ganglienzellen als konstanter bestandteil der zirbel von affen

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(Aus der Morphologisch-physiologischen Abteilung des PhysiologisChen Institutes Wien.) Ganglienzellen als konstanter Bestandteil der Zirbel von Allen. Von W. Kolmer. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 24. Mdrz 1929.) In den zahlreichen vorliegenden Untersuchungen fiber die Zirbel der S/~ugetiere und auch der niederen Vertebraten werden allerlei histo- logische Bestandteile aufgez/~hlt, welche teils als spezifische Parenchym- zellen drfisenartiger Natur, teils als zum Stfitzgerfist gehSrig oder als Elemente des Zirkulationssystems angesehen werden. Alle Autoren er- w/~hnen auch das Vorhandensein yon Nervenfasern, doch werden letztere je nach der angewendeten Technik in recht versehiedener. Weise dargestellt. Marburg hat bei der Antilope einen streng median verlaufenden ventralen markhaltigen Nervenzug, als Nervus parietalis beschrieben, ich selbst babe in Gemeinschaft mit R. LSwy-Lenz einen dorso-caudal austretenden Nerven mit Beziehungen zur Vena magna Galeni als Nervus Conarii beschrieben, den wir bei der Meerkatze, beim Hund und bei der Ziege nachweisen konnten. In den Schriften der /tlteren Autoren, die die Zirbel behandeln, linden wir konstant die Angaben fiber das Vorkommen yon Nerven- zellen. So etwa berichtet Hagemann 1872 in seiner Dissertation, dal~ er 39 tt lange, 21 # breite Nervenzellen beim Menschen im Zusammen- hange mit Nervenfasern nach Osmiumbehandlung gefunden habe, auch an der frisch untersuchten Zirbel des Meerschweinchens will er sie in Zupfpr/iparaten gesehen haben. Es soll sich um bi- und multipolare Elemente handeln. In den Arbeiten sp/~terer Untersucher (ich verweise auf die ausffihrliche Bibliographie in der Arbeit von Marburg, Arb. neur. Inst. Wien 23, 1 [1920], sowie Krabbe, Endocrinology 1923, 379), ist yon Ganglienzellen fast nicht mehr die Rede, so erw/s sie die ausffihrliehe Arbeit von Illing gar nicht, ebensowenig die Arbeiten yon Cutore, der zahlreiche S/~ugetiere behandelt und der speziell auch die Affen Macacus sinicus und Cercopithecus griseus untersucht hat. Auch alle sp/~teren einsehl~gigen Arbeiten befassen sich nur mit der Frage,

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Page 1: Ganglienzellen als konstanter Bestandteil der Zirbel von Affen

(Aus der Morphologisch-physiologischen Abteilung des PhysiologisChen Institutes Wien.)

Ganglienzellen als konstanter Bestandteil der Zirbel von Allen.

Von W. Kolmer.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 24. Mdrz 1929.)

In den zahlreichen vorliegenden Untersuchungen fiber die Zirbel der S/~ugetiere und auch der niederen Vertebraten werden allerlei histo- logische Bestandteile aufgez/~hlt, welche teils als spezifische Parenchym- zellen drfisenartiger Natur, teils als zum Stfitzgerfist gehSrig oder als Elemente des Zirkulationssystems angesehen werden. Alle Autoren er - w/~hnen auch das Vorhandensein yon Nervenfasern, doch werden letztere je nach der angewendeten Technik in recht versehiedener. Weise dargestellt. Marburg hat bei der Antilope einen streng median verlaufenden ventralen markhaltigen Nervenzug, als Nervus parietalis beschrieben, ich selbst babe in Gemeinschaft mit R. LSwy-Lenz einen dorso-caudal austretenden Nerven mit Beziehungen zur Vena magna Galeni als Nervus Conarii beschrieben, den wir bei der Meerkatze, beim Hund und bei der Ziege nachweisen konnten.

In den Schriften der /tlteren Autoren, die die Zirbel behandeln, linden wir konstant die Angaben fiber das Vorkommen yon Nerven- zellen. So etwa berichtet Hagemann 1872 in seiner Dissertation, dal~ er 39 tt lange, 21 # breite Nervenzellen beim Menschen im Zusammen- hange mit Nervenfasern nach Osmiumbehandlung gefunden habe, auch an der frisch untersuchten Zirbel des Meerschweinchens will er sie in Zupfpr/iparaten gesehen haben. Es soll sich um bi- und multipolare Elemente handeln. In den Arbeiten sp/~terer Untersucher (ich verweise auf die ausffihrliche Bibliographie in der Arbeit von Marburg, Arb. neur. Inst. Wien 23, 1 [1920], sowie Krabbe, Endocrinology 1923, 379), ist yon Ganglienzellen fast nicht mehr die Rede, so erw/s sie die ausffihrliehe Arbeit von Illing gar nicht, ebensowenig die Arbeiten yon Cutore, der zahlreiche S/~ugetiere behandelt und der speziell auch die Affen Macacus sinicus und Cercopithecus griseus untersucht hat. Auch alle sp/~teren einsehl~gigen Arbeiten befassen sich nur mit der Frage,

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ob die Parenchymzellen der Zirbel nerv6ser oder glandul~rer Natur seien, nieht mit dem Vorkommen unzweifelhafter Ganglienzellen. Hier und da wurden, so yon Achucarro und Sakristan einzelne Elemente als Ganglienzellen angesproehen, doch wurden keineswegs typisehe Ganglienzellen als konstante Bestandteile der Zirbel aufgefaSt.

Marburg ,,will nicht leugnen, da~ einzelne Ganglienzellen vor- kommen k6nnen". H. Josephy beschreibt in neuerer Zeit (1920) in einer menschlichen Epiphyse S. 106 eine Ganglienzelle, bezeichnet sie aber als ein ,,versprengtes heterotopes Element", trotzdem sagt er S. 108, ,,jedenfalls best~tigen die gut iibersehbaren Verh~ltnisse beim Kind und beim Tiere meine Ansicht, dab die Nervenfasern der Zirbel aus den Commissuren in das Organ eintreten, und daft es im Parenchym normalerweise keine Ganglienzellen gibt."

Rio-Hortega (Contributions & l'histologie de la glande pingale I. Cellu- les parenchymenteuses. Trab. Labor. Invest. biol. Univ. Madrid 21, 95} bildet S. 139 die Neurofibrillenstruktur einer solchen, heterotopen Ganglienzelle beim Menschen und beim Truthahn ab; auch Laignel- Lavastine (Enc6phale 1921) hat vereinzelt derartiges gesehen.

Vor kurzem erschien in dieser Zeitsehrift eine neuerliche Mitteilung yon G. Pastori (~ber Nervenfasern und Nervenzellen in der Epiphysis eerebri, diese Z. 117, 202), in der das Vorkommen yon heterotopischen Ganglienzellen beim Menschen best~tigt wird. Es sei auf die vollst~in- dige Literaturangabe in dieser Arbeit hier verwiesen.

Wir sehen somit, dal3 all dasjenige, was wenigstens seit der An- wendung neuerer histologischer Methoden in der Zirbel gefunden ~mrde, keinesfalls irgendwelchen typischen ganglion~ren Elementen entspricht, sondern, da~ die verschiedenen Beschreiber sich erst bemiihen miissen, die von ihnen angenommene nerv6se Natur der verzweigten und mit Endkolben versehenen Elemente an der Hand der Abbildungen nach- zuweisen. Ganz allgemein ist aueh heute noch die Ansicht verbreitet, dab keine Etemente vorliegen, yon denen man annehmen k6nne, da$ sie Achsenzylinder aus der Zirbel heraussenden.

Auch Pines betont dies ausffihrlieh in seiner Arbeit (diese Z. l l l ) . Gelegentlieh der Herstellung yon Sagittalserien durch die Zirbelregion

bei der Untersuchung des subeommissuralen Organs und des Ursprunges des Reissnerschen Fadens an dessen Epithel wurde besonders gut konser- viertes Material, das nfittels Gef~Bdurchsptilung fixiert worden war, ver- wendet. Es fand sieh dabei in der Zirbel yon AMen folgendes auffallendes Bild. Bei mehreren Exemplaren yon Macacus rhesus zeigte die Sagittal: serie, dal3 im distalen kolbenfSrmigen Anteil des Organs eine aus Binde- gewebe und Gliafasern bestehende sehmale, offenbar strong median- sagittal gelegene Platte vorhanden ist, die den dorso-caudalen Pol des Organs nicht erreicht. Diese Platte ist rings yon den durch Glia

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und Bindegewebe umseheideten Paketen der spezifischen Parenchym- zellen umgeben. Schon bei schwacher VergrSBerung fallen einem inner- halb dieser Platte eine Anzahl yon Zellen auf, oft ein Dutzend in einem Schnitt, die rundlich sind, grSBer als alle fibrigen Zellelemente der Zirbel, und durch eine Art zartcr Kapsel des umgebenden Gewebes yon diesem abgegrenzt werden. Die zumeist an der Peripherie dieser Binde- gewebsplatte gelegenen Elemente sind wesentlich grSBer als die fibrigen. W/~hrend die zentralen Elemente 15 - -18# im Durchmesser haben, also die grSBten Parenchymelemente nut wenig an Gr5Be fibertreffen, finden sich zwischen die innersten Ballen der Parenchymzellen groBe

Abb. 1. 2 Ganglienzellen im Parenchym der Zirbel yon l~Iacacus rhesus, umgeben yon Bindegewebe. Gliaund Parenchymzellen. Mikrophotogramm.

Elemente eingestreut, die 45--50/~ groi3 werden und einen Kern von 15 ~t Durchmesser besitzen. Schon in den kleinen Elementen, deren Kern oval 9 • l0 # groB ist, finden wir im Cytoplasma einen Kranz deutlicher kleiner Tigroidschollen. In den ganz groBen Elementen linden sich Hunderte derartiger Schollen, deren Anordnung gegeniiber dem Kern vollkommen dem Verhalten in Spinalganglienzellen entspricht, an einem Pol der Zelle, yon dem der Achsenzylinder abgeht, finder sich ein yon der Tigroidsubstanz freier typischer Axonkegel. Das Kern- k5rperchen dieser Elemente ist fiber 3 tt groB. An die groBe Zelle an- gepreBt liegen flache Kapselzellen.

Gelegentlich umfaBt eine der typischen, h~Lufig mehrkernigen Glia- zellen einen Tell des Umfanges der Ganglienzellen mit ihren Ausl/iufern.

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Nicht nur die grol]en Elemente, sondern auch die ersterw~hnten kleinen Elemente lassen auf eine Strecke von 30--50 tt einen Achsen- zylinder verfolgen, der sich in einiger Entfernung von den Zellen mit einer zarten Markhfille umgibt. Einzelne yon den kleinen Ganglienzellen, aber durchaus nicht alle, zeigen auch die ffir die Parenchymzellen der Zirbel so eigenartige Kernfaltung. Auch eine kleine Sphere mit Diplo- somen l~Bt sich an einem Pol dieser Zellen erkennen. Sowohl die kleinen wie die groBen Elemente dieser offenbar typischen Ganglienzellen, die mit allen bisher beschriebenen gangliSsen Elementen der Zirbel nieht

Abb. 2. Ganglienzellc im P a r e n c h y m der Zirbel yon Macacus rhesus. B ichromat -Formol - Eisessig. 5 I ik ropho tog ramm.

fibereinstimmen, sind unipolar. Es ist nicht ausgeschlossen, da~ zwi- schen den kleinsten Elementen und den Parenchymzellen Ubergangs- formen existieren, was mit der Auffassung Rio-Hortegas wohl vereinbar w~re. Silberpr~parate der Zirbel nach Cajal zeigten uns zwischen den Gruppen von Parenchymzellen ~uBerst komplizierte, dichte Kn~uel yon Nervenfasern manchmal geradezu an die Glomeruli des Kleinhirns erinnernd, in der Umgebung der Gef~l~e, die von Achucarro, Walter, Pastori u. a. beschriebenen keulenfSrmigen Forts~tze, zw~schendrin auf lange Strecken verfolgbare fiber 2 # dicke markhaltige Nervenfasern, die in sagittaler Richtung verliefen, Aufzweigungen solcher dicker Nervenfasern innerhalb der erw~hnten Faserkn~uel. Strange feiner

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markloser Fasem laufen in Wellenlinien fast durch die ganze L/~nge des Organes.

Aus der Gegend des ganglienzellhaltigen bindegewebigen Septums lieBen sich nun Ziige markhaltiger Fasern, kleine Arterien begleitend, bis zum Austrit t der Nervenfasern an der Spitze der Zirbel dorso- caudal verfolgen, andererseits fanden wir auch ventral einen aus 5 bis 6 dicken Fasern bestehendcn Nervenzug, dessen Fasern durchschnittlich 8 # dick warcn, eine starke Markscheide besaBen, Ranviersche Ein- sehntirungen zeigten und zahlreiche Schwannsche Kerne aufwiesen. Es ist kaum zu zweifelnl dab dieser Nerv des Macacus, der sich auf einem Sehnitt sagittal fiber 2 mm welt verfolgcn lieS, dem yon Marburg bei der Antilope dorsal besehric- benen Zirbelnerven nieht homo- log ist. Sein Bau entspricht dem eines peripheren Ncrven. Es erscheint sehr wahrscheinlich, dab zumindest ein Tell der gr6Bercn Ganglienzellen der Affenzirbcl die Ursprungszellen der gcnanntcn Ncrven sind, dab wir somit nicht bloB zentri- petale, sonderu auch zentrifugale Nerven der Zirbel beim Affen wenigstens unterscheiden miissen.

AuBer bei 7 untersuchten Zirbeln yon Macacus rhesus ver- Abb. 3. 'Eine Ganglienzelle saint Kapselzelle

yore Typus spinaler ;Elemente. Zeiss 3 mm 1,40, sehiedenen Alters und einer eines ]Kompl. Ocular2. Mikrophotogramm iiberzeichnet. Macacus sinicus fanden sich auch sehr deutliche ziemlich groBe Elemente yon Ganglienzcllen der gleichen Art bei eincm Cynoscephalus papio. Hier cnthielt die Zirbel auch auffallend vielc markhaltigc Fasern an vielen Punktcn des Parenchyms.

Es haben sich also Ganglicnzellen bei 9 untcrsuchten Affen 9mal gefunden, somit in 100% der F/~lle. Ich glaube, dab man deshalb keinen Grund hat, bci den Affen diese Elemente als heterotypische zu be- zeichnen. Sie scheinen im Gegenteil eincn konstanten Bestandteil der Affenzirbel zu bilden. In den yon mir beschriebenen kleinen Neben- zirbcln sah ich allerdings davon nichts. Ebenso gut konserviertes Material verschiedener Nager wie Lepus, )/[us, Epimys, Cavia, Sciurus, Cricetus, Gerbillus lieB allerdings keine entsprechenden Elemente er- kenncn. DaB die gangli6sen Elemente bei den Affen bisher fibersehen wurden, h/~ngt wohl offenbar damit zusammen, dab die Konservierung der Zirbel, wenn nicht die Fixation mittels Gef/~Bdurchspfilung an- gewendet wird, zumeist rccht unzureichend ist.

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428 W. Kohner: Ganglienzellen als konstanter Bestandteil der Zirbel von Affen.

Es wird von Interesse sein, die Entstehung dieser unipolaren, aus- nahmsweise vielleicht auch bipolaren Ganglienzellen in der Embryo- genese zu verfolgen. Man wird dabei zu entscheiden haben, ob zirbel- bildende Neuroblasten des Hirnrohrdaches die Potenz bewahren, Gan- glienzellen zu bilden, woffir die Ubergangstypen sprechen wilrden, oder ob vielleicht beim Verschlul~ des Hirnrohres an dieser Stelle Elemente der Kopfganglienleiste in die Zirbel mit eingeschlossen werden, und viel- teicht sie die spinalganglien~hnlichen Formen liefern. Auch auf even- tuelles Vorkommen solcher Zellen in der Wirbeltierreihe wird man nochmals das Augenmerk richten miissen. Daffir, da~ diese Zellen etwa mit dem Ganglion parietale der Saurier homolog w~ren, scheinen mir bisher keine Anhaltspunkte vorzuliegen.