geburt und zukunft der multiskalenmodellierung von makromolekularen systemen (nobel-aufsatz)

14
Molecular Modeling DOI: 10.1002/ange.201403691 Geburt und Zukunft der Multiskalenmodellierung von makromolekularen Systemen (Nobel-Aufsatz)** Michael Levitt* Coarse-grained-Modelle · QM/MM-Hybridmodelle · Molekulare potentielle Ener- gie · Nobel-Aufsatz · Proteindynamik in Wasser Einleitung Den Nobelpreis zu gewinnen ist eine einzigartige und wundervolle Erfahrung, auf die man sich nicht vorbereiten kann oder bei der man in irgendeiner Art wissen kann, was einen erwartet. Die augenblickliche Verwandlung von einem gewçhnlichen Menschen, der hart daran arbeitet, die vor uns liegenden Probleme zu lçsen, in ein Symbol, eine Berɒhmt- heit, ist ein erstaunliches PhȨnomen. Einerseits ist ein reifer Mensch wahrscheinlich recht zufrieden mit seinem Leben bis zum Moment der Verwandlung und strebt daher danach, so weiter zu leben wie zuvor. Andererseits weiß jeder Wissen- schaftler, wie wichtig Vorbilder fɒr seine gesamte Karriere waren, und mçchte in dieser Tradition selbst ein Vorbild fɒr kɒnftige Generationen sein. Dies ist ein Dilemma, das mich jetzt beschȨftigt und fɒr dessen Lçsung ich wahrscheinlich Jahrzehnte bençtigen werde. Der Nobel-Vortrag unterscheidet sich von anderen Vor- trȨgen, weil er zum einen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereint und zum anderen vor einem breiten Publi- kum gehalten wird, das vom interessierten Schulkind bis zum kompetenten Kollegen reicht. Beim Niederschreiben eines solchen Vortrags passiert es leicht, dass man sich an der jahrhundertealten Tradition des Schreibens wissenschaftli- cher Verçffentlichungen orientiert, denen die Lebendigkeit eines Vortrags abgehen kann. Mit dieser Herausforderung konfrontiert, habe ich beschlossen, diese schriftliche Fassung eng an meinem Vortrag zu orientieren und die Folien als Abbildungen zu verwenden. Der Haupttext gibt eine einfache Beschreibung, wȨhrend die Bildunterschriften tiefergehende Kommentare und Diskussionen ermçglichen. Auf den Schultern von Giganten Eine offensichtliche Voraussetzung fɒr bahnbrechende Arbeit, die Jahrzehnte spȨter Frɒchte trȨgt, — nobelpreis- wɒrdige Forschung — ist, auf hohem Niveau anzufangen und auf die Schultern von Giganten zu steigen, um so weit wie mçglich in die Zukunft zu schauen. In meinem Fall hatten diese Giganten einen neuen Weg entdeckt, ɒber die Biologie nachzudenken, einen Weg, der sich fɒr computergestɒtzte Multiskalenmodellierungen anbot. Bei Francis Crick (Abbildung 1) war es einfach, ihn als brillanten Wissenschaftler mit einer Leidenschaft fɒr die Abbildung 1. Francis H. C. Crick ist wohl einer der zwei oder drei be- kanntesten Wissenschaftler des 20. Jahrhundert, einer Zeit, in der es eine Ƞberfɒlle an Geistesgrçßen gegeben hat, die das menschliche Denken verȨndert haben. Seine BeitrȨge zu unserer Geschichte sind zahlreich und vielseitig. Ich traf Crick 1968 im Alter von 21 Jahren und arbeitete in den folgenden zehn Jahren eng mit ihm zusammen. Er lehrte mich, sorgfȨltig nachzudenken, indem ich einfache Fragen stell- te und dann versuchte, sie zu beantworten. Zusammen mit James Watson nutzte Crick Molekɒlsimulationen, um eine Vielzahl an Daten zu einem dreidimensionalen Modell der DNA zu vereinen. Dieses erwies sich als hinreichend korrekt und konnte erklȨren, warum geneti- sche Information fehlerfrei kopiert wird. Ihre FȨhigkeit, Informations- bruchstɒcke aus mehreren Quellen zu verknɒpfen, um eine korrekte Antwort zu erhalten, wirkte magisch. [1, 2] Diesem Vorbild versuchten alle nichtexperimentellen theoretischen Strukturbiologen in den nȨchsten sechzig Jahren zu folgen. [*] Prof. M. Levitt Stanford University School of Medicine Department of Structural Biology 299 West Campus Drive, Stanford, CA 94305 (USA) E-Mail: [email protected] [**] Copyright# The Nobel Foundation 2013. Wir danken der Nobel- Stiftung, Stockholm, fɒr die Genehmigung zum Abdruck einer deutschen Fassung dieses Vortrags. Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.201403691 zu finden. . Angewandte NobelaufsȨtze M. Levitt 10168 www.angewandte.de # 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

Upload: michael

Post on 29-Mar-2017

215 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Molecular ModelingDOI: 10.1002/ange.201403691

Geburt und Zukunft der Multiskalenmodellierung vonmakromolekularen Systemen (Nobel-Aufsatz)**Michael Levitt*

Coarse-grained-Modelle ·QM/MM-Hybridmodelle · Molekulare potentielle Ener-gie · Nobel-Aufsatz · Proteindynamik in Wasser

Einleitung

Den Nobelpreis zu gewinnen ist eine einzigartige undwundervolle Erfahrung, auf die man sich nicht vorbereitenkann oder bei der man in irgendeiner Art wissen kann, waseinen erwartet. Die augenblickliche Verwandlung von einemgewçhnlichen Menschen, der hart daran arbeitet, die vor unsliegenden Probleme zu lçsen, in ein Symbol, eine Ber�hmt-heit, ist ein erstaunliches Ph�nomen. Einerseits ist ein reiferMensch wahrscheinlich recht zufrieden mit seinem Leben biszum Moment der Verwandlung und strebt daher danach, soweiter zu leben wie zuvor. Andererseits weiß jeder Wissen-schaftler, wie wichtig Vorbilder f�r seine gesamte Karrierewaren, und mçchte in dieser Tradition selbst ein Vorbild f�rk�nftige Generationen sein. Dies ist ein Dilemma, das michjetzt besch�ftigt und f�r dessen Lçsung ich wahrscheinlichJahrzehnte bençtigen werde.

Der Nobel-Vortrag unterscheidet sich von anderen Vor-tr�gen, weil er zum einen Vergangenheit, Gegenwart undZukunft vereint und zum anderen vor einem breiten Publi-kum gehalten wird, das vom interessierten Schulkind bis zumkompetenten Kollegen reicht. Beim Niederschreiben einessolchen Vortrags passiert es leicht, dass man sich an derjahrhundertealten Tradition des Schreibens wissenschaftli-cher Verçffentlichungen orientiert, denen die Lebendigkeiteines Vortrags abgehen kann. Mit dieser Herausforderungkonfrontiert, habe ich beschlossen, diese schriftliche Fassungeng an meinem Vortrag zu orientieren und die Folien alsAbbildungen zu verwenden. Der Haupttext gibt eine einfacheBeschreibung, w�hrend die Bildunterschriften tiefergehendeKommentare und Diskussionen ermçglichen.

Auf den Schultern von Giganten

Eine offensichtliche Voraussetzung f�r bahnbrechendeArbeit, die Jahrzehnte sp�ter Fr�chte tr�gt, — nobelpreis-w�rdige Forschung — ist, auf hohem Niveau anzufangen undauf die Schultern von Giganten zu steigen, um so weit wiemçglich in die Zukunft zu schauen. In meinem Fall hattendiese Giganten einen neuen Weg entdeckt, �ber die Biologienachzudenken, einen Weg, der sich f�r computergest�tzteMultiskalenmodellierungen anbot.

Bei Francis Crick (Abbildung 1) war es einfach, ihn alsbrillanten Wissenschaftler mit einer Leidenschaft f�r die

Abbildung 1. Francis H. C. Crick ist wohl einer der zwei oder drei be-kanntesten Wissenschaftler des 20. Jahrhundert, einer Zeit, in der eseine �berf�lle an Geistesgrçßen gegeben hat, die das menschlicheDenken ver�ndert haben. Seine Beitr�ge zu unserer Geschichte sindzahlreich und vielseitig. Ich traf Crick 1968 im Alter von 21 Jahren undarbeitete in den folgenden zehn Jahren eng mit ihm zusammen. Erlehrte mich, sorgf�ltig nachzudenken, indem ich einfache Fragen stell-te und dann versuchte, sie zu beantworten. Zusammen mit JamesWatson nutzte Crick Molek�lsimulationen, um eine Vielzahl an Datenzu einem dreidimensionalen Modell der DNA zu vereinen. Dieseserwies sich als hinreichend korrekt und konnte erkl�ren, warum geneti-sche Information fehlerfrei kopiert wird. Ihre F�higkeit, Informations-bruchst�cke aus mehreren Quellen zu verkn�pfen, um eine korrekteAntwort zu erhalten, wirkte magisch.[1,2] Diesem Vorbild versuchten allenichtexperimentellen theoretischen Strukturbiologen in den n�chstensechzig Jahren zu folgen.

[*] Prof. M. LevittStanford University School of MedicineDepartment of Structural Biology299 West Campus Drive, Stanford, CA 94305 (USA)E-Mail : [email protected]

[**] Copyright� The Nobel Foundation 2013. Wir danken der Nobel-Stiftung, Stockholm, f�r die Genehmigung zum Abdruck einerdeutschen Fassung dieses Vortrags.

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201403691 zu finden.

.AngewandteNobelaufs�tze M. Levitt

10168 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

Forschung und das Leben im Allgemeinen zu sch�tzen. Meinefr�hesten Erinnerungen an unsere Treffen sind, dass ichdavon beeindruckt war, dass er einen ausgefallenen Sport-wagen, einen gelben Lotus Elan, besaß. Was mich dabei ammeisten �berraschte, war, wie mich dies als 21 Jahre altenJungen dazu bef�higte, eine Beziehung zu dem offensichtli-chen Jungen in ihm aufzubauen.

Einige Jahre nachdem Crick und Watson die Struktur derDNA gelçst hatten, bestimmte John Kendrew (Abbildung 2)

die dreidimensionale Struktur eines Proteins, in diesem Fallaus Walmuskeln isoliertes Myoglobin, das damals schon ein-fach erh�ltlich war. Die Ans�tze von Crick und Kendrew, diedreidimensionale Form von Biomolek�len zu bestimmen,

h�tten nicht unterschiedlicher sein kçnnen. Kendrew ersetztedie brillante Inspiration von Crick und Watson durch einegewissenhafte Methode, die auf jedes kristallisierbare Proteinangewendet werden konnte. Die Methode war von KendrewsDoktorvater, Max Perutz (Abbildung 3), entwickelt worden,

der auch Francis Crick betreut hatte und Leiter des Laborswar, in dem sie alle zusammen arbeiteten. Diese als„Schweratomersatz“ bekannte Methode[5] machte die kris-tallographische Proteinstrukturbestimmung mçglich und all-gemein anwendbar. Hierf�r teilte sich Perutz 1962 den No-belpreis f�r Chemie mit Kendrew, und ihre Arbeit f�hrte zueinem explosiven Anstieg von dreidimensionalen Protein-strukturen, von einer einzigen Struktur 1959 zu fast einhun-derttausend Strukturen heute, 55 Jahre sp�ter.

Auch der Biophysiker David Phillips aus Oxford beein-flusste meine Karriere. Er lçste 1966 die erste Struktur einesEnzyms, des Proteins Lysozym, und publizierte sie in Scien-tific American, einer verbreiteten und wegen ihrer Farbab-bildungen sehr beliebten Zeitschrift (Abbildung 4). Lysozymist ein Enzym, das die Spaltung von Zuckerketten, die Bak-terien sch�tzen, katalysiert. Zusammen mit Myoglobin bil-dete es die Grundlage f�r die Weiterentwicklung der com-putergest�tzten Strukturbiologie (siehe unten).

Ein weiterer Gigant jener Zeit, auf dessen Schultern wirstanden und immer noch stehen, ist Linus Pauling, der 1951die Strukturen von a-Helix und b-Faltblatt, den zwei we-sentlichen, in vielen Proteinstrukturen wiederverwendetenBausteinen, korrekt vorhersagte. Ich lernte Pauling erst vielsp�ter kennen, aber 1990 hatte ich das Vergn�gen und dieEhre, ihm �ber die Simulation einer a-Helix in Wasser vor-

Michael Levitt wurde 1947 in Pretoria gebo-ren. Er studierte Physik am King’s College inLondon und promovierte am MRC Labora-tory of Molecular Biology und an der Cam-bridge University in Biophysik. Nach Aufent-halten am Weizmann-Institut, am MRC La-boratory of Molecular Biology und am SalkInstitute wurde er 1987 Professor f�r Struk-turbiologie am Department of StructuralBiology der Stanford University School ofMedicine. Heute ist er „Robert W. and Vivi-an K. Cahill Professor of Cancer Research“.Zu den Auszeichnungen, die er vor der Ver-

leihung des Nobelpreises erhalten hat, gehçrt der Jahrespreis der Federationof European Biochemical Societies sowie die Wahl als Fellow der Royal So-ciety und als Mitglied der US National Academy of Science.

Abbildung 2. John C. Kendrew nutzte die Rçntgenkristallographie, umdie dreidimensionale Struktur des Proteins Myoglobin aufzukl�ren.[3]

Die Strukturdarstellung auf dem Umschlag von Scientific American[4]

stammt von dem K�nstler Irving Geis, dem ein selbstgebasteltesDrahtmodell der Elektronendichte als Vorlage diente. Man sieht einekomplexe Struktur aus 153 Aminos�uren und �ber 2600 Atomen miteiner klaren dreidimensionalen Form, die durch Kr�fte zwischen denAtomen bestimmt zu sein schien. Diese Form schien zu erkl�ren, wiedie H�m-Gruppe (in Rot) in Walmuskeln Sauerstoff speichern kann,und schuf damit die Grundlage f�r die Molekularbiologie, nach der diemolekulare Funktion in genau definierter Weise von der Struktur ab-h�ngt. Die Tatsache, dass die Biologie wie eine Uhr arbeitet, machteunsere Arbeit mçglich.

Abbildung 3. Max F. Perutz ist zu sehen, wie er an seinem Messing-drahtmodell von H�moglobin, das viermal grçßer als Myoglobin ist,arbeitet; die Struktur war viel schwieriger aufzukl�ren, da die Kristallenicht ausreichend geordnet waren. Daher musste Max Perutz zu einerZeit, als Kendrew wusste, wo jedes einzelne Atome in Myoglobin ist,mit dem rechts gezeigten Balsaholzmodell zufrieden sein, das die all-gemeine Form der vier Globinketten wiedergibt.[6] Doktoranden wieCrick und Kendrew halfen Perutz, das Gebiet der Strukturbiologie zubegr�nden. Er war ein wunderbarer Betreuer und ein warmherziger, in-telligenter Mensch, der wusste, wie er das Beste aus allen, die mit ihmarbeiteten, herausholen konnte.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10169Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

tragen und einen Film zeigen zu d�rfen, in dem die Zerset-zung der a-Helix bei hohen Temperaturen zu sehen war.

Die Geburt der computergest�tztenStrukturbiologie

1967 existierten zwei scheinbar unterschiedliche, reißendeStrçmungen an wissenschaftlichen Entdeckungen und tech-nischem Fortschritt. Wissenschaftliche Forschung hatte dieStrukturen von Myglobin (Abbildung 2) und Lysozym (Ab-bildung 4) im Kristall aufgekl�rt und damit gezeigt, dass dieMolek�le, die f�r die Hauptfunktionen eines Lebewesenszust�ndig sind, unglaublich komplizierte Strukturen haben.Das ist nicht Zierde oder Zufall, sondern essenziell f�r dieAusf�hrung der lebenswichtigen biologischen Funktionen.Technische Fortschritte hatten gezeigt, dass Computer flexi-bel programmiert werden kçnnen, um alle mçglichen Be-rechnungen durchzuf�hren. Diese Maschinen wurden geradezu Handelsprodukten, und die Entwicklungen schrittenschnell voran. Die computergest�tzte Strukturbiologie wargeboren, als sich diese beiden Strçmungen zu einem riesigenund m�chtigen Strom vereinten, der 50 Jahre sp�ter nochimmer das Feld vorantreibt.

Wie viele interessante Ereignisse in der Geschichte ge-schah dies durch das seltene Aufeinandertreffen von dreiIndividuen mit sehr verschiedenen Talenten, Hintergr�ndenund Ans�tzen. Noch beachtlicher ist, dass ein weiteres Indi-viduum f�r das Aufeinandertreffen verantwortlich war und esgenau geplant hatte. Alles begann mit einer philosophischen�berlegung zur Natur des Modells, mit dem Molek�le re-

pr�sentiert werden. Der Mann, der diese �berlegung an-stellte, war Shneior Lifson, Professor f�r chemische Physikam Weizmann-Institut in Rehovot, Israel. Er argumentierte,dass die Energiefunktion und ihre erste Ableitung, dasKraftfeld, konsistent sein m�ssten. Dies habe zur Folge, dasses eine kleine Zahl an Atomtypen f�r jedes Element gebensollte und dass die Energieparameter unabh�ngig von derdirekten Umgebung des Atoms sein sollten. Zum Beispielkçnnte es zwei Arten von Kohlenstoff geben, aromatischeund aliphatische, aber sobald diese Unterscheidung gemachtwurde, sollten die gleichen Parameter die Energie des Koh-lenstoffatoms definieren. Diese Konsistenz bedeutet, dass esnur wenige Parameter gibt und diese von einer Situation zueiner anderen �bertragbar sind.

Die Umsetzung dieser Idee war nicht einfach. Man musstezun�chst diverse Eigenschaften kleiner Molek�le berechnen,einschließlich ihrer Geometrie, ihrer Spannungsenergie undihrer Schwingungsfrequenzen, danach die berechneten Wertemit den entsprechenden gemessenen experimentellen Wertenvergleichen und schließlich die Parameter ver�ndern, um diebeste �bereinstimmung zwischen berechneten und gemes-senen Eigenschaften zu erreichen. Die Implementierung�bernahm Arieh Warshel, Lifsons Doktorand, der auch die zuuntersuchenden Systeme und zu bestimmenden Eigenschaf-

Abbildung 4. David C. Phillips nutzte die Rçntgenkristallographie, umdie dreidimensionale Struktur des Enzyms Lysozym aufzukl�ren.[7]

Diese Struktur ermçglichte es ihm, das Substrat im aktiven Zentrumdes Enzyms zu modellieren und �ber die Art der enzymatischen Aktivi-t�t Vermutungen anzustellen. Er schlug vor, dass der sechsgliedrigeZuckerring durch sterische Wechselwirkungen mit dem aktiven Zen-trum verzerrt wird.[8] Das war falsch, aber es f�hrte mich, zusammenmit Arieh Warshel, zur Entwicklung von Hybridmodellen aus Quanten-mechanik (QM) und klassischer Mechanik (MM), mit denen sichzeigen ließ, dass die Verzerrung elektrostatisch und nicht sterisch be-dingt ist.

Abbildung 5. 1967 bestand John Kendrew darauf, dass ich ein Jahr beiShneior Lifson in Israel verbrachte, bevor ich meine Promotion inCambridge beginnen durfte. Als ich im Oktober 1967 in Israel ankam,traf ich Shneior Lifson und seinen Doktoranden Arieh Warshel undbegann eine Reise, die mich schließlich nach Stockholm f�hrte. DerSchl�ssel zu der Arbeit, die mir den Nobelpreis einbrachte, war Lif-sons philosophisches Konzept, das als konsistentes Kraftfeld (Consis-tent Force Field) bekannt ist. Energieberechnungen an kleinen Molek�-len dienten der Berechnung von Schwingungsspektren. In diesen Be-rechnungen waren Energieparameter enthalten, die die Kr�fte zwischenden Atomen beschrieben, aber diese Kr�fte waren nicht konsistent, daunterschiedliche Parameter f�r den gleichen Atomtyp, beispielsweiseKohlenstoff, in unterschiedlicher Umgebung verwendet wurden. Lifsonwollte, dass es nur sehr wenige Atomtypen gab und dass die unter-schiedlichen Energieterme den Einfluss der Umgebung beschrieben.Mit Computerprogrammen, die ich geschrieben hatte, konnte AriehWarshel einen konsistenten Satz an Parametern f�r eine Reihe kleinerorganischer Kohlenwasserstoffe definieren, wie er 1968 in ihrer grund-legenden Arbeit verçffentlicht wurde.[9]

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10170 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

ten ausw�hlte. Ich stieß im Oktober 1967, im Alter von20 Jahren, dazu, genau als mit diesen Arbeiten begonnenwurde (Abbildung 5). Ich sollte zun�chst ihr Computerpro-grammierer sein und ein Programm schreiben, das die po-tentielle Energie, ihre erste Ableitung – den Kraftvektor –und ihre zweite Ableitung – die Kr�mmung der Energie-oberfl�che – berechnet.

Das ging erstaunlich schnell, und innerhalb von sechsMonaten liefen n�tzliche Rechnungen auf dem sehr leis-tungsf�higen Golem-A-Computer am Weizmann-Institut.Golem A war eine selbstgebaute Maschine der zweiten Ge-neration, die dem Mitte der 1950er Jahre entwickelten Weizacfolgte und die von John von Neumann am Institute for Ad-vanced Study in Princeton entwickelte Architektur nutzte.Golem A war von 1964 bis 1974 in Betrieb und hatte einenSpeicher von 32 768 Wçrtern � 75 Bits (ca. 300000 Bytes). Erwar mit auf Lochkarten geschriebenen Programmen in derProgrammiersprache FORTRAN programmiert.

Ein Mann, John Kendrew, brachte dieses unwahrschein-liche Dreiergespann (Lifson, Warshel und Levitt) zusammen,und er tat es mit beachtlichem Weitblick. Wie oben und inAbbildung 2 erw�hnt, teilte sich Kendrew 1962 den Nobel-preis f�r Chemie mit Max Perutz. Etwa ein Jahr sp�ter hieltKendrew eine Vortragsreihe beim Fernsehsender BBC (Ab-bildung 6), die meine Aufmerksamkeit erregte, als ich als 17-j�hriger Junge gerade in London angekommen war. Dieneuen Entdeckungen in der „Molekularbiologie“ genannten

Wissenschaft waren so aufregend, dass ich mich entschied,Physik am King�s College in London zu studieren, wo Mau-rice Wilkins, der sich 1962 den Nobelpreis mit Crick undWatson teilte, zu Hause war und im dritten Studienjahr Bio-physik belegt werden konnte. 1967, gegen Ende meines B.Sc.-Studiums, bewarb ich mich um eine Doktorandenstelle beiKendrew und Perutz am Medical Research Council Labora-tory of Molecular Biology in Cambridge, aber sie lehntenmich wegen Platzmangels ab. �berredet von Freunden (diesp�ter sehr erfolgreiche Gesch�ftsleute wurden) bat ich, f�r1968 in Erw�gung gezogen zu werden. Dieses Mal luden siemich zu einem Vorstellungsgespr�ch ein, doch ihre Ent-scheidung, mich f�r 1968 in Erw�gung zu ziehen, ließ mich inder Luft h�ngen. Wieder �berredeten mich meine Freunde,und ich fuhr nach Cambridge, �berfiel Max Perutz im Flurund brachte ihn dazu, meinen Fall mit Kendrew zu bespre-chen. Ich zog mich fluchtartig zur�ck und war �bergl�cklich,als ich einige Tage sp�ter hçrte, dass ich garantiert f�r das Jahr1968 angenommen war. Kendrew bestand darauf, dass ich dasdazwischenliegende Jahr mit Lifson am Weizmann-Institut

Abbildung 6. John Kendrew hatte einen grçßeren Einfluss auf meineKarriere als irgendwer sonst, allerdings eher indirekt. Ein Jahr nachdemer 1962 den Nobelpreis erhalten hatte, schrieb und pr�sentierte Kend-rew eine BBC-Sendereihe mit dem Titel „Der Lebensfaden“. Ich warzwei Monate, bevor die Ausstrahlung des Programms am 4. Januar1964 begann, aus S�dafrika gekommen, lebte bei meiner Tante undmeinem Onkel, beide Wissenschaftler, in London und hatte niemalszuvor ferngesehen. Auch wenn der Bildschirm klein, die Auflçsunggering und die Farben mehr schwarz und gelb als schwarz und weißwaren, war ich sofort s�chtig. Zum Gl�ck habe ich Kendrews Sendung,die es nicht mehr gibt, gesehen und bekam den fantastischsten Ein-f�hrungskurs in die Molekularbiologie, den man sich vorstellen kann.Die Themen, die behandelt wurden, kçnnten das Grundger�st einesheutigen Kurses in Molekularbiologie sein, der (am 4. Januar 1964) mit„Die Revolution in der Biologie“ anfangen und (wie am 7. M�rz 1964)mit „Der Weg vor uns“ enden kçnnte.

Abbildung 7. Die Energiefunktion eines beliebigen Molek�ls ist klas-sisch, da sie zum einen keine Quantenmechanik nutzt und zum ande-ren auf einer klassischen Beschreibung des Molek�ls als eine An-sammlung von durch Federn verbundenen Kugeln beruht. Die hier ge-zeigten Terme werden mit geringf�gigen �nderungen seit 1970 ver-wendet. Sie ber�cksichtigen Bindungsstreckschwingungen und Bin-dungswinkelbiegeschwingungen als harmonische Federn. F�r dieFreiheitsgrade b und q definieren die Energieparameter bo bzw. qo dieGleichgewichtswerte. Die potentielle Energie einer Einfachbindungoder eines Bindungswinkels steigt, wenn die Bindung (oder derWinkel) gestaucht oder auseinandergezogen wird. Die Steifheit derFeder wird durch andere Energieparameter, Kb und Kq, definiert. Die�brigen Energieterme sind etwas komplizierter, aber sie �hneln deneinfachen Bindungs- und Winkeltermen insofern, als sie von der Artder wechselwirkenden Atome abh�ngen und jede Wechselwirkung ineinfacher additiver Weise einen Beitrag zur potentiellen Energie liefert.Verschiedene Terme verwenden verschiedene Energieparameter, diemit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate aus dem Vergleich be-rechneter molekularer Eigenschaften mit gemessenen bestimmtwerden m�ssen. Lifson und Warshel haben diesen Prozess 1968 be-gonnen, und er wird immer noch genutzt, um die modernsten klassi-schen molekularen Potentialenergiefunktionen zu verfeinern. Die neu-esten Kraftfelder basieren auf quantenmechanischen Berechnungenhçherer Ordnung[10] anstatt auf experimentellen Daten.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10171Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

verbrachte, und machte mir, der gerade seinen B.Sc. erhaltenhatte, diesen Vorschlag mit einem Austausch-Postgraduier-tenstipendium der Royal Society f�r dieses Institutschmackhaft.

Die Beschreibung der potentiellen Energie eines Mole-k�ls mithilfe des konsistenten Kraftfelds (Abbildung 7) istsehr leistungsf�hig, da damit durch Kombination aller inAbbildung 8 gezeigten Methoden alle Eigenschaften einesMolek�lsystems berechnet werden kçnnen. Im Glauben andie �bertragbarkeit aller Energieparameter erkannte ich,dass die Methoden von Lifson und Warshel erweitert werdenkonnten, obwohl diese keine Aminos�uren in ihre Bestim-mung der Parameter einbezogen und sogar nur f�r zwei (Hund C) der vier in Aminos�uren �blichen Atomtypen (H, C,N, O) die Energieparameter bestimmt hatten. Dies brachtemich dazu, mit Rechnungen an Proteinmolek�len mit vielenhundert Atomen anzufangen, obwohl Warshel und Lifson nurMolek�le mit wenigen Atomen untersucht hatten.[9] MeineIdee war es, die Energie der atomaren Struktur eines ganzenProteins durch Bewegung der Atome in kartesischen Koor-

dinaten (x,y,z) zu minimieren. Solch eine Berechnung wartrotz des geringen Speichers von Golem A machbar, weil f�reine Energieminimierung nicht die ersten Ableitungen be-

Abbildung 8. Kennt man die Potentialenergiefunktion eines beliebigenmolekularen System, kçnnen alle statischen, dynamischen und ther-modynamischen Eigenschaften mit einfachen Methoden berechnetwerden. Energieminimierung (EM) ist insofern einfach, als man diePotentialfl�che (f�r eine und f�r zwei Dimensionen gezeigt) abtastet,um ein lokales Minimum zu erreichen, in dem alle wirkenden Kr�ftean allen Atomen gleich null sind und das System im Gleichgewicht ist.Die Normalmodendynamik (NMD) konzentriert sich auf die Potential-fl�che nahe dem Minimum. Die Potentialfl�che ist hier schalenfçrmig,und das System wird einem analytischen Pfad folgend um das Gleich-gewicht schwingen. Molek�ldynamik (MD) ist eine eher allgemeineMethode, um eine molekulare Bewegung zu simulieren, die nicht not-wendigerweise in einem Energiebassin erfolgen muss. Sie ist eine al-gorithmisch einfache Variante der Energieminimierung. Die Konforma-tion wird ver�ndert, um den wirkenden Kr�ften in Richtung eines loka-len Minimums zu folgen; der Verlust an potentieller Energie wird inkinetische Energie umgewandelt, die jedem Atom eine Geschwindig-keit gibt und ihm so ermçglicht, sich �ber Energiebarrieren hinweg zubewegen. W�hrend die drei Methoden EM, NMD und MD alle vorJahrhunderten aufgekommen sind, ist die vierte Methode, bekannt alsMonte Carlo (MC), deutlich j�nger, entstanden mit der Simulation derNeutronendiffusion in Wasserstoffbomben. Sie ist die einfachste undzugleich die am allgemeinsten anwendbare Methode (siehe Abbil-dung 14).

Abbildung 9. Wie in Abbildung 2 und 3 gezeigt, wurden die physikali-schen Modelle der ersten Proteinstrukuren aus Messingbauteilen, be-kannt als Kendrew-Modelle, gebaut. 1968 baute ich zusammen mitYuval Eshdat ein solches Modell des H�hnereiweiß-Lysozyms unterVerwendung der von David Phillips (Abbildung 4) ermittelten Koordi-naten, die Nathan Sharon, Yuvals Doktorvater, als Computerausdruckerhalten hatte. Solches h�ndisches Modellieren war langsam undschwierig, aber es lieferte mir den Anstoß, die ersten Energieberech-nungen an einem vollst�ndigen Protein zu machen (Abbildung 10).

Abbildung 10. Mithilfe des Gradientenverfahrens wurden alle Nicht-wassserstoffatome der beiden Proteine Myoglobin und Lysozym durch�nderung der kartesischen Koordinaten bewegt. Das reduzierte diewirkenden Kr�fte und verschob die Struktur in Richtung der Gleichge-wichtsstruktur. Beachten Sie, wie eine Einschr�nkung der Atompositio-nen genutzt wurde, um Grenzen der Energiefunktion, haupts�chlichdie Auslassung der elektrostatischen Coulomb-Terme, zu korrigieren.In unserer Verçffentlichung[11] werden 50 Minimierungsschritte ge-nannt, was f�r heutige Standards sehr wenig ist; diese 50 Schritte dau-erten auf dem Golem-A-Computer etwa 1000 Sekunden. Die f�r dieEnergieminimierungen verwendete K�fteberechnung kann auch ge-nutzt werden, um Molek�ldynamiken zu simulieren (Abbildung 8), wieAnnesur Rahman bereits f�r fl�ssiges Argon gezeigt hatte[12] und waser sp�ter zusammen mit Frank Stillinger f�r das deutlich komplizierte-re fl�ssige Wasser getan hat.[13]

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10172 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

nçtigt werden: Es reichte, den Kr�ften mit dem Verfahren dessteilsten Abstiegs (Gradientenverfahren) bergab zu folgen.Man stelle sich ein kleines Molek�l mit 30 Atomen vor. SeineMatrix der zweiten Ableitung bençtigt (3 � 30)2/2 = 4050Programmspeicherwçrter. Dieser Platz gen�gt f�r den Vektorder ersten Ableitung eines Proteins mit 1350 Atomen, mehrals genug f�r Lysozym mit 964 schweren Atomen oderMyoglobin mit 1120 schweren Atomen.

Die Frage war, woher man die rçntgenographisch be-stimmten Atomkoordinaten dieser beiden Proteine nehmensollte. Gl�cklicherweise hatten Prof. Nathan Sharon und seinDoktorand Yuval Eshdat Ausdrucke der Atomkoordinatendieser Proteine von David Phillips und John Kendrew be-kommen, sodass sie ein Messingdrahtmodell mit den soge-nannten Watson-Kendrew-Komponenten bauen konnten. Ichhatte angeboten, Yuval beim Bau des Lysozym-Modells zuhelfen (Abbildung 9). Dies erlaubte mir, den Ausdruck aufLochkarten zu �bertragen und dann die erste Energiemini-mierung einer gesamten Proteinstruktur durchzuf�hren(Abbildung 10).

Das war der Beginn der Multiskalenmodellierung kom-plexer Makromolek�le, die vom Nobelpreiskomitee f�rChemie geehrt wurde. Das Hauptproblem war die Vereinfa-chung, wie schon Einstein sagte (Abbildung 11). Unsere Be-rechnungen mussten einfach sein, um innerhalb eines sinn-vollen Zeitraums fertig zu sein, aber sie mussten auch n�tz-liche Ergebnisse liefern. Der ersten Energieminimierung f�rein Protein mit allen schweren Atomen 1969 folgte 1975 einModell, das die Struktur vereinfachte, indem es mit nur einemwechselwirkenden Zentrum pro Seitengruppe arbeitete(Abbildung 12). Dies ermçglichte uns die erste Simulationeiner Proteinfaltung, das Falten einer langen Polypeptidket-te.[14,15] Die Methoden, die f�r diese vereinfachten Systemeverwendet wurden, waren eigentlich komplizierter, weil sie

die Diederwinkel wie in der Pionierarbeit von Scheraga undGibson[16] ver�nderten und zus�tzlich Normalmoden nutzten,um Pfade niedriger Energie aus den lokalen Minima herauszu berechnen. Dadurch waren große Konformations�nde-rungen w�hrend der Energieminimierung mçglich (Abbil-dung 12).

Der n�chste Einsatz der Multiskalenmodellierung hingvon Arieh Warshels Kenntnissen der Quantenmechanik ab(Abbildung 13) und f�hrte zur QM/MM-Methode, die Ariehweiter verbessert hat. In den darauf folgenden zehn Jahrenentwickelten wir zusammen mit Ruth Sharon ein Modell f�rein Protein mit allen Atomen in einer Box expliziter Was-sermolek�le (Abbildung 14). Mit diesem wirklichkeitsn�he-ren Modell konnte die Simulation n�her an der bekanntenKristallstruktur bleiben als bei der fr�heren Simulation imVakuum. Mit dieser grçßeren Realit�tsn�he konnten Dr.Valeria Daggert und ich die Entfaltung einer a-Helix simu-lieren (Abbildung 15).

Die Zeit zwischen 1967 und 1976 waren meine „goldenenJahre“, in denen meine ersten 13 Verçffentlichungen er-schienen, sechs davon von mir alleine, f�nf weitere mit AriehWarshel und darunter zwei auch mit Shneior Lifson. Obwohlder Fokus auf den Multiskalenmodellen lag, behandeln diese

Abbildung 11. Der Schl�ssel zu n�tzlichen Multiskalenmodellen isteine angemessene Vereinfachung des komplexen zu untersuchendenchemischen Systems. In unserer Arbeit war Einfachheit aus drei Gr�n-den notwendig. Erstens mussten die Rechnungen mit den sehr be-grenzten Computerressourcen machbar sein, die uns mit Golem A,einem der leistungsst�rksten Rechner im Jahr 1967, zur Verf�gungstanden. Zweitens musste die Parametrisierung mit einer kleinen Zahlan Parametern und �bertragbaren Atomtypen mçglich sein (sieheText). Drittens musste der dem Modell zugeordnete Konformations-raum einfach genug sein, um eine angemessene Untersuchung ver-schiedener Strukturen zu ermçglichen.

Abbildung 12. Die erste Energieberechnung zur Proteinfaltung bençtig-te eine drastische Vereinfachung durch die Verwendung von dem, washeute als Coarse-grained-Energiefunktionen bekannt ist. Bei der Prote-infaltung zielen wir darauf, den Konformationsraum vollst�ndig zu un-tersuchen, um die Konformere niedriger Energie zu finden, die nichtnur lokalen Energieminima entsprechen. Dazu vereinfachten wir diePolypeptidkette durch das Zusammenfassen aller Seitenkettenatome ineinem einzigen Wechselwirkungszentrum und aller Hauptkettenatomein einem zweiten Wechselwirkungszentrum. Manchmal haben wir auchein noch einfacheres Modell mit einem Wechselwirkungszentrum proAminos�urerest verwendet. Die Diederwinkel wurden so ver�ndert,dass die Zahl der Freiheitsgrade um das etwa Dreißigfache reduziertund die Zeit, um einen einzelnen Energiewert zu berechnen, um dasetwa Hundertfache verk�rzt wurde. Die Energieminimierung f�hrte imersten Schritt zu einem echten lokalen Minimum. Anschließend wurdedie Trajektorie fortgesetzt, indem die Senke um das lokale Minimumdurch eine analytische Funktion beschrieben und diese f�r die Vorher-sage eines Sprungs aus der Senke mit dem geringstmçglichen Ener-gieanstieg genutzt wurde. 1000 Durchg�nge dauerten etwa 600 Sekun-den auf einem IBM-370/165-Computer.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10173Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Arbeiten auch die tRNA-Struktur, das Falten von RNA, dieVorhersage von Sekund�rstrukturen und die Analyse derstrukturellen Eigenschaften kugelfçrmiger Proteine.

Die Gegenwart: Multiskalendynamik großerSysteme

Vieles in der Biologie wird heute als angetrieben durchgroße molekulare Maschinen, die aus Hunderttausenden vonAtomen bestehen, angesehen. Anders als kleine, kugelfçr-mige Proteine sind diese Maschinen Komplexe aus vielenverschiedenen Proteinketten mit beweglichen und fest ste-henden Teilen ganz wie die Maschinen, die wir aus der Weltum uns herum kennen. Solche Systeme mit der gleichen Artatombasierter Molek�ldynamikmethoden zu untersuchen istnicht sinnvoll, da 100 000 Atome 300 000 kartesische Koordi-naten erfordern und 1000 000 Wiederholungen nçtig w�ren,um gerade einmal eine Mikrosekunde zu simulieren (derAbstand zwischen Simulationszeitschritten betr�gt �blicher-weise eine Femtosekunde). Selbst wenn die Rechnungenmachbar w�ren, w�rde die Auswertung irgendeiner Form derVereinfachung bed�rfen. Vereinfachung ist auf zwei Artenmçglich. Zum einen kann die Zahl der Freiheitsgrade bei-behalten, aber die Zahl der wechselwirkenden Zentren re-duziert werden. Das entspricht dem, was wir beim Coarse-grained-Modell machten (Abbildung 12). Zum anderen kann

die Zahl der wechselwirkenden Zentren – der Atome – bei-behalten werden, f�r die Verschiebung aber auf kollektiveFreiheitsgrade statt kartesischer Koordinaten zur�ckgegriffenwerden. Beide Tricks kçnnen kombiniert werden, wie wir esf�r die Simulation der Proteinfaltung getan haben (Abbil-dung 12). Die gleiche Art von Abk�rzungen wird in moder-nen Untersuchungen der Dynamik großer molekularer Ma-schinen genutzt. Das wollen wir hier an drei Beispielen ver-deutlichen.

Die RNA-Polymerase II ist eine unentbehrliche makro-molekulare Maschine, die die in den Zellkernen gespeicherteDNA in eine Arbeitskopie, die RNA, �bertr�gt, die dann f�rdie Proteinsynthese und eigenst�ndig als verschiedenartigefunktionelle RNA genutzt wird. Diees Enzym wurde ausgie-big von meinem guten Freund und Kollegen Prof. RogerKornberg untersucht, der das System charakterisiert, isoliertund die detaillierte dreidimensionale Struktur des aktivenKomplexes aufgekl�rt hat.[25] Nachdem er 2006 den Nobel-preis f�r Chemie gewonnen hatte, wollten viele in meinerGruppe mit ihm und seiner Gruppe zusammenarbeiten (wirgehçren zum gleichen, sehr kleinen Fachbereich in Stanford).F�r mich war das Interessante, dass es sich dabei um einengroßen Molek�lkomplex handelt, aber auch um einen, �berden ein guter Kollege immenses Wissen zu allen Aspekten desSystems hat. RNA-PolII ist ein großes System aus zehn Pro-teinketten, dem DNA-Templatstrang und der wachsendenRNA-Kette. Und es ist eine Maschine mit fest stehenden undbeweglichen Teilen.

Abbildung 13. Als Phillips die Lysozymstruktur im Kristall bestimmthatte, schlug er vor, dass die katalytische Aktivit�t dieses Enzymsdarauf beruht, dass die Bindungsenergie f�r die Verzerrung des Sub-strats verwendet wird. Genau gesprochen nahm er vom sechsgliedri-gen Zuckerring neben der zu brechenden Bindung an, dass er von derSessel- zur Twist-Boot-Konformation verzerrt wird. Berechnungen, dieich w�hrend meiner Promotion durchgef�hrt habe[17] und die in einemTagungsbericht verçffentlicht wurden,[18] zeigten aber, dass das Enzymzu weich ist, um solche Verzerrungen zu verursachen, und f�hrten unsdazu, elektrostatische statt sterischer Spannung vorzuschlagen. Zu-sammen mit Arieh Warshel f�gten wir quantenmechanische Orbitalezu einem kleinen Teil des Systems hinzu, w�hrend der Rest nach wievor klassisch behandelt wurde. Dies wurde als QM/MM bekannt. Diejetzt mçglichen Rechnungen zeigten, dass das Substrat tats�chlichelektrostatisch gespannt ist.[19]

Abbildung 14. Die erste Molek�ldynamikrechnung an einem Protein[20]

wurde im Vakuum gemacht. Diese Vereinfachung beschleunigte die Si-mulation außerordentlich, ließ aber einen sehr wichtigen Teil des Sys-tems aus: das Lçsungsmittel. Die Simulation von Proteinen in einerperiodischen Box mit expliziten Wassermolek�len ist sehr viel schwieri-ger, da das Kraftfeld f�r das Protein mit dem Kraftfeld f�r das Wasserzusammenpassen muss. Effizienz ist von hçchster Bedeutung, da jedeEnergieberechnung 10- bis 20-mal langsamer ist. Die erste Simulationdes kleinen Proteins BPTI in Wasser zeigte, dass das Protein viel n�heran der Kristallstruktur bleibt als bei der Simulation im Vakuum.[21]

Demzufolge nutzen nahezu alle aktuellen Rechnungen dieses Verfah-ren und ber�cksichtigen Tausende von Wassermolek�len. In einemVideo in den Hintergrundinformationen ist diese erste Proteindynamikim Vakuum zu sehen.

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10174 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

Gemeinsam mit Prof. Xuhui Huang, damals ein Postdocund heute an der Universit�t Hong Kong, setzten wir dasSystem mit einer sehr großen Box expliziter Wassermolek�leauf (Abbildung 16). Danach f�hrten wir viele unabh�ngigeund relativ kurze Molek�ldynamikrechnungen durch, wobei

wir mit Konformationen begannen, die durch Ver�ndern derStruktur auf einem Weg zwischen Endpunkten,[27] die diebiologische Funktion charakterisieren, erhalten wurden.Anschließend nutzten wir das Markow-Zustandsmodell[26]

(Markov State Model, kurz MSM), um die Konformationenentlang der Trajektorien in „Zust�nden“ zusammenzufassen.Entdeckten wir einen �bergang zwischen zwei Zust�nden,wurden diese verbunden, um ein Diagramm der Zust�nde zuerhalten. Bewegungen auf einer l�ngeren Zeitskala wurdendurch zuf�llige Spr�nge von einem zusammenh�ngendenZustand zum n�chsten simuliert. Dies ist wunderbar in einemVideo von Dr. Daniel Silva zu sehen, der mit Prof. Huangzusammenarbeitet; das Video ist Teil einer k�rzlich erschie-nenen Verçffentlichung.[28]

Im zweiten Projekt widmeten wir uns einem noch grç-ßeren System, dem vollst�ndigen Ribosom (Abbildung 17),f�r dessen Strukturaufkl�rung Ramakrishnan, Steitz undYonath 2010 der Nobelpreis f�r Chemie verliehen wurde.[30–32]

Diese bislang unverçffentlichte Arbeit f�hrte ich zusammenmit Jenelle Bray und Junjie Zhang durch, der vor kurzemPostdoc bei mir war und jetzt an der Texas A&M Universityist. Wir berechneten mithilfe von Torsionswinkel-Normal-moden, wie sich das System bewegt. Dazu wurden zwei un-terschiedliche Modelle f�r die atomaren Wechselwirkungengenutzt: a) ein Coarse-grained-Modell, genannt 1pt, das einPunktwechselwirkungszentrum pro Aminos�ure oder Nucle-otid verwendet, und b) ein Modell, das alle Atome außernichtpolaren Wasserstoffatomen ber�cksichtigt. Die Rech-nungen waren sehr schnell ; sie dauerten nicht l�nger als einen

Abbildung 16. Zustandsdynamik der RNA-Polymerase II: Eine lange Si-mulation der Molek�ldynamik großer Systeme in Wasser mit einemMarkow-Zustandsmodell[26] ist hier f�r die Aktivit�t der großen moleku-laren Maschine RNA-PolII gezeigt, die eine Base des DNA-Templat-stangs �ber die verbr�ckende Helix bewegt,so dass sie vom richtigenankommenden Nucleosidtriphosphat erkannt werden kann. Simulatio-nen �ber Mikrosekunden sind f�r ein System aus fast 500000 Atomeneinfach mçglich, wie das Video in den Hintergrundinformationenbelegt.

Abbildung 17. Coarse-grained- und Alle-Atome-Normalmodendynamikeines gesamten Ribosoms: Zusammen mit Jenelle Bray und JunjieZhang wurde die 1985 von uns entwickelte Diederwinkel-Normalmo-den-Methode[29] so verbessert, dass sie f�r jede Zahl unabh�ngigerKçrper, jeder mit seinen eigenen Rotations- und Translationsfreiheits-graden, geeignet ist. Obwohl das vollst�ndige Ribosom mit 4500 Nu-cleotiden in 7 RNA-Ketten und 6000 Aminos�uren in 49 Proteinkettengroß ist, kçnnen wir seine niederfrequenten Bewegungen mit nur 538Freiheitsgraden, 6 f�r jede der 56 Ketten und zus�tzlich 202 innereFreiheitsgrade, darstellen. Die Bewegung wurde mit allen 167000Atomen sowie mit 11 062 Wechselwirkungszentren in einer Coarse-grained-Darstellung �hnlich der, die wir entwickelt haben,[14] simuliert.Die Bewegungen der vier energie�rmsten Schwingungsmoden sind f�rdie beiden Modelle sehr �hnlich. Das Video dieser Schwingungsmodenin den Hintergrundinformationen zeigt eine funktionell naheliegenderelative Bewegung der schweren (30S) und der leichten (16S) Teilchen,die unterschiedliche Bewegungen des Enzyms, wie ein Zuklappen, Ver-drehen und Wackeln, beinhalten.

Abbildung 15. Die Simulation einer temperaturinduzierten Entfaltung:1992 war die Leistungsf�higkeit der Computer so weit fortgeschritten,dass die Entfaltung einer kurzen a-Helix aus 13 Alaninresten in einergroßen Wasserbox berechnet werden konnte.[22] Bei Raumtemperaturist die a-Helix vollst�ndig stabil, bei steigender Temperatur jedochwird sie immer weniger stabil. Wir haben außerdem gezeigt, dass diea-Helix im Vakuum sehr stabil ist. Das konnte man erwarten, abersolche Plausibilit�tstests waren in den fr�hen Tagen des Simulierensunerl�sslich. In den zwei Jahrzehnten danach wurden Computer deut-lich leistungsst�rker, und Berechnungen viel grçßerer Systeme sindmit Social Computing[23] oder mit Spezialhardware mçglich[24] (siehedas Video in den Hintergrundinformationen).

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10175Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Tag auf meinem Laptop. Diese Beschleunigung ergab sich ausder Anwendung von Monique Tirions Trick,[33] eine k�nstli-che Energiefunktion zu verwenden, um sicherzustellen, dassdie Startkonformation aus der Rçntgenstrukturanalyse tat-s�chlich einem lokalen Minimum entspricht. Dieses auch alsquasi-elastisches Modell bekannte Vorgehen behandelt allepaarweisen Wechselwirkungen als Federn, deren Gleichge-wichtsabstand dem aktuellen Abstand in der Startstrukturentspricht. Unsere Programme kçnnen jede beliebige Ener-giefunktion verwenden und im Torsionswinkelraum mini-mieren; diese Arbeit ist noch nicht verçffentlicht.

Die von uns verwendeten Freiheitsgrade sind insofernungewçhnlich, als sich jede Protein- und jede RNA-Kette alsstarrer Kçrper mit einigen wenigen zus�tzlichen innerenFreiheitsgraden bewegt. Die Wahl dieser Freiheitsgrade er-folgt willk�rlich, aber wir haben die einfachsten verwendet,indem wir einen einzigen Torsionswinkel-Freiheitsgrad nachjeder Streckschwingung von 50 Aminos�ure- oder Nucle-otidresten entlang einer jeden Kette zuließen. Trotz dieserVereinfachung zeigt das Video mit den vier energie�rmstenSchwingungsmoden eine Bewegung, die helfen kann zu er-kl�ren, wie das Ribosom sich bewegt, wenn es aktiv ist.

Beim dritten Projekt wurde eine andere der in Abbil-dung 8 gezeigten Methoden zur Simulation von Bewegunggenutzt, und zwar Monte-Carlo-Zufallsbewegungen. Wegender Einfachheit dieser Methode kçnnen mit ihr schnellEnergiefunktionen aufgebaut werden, ohne dass m�hsameanalytische Ableitungen nçtig sind, wie ich sie mit 20 Jahrenprogrammiert hatte (Abbildung 5). Zudem kann sie mitjedem beliebigen Satz an Freiheitsgraden kombiniert werden,der das System in vçllig willk�rlicher Art stçrt. Entscheidendist, die Freiheitsgrade zu finden, die es der Konformationerlauben, sich deutlich zu ver�ndern, ohne dass dabei dieGesamtenergie so stark ansteigt, dass die vorgeschlageneBewegung vçllig unannehmbar wird. Hierf�r entwickelte Dr.Peter Minary, seinerzeit als Postdoc in meiner Gruppe undjetzt an der Oxford University, eine neue Methode, die Na-tural-Move-Monte-Carlo(NM-MC)-Methode,[34] die eine Er-weiterung einer anderen bahnbrechenden Untersuchungist.[35] Die Idee war, einem Freiheitsgrad zu erlauben, dieStruktur beliebig zu verzerren. Diese Verzerrung kann auchden Bruch von Bindungen umfassen, was �blicherweise mithohem Energieaufwand einhergeht. Minarys neuer Algo-rithmus, Recursive Stochastic Chain Closure genannt, korri-giert die gebrochene Bindung lokal, w�hrend er die nat�rlicheStçrung durch die Bewegung bel�sst.

Zusammen mit Adelene Sim, meiner damaligen Dokto-randin und jetzt Postdoc am Bioinformatik-Institut in Singa-pur, zeigten Minary und ich, dass bei sorgf�ltig gew�hlten„nat�rlichen Bewegungen“ die Monte-Carlo-Methode denKonformationsraum einer großen Haarnadel-RNA sehr ef-fizient abtasten kann (Abbildung 18). F�r diesen Ansatz sindviele Anwendungen vorstellbar, darunter die First-Principles-Vorhersage der Lage von Nucleosomen durch Berechnungder DNA-Deformationsenergie, indem das von uns haupt-s�chlich genutzte konsistente Kraftfeld verwendet wird.Diese N�herung, um ein Nucleosom an der DNA zu lokali-sieren, ber�cksichtigt die Wechselwirkungen der DNA mitdem Nucleosom nicht, liefert aber genauso gute Ergebnisse

wie die Vorhersage der Nucleosomlage mit wissensbasiertenMethoden. In dieser Untersuchung wird die gekr�mmteDNA mit der NM-MC-Methode relaxiert, bevor eine mittlereDeformationsenergie ermittelt wird.[37]

Die Zukunft: Untersuchungen in computergest�tz-ter Biologie

Meine Gruppe ist heute viel kleiner als fr�her, doch diesist beabsichtigt, damit mehr Mittel der National Institutes ofHealth f�r die Fçrderung j�ngerer Wissenschaftler zur Ver-f�gung stehen. Außerdem kann ich mich so auf meine viel-f�ltigen Interessen konzentrieren, wie ich es in meinen gol-denen Jahren zwischen 1967 und 1977 getan hatte. Vier Pro-jekte umfassen Aspekte der computergest�tzten Biologie.

Dr. Andrea Scaiewicz arbeitet an einem Projekt, das mitder Genomik und den Proteinfunktionen zu tun hat, ohne diedreidimensionale Struktur der Proteine im Detail zu be-r�cksichtigen. Sie ordnet alle Sequenzen eines Genomsanhand ihrer funktionellen Motive und nutzt dies dann, umalle bekannten Genome zu vergleichen. Die Methode skaliertgut und ermçglicht es, zigtausende vollst�ndige Genome zuvergleichen.

Dr. Ivan Ufimtsev wendet sein in der Doktorarbeit er-worbenes Fachwissen �ber die Dichtefunktionaltheorie aufein lange bekanntes, sehr schwieriges Problem an, die Er-mittlung der Kristallstrukturen von Makromolek�len aus denIntensit�ten der Rçntgenstreustrahlung. Dass Phasen, die

Abbildung 18. NM-MC-Rechnung an RNA: Diese neue Methode, diemit Peter Minary[34] entwickelt und von Adelene Sim getestet wurde,[36]

ermçglicht es, ein molekulares System in beliebigen Freiheitsgraden zubewegen. Anders als die Torsionswinkelvariable (Abbildung 15) bre-chen diese „nat�rlichen Bewegungen“ gebundene Ketten, was sonstunannehmbar hohe Energiewerte erzeugen und zur Ablehnung allerBewegungsschritte f�hren w�rde. Wir nutzen stochastische Ketten-schl�sse, um gebrochene Ketten schnell zu schließen, und entschei-den im n�chsten Schritt anhand der �blichen Monte-Carlo-Kriterien(siehe Abbildung 7) �ber die Annahme oder Ablehnung der Bewegung.Bei unserem Ansatz kann jeder Satz an nat�rlichen Bewegungen kom-biniert werden, was zu sehr schnellem Abtasten des Konformations-raums f�hrt. Hier ist das f�r RNA gezeigt, eine Klasse von Molek�lenmit einem Konformationsraum, der sehr schwer abzutasten ist.

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10176 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

gemeinhin nach der Schweratomersatz-Methode von Perutzbestimmt werden, entfielen, w�rde die Strukturaufkl�rungdrastisch beschleunigen, insbesondere, wenn superintensiveStrahlen von Freien-Elektronen-Lasern verwendet w�rden.

Dr. Yana Gofman entwickelt Methoden, um Membran-proteinstrukturen mit Kryoelektronenmikroskopie zu be-stimmen und zu verfeinern. Sie arbeitet unabh�ngig in einemKooperationsprojekt mit Experimentatoren, das von derneuen Generation von Mikroskopen mit hçherer Auflçsungprofitieren wird.

Dr. Nir Kalisman (nun an der Hebrew University, Jeru-salem) verwendet chemische Verlinkung und massenspek-trometrische Daten zusammen mit Strukturdaten aus nied-rigauflçsenden Rçntgenbeugungsmessungen und Kryoelek-tronenmikroskopie, um die Strukturen großer Komplexe mitweniger Daten zu bestimmen. Er hat Studien �ber das eu-karyotische Chaperonin (CCT)[38] und den eukaryotischenPIC (transcript pre-imitation complex)[39] verçffentlicht. Inbeiden F�llen konnte er mit seinen Methoden fehlerhafteKettenzuordnungen fr�herer Studien korrigieren und genaueModelle liefern, welche die Molek�lfunktion erkl�ren.

Anwendungen in der Biomedizin

Das Verschieben der experimentellen Chemie in denvirtuellen Raum, den Cyberspace, sollte f�r die biomedizini-sche Wissenschaft sehr wichtig sein, da dann Hypothesenschneller �berpr�ft werden kçnnen. Nat�rlich gilt das nur,wenn die Rechnungen eine genaue Vorhersage experimen-teller Ergebnisse liefern. Der notwendige Grad an Genauig-keit h�ngt stark von der Fragestellung ab. Eine der offen-sichtlichsten Anwendungen f�r Rechenmethoden in derBiomedizin ist die Entwicklung besser und spezifischer an einbestimmtes therapeutisch relevantes Zielprotein bindenderWirkstoffe. Diese Aufgabe ist aus drei unabh�ngigen Gr�n-den sehr schwierig: a) Empirische Energiefunktionen exis-tieren nicht f�r alle Atomtypen, die in Wirkstoffmolek�lenauftreten, b) die Bindungsst�rke ist von der Gibbs-Energieder Wechselwirkung zwischen Wirkstoff und Protein relativzur Energie beider in Lçsung abh�ngig, was eine Vielzahl anBerechnungen im Konformationsraum erfordert, und c) einekleine �nderung der Gibbs-Energie kann einen starkenEinfluss auf die Bindungsenergie haben (1 kcal f�hrt zu einerVerf�nffachung der Affinit�t). Neue quantenmechanischeKraftfelder[40] machen Hoffnung auf genauere Energiewerte.

Gl�cklicherweise brauchen manche Fragestellungen we-niger Rechengenauigkeit. So wurde ich 1987 gebeten, einStart-up-Unternehmen, Protein Design Labs (PDL), zu be-raten und ihnen zu helfen, bessere Antikçrper zu entwickeln.Sie baten mich, ein dreidimensionales Modell einer beliebi-gen Antikçrpersequenz zu bauen, sodass sie sich ein Bilddavon machen konnten, welche Aminos�uren die wichtigstenwaren (Abbildung 19). Die Aufgabe war also, einen Anti-kçrperwirkstoff gegen einen nat�rlichen Rezeptor zu entwi-ckeln, der bei Krebs eine Rolle spielt. Antikçrper kçnneneinfach aus M�usen erhalten werden, die mit dem jeweiligenZielmolek�l geimpft wurden. Aber diese Antikçrper warenungeeignet, da sie von menschlichen Zellen als Fremdkçrper

angesehen wurden und starke Immunreaktionen verursach-ten. Was getan werden musste, war offensichtlich: Die Maus-Antikçrpersequenz musste als Ausgangspunkt verwendet undihre Sequenz so ver�ndert werden, dass der Antikçrpermenschlichen Zellen nicht mehr fremd erschien, aber seineF�higkeit behielt, Krebszellen zu erkennen und zu zerstçren.Die Pionierarbeiten dazu stammen von der Gruppe vonWinter, die die Teile des Maus-Antikçrpers, die den Krebserkennen, einem Grundger�st menschlicher Antikçrper auf-gepfropft hat.[44] Leider waren die resultierenden „humani-sierten“ Antikçrper nicht so wirksam wie die urspr�nglichenMaus-Antikçrper. Cary Queen bei PDL nutzte die Compu-termodelle, die ich f�r sie gebaut hatte, um zu entscheiden,welche zus�tzlichen Reste am Grundger�st ge�ndert werdenm�ssen (Abbildung 19). Das f�hrte schließlich zu einer Reiheerfolgreicher auf dem PDL-Patent basierender Tumorthera-peutika. Die bekanntesten darunter sind Herceptin und Av-astin, aber es brauchte Jahrzehnte und Milliarden von Dollar,um von der reinen Forschung zum klinisch nutzbaren Wirk-stoff zu gelangen.

Einige allgemeine �berlegungen

Kurz nachdem mich die gute Nachricht in Kalifornien um2:16 Uhr am Morgen des 9. Oktober geweckt hatte, erw�hnteich in einem Interview, dass der Preis eigentlich an vier h�ttegehen m�ssen, n�mlich auch noch an die Computerindustrie,deren massive Forschungs- und Entwicklungsleistung zu un-vorstellbaren Gewinnen bei der Rechenzeit gef�hrt hatte

Abbildung 19. Computermodellierung „humanisiert“ Antikçrper: Anti-kçrper sind die Abwehrkr�fte des Kçrpers, aber manchmal brauchensie Hilfe, um Angreifer zu erkennen. Arbeiten, die als akademische�bung begannen,[41, 42] f�hrten zu einer automatisierten Methode f�rdie Modellierung der Struktur beliebiger Antikçrpersequenzen.[43] Mehrals zwei Jahrzehnte sp�ter hatte sich aus dieser Arbeit, durch die Kom-bination mit Gentechnik, durch Patentierung, Marketingkçnnen undgewaltige Investitionen in die Produktion, �ber einen m�hsamen Wegeine der erfolgreichsten Krebstherapien entwickelt. Weitere Details sindim Text zu finden, aber hiermit sei die mçgliche Leistung computerge-st�tzter Methoden in der Medizin gezeigt. Das Beispiel belegt außer-dem, wie lang der Weg von der Grundlagenforschung zum praktischenEinsatz ist.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10177Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

(Abbildung 20). Dieser Zuwachs an Leistung, der so ent-scheidend war, um die von uns vor 45 Jahren entwickeltenMultiskalenmodelle wertvoll zu machen, war eine Reaktionauf die allgemeine, nicht auf die wissenschaftliche Nachfrage.Der Cray-X-MP-Supercomputer war f�r die erste Berech-nung einer Proteinmolek�ldynamik in Wasser 1986 (Abbil-dung 14) essenziell, aber ein Jahrzehnt sp�ter machte LinusTorvalds Linux-Betriebssystem die Heim- und B�rocomputerf�r die Wissenschaften einsetzbar. Dadurch fielen die Preise:Die Chipentwicklung ist ungeheuer teuer und muss sich durchden Verkauf einer großen Zahl an Computern rechnen. Ingewisser Weise zwang der stete Verlust an Effizienz bei denaufeinanderfolgenden Windows-Betriebssystemen Intel dazu,eine immer schnellere Hardware zu entwickeln – ein uner-warteter Gl�cksfall f�r die computergest�tzte Forschung.

Ich habe die Arbeit, die das Nobelkomitee gew�rdigt hat,im Alter von 20 Jahren begonnen, als ich von John Kendrewzur richtigen Zeit an den richtigen Ort geschickt worden war.Zehn Jahre sp�ter war sie im Grunde erledigt, aber ich bliebein aktiver Forscher und Mentor, der stolz ist, ein Program-mierer zu sein.[45] Ich bin außerdem mit einer wunderbarenEhefrau, Rina, gesegnet, die mir drei Sçhne gebar und dasFamilienleben w�hrend dieser sehr schwierigen fr�hen Jahreaufrecht erhielt. Darum mçchte ich der Jugend mit vier ein-fachen Ratschl�gen weiterhelfen (Abbildung 21). Sicherlichist es leicht, Ratschl�ge zu erteilen, und ich hoffe, dass ichmehr helfe, indem ich sicherstelle, dass junge Wissenschaftlerdie gleichen außerordentlichen Mçglichkeiten haben, wie siemir von meinen Mentoren geboten wurden.

Ein Bereich der Ratschl�ge gilt der Notwendigkeit, ausseiner Komfortzone heraus- und Risiken einzugehen (Ab-bildung 22). Allerdings sollte ich wohl auch erw�hnen, dassmanche Dinge vielleicht zu riskant sind (Abbildung 23), aberwas Dich nicht umbringt, macht Dich vielleicht st�rker?Allm�hlich n�hert sich dieser ungewçhnliche Bericht seinemEnde, und daher will ich nun Shneior Lifson (Abbil-

dung 24A), meinem ersten Mentor am Weizmann-Institut,sowie John Kendrew, Max Perutz, Francis Crick, Bob Dia-mond und Aaron Klug (Abbildung 24 B), meinen Mentorenin Cambridge, danken. Leider sind nur Diamond und Klugnoch am Leben, um diese Worte zu lesen. Alle zusammensind sie meine �berragenden Wissenschaftshelden.[46]

Ich danke außerdem dem Nobelkomitee f�r Chemie 2013(Abbildung 24 C), das es gewagt hat, die Rolle zu w�rdigen,die Computer in der Multiskalenmodellierung von in derBiologie so wichtigen komplexen chemischen Systemenspielen. Diese Arbeit ist inh�rent interdisziplin�r, indem sievon der Mathematik und Physik der atomaren Wechselwir-kungen �ber chemische Reaktionen in der Biologie bis zurbiomedizinischen Therapeutik reicht. Als eine Folge derAuszeichnung mit dem Nobelpreis hat das gesamte Feld dercomputergest�tzten Biologie gewonnen (Abbildung 25). Seitich 1987 nach Stanford gekommen bin, hatte ich stets eineaußergewçhnliche Gruppe von Doktoranden und Postdocsum mich (Abbildung 26), und ich danke ihnen allen herzlichdaf�r, dass sie mich so viel gelehrt haben. Meine Arbeit wirdvon den National Institutes of Health unterst�tzt (R01-PreisGM063817).

Abbildung 20. Vorw�rts durch Technologie: Es ist schwer vorstellbar,wie sehr Computer sich seit unseren ersten Rechnungen 1967 entwi-ckelt haben. �berraschenderweise gibt es eine 10000-fache Verbesse-rung in vier Bereichen: Kosten, Geschwindigkeit, Speichergrçße, physi-kalische Grçße. Das bedeutet, dass die Kosten einer einzelnen Rech-nung heute 100000000-mal geringer sind. Die Auto-Analogie wurdebereits fr�her verwendet, aber nicht so detailliert.

Abbildung 21. Mein Rat an die Jugend: Erwachsene neigen dazu, zuviele Ratschl�ge zu geben, daher gebe ich diese in der Erwartung, dasssie ignoriert werden. Die vier Punkte sind eigentlich ziemlich offen-sichtlich, aber sie haben bei mir eindeutig funktioniert. Leidenschaftist f�r jedes Unterfangen notwendig. Hartn�ckig zu sein bedeutet, Duglaubst an Dich; wenn nicht, warum sollte dann jemand anderes anDich glauben? Ist man originell, ist der Wettbewerb weniger problema-tisch. Ist man freundlich und gut, wird man Freunde und nicht Feindehaben.

Abbildung 22. Gehe Risiken ein: Es ist schwierig, die Folgen von Tatenvorherzusagen. Risiken einzugehen kann einen an wunderbare Ortebringen, die man ansonsten verpasst h�tte. Das gilt in der Wissen-schaft wie im echten Leben. Als eine Tagung in Schweden, an der ichteilnahm, in Uppsala und nicht auf den Stockholmer Sch�ren statt-fand, beschloss ich, alleine dorthin zu fahren. Da mir vom Wandernauf den kleinen und flachen Inseln abgeraten wurde, mietete ich onlineeinen Seekajak. Zur Vorbereitung fand ich einen kurzen Film undbrach am Wochenende vor der Sommersonnwende auf. Ich war vçlligallein auf dem Wasser, aber die See war ruhig und die Schw�ne beruhi-gend, bis der Wind aufkam (Fortsetzung in Abbildung 23).

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10178 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

Abbildung 24. Mein besonderer Dank gilt: A) Shneior Lifson,meinen Mentor am Weizmann-Institut. B) John Kendrew, MaxPerutz, Bob Diamond, Francis Crick und Aaron Klug, meinen Mento-ren in Cambridge. Bob Diamond war mein Doktorvater, doch er er-wartete von uns Unabh�ngigkeit: Ich habe nie eine Verçffentlichungzusammen mit Diamond geschrieben, aber wir haben viele �hnlicheArbeiten parallel in derselben Zeitschrift verçffentlicht. C) Dem Ko-mitee f�r die Vergabe des Nobelpreises f�r Chemie 2013. Das magnaheliegend sein, wiel es mich neben anderen mit dem Nobelpreisausgezeichnet hat. Nein, ich danke ihm f�r den Mut, die Rolle anzu-erkennen, die Computer dabei gespielt haben, die Chemie komple-xer, biologischer Systeme aus dem experimentellen Labor in den vir-tuellen Raum zu bringen. Angesichts des unglaublichen Zuwachsesan Rechenleistung besteht kein Zweifel, dass die Anerkennung einesArbeitsgebietes von zunehmender Bedeutung in der biomedizini-schen Wissenschaft selbst als Einrichtung eines neuen Arbeitsgebie-tes begriffen werden wird.

Abbildung 23. Aber sei nicht zu leichtsinnig: Das Wasser hatte nur12 8C, sodass ich dicht am Ufer blieb, als ich �bte, den Kajak auszu-balancieren. Nach einem erschreckenden Zusammentreffen miteiner Korvette der Visby-Klasse der schwedischen Marine, die vor-beifuhr, als ich gerade mein Boot auf Grund setzte, fuhr ich mitdem Wind im R�cken weiter die K�ste hinauf zur Ornç-Kirche.Danach steuerte ich zur�ck Richtung S�den und entdeckte einekleine Insel auf der Strecke, auf der ich �ber Nacht zeltete. Ich hatteeine schwedische SIM-Karte und f�hlte mich dank E-Mail und Inter-net ganz ruhig. Denoch war es schwierig, ohne Schlafbrille zu schla-fen, etwas Unentbehrliches in diesen kurzen N�chten. Am n�chstenMorgen machte ich mich auf den R�ckweg und hatte M�he, rundeinen Kilometer offenes Wasser gegen den Wind zu �berqueren.Meine Insel war ein Paradies, aber vielleicht war mein Trip etwas zuriskant?

Abbildung 25. Diese Anerkennung macht das Gebiet der computer-gest�tzten Strukturbiologie und tats�chlich das weitere Feld dercomputergest�tzten Biologie, all die, die im Glauben daran gearbei-tet haben, dass Computer und Biologie zusammen gehçren, zu Ge-winnern. Dieses Foto wurde auf dem American-Football-Platz inStanford gemacht, w�hrend eines Spiels gegen UCLA am 19. Okto-ber, nur zehn Tage nach der Verk�ndung des Chemie-Nobelpreises.Zu hçren, wie 50 000 Leute „Nobelpreis, Nobelpreis“ skandieren, isteine unauslçschliche, wertvolle Erinnerung.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10179Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Eingegangen am 25. M�rz 2014Online verçffentlicht am 5. August 2014

[1] „Molecular Structure for Nucleic Acids“: J. D. Watson, F. H. C.Crick, Nature 1953, 171, 737 – 738.

[2] „Molecular Structure of Deoxypentose Nucleic Acids“: M. H. F.Wilkins, A. R. Stokes, H. R. Wilson, Nature 1953, 171, 738 – 740.

[3] „Structure of Myoglobin: A Three-Dimensional Fourier Syn-thesis at 2 Resolution“: J. C. Kendrew, R. E. Dickerson, B. E.Strandberg, R. G. Hart, D. R. Davies, D. C. Phillips, V. C. Shore,Nature 1960, 185, 422 – 427.

[4] „The Three-Dimensional Structure of a Protein Molecule“: J. C.Kendrew, Sci. Am. 1961, 205, 96 – 110.

[5] „The Structure of Haemoglobin. IV. Sign Determination by theIsomorphous Replacement Method“: D. W. Green, V. M.Ingram, M. F. Perutz, Proc. R. Soc. London Ser. A 1954, 225,287 – 307.

[6] „Structure of Haemoglobin: A Three-Dimensional Fouriersynthesis at 5.5 Resolution, Obtained by X-ray Analysis“:M. F. Perutz, M. G. Rossmann, A. F. Cullis, H. Muirhead, G.Will, A. C. T. North, Nature 1960, 185, 3416 – 3422.

[7] „The Hen Egg-White Lysozyme Molecule“: D. C. Phillips, Proc.Natl. Acad. Sci. USA 1967, 57, 483 – 495.

[8] „The Three-Dimensional Strcuture of an Enzyme Molecule“:D. C. Phillips, Sci. Am. 1966, 205, 96 – 110.

[9] „A Consistent Force Field for Calculation on Conformations,Vibrational Spectra and Enthalpies of Cycloalkanes and n-Alkane Molecules“: S. Lifson, A. Warshel, J. Phys. Chem. 1968,49, 5116 – 5129.

[10] „A Quantum Mechanical Polarizable Force Field for Biomo-lecular Interactions“: A. G. Donchev, V. D. Ozrin, M. V. Sub-botin, O. V. Tarasov, V. I. Tarasov, Proc. Natl. Acad. Sci. USA2005, 102, 7829 – 7834.

[11] „Refinement of Protein Conformations Using a Macromolecu-lar Energy Minimization Procedure“: M. Levitt, S. Lifson, J.Mol. Biol. 1969, 46, 269 – 279.

[12] „Correlations in the Motion of Atoms in Liquid Argon“: A.Rahman, Phys. Rev. 1964, 136, A405 – A411.

[13] „Molecular Dynamics Study of Liquid Water“: A. Rahman, F. H.Stillinger, J. Chem. Phys. 1971, 55, 3336 – 3359.

[14] „Computer Simulation of Protein Folding“: M. Levitt, A.Warshel, Nature 1975, 253, 694 – 698.

[15] „A Simplified Representation of Protein Conformations forRapid Simulation of Protein Folding“: M. Levitt, J. Mol. Biol.1976, 104, 59 – 107.

[16] „Minimization of Polypeptide Energy. I. Preliminary Structuresof Bovine Pancreatic Ribonuclease S-peptide“: K. D. Gibson,H. A. Scheraga, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1967, 58, 420 – 427.

[17] „Conformation Analysis of Proteins“: M. Levitt, Ph.D. Thesis,Cambridge University, Cambridge, UK, 1971. http://csb.stanford.edu/levitt/Levitt_Thesis_1971/Levitt_Thesis_1971.html.

[18] „On the Nature of the Binding of Hexa-N-Acetyl GlucosamineSubstrate to Lysozyme“: M. Levitt, Peptides, Polypeptides andProteins, Wiley, New York, 1974, pp. 99 – 113.

[19] „Theoretical Studies of Enzymic Reactions: Dielectric, Elec-trostatic and Steric Stabilization of the Carbonium Ion in theReaction of Lysozyme“: A. Warshel, M. Levitt, J. Mol. Biol.1976, 103, 227 – 249.

[20] „Dynamics of Folded Proteins“: J. A. McCammon, B. R. Gelin,M. Karplus, Nature 1977, 267, 585 – 590.

[21] „Accurate Simulation of Protein Dynamics in Solution“: M.Levitt, R. Sharon, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1988, 85, 7557 –7561.

[22] „Molecular Dynamics Simulation of Helix Denaturation“: V.Daggett, M. Levitt, J. Mol. Biol. 1992, 223, 1121 – 1138.

[23] „Atomistic Protein Folding Simulations on the SubmillisecondTime Scale Using Worldwide Distributed Computing“: V. S.Pande, I. Baker, J. Chapman, S. P. Elmer, S. Khaliq, S. M. Larson,M. R. Shirts, C. D. Snow, E. J. Sorin, B. Zagrovic, Biopolymers2003, 68, 91 – 109.

[24] „Anton: A Special-Purpose Machine for Molecular DynamicsSimulation“: D. E. Shaw, M. M. Deneroff, R. O. Dror, J. S.Kuskin, R. H. Larson, J. K. Salmon, C. Young, B. Batson, K. J.Bowers, J. C. Chao, M. P. Eastwood, J. Gagliardo, J. P. Grossman,C. R. Ho, D. J. Ierardi, I. Kolossvry, J. L. Klepeis, T. Layman, C.McLeavey, M. A. Moraes, R. Mueller, E. C. Priest, Y. Shan, J.Spengler, M. Theobald, B. Towles, S. C. Wang, Proceedings ofthe 34rd Annual International Symposium on Computer Ar-chitecture (ISCA), San Diego, June 2007.

Abbildung 26. Ehemalige und derzeitige Mitglieder meiner Arbeitsgruppe: Seit 1987 hatte ich das Privileg, Mentor f�r 14 Doktoranden und 29Postdocs zu sein. Sie sind alle Teil meiner Familie, und die Mehrheit ist meinem Beispiel gefolgt und hat eine unabh�ngige akademische Lauf-bahn eingeschlagen. In meinen ersten 20 Jahren als sebstst�ndig arbeitender Wissenschaftler habe ich zusammen mit anderen oder alleine gear-beitet und mir nicht zugetraut, andere anzuleiten.

.AngewandteNobelaufs�tze

M. Levitt

10180 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181

[25] „Die molekularen Grundlagen der eukaryotischen Transkripti-on (Nobel-Vortrag)“: R. Kornberg, Angew. Chem. 2007, 119,7082 – 7092; Angew. Chem. Int. Ed. 2007, 48, 6956 – 6965.

[26] „Automatic Discovery of Metastable States for the Constructionof Markov Models Of Macromolecular Conformational Dyna-mics“: J. D. Chodera, N. Singhal, V. S. Pande, K. A. Dill, W. C.Swope, J. Chem. Phys. 2007, 126, 155101 – 17.

[27] „Can Morphing Methods Predict Intermediate Structures?“: D.Weiss, M. Levitt, J. Mol. Biol. 2009, 385, 665 – 674.

[28] „Millisecond Dynamics of RNA Polymerase II Translocation atAtomic Resolution“: D.-A. Silva, D. Weiss, F. Pardo, L.-T. Da,M. Levitt, D. Wang, X. Huang, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2014,111, 6293 – 6298.

[29] „Protein Normal-Mode Dynamics: Trypsin Inhibitor, Crambin,Ribonuclease and Lysozyme“: M. Levitt, C. Sander, P. S. Stern, J.Mol. Biol. 1985, 181, 423 – 447.

[30] „Die Aufkl�rung der Ribosomenstruktur (Nobel-Aufsatz)“: V.Ramakrishnan, Angew. Chem. 2010, 122, 4454 – 4481; Angew.Chem. Int. Ed. 2010, 49, 4355 – 4380.

[31] „Von der Struktur und Funktion des Ribosoms zu neuen Anti-biotika (Nobel-Aufsatz)“: T. A. Steitz, Angew. Chem. 2010, 122,4482 – 4500; Angew. Chem. Int. Ed. 2010, 49, 4381 – 4398.

[32] „Winterschlafende B�ren, Antibiotika und die Evolution desRibosoms (Nobel-Aufsatz)“: A. Yonath, Angew. Chem. 2010,122, 4438 – 4453; Angew. Chem. Int. Ed. 2010, 49, 4340 – 4354.

[33] „Large Amplitude Elastic Motions in Proteins from a Single-Parameter, Atomic Analysis“: M. Tirion, Phys. Rev. Lett. 1996,77, 1905 – 1908.

[34] „Conformational Optimization with Natural Degrees of Free-dom: A Novel Stochastic Chain Closure Algorithm“: P. Minary,M. Levitt, J. Comput. Chem. 2010, 17, 993 – 1010.

[35] „Molecular Flexibility in ab initio Drug Docking to DNA:Binding-Site and Binding-Mode Transitions in All-Atom MonteCarlo Simulations“: R. Rohs, I. Bloch, H. Sklenar, Z. Shakked,Nucleic Acids Res. 2005, 33, 7048 – 7057.

[36] „Modeling and Design by Hierarchical Natural Moves“: A. Y. L.Sim, M. Levitt, P. Minary, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2012, 109,2890 – 2895.

[37] „Training-free atomistic prediction of nucleosome occupancy“:P. Minary, M. Levitt, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2014, 111,7665—7670.

[38] „Subunit Order of Eukaryotic TRiC/CCT Chaperonin by Cross-linking, Mass Spectrometry and Combinatorial Homology Mo-deling“: N. Kalisman, C. M. Adams, M. Levitt, Proc. Natl. Acad.Sci. USA 2012, 109, 2884 – 2889.

[39] „Architecture of an RNA polymerase II transcription pre-in-itiation complex“: K. Murakami, H. Elmlund, N. Kalisman,D. A. Bushnell, C. M. Adams, M. Azubel, D. Elmlund, Y. Levi-Kalisman, X. Liu, B. J. Gibbons, M. Levitt, R. D. Kornberg,Science 2013, 342, 1238724.

[40] „Application of a polarizable force field to calculations of rela-tive protein – ligand binding affinities“: O. Khoruzhii, A. G.Donchev, G. Nikolay, A. Illarionov, M. Olevanov, V. Ozrin, C.Queen, V. Tarasov, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2008, 105, 10378 –10383.

[41] „The Predicted Structure of Immunoglobulin D1.3 and itsComparison with the Crystal Structure“: C. Chothia, A. M. Lesk,M. Levitt, A. G. Amit, R. A. Mariuzza, S. E. V. Phillips, R. J.Poljak, Science 1986, 233, 755 – 758.

[42] „The Conformations of Immunoglobulin Hypervariable Regi-ons“: C. Chothia, A. M. Lesk, M. Levitt, A. Tramontano, S. J.Smith-Gill, G. Air, S. Sheriff, E. A. Padlan, D. Davies, W. R.Tulip, P. M. Colman, Nature 1989, 342, 877 – 883.

[43] „A Humanized Antibody that Binds to the IL-2 Receptor“: C.Queen, W. P. Schneider, H. E. Selick, P. W. Payne, N. F. Landolfi,J. F. Duncan, A. M. Avdalovic, M. Levitt, R. P. Junghans, T. A.Waldmann, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1989, 86, 10029 – 10033.

[44] „Replacing the Complementarity-Determining Regions ina Human Antibody with those from a Mouse“: P. T. Jones, P. H.Dear, J. Foote, M. S. Neuberger, G. Winter, Nature 1986, 321,522 – 525.

[45] „Michael Levitt National Academy of Science USA MemberDetails“: http://nrc88.nas.edu/pnas_search/memberDetails.aspx?ctID = 3012570.

[46] „Life-Long Influence of Max Perutz and the Laboratory ofMolecular Biology“: M. Levitt in Memories and Consequences(Ed.: H. Huxley), 2013. http://www2.mrc-lmb.cam.ac.uk/ebooks/Memories_and_consequences-Hugh_Huxley.epub.

Nobel-AufsatzAngewandte

Chemie

10181Angew. Chem. 2014, 126, 10168 – 10181 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de