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Leseprobe Freue dich, Christkind kommt bald! Humorvolle Weihnachtsgeschichten 128 Seiten, 10,5 × 15,5 cm, gebunden, durchgehend in einer Schmuckfarbe gestaltet ISBN 9783746247731 Mehr Informationen finden Sie unter st-benno.de Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. © St. Benno Verlag GmbH, Leipzig 2016

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Leseprobe

Freue dich, Christkind kommt bald!

Humorvolle Weihnachtsgeschichten

128 Seiten, 10,5 × 15,5 cm, gebunden, durchgehend in einer Schmuckfarbe gestaltetISBN 9783746247731

Mehr Informationen finden Sie unter st-benno.de

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

© St. Benno Verlag GmbH, Leipzig 2016

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besuchen Sie uns im Internet:www.st-benno.de

Gern informieren wir Sie unverbindlich und aktuell auch in unserem Newsletter zum Verlagsprogramm, zu Neuerscheinungen und Aktionen. Einfach anmelden unter www.st-benno.de.

ISBN 978-3-7462-4773-1

© St. Benno Verlag GmbH, LeipzigZusammenstellung: Volker Bauch, LeipzigUmschlaggestaltung: BIRQ DESIGN, LeipzigGesamtherstellung: Kontext, Lemsel (A)

Inhaltsverzeichnis

Winter, Schnee und NikolausBulgarisches Märchen: Wie der Winter entstand 10Ephraim Kishon: Das Wunderkind 13Manfred Hausmann: Martin entdeckt den Weihnachtsstern 19

Vorweihnachtsfreude im AdventHanns Dieter Hüsch: Feiertage 28Joachim Ringelnatz: Vorfreude auf Weihnachten 31Arno Holz: Kurz vor Weihnachten 32

Wenn der Weihnachtsbaum nicht wäreMarianne Vogel Kopp: Ein richtiger Weihnachtsbaum 36Astrid Bonner: Spinat und Spiegelei 46Franz Hessel: Baumschmuck 51Rosa Mayreder: Christbaumputzen 56

Weihnachten mit HindernissenDietrich Mendt: Die Geschichte vom Bischof Marcellus und der Windel Jesu 64Christoph Kuhn: Unterkunft 73Carsten Kämpf: Heiligabend 2005, 16.00 Uhr 75

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Ulrike Böhmer: Es geht noch mehr – sogar an Weihnachten 77Erich Kästner: Feier mit Hindernissen 81

Die Freuden sind noch nicht vorbeiChristoph Zehendner: Die geklaute Weihnachts- freude oder: nicht zur Nachahmung empfohlen! 92Markus Groll: Ein statistisches Weihnachts- märchen 98Johannes Hildebrandt: Das Wichtigste an Weihnachten 105

Aus Alt macht NeuDietrich Mendt: Die beiden Kalender 110Erich Kästner: Die vier archimedischen Punkte 115Ellen Schöler: Der König aus dem Morgenland 121

Winter , Schnee und N ikolaus

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Wie der Winter entstand

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Es gab einst keinen Winter, sondern es war immer Sommer. Von den Tieren, die zur Welt

kamen, starb keines, sei es nun klein oder groß, und sie vermehrten sich so sehr, dass sie die gan-ze Erde übervölkerten. Auch wurden sie im Laufe der Zeit groß und stark, und so wollte schließlich ein eitler Frosch eine junge Frau zur Braut haben. Sie war sehr schön und von vielen Jünglingen um-worben, doch der mächtige Frosch ließ ihr keine andere Wahl. Da ging der Vater zum lieben Gott, der gerade auf der Erde wandelte, und klagte über jenen Frosch und dessen Absicht, seine Tochter zur Heirat zu zwingen. Der liebe Gott sagte dar-auf zu ihm: »Geh nur wieder nach Hause und sage dem Frosch, er möge all seine Artgenossen und Verwandten auf der Erde zusammenrufen und sie als Brautwerber mitbringen, wenn er um die Hand deiner Tochter anhält.«Sogleich lief der Mann zum Frosch und sprach: »Rufe alle dir gleichen und verwandten Tiere der

Erde herbei und führe sie zu mir, wenn du um meine Tochter wirbst.« Der Frosch sprang eilig auf, und es gelang ihm, in nur kurzer Zeit un-zählige Frösche, Schlangen, Eidechsen und was sonst noch alles kreucht und fleucht auf Erden zu versammeln. Bald waren es so viele, dass das ganze Feld dunkel wurde. Alle machten sich auf den Weg zu jenem schönen Mädchen. Im selben Augenblick aber sprach Gott zu dem Vater: »Öffne das Tor dort!« Und der Mann tat, wie ihm gehei-ßen.Es war das Tor, hinter dem zu jener Zeit die Win-de und die Fröste verschlossen waren. Und kaum war es geöffnet, schon begannen starke Stürme aufzuziehen, Schnee fiel vom Himmel, und bald fegte ein dichtes Schneetreiben über die Ebe-ne hinweg. All die Tiere, die mit dem Frosch als Brautwerber gekommen waren, flüchteten, ein je-des, wohin es nur konnte: Einige schlichen in den Wald, andere krochen ins Wasser, der Rest aber, der nicht schnell genug flüchten konnte, erfror in der eisigen Kälte. Am Ende waren nur wenige übrig geblieben. Jene, die in den Wald geflüchtet waren, leben auch heute noch dort, die anderen hingegen verbringen ihr Leben seitdem im Was-ser.

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Seit jener Zeit also gibt es auch den Winter. Nach Gottes Willen sollte nunmehr eine Jahreshälfte Sommer sein, damit alles fruchtbar werde und sich vermehre, dann aber sollte der Winter herr-schen, den nicht alle Tiere überleben. Daher kön-nen es auch nie mehr so viele werden wie zu jener frühen Zeit.Und all dies bewirkte, man stelle es sich vor, ein eitler Frosch, der sich vor Übermut vergaß und ein junges Mädchen zur Braut haben wollte.

Bulgarisches Märchen

Das Wunderkind

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Ich liebe es, auf Parkbänken zu sitzen, aber nur im Winter. Denn da sich während der kalten

Monate nur ein Irrsinniger ins Freie setzen wür-de, kann ich in Ruhe meine Kreuzworträtsel und Quizfragen lösen und vielleicht ein wertvolles Buch gewinnen, ohne dass mich jemand stört. So saß ich auch gestern wieder im Dezembersonnen-schein auf meiner Bank und stellte mit Genugtu-ung fest, dass mir kein Gespräch drohte.Gerade als ich dabei war, 7 links senkrecht ein-zutragen, näherte sich von rechts waagrecht eine kümmerliche, farblose Erscheinung männlichen Geschlechts, blieb stehen, wandte sich zu mir und fragte:»Ist hier frei?«Mein »Ja« war kurz und alles eher als einladend, aber das hinderte den Störenfried nicht, sich auf das andre Ende der Bank niederzulassen. Ich ver-tiefte mich demonstrativ in meine senkrechten und waagrechten Probleme, wobei ich mittels

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gerunzelter Brauen anzudeuten versuchte, dass ich in meiner verantwortungsvollen Arbeit nicht gestört zu werden wünschte und dass niemand mich fragen sollte, ob ich diesen Park öfter besu-che, ob ich verheiratet bin, was ich monatlich ver-diene und was ich von unserer Regierung halte.Der Mann neben mir schien meine isolationisti-schen Tendenzen zu wittern. Er übersprang die einleitenden Floskeln und ging sofort aufs Gan-ze. Mit einer einzigen, offenkundig routinierten Handbewegung schob er mir ein halbes Dutzend Fotos von Postkartengröße, einen Knaben dar-stellend, unter die Nase:»Eytan wird übermorgen sechs Jahre«, gab mir der Begleittext bekannt.Pflichtschuldig überflog ich die sechs Bilder, lä-chelte milde über das eine, auf dem Eytan die Zunge herausstreckte, und retournierte die mo-bile Ausstellung an den Besitzer. Dann vertiefte ich mich wieder in mein Kreuzworträtsel. Aber ich spürte in jeder Faser meines Nervensystems, dass ich dem Schicksal nicht entrinnen könnte. Und da kam es auch schon:»Ganz wie Sie wollen«, sagte der Mann und rief dem in einiger Entfernung herumtollenden Kna-ben durch den Handtrichter zu: »Eytan, komm

schnell her. Der Herr möchte mit dir sprechen.« Eytan kam widerwillig herangeschlurft und blieb vor der Bank stehen, die Hände mürrisch in den Hosentaschen. Sein Vater sah ihn mit mildem Ta-del an:»Nun? Was sagt man, wenn man einen fremden Herrn kennenlernt?«Eytan, ohne mich auch nur eines Blickes zu wür-digen, antwortete:»Ich habe Hunger.«»Das Kind lügt nicht«, wandte sich der Vater er-klärend an mich. »Wenn Eytan sagt, dass er Hun-ger hat, dann hat er Hunger, da können Sie Gift darauf nehmen.«Ich wies diese Zumutung energisch zurück und fragte den stolzen Erzeuger, warum er mir die Fotos gezeigt hätte, obwohl das Modell in Fleisch und Blut zugegen war.»Die Fotos sind ähnlicher«, lautete die väterliche Antwort. »Eytan ist in der letzten Zeit ein wenig abgemagert.«Ich brummte etwas Unverständliches und schick-te mich an, die Bank und sicherheitshalber auch den Park zu verlassen. Mein Nachbar erstickte diese Absicht im Keim. »Das Kind hat ein fantas-tisches Talent für Mathematik«, raunte er mir hin-

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ter vorgehaltener Hand aus dem Mundwinkel zu, sodass Eytan nichts davon hören und sich nichts darauf einbilden konnte. »Er geht erst seit ein paar Monaten in die Schule, aber der Lehrer hält ihn schon jetzt für ein Wunderkind ... Eytan, sag dem Herrn eine Zahl.«»1032«, sagte Eytan. »Eine andre. Eine höhere.«»6527.« »Also bitte. Haben Sie so etwas schon erlebt? Im Handumdrehen! Und dabei ist er erst sieben Jahre alt! Unglaublich, wo er diese hohen Zahlen hernimmt. Und das ist noch gar nichts. Eytan, sag dem Herrn, er soll an eine Zahl den-ken!«»Nein«, sagte Eytan.»Eytaaan! Du wirst den Herrn sofort bitten, an eine Zahl zu denken!«»Denken Sie an eine Zahl«, grunzte Eytan gelang-weilt. Jetzt machte mein Nachbar wieder von der vorgehaltenen Hand und vom Mundwinkel Ge-brauch:»Drei! Bitte denken Sie an Drei!« Dann hob er den Finger und wandte sich dem Gegenstand sei-nes Stolzes zu: »Und jetzt werden wir den Herrn bitten, die Zahl, die er sich gedacht hat, mit Zehn zu multiplizieren, nicht wahr, Eytan?«»Meinetwegen.«

»Was heißt ›meinetwegen‹? Sprich anständig und in ganzen Sätzen.«»Multiplizieren Sie die Zahl, die Sie sich gedacht haben, mit Zehn«, leierte Eytan den vorgeschrie-benen Text herunter.»Weiter«, ermahnte ihn sein Vater. »Dann dividie-ren Sie die neue Zahl durch Fünf, halbieren Sie die Zahl, die Sie dann bekommen – und das Re-sultat ist die Zahl, an die Sie zuerst gedacht ha-ben.«»Stimmt’s?«, fragte mein Nachbar zitternd vor Aufregung; und als ich bejahend nickte, kannte seine Freude keine Grenzen. »Aber wir sind noch nicht fertig! Eytan, sag jetzt dem Herrn, an welche Zahl er gedacht hat.«»Weiß ich nicht.«»Eytan!« »Sieben?«, fragte das Wunderkind.»Nein!«»Eins?«»Auch nicht!«, brüllte der enttäuschte Papa. »Konzentrier dich!«»Ich konzentrier‘ mich ja.« Der Kleine begann zu weinen. »Aber woher soll ich wissen, an welche Zahl ein fremder Mann denkt?«Mit der Selbstbeherrschung des Vaters war es vorbei: »Drei!« Seine Stimme überschlug sich.

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»Drei, Drei, Drei! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass die Leute immer an Drei denken?!«»Und wenn schon«, quakte das gepeinigte Kind. »Was gehen mich Zahlen an? Immer nur Zahlen, immer nur Zahlen! Wer braucht das ?«Aber da hatte mein Nachbar ihn schon am Kragen und beutelte ihn in erhabenem Vaterzorn.»Was sagen Sie dazu?«, keuchte er unter Verzicht auf Mundwinkel und vorgehaltene Hand.»Haben Sie schon jemals ein achtjähriges Kind gesehen, das sich nicht einmal eine einzige Ziffer merken kann? Gott hat mich hart geschlagen ...«Damit machte er sich davon, den heulenden Ey-tan hinter sich herziehend. Ich sah ihm nach, bis seine gramgebeugte Gestalt im winterlichen Mit-tagssonnenschein verschwand.Welch ein Fluch für einen Vater, wenn er erkennen muss, dass er dem eigenen Sohn rein gar nichts von seinem Genius vererbt hat.

Ephraim Kishon

Martin entdeckt den Weihnachtsstern

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Da der Winter mit den funkelnden Sternen-nächten vor der Tür steht, haben Christoph

und Görge sich einen Linsensatz für zwei Mark sechzig kommen lassen und sind allen Ernstes dabei, ein Himmelsfernrohr zu erbauen. Es soll sogar parallaktisch aufgehängt werden. Martin geht einige Tage mit den Händen in den Taschen um die Arbeitenden herum und fragt sie hin und wieder etwas. Dann zieht er sich in sein Kämmer-chen zurück.»Christoph und Görge«, sagt er eines Abends beim Essen, »glaubt ihr, dass ich hiermit einen Stern erkennen kann?« Er holt, sich auf dem Stuhl zur Seite neigend, eine leere Zwirnrolle aus seiner Tasche, hält sie vors Auge und richtet sie auf die Lampe über dem Tisch. »Das soll nämlich mein Fernrohr sein.«»Zeig mal her«, sagt Christoph lachend.»Und hier habe ich eine Linse vorgemacht.

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Glaubst du, dass ich da einen Stern mit erkennen kann?«Christoph blinzelt hindurch. »Natürlich kann man damit einen Stern erkennen. Alles kann man da-mit erkennen. Nicht ganz so gut wie mit dem blo-ßen Auge, aber immerhin.«Der Vater möchte gern wissen, um was für eine Lin-se es sich handelt. Christoph reicht ihm die Rolle. Die Linse besteht aus einer kleinen, dreieckigen Glasscherbe, die Martin mit Blauköpfen vor die Öff-nung der Rolle genagelt hat. »Das ist ja ein wunder-bares Fernrohr«, sagt der Vater, indem er ein Auge zukneift und gleichfalls die Lampe betrachtet. Es rieselt etwas durch ihn hindurch, Rührung, Glück, Dankbarkeit, eine warme und zärtliche Empfindung.»Glaubst du, dass ich da einen Stern mit erken-nen kann?«»Jeden Stern kannst du damit erkennen. Komm, hier hast du dein Fernrohr wieder.«Aber die Mutter bittet darum, es auch einmal aus-probieren zu dürfen. Nachdem sie es von allen Seiten bewundert hat, sieht sie hindurch. Dann stellt sie es vorsichtig auf den Tisch, legt die Hän-de vor ihr Gesicht, zieht sie ein bisschen herab und wirft dem Vater über die Fingerspitzen hin-weg einen dunklen, strahlenden Blick zu.

»Kann ich eigentlich den Mond da auch mit er-kennen?«, fragt Martin.Görge wirft ein, heute Abend gebe es keinen Mond.»Aber Sterne?«»Sterne genug.«»Dann will ich mal zwei Sterne ... drei Sterne will ich mal mit mein Fernrohr erkennen.«Sowie das Abendbrot beendet ist, läuft Martin auf die Terrasse und sucht den Himmel mit sei-ner Zwirnrolle ab.Nach einer Viertelstunde schiebt er sich in die Bi-bliothek und wartet, dass der Vater, der dort die Zeitung liest, einmal aufblickt.»Na, Martin?«»Leider kann ich da doch keinen richtigen Stern mit erkennen.«»Warum denn nicht?«»Ne. Ich kann nur Pünkte erkennen.«»So sehen die Sterne eben aus. Wie Punkte.«»In mein Bilderbuch sehen sie aber gaaanz anders aus. Weißt doch, mit so Zacken herum und so.«Der Vater denkt, die Bilderbuchmaler täten auch besser, bei der Wahrheit zu bleiben. Nun kann er zusehen, wie er dem armen Martin über die Ent-täuschung hinweghilft, die sie verschuldet haben.

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»Die gewöhnlichen Sterne sehen tatsächlich wie Punkte aus. Und wenn du durch Christophs und Görges Fernrohr guckst, dann sehen sie immer noch wie Punkte aus. Da hilft nichts. Etwas an-deres ist es wohl mit dem Weihnachtsstern. Der hat wohl diesen herrlichen Glanz und die Strah-len und alles.«»Kann ich den Weihnachtsstern denn mal mit mein Fernrohr erkennen?«»Ich glaube nicht, Martin. Er scheint in unserer Zeit nicht mehr am Himmel. Ich hab ihn jeden-falls noch nie gesehen.«»Wie schaaade.«Und dann kommt der Abend, an dem Christoph und Görge ihr Fernrohr zum ersten Male im Frei-en aufstellen, um die Wunder der Himmelswelt zu erforschen. Es ist inzwischen bitterkalt geworden, bald wird Weihnachten sein, der frisch gefallene Schnee glitzert im Sternenlicht. Die übrige Fa-milie nimmt, in Mäntel gehüllt, an dem Ereig-nis Anteil. Aber Christoph und Görge haben vor lauter Leidenschaft nicht einmal ihre Jacken an. Sie wollen versuchen, die Monde des Jupiters zu beobachten. So einfach scheint es indessen nicht zu sein, eines bestimmten Sternes habhaft zu werden. Man darf das Fernrohr nur mit den Fin-

gerspitzen berühren, denn die kleinste Bewegung lässt das tanzende Pünktchen wieder aus dem Sehfeld verschwinden.»Trampel doch nicht so laut hier herum, Vio!«»Welcher ist denn der Jupiter?«, fragt Martin.Der Vater führt den Blick des Jungen von einem dunklen Föhrenwinkel zum Gürtel des Orion und von dort über den Aldebaran zu den Plejaden und dann zu dem leuchtenden Stern, der schräg da-rüber steht.»Das ist er.«Martin zieht den Mantel hoch und kramt in seiner Hosentasche herum. Dann setzt er sein Fernrohr an, beugt den Kopf zurück und sucht den Jupiter. Mit einem Male sagt er leise zu sich selbst: »Oh!« Und noch einmal wie erschrocken: »Oh!«Und dann ganz überwältigt: »Oh!«»Was ist denn?«, fragt der Vater.»Ich erkenne den Weihnachtsstern!«, flüstert Martin, ohne die Zwirnrolle von seinem Auge zu nehmen.»Wirklich? Wie sieht er denn aus? «»Mit lauter so darum herum aus Gelb und Grün und Golden.«Da muss der Vater doch auch einmal durch Martins Fernrohr sehen. Und wirklich, es gleißt und schim-mert um den Jupiter herum, dass es nur so eine Art

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hat. Aber der Vater erkennt auch gleich, wie das Feu-erwerk zustande kommt. Auf der Glasscherbe sitzt ein fettiger Fingerabdruck über dem andern, und in den zarten Rillen bricht sich der Sternenschein, glänzt auf und versprüht zu farbigen Strahlen.»Uh, jetzt!«, ruft Christoph. »Jetzt hab’ ich’s. Zwei kann man sehen! Zwei Monde! Ganz deutlich!«Viola hüpft von einem Bein aufs andere. »Ich auch mal!«»Erst ich«, sagt Görge. »Du verstehst ja doch nichts davon.« Der Vater legt das Fernrohr wieder in Martins ausgestreckte Hand und sagt, dass er noch nie in seinem Leben einen so zauberhaften Stern erblickt habe wie diesen. »Komm, Mutti soll sich auch einmal daran freuen.«»Haben Christoph und Görge ihn auch erkannt?«»Nein. Das Fernrohr von Christoph und Görge ist nur für gewöhnliche Sterne bestimmt.«»Wem sein Fernrohr findest du besser, meins oder Christoph und Görge seins?«»Ein besseres Fernrohr als das, womit man den Weihnachtsstern erblicken kann, dürfte es wohl nirgends auf der Welt geben.«»Oh!«, sagt Martin.

Manfred Hausmann

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Vorwe i hnachts-freude im Advent

»Nanu, du wolltest doch heuer

Weihnachten gar nicht feiern?«

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Feiertage

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Mutter ist nervösVater ist nervösKind ist nervösOma ist nervösOma ist gekommenUm Mutter zu helfenVater hat gesagtSei nicht nötig gewesenKind steht im WegMutter steht im WegOma steht im WegVater steht im WegAlle ham geschafftMit allerletzter KraftVater hat gebadetMutter hat gebadetKind hat gebadetOma hat gebadetAlle ham gepacktUnd alle sind gerannt

Und schließlich hatDer Baum gebranntMutter ist gerührtVater ist gerührtKind ist gerührtOma ist gerührtUnd dann werdenDie Pakete aufgeschnürtMutter ist GekränktVater ist gekränktKind ist gekränktOma ist gekränktDenn jeder hat dem anderenWas falsches geschenktSchwiegertochter kommtPatentante kommtLieblingsbruder kommtGroßneffe kommtKuchen ist zu süßPlätzchen sind zu süßMarzipan ist zu süßUnd der Baum ist miesMutter ist beleidigtVater ist beleidigtKind ist beleidigtOma ist beleidigt

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Friede auf ErdenUnd den MenschenEin UnbehagenVater hats am MagenMutter hats am MagenKind hats am MagenOma hats am MagenKann nichts mehr vertragenNach all diesen TagenMutter ist alleinVater ist alleinKind ist alleinOma ist alleinAlle sind alleinDoch an OsternWollen alleIn jedem FalleWieder zusammen sein.

Hanns Dieter Hüsch

Vorfreuden auf Weihnachten

TEin Kind – von einem Schiefertafel- Schwämmchenumhüpft – rennt froh durch mein Gemüt.

Bald ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht.Dann blüht er Flämmchen.Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmtund mild. – Es werden Lieder, Düfte fächeln. –

Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,wird dann noch gütig lächeln.

Wenn wir im Träume eines ewigen Traumsalle unfeindlich sind – einmal im Jahr! – uns alle Kinder fühlen eines Baumes.

Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.

Joachim Ringelnatz