vieldeutiges Produktivit~tsprinzip. Es ist bereits an anderer Stelle 4arauf hingewiesen worden und~ soll nochmals betont werden, um Mil~verstandnissen vorzubeugen, dal~ es sich bier nicht um Fragen der Verteilung, sondern um solche der Erzielung yon Ertrfigen handelt. In der staatlichen Planwirtschaft fehlen aut~erdem in der Re- gel eine Reihe raschwirkender und hoehempfindlicher Widerst/~nde gegen auftretende Unwirtschaftliehkeitserscheinungen.

In hohem Grade ist der Produktionserfolg in beiden Formen, so- wohl der freien Wirtscha~t wie der geplanten Wirtschaft, abh~ngig vonder konkreten sub~ektiven Leistung, die nicht nur eine Frage der Einkommensverbesserung und technischen Organisation, sondern auch eine solche psychologischer Faktoren, insbesondere aber in h6cbstera Grade abh~ngig yon dem Verst~ndnis ffir die Notwendigkeit 6kono- miscber Mal~nahmen und ffir die Intensivierung der gemeinsamen Anstrengungen ist. Nicht blinder Glaube, nicht Zwangsarbeit, nicht Mythos oder Mystik kSnnen auf die Dauer HSchstleistungen bewirken. Das Verst/~ndnis ffir das Erzielte und Erzielbare und das Bewul~tsein der Mitwirkung sind in h6chstem Grade ffir den Produktionseffolg mafgeblich, mag die Form der Mitbestimmung und die Form der Mit- teilhaberschaf~ wie immer geartet in Erscheinung treten.

In ~edem Falle sind monopoloide Stellungen im Interesse der Ge- samtheit bedenklieh. Sie sind nicht weniger bedenklich, wenn eine solche vom Staate selbst innegehabt wird. Ein vollkommen schlfissiger Beweis dafiir, daft dureh eine solche _~nderung der Wirtschaftsstruk- tur Mifibr~ucbe eher verhinder~ und Unwirtschaf~Iiehkeiten stErker unterbunden wfirden, ist fiber reine Doktrinen hinaus bisher nicht erbracht worden. Damit soll nicht gesagt sein, dal~ im konkreten Falle nicht solches mSglich w~re. Vielleicht bietet den Schlfissel zur LSsung hier die Erkenntnis Robert Owen's, daR eine wirkIieh neue Wirtschaft in erster Linie neue Menschen voraussetzt, dab also ein neues Wirt- schaftsergebnis und eine neue Wirtschaftskonstruktion in erster Linie die Frage eines neuen Wirtscha.ftsethos sei. Mag dies nun richtig sein oder nicht, bis zur Erffillung dieser Voraussetzungen wird ~edenfa]ls yon der groRen Menge aller Wirtschaflssub~ekte die G~ite eines Wirt- scba~tssystems nach seinen Leistungen ffir ~eden Einzelnen beurteilt werden. Die dauernde HShe des Lebensstandards freier Menschen ist zumindest noch auf lange Zeit hinaus sicherlich der MaRstab, mit dem die Realisierung wirtsehaftlicher Doktrinen gemessen werden wird. Selbst wo die Anwendung dieses Mafistabes abet unmSglich gemacht oder verhfiltt wird, bleibt doch die Anwendung desselben im VV'ege der Introspektion, also der Selbs~befragung, unverhinderbar. Wie lange die Antwort auf die Selbstbefragung mit der Selbstbescheidung zu- sammenfiillt, ist wieder ein Problem der sozialen Dynamik und ins- besondere ~enes Komplexes, wo die Wfilensfreiheit in die Handlungs- freiheit fiberzugehen in der Lage ist.